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Logbuch - Eingefroren am Nordpol

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Schneehöhlen zur Welt. Sie sind also auf das Meereis angewiesen, das in den letzten Jahrzehnten

dünner und jünger geworden ist. Gerade diesen Lebensraum auf dünnem Eis, von dem es immer

mehr gibt, bevorzugen Eisbären, denn in dem dünnen einjährigen Eis hält sich auch ihre Beute auf:

Robben, die nur in der schmalen Eisdecke Löcher aufhalten können, um dort Luft zu holen. Einige

Bärenpopulationen in der Zentralarktis scheinen daher derzeit - und wohl nur vorübergehend – vom

Klimawandel zu profitieren. Die Datenlage ist jedoch dünn, denn die Tiere lassen sich viel

schwieriger zählen und beobachten als ihre Verwandten an Land. Und wenn das arktische Eis durch

die Erderwärmung im Sommer ganz verschwindet, werden auch die geschätzten 26000 Eisbären

ihren Lebensraum verlieren. Wenn wir den Schwund des Eises nicht aufhalten, wir der Eisbär in

einigen Jahrzehnten wahrscheinlich aussterben.

18.7.2020, Tag 303

Noch zweimal kehrt der Bär in der Nacht zurück. Auch morgens ist er wieder da. Er läuft gelangweilt

an der Küstenlinie unserer Scholle entlang und legt sich dann dort schlafen. Anscheinend findet er

es in unserer Nähe gemütlich. Für uns ist seine Anwesenheit das nicht: Wir können so nicht auf dem

Eis arbeiten. Wir schieben den Bären mit dem Heli etwa zwei Seemeilen weit weg über eine Fläche

offenen Wassers auf eine Nachbarscholle.

Ein Blick auf der Meereiskarte der Arktis, die

basierend auf Satellitendaten täglich erstellt

wird, zeigt bereits jetzt, also noch früh in der

Schmelzsaison, riesige eisfreie Gebiete in der

sibirischen Arktis. Nicht nur die Barentsee ist

bereits komplett eisfrei, was für diese

Jahreszeit noch normal wäre, auch die

Karasee, die Laptewsee, die Neusibirische See

und die Tschuktschensee sind bereits nahezu

eisfrei. Das ist dramatisch. Noch nie waren

Mitte Juli auf dieser Seite der Arktis so große

Bereiche eisfrei.

Das Meereis schmilzt mittlerweile auch am Nordpol im Sommer

beträchtlich

Hier sehen wir wohl auch Monate später noch die Auswirkungen der ungewöhnlichen Wetterlage

des letzten Winters, welche die schnelle Transpolardrift verursacht hatte. Das System ist gekoppelt.

Der ungewöhnliche Wind des Winters hat Monate später eine Auswirkung auf die

Meereisverteilung, welche wiederum das aktuelle Wetter beeinflusst. Und sein Einfluss auf die

momentane Eisverteilung wird langfristige Auswirkungen auf das Ökosystem im und unter dem Eis

haben und zu veränderten Energie- und Stoffflüssen zwischen Ozean, Eis und Atmosphäre führen.

All dies wird wiederum Auswirkungen auf die atmosphärische Zirkulation im nächsten Winter

haben. In Permafrostböden ist Methan erhalten. Wenn also die globale Temperatur steigt und die

Permafrostböden auftauen, wird die Atmosphäre zusätzlich weiter aufgeheizt. Wie Zahnrädchen

greifen hier alle Prozesse des arktischen Klimasystems ineinander und führen zu schwer

vorhersagbaren Veränderungen in allen Bereichen, wenn einer der Prozesse gestört wird. Zu

verstehen, wie dieses Uhrwerk funktioniert, wie all diese Prozesse ineinandergreifen, ist unsere

Mission.

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