3Die beste LiebeSCHLÜSSELTEXT:Hoheslied 1,12–2,7
KAPITELDREIWie anmutig du gehst!! Deine Wangen sind reizend,umrahmt von geflochtenen Zöpfen. Dein Hals,von Juwelen geschmückt, ist wunderschön.Hoheslied 1,9–11Wir erleben einen massiven Kurzschluss in unserem Gehirn,wenn wir in der Bibel (in der Bibel!) einen Vers über Sexlesen. Wie kann es sein, dass ein Buch, das uns geistlich erbauensoll, über solche „fl eischlichen“ Dinge spricht? Irgendetwasstimmt da nicht! Und am Ende denken wir, dass es am inspiriertenText liegen muss; obwohl die Trennung zwischen Geist undLeib womöglich in unseren Köpfen stattfi ndet.logistike genannt wurde) war mit allem Edlen, Höherwertigemverbunden, während der Körper mit allem Minderwertigen inVerbindung gebracht wurde. Auf diese Weise war alles „Geistige“oder „Spirituelle“ gut und begehrenswert (im erhabenstenSinn des Wortes), alles „Fleischliche“ jedoch nicht so gut,auch wenn es für viele begehrenswert war (im lüsternen Sinndes Wortes).„Was? Unmöglich! Wir sind die amweitesten entwickelte Kultur in derGeschichte. Niemand kann so komplexdenken wie wir“, sagst du.„Na ja“, sage ich darauf,„das trifft nicht ganz zu.“Worauf du mir erwiderst:„Das muss du mir beweisen.“„Okay“, sage ich, „aber du musst gutaufpassen, denn die Erklärung brauchtdeine ganze Aufmerksamkeit.“Und so antworte ich. Es sieht so aus, als hätte alles mit einemMann namens Platon und seinen Ansichten über die Welt unddie Menschen begonnen. Platon war Philosoph und glaubte,dass wir eine duale Natur hätten (mit anderen Worten, dass siesich in zwei Teile aufspalten ließe). Ein Teil wäre die Seele undder andere der Körper. Die Seele existiere bereits vor dem Körperund könne während ihrer gesamten Existenz in verschiedenenKörpern leben (etwas Ähnliches wie die Reinkarnation; ernannte es Metempsychose). Die Seele (besonders der Teil, der„Hallo – kannst du mir folgen?“frage ich dich.„Ja,“ sagst du, „aber sei etwas genauer.“Zusammenfassend kann man sagen, dass alles, was sich auf dasGeistige oder Intellektuelle bezieht, gut ist und alles, was mitdem Körper zu tun hat, nicht so gut. Dieser Gedanke wurde vomchristlichen Gelehrten Tertullian aufgegriffen, der sagte: „Da alles,was den Körper betrifft, schlecht ist, ist Sex außerordentlichschlecht.“ (Das waren nicht genau seine Worte, aber fast).„Haben die Leute ihm geglaubt?“,fragst du.„Bis in unsere Zeit hinein“, antworte ich.Und füge hinzu: „Aber die Bibel ist nichtdualistisch. Das ‚Geistige’ ist genauso gutwie das, was mit dem Körper zu tun hat.“Ja, das Hohelied spricht ganz natürlich über Sex, denn am rechtenPlatz (das ist zu beachten), ist Sex etwas ganz Natürliches.Und, so würde ich zu sagen wagen: begehrenswert. Wie gesagt:am rechten Platz.MAGNA OPERA 27