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Download als pdf - Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern

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Sehr verschieden, oft widersprüchlich können die Formen des Umgangs<br />

mit Fremden sein: Während die einen anfangen zu hätscheln und zu tätscheln,<br />

zu verniedlichen und zu bemuttern, väterliche Ratschläge und Drohungen<br />

auszusprechen, reagieren andere mit Mißachtung und Ignoranz,<br />

mit Arroganz und Diskriminierung bis hin zu offener Aggression. Eine<br />

Integration, die nicht vom Staat verordnet und organisiert wurde, blieb<br />

unter den Bedingungen, unter denen Ausländer in der DDR lebten, häufig<br />

aus.<br />

Ebensowenig wie das Bildungssystem der DDR diese Phänomene <strong>als</strong><br />

hausgemachte anerkannte und thematisierte, tat es auch der wissenschaftliche<br />

Bereich. Fragen des Zusammenlebens von In- und Ausländern, von<br />

Mehrheit und Minderheiten in der DDR waren kein Forschungsthema.<br />

Demgegenüber widmete sich die DDR-Migrationsforschung durchaus<br />

medizinischen, psychologischen und bildungspolitischen Problemen, die<br />

in Zusammenhang mit der Ausländerbeschäftigung in kapitalistischen<br />

Ländern standen. Es gibt eine Reihe von (Forschungs-)Literatur zur antifaschistischen<br />

und antirassistischen Erziehung sowie zahlreiche Materialien<br />

<strong>für</strong> den Einsatz vom Kindergarten bis zur Hochschule, die in der DDR<br />

selbst nie beachtet wurden. Zumal ohnehin relativ wenige ausländische<br />

Kinder in den DDR-Bildungseinrichtungen anzutreffen waren: 1989 gab es<br />

11.500 Ausländer unter 18 Jahren und etwa 10.000 Studenten.<br />

Irene Runge, Dozentin an der Sektion Geschichte der Humboldt-Universität<br />

Berlin, resümierte 1989: »Unsere Forschungsdefizite sind nur ein<br />

Beweis da<strong>für</strong>, daß die widersprüchliche Realität dieses Themas zwischen<br />

Kerzen <strong>für</strong> Rumänien und Restaurantsperren <strong>für</strong> Angolaner weder ins akademische<br />

noch ins publizistische Bewußtsein gedrungen ist. Die Medien<br />

und die Wissenschaft wurden faktisch zu Komplizen von Nationalisten entwürdigt.<br />

Ihr verordnetes Schweigen mehrte unsere Gewißheit, daß die<br />

DDR unerschütterlich und fest auf jenem Boden steht, der Völkerhaß und<br />

Rassismus wurzellos hinterlassen hat. Das Leben aber zeigt, daß jede Saat<br />

ihren Boden findet.« 10<br />

Ein ideologisch verstelltes Weltbild ließ jenen Staat, der meinte, »alles zum<br />

Wohle des Volkes« zu tun, vieles verleugnen und über vieles hinwegsehen.<br />

Idee und Realität durften einander nicht beißen, sie sollten eins sein.<br />

Zwischen Tabu und Ideologie: Ausländer in den Printmedien der DDR<br />

Zu jeder Zeit gibt es eine ganz bestimmte Art und Weise des Sprechens und<br />

des Schweigens. Nachträglich läßt sie sich am ehesten im Original aufspüren,<br />

im gesprochenen und geschriebenen Wort. Auf der Suche nach<br />

derartigen Analysen stieß ich auf zwei gar nicht zufällig grundverschiedene<br />

Beiträge. Der eine – geschrieben im Jahr 1993 – kam von Ulrich Makosch,<br />

der von 1972–1990 Stellvertretender Chefredakteur im Deutschen Fernsehfunk<br />

der DDR war. Der andere von Marianne Krüger-Potratz, die in<br />

der BRD seit langem zu Migration und Ausländerpolitik forscht und 1991<br />

ein Buch veröffentlichte: »Anderssein gab es nicht – Ausländer und Minderheiten<br />

in der DDR«. Die eine beginnt, wo der andere aufgehört hat:<br />

Während Marianne Krüger-Potratz die Präsenz von Ausländern in den<br />

Medien der DDR und ihrem Bildungssystem unter die Lupe nimmt, zeichnet<br />

Ulrich Makosch die Afrika-Berichterstattung unter den durch die<br />

Systemauseinandersetzungen gegebenen Bedingungen nach. Er beschreibt<br />

Situationen und Begegnungen in Afrika, die er <strong>als</strong> Auslandskorrespondent<br />

mit Menschen der dortigen Befreiungsbewegungen und späteren Regierungen<br />

hatte, beschreibt die Arbeitsbedingungen der Journalisten und<br />

ihre Zusammenarbeit beziehungsweise Auseinandersetzung mit den heimischen<br />

Funktionären.<br />

In Bezug auf die DDR-Journalisten kommt er zu dem Schluß: »Sie stellten<br />

keine Ansprüche an Aufenthalt und Aufenthaltsland, schrieben nicht aus<br />

der sterilen Distanz des klimatisierten Hotelzimmers, nicht mit Abstand,<br />

Besserwisserei oder Paternalismus. Sie machten die Sache der Freiheitskämpfer<br />

zu ihrer eigenen.« 11<br />

Laut Makoschs Analyse waren die folgenden Themen Schwerpunkte der<br />

Afrika-Berichterstattung:<br />

das Streben nach nationaler Unabhängigkeit und die Zurückweisung<br />

aller Formen des Kolonialismus und Rassismus, Solidarität mit Afrika, die<br />

Forderung nach einer gerechten Weltwirtschaftsordnung, Naturkatastrophen,<br />

Staatsbesuche und besondere Ereignisse wie Kongresse, Parteitage<br />

etc., Frauenemanzipation, Alphabetisierung, Fragen der bilateralen Zusammenarbeit<br />

und wirtschaftliche Fortschritte der afrikanischen Staaten.<br />

Dabei blieben innere Vorgänge von erheblicher Bedeutung häufig unerwähnt<br />

und unkommentiert. Man nahm Rücksicht auf die durch ihre<br />

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