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Logbuch - Eingefroren am Nordpol

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25.09.2019, Tag 6

[…] Auf die Arktis muss man sich einlassen. Was

ihre Schönheit ausmacht, ist die unendliche

Weite des Eises. Die absolute Ruhe, nur

durchbrochen von den leisen, knirschenden und

quietschenden Geräuschen, mit denen sich

Eisbrocken aneinanderschieben. Die klirrende

Luft, das sachte Treiben der Schneekristalle

über den weiten Eisflächen, die einzigartigen

Lichtstimmungen, die sich im Laufe des Jahres

ganz allmählich ändern.

Es entsteht ein einmaliges kleines Forscherdorf

Und dann erreichen wir endlich die Eiskante.

Das Schiff bäumt sich auf. Ein Zittern geht durch den Rumpf, als wir auf die harten Eisschollen

treffen. Unsere Polarstern tut, was sie am liebsten tut: Sie bahnt sich ihren Weg durch das Eis. Es

kracht und knirscht, rumpelt und wirft das Schiff hin und her, aber Polarstern hält das nicht auf.

29.09.2019, Tag 10

Was ist mit der Arktis los?

Im März 2008 kehrte ich nach einigen Jahrzehnten zum

ersten Mal in die Arktis zurück. […]

Nach der Landung stellte ich mich ans Ufer. Ich fühlte

Beklemmung, und unaufhaltsam sickerte eine Ahnung in

mein Bewusstsein: Hier war eine Welt dabei,

unaufhaltsam verloren zu gehen. Früher war diese

Landschaft im Winter durch und durch gefroren

gewesen: blaues Eis, weißer Schnee, so weit das Auge

reichte. Jetzt plätscherte mir offenes Wasser vor den

Füßen. Und überhaupt: die Gletscher! Ich suchte mit den

Augen die Gletscherkante und fand sie nicht. Zurück in

der Station verglich ich meine Fotos, die ich vorhin im

Flugzeug geschossen hatte, mit früheren Aufnahmen.

Kongsfjord im März 1992 (oben) und 2018 (unten)

Deutlich zeigte sich: Immer schneller zogen sich die

Eismassen zurück. Was passierte hier? Die Antwort lässt sich in den Daten der Forschungsstation

ablesen: Im Jahresdurchschnitt ist es seit Mitte der 1990er Jahre hier um etwa 3,5°C wärmer

geworden, viel schneller als auf dem Rest des Planeten, und im Winter sogar um sagenhafte 7°C.

Tatsächlich erwärmt sich die gesamte Arktis mehr als doppelt so stark wie der Rest der Welt, im

Winter schneller als im Sommer. Und damit zieht sich auch das Eis zurück: über 40% in den letzten

40 Jahren.

Das Eis, das noch da ist, bricht schneller und schmilzt früher. Dadurch gibt es auch viel weniger altes

Meereis. Und genau das spüren wir auf unserer Expedition.

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