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SZ-Landkreisausgaben Freitag, 31. Dezember 2010<br />

Porträt DAH,EBE,ED,FS,FFB,München City,München Nord,München Süd,München West,STA,Wolfrhsn. Seite R18<br />

<strong>Es</strong> <strong>darf</strong> <strong>ruhig</strong> <strong>rumpeln</strong><br />

Die Brüder Utz haben Elektrorollstuhl-<strong>Hockey</strong> miterfunden, zwei von ihnen sind nun Weltmeister– ein Symbol für den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung<br />

Von Thomas Hahn<br />

München – Eine kleine Eifersucht hat Oswald<br />

Utz dann doch noch in sich entdeckt.<br />

Dieses Mannschaftsgefühl, das seine<br />

Brüder in Italien erlebten – das hätte<br />

er auch gerne gehabt, weil dieses Miteinander<br />

ja für ihn immer zum Großartigsten<br />

gehörte, als er selbst noch ein aktiver<br />

Elektrorollstuhl-<strong>Hockey</strong>spieler war.<br />

Aber natürlich ändert das nichts daran,<br />

dass er stolz ist auf die Brüder: Weltmeister<br />

sind sie jetzt. Was für eine Errungenschaft.<br />

„Ich hab mich total gefreut“,<br />

sagt Oswald Utz. Und die Brüder, Stefan<br />

und Roland, fallen immer noch in so eine<br />

nachdenkliche Seligkeit, wenn sie sich<br />

daran erinnern, wie sie vor Wochen mit<br />

der Nationalmannschaft im Finale von<br />

Lignano-Sabbiadoro die unbesiegten Favoriten<br />

aus den Niederlanden bezwangen.<br />

7:6 nach Verlängerung. „Mich hat<br />

das schon . . .“ Roland Utz hält inne. Er<br />

zügelt sich ein bisschen, weil er nicht kitschig<br />

klingen will: „Das hat uns sehr,<br />

sehr stolz gemacht.“ Und auch Stefan<br />

Utz schwärmt ganz vorsichtig: „Weltmeister<br />

klingt natürlich gut.“ Er weiß, es<br />

ist nur ein E-<strong>Hockey</strong>-Erfolg, keine Weltrettung.<br />

Trotzdem. <strong>Es</strong> ist groß.<br />

Glück und sportlicher Erfolg sind für<br />

die Utz-Brüder Oswald, 45, Roland, 43,<br />

und Stefan, 41, nie das Gleiche gewesen,<br />

dazu haben sie schon zu viel erlebt. Sie<br />

haben gespielt, um zu gewinnen, aber ihr<br />

Ehrgeiz hatte nie etwas Zwanghaftes.<br />

Sie haben gerne ihren Spaß. Sie kichern<br />

und flachsen mit ihren hohen Stimmen,<br />

die immer ein bisschen so klingen, als laufe<br />

das Band zu schnell. Und dieser Weltmeistertitel,<br />

den Roland und Stefan Utz<br />

nun mit nach Hause, nach München gebracht<br />

haben, wo ihr ältester Bruder und<br />

Wegbereiter Oswald als Behindertenbeauftragter<br />

der Stadt wirkt, hat nicht nur<br />

deshalb eine Bedeutung für die Drei,<br />

weil es eben schön ist, eine Goldmedaille<br />

um den Hals hängen zu haben und Glückwünsche<br />

der Sportbürgermeisterin Christine<br />

Strobl zu empfangen. E-<strong>Hockey</strong> ist<br />

das Spiel, das sie als Schüler der Stiftung<br />

Pfennigparade miterfunden haben, das<br />

sie geprägt haben als Spieler und Funktionäre<br />

der Munich Animals im TSV Forstenried.<br />

<strong>Es</strong> ist der Ausdruck ihrer Lebensfreude,<br />

ein Symbol für die Freiheit, die<br />

auch in sogenannten aufgeklärten Gesellschaften<br />

nicht leicht zu kriegen ist für<br />

Menschen mit Schwerstbehinderung. Eine<br />

Nebensache, vor der große Sorgen<br />

klein werden können. Der Titel macht<br />

ihr Glück vollkommen, nicht nur leben,<br />

sondern auch spielen zu können.<br />

Wenn Stefan Utz vom entscheidenden<br />

WM-Tor erzählt, ist er ganz tief drin in<br />

seinem Sport. Er beschreibt den Sudden-<br />

Death-Treffer des Ladenburgers Paul<br />

Emmering wie ein Gemälde, das die<br />

Kunst seines Sports spiegelt, dieses fein<br />

abgestimmte Mosaik aus Blocken, Passen,<br />

Schießen, man kann sich dabei gut<br />

vorstellen, wie das geklungen hätte,<br />

wenn ein Live-Reporter den siegbringenden<br />

Spielzug geschildert hätte: „Auf der<br />

rechten Seite tankt sich Görkem Oguz<br />

durch, der Kapitän aus Ladenburg, Jörg<br />

Diehl und Stefan Utz blocken im Raum<br />

die Angriffswege frei. Oguz findet Emmering<br />

auf links. Emmering müsste schießen.<br />

Emmering schießt . . . !“ Aber das<br />

ist nicht alles, was Stefan Utz erzählen<br />

will, und bei Roland Utz ist es auch nicht<br />

alles; zumal der das Finale als Ersatz erlebte<br />

und diese WM seine letzte war, weil<br />

Sie kichern und flachsen: Die Brüder Stefan, Roland und Oswald Utz (von links) strahlen große Lebensfreude aus. Fotos: Robert Haas<br />

er das Alter spürt. Die Utz-Brüder gehören<br />

nicht zu den Sportlern, die nur über<br />

Sport sprechen. Sie haben ein großes Thema.<br />

Das Thema lautet Leben mit Behinderung,<br />

und dabei geht es nie nur um sie,<br />

sondern auch um die anderen Leute mit<br />

Behinderung, um die weiteren Münchner<br />

Weltmeister Markus Koch, Julian Schorr<br />

und Andreas Vogt etwa, um die Kollegen<br />

aus den anderen Klubs, sogar um die Rivalen<br />

aus den Niederlanden.<br />

In ihrem Heimatdorf galten sie<br />

als Sünde, in München sind<br />

sie ihren Weg gegangen.<br />

Die Utz-Brüder haben Glasknochen,<br />

Osteogenesis imperfecta, eine Erbkrankheit,<br />

bei welcher der Knochenaufbau so<br />

gestört ist, dass der passive Bewegungsapparat<br />

praktisch nicht belastbar ist. Sie<br />

haben viel Mist erlebt deswegen, daher<br />

kommt ihr Bewusstsein fürs Größere.<br />

Wenn man sich mit den Brüdern trifft,<br />

kann es jedenfalls passieren, dass das Gespräch<br />

über Flachpässe und holländischen<br />

Überehrgeiz irgendwann hinübergleitet<br />

in Erzählungen von Alltagsdiskriminierung<br />

und aufgezwungenen Grenzen.<br />

Und die Utz-Brüder erzählen dabei<br />

so sachlich und klaglos, dass ihre Geschichte<br />

am Ende nicht als Beschwerde<br />

dasteht, sondern als entlarvendes Porträt<br />

einer Nichtbehinderten-Gesellschaft,<br />

die sich offenbar gar nicht vorstellen<br />

kann, dass auch in einem unvollkommenen<br />

Körper ein gesunder Geist wohnt.<br />

<strong>Es</strong> ist nicht nur lustig gewesen für die<br />

Utz-Brüder, im tiefen, katholischen Franken<br />

aufzuwachsen, im 200-Seelen-Kaff<br />

Weppersdorf. Bis heute ist nicht geklärt,<br />

wie es passieren konnte, dass der Bauer<br />

Utz und seine Frau drei Söhne mit dem<br />

gleichen Gen-Defekt zur Welt bringen<br />

konnten, für viele Nachbarn hingegen<br />

war die Sache klar. „Wir galten im Dorf<br />

als Sünde“, sagt Roland Utz. Das war<br />

schwer für die Eltern, und das spürten<br />

die Brüder. Sie mussten bei Besuchen gerade<br />

sitzen, obwohl es ihre schwachen<br />

Knochen belastete. Die Eltern achteten<br />

darauf, dass niemand die Buben sah,<br />

wenn sie draußen waren. Und als die<br />

Schulzeit begann, sahen die Brüder, dass<br />

für sie ein Weg vorgesehen war, der auf<br />

ihre Wünsche und Talente keine Rücksicht<br />

nahm: eine sogenannte Heimkarriere<br />

mit Förderschulabschluss und anschließendem<br />

Job in der Behindertenwerkstatt.<br />

Oswald ist als Erster auf diesen Weg gebracht<br />

worden, natürlich, er ist ja der Älteste.<br />

Er war auch der Erste, der ausbrach,<br />

neue Wege einschlug, Rückschläge<br />

einsteckte, weiterkämpfte. Sein erster<br />

Versuch, auf ein Regel-Gymnasium zu gehen,<br />

schlug fehl, weil er wegen eines Beinbruchs<br />

die Probezeit verpasste. Er wechselte<br />

nach München, schloss die Realschule<br />

der Stiftung Pfennigparade ab, machte<br />

doch noch Abitur auf dem Lion-<br />

Feuchtwanger-Gymnasium, begann ein<br />

Studium der Kommunikationswissenschaft<br />

– und scheiterte erneut. „Ich war<br />

nur mit Dingen beschäftigt, die meine Behinderung<br />

betrafen, mit den ganzen Barrieren,<br />

statt mit dem Studium“, sagt Oswald<br />

Utz. Er hielt das nicht aus. Er musste<br />

abbrechen. Er sagt: „Ich nehme das als<br />

persönliche Niederlage.“<br />

Seine Geschichte ist gut ausgegangen.<br />

Die seiner Brüder auch, die aus Oswalds<br />

Etwas weniger ehrgeizig als die Holländer,<br />

dafür Weltmeister: Roland Utz<br />

beim E-<strong>Hockey</strong><br />

Fehlern lernten und ihm ohne Umwege<br />

nach München folgten. Roland arbeitet<br />

als Sozialpädagoge, Stefan hat nach der<br />

Mittleren Reife auch ohne Beruf sein Seelenheil<br />

gefunden als Abteilungsleiter<br />

und Spieler der Animals. Oswald ist der<br />

Behindertenbeauftragte. Alle Drei führen<br />

ein selbstbestimmtes Leben in eigenen<br />

Wohnungen nach dem sogenannten<br />

Arbeitgebermodell, bei dem ihre Pfleger<br />

ihre Angestellten sind und die Kommunen<br />

ausgleichen, was sie nicht selbst finanzieren<br />

können. Oswald und Roland leben<br />

in festen Beziehungen. Roland und<br />

Stefan sind Weltmeister. Aber sie wissen,<br />

dass sie es ohne ihren Beharrungswillen<br />

nicht so weit gebracht hätten, weil das<br />

Fördersystem im Land es nicht unbedingt<br />

darauf anlegt, Schwerstbehinderte<br />

auf diesen teuren, selbstbestimmten Weg<br />

zu bringen. „Wir haben da ganz wenig<br />

Unterstützung bekommen“, sagt Stefan.<br />

„Ich habe das Gefühl, ich habe das selber<br />

gemacht“, sagt Roland. „Ich glaube, dass<br />

ganz viele Behinderte ihrer Bildungschancen<br />

beraubt werden“, sagt Oswald.<br />

Oswald Utz erinnert sich an den Sport<br />

Mitte der achtziger Jahre in der Pfennigparade.<br />

„Wir haben Luftballon über die<br />

Schnur gespielt.“ Er schmunzelt. „Das<br />

ist so langweilig, wie es klingt.“ Sie<br />

brauchten ein anderes Spiel. Eines mit<br />

Bewegung und ein bisschen Aneinander<strong>rumpeln</strong>.<br />

So entstand E-<strong>Hockey</strong> in<br />

Deutschland, und wieder haben die drei<br />

Brüder ein Beispiel dafür, dass es gar<br />

nicht wirklich die körperliche Behinderung<br />

ist, die sie einschränkt. Sondern<br />

dass es die Barrieren im Kopf jener Nichtbehinderten<br />

sind, die bei Menschen mit<br />

Glasknochen nur deren Schwäche sehen,<br />

nicht deren Talent.<br />

Die Utz-Brüder mögen ihre unvollkommenen<br />

Körper. „Ich komme in Erlebniswelten,<br />

in die wäre ich nie gekommen,<br />

wenn ich in Weppersdorf als Fußgänger<br />

aufgewachsen wäre“, sagt Oswald. „Ich<br />

bin froh, dass ich meine Behinderung habe“,<br />

sagt Stefan. „Ich bin froh, dass ich<br />

bin, wie ich bin“, sagt Roland. Dann kichern<br />

sie wieder und flachsen mit ihren<br />

hohen Stimmen. Und wenn man nicht<br />

wüsste, dass sie sich über sich selbst amüsieren,<br />

könnte man den Eindruck haben,<br />

dass die Utz-Brüder diese ganzen zweibeinigen<br />

Lebensverwalter auslachen, die<br />

sich gar nicht vorstellen können, dass<br />

man auch mit Glasknochen Weltmeister<br />

werden kann.<br />

SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A48624889<br />

Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra031


SZ-Landkreisausgaben Freitag, 31. Dezember 2010<br />

Von Thomas Hahn<br />

<strong>Es</strong> <strong>darf</strong> <strong>ruhig</strong> rumpe<br />

Porträt DAH,EBE,ED,FS,FFB,München City,München Nord,München Süd,München West,STA,Wolfrhsn. Seite R18<br />

Die Brüder Utz haben Elektrorollstuhl-<strong>Hockey</strong> miterfunden, zwei von ihnen sind nun Weltmeister– ein S<br />

München – Eine kleine Eifersucht hat Oswald<br />

Utz dann doch noch in sich entdeckt.<br />

Dieses Mannschaftsgefühl, das seine<br />

Brüder in Italien erlebten – das hätte<br />

er auch gerne gehabt, weil dieses Miteinander<br />

ja für ihn immer zum Großartigsten<br />

gehörte, als er selbst noch ein aktiver<br />

Elektrorollstuhl-<strong>Hockey</strong>spieler war.<br />

Aber natürlich ändert das nichts daran,<br />

dass er stolz ist auf die Brüder: Weltmeister<br />

sind sie jetzt. Was für eine Errungenschaft.<br />

„Ich hab mich total gefreut“,<br />

sagt Oswald Utz. Und die Brüder, Stefan<br />

und Roland, fallen immer noch in so eine<br />

nachdenkliche Seligkeit, wenn sie sich<br />

daran erinnern, wie sie vor Wochen mit<br />

der Nationalmannschaft im Finale von<br />

Lignano-Sabbiadoro die unbesiegten Favoriten<br />

aus den Niederlanden bezwangen.<br />

7:6 nach Verlängerung. „Mich hat<br />

das schon . . .“ Roland Utz hält inne. Er<br />

zügelt sich ein bisschen, weil er nicht kitschig<br />

klingen will: „Das hat uns sehr,<br />

sehr stolz gemacht.“ Und auch Stefan<br />

Utz schwärmt ganz vorsichtig: „Weltmeister<br />

klingt natürlich gut.“ Er weiß, es<br />

ist nur ein E-<strong>Hockey</strong>-Erfolg, keine Weltrettung.<br />

Trotzdem. <strong>Es</strong> ist groß.<br />

Glück und sportlicher Erfolg sind für<br />

die Utz-Brüder Oswald, 45, Roland, 43,<br />

und Stefan, 41, nie das Gleiche gewesen,<br />

dazu haben sie schon zu viel erlebt. Sie<br />

haben gespielt, um zu gewinnen, aber ihr<br />

Ehrgeiz hatte nie etwas Zwanghaftes.<br />

Sie haben gerne ihren Spaß. Sie kichern<br />

und flachsen mit ihren hohen Stimmen,<br />

die immer ein bisschen so klingen, als laufe<br />

das Band zu schnell. Und dieser Weltmeistertitel,<br />

den Roland und Stefan Utz<br />

nun mit nach Hause, nach München ge-<br />

Sie kichern und flachsen: Die Brüder Stefan, Roland und Oswald Utz (von links) strah<br />

bracht haben, wo ihr ältester Bruder und er das Alter spürt. Die Utz-Brüder gehö- Weppersdorf. Bis heute ist nicht geklärt,<br />

Wegbereiter Oswald als Behindertenberen nicht zu den Sportlern, die nur über wie es passieren konnte, dass der Bauer<br />

auftragter der Stadt wirkt, hat nicht nur Sport sprechen. Sie haben ein großes The- Utz und seine Frau drei Söhne mit dem<br />

deshalb eine Bedeutung für die Drei, ma. Das Thema lautet Leben mit Behin- gleichen Gen-Defekt zur Welt bringen<br />

weil es eben schön ist, eine Goldmedaille derung, und dabei geht es nie nur um sie, konnten, für viele Nachbarn hingegen<br />

um den Hals hängen zu haben und Glück- sondern auch um die anderen Leute mit war die Sache klar. „Wir galten im Dorf<br />

wünsche der Sportbürgermeisterin Chris- Behinderung, um die weiteren Münchner als Sünde“, sagt Roland Utz. Das war<br />

tine Strobl zu empfangen. E-<strong>Hockey</strong> ist Weltmeister Markus Koch, Julian Schorr schwer für die Eltern, und das spürten<br />

das Spiel, das sie als Schüler der Stiftung und Andreas Vogt etwa, um die Kollegen die Brüder. Sie mussten bei Besuchen ge-<br />

Pfennigparade miterfunden haben, das aus den anderen Klubs, sogar um die Rirade sitzen, obwohl es ihre schwachen<br />

sie geprägt haben als Spieler und Funktivalen aus den Niederlanden.<br />

Knochen belastete. Die Eltern achteten<br />

onäre der Munich Animals im TSV Fors-<br />

darauf, dass niemand die Buben sah,<br />

tenried. <strong>Es</strong> ist der Ausdruck ihrer Lebensfreude,<br />

ein Symbol für die Freiheit, die<br />

auch in sogenannten aufgeklärten Gesell-<br />

In ihrem Heimatdorf galten sie<br />

als Sünde, in München sind<br />

wenn sie draußen waren. Und als die<br />

Schulzeit begann, sahen die Brüder, dass<br />

für sie ein Weg vorgesehen war, der auf<br />

schaften nicht leicht zu kriegen ist für<br />

Menschen mit Schwerstbehinderung. Ei- sie ihren Weg gegangen.<br />

ihre Wünsche und Talente keine Rücksicht<br />

nahm: eine sogenannte Heimkarriene<br />

Nebensache, vor der große Sorgen<br />

re mit Förderschulabschluss und an-<br />

klein werden können. Der Titel macht Die Utz-Brüder haben Glasknochen, schließendem Job in der Behinderten-<br />

ihr Glück vollkommen, nicht nur leben, Osteogenesis imperfecta, eine Erbkrankwerkstatt. sondern auch spielen zu können. heit, bei welcher der Knochenaufbau so Oswald ist als Erster auf diesen Weg ge-<br />

Wenn Stefan Utz vom entscheidenden gestört ist, dass der passive Bewegungsbracht worden, natürlich, er ist ja der Äl- Etwas w<br />

WM-Tor erzählt, ist er ganz tief drin in apparat praktisch nicht belastbar ist. Sie teste. Er war auch der Erste, der aus- der, da<br />

seinem SZdigital: Sport. Alle Rechte Er beschreibt vorbehalten den – Süddeutsche Sudden- haben Zeitung viel GmbH, Mist München erlebt deswegen, daher<br />

Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de<br />

Death-Treffer des Ladenburgers Paul kommt ihr Bewusstsein fürs Größere.<br />

brach, neue Wege einschlug, Rückschlä- A48624889 beim E<br />

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ge einsteckte, weiterkämpfte. Sein erster<br />

Emmering wie ein Gemälde, das die Wenn man sich mit den Brüdern trifft, Versuch, auf ein Regel-Gymnasium zu ge- Fehlern


sie ihren Weg gegangen.<br />

Menschen mit Schwerstbehinderung. Ei-<br />

sicht nahm: eine sogenannte Heimkarriene<br />

Nebensache, vor der große Sorgen<br />

re mit Förderschulabschluss und an-<br />

klein<br />

SZ-Landkreisausgaben<br />

werden können. Der Titel macht Die Utz-Brüder haben Glasknochen, schließendem Job<br />

Freitag,<br />

in der<br />

31.<br />

Behinderten-<br />

Dezember 2010<br />

ihr Glück vollkommen, nicht nur leben, Osteogenesis imperfecta, eine Erbkrankwerkstatt. sondern Porträt auch spielen zu DAH,EBE,ED,FS,FFB,München können. heit, bei welcher City,München der Knochenaufbau Nord,München so Süd,München Oswald ist als West,STA,Wolfrhsn. Erster auf diesen Weg Seite ge- R18<br />

Wenn Stefan Utz vom entscheidenden gestört ist, dass der passive Bewegungsbracht worden, natürlich, er ist ja der Äl- Etwas w<br />

WM-Tor erzählt, ist er ganz tief drin in apparat praktisch nicht belastbar ist. Sie teste. Er war auch der Erste, der aus- der, da<br />

seinem Sport. Er beschreibt den Sudden- haben viel Mist erlebt deswegen, daher brach, neue Wege einschlug, Rückschlä- beim E<br />

Death-Treffer des Ladenburgers Paul kommt ihr Bewusstsein fürs Größere. ge einsteckte, weiterkämpfte. Sein erster<br />

Emmering wie ein Gemälde, das die Wenn man sich mit den Brüdern trifft, Versuch, auf ein Regel-Gymnasium zu ge- Fehlern<br />

Kunst seines Sports spiegelt, dieses fein kann es jedenfalls passieren, dass das Gehen, schlug fehl, weil er wegen eines Bein- nach M<br />

abgestimmte Mosaik aus Blocken, Passpräch über Flachpässe und holländibruchs die Probezeit verpasste. Er wech- als Sozi<br />

sen, Schießen, man kann sich dabei gut schen Überehrgeiz irgendwann hinüberselte nach München, schloss die Realschu- Mittlere<br />

vorstellen, wie das geklungen hätte, gleitet in Erzählungen von Alltagsdiskrile der Stiftung Pfennigparade ab, mach- lenheil<br />

wenn ein Live-Reporter den siegbringenminierung und aufgezwungenen Grente doch noch Abitur auf dem Lion- und Spi<br />

den Spielzug geschildert hätte: „Auf der zen. Und die Utz-Brüder erzählen dabei Feuchtwanger-Gymnasium, begann ein Behinde<br />

rechten Seite tankt sich Görkem Oguz so sachlich und klaglos, dass ihre Ge- Studium der Kommunikationswissen- ren ein<br />

durch, der Kapitän aus Ladenburg, Jörg schichte am Ende nicht als Beschwerde schaft – und scheiterte erneut. „Ich war nen Wo<br />

Diehl und Stefan Utz blocken im Raum dasteht, sondern als entlarvendes Por- nur mit Dingen beschäftigt, die meine Be- Arbeitg<br />

die Angriffswege frei. Oguz findet Emmeträt einer Nichtbehinderten-Gesellhinderung betrafen, mit den ganzen Bar- ihre An<br />

ring auf links. Emmering müsste schieschaft, die sich offenbar gar nicht vorstelrieren, statt mit dem Studium“, sagt Os- nen aus<br />

ßen. Emmering schießt . . . !“ Aber das len kann, dass auch in einem unvollkomwald Utz. Er hielt das nicht aus. Er muss- nanzier<br />

ist nicht alles, was Stefan Utz erzählen menen Körper ein gesunder Geist wohnt. te abbrechen. Er sagt: „Ich nehme das als ben in<br />

will, und bei Roland Utz ist es auch nicht <strong>Es</strong> ist nicht nur lustig gewesen für die persönliche Niederlage.“<br />

Stefan s<br />

alles; zumal der das Finale als Ersatz er- Utz-Brüder, im tiefen, katholischen Fran- Seine Geschichte ist gut ausgegangen. dass sie<br />

lebte und diese WM seine letzte war, weil ken aufzuwachsen, im 200-Seelen-Kaff Die seiner Brüder auch, die aus Oswalds nicht so<br />

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<strong>rumpeln</strong><br />

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Porträt DAH,EBE,ED,FS,FFB,München City,München Nord,München Süd,München West,STA,Wolfrhsn. Seite R18<br />

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zu bringen. „Wir haben da ganz wenig<br />

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Unterstützung bekommen“, sagt Stefan.<br />

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gemacht“, sagt Roland. „Ich glaube, dass<br />

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beraubt werden“, sagt Oswald.<br />

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Oswald Utz erinnert sich an den Sport<br />

ern achteten<br />

Mitte der achtziger Jahre in der Pfennig-<br />

Buben sah,<br />

parade. „Wir haben Luftballon über die<br />

Und als die<br />

Schnur gespielt.“ Er schmunzelt. „Das<br />

Brüder, dass<br />

ist so langweilig, wie es klingt.“ Sie<br />

war, der auf<br />

brauchten ein anderes Spiel. Eines mit<br />

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Bewegung und ein bisschen AneinanderHeimkarrie<strong>rumpeln</strong>.<br />

So entstand E-<strong>Hockey</strong> in<br />

ss und an-<br />

Deutschland, und wieder haben die drei<br />

ehinderten<br />

Brüder ein Beispiel dafür, dass es gar<br />

nicht wirklich die körperliche Behindeesen<br />

Weg gerung<br />

ist, die sie einschränkt. Sondern<br />

ist ja der Äl- Etwas weniger ehrgeizig als die Hollän- dass es die Barrieren im Kopf jener Nichtte,<br />

der aus- der, dafür Weltmeister: Roland Utz behinderten sind, die bei Menschen mit<br />

, Rückschlä- SZdigital: beim Alle Rechte E-<strong>Hockey</strong> vorbehalten – Süddeutsche Zeitung Glasknochen GmbH, München nur deren Schwäche sehen,<br />

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e. Sein erster<br />

nicht deren Talent.<br />

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asium zu ge- Fehlern lernten und ihm ohne Umwege Die Utz-Brüder mögen ihre unvoll


Heimkarrie-<br />

<strong>rumpeln</strong>. So entstand E-<strong>Hockey</strong> in<br />

ss und an-<br />

Deutschland, und wieder haben die drei<br />

ehinderten<br />

SZ-Landkreisausgaben<br />

Brüder ein Beispiel dafür, dass es gar<br />

Freitag, 31. Dezember 2010<br />

nicht wirklich die körperliche Behindeesen<br />

WegPorträt ge-<br />

DAH,EBE,ED,FS,FFB,München rungCity,München ist, die sie einschränkt. Nord,München Sondern Süd,München West,STA,Wolfrhsn. Seite R18<br />

ist ja der Äl- Etwas weniger ehrgeizig als die Hollän- dass es die Barrieren im Kopf jener Nichtte,<br />

der aus- der, dafür Weltmeister: Roland Utz behinderten sind, die bei Menschen mit<br />

, Rückschlä- beim E-<strong>Hockey</strong><br />

Glasknochen nur deren Schwäche sehen,<br />

e. Sein erster<br />

nicht deren Talent.<br />

asium zu ge- Fehlern lernten und ihm ohne Umwege Die Utz-Brüder mögen ihre unvolln<br />

eines Bein- nach München folgten. Roland arbeitet kommenen Körper. „Ich komme in Erlebte.<br />

Er wech- als Sozialpädagoge, Stefan hat nach der niswelten, in die wäre ich nie gekommen,<br />

ieRealschu- Mittleren Reife auch ohne Beruf sein See- wenn ich in Weppersdorf als Fußgänger<br />

de ab, machlenheil gefunden als Abteilungsleiter aufgewachsen wäre“, sagt Oswald. „Ich<br />

demLion- und Spieler der Animals. Oswald ist der bin froh, dass ich meine Behinderung habegann<br />

ein Behindertenbeauftragte. Alle Drei fühbe“, sagt Stefan. „Ich bin froh, dass ich<br />

tionswissenren ein selbstbestimmtes Leben in eige- bin, wie ich bin“, sagt Roland. Dann kiut.<br />

„Ich war nen Wohnungen nach dem sogenannten chern sie wieder und flachsen mit ihren<br />

ie meine Be- Arbeitgebermodell, bei dem ihre Pfleger hohen Stimmen. Und wenn man nicht<br />

ganzenBar- ihre Angestellten sind und die Kommu- wüsste, dass sie sich über sich selbst amüm“,<br />

sagt Osnen ausgleichen, was sie nicht selbst fisieren, könnte man den Eindruck haben,<br />

us. Er mussnanzieren können. Oswald und Roland le- dass die Utz-Brüder diese ganzen zweiehme<br />

das als ben in festen Beziehungen. Roland und beinigen Lebensverwalter auslachen, die<br />

Stefan sind Weltmeister. Aber sie wissen, sich gar nicht vorstellen können, dass<br />

usgegangen. dass sie es ohne ihren Beharrungswillen man auch mit Glasknochen Weltmeister<br />

aus Oswalds nicht so weit gebracht hätten, weil das werden kann.<br />

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