Magna Opera - Jugendgebetslesung 2021
Bibelstudienmaterial zum Hohelied Salomos zur Jugendgebetslesung 2021 der Adventjugend.
Bibelstudienmaterial zum Hohelied Salomos zur Jugendgebetslesung 2021 der Adventjugend.
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W A S M A C H T D I E S E S
BUCH
IN DER
Bibel?
EINLEITUNG
Selbst in einer derart globalisierten Welt wie der unseren, beeinflussen
Tabus nach wie vor unser Denken. Solche Tabus
können zum Beispiel in Form von Stereotypen auftreten – ganz
gleich, ob sie stimmen oder nicht – und zu einem Hindernis für
unser Verständnis anderen Menschen gegenüber werden. Andere
Tabus verzerren unsere Gedanken durch Vorurteile, ob sie ausgesprochen
werden oder nicht. Und das gleiche geschieht selbst
heute noch mit dem Hohelied Salomos. Wir öffnen die Bibel in
der Erwartung, Geschichten zu finden, die uns Orientierung geben
und uns als Vorbilder dienen; oder Lieder, die unseren Geist erheben
und uns bewegen; oder häufig auch Regeln, die unseren Weg
vorgeben. Wir erwarten nicht ein Buch zu finden, das uns von
Liebe im Alltag erzählt, von den Zweifeln und Leidenschaften, die
mit ihr einhergehen, von den Komplimenten und Konflikten, der
sexuellen Intimität – in einer Sprache voller Andeutungen. Doch da
ist es, mitten in der Bibel. Und das hat einen Grund. Denn nichts
wurde jahrhundertelang in der Bibel bewahrt, ohne dass es unser
Verständnis von Gott und der Welt verbessert hätte. Gar nichts.
Weise wie er ist, stellt Salomo gern unsere Stereotypen infrage,
damit wir neue Standpunkte einnehmen können. Das erreicht er
in den Sprüchen mit einer Sammlung von Lebensweisheiten (einige
von ihm selbst, viele von anderen), die es uns ermöglichen,
unterschiedliche Versionen der in den menschlichen Redensarten
enthaltenen Einsichten zu erkennen. Dasselbe geschieht im
Kohelet (Prediger), wo er alles in Frage stellt, damit wir den,
der Alles ist (den allmächtigen, allwissenden, allgegenwärtigen
und allliebenden Gott) und den Respekt, den wir ihm schulden,
besser verstehen können. Und besonders im Hohelied Salomos,
wo er unsere Aufmerksamkeit auf die aufrichtige und natürliche
Liebe eines Paares lenkt (und auch auf die Liebe Gottes zu seinem
Volk – wenn wir diese vorsichtige Allegorie herstellen). Eine
Liebe, die so natürlich und aufrichtig ist, dass sie unsere künstlichen
und dissonanten Tabus zerstreut. Es besteht kein Zweifel,
dass Salomo viel über künstliche und dissonante „Liebschaften“
wusste, aber in seinem Wechselspiel von Leben und Reflexion
hat er uns ein unglaublich schönes Buch über wahre Liebe hinterlassen.
Ohne Platon, ohne Disney, ohne Netflix. Eine lebbare
Liebe. Deshalb steht das Buch in der Bibel.
Wie hat Salomo das gemacht? Nun, er griff weder auf die Tweets
seiner Zeit (die Sprüche) noch auf die philosophischen Abhandlungen
(Kohelet) zurück. Stattdessen entschied er sich für den
Gewinner der Grammys und schuf ein musikalisches Meisterwerk.
Für die einen – die Religiösesten – ist es ein Oratorium; für
die anderen – die Gebildetsten – eine Oper; für manche – die
Film- und Theaterliebhaber – einfach ein Musical. Für uns ist das
Genre nebensächlich. Es kommt vielmehr darauf an, dass es der
Ausdruck der Liebe zweier Menschen in Form von Gesang und
Poesie ist. Wer hat noch nie ein Liebesgedicht geschrieben? Du?
Entschuldige, aber dann hast du eine ebenso leidenschaftliche
wie peinliche Erfahrung verpasst (ich schreibe das für die Pragmatiker
unter euch, die dennoch irgendwann von Gefühlen der
Liebe überschwemmt wurden und es lieber vergessen würden).
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