WeltWeit 02/2019 - Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit
Alter: Lebenszuversicht im Osterglauben Synergie statt Elend durch UNO-Migrationspakt
Alter: Lebenszuversicht im Osterglauben
Synergie statt Elend durch UNO-Migrationspakt
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weltweit<br />
ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEIT<br />
Alter: Lebenszuversicht<br />
im Osterglaube SEITE 10<br />
Synergie statt Elend durch<br />
UNO-Migrationspakt SEITE 4<br />
2/<strong>2019</strong>
2<br />
weltweit VORWORT<br />
Kinder <strong>und</strong> Clowns ergeben oft<br />
«herrliche Denkgelegenheiten».<br />
(Bild: Ulrich Töpfer)<br />
Denkensanregung<br />
Was unterscheidet Menschen am stärksten von<br />
ihren Mitgeschöpfen?<br />
Die Leistung ihres Gehirns, haben Sie jetzt vielleicht<br />
mit mir gedacht, sinnende Leserin, nachdenklicher<br />
Leser. Tatsächlich: Wir vermögen<br />
über vieles hinauszudenken. Das macht uns<br />
überlegen – aber auch anfällig <strong>für</strong> Täuschungen.<br />
Menschliche Instinkte sind denjenigen von Tieren<br />
unterlegen. Wir hören, sehen <strong>und</strong> riechen<br />
schlechter als viele von ihnen. Wir nehmen das<br />
Unmittelbare, Gegenwärtige oft nicht genügend<br />
wahr, bemerken nicht die Qualität der Luft, die<br />
wir einatmen, nehmen Veränderungen der Natur,<br />
von der wir leben, zu wenig wahr.<br />
Wir sind in vielen Lebensbezügen auf Wissen<br />
<strong>und</strong> Erklärungen angewiesen. Je weiter die zivilisatorische<br />
Entwicklung schreitet, desto weniger<br />
ist sie begreifbar – <strong>und</strong> umso mehr sind wir auf<br />
gut gesinnte Vermittlungen angewiesen. Die<br />
Dinge sind oft nicht, was sie scheinen. Darum<br />
müssen wir Menschen – zu unserem eigenen<br />
Wohl <strong>und</strong> <strong>für</strong> dasjenige aller – kritisch bleiben<br />
<strong>und</strong> selber denken, um möglichst nicht von falschen<br />
Autoritäten hinters Licht geführt zu werden.<br />
Überhaupt: «Ist mein Denken frei?» Haben Sie<br />
sich das auch schon gefragt? Im Gr<strong>und</strong>e ist<br />
unser Hirn eine unglaubliche Denkmaschine, die<br />
wie eine nie endende Filmrolle andauernd weiterspult.<br />
Können Sie das Denken oder negative<br />
Gedanken abschalten? Vermutlich geht das<br />
beim Schlafen – aber Einschlafenkönnen ist ja<br />
ein Geschenk, wie es alle erfahren, die diesbezüglich<br />
immer wieder Schwierigkeiten haben.<br />
Aber wie uns reges Träumen kündet, haben wir<br />
nachts unsere «geistige Freiheit» auch nicht im<br />
Griff. Dennoch ermöglicht uns der Standby-<br />
Betrieb beim Schlafen die Erholung, ohne die<br />
wir gar nicht leben könnten. Und wie wir von<br />
östlichen Meditationspraktiken wissen, führt das<br />
geübte Anhalten des Denkens in eine Ruhe <strong>und</strong><br />
Innerlichkeit <strong>und</strong> ermöglicht Gefühle von Einssein<br />
<strong>und</strong> Frieden. Tatsächlich: Ich persönlich<br />
mache immer wieder die Erfahrung, wie wohl es<br />
tut, «meine Denkmaschine» runterzufahren.<br />
Beobachten Sie mal Gespräche, die ziellos von<br />
einem unbesonnenen Stichwort zum andern<br />
«irren» – oder solche, die vor allem den Zweck<br />
verfolgen, Recht zu bekommen. Was es eigentlich<br />
bringt, fragen wir selten. Welchen Sinn verfolgt<br />
unser Reden? Zuwendung, Anteilnahme,<br />
Mitgefühl – oder fachliche Information, Kontrolle,<br />
Beeinflussung? Wir sollten dies mehr überlegen<br />
– auch beim Fernsehen, Zeitunglesen oder am<br />
Natel. Es tut gut, mehr Freiheit zu bekommen,<br />
bewusster etwas vermehrt zu tun (vielleicht mal<br />
jemandem zuzuhören) oder zu lassen («eigentlich<br />
wirkt der Klatsch-Tratsch nicht aufbauend!»).<br />
Der menschliche Geist ist zu Unglaublichem<br />
fähig – im Positiven wie Negativen. Machen wir<br />
doch kleinste Lernschritte, unsere «geistige Freiheit»<br />
mehr zu gestalten: in die Richtung, welche<br />
uns guttut.<br />
Theo Bühlmann
weltweit AUFTAKT<br />
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3<br />
INHALT<br />
H!NTERGRUND<br />
04 UNO-Migrationspakt: ergriffene Chance?<br />
STANDPUNKT<br />
07 Aus Menschenhandel Rettende<br />
MERKWÜRD!G<br />
08 Schweizer Politik im Nachhaltigkeitstest<br />
ALLEWELT<br />
09 Nachrichten aus aller Welt<br />
AUFERSTEHUNG<br />
10 Osterglaube am Lebensabend<br />
WEGWEISERIN<br />
14 Krankenpflegepionierin Sr. Liliane Juchli<br />
THEMENSEITEN<br />
16 Christliche Gottesmutter<br />
in neuem Verständnis<br />
04 UNO-Migrationspakt: zum Nutzen aller<br />
Weil die <strong>globale</strong>n Wanderbewegungen von einzelnen Ländern<br />
nicht mehr alleine zu meistern sind, gab die UNO-Generalversammlung<br />
2016 ein <strong>globale</strong>s Vereinbarungswerk in Auftrag:<br />
den Migrationspakt. Denn eine dauerhafte <strong>und</strong> vertrauensvolle<br />
Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- <strong>und</strong><br />
Aufnahmestaaten ist im Interesse aller. Wurde diese Chance,<br />
Migration menschenrechtskonfrom zu gestalten, genügend<br />
genutzt?<br />
23 KREUZQUER<br />
GESELLSCHAFTWELT<br />
24 50 Jahre Fastenkampagne: starke Frauen<br />
ANGEBOTE<br />
26 Veranstaltungen von Herausgebergemeinschaften<br />
AUSGEFALLEN<br />
27 «Kunstfleisch»: Beitrag gegen Hunger?<br />
VOYAGEPARTAGE<br />
28 Ein halbes Jahr in Südindien zu Hause<br />
PROJEKTHILFE<br />
29 Eine Existenz <strong>für</strong> 20 Frauen aus Nordostindien<br />
BRÜCKENSCHLAG<br />
30 Heilende Sandspieltherapie in Korea<br />
16 Maria – <strong>und</strong> unser Weiblichkeitsverständnis<br />
Der Mai gilt als Muttergottesmonat. Was hat die Mariengestalt<br />
der Altäre <strong>und</strong> Andachtsbilder mit der selbstbestimmten<br />
Frau von heute zu tun? Was haben «ihre» Dogmen zur<br />
Frauen- <strong>und</strong> Männeremanzipation zu sagen? <strong>WeltWeit</strong>-<br />
THEMENSEITEN auf den Spuren Marias in ihrer universalen<br />
Bedeutung <strong>und</strong> tief menschlichen Wirkkraft – auch interreligiös.<br />
PROJEKTHILFE<br />
32 Kinderheilk<strong>und</strong>e-Station in Kongo-Kinshasa<br />
PROJEKTHILFE<br />
33 Ausbildungen in Solarenergie in Westafrika<br />
PROJEKTHILFE<br />
37 Hilfe <strong>für</strong> sudanesische Flüchtlinge in Ägypten<br />
38 LESERBRIEFE<br />
AUFHEITERND<br />
40 Kasachstan erhält ein erneuertes Alphabet<br />
Titelbild: Aufstellende Begegnungen –<br />
auch eine Chance <strong>für</strong> die Glaubensstärkung.<br />
(Bild: wohnen-im-alter.de)<br />
2/<strong>2019</strong>
4<br />
Globaler<br />
Migrationspakt<br />
Migration <strong>und</strong> Flucht sind eine Chance zu mehr Multilateralismus <strong>und</strong> Kooperation.
5<br />
weltweit<br />
H!NTERGRUND<br />
Junge Rohingya-Flüchtlinge<br />
blicken über das Flüchtlingscamp<br />
Palong Khali in Bangladesch nahe<br />
der Grenze zu Myanmar.<br />
(Bild: Andrew McConnell, UNHCR)<br />
Schweizer Migrationsgeschichte<br />
ROSMARIE BÄR<br />
Ein historischer Moment, freute sich der Präsident der Generalversammlung<br />
am 10. Dezember 2018, als 164 UNO-Mitgliedstaaten<br />
in Marrakesch den Globalen Migrationspakt unterzeichneten.<br />
Mehr noch, es war ein historischer Tag: 70 Jahre zuvor<br />
wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEM) proklamiert<br />
– als zivilisatorische Antwort auf die Gräuel des Zweiten<br />
Weltkrieges. Der Migrationspakt basiert auf der AEM <strong>und</strong> vereinbart<br />
erstmals einheitliche Migrationsleitlinien. Justitia <strong>und</strong> Pax<br />
nennt sie einen Meilenstein der internationalen Zusammenarbeit.<br />
Marrakesch gingen Gezänk <strong>und</strong> schrille Debatten voraus. Widerstand<br />
gegen die Unterzeichnung formierte sich in fast allen europäischen<br />
Staaten.<br />
Ziel: Vertrauenszusammenarbeit<br />
Der Pakt ist nicht aus heiterem Himmel entstanden. Die «New<br />
Yorker Erklärung» der UNO-Generalversammlung vom September<br />
2016 hatte den Auftrag gegeben, zwei <strong>globale</strong> Vereinbarungen<br />
auszuarbeiten, einen «Flüchtlingspakt» <strong>und</strong> einen zu Migration.<br />
Es ist die Erkenntnis auf die «unkontrollierbare» Migrations<strong>und</strong><br />
Flüchtlingskrise 2015, dass die <strong>globale</strong>n Wanderbewegungen<br />
von den einzelnen Ländern nicht mehr alleine zu meistern<br />
sind. Notwendig ist eine dauerhafte <strong>und</strong> auf Vertrauen basierende<br />
Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- <strong>und</strong> Aufnahmestaaten:<br />
«Dieser Globale Pakt ist Ausdruck unserer gemeinsamen<br />
Verantwortung in der Frage der Migration, mit dem<br />
Ziel, sie zum Nutzen aller zu gestalten.» Mit dabei im Verhandlungsprozess<br />
waren auch jene Staaten, die heute dagegen<br />
Stimmung machen. MigrantInnen-, Menschenrechts- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen,<br />
das IKRK, ebenso die Privatwirtschaft<br />
<strong>und</strong> die Wissenschaft sassen mit am Tisch.<br />
Eine «sichere, geordnete <strong>und</strong> reguläre Migration» ist Ziel des<br />
Migrationspakts. Den Menschenrechten verpflichtet, zeigt er<br />
pragmatische Lösungsstrategien auf. Völkerrechtlich bindend ist<br />
er nicht, aber mit politischer <strong>und</strong> moralischer Verpflichtung. An<br />
seinen Standards müssen sich die Staaten künftig messen lassen.<br />
Die 23 Ziele lassen unschwer erkennen: Der Migrationspakt<br />
schützt die Rechte von MigrantInnen, stärkt Menschenwürde,<br />
Sicherheit <strong>und</strong> Schutz. Es geht um die Bekämpfung von Menschenhandel,<br />
Ausbeutung <strong>und</strong> Diskriminierung, es geht auch<br />
um die Bekämpfung negativer Migrationsursachen in den Herkunftsländern.<br />
Ausgenutzte <strong>und</strong> Profitierende<br />
Über 250 Millionen Menschen leben weltweit ausserhalb ihrer<br />
Heimatländer. Der Pakt will «faire <strong>und</strong> ethisch vertretbare Bedingungen<br />
schaffen <strong>für</strong> menschenwürdige Arbeit». Vor allem Wander-<br />
<strong>und</strong> Saisonarbeiter werden in vielen Ländern ausgenützt<br />
<strong>und</strong> ausgebeutet. Millionen Menschen sind in Zwangsarbeit<br />
Die junge Familie meiner Grossmutter väterlicherseits war<br />
arm, Grossvater meistens arbeitslos. Denn auch nach der<br />
ersten Juragewässerkorrektion wuchsen auf dem halbwegs<br />
entsumpften Boden des Berner Seelandes Not <strong>und</strong> Armut.<br />
Um ihre armengenössigen Familien loszuwerden <strong>und</strong> die<br />
Belastung der Gemeindekasse zu verringern, griffen zahlreiche<br />
Gemeinden zum Mittel der «Zwangsmigration». Mit finanziellen<br />
Anreizen wurden die Armen zur Auswanderung<br />
bewegt. So verzichteten mittellose Emigranten meiner Heimatgemeinde<br />
auf den ihnen zustehenden Burgernutzen:<br />
Holz, Allmend. Gegenleistung der Gemeinde war ein Reisekostenzustupf.<br />
Die Grenzen zwischen staatlich unterstützter<br />
Auswanderung <strong>und</strong> Abschiebung waren fliessend. Von<br />
Historikern wird die bernische Auswanderung des späten<br />
19. <strong>und</strong> frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>erts als ökonomisch bedingte<br />
Massenbewegung, SchweizerInnen als Wirtschaftsflüchtlinge<br />
bezeichnet. Hauptauswanderungsziel waren die<br />
(heutigen) Vereinigten Staaten. Amerikanische Behörden<br />
beklagten sich häufig über die schweizerische Praxis der<br />
«Abschiebung» missliebiger Personen.<br />
Die Behörde meiner Heimatgemeinde klopften damals auch<br />
bei meinen Grosseltern an <strong>und</strong> machten ihnen das «Glück»<br />
in Amerika schmackhaft. Bei meiner Grossmutter bissen sie<br />
auf Granit. Sie weigerte sich <strong>und</strong> blieb mit ihrer Familie zeitlebens<br />
in der Gemeinde. So wuchs mein Vater statt im fernen<br />
«New Berne» im Berner Seeland auf. Und ich verdanke<br />
mein Hiersein <strong>und</strong> den Schweizerpass der Standhaftigkeit<br />
meiner Grossmutter.<br />
Rosmarie Bär<br />
gefangen, als Hausangestellte, auf dem Bau, in der Landwirtschaft.<br />
Die Gemüseplantagen in Südeuropa gedeihen nur durch<br />
Ausbeutung Tausender MigrantInnen.<br />
Heute fehlen legale Zuwanderungsmöglichkeiten. MigrantInnen<br />
sind auf irreguläre Routen mit lebensbedrohlichen Gefahren verwiesen.<br />
Als «Wirtschaftsflüchtlinge» diffamiert oder als «illegale<br />
Einwanderer» kriminalisiert, drohen Abschiebung <strong>und</strong> Rückführung.<br />
Wie hoffnungslos müssen die Lebensperspektiven sein,<br />
dass Menschen aufbrechen, auch wenn sie um die Gefahren<br />
<strong>und</strong> Widrigkeiten wissen? Die Menschenkarawanen, die von<br />
Zentralamerika nach Mexiko <strong>und</strong> Richtung USA ziehen, sind<br />
traurige Zeugen davon.<br />
ArbeitsmigrantInnen können – so der Pakt – ein erheblicher Entwicklungsfaktor<br />
sein, im Zielland wie zu Hause. Beispiel: Die<br />
Rücküberweisungen der Diaspora sind wichtig zum Überleben<br />
der Familie. Sie übertreffen bei Weitem die staatlichen Entwicklungsmittel<br />
internationaler Geber. Ohne dieses Geld wäre der<br />
Migrationsdruck noch grösser. Aber die Überweisungen sind<br />
viel zu teuer. Das trifft besonders Frauen, die häufiger kleinere<br />
Beträge schicken. Diese Kosten zu senken, ist erklärtes Ziel<br />
2/<strong>2019</strong>
6<br />
weltweit<br />
H!NTERGRUND<br />
Max Frisch die chinesische Mauer bauen. Dieser Doktrin huldigen<br />
heute zu viele politisch Verantwortliche auf der Welt, von<br />
den USA über Australien bis zu den meisten Ländern der EU.<br />
Löbliche Ausnahme ist Deutschland. B<strong>und</strong>eskanzlerin Merkel<br />
mahnte in Marrakesch: «Es lohnt sich, um den Pakt zu kämpfen,<br />
wegen der vielen Menschen, die dadurch ein besseres Leben<br />
bekommen könnten, aber auch wegen des klaren Bekenntnisses<br />
zum Multilateralismus. Nur durch den werden wir unseren Planeten<br />
besser machen können.» Kein Zweifel, der Migrationspakt<br />
ist zum Einfallstor gegen den Multilateralismus geworden. Bornierter<br />
Nationalismus feiert Urständ. Völker- <strong>und</strong> Menschenrechte<br />
werden infrage gestellt. Medien jubeln gar, die Ära der<br />
Werte sei vorbei. Zivilisatorische Errungenschaften wie das friedliche<br />
Miteinander verlieren an Gewicht. Es geht an die Substanz<br />
der Demokratie.<br />
Globale Wanderbewegungen sind<br />
nicht mehr von einzelnen Ländern<br />
zu meistern.<br />
Eine solche Welt wollen wir<br />
alle nicht. (Bild: UNHCR)<br />
Paktes. Industriestaaten auf der anderen Seite profitieren in<br />
erheblichem Masse vom Zuzug qualifizierter Fachkräfte aus<br />
ärmeren Ländern. Die Abwanderung von ÄrztInnen, IT-Experten<br />
<strong>und</strong> Ingenieuren stellt <strong>für</strong> sie ein gravierendes Problem dar:<br />
«Brain-Drain» macht Investitionen im Ausbildungssektor zunichte.<br />
Gemeinschaftsdenken tut not<br />
Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit, fehlende Zukunftsperspektiven,<br />
Gewalt <strong>und</strong> Korruption sind starke Triebfedern, zu migrieren.<br />
Und die Schere zwischen Arm <strong>und</strong> Reich öffnet sich weltweit<br />
immer mehr. Um die unfreiwillige Migration an der Wurzel zu<br />
packen, braucht es nachhaltige Entwicklung in den Herkunftsländern.<br />
Und politische Änderungen, vor allem gerechtere<br />
Weltwirtschaftsregeln, um extreme soziale Ungleichheiten zu<br />
redu-zieren. Anleitung dazu gibt die Agenda 2030. Es wäre ein<br />
«ethisches Unrecht», würde eine Reform des internationalen<br />
Handels- <strong>und</strong> des Steuerrechtes ausgeklammert. Dort liegt ein<br />
Schlüssel, um Migrationsursachen zu bekämpfen.<br />
Die Klimaveränderung macht immer mehr Menschen in immer<br />
mehr Ländern zu «KlimamigrantInnen». Ihre Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />
sind bedroht. Der kausale Zusammenhang zwischen Klimawandel,<br />
Konflikten <strong>und</strong> Migration ist wissenschaftlich belegt. Das<br />
IKRK zeigt sich alarmiert über den Zusammenhang von Klimaveränderung<br />
<strong>und</strong> Gewalt in der Sahel-Zone. Alte Spannungen<br />
in Niger <strong>und</strong> Mali verschärfen sich. Fazit: Nur die Umsetzung<br />
der Klimaschutzziele im Pariser Übereinkommen verminderte<br />
den Migrationsdruck.<br />
«Um die Zukunft zu verhindern» <strong>und</strong> sein Weltbild nicht infrage<br />
stellen zu müssen, lässt der Kaiser im gleichnamigen Stück von<br />
Quo vadis Schweiz?<br />
Vor Marrakesch wurde in der Schweiz eine politische Lawine<br />
gegen den Pakt losgetreten, der Untergang der souveränen<br />
Schweiz verkündet. Es sei ein «verstecktes Umsiedlungsprogramm<br />
<strong>für</strong> Wirtschafts- <strong>und</strong> Armutsflüchtlinge». Wir könnten<br />
nicht alle aufnehmen, seien nicht das Sozialamt der Welt. Fakt<br />
ist: Im Pakt steht schwarz auf weiss, dass jeder Staat seine<br />
eigene Migrationspolitik bestimmen <strong>und</strong> selbstständig regeln<br />
kann. Die Verantwortung <strong>für</strong> ihre Einwanderungspolitik, den<br />
Zugang zum Arbeitsmarkt <strong>und</strong> den Schutz der Grenzen liegt<br />
bei ihm.<br />
Wer in der Schweiz <strong>für</strong> Abschottung plädiert, verweigert sich der<br />
Realität. Weder migriert die ganze Welt, noch wollen alle Menschen<br />
zu uns. 83 Prozent der Eingewanderten kommen aus<br />
europäischen Ländern. Die Wirtschaft ruft weiterhin nach ausländischen<br />
Arbeits- <strong>und</strong> Fachkräften. Aus ganz Afrika wanderten<br />
2017 gerade mal 4307 Personen ein. Der B<strong>und</strong>esrat sah sich<br />
genötigt, vorläufig auf eine Unterzeichnung des Paktes zu verzichten.<br />
Allerdings schreibt er dazu: «Die Leitprinzipien <strong>und</strong> Ziele<br />
entsprechen voll <strong>und</strong> ganz der Migrationspolitik der Schweiz.»<br />
Es wäre unverständlich <strong>und</strong> beschämend, wenn unser Land<br />
weiterhin zu den Verweigerer-Staaten gehören würde.<br />
Kein Finale, sondern einen Auftakt markiert die Annahme des<br />
Migrationspakts. Staat, Kirche <strong>und</strong> Zivilgesellschaft sind gemeinsam<br />
gefordert, ihn mit Leben zu füllen. In dieser Hinsicht macht<br />
Marrakesch Mut. Nur gemeinsames internationales Handeln<br />
kann zu guten <strong>und</strong> fairen Lösungen führen. Grenzen im Denken<br />
überwinden ist das Gebot. Oder wie Seneca mahnte: «Es kann<br />
niemand ethisch verantwortungsvoll leben, der nur an sich denkt<br />
<strong>und</strong> alles seinem persönlichen Vorteil unterstellt. Du musst <strong>für</strong><br />
den anderen leben, wenn du <strong>für</strong> dich selbst leben willst.» <br />
Rosmarie Bär, alt Nationalrätin, war bis Ende 2010 Koordinatorin <strong>für</strong><br />
Entwicklungspolitik bei Alliance Sud <strong>und</strong> verantwortlich <strong>für</strong> das Dossier<br />
«Nachhaltige Entwicklung».
7<br />
weltweit<br />
STANDPUNKT<br />
Sr. Anna Affolter ist Generalrätin der<br />
Ingenbohler Schwestern <strong>und</strong> im<br />
Vorstand der Herausgebergemeinschaft<br />
von <strong>WeltWeit</strong>.<br />
Menschenrettende<br />
SR. ANNA AFFOLTER<br />
Letzten Dezember hatte ich die Gelegenheit, unsere zwei Zentren<br />
gegen Menschenhandel in Indien zu besuchen. Was ich sah,<br />
hörte <strong>und</strong> erlebte, hat tiefe Eindrücke in mir hinterlassen. Unsere<br />
indischen Schwestern haben in den vergangenen Jahren ihr<br />
Engagement gegen Menschenhandel verstärkt. Eine Begebenheit<br />
in Delhi, wo unsere Schwestern sich mit verschiedenen Aktivitäten<br />
gegen Menschenhandel einsetzen, hat mich besonders<br />
Besprechung von Schwestern <strong>und</strong><br />
Mitarbeitenden einer NGO über<br />
Aktivitäten gegen Menschenhandel.<br />
(Bilder: Ingenbohler Schwestern)<br />
betroffen gemacht. An einem der Abende wurden zwei der<br />
Schwestern von einer Organisation, mit der unsere Schwestern<br />
intensiv zusammenarbeiten, <strong>für</strong> eine Rettungsaktion aufgeboten.<br />
Dabei handelt es sich um die Befreiung von Kindern, die Opfer<br />
von «Bonded Child Labour» (Kinderschuldknechtschaft) sind.<br />
Am andern Tag erfuhren wir, dass in einer lange vorbereiteten<br />
Aktion elf Kinder im Alter von neun bis siebzehn Jahren befreit<br />
werden konnten. Die Kinder waren in einem Haus gefangen<br />
gehalten <strong>und</strong> mussten unter strenger Beobachtung Taschen<br />
herstellen.<br />
Der Befreiungsschlag muss jeweils sehr schnell gehen. Jede<br />
Aktion ist gefährlich <strong>und</strong> riskant. Die Polizei nimmt die Aufsichtspersonen<br />
mit <strong>und</strong> übergibt sie der Justiz. Und bringt die Kinder<br />
an einen sicheren Ort, wo sie zuerst menschlich betreut <strong>und</strong><br />
medizinisch untersucht werden. Danach werden sie – wenn möglich<br />
– zu ihren Eltern zurückgebracht, die meist weit weg wohnen.<br />
Oder es wird <strong>für</strong> eine sichere Unterkunft gesorgt. Mit jedem<br />
einzelnen Opfer wird dann vor Ort in einem längeren<br />
Prozess eine gute Zukunft in Bezug auf Schule, Ausbildung<br />
oder Arbeit vorbereitet; die Kinder <strong>und</strong> die<br />
Familie werden begleitet. Bis Weihnachten plante die<br />
Organisation noch weitere Rettungsaktionen, um r<strong>und</strong><br />
200 Kinder <strong>und</strong> auch Erwachsene zu befreien.<br />
Ich vernahm von den Schwestern, dass Schätzungen<br />
zufolge ungefähr 15 Millionen Inderinnen <strong>und</strong> Inder<br />
in «Schuldknechtschaft» gefangen sind <strong>und</strong> so in<br />
sklavenähnlicher Abhängigkeit ausgebeutet werden.<br />
Diese Personen stammen aus armen Landgegenden.<br />
Sie nehmen in der Not ums Überleben bei unseriösen<br />
Geldverleihern Kredite auf, etwa um Saatgut oder<br />
andere lebensnotwendige Dinge zu kaufen. Die<br />
Schulden sind mit horrenden Zinsen belegt. Als Gegenleistung<br />
verlangen die Geldgeber, dass Familienmitglieder,<br />
vor allem Kinder, die Schulden abarbeiten<br />
müssen. Es wird geschätzt, dass etwa 5,7 Millionen<br />
indischer Kinder als Schuldknechte arbeiten, oft<br />
14 bis 16 St<strong>und</strong>en täglich, sieben Tage die Woche.<br />
Sie haben keine Chance auf Schulbildung <strong>und</strong> werden<br />
nicht selten missbraucht.<br />
Immer wieder, wenn ich an diese Realität <strong>und</strong> ihr Ausmass<br />
denke, läuft es mir kalt den Rücken hinunter.<br />
Da ich dieses Erlebnis im Dezember hatte, brachte<br />
ich es mit dem Sinn des Advents in Zusammenhang.<br />
In dieser Zeit wird viel um das rettende <strong>und</strong> befreiende<br />
Kommen Gottes gebetet. Hier in Delhi durfte ich<br />
erleben, wie der «Rettergott» Nachfolgerinnen <strong>und</strong><br />
Nachfolger gef<strong>und</strong>en hat. Sie schotten sich nicht ab <strong>und</strong> lassen<br />
sich nicht abschrecken von Risiken. Ohne Furcht um das eigene<br />
Leben setzen sie sich <strong>für</strong> die Würde <strong>und</strong> Rettung ausgebeuteter<br />
<strong>und</strong> versklavter Kinder <strong>und</strong> Erwachsener ein. Sie überlassen sich<br />
nicht der Hoffnungslosigkeit <strong>und</strong> dem Gedanken, dass sie im<br />
Vergleich zu der Zahl der Betroffenen «nur wenige» retten können.<br />
Im Glauben an den besonderen Schutz Gottes wissen sie,<br />
dass jede Rettung ein Beitrag ist zu einer besseren <strong>und</strong> gerechteren<br />
Welt. <br />
2/<strong>2019</strong>
8<br />
weltweit<br />
MERKWÜRDIG<br />
Unter dieser Rubrik erklärt <strong>WeltWeit</strong> einen «merkens-würdigen» entwicklungspolitischen<br />
Begriff oder beantwortet eine spannende Frage aus dem Entwicklungszusammenhang.<br />
Wenn Sie als Lesende(r) einen Begriff behandelt haben möchten oder falls Sie eine Frage<br />
beschäftigt, so schreiben Sie an die Redaktion: at.buehlmann@bluewin.ch<br />
Martin Fässler war bis 2014 Stabschef <strong>und</strong> Direktionsmitglied der Direktion <strong>für</strong> Entwicklung<br />
<strong>und</strong> Zusammenarbeit (DEZA). Er arbeitet heute als Berater <strong>für</strong> internationale Zusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> Fachdozent: «Nach dem Studium der Sozialwissenschaften, Lehr- <strong>und</strong> Wanderjahren<br />
als Hirt, Senn <strong>und</strong> Handwerker sowie der Arbeit mit randständigen Jugendlichen war<br />
ich in der humanitären Hilfe in Ex-Jugoslawien <strong>und</strong> im Horn von Afrika tätig. Ich war verantwortlich<br />
<strong>für</strong> Entwicklungsprogramme in der Region der Grossen Seen <strong>und</strong> in Mozambique<br />
<strong>und</strong> nachfolgend <strong>für</strong> die Ausgestaltung der Entwicklungspolitik der Schweiz.»<br />
Martin Fässler<br />
Nachhaltigkeitspolitik der Schweiz<br />
MARTIN FÄSSLER<br />
Die Staatengemeinschaft hat im Pariser Klimaabkommen eine<br />
Obergrenze von weniger als 2 Grad Celsius vereinbart. Trotzdem<br />
geht’s weiter auf einem Kurs, der zu einer <strong>globale</strong>n Erwärmung<br />
von 3 oder 4 Grad im Verlauf des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts führen wird.<br />
Schon heute lassen sich viele Veränderungen im <strong>globale</strong>n <strong>und</strong><br />
regionalen Klima beobachten: Hitzewellen werden häufiger,<br />
Dürren intensiver, Niederschläge stärker, tropische Wirbelstürme<br />
zerstörerischer. Unter den Auswirkungen solcher Extremwetterereignisse<br />
leiden besonders Entwicklungsländer. Dazu kommen<br />
graduelle Veränderungen: Die mittlere Wasserverfügbarkeit wird<br />
im Mittelmeerraum, im Nahen Osten sowie in Mittelamerika deutlich<br />
abnehmen; ebenso die Erträge wichtiger Feldfrüchte, besonders<br />
in den Tropen <strong>und</strong> Subtropen. Stark betroffen sind die Länder<br />
Afrikas. Das Risiko <strong>für</strong> Vertreibung durch Naturkatastrophen<br />
wird vielerorts weiter steigen.<br />
Die Umsetzung der Agenda 2030<br />
eröffnet enorme Chancen.<br />
Vor gut drei Jahren hat die Staatengemeinschaft die Agenda 2030<br />
mit 17 Nachhaltigkeitszielen verabschiedet. Eine Landkarte <strong>für</strong><br />
global gerechte Entwicklungsmöglichkeiten <strong>für</strong> alle Menschen auf<br />
einem ökologisch begrenzten Planeten, heute <strong>und</strong> in Zukunft.<br />
Die Welt ist von einer solchen Vision noch weit entfernt: in ökologischer<br />
Hinsicht, mit Blick auf soziale <strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>und</strong> in der<br />
Art des Wirtschaftens. Die Landkarte skizziert die notwendigen<br />
Wenden in Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft. Gefordert sind von Politik,<br />
Zivilgesellschaft, Unternehmen, Wissenschaft <strong>und</strong> allen Pionieren<br />
des Wandels umfassende Innovationen bei der Energieversorgung,<br />
der Mobilität, der Zukunft unserer Städte <strong>und</strong> unseren<br />
ebensstilen.<br />
Die Kernelemente <strong>für</strong> den Übergang zur Nachhaltigkeit finden sich<br />
in der Agenda 2030 <strong>und</strong> im Pariser Klimaabkommen: Verantwortung<br />
der jetzigen Generationen, um einen gefährlichen Wandel<br />
des Erdsystems zu vermeiden; Verknüpfung von nationalem <strong>und</strong><br />
<strong>globale</strong>m Gemeinwohl; Übernahme der Verantwortung <strong>für</strong> die Folgen<br />
gegenwärtigen Handelns; Entwicklung einer internationalen<br />
Zusammenarbeit, die es erlaubt, die Vielfalt der Gesellschaften als<br />
Ressourcen <strong>für</strong> Problemlösungen zu nutzen. Die Schweiz ist – wie<br />
andere Länder auch – gefordert, zu zeigen, wie ein Umsteuern in<br />
Richtung nachhaltige Entwicklung gelingen kann.<br />
Der Übergang fällt mit zwei weiteren Veränderungsprozessen zusammen:<br />
nationalistische, oft autoritäre, klimaskeptische, wissenschaftsfeindliche<br />
<strong>und</strong> «Our country first»-orientierte Bewegungen;<br />
die Gestaltung der digitalen Umbrüche. Auch hierzulande meinen<br />
etliche, Zukunftsaufgaben seien eher mit Abschottung zu bewältigen.<br />
Nachhaltige Entwicklung ist machbar <strong>und</strong> bezahlbar. Die Umsetzung<br />
der Agenda 2030 eröffnet enorme Chancen. Im Jahr <strong>2019</strong><br />
gibt es Gelegenheit zuhauf <strong>für</strong> mutige Weichenstellungen: ein<br />
neuer Anlauf im Ständerat <strong>für</strong> ein griffiges Klimagesetz; die neue<br />
Botschaft des B<strong>und</strong>esrates <strong>für</strong> die internationale Zusammenarbeit<br />
<strong>und</strong> diejenige <strong>für</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung 2<strong>02</strong>1 bis 2<strong>02</strong>4;<br />
die Überarbeitung der Strategie Nachhaltige Entwicklung der<br />
Schweiz.<br />
Wenn die Schweiz die Weichen <strong>für</strong> eine ambitionierte Umsetzung<br />
der Agenda 2030 mit griffigen Massnahmen stellt, aus «wohlverstandenem<br />
Eigeninteresse» eine starke internationale Zusammenarbeit<br />
ausbaut <strong>und</strong> öffentliche Mittel mit Blick auf das nationale<br />
<strong>und</strong> <strong>globale</strong> Gemeinwohl einsetzt, kann ein solches Zeichen der<br />
Weitsicht unsere Kinder stolz machen.<br />
Kirchen können Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit voranbringen<br />
helfen. Die päpstliche Enzyklika «Laudato si» <strong>und</strong> das<br />
Impulspapier der DEK «Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben –<br />
Die Agenda 2030 als Herausforderung <strong>für</strong> die Kirchen» unterscheiden<br />
sich wohltuend von der technischen Sprache einer ingenieursmässigen<br />
Bewältigung der Herausforderung. Beide sprechen<br />
über Werte, eine Art von Anti-Utilitarismus, die Integrität der<br />
natürlichen <strong>und</strong> menschlichen Mitwelt – <strong>und</strong> lassen attraktive Perspektiven<br />
entstehen.
9<br />
weltweit<br />
ALLEWELT<br />
Extreme Armut hat<br />
abgenommen<br />
Seit dem Jahr 2000 sind mehr als eine Milliarde Menschen der<br />
extremen Armut entkommen. Zwar gibt es auch arme Menschen<br />
oberhalb der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag, doch<br />
können sie sich auf mehr als das blosse Überleben konzentrieren<br />
<strong>und</strong> in die Zukunft schauen. Der Fortschritt kam mit einer<br />
ersten Welle in China <strong>und</strong> einer zweiten in Indien. Extreme Armut<br />
konzentriert sich nun zunehmend in Subsahara-Afrika – allerdings<br />
nur auf eine Handvoll Länder wie die Republik Kongo oder<br />
Nigeria – wo 2050 voraussichtlich 86 Prozent aller Betroffenen<br />
leben werden. Eine grosse Herausforderung ist das starke Bevölkerungswachstum.<br />
<br />
Goalkeepers Bericht der Gates Stiftung<br />
dische Vermögen von r<strong>und</strong> 3000 Milliarden Franken verwaltet.<br />
Das Risiko ist gross, dass Konzerne ihre Schweizer Firmensitze<br />
<strong>für</strong> Gewinnverschiebungen von Süd nach Nord <strong>und</strong> entsprechende<br />
Steuervermeidung auf Kosten von Entwicklungsländern nutzen.<br />
Gemäss Schätzungen des IWF verlieren Länder des Südens<br />
dadurch jährlich bis zu 200 Milliarden Dollar an Steuersubstrat. <br />
Dominik Gross, Alliance Sud<br />
Angriffe auf<br />
Pressefreiheit<br />
Laut der jährlichen Rangliste von Reporter ohne Grenzen hat<br />
sich 2018 in keiner anderen Weltregion die Situation der Medien<br />
so sehr verschlechtert wie in Osteuropa. Verbale Angriffe auf<br />
Journalisten durch Regierungen <strong>und</strong> Politiker, ein feindseliges<br />
Berichterstattungsklima, Drohungen <strong>und</strong> gewalttätige Übergriffe,<br />
juristische Verfolgung Medienschaffender <strong>und</strong> regierungsnahe<br />
Oligarchen als Medieneigentümer sind dabei Elemente, die<br />
der Pressefreiheit schaden. Aufsehenerregende Fälle wie die<br />
Ermordung des slowakischen Journalisten Ján Kuciak oder die<br />
Verurteilung Jovo Martinovićs in Montenegro aufgr<strong>und</strong> von<br />
berufsbedingten Kontakten in die Unterwelt weisen auf diese<br />
beunruhigende Entwicklung hin. <br />
Ökumenisches Forum G2W<br />
Geldabfluss aus<br />
Entwicklungsländern<br />
Der Washingtoner Think-Tank Global Financial Integrity schätzt,<br />
dass Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern jährlich eine Billion<br />
Dollar durch unlautere Finanzflüsse verloren geht. Dazu gehören<br />
nicht nur Gelder aus Geldwäscherei <strong>und</strong> Korruption, sondern<br />
auch «legale» aus der Steuerhinterziehung. Für die Nachhaltigkeitsziele<br />
der UN-Agenda 2030 bräuchte es weltweit mindestens<br />
5000 Milliarden Dollar jährlich. Zum Vergleich: Die weltweite Entwicklungszusammenarbeit<br />
liegt aktuell bei etwa 160 Milliarden<br />
Dollar pro Jahr.<br />
Als eines der grössten Finanzzentren der Welt mit der höchsten<br />
Pro-Kopf-Dichte an Konzernsitzen spielt die Schweiz in der<br />
Bekämpfung der entwicklungsschädigenden unlauteren Finanzflüsse<br />
eine sehr wichtige Rolle. 2017 wurden hierzulande auslän-<br />
Eine Bäuerin bei der Hirseernte in Burkina Faso.<br />
(Bild: Annette Boutellier, Fastenopfer)<br />
UNO-Menschenrechtsrat<br />
stärkt Bauern<br />
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen stärkt die Rechte<br />
von Bauernfamilien, Fischergemeinden <strong>und</strong> auch Nomadenvölkern<br />
durch eine Deklaration. Am 17. Dezember hat auch die<br />
UNO-Generalversammlung die Erklärung verabschiedet. Sie<br />
anerkennt das Recht auf Land <strong>und</strong> Saatgut, das von zentraler<br />
Bedeutung ist. Und gibt den Staaten Richtlinien <strong>für</strong> eine Politik<br />
an die Hand, die Hunger <strong>und</strong> Armut effizient bekämpft. Denn<br />
hierzu muss die Landwirtschaft besser unterstützt werden. Die<br />
Anerkennung <strong>und</strong> Stärkung der Bauernrechte ist da<strong>für</strong> zentral.<br />
In Afrika, Asien <strong>und</strong> Lateinamerika werden täglich Bauern <strong>und</strong><br />
Bäuerinnen bedroht oder gar ermordet. Die Schweizer Regierung<br />
hat <strong>für</strong> die Deklaration gestimmt. Auch in der Schweiz arbeiten<br />
Bauernfamilien oft unter schweren Bedingungen. Täglich verschwinden<br />
hierzulande zwei bis drei Bauernhöfe. <br />
Fastenopfer<br />
2/<strong>2019</strong>
10<br />
Auferstehen ins Leben<br />
Ostern ist <strong>für</strong> ChristInnen das Fest des Auferstehens. Wie ist es zu verstehen – auch im Älterwerden<br />
<strong>und</strong> Betagtsein?<br />
Bild: Theo Bühlmann
11<br />
weltweit<br />
AUFERSTEHUNG<br />
CHRISTIANE FASCHON<br />
«Christus ist auferstanden»: Der Ostergruss wird wieder in unzähligen<br />
Kirchen weltweit ertönen. Feierlich, jubelnd. Die Bestätigung<br />
aus dem Glaubensbekenntnis «Ich glaube an die Auferstehung<br />
der Toten». Was bedeutet Ihnen das? Besonders, wenn das Alter<br />
näher rückt <strong>und</strong> der zweite Satz eine sehr persönliche Note erhält.<br />
Viele ChristInnen glauben, dass es erst im Neuen Testament um<br />
die Auferstehung geht. Doch bereits in der hebräischen Bibel<br />
wird darüber berichtet. In einem rabbinischen Kommentar heisst<br />
es sogar: «Es gibt keine Stelle, in der die Schrift nicht über Auferstehung<br />
spricht.» Die Bibel ist also damit angefüllt. Nicht nur<br />
der Prophet Ezechiel (37,1–14) berichtet in einer dramatischen<br />
Vision über die Belebung der Toten. Bis heute beten JüdInnen<br />
täglich im Schmone-Esre, dem wichtigsten jüdischen Gebet:<br />
«Gelobt seist du Ewiger, der die Toten wieder belebt.»<br />
Jesus ist von den Toten auferweckt –<br />
wir werden ihm folgen.<br />
Ob man vom Stuhl aufsteht oder aus dem Tod aufersteht; es gibt<br />
da<strong>für</strong> im Neuen Testament nur ein griechisches Wort, das aus<br />
der Alltagssprache stammt: anhistemi. Im Deutschen dagegen<br />
unterscheiden sich die verschiedenen Bedeutungen nur durch<br />
eine Silbe. Das Aufstehen im Leben ist Welten vom Auferstehen<br />
nach dem Tod entfernt – Aufstand noch mehr. Ein weiteres Wort<br />
in diesem Zusammenhang ist «auferwecken»: Gott hat Jesus<br />
von den Toten auferweckt. Griechisch heisst es «egeiro»: aufwecken.<br />
Als ginge es ganz leicht, wie von einem Mittagsschlaf.<br />
Die gute Botschaft heisst: Gott hat Jesus von den Toten auferweckt,<br />
aufgeweckt. Er ist auferstanden, aufgestanden. Wir wissen<br />
nicht, wie das genau vonstattengeht; doch wir werden ihm<br />
folgen.<br />
Das Leben siegt<br />
«Ich glaube an die Auferstehung»: Wie steht es damit im Alter?<br />
Sr. Ingrid Grave, fast 80 Jahre alt, hat letztes Jahr in einem Interview<br />
erklärt, wie sie Auferstehung im Hier <strong>und</strong> Jetzt erlebt. Und<br />
dass sie auf eine Auferstehung nach dem Tode hofft. Doch «der<br />
Glaube an die Auferstehung lässt sich nicht befehlen», sagt die<br />
Nonne. Auch die berühmte Theologin Dorothee Sölle betonte,<br />
es brauche Mut zu sagen, dass das Leben stärker sei als der<br />
Tod. Gerade im Alter mit seinen Belastungen ist das eine Herausforderung.<br />
Früher wurden ChristInnen oft auf die jenseitige<br />
Welt vertröstet: Krankheit, Schmerz <strong>und</strong> Tod sollten die Gläubigen<br />
als Gottes Fügung <strong>und</strong> Willen annehmen, eine Prüfung,<br />
damit sie dann dem Reich Gottes würdig werden. Oder sie sollten<br />
sie als Strafe <strong>für</strong> vergangene Sünden sehen.<br />
Dagegen verwahren sich heute viele TheologInnen. Heinz Rüegger<br />
betont, dass selbst ein so berühmter Theologe wie Kurt Marti<br />
sein Leben im hohen Alter als «Leerlauf» bezeichnete! Bereits im<br />
Buch Hiob wird diese Idee abgelehnt. Die Fre<strong>und</strong>e Hiobs wollen,<br />
dass er in seinem Leiden einen Sinn sieht; Gott kritisiert sie<br />
da<strong>für</strong>. Rüegger betont, Leid sei keine Reifeprüfung. Wer das<br />
behaupte, werte die Erfahrung der Betroffenen ab. Da gebe es<br />
vieles auszuhalten, ohne schnelle Tröstung! Vieles bleibe ungelöst.<br />
Er verweist auf Dietrich Bonhoeffers Aussage, das Letzte<br />
sei in Gottes Hand, das Vorletzte aber, also auch Leid <strong>und</strong> Alter,<br />
gehöre in unser Leben.<br />
Standhalten üben<br />
Für den Glauben gibt es nur zwei Wege: Ausweichen oder Annehmen.<br />
Integrität werde im letzten Reifeprozess unseres Lebens<br />
der Verzweiflung, Todesfurcht <strong>und</strong> dem Lebensekel gegenüber<br />
gestellt, schrieb Erik H. Erikson. Schlichter gesagt: Alter ist<br />
nichts <strong>für</strong> Feiglinge. Im Alter flüchten manche in den Konsum,<br />
andere wachsen tiefer in den Glauben. Religion <strong>und</strong> Spiritualität<br />
wird <strong>für</strong> viele wichtiger. Der eigene Tod, der Tod Nahestehender<br />
ist unausweichlich. Der Umzug in ein Heim steht an, es kommen<br />
Krankheiten <strong>und</strong> Einschränkungen; andere bestimmen immer<br />
mehr über das eigene Leben. Mit einer vertrauensvollen Gottesbeziehung<br />
fällt vieles leichter. Glaube ist nachweislich ges<strong>und</strong>heitsfördernd;<br />
er baut Stress ab. Glaube hilft auch, mit dem<br />
eigenen Leben Frieden zu machen.<br />
Glaube ist in der jetzigen Generation der Betagten (noch) ein<br />
Thema. Auch die Kirche, selbst wenn sie infrage gestellt wird.<br />
Glaube ist oft nicht mehr die Kirchenfrömmigkeit von früher, sondern<br />
eher das Einssein mit Gott im Gebet, die Verb<strong>und</strong>enheit mit<br />
Menschen im Gottesdienst, mit der Natur oder auch in der Meditation.<br />
Glaube kann helfen, selbst in negativen Erfahrungen Hoffnung<br />
zu finden. Und den Tod in einem anderen Licht zu sehen.<br />
Reich Gottes<br />
Dein Leiden wird nicht ewig anhalten. Das Licht ist da <strong>und</strong> wird<br />
eines Tages auch <strong>für</strong> dich wieder sichtbar. Darauf können wir<br />
vertrauen. Niemand kann die Dunkelheit, die ganz persönliche<br />
Trauerarbeit überspringen, die Verzweiflungsarbeit auslassen.<br />
Ein Teil von uns muss sterben, die alte Welt auseinanderbrechen,<br />
damit wir unser eigenes Menschsein verzeihend annehmen<br />
<strong>und</strong> uns daran wieder erfreuen können. Bitten wir um die<br />
Gabe des Verstehens oder der Versöhnung, der Wiederentdeckung<br />
des Sinn.<br />
Es sind Zeiten der Wandlung, in denen du die Kontrolle verlierst,<br />
die dich letztlich von Angst <strong>und</strong> Mühen frei machen.<br />
Die dich dem Fluss von Gottes <strong>für</strong>sorglicher Liebe anvertrauen<br />
lassen, in der du alles empfangen kannst. Der Tod wird etwas<br />
Heiliges, offenbart ein viel grösseres Geheimnis. Er führt dich<br />
in einem heiligen Raum, in dem du die Wirklichkeit der Güte<br />
<strong>und</strong> Liebe berührst als grosses Mysterium, welches die<br />
Gegensätze aufnimmt <strong>und</strong> in welchem das Leben von Gr<strong>und</strong><br />
auf in Ordnung ist: im Reich Gottes.<br />
Nach Richard Rohr<br />
«Wer loslässt, wird gehalten», Claudius Verlag<br />
2/<strong>2019</strong>
12<br />
weltweit<br />
AUFERSTEHUNG<br />
Eine gute Begleitung<br />
von Kranken <strong>und</strong> Pflegebedürftigen<br />
beinhaltet<br />
auch das Spirituelle.<br />
(Bild: Techniker Krankenkasse<br />
Hamburg)<br />
Dabei sei nochmals betont: Es kann nicht darum gehen, in Demenz,<br />
Lebensmüdigkeit <strong>und</strong> Schmerz immer Gottes Wille hineinzuinterpretieren.<br />
Besteht darin womöglich ein vorbereitender<br />
Weg des Loslassens?<br />
Für manche wird der Glaube in der Erinnerung an die Kindheit<br />
<strong>und</strong> Jugend zur Last. Ein drohender Gott, wie die Kirchen ihn<br />
lange gepredigt haben, kann Angst vor seiner Strafe nach dem<br />
Tod auslösen. Seelsorge ist daher im Alter besonders wichtig,<br />
um das eigene Gottesbild zu prüfen. Vielleicht geht es jetzt<br />
darum, sich vom «furchtbaren Glauben» lösen zu können.<br />
30 «geschenkte» Jahre<br />
In den letzten 150 Jahren haben wir 30 Jahre an Lebenserwartung<br />
gewonnen. Professor Peter Gross, Fachmann zum Thema<br />
Alter, betont, dass man heute im Alter Zeit geschenkt erhalte,<br />
über sich <strong>und</strong> sein Leben nachzudenken. Im Alter können Türen<br />
aufgehen. Männer <strong>und</strong> Frauen gehen wieder zur Schule, sie nehmen<br />
an Kursen an Volkshochschulen, bei Pro Senectute oder<br />
der kirchlichen Erwachsenenbildung teil. Sie entdecken Hobbys<br />
<strong>und</strong> neue Interessen. Es ist nun möglich, spätabends Dokumentationen<br />
<strong>und</strong> Filme anzuschauen, Nächte durchzulesen, weil<br />
man ja nicht früh aufstehen muss. Andere treffen sich häufiger<br />
mit Fre<strong>und</strong>Innen oder Familienangehörigen, besuchen kulturelle<br />
Anlässe oder reisen. Seniorentarife machen vieles auch finanziell<br />
eher möglich. Studien zeigen, dass ältere Menschen weniger als<br />
früher von der Meinung anderer abhängig sind. Kreativität ist bis<br />
ins hohe Alter möglich: Johann Wolfgang von Goethe vollendete<br />
seinen Faust mit 80, Michelangelo die Sixtinische Kapelle mit<br />
71 Jahren. Kannten vor einigen Generationen Enkel ihre Grosseltern<br />
oft nicht, so sind diese heute intensiv im Einsatz. Zudem<br />
ist es heute dank der neuen Medien via Mail, Skype oder Whatsapp<br />
leichter, in Kontakt zu kommen <strong>und</strong> zu bleiben. Dazu engagieren<br />
sich SeniorInnen ehrenamtlich. Gerade Kirchgemeinden<br />
bieten viele Möglichkeiten. Auch mit dem Liebesleben sind viele<br />
zufriedener als früher; dies zeigt eine Studie der Universität Rostock:<br />
Mehr Kreativität <strong>und</strong> Sensibilität können das Liebesleben<br />
bis ins hohe Alter sehr beglückend erhalten, weil Zärtlichkeit einen<br />
breiten Raum bekommt. Verdorrtes kann wieder erwachen, unabhängig<br />
vom Lebensalter! Das Alter hat auch seinen Reichtum.<br />
Spiritual Care<br />
Heute kommt neben der Seelsorge auch die Spiritual Care gerade<br />
auch im Alter in Heimen <strong>und</strong> Spitälern hinzu. Seit 2015 existiert<br />
es als neues Lehrfach an der Universität Zürich. Der Lehrstuhl<br />
wird von beiden Landeskirchen finanziert. Professor Simon<br />
Peng-Keller erklärt, dass Palliative Care «neben der Sorge um<br />
die physischen Nöte <strong>und</strong> Bedürfnisse von schwer erkrankten<br />
Menschen auch die psychische, soziale <strong>und</strong> spirituelle Dimension»<br />
umfasst. Spiritual Care ist darum eine Vertiefung. Es geht<br />
darum, genau hinzuhören, was die Person umtreibt. «Erzählen<br />
kann helfen, sich von bedrängenden Erlebnissen zu distanzieren,<br />
sie zu ordnen <strong>und</strong> verschüttete Ressourcen zugänglich zu machen»,<br />
betont Peng. Die professionellen Begleitpersonen müssen<br />
spirituelle Fragen ernst nehmen. Es ist nicht nötig, dass sie<br />
selbst einer Glaubensgemeinschaft angehören. Denn es geht<br />
nicht um die beratende Person, sondern um die anvertrauten<br />
PatientInnen. Ihre Überzeugungen in Bezug auf Leiden, Sterben,<br />
das Leben nach dem Tod, sie brauchen Raum <strong>und</strong> müssen ernst<br />
genommen werden! Die eigene Glaubenspraxis kann jedoch eine<br />
wichtige Quelle <strong>für</strong> diese Aufgabe sein.<br />
Gott hilft in jeder Situation, sagt die Bibel: «Ich bin <strong>für</strong> dich da,<br />
bin mit dir» (So hat er sich Mose im Dornbusch gezeigt). «Bis in<br />
euer Alter bin ich derselbe, <strong>und</strong> ich will euch tragen, bis ihr grau<br />
werdet. Ich habe es getan; ich will heben <strong>und</strong> tragen <strong>und</strong> erretten»<br />
(Jesaja 46, 4). Oder wie Ingrid Grave es sagt: «Das Vertrauen<br />
auf Gott hilft. Gott hat Leben geschenkt. Er ist Leben. Und er will<br />
auch, dass wir leben. Das Neue Testament hilft mir ganz stark,<br />
zu diesem Vertrauen zu gelangen.»
13<br />
weltweit INNEHALT<br />
Es interessiert mich nicht, wie alt du bist.<br />
Ich möchte wissen, ob du es riskieren wirst,<br />
verrückt vor Liebe zu sein, vernarrt in deine Träume,<br />
in das Abenteuer, lebendig zu sein.<br />
Es interessiert mich nicht, welche Planeten<br />
in welcher Konstellation zu deinem Mond stehen.<br />
Ich möchte wissen, ob du die Mitte deines Leids berührt hast,<br />
ob du durch Verrat, den du im Leben erfahren hast,<br />
aufgebrochen <strong>und</strong> offen geworden<br />
oder geschrumpft bist <strong>und</strong> dich verschlossen hast<br />
vor Angst <strong>und</strong> weiterem Schmerz.<br />
Es interessiert mich nicht, ob die Geschichte,<br />
die du mir erzählst, wahr ist.<br />
Ich möchte wissen, ob du jemanden enttäuschen kannst,<br />
um zu dir selbst ehrlich zu sein,<br />
ob du es erträgst, dass dir deshalb jemand Vorwürfe macht<br />
<strong>und</strong> du trotzdem deine eigene Seele nicht verrätst.<br />
Ich möchte wissen, ob du treu sein kannst<br />
<strong>und</strong> zuverlässig.<br />
Ich möchte wissen, ob du Schönheit sehen kannst,<br />
auch dann, wenn es nicht jeden Tag schön ist<br />
<strong>und</strong> ob du in deinem Leben<br />
einen göttlichen Funken spürst.<br />
Ich möchte wissen, ob du mit Misserfolg<br />
leben kannst– mit deinem <strong>und</strong> meinem –<br />
<strong>und</strong> immer noch am Ufer eines Sees stehen<br />
<strong>und</strong> «Ja» zum Vollmond rufen kannst.<br />
Oriah Mountain Dreamer<br />
Bild: punkrowski<br />
2/<strong>2019</strong>
14<br />
Reisende in Sachen<br />
Pflege <strong>und</strong> Sinn<br />
Die Ingenbohler Schwester Liliane Juchli wollte in die weite Welt. Stattdessen wurde sie Kranken -<br />
schwester <strong>und</strong> schrieb ein Werk, welches das Leben in Heimen <strong>und</strong> Spitälern veränderte.<br />
Armut <strong>und</strong> harte Arbeit<br />
Ihre Kindheit im Schweizer Nussbaumen bei Baden im Aargau,<br />
wo sie 1933 als Klara Juchli geboren wurde, war durch Armut<br />
<strong>und</strong> harte Arbeit geprägt. Vielleicht gerade deshalb erwachte<br />
in ihr der Wunsch, anderen Menschen zu helfen – möglichst als<br />
Entwicklungshelferin. Da die Ingenbohler Schwestern auch in<br />
Missionsgebieten tätig waren, fasste sie als junge Frau den Entschluss,<br />
diesem Orden beizutreten. Nur sah ihr Orden andere<br />
Aufgaben <strong>für</strong> sie vor. Nach einigen Jahren umfangreicher Arbeit<br />
<strong>und</strong> einer weiteren Ausbildung zur Schulschwester übernahm<br />
sie Aufgaben in der Pflegeschule <strong>und</strong> entdeckte ihr Talent, von<br />
ihr selbst didaktisch gut aufbereitetes Wissen zu vermitteln. Da<br />
es aber in jener Zeit keine Lehrbücher gab, musste sie sich ihr<br />
Lehrmaterial, das sämtliche Inhalte der Pflege umfasste, selbst<br />
zusammenstellen. Am Ende kam ein 500-seitiges Manuskript<br />
heraus, das der Georg Thieme Verlag in Stuttgart 1973 erstmals<br />
veröffentlichte <strong>und</strong> bis heute (als «Lehrbuch <strong>für</strong> Pflegende in<br />
Ausbildung» bereits in der 13. Auflage) herausgibt.<br />
Jedes Modell bleibt leer, rückt es<br />
nicht das Leben ins Zentrum.<br />
Sr. Liliane Juchli.<br />
(Bild: Stefan Knobel,<br />
Bibliomedpflege)<br />
THOMAS SCHNELLING<br />
Liliane Juchli ist wohl eine der bekanntesten Krankenschwestern<br />
der Gegenwart. Durch ihre berufliche Praxis <strong>und</strong> ihre zahlreichen<br />
Publikationen hat sie das Denken <strong>und</strong> Handeln in der Ges<strong>und</strong>heits-<br />
<strong>und</strong> Krankenpflege wesentlich beeinflusst. Insbesondere<br />
durch ihr Hauptwerk «Allgemeine <strong>und</strong> spezielle Krankenpflege»,<br />
das bis heute als das umfassendste Lehrbuch im deutschsprachigen<br />
Raum <strong>und</strong> weit darüber hinaus gilt, hat sie Generationen<br />
von Krankenschwestern <strong>und</strong> -pflegern geprägt. Aber bis dahin<br />
war es ein weiter Weg.<br />
Schmerz, Angst, Verzweiflung<br />
Aber diese harte Arbeit über viele Jahre hinweg hatte einen hohen<br />
Preis: Liliane Juchlis persönliche Erfahrungen mit Erschöpfung<br />
<strong>und</strong> Depression, die sie ihrem Tagebuch anvertraute: «Nein –<br />
da ist nichts mehr – nichts mehr als trostlose Leere – erschöpft,<br />
ausgebrannt <strong>und</strong> gehetzt warte ich auf den Schlaf, der nie<br />
kommt. Auch die Tabletten helfen nicht mehr – wozu noch weiterkämpfen?<br />
Wozu? Schmerz, Angst <strong>und</strong> Verzweiflung prägten<br />
mein Dasein. Lebensgefühle, die eine menschliche Existenz bis<br />
zur letzten Faser durchdringen.» Sie nahm sich eine Auszeit<br />
<strong>und</strong> liess sich mit dem Psychoanalytiker Stephan Blarer – <strong>und</strong><br />
später bei Karlfried Graf Dürckheim <strong>und</strong> seiner «Initiatischen<br />
Therapie» – auf einen langen, schmerzhaften, aber schliesslich<br />
auch äusserst heilvollen Prozess ein: «Es begann eine eigentliche<br />
Entdeckungsreise meines Lebens <strong>und</strong> schliesslich das<br />
Erwachen im Geiste <strong>und</strong> im innersten Herzen.»
15<br />
weltweit<br />
WEGWEISERIN<br />
Diese einschneidenden Erfahrungen veränderten in den Siebzigerjahren<br />
Liliane Juchlis Menschenbild <strong>und</strong> damit auch ihren<br />
Blick auf die Pflege nachhaltig. Pflege sollte auf einem ganzheitlichen<br />
Denken <strong>und</strong> Handeln beruhen <strong>und</strong> wesentlich enger als<br />
bisher an den körperlichen <strong>und</strong> seelischen Bedürfnissen des<br />
Menschen in seiner Gesamtheit orientiert sein – <strong>und</strong> zwar sowohl<br />
der Pflegebedürftigen als auch der Pflegenden: «Den Menschen<br />
so zu sehen, wie er ist, nicht oberflächlich, einseitig oder<br />
durch Wunschbilder verzerrt. Ihn in der Tiefe seines Seins erfassen<br />
<strong>und</strong> respektieren. Aus dieser Tiefensicht, da er mehr ist als<br />
eine Summe von Zellen <strong>und</strong> Organen, die besser oder schlechter<br />
arbeiten, die ges<strong>und</strong> sind, wenn sie funktionieren, <strong>und</strong> repariert<br />
werden müssen, wenn sie gestört sind.»<br />
ATL-Modell: Mensch im Zentrum<br />
Wichtig ist daher in der Begleitung <strong>und</strong> Pflege von Menschen<br />
in erster Linie das Wie: «Wie wir etwas tun, dass wir uns in<br />
Anspruch nehmen lassen», so Liliane Juchli in einem Vortrag:<br />
Bei der Begleitung <strong>und</strong> Pflege kommt<br />
es sehr darauf an, wie es gemacht wird.<br />
(Bild: charlottenhof)<br />
«Zeit finden <strong>für</strong> die unausgesprochenen Fragen <strong>und</strong> Ängste des<br />
Gegenübers. Wer so auf dem Weg ist, wird erfahren, dass die<br />
Sinnerfahrung ein Geschenk ist.»<br />
Diese neue, damals revolutionäre Herangehensweise führte zu<br />
einer weiteren Professionalisierung <strong>und</strong> Aufwertung der Pflegeberufe.<br />
Der vierten Auflage ihres Lehrbuches, die 1983 erschien,<br />
legte sie ihr neues, ganzheitliches Menschenbild zugr<strong>und</strong>e. Hier<br />
beschreibt sie auch erstmals die «Aktivitäten des täglichen Lebens»<br />
(ATL), nach denen sie die gr<strong>und</strong>legenden <strong>und</strong> in der Pflege<br />
zu berücksichtigenden Lebensbereiche in ihrer Wechselwirkung<br />
strukturierte: «Dabei sehe ich den Menschen in seinen Bezügen<br />
zu sich selbst, zum Mitmenschen, zur Natur sowie zum ganz<br />
anderen, dem Göttlichen.» Konkret ergänzt sie die «physiologische<br />
Ebene» – wach sein, schlafen, sich waschen, kleiden,<br />
essen, trinken, sich bewegen, atmen – mit Personal-Sozialem:<br />
sich sicher fühlen <strong>und</strong> verhalten, Raum <strong>und</strong> Zeit gestalten, arbeiten<br />
<strong>und</strong> spielen. Und sie schliesst die geistige Ebene, wo das<br />
Kommunizieren, Kind-, Frau-, Mannsein, Sinnfinden im Werden,<br />
Sein, Vergehen wichtig sind, mit ein. Die ATL sind aber nur dann<br />
ein erfolgversprechendes Instrument, ja Lebensmodell, «wenn<br />
wir die Fakten in Bezug zum Menschen als ganzheitliches Wesen<br />
sehen: im Blick auf alle seine Beziehungen <strong>und</strong> in Bezug zu<br />
seiner individuellen Geschichte respektive Biografie, welche die<br />
aktuelle Situation beeinflusst <strong>und</strong> mitbestimmt hat. Jedes Modell<br />
bleibt eine leere Hülle, wenn es nicht das Leben <strong>und</strong> die Lebendigkeit<br />
ins Zentrum rückt.»<br />
Menschlichkeit <strong>und</strong> Würde<br />
Liliane Juchli sieht in der Pflege auch eine wichtige moralische<br />
Herausforderung. Hier müsse es – so die Pflegewissenschaftlerin<br />
Marianne Arndt – darum gehen, «die menschliche Wirklichkeit<br />
so zu sehen, dass auch <strong>für</strong> das Nicht-Wiederherstellbare, auch<br />
<strong>und</strong> gerade <strong>für</strong> den ‹hoffnungslosen Pflegefall› ein ernst zu nehmender<br />
Anspruch geltend gemacht wird». Das<br />
unterstreicht auf sehr eindrückliche Weise Juchlis<br />
lebenslangen Einsatz <strong>für</strong> die Würde des Menschen<br />
als höchsten menschlichen Wert wie auch als<br />
Gegenkraft zu einer Leistungsgesellschaft, die mit<br />
einer gr<strong>und</strong>legenden, umstürzenden Veränderung,<br />
in der Menschen immer älter <strong>und</strong> kränker werden,<br />
konfrontiert ist. Die Wahrung der Menschlichkeit<br />
<strong>und</strong> der Menschenwürde in unseren Spitälern <strong>und</strong><br />
Heimen darf aber nicht den Pflegenden allein überlassen<br />
werden. Eine humane Gestaltung der Pflege<br />
braucht das Zusammenspiel aller Kräfte, der politisch-gesellschaftlichen<br />
Kräfte wie der ethischmoralischen<br />
Verantwortlichkeit.<br />
Auch in diesem Sinne versteht Liliane Juchli die<br />
Pflegenden eher als «Pädagogen», gehört es doch<br />
zu ihren Aufgaben, «den Kranken nicht nur während<br />
seines Krankseins zu pflegen <strong>und</strong> zu begleiten,<br />
sondern ihn auch auf das Ges<strong>und</strong>sein vorzubereiten,<br />
ihn zu begleiten auf dem Weg zur Selbstpflege.<br />
Dazu gehört ein anthropologisches <strong>und</strong> ethisches<br />
Gr<strong>und</strong>wissen. Pflege ist sehr oft auch Seelsorge.»<br />
Was bringe ich von mir ein?<br />
Nicht von ungefähr sieht die engagierte Pflegelehrerin<br />
<strong>und</strong> Ordensfrau Juchli daher die menschliche<br />
Begegnung als das Zentrum aller Pflege. Sie fordert, dass die<br />
Pflegenden sich selbst immer wieder Rechenschaft abgeben<br />
müssen zu der Frage, wie sie den Menschen sehen, wie sie auf<br />
den anderen Menschen zugehen. Ihr Leitsatz «Ich pflege als die,<br />
die ich bin» schliesst auch den Ges<strong>und</strong>heitszustand der Pflegenden<br />
mit ein: «Sie bringen sich selber immer mit ein, sowohl ihre<br />
gute wie ihre schlechte Laune. Hier gilt es, die eigenen Grenzen<br />
offen zu kommunizieren. Deshalb muss man auch zu den Pflegenden<br />
Sorge tragen. Eine starke Persönlichkeit wehrt sich am<br />
Ende auch gegen wirtschaftliche <strong>und</strong> politische Zwänge, die<br />
ihrem Berufsethos widersprechen; sie macht sich <strong>für</strong> ihre berufseigenen<br />
Anliegen stark.» <br />
Buchtipp: Trudi von Fellenberg-Bitzi: «Liliane Juchli – ein Leben <strong>für</strong> die<br />
Pflege», Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York 2013.<br />
2/<strong>2019</strong>
16<br />
Maria: Leitbild neuen<br />
Menschseins<br />
Die Mutter Gottes ist Entwicklungshelferin zu einer gottgewirkten Transformation, in uns <strong>und</strong> in der Welt.
weltweit<br />
17<br />
THEMENSEITEN<br />
Maria hilft uns, den Weg<br />
zum Göttlichen zu finden.<br />
(Bild: pixabay)<br />
TBü. Die Situation des Menschen ist geprägt von einer Trennung<br />
aus der ursprünglichen Schöpfungseinheit. Sie zeigt sich in<br />
einem egozentrischen «Ich»; in der Gier auch, immer mehr haben<br />
zu wollen. Es wähnt sich autonom, ist aber abgeschnitten vom<br />
eigenen Urgr<strong>und</strong>. Dies wird zur Bedrohung <strong>für</strong> die Erde. Von<br />
grosser Dringlichkeit ist darum die menschliche Entwicklung zu<br />
einer «allem Leben dienenden Seinsmacht», erklärt Pia Gyger<br />
in ihrem Buch «Maria, Tochter der Erde, Königin des Alls. Vision<br />
der neuen Schöpfung» (Kösel-Verlag 2005). Ziel des Menschen<br />
als Mitschöpfer der Evolution müsse sein, «unter Beibehaltung<br />
aller guten Früchte der Individualisierung den Zugang zur Einheit<br />
des Lebens wiederzufinden». Es gehe darum, uns von Maria<br />
«aus der Stille des Herzens vor allem Tun» leiten zu lassen.<br />
«Dein Wille geschehe» erschliesst<br />
Göttliches in uns <strong>und</strong> aller Existenz.<br />
Aus aller Zerstreuung<br />
Pia Gyger zeigt einen von der Gottesmutter inspirierten inneren<br />
Weg der Meditation <strong>und</strong> Wesensschau auf, damit der in uns verborgene<br />
Schatz ans Licht gehoben <strong>und</strong> <strong>für</strong> uns <strong>und</strong> die Welt<br />
wirksam werden kann: «eine kraftvolle Einkehr, Sammlung aus<br />
aller Zerstreuung» (nach Johannes Tauler), um sich «in den<br />
Abgr<strong>und</strong> der ineinanderfliessenden Einheit tragen zu lassen»<br />
(der Dominikaner Heinrich Seuse). Die christliche Tradition kennt<br />
dazu die Bewusstseinseinigung <strong>und</strong> -leerung <strong>und</strong> den Herzensweg.<br />
Pia Gyger legt säkularisierten Menschen Zazen, das Sitzen<br />
in Versunkenheit, nahe, welches aus dem Zen-Buddhismus<br />
kommt. Weder Überhöhung noch Geringschätzung des eigenen<br />
Selbst sei erstrebenswert, sondern Demut, Liebe, Weisheit <strong>und</strong><br />
Mitgefühl mit allen Lebewesen. Als Würze <strong>für</strong> unser wachsendes<br />
Charisma empfiehlt Gyger auch den Gebrauch des Humors als<br />
gelassene Heiterkeit, um «über sich selber zu lachen wie auch<br />
in spielerischer Weise über sich selber <strong>und</strong> die Welt zu seufzen».<br />
Hingabe ans Göttliche<br />
Jesus hat uns darauf hingewiesen, zu werden wie die Kinder,<br />
wenn wir das Himmelreich erfahren wollen. Sie leben gegenwärtig,<br />
sind dem Leben in unmittelbarer Offenheit zugewandt, den<br />
W<strong>und</strong>ern des Alltäglichen. Und er ist der grosse Lehrer der Feindesliebe,<br />
der Kraft zur Transformation der Welt. Aber auch Maria<br />
wurde durch ihr «Dein Wille geschehe» ermächtigt zur Ganzhingabe<br />
an das Wirken des Heiligen Geistes, zum Göttlichen in<br />
uns <strong>und</strong> aller Existenz. So versteht die Buchautorin auch deren<br />
Jungfräulichkeit als Gotteserfahrung: Sich bedingungslos «in<br />
eine neue Sichtweise <strong>und</strong> den dazu gehörenden Prozess der<br />
Wandlung» einlassen, auch als Rückbindung gegen die «Ich-<br />
Inflation».<br />
Als mitentscheidend zu dieser Entfaltung stuft Pia Gyger das<br />
«Ausrichten der Kräfte» am Beginn des Tages ein, um uns zu<br />
stärken <strong>und</strong> den Ereignissen Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Richtung zu geben.<br />
Dabei sei die eigene Energie weniger gegen Fehler <strong>und</strong> Schwächen,<br />
sondern besser <strong>für</strong> das in uns wachsende Gute zu verwenden.<br />
Das kann ein Gebet unterstützen: «Ave Maria, in deinen<br />
Schutz begrüsse ich heute alle <strong>für</strong> mich notwendigen Kräfte der<br />
Transformation, als Freude <strong>und</strong> Erwecker aus der Getrenntheit.»<br />
Das tägliche «Dein Wille geschehe» verankert <strong>und</strong> löst Ängste<br />
vor Veränderung auf.<br />
Ebenso wichtig sei bei Tagesende Rückblick <strong>und</strong> «Gewissenserforschung»,<br />
um gleichsam seine Ernte einzusammeln. Fragen<br />
«Wie habe ich heute dem Leben <strong>und</strong> der Liebe gedient? Wo war<br />
ich lieblos <strong>und</strong> egozentrisch?» lösen gemäss Gyger Verspannungen<br />
<strong>und</strong> heilen, wo wir verletzt wurden <strong>und</strong> andere verletzt<br />
haben. Diese tägliche Übung, die uns geschenkte Gnade der<br />
Vergebung anzunehmen, stärke unser Selbstwertgefühl <strong>und</strong><br />
erlöse uns aus der Opferrolle: «Auferstandener Christus, Heiliger<br />
Geist, in meinem Herzen <strong>und</strong> meinem Körper heile, was verw<strong>und</strong>et<br />
ist, mache weich, was spröd <strong>und</strong> hart, wärme, was vom<br />
Frost erstarrt, lenke, was da irregeht.»<br />
Welterneuerung<br />
Unsere Welt brauche «Menschen, die mit Freude, Abenteuergeist<br />
<strong>und</strong> heiligem Ernst jeden Tag als Forschungslabor <strong>und</strong> Übungsfeld<br />
benutzen, um herauszufinden, wie wir eine aus mütterlicher<br />
Barmherzigkeit geborene Macht entfalten können. Eine aus<br />
den Kräften der spirituellen Intelligenz geborene Politik, eine<br />
friedliche Gesellschaft, eine Weltfriedensordnung», schreibt Pia<br />
Gyger. Dazu gehört <strong>für</strong> sie als wichtigste Gegenwartsaufgabe<br />
die Auflösung der Dominanz eines Geschlechts über das andere.<br />
Das Erarbeiten eines neuen Miteinanders von Mann <strong>und</strong> Frau,<br />
das von Lust <strong>und</strong> Freude an der Entfaltung des Menschlichen<br />
geleitet ist. Die Autorin spricht sich <strong>für</strong> eine marianische Erfahrung<br />
aus, in der «Heilung <strong>und</strong> Friede in uns zunehmen, indem<br />
wir die Leiden der Menschheit <strong>und</strong> der Erde in unser Herz nehmen».<br />
<br />
2/<strong>2019</strong>
18<br />
Eine Brücke zu sich<br />
selbst <strong>und</strong> anderen.<br />
(Bild: presse-image)<br />
Maria sagt Ja<br />
SR. INGRID GRAVE<br />
Da gibt es in Nazareth diese ganz junge Maria. Sie wird aufgesucht<br />
von einem Engel, der sie in Kenntnis setzt von ihrer Schwangerschaft.<br />
Sie wird einen Sohn gebären. Das übersteigt Marias<br />
Begreifen: Wie soll das geschehen? Der Engel antwortet: Heiliger<br />
Geist wird über dich kommen; dein Kind wird Sohn Gottes<br />
genannt werden. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.<br />
Maria sagt Ja. Und der letzte Satz dieses Textabschnittes (aus<br />
Lk 3,38) lautet: Danach verliess sie der Engel. Und es kommt<br />
auch keiner mehr, der ihr in den nächsten Tagen <strong>und</strong> Wochen<br />
beistehen würde. So ist das Leben. Man sagt Ja zu einer Herausforderung,<br />
jedoch im Augenblick der Krise zeigt sich weder<br />
Gott noch ein Engel, der konkrete Hilfe anbietet. Fast jeder<br />
Mensch erlebt solche Situationen. Maria bildet keine Ausnahme.<br />
Sie ist von Gott nicht verwöhnt worden. Da helfen uns all die<br />
verklärten Bilder über die ganz reine <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erschöne Magd des<br />
Herrn nicht weiter. Marias Leben kennt keine himmlische Romantik.<br />
Aber <strong>für</strong> die Art <strong>und</strong> Weise, wie sie ihren Alltag im Glauben<br />
bestanden hat, da<strong>für</strong> dürfen wir sie bew<strong>und</strong>ern <strong>und</strong> verehren.<br />
Als Zwölfjährigen nehmen die Eltern ihren Sohn mit auf die Wallfahrt<br />
nach Jerusalem. Sie verlieren ihn, suchen ihn während drei<br />
Tagen. Als sie ihn endlich im Tempel – diskutierend mit den<br />
Schriftgelehrten – finden, zeigt er kein Verständnis <strong>für</strong> ihre Not.<br />
Maria wirkt empört, wenn sie sagt: Kind, wie konntest du uns<br />
das antun? Der Zwölfjährige gibt sich unberührt: Was brauchtet<br />
ihr mich zu suchen? Wusstet ihr nicht, dass ich bei der Sache<br />
meines Vaters sein muss?<br />
Maria mag geahnt haben, dass sie etwas zu tun hat mit der Beziehung<br />
ihres Kindes zu Gott. Trotzdem scheint sie sich voller<br />
Fragen auf den Weg gemacht zu haben. Neben ihr ein schwei-
19<br />
THEMENSEITEN<br />
weltweit<br />
gender Josef, <strong>und</strong> von Jesus wird auch kein einziges Wort auf<br />
diesem langen Marsch überliefert. Worüber soll man auch reden<br />
nach einem solchen Zwist? Es gibt genug zu denken. Maria bewahrte<br />
all diese Worte in ihrem Herzen, schreibt Lukas. Das sagt<br />
viel. Etwas im Herzen bewahren, das ist ein inneres Erwägen,<br />
ein Meditieren, sich einlassen in die eigene Tiefe, sich verbinden<br />
mit dem unbegreiflich Grösseren. Ja sagen zu dem, was eigenes<br />
Begreifen übersteigt. Das wird <strong>für</strong> die doch noch recht junge<br />
Frau nicht einfach gewesen sein. Aber sie bleibt sich treu. Es<br />
geht weiter. Dieser Sohn hält sie in Atem.<br />
Ein Ja zu dem, was eigenes Begreifen<br />
übersteigt, <strong>und</strong> zum dazugehörenden<br />
Wandlungsprozess.<br />
Mit etwa 30 Jahren legt er die Arbeit nieder, zieht sich in die<br />
Wüste zurück. Als er heimkehrt, ist er nicht mehr derselbe. Er<br />
beginnt ein Wanderleben als Prediger <strong>und</strong> Heiler, erregt Aufsehen,<br />
noch bevor er in seinem Heimatort angekommen ist. Und<br />
schon passiert es am Sabbat in der Synagoge (Lk 4,16 ff.). Er<br />
tut, was jeder jüdische Mann tun darf: Er trägt einen Text aus der<br />
Schriftrolle vor <strong>und</strong> kommentiert ihn. Man staunt über den Sohn<br />
aus der Familie des Josef. Plötzlich schlägt die Stimmung um.<br />
Bezieht er doch den Inhalt des heiligen Textes auf sich selbst:<br />
Der Geist des Herrn ruht auf mir; er hat mich gesalbt. Er hat mich<br />
gesandt … Das ist zu viel! Man treibt den Hochstapler hinaus,<br />
<strong>und</strong> fast hätte man ihn den Abhang des Berges hinabgestürzt.<br />
Jesus geht weiter seine eigenen Wege. Jünger folgen ihm, auch<br />
Jüngerinnen. Seiner Familie wird vieles zugetragen, was sich um<br />
ihn herum ereignet. Ist er von Sinnen? Während Jesus in einem<br />
Haus, vollgestopft von Leuten, seine Lehren vorträgt, wird ihm<br />
gemeldet: Deine Mutter, deine Brüder stehen vor der Tür. – Wer<br />
ist meine Mutter, wer sind meine Brüder? Und er blickt auf jene,<br />
die um ihn versammelt sind. Sie, die seine Worte hören, den Willen<br />
Gottes tun, sie sind ihm Mutter, Schwester <strong>und</strong> Bruder. Doch<br />
seine leibliche Mutter lässt er draussen vor der Tür (Mk 3,31–35).<br />
Konnte Maria eine Weile nicht mehr Ja sagen zum Weg ihres<br />
Sohnes, sodass sie ihn mithilfe ihrer Familie zurückholen wollte<br />
ins «normale» Leben? Das kann ich nachvollziehen. Und diese<br />
Zurückweisung! Wie rückt Maria doch dadurch in unsere Nähe!<br />
Als Mutter, als Frau. Sie kommt uns entgegen, steigt herab von<br />
den Altären, auf die gerade die Männer der Kirche sie durch Jahrh<strong>und</strong>erte<br />
erhoben haben. Maria wird eine von uns.<br />
Die Evangelisten wissen offensichtlich nichts vom Schmerz der<br />
Mutter, von ihren inneren Kämpfen. In den Texten wird es still um<br />
sie. Wie dem auch sei, Maria hat zurückgef<strong>und</strong>en zu ihrem Sohn.<br />
Der Evangelist Johannes stellt sie unter das Kreuz. Wohl der<br />
grausamste Moment <strong>für</strong> die Mutter. Sie hält ihn aus. Sie bleibt<br />
sich treu in ihrem Ja zum Unfassbaren.<br />
Der Tod ihres Sohnes. Nach drei Tagen bricht unbändiges Leben<br />
aus seinem Grab hervor. Die Jüngerschaft ist geschockt. Noch! Der<br />
Engel in Nazareth, er hatte von Gottes Heiligem Geist gesprochen.<br />
Jetzt bricht er sich Bahn. Maria ist dabei. Pfingsten bricht auf. <br />
Ermächtigung zu Grossem<br />
«Siehe, ich bin die Magd des Herrn», sagte Maria zum Engel, der<br />
ihr das «In der Hoffnung sein» mit dem Sohn Gottes vorausverkündete,<br />
«mir geschehe, wie du es gesagt hast» (Lk 1,38). Und<br />
der Heilige Geist lässt Elisabet mit Blick auf die schwangere<br />
Maria, welche sie besucht, die göttliche Botschaft verkünden:<br />
«Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die<br />
im Herzen voll Hochmut sind. Er stürzt die Mächtigen vom Thron<br />
<strong>und</strong> erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen<br />
Gaben <strong>und</strong> lässt die Reichen leer ausgehen» (Lk 1,46–55).<br />
Dies ist ein Befreiungsgebot, ein emanzipatorischer Auftrag, nicht<br />
nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch zum Politischen<br />
<strong>und</strong> Wirtschaftlichen. Es ist echte Prophetie: Auch meine Seele<br />
wirkt in der Demut, Power <strong>und</strong> Weisheit Gottes befreiend. Ob<br />
Frau oder Mann, ich habe volle biblische Legitimation, ja Aufforderung,<br />
mich nicht einer Ordnung anzupassen, in der es Mächtige<br />
<strong>und</strong> Niedere gibt, sondern mich <strong>für</strong> die Gleichberechtigung<br />
einzusetzen, sie zu fordern <strong>und</strong> zu leben. Staatlich gesehen ist<br />
dies der Auftrag zu einer guten demokratischen Kultur, in der alle<br />
an den Menschenrechten <strong>und</strong> der Gesellschaftsbildung teilhaben<br />
sollen, Sorge zu tragen. In diesem Geist gilt es auch international<br />
<strong>für</strong> Ausgleich <strong>und</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong> zu sorgen: Die postkoloniale<br />
Unterjochung von Elendsgebieten durch reiche Länder<br />
<strong>und</strong> Unternehmen widerspricht aufs Ärgste der menschlichen<br />
Schöpfungsbestimmung. Ebenfalls jede männliche Arroganz,<br />
sich über Frauen zu erheben, auch in der Hierarchie der Wirtschaft<br />
– <strong>und</strong> der Kirche. Katholisch im Sinn von allumfassend<br />
bedeutet gemäss Magnificat die Ebenbürtigkeit der Frauen, auch<br />
als Priesterinnen. Wenn die Kirche endlich alle Menschenrechte<br />
in den eigenen Reihen umsetzt, wird sie auch in ihren politischen<br />
Forderungen glaubwürdiger. Ja, Trennung von Kirche <strong>und</strong> Staat<br />
in Ehren, aber es geht nicht darum, unpolitisch zu sein in Glaubensgemeinschaften.<br />
Im Gegenteil: Wenn Menschlichkeit, soziale,<br />
wirtschaftliche <strong>Gerechtigkeit</strong>, Gemeinwohl ernst genommen werden,<br />
bleibt das ein emanzipatorischer Auftrag <strong>für</strong> ChristInnen,<br />
der politisch ist. Neue Zukunftshoffnung, neues Gemeinschaftsleben<br />
«gebären» umfasst <strong>für</strong> die Menschheit gemäss der marianischen<br />
Aufforderung ursächlich auch den Ausgleich zwischen<br />
Hungernden <strong>und</strong> Reichen, also die Weltwirtschaftsordnung mitsamt<br />
dem Geld- <strong>und</strong> Handelssystem. Tatsächlich: «Der Mächtige<br />
hat Grosses» auch mit uns vor. Denken wir in unseren Entscheiden,<br />
in unserem Handeln mutig <strong>und</strong> hoffnungsvoll daran! <br />
Theo Bühlmann<br />
2/<strong>2019</strong>
20<br />
Glaubensdogmen<br />
neu verstanden<br />
Maria ist Gottesgebärerin, Jungfrau, unbefleckt Empfangene <strong>und</strong> leibhaft Auferstandene – wie kann uns<br />
das heute verständlich <strong>und</strong> hilfreich sein?<br />
TBü. Maria ist mit einem beträchtlich älteren Mann namens<br />
Josef verlobt gewesen. Mit ihm lebte sie in Galiläa im Provinzstädtchen<br />
Nazareth <strong>und</strong> wurde – vermutlich schon zwischen<br />
ihrem 12. <strong>und</strong> 14. Lebensjahr – Mutter von Jesus. Schon im<br />
Frühchristentum bekam sie darum den Titel Theotokus, Gottesgebärerin,<br />
der im Jahre 431 am Konzil von Ephesus gefestigt<br />
wurde. Dies auch aus der Erfahrung, dass sich im Menschen<br />
auch Erde <strong>und</strong> Himmel verbinden, wie Pia Gyger in ihrem Buch<br />
schreibt. Unsere tiefste Natur ist nicht Gespaltensein, sondern<br />
gottgewirktes Leben. Es könne also auch in uns das Mysterium<br />
geschehen, das Maria widerfahren ist. Sie wird so Ur- <strong>und</strong> Leitbild<br />
<strong>für</strong> das Weibliche in jedem Menschen: die Empfänglichkeit<br />
des Göttlichen, die Sehnsucht <strong>und</strong> der Drang nach Selbsttranszendenz,<br />
um Mitschöpfende Gottes zu werden.<br />
Ja zum Geist Gottes ...<br />
Seit dem Konzil von Konstantinopel 553 gilt Maria auch als<br />
«Aeipartenos – Ewig-Jungfrau». Das bedeutet, dass ihr Bräutigam<br />
Josef nicht der biologische Vater von Jesus war, sondern<br />
dessen Zeugung, wie bei Matthäus <strong>und</strong> Lukas beschrieben,<br />
durch den Heiligen Geist gewirkt wurde. Dieses Dogma gehört<br />
zu den meistumstrittenen. War es doch mitauslösend <strong>für</strong> die<br />
Höherstellung der zölibatär Lebenden über die Ehepaare <strong>und</strong><br />
begünstigte die Idealisierung des «Standes der Vollkommenheit».<br />
Und Pia Gyger stellt weiter kritisch <strong>und</strong> nüchtern fest, «vieles,<br />
was in der Kirche an Sexualneurotischem <strong>und</strong> -feindlichem<br />
wucherte <strong>und</strong> noch weiter lebt», sei mit diesem Dogma überhöht<br />
<strong>und</strong> idealisiert worden. Sogleich merkt sie an, dessen eigentlicher<br />
Sinn sei Entfaltung: Der Heilige Geist macht Maria (<strong>und</strong><br />
auch uns) zu einem Tempel. «Mir geschehe, wie Du gesagt hast»<br />
wird zur Ganzhingabe <strong>und</strong> zum Wesensgehorsam. Es geht um<br />
die Via Illuminativa, das Überwinden des Getrenntseins – in die<br />
liebende Beziehung mit der letzten, allumfassenden Wirklichkeit.<br />
«Der tiefste Sinn der Jungfräulichkeit ist also nicht sexuelle Enthaltsamkeit,<br />
sondern die radikale Offenheit <strong>und</strong> Hingabe an das<br />
Wirken des Geistes Gottes in uns.»<br />
... als Weg nach innen<br />
Es stellt einen Fortschritt dar, dass «der Weg nach innen», den<br />
früher eigentlich nur Menschen praktizieren konnten, die der<br />
Welt entsagten, heute <strong>für</strong> alle zugänglich ist: durch Meditations-,<br />
Kontemplations- oder Zen-Kurse. Im Atemsammeln, Bewusstseineinen,<br />
im Loslassen des diskursiven Denkens beginnen sich<br />
Türen nach innen zu öffnen. Das ist nicht nur leicht <strong>und</strong> einfach.<br />
Es geschieht allmählich auch eine Konfrontation mit seinen eigenen<br />
im Alltag nicht integrierten unliebsamen Aspekten, mit zur<br />
Seite geschobenen Kränkungen, unterdrückter Wut, nicht zugelassener<br />
Trauer. Pia Gyger erklärt, im Gegensatz zu therapeutischen<br />
Prozessen werde Verdrängtes <strong>und</strong> Ungelöstes nicht<br />
durchgearbeitet, sondern auf Versenkungswegen Atemzug um<br />
Atemzug losgelassen <strong>und</strong> der heilenden Mitte anvertraut. Und<br />
je tiefer wir auf der «Via Purgativa» voranschreiten, umso mehr<br />
stellen sich Fragen nach dem Lebenssinn, nach der Entfaltung<br />
unseres inneren Entwurfs. Wir spüren, dass wir mehr sind als<br />
die Rollen, die wir spielen. Und Gyger gibt zu bedenken, dass<br />
dieser Prozess keineswegs gradlinig verläuft, sondern eigene<br />
Widerstände <strong>und</strong> solche seiner Umgebung hervorrufen oder<br />
auch schmerzende Konflikte auslösen kann. Auch Angst gehört<br />
dazu, das brachliegende Potenzial in mir ans Licht zu heben.<br />
Es braucht Bereitschaft <strong>und</strong> Mut, in Ausdauer auf das zu hören,<br />
was in uns aufsteigt <strong>und</strong> unserem Leben <strong>und</strong> Tun Gestalt verleihen<br />
möchte.<br />
Erbsündefrei auferstanden<br />
1854 verkündigte Papst Pius IX, Maria sei frei von jeder Erbschuld<br />
empfangen worden. Nach katholischem Verständnis lebten<br />
die Menschen ursprünglich mit sich selbst, der Schöpfung<br />
<strong>und</strong> mit Gott im Einklang. Doch seit Adam <strong>und</strong> Eva vom verbotenen<br />
Baum der Erkenntnis assen, gibt es Leid, Tod <strong>und</strong> Verwirrungen.<br />
Auch dieses Dogma ist umstritten. Mythologisch gelesen<br />
steht (gemäss Jean Gebser) der Sündenfall <strong>für</strong> die Bewusstseinsentwicklung<br />
von der «Verschmelzung mit der Welt» zu ihrer<br />
Gegenüberstellung zum Ich. Es gibt Anzeichen, dass wir heute<br />
vom wirksamen Dualismus <strong>und</strong> Rationalismus weiter hinein in<br />
eine transrationale Bewusstseinsstruktur «geboren» werden. Der<br />
Mensch bekommt Bezug zu inneren Bildern <strong>und</strong> Kräften <strong>und</strong><br />
erfährt sich sowohl als eins mit der Welt wie auch als einmaligen<br />
Ausdruck von ihr. So versteht Pia Gyger die Mariendogmen als<br />
«Schlüssel, um in uns eingeschlossene Erfahrungen zu beleben».<br />
So bedeutet Immaculata-Concepta: Wir können die Angst<br />
<strong>und</strong> Programmierungen, die uns als schlecht <strong>und</strong> unwürdig charakterisieren,<br />
überwinden.
21<br />
weltweit<br />
THEMENSEITEN<br />
1950 verkündigte Papst Pius XII schliesslich,<br />
dass Maria nach Christus der erste<br />
Mensch ist, der leibhaftig auferstanden<br />
ist. Es ist die Schöpfungsvision, dass die<br />
Materie ins trinitarische Geheimnis berufen<br />
ist. Maria-Assumpta steht gemäss<br />
Pia Gyger <strong>für</strong> die <strong>für</strong> immer eingegangene<br />
Verbindung von unten her. Dass wir alle<br />
verwandelt werden, wie es im ersten<br />
Korintherbrief 15,51 steht. Aber nicht erst<br />
in der Erleuchtung des Todes stirbt das<br />
Ich <strong>und</strong> steht im wahren Selbst auf. Auch<br />
der neue Katechismus befand, dass wir<br />
durch den Heiligen Geist schon jetzt<br />
Anteil an der Aufweckung Christi haben. <br />
Der gute Weg führt nach<br />
innen, auch <strong>für</strong> den Mann.<br />
(Bild: Riccardo Bresciani,<br />
Pexels)<br />
Symbol der Ganzhingabe<br />
Maria ist in verschiedenen Religionen die helfende Mutter eines besonderen Sohnes.<br />
HEIDI RUDOLF<br />
Maria als Mutter, als Frau, die ein ganzheitliches Ja gesagt hat<br />
zu Gott, ist mit ihrem Glauben <strong>und</strong> mit ihrem Engagement Mutter<br />
eines auserwählten Sohnes, oder auch Mutter der Erde. Sie ist –<br />
wenn auch unterschiedlich – im Glauben <strong>und</strong> in der Sehnsucht<br />
der Menschen vieler Religionen verankert. Vor allem im Volksglauben.<br />
Für viele Gläubige ist Maria die helfende Mutter. Deshalb<br />
pilgern sie zu ihren Altären <strong>und</strong> an ihre Erscheinungsorte.<br />
Für viele ist sie eine Frau, die ihren Sohn bis zum Schluss begleitet<br />
hat <strong>und</strong> so zum Vorbild geworden ist.<br />
Maria, Miriam, Maryam, Maya, Parvathi: Sie ist eine grosse Frau<br />
des jüdischen Volkes, die vom kleinen Mädchen zur Visionärin<br />
wurde, die mit ihrem Loblied auch versteckt die römischen Besatzer<br />
anklagte, das «weibliche Antlitz» des Judentums (David<br />
Flüsser). Maryam, Mutter des Propheten Jesus. Maya, Mutter<br />
Buddhas. Parvathi, helfende Mutttergottheit der Hindus. Im Christentum,<br />
im Islam <strong>und</strong> im Buddhismus ist sie die jungfräuliche,<br />
von Gott auserwählte Mutter von Jesus dem Christus, dem<br />
herausragenden Propheten, dem Erleuchteten Buddha – <strong>und</strong><br />
helfende Mutter <strong>für</strong> die Hindus.<br />
Maryam im Islam<br />
Maria, die Mutter Jesu, hat im Islam eine Sonderstellung. Sie ist<br />
durch ihre Frömmigkeit, Demut <strong>und</strong> höchste geistliche Vollkommenheit<br />
von Gott (3, 42–43) auserwählt. Sie ist als Einzige im<br />
Koran mit Namen genannt, <strong>und</strong> als einziger Frau ist eine ganze<br />
Sure nach ihr benannt (Sure 19). Und Sure 3 trägt den Namen<br />
ihres Vaters, Imran – ihre Kindheit wird hier beschrieben. Durch<br />
Gottes Geist hat sie das Kind Jesus geboren (66,12). Hannah,<br />
ihre Mutter, hatte Gott versprochen, wenn sie noch ein Kind im<br />
hohen Alter bekomme, würde dieses Gott geweiht – als Nachfahrin<br />
von David, Abraham, Noah, Adam – <strong>und</strong> sie liess Maria<br />
aufwachsen unter der Obhut des Propheten Zacharias. Der<br />
Engel Gabriel verkündete Maria einen reinen Sohn. Auch im<br />
Koran fragt Maria, wie dies denn geschehen solle, ohne dass sie<br />
einen Mann habe. Aber der Engel antwortet: «So wird es sein.<br />
Dein Herr sagt: Das ist Mir ein leichtes, damit Wir ihn zu einem<br />
2/<strong>2019</strong>
22<br />
weltweit<br />
THEMENSEITEN<br />
Zeichen <strong>für</strong> die Menschen <strong>und</strong> zu einer Barmherzigkeit von Uns<br />
machen» (19,21). 2010 ist deshalb im Libanon der Tag der Verkündigung<br />
an Maria offizieller nationaler Feiertag geworden. Damit<br />
wurde sie, als jüdische Mutter, zu einer Brücke <strong>und</strong> Friedensstifterin<br />
zwischen Muslimen <strong>und</strong> Christen.<br />
Gott sagt im Koran: «So empfing sie ihn <strong>und</strong> zog sich mit ihm<br />
zu einem fernen Ort zurück. Die Wehen liessen sie zu einem Palmenstamm<br />
gehen» (19,22–23). Nach der Geburt beruhigte der<br />
Neugeborene sie, <strong>und</strong> Datteln <strong>und</strong> Wasser wurden ihre Stärkung.<br />
Als die Menschen sie nach der Rückkehr als Hure anklagten,<br />
zeigte sie auf Jesus, <strong>und</strong> er begann w<strong>und</strong>ersam zu sprechen:<br />
«Ich bin wahrlich Gottes Diener: Er hat mir die Schrift gegeben<br />
<strong>und</strong> mich zu einem Propheten gemacht … Und der Friede sei auf<br />
Der marianische Auftrag umfasst die weltweite<br />
<strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>und</strong> die Menschrechte.<br />
(Bild: Pexels)<br />
mir am Tag, da ich geboren wurde, <strong>und</strong> am Tag, da ich sterbe,<br />
<strong>und</strong> am Tag, da ich wieder zum Leben auferweckt werde»<br />
(19, 30–33). Trotzdem sind Maria <strong>und</strong> auch Jesus Menschen, die<br />
jedoch unter dem besonderen Schutz Gottes stehen, wie alle<br />
Propheten. Als absolut monotheistische Religion verbietet der<br />
Islam auch Bittgebete zu Maria. Auch wenn sie in der Volksfrömmigkeit<br />
im ehemaligen Wohn- <strong>und</strong> Sterbehaus bei Ephesus<br />
(wohin sie der Tradition nach mit dem Jünger Johannes reiste)<br />
durch Christen <strong>und</strong> Muslime als eine Art Heilige verehrt wird.<br />
Als Dienerin Gottes war sie die reinste aller Frauen, auserwählt<br />
<strong>für</strong> die Geburt Jesu, des grössten aller Propheten. Eine relativ<br />
grosse Verehrung gilt Maria bei den muslimischen Sinti <strong>und</strong><br />
Roma, vor allem aus dem Balkan. Sie bringen ihr an Maria Himmelfahrt<br />
Blumen <strong>und</strong> Opfergaben dar.<br />
Dazu habe ich eine persönliche Erfahrung: Während des Krieges<br />
in Bosnien, während der Session des Ständigen Tribunals der<br />
Völker in Barcelona, besuchten wir Christen <strong>und</strong> Muslime gemeinsam<br />
die Kathedrale. Vor einer Kopie der Schwarzen Madonna von<br />
Montserrat beteten wir gemeinsam – je auf unsere eigene Weise<br />
– zu Maria um Hilfe, Frieden <strong>und</strong> das Überleben der Liebsten.<br />
Im Buddhismus <strong>und</strong> Hinduismus<br />
Maya war Königin <strong>und</strong> die leibliche Mutter Buddhas. Ihre Ehe<br />
war 20 Jahre lang kinderlos. Dann träumte sie in einer Vollmondnacht,<br />
dass Geister sie an einen See am Himalaya entführten,<br />
sie nach einem Bad von den Devas in himmlische Gewänder<br />
gehüllt, mit Parfüm <strong>und</strong> Blütenblättern bestreut wurde. Ein weisser<br />
Elefant habe sie dreimal umkreist<br />
<strong>und</strong> sie habe von ihm über die rechte<br />
Seite einen Sohn empfangen. Nach zehnmonatiger<br />
Schwangerschaft habe sie auf<br />
dem Weg zu ihren Eltern (bei der Stadt<br />
Lumbini in Nepal) an einen Baum gelehnt<br />
ihren Sohn Siddharta durch die rechte<br />
Seite geboren. Sieben Tage danach starb<br />
sie. Siddharta wurde von ihrer Schwester<br />
aufgezogen. Die Überlieferung sagt, dass<br />
er nach seiner Erleuchtung zum Buddha<br />
seine Mutter drei Monate lang im Himmel<br />
besucht habe.<br />
An der Demarkationslinie zwischen Nord<strong>und</strong><br />
Südkorea stehen auf einem Sockel<br />
eine turmhohe weisse Buddhastatue,<br />
auf einem anderen eine etwas kleinere<br />
Figur der Jungfrau Maria, die Handflächen<br />
aneinandergepresst. «Sie sind<br />
Nordkorea zugewandt, weil sie <strong>für</strong> unseren<br />
Wunsch nach der Wiedervereinigung<br />
stehen», so eine junge buddhistische<br />
Südkoreanerin.<br />
In der vietnamesischen Pagode in Ecublens<br />
hängt ein Bild, gemalt von einem<br />
Bootsflüchtling. Es zeigt Quan Hien,<br />
die weibliche Erscheinung des Boddhisattva<br />
der Barmherzigkeit. Sie steht<br />
im Fluchtboot auf einem Drachen <strong>und</strong><br />
zähmt ihn. Er ist Symbol der Piraten<br />
auf dem Weg. Wir kennen das Bild von<br />
Maria aus der Offenbarung. Hat die<br />
Gebete der Flüchtlinge nun Quan Hien oder Maria erhört? Sie<br />
einigten sich: eine Frau, die sich ganz hingegeben hat.<br />
Im Hinduismus hat Parvathi (Sakti), die Frau Shivas <strong>und</strong> Mutter<br />
von Murugan <strong>und</strong> Ganesha, eine ähnliche Stellung: Sie ist Mutter<br />
der Erde, die Kämpfende <strong>für</strong> das Gute <strong>und</strong> hat vier Arme. Mit<br />
zweien bekämpft sie den Dämon, der die Welt zerstören will, <strong>und</strong><br />
die andern hält sie in schützenden Mudras zur Erde. Deshalb<br />
haben tamilische Hindus, seit sie in die Schweiz kamen, Marienwallfahrtsorte<br />
aufgesucht – es gab noch keine Hindutempel.<br />
Sie besuchen Einsiedeln, Mariastein <strong>und</strong> Lourdes. Sie sprechen<br />
Gebete wie zu Parvathi oder einer ihrer verschiedenen Erscheinungen<br />
<strong>und</strong> Namen <strong>und</strong> zünden Kerzen an: «Wenn wir von Maria<br />
zurückkehren, wird das Dunkel sauber wie im Tempel <strong>und</strong> wir<br />
bekommen einen freien Kopf.»
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weltweit<br />
KREUZQUER<br />
Lebensnotwendiges<br />
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••<br />
22 2<br />
9<br />
10 21<br />
••<br />
••<br />
23 1<br />
•• ••• •••• Anzahl Buchstaben; beim Überschneiden der Formen<br />
(rot <strong>und</strong> gelb fast wie ein Rechteck, grün ähnlich einem<br />
Ring) nur eine Farbe vorhanden; in dieses Feld gehört je ein gleicher<br />
Buchstabe.<br />
In den drei bunten Formen ergeben die Buchstaben der ausgefüllten<br />
Felder nacheinander den Lösungssatz, zuerst gelb 1–8,<br />
dann rot 9–16 <strong>und</strong> schliesslich grün 17–30.<br />
1 überragender Berggipfel der Weissen Arena GR 2 Kummer,<br />
Plage, Sorge 3 jener der Weisen ist ein Zaubermittel oder «was<br />
die Bauleute verworfen haben» 4 Talsperre 5 eine Form des<br />
Mondes 6 Alt-B<strong>und</strong>esrat aus AI, die erste Hälfte des Namens<br />
7 Elefant einer ausgestorbenen Art 8 Nahrungsmittel, meist<br />
weisse Farbe 9 eine Aussage von Bruder Klaus: Machet den ….<br />
nicht zu weit 10 Festessen 11 früher Lebensabschnitt<br />
12 so heiss wie der letzte auch bei uns 13 Bürde 14 Tritte<br />
15 Waidwerk, Verb, 1. Person Vergangenheit 16 Wert, Auszeichnung<br />
17 Menge, Summe, Quantum 18 Chronometer<br />
19 Kochstelle 20 Heidekraut 21 Stürze, Angelegenheiten<br />
22 Tapferkeit, Beherztheit 23 Ausflug, Fahrt 24 unvergänglich<br />
25 Woge, Strömung nur mit Anfang <strong>und</strong> Ende 26 Schweizer<br />
Kennzeichen 27 Salz, frz. 28 Abkürzung <strong>für</strong> Norden 29 geniale<br />
Erfindung; es dreht sich 30 schmaler Weg <br />
Auflösung des Rätsels im Heft 1/<strong>2019</strong><br />
Waagrecht<br />
1 CCM ← 3 wenige 8 IBO 11 14 16 42 46 Hochfest der<br />
Gottes Mutter Maria 14 der 15 30 35s Maria Lichtmess<br />
18 Eu 19 Menu 20 Eteuat ← 21 Epifanie/nie 23 bleu<br />
25 Fee/Nest 26 GE 27 Einsiedeln 29 Nu 30 Licht<br />
32 Ungnade 33 Baeren/aimer 37 desidera 39 Noel<br />
40 Sitte/B<strong>und</strong>/BS/ach 42 Mutter 43 ies 44 Sonnenstand/L<br />
46 Maria 47 gratis<br />
Senkrecht<br />
1 CH 2 MCM 3 Wein/Fe 4 Esau/Anna/At(h)en 5 NT<br />
6 Gebote 7 Ente 8 Ideal 9 Beste 10 or 12 Hampfel<br />
13 freien 16 Geist 17 Tube/Candidat 18 Erscheinung des<br />
Herrn 22 neu/Ehre/R(i)ss 24 UR 26 Gin 28 Sinai<br />
30 Lesung 31 Hiob/Eli 33 Bitte 34 Reb(ell) 36 Erlach<br />
38 ASU/ni ← 41 itna ↑ 42 Mor(gen) 44 SA 45 Anr(ede)<br />
Lösungswörter: Am Anfang eines Jahres<br />
2/<strong>2019</strong>
24<br />
Frauen stärken –<br />
Welt verbessern<br />
Die Ökumenische Jubiläumskampagne stärkt wiederum Frauen <strong>und</strong> ihren Einsatz <strong>für</strong> Menschenrechte.<br />
TINA GOETHE, COLETTE KALT, PASCALE SCHNYDER<br />
Obwohl die Staatengemeinschaft klare Gr<strong>und</strong>lagen <strong>für</strong> die Rechte<br />
jedes einzelnen Menschen auf der Welt geschaffen hat, diese<br />
auch kontinuierlich weiterentwickelt <strong>und</strong> konkretisiert, stossen<br />
die Umsetzung <strong>und</strong> Einklagbarkeit der Menschenrechte immer<br />
wieder an Grenzen. Demgegenüber sichern sich Investoren<br />
heute auf internationaler Ebene ab <strong>und</strong> werden mittels Freihandels-<br />
<strong>und</strong> Investitionsschutzabkommen gestärkt. Gleichzeitig<br />
zeigt sich die stetig wachsende Macht der Konzerne. Unternehmen<br />
üben einen grossen Einfluss auf die Politik von Staaten aus,<br />
zuungunsten der Menschen.<br />
Menschenrechte einfordern<br />
Doch immer mehr Frauen fordern als Akteurinnen selbstbewusst<br />
ihre Rechte ein, schliessen sich zusammen, stärken sich gegenseitig<br />
<strong>und</strong> wehren sich gegen Menschenrechtsverletzungen. Sie<br />
setzen sich <strong>für</strong> ihre Lebensgr<strong>und</strong>lagen ein <strong>und</strong> kämpfen <strong>für</strong> eine<br />
Wirtschaft, die Menschenrechte achtet <strong>und</strong> die Umwelt bewahrt.<br />
Sei es als Anwältin wie Sœur Nathalie, die in Kolwezi Kleinbäuer-<br />
Innen verteidigt. Oder in den Philippinen Sister Mary John, die<br />
sich gegen die Unterdrückung von Frauen engagiert. Oder Bembet<br />
Madrid, die zu Gendergerechtigkeit <strong>und</strong> Gemeindeentwicklung<br />
arbeitet. Die Ärztin Nong aus Laos, die sich da<strong>für</strong> einsetzt,<br />
dass Kinder <strong>und</strong> Frauen eine selbstbestimmte Zukunft haben.<br />
Bauernführerinnen, Arbeiterinnen, Lehrerinnen, Wissenschaftlerinnen<br />
oder Aktivistinnen wie Marie Crescence Ngobo in Kamerun:<br />
Sie alle treten als Hüterinnen <strong>und</strong> Kämpferinnen <strong>für</strong> ihr Territorium<br />
<strong>und</strong> den Schutz der Erde auf. Sie organisieren sich <strong>und</strong><br />
wehren sich gemeinsam gegen die negativen Auswirkungen der<br />
globalisierten Wirtschaft. Ihre Arbeit, ihr Engagement gilt es zu<br />
stärken <strong>und</strong> zu unterstützen.<br />
Verdrängte Sorgearbeit<br />
Wirtschaft, <strong>und</strong> ganz besonders Finanzwirtschaft, ist weltweit<br />
nach wie vor Männersache. Nachhaltige Veränderungen zu mehr<br />
sozialer <strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>und</strong> Umweltschutz haben sich bisher<br />
wenig durchsetzen können. Nicht, dass das Geschlecht ein<br />
Garant <strong>für</strong> eine bestimmte Politik sein muss. Und doch ist es <strong>für</strong><br />
die Gleichstellung beider Geschlechter zentral, dass Frauen<br />
hohe <strong>und</strong> höchste Ämter in Politik <strong>und</strong> Wirtschaft bekleiden. Und<br />
es ist auch relevant, dass Frauen in wirtschafts- <strong>und</strong> finanzpolitische<br />
Entscheide gleichberechtigt einbezogen werden. Denn sie<br />
haben aufgr<strong>und</strong> der ihnen gesellschaftlich zugeteilten Verantwortung<br />
<strong>für</strong> die Sorgearbeit andere Prioritäten <strong>und</strong> Bedürfnisse als<br />
Männer. Und wenn vor allem Männer entscheiden, wo<strong>für</strong> Geld<br />
ausgegeben wird <strong>und</strong> wo<strong>für</strong> nicht, ist das <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong> ihren<br />
Lebensalltag spürbar. Auch Einsparungen im Staatshaushalt wirken<br />
sich auf Frauen anders aus als auf Männer. Deutlich wurde<br />
dies bereits mit den «Strukturanpassungsprogrammen» seit<br />
Ende der Achtzigerjahre. Länder des Südens, die ihre Staatsschulden<br />
gegenüber internationalen Gläubigern nicht mehr begleichen<br />
konnten, zwang der Internationale Währungsfonds zu<br />
drastischen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben. In der Folge<br />
50 Jahre Ökumenische Kampagne<br />
Fastenopfer (katholisch) <strong>und</strong> Brot <strong>für</strong> alle (reformiert) führen dieses Jahr zum 50. Mal ihre Kampagne in den sechs Wochen vor<br />
Ostern durch. Seit 1994 beteiligt sich auch Partner sein, das Hilfswerk der christkatholischen Landeskirche. Wie schon bei der<br />
ersten Info-Kampagne 1969 ist es das Ziel, die breite Öffentlichkeit auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, die dazu<br />
führen, dass 800 Millionen Menschen in Hunger <strong>und</strong> Armut leben. Seit 1973 erscheint die Agenda mit ihren Sprüchen <strong>und</strong><br />
Informationen, die zum Markenzeichen der Kampagne wurde. Das Angebot wurde breiter: Das Hungertuch, Liturgiematerialien,<br />
Suppentage <strong>und</strong> die Rosenaktion gehören zu ihren Veranstaltungen, welche Kirchgemeinden <strong>und</strong> Pfarreien in der ganzen<br />
Schweiz jährlich durchführen.
25<br />
weltweit<br />
GESELLSCHAFTWELT<br />
Die Wirtschaftswissenschaftlerin<br />
Marie Crescence Ngobo engagiert sich<br />
<strong>für</strong> Frauenrechte <strong>und</strong> berät Frauen<br />
bei der Gründung <strong>und</strong> Entwicklung<br />
eigener Unternehmen.<br />
(Bild: Brot <strong>für</strong> alle/Fastenopfer)<br />
mussten die Länder nicht nur im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungssektor<br />
massiv kürzen, sondern auch Ausgaben <strong>für</strong> landwirtschaftliche<br />
Produktion abbauen <strong>und</strong> ihre Landwirtschaften auf die Produktion<br />
von Exportgütern ausrichten. Werden Baumwolle, Kaffee<br />
oder Blumen anstelle von Gr<strong>und</strong>nahrungsmitteln produziert, trifft<br />
das viele Familien direkt beim täglichen Mahlzeitenangebot, das<br />
weltweit noch immer mehrheitlich Frauen bereitstellen. Die Sparpolitik<br />
beschränkt sich längst nicht mehr auf ökonomisch ärmere<br />
Länder: Einerseits wird die Arbeitslast <strong>für</strong> die Versorgung von<br />
Kindern, kranken <strong>und</strong> alten Menschen höher, je mehr sich der<br />
Staat aus diesen Aufgaben zurückzieht. Andererseits betreffen<br />
die Kürzungen im Sozialbereich überdurchschnittlich die Arbeitsplätze<br />
von Frauen: Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen, Verwaltungsangestellte,<br />
Pflegefachfrauen usw. Damit verlieren sie ihr Einkommen<br />
<strong>und</strong> müssen gleichzeitig mehr unbezahlte Arbeit leisten, weil die<br />
Sorgearbeit aus dem öffentlichen Sektor in die privaten Haushalte<br />
verlagert wird.<br />
Haushaltsansatz<br />
Diese ökonomisch unsichtbar gemachte tägliche Arbeit ist das<br />
F<strong>und</strong>ament unserer Gesellschaft. Kein Mensch ist lebensfähig<br />
ohne die Versorgung durch andere. Dennoch wird die Sorgearbeit<br />
ins Reich des Privaten abgeschoben, wo sie von der<br />
«liebenden Frau <strong>und</strong> Mutter» übernommen wird. Ein Ansatz, bei<br />
dem bezahlter <strong>und</strong> unbezahlter Arbeit den gleichen Wert zukommt,<br />
ist der «Haushaltsansatz», wie ihn Fastenopfer auf den<br />
Philippinen <strong>und</strong> Brot <strong>für</strong> alle in Honduras unterstützen. Dabei<br />
erarbeiten Mann <strong>und</strong> Frau gemeinsam ein Haushaltsbudget.<br />
Künftige Einkünfte <strong>und</strong> Ausgaben legen sie offen. Das klassische<br />
Modell vom Mann als Haushaltsvorstand verhandeln sie neu <strong>und</strong><br />
überprüfen die Arbeitsteilung geschlechterneutral. Es geht darum,<br />
wer wie viel leistet <strong>und</strong> ob die Arbeit gleichmässig verteilt ist.<br />
Dabei wird nicht nur die bezahlte Arbeit berücksichtigt, sondern<br />
auch Einsätze <strong>für</strong> Familie <strong>und</strong> Gemeinwohl. Oftmals erkennen<br />
Männer dabei, wie umfangreich Hausarbeit ist <strong>und</strong> wie wenig<br />
sie diese bis anhin wertschätzten. Diese Erkenntnis führt im<br />
Familiensystem in den meisten Fällen zu gr<strong>und</strong>legenden Veränderungen.<br />
Zum Wohl des Ganzen<br />
Veränderungen braucht es aber auch im Umgang mit den Ressourcen<br />
wie Land, sei es im privaten Besitz der Familie oder<br />
kollektiv durch die Gemeinschaft verwaltet. Obwohl Frauen im<br />
<strong>globale</strong>n Süden noch immer 60 bis 80 Prozent aller Lebensmittel<br />
herstellen, verarbeiten <strong>und</strong> vermarkten, sind es die Männer, die<br />
das Land besitzen. An einem von Brot <strong>für</strong> alle organisierten<br />
Workshop in Sierra Leone zum Problem Land Grabbing stellten<br />
Frauen klar: «Unsere Männer geben das Land her, ohne uns zu<br />
fragen, <strong>und</strong> wir können die Misere dann ausbaden.» Dass es den<br />
Frauen gemeinsam gelungen ist, die Landverkäufe rückgängig<br />
zu machen, zeigt jedoch, dass es sich lohnt, zu kämpfen <strong>und</strong><br />
gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen.<br />
Das sorgsame Handeln muss über staatliche Grenzen hinausgehen<br />
<strong>und</strong> den Schutz unserer Umwelt ganz selbstverständlich<br />
miteinbeziehen. Die Aufwertung der Sorgearbeit ist eine grosse<br />
Chance, die Wirtschaft als Ganzes neu auszurichten: von einer<br />
kapitalistischen Wirtschaft, die auf Profitmaximierung <strong>und</strong> der<br />
Ausbeutung von menschlichen <strong>und</strong> natürlichen Ressourcen<br />
basiert, hin zu einer Hauswirtschaft, in der das Wohl des Ganzen<br />
– Mensch <strong>und</strong> Umwelt – wieder ins Zentrum rückt. <br />
2/<strong>2019</strong>
26<br />
weltweit<br />
ANGEBOTE<br />
Kloster Menzingen ZG<br />
27. Juni bis 2. August <strong>2019</strong><br />
Basic Zen im Kloster Menzingen<br />
Mit Pater Gebhard Kohler<br />
Anmeldung: Schwestern vom Heiligen Kreuz, Claudia Burkard-Theiler,<br />
Hauptstrasse 11, 6313 Menzingen, Tel. 041 757 41 53,<br />
claudia.burkard@institut-menzingen.ch<br />
10.–17. August <strong>2019</strong><br />
Exerzitien mit Wandern <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong> Männer<br />
Während des Tages mit einem biblischen Text unterwegs;<br />
teilweise im stillen Sitzen, teils im Wandern.<br />
Prospekt <strong>und</strong> Anmeldung: Sr. Elisabeth Maria Sauter, Höngen,<br />
4712 Laupersdorf, Tel. 062 391 33 45 / 062 391 85 43,<br />
haus-der-stille@gmx.ch – www.kloster-menzingen.ch <br />
Katharina-Werk Basel<br />
6.–7. April / 27. April / 18. Mai / 22. Juni <strong>2019</strong><br />
Zazenkai – verlängertes Zazenkai<br />
im kanzeonZENdo, Solothurnerstrasse 50, 4053 Basel<br />
Anmeldung: e.hug@katharina-werk.org<br />
Kontemplation–Vertiefungstage:<br />
6.–12. April <strong>2019</strong>: Das Herz der Materie, ein Herz Gottes<br />
6.–10. Oktober <strong>2019</strong>: Ursprung <strong>und</strong> Gegenwart<br />
in der Propstei Wislikofen mit Hildegard Schmittfull<br />
7.–10. Mai <strong>2019</strong> (Pfingsten)<br />
ZEN <strong>und</strong> Wandern<br />
Staunen, hören, sehen <strong>und</strong> still werden<br />
Anmeldung: e.hug@katharina-werk.org<br />
18.–21. April <strong>2019</strong><br />
Ostern mit Mitgliedern der Gemeinschaft Katharina-Werk<br />
in Dahlem-Baasem, Eifel (DE)<br />
oder Ostern in der Stille<br />
in der Propstei Wislikofen<br />
mit Regula Tanner <strong>und</strong> Valeria Hengartner<br />
Sitzen in der Stille – Kontemplation – Zen – Wüstentage –<br />
Exerzitien – Offene Abende<br />
Regelmässige Angebote finden Sie unter www.katharina-werk.org<br />
Donnerstag, 2. Mai <strong>2019</strong>, 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr<br />
Morgenimpuls plus Kaffee mit Zopf<br />
Vortrag «Schönheit kommt von innen» <strong>und</strong> Zusammensein<br />
bei Kaffee <strong>und</strong> Zopf.<br />
Leitung: Sr. Ingrid Grave, ehem. TV-Moderatorin der Sternst<strong>und</strong>e<br />
Samstag, 18. Mai <strong>2019</strong>, 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr<br />
Indianische Flöte spielend kennen <strong>und</strong> vielleicht lieben lernen<br />
Kursleitung: Samuel Staffelbach, Musiker, Flüeli-Ranft<br />
Freitag, 31. Mai <strong>2019</strong>, 15.15 Uhr bis Sonntag, 2. Juni <strong>2019</strong>, 14.00 Uhr<br />
In der Trauer seelisch wachsen<br />
Gemeinsam unterwegs <strong>und</strong> wachsen im eigenen Trauerprozess.<br />
Seminarleitung: Sr. Madlen Büttler, Dominikanerin Ilanz <strong>und</strong><br />
Mirjam Hefti, Katechetin Chur<br />
Weitere Angebote <strong>und</strong> Informationen: Haus der Begegnung, Klosterweg<br />
16, 7130 Ilanz, Tel. 081 926 95 40, www.hausderbegegnung.ch<br />
oder hausderbegegnung@klosterilanz.ch <br />
Kloster Ingenbohl SZ<br />
Angebote an jedem 16. des Monats<br />
Pilgertag (Sel. Mutter Maria Theresia Scherer)<br />
10.30 Uhr Pilgergottesdienst in der Klosterkirche<br />
14.30 Uhr Pilgergebet in der Krypta<br />
19.30 Uhr Komplet, kirchliches Nachtgebet in der Krypta<br />
Keine Anmeldung erforderlich<br />
Sakrallandschaft Innerschweiz<br />
Pilger-Kulturangebote<br />
Pilgerherberge Haus Maria Theresia, Kloster Ingenbohl<br />
Nähere Informationen: Sr. Hildegard Zäch, Tel. 041 825 24 51,<br />
haus.maria-theresia@kloster-ingenbohl.ch / www.kloster-ingenbohl.ch /<br />
www.sakrallandschaft-innerschweiz.ch <br />
Zen Zentrum Offener Kreis Luzern<br />
Dienstag, 6.30 bis 8.00 Uhr <strong>und</strong> 19.00 bis 20.00 Uhr<br />
Donnerstag, 6.30 bis 08.00 Uhr <strong>und</strong> 18.00 bis 19.00 Uhr<br />
wöchentlich (ausser an Feiertagen <strong>und</strong> während Sesshins)<br />
Zazen (Schweigemeditation)<br />
Keine Anmeldung erforderlich<br />
Anmeldung (soweit nicht anders benannt) über Katharina-Werk, Neubadstrasse<br />
95, 4054 Basel, Tel. 061 307 23 23, sekretariat@katharina-werk.org <br />
Dominikanerinnen Ilanz GR – Haus der Begegnung<br />
Montag, 8. April, 16.00 Uhr bis Donnerstag, 11. April <strong>2019</strong>, 16.00 Uhr<br />
Welche Religion hat Gott?<br />
Kernthemen der Weltreligionen <strong>und</strong> des interreligiösen Dialogs.<br />
Kursleitung: Prof. Dr. Stefan Leimgruber, Zürich<br />
Freitag, 26. April, 9.15 Uhr bis Sonntag, 28. April <strong>2019</strong>, 16.00 Uhr<br />
Der ethische Weg: Erste Hilfe durch das Wort<br />
Reden kann Leben retten im Notfall.<br />
Seminarleitung: Ruedi Lang, Dozent Medical protect academy,<br />
Triengen<br />
28. April bis 3. Mai <strong>2019</strong><br />
Sesshin<br />
Leitung: Dr. Anna Gamma, ktw<br />
Samstag, 25. Mai <strong>2019</strong>, 10.00 bis 16.00 Uhr<br />
Zazenkai<br />
Leitung: Dr. Anna Gamma, ktw<br />
Samstag, 15. Juni <strong>2019</strong>, 9.30 bis 17.00 Uhr<br />
Zen-Einführung<br />
Leitung: Karl-Heinz Scholz, Zen-Assistenzlehrer<br />
Ort der Veranstaltungen <strong>und</strong> weitere Informationen: Zen Zentrum<br />
Offener Kreis, Bürgenstrasse 36, 6005 Luzern, Tel. 041 371 11 94,<br />
info@zenzentrum-offenerkreis.ch / www.zenzentrum-offenerkreis.ch
27<br />
weltweit<br />
AUSGEFALLEN<br />
Retortenfleisch: Unsinn?<br />
Ein Hamburger: Wieso muss Fleisch dabei sein?<br />
(Bild: pixabay)<br />
THEO BÜHLMANN<br />
Noch bevor der Schritt von der Vision zum Plan gemacht war,<br />
motivierte 2016 der Bioreaktor, der <strong>für</strong> den Hausgebrauch Hühnerfleisch<br />
produziert, <strong>für</strong> eine halbe Million Dollar Investoren. Die<br />
Idee fasziniert, Fleisch zu produzieren, ohne dass da<strong>für</strong> Tiere<br />
leiden <strong>und</strong> sterben müssen. Reine Science-Fiction ist es nicht<br />
mehr; die eigentliche Technologie funktioniert. Schon seit Jahren<br />
werden im Labor Herzklappen, Hautgewebe oder Ohrmuscheln<br />
gezüchtet. Wieso sollten Zellvervielfältigung <strong>und</strong> Gewebezüchtung<br />
nicht zu Schnitzel <strong>und</strong> Steaks führen?, dachten sich ForscherInnen.<br />
Durch Biopsie werden lebenden Tieren Muskelstammzellen<br />
entnommen <strong>und</strong> in einem Nährmedium kultiviert.<br />
Sie vermehren sich <strong>und</strong> wachsen zu Muskel- <strong>und</strong> Fleischfasern.<br />
Da wird viel experimentiert: Zellen werden mit elektrischen Impulsen<br />
trainiert, zu besserem «Muskelgewebe» heranzuwachsen.<br />
Und man gleicht es mit Fett <strong>und</strong> allerlei anderen Zusätzen geschmacks-<br />
<strong>und</strong> aussehensmässig an traditionelles Fleisch an.<br />
In-vitro-Produzenten argumentieren nicht nur moralisch. Auch<br />
wenn ihre Zucht aus Chemiefabriken nicht naturnah daherkommt,<br />
sehen sie sich als bessere ökologische Alternative zur<br />
Massentierhaltung. Der Energieverbrauch bei Kunstfleisch lasse<br />
sich um 45 Prozent <strong>und</strong> der Land- <strong>und</strong> Wasserverbrauch gar um<br />
95 Prozent gegenüber der konventionellen Fleischproduktion<br />
senken, wurde behauptet. Solche Angaben mussten aber bereits<br />
arg revidiert werden. Zumindest vorübergehend trübt der Energiebedarf<br />
eines Rindfleisch-Laborburgers die Ökobilanz; die sei<br />
bei einer aktuellen Geflügelproduktion besser.<br />
Schon 1997 erhielt der niederländische Forscher Willem van<br />
Eelen das erste In-vitro-Fleisch-Patent, weitere folgten in den<br />
USA. Einige wenige Biotechfirmen könnten den Markt unter sich<br />
aufteilen. 2013 lud der Biologe Mark Post aus Maastricht zum<br />
medienwirksamen Dinner mit dem ersten künstlichen Burger, der<br />
aus Rindsstammzellen gewonnen wurde. Er kostete – finanziell<br />
unterstützt von der niederländischen Regierung <strong>und</strong> gesponsert<br />
vom Google-Gründer Sergej Brin – 250 000 Euro. Letzten Frühling<br />
hiess es, den Burger gäbe es inzwischen <strong>für</strong> 60 Franken das<br />
Kilo.<br />
Als grösste Herausforderung entpuppte sich derweil das Nährmedium.<br />
Bisher wird es von Kälberserum aus Föten geschlachteter<br />
trächtiger Kühe gewonnen. SuperMeat hingegen gibt an, es<br />
vermehre «Fleischzellen» bereits auf rein pflanzlichen Nährböden.<br />
Aber die Herstellung erfordert immer noch Zugabe von Antibiotika.<br />
Und Forscher kämpfen damit, dem Original näher zu kommen<br />
<strong>und</strong> Muskelfasern hinzukriegen, die wie in Natura von Kollagenen<br />
gehalten <strong>und</strong> von Fettgewebe umhüllt besseren Geschmack<br />
bringen. 2017 geriet die US-Firma Impossible Foods in die Kritik,<br />
der Geschmacksträger ihres fleischfreien Burgers stamme aus<br />
gentechnisch veränderter Hefe ohne Zulassung.<br />
Die Welternährungsorganisation (FAO) erwartet, dass sich bis zur<br />
Jahrh<strong>und</strong>ertmitte die weltweite Fleischproduktion nahezu verdoppelt.<br />
Sie verbraucht zehnmal mehr Wasser, als es <strong>für</strong> pflanzliche<br />
Nahrungsmittel braucht. Um ein Kilo Fleisch anzusetzen,<br />
müssen Masttiere – etwa 150 Milliarden sind es weltweit! –<br />
je nach Tierart drei bis acht Kilo Getreide fressen. Viehzucht ist<br />
vor allem auch angesichts des Welthungers eine ziemlich ineffiziente<br />
Art der Nahrungsgewinnung. Und sie verursacht vierzehn<br />
Prozent der Treibhausgase.<br />
Wird es also so sein, dass man sich in zehn Jahren in den Läden<br />
zwischen echten, natürlich herangewachsenen Schlachtprodukten,<br />
den vegetarischen <strong>und</strong> veganen Fleischalternativen <strong>und</strong> denjenigen<br />
des fabrikmässigen Kunstfleisches entscheidet? Man kann<br />
sich auch fragen, wieso der Mensch so sehr aufs Fleisch fixiert<br />
ist <strong>und</strong> seine Nahrungsentwicklung nicht vielmehr echt naturpflanzlich-kreativ<br />
forciert. Und (wie gut) könnten Landwirte ihre<br />
Tierzucht auf Rohstoffproduktion <strong>für</strong> Kunstfleisch umstellen? Wollen<br />
wir es als Konsumenten überhaupt: Haben Sie, liebe Leser-<br />
Innen, Lust auf einen In-vitro-Hamburger bekommen? Ich nicht. <br />
Quellen: Le Monde diplomatique, Tages-Anzeiger<br />
2/<strong>2019</strong>
28<br />
VOYAGEPARTAGE<br />
weltweit<br />
Mit Voyage-Partage engagieren sich junge Menschen während vier<br />
bis zwölf Monaten in einem kirchlichen Projekt in Asien, Afrika oder<br />
Lateinamerika. Dabei erhalten sie Einblicke in das einfache Leben der<br />
Bevölkerung <strong>und</strong> in die Arbeit der Ordensgemeinschaft. Voyage-Partage<br />
legt grossen Wert auf die intensive Vorbereitung <strong>und</strong> vermittelt<br />
individuell abgestimmte Projekte. Mehr Infos: www.voyage-partage.ch<br />
Leben in der Ferne <strong>und</strong><br />
doch zu Hause<br />
FABIA LANG<br />
Der Tag in Thimmarajupalem, im Südosten von Indien, startet<br />
morgens um fünf Uhr. Dann wird in der Kirche Musik aufgelegt,<br />
die bis zum Beginn des Gottesdienstes ertönt. Die Musik <strong>und</strong><br />
die Stimmung zaubern mir oft schon am frühen Morgen ein<br />
Schmunzeln aufs Gesicht. Ganz still ist es hier ohnehin nie. Entweder<br />
hört man Verkehrsmittel hupen, wilde H<strong>und</strong>e jaulen, oder<br />
Gebete aus den Tempeln <strong>und</strong> Kirchen ertönen. Die ständige Geräuschkulisse<br />
widerspiegelt das Leben hier sehr gut. Mittlerweile<br />
dass es normal ist, wenn man zu dritt oder viert auf einem Motorrad<br />
sitzt <strong>und</strong> in regelmässigen Abständen hupt, wenn man<br />
nicht vorankommt?<br />
Ich heisse Fabia, bin 19 Jahre alt <strong>und</strong> engagiere mich dank<br />
Voyage-Partage von Oktober 2018 bis April <strong>2019</strong> in einem Projekt<br />
der Schwestern vom Hl. Kreuz Menzingen in Südostindien.<br />
Das Projekt umfasst ein Community College, einen Kindergarten<br />
<strong>und</strong> ein Rehabilitationszentrum <strong>für</strong> Lepraerkrankte. Es wird von<br />
vier Schwestern betreut, drei weitere sind noch in Ausbildung.<br />
In vielem unterscheiden wir uns,<br />
doch genauso viel verbindet uns.<br />
Ich assistiere hier einerseits der Lehrerin im College<br />
beim Unterrichten. Andererseits helfe ich im Kindergarten<br />
mit. Dort bringen wir r<strong>und</strong> zwanzig Kindern<br />
Lieder <strong>und</strong> Tänze bei, üben mit ihnen das ABC oder<br />
spielen draussen. Mittags unterstützen wir die Kinder<br />
beim Essen, einige füttern wir auch. Die richtige Technik<br />
<strong>für</strong> das Eingeben <strong>und</strong> Essen mit den Händen zu<br />
lernen, forderte mich sehr. Insbesondere musste ich<br />
mich daran gewöhnen, einfach in den Teller zu greifen,<br />
sowohl in meinen eigenen als auch in den Teller<br />
der Kinder. Da ich regelmässig übe, klappt es schon<br />
viel besser. Es macht mir Freude, zu sehen, mit welcher<br />
Unbeschwertheit <strong>und</strong> Fröhlichkeit die Kinder<br />
hierher kommen. Ein Lachen von ihnen ist unbezahlbar.<br />
Und dass sie in Gemeinschaft von anderen Kindern<br />
sind, tut ihnen gut <strong>und</strong> fördert ihre Entwicklung.<br />
Fabia Lang beim Spiel<br />
mit Schulkindern.<br />
(Bild: Voyage-Partage)<br />
fallen mir die Geräusche gar nicht mehr auf. Zu Beginn jedoch<br />
fühlte ich mich wie in einer anderen Welt. Alles war neu: die Umgebung,<br />
die Umgangsformen, die Sprache. Wusstet ihr zum Beispiel,<br />
dass viele Inder traditionell mit den Händen essen? Und<br />
Auch von den Schwestern wurde ich sehr herzlich<br />
aufgenommen. Sie lassen mich voll <strong>und</strong> ganz an<br />
ihrem Leben <strong>und</strong> ihrem Alltag teilhaben. Das empfinde<br />
ich als keine Selbstverständlichkeit <strong>und</strong> ich bin<br />
ihnen sehr dankbar. Obgleich ich merke, dass es viele<br />
Dinge gibt, die uns Menschen weltweit unterscheiden,<br />
sehe ich auch, dass es genauso viel gibt, was<br />
uns miteinander verbindet – über kulturelle, religiöse<br />
<strong>und</strong> sprachliche Grenzen hinweg. Offen zu sein gegenüber<br />
Neuem öffnet neue Blickwinkel, die <strong>für</strong> das eigene Leben von<br />
Bedeutung sind. Und ein Lächeln zu schenken, wo auch immer<br />
wir sind, verbindet über alle Unterschiede hinweg.
29<br />
PROJEKTHILFE<br />
22005<br />
weltweit<br />
PROJEKTHILFE<br />
MENZINGER SCHWESTERN<br />
Existenzgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong><br />
20 Stammesfrauen<br />
Laufende Aktivitäten von WSSS sind:<br />
• Stickereien von Hand <strong>und</strong> per Maschine<br />
• Herstellen von Kunstgegenständen<br />
• Wohn- <strong>und</strong> Schulmöglichkeiten im Zentrum WSSS<br />
<strong>für</strong> mittellose Mädchen<br />
• Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> soziale Aufklärungsprogramme<br />
• Rachitis-Sprechst<strong>und</strong>e <strong>und</strong> andere Ges<strong>und</strong>heitsprogramme<br />
in den Dörfern<br />
• Hilfe <strong>für</strong> psychisch Kranke<br />
• Gemeinschaftsbasierte Rehabilitation von Behinderten.<br />
Beobachtung <strong>und</strong> Kontrolle der Behindertenorganisation<br />
• Aufklärung, Ges<strong>und</strong>heit, Lebensunterhalt, soziale Stärkung<br />
<strong>und</strong> Interessenvertretung der verschiedenen<br />
Gruppen im ganzen Mairang-Gebiet – umfasst 54 Dörfer.<br />
Schwester Alicia mit einer Nähgruppe.<br />
(Bild: Menzinger Schwestern)<br />
ÜBERSETZUNG: SR. THOMAS LIMACHER<br />
Wellsprings Social Service Society (WSSS) ist eine soziale Einrichtung<br />
der indischen Menzinger Schwestern in Mairang, West<br />
Khasi Hills District, Meghalaya. Sie fokussiert sich vor allem auf<br />
einen ganzheitlichen Ges<strong>und</strong>heitsdienst, im Hintergr<strong>und</strong> die kulturellen,<br />
ökonomischen <strong>und</strong> gemeinschaftlichen Khasi-Stämme,<br />
mit denen sie arbeitet.<br />
Ganzheitliche Frauenförderung<br />
Sr. Alicia Choorapuzha, die Projektträgerin, schreibt: Während<br />
der letzten zwölf Jahre haben wir mit der Missionsprokura an der<br />
Hilfe <strong>für</strong> viele Dörfer in diesem Distrikt zusammengearbeitet. Wir<br />
konnten schon 2001 Selbsthilfegruppen <strong>für</strong> Frauen organisieren<br />
<strong>und</strong> ihnen einiges an handwerklichen Fertigkeiten beibringen.<br />
Dazu führten wir verschiedene Entwicklungs- <strong>und</strong> Bildungsprogramme<br />
<strong>für</strong> vorzeitige SchulabgängerInnen <strong>und</strong> Menschen mit<br />
Behinderung durch. Unser Zentrum ist stets bemüht, neue Wege<br />
<strong>und</strong> Initiativen zu suchen, um die Armen <strong>und</strong> Unterprivilegierten<br />
zu erreichen.<br />
Hilfe <strong>für</strong> kleine Nähgeschäfte<br />
Während der letzten Jahre haben wir durchgehend verschiedene<br />
Trainingsprogramme <strong>für</strong> junge Stammesfrauen<br />
durchgeführt. Wegen finanzieller Schwierigkeiten waren<br />
viele nicht fähig, ein Einkommen schaffendes Programm<br />
zu starten. Sie sind handwerklich sehr begabt, diese ausgebildeten<br />
Frauen, arbeiten hart, aber es fehlen ihnen<br />
Hilfsmittel <strong>und</strong> Infrastruktur, um davon leben zu können.<br />
Durch unseren Erfahrungsbericht <strong>und</strong> unsere Evaluation<br />
ist uns aufgefallen, dass wir sie nach der Schulung mehr motivieren<br />
müssen, mithilfe einer Nähmaschine ein kleines Geschäft<br />
zu eröffnen.<br />
Es geht im Projekt um junge Frauen in den Dörfern des Hinterlands,<br />
die arm <strong>und</strong> ausgegrenzt in einfachen Waldbehausungen<br />
leben <strong>und</strong> mit ihren täglichen Lebensumständen finanziell nicht<br />
zurechtkommen. Wir planen, aus diesen Waldgebieten in verschiedenen<br />
Dörfern zwanzig Frauen aus den dortigen Stämmen<br />
zu selektieren, um sie sechs Monate lang intensiv an Nähmaschinen<br />
zu schulen. Die Maschinen werden ihnen nach dem<br />
Kurs abgegeben. Wir rechnen mit zwei Kursen pro Jahr. Während<br />
drei Jahren möchten wir dieses Projekt durchführen, in der<br />
Hoffnung, dass es ein Erfolg sein wird. Während ihrer Lehrzeit<br />
im Zentrum ermöglichen wir ihnen, an weiteren Bildungsprogrammen<br />
teilzunehmen, um Selbstvertrauen <strong>und</strong> andere Kompetenzen<br />
aufzubauen.<br />
Wir werden das Projekt nahe begleiten <strong>und</strong> mit regulären Hausbesuchen<br />
der Ausgebildeten auswerten. Somit werden wir auch<br />
weiterhin Hilfe anbieten, solange die Frauen das benötigen, bis<br />
sie selbstständig den Lebensunterhalt bestreiten können. <br />
2/<strong>2019</strong>
30<br />
PROJEKTHILFE<br />
27059<br />
MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />
Sandspieltherapie<br />
Im Priorat Seoul in Korea erfahren Missions-Benediktinerinnen, dass «auf Sand bauen» viele Menschen<br />
heilen kann.<br />
Im geschützten <strong>und</strong> unterstützten Rahmen der Sandspielkästen<br />
erfahren Kinder sehr lebensförderliche Prozesse.<br />
(Bild: Missions-Benediktinerinnen)<br />
SR. HOSANNA KIM<br />
Bei der von der Schweizerin Dora M. Kalff (1904 bis 1990) entwickelten<br />
Sandspieltherapie handelt es sich um eine psychotherapeutische<br />
Methode auf drei Säulen: zum einen auf Gr<strong>und</strong>ideen<br />
der analytischen Psychologie von C. G. Jung, zum anderen auf der<br />
«Welttechnik» der englischen Kinderärztin Margaret Lowenfeld<br />
<strong>und</strong> schliesslich auf den spirituellen Traditionen des Buddhismus.<br />
Spielerisch «aufleben»<br />
Praktisch steht in einer Therapiest<strong>und</strong>e dem Kind ein Tischsandkasten<br />
mit unzählig vielen kleinen Figuren (Menschen, Tiere,<br />
Pflanzen, Gebäude, Fahrzeuge usw.) <strong>und</strong> Dingen des alltäglichen<br />
Lebens zur Verfügung. Das Kind stellt mit dem Sand <strong>und</strong> den<br />
Figuren eine Szene dar. Die therapeutisch geschulte Schwester<br />
beobachtet es beim Spiel, ist in Stille anwesend <strong>und</strong> respektiert,<br />
was immer das Kind tut. Sie gibt keinen Kommentar, sondern
31<br />
weltweit<br />
BRÜCKENSCHLAG<br />
weitere Entwicklungsschiene ergab sich im Zusammenhang mit<br />
unserer Arbeit mit Taubstummen durch Sr. Amos Hwang seit<br />
2006. Die Schwester lebte als Psychologiestudentin in Silent Village,<br />
als gerade der Kurs <strong>für</strong> Sandspieltherapie anfing. Studenten<br />
waren fasziniert <strong>und</strong> hörten den Vorträgen mit Begeisterung<br />
zu. Die Art <strong>und</strong> Weise, mit Sand <strong>und</strong> den Figuren zu spielen,<br />
sprach sie sehr an. Sie erlebten, wie sich insgesamt die Atmosphäre<br />
des Silent Village veränderte, die Stimmung positiver<br />
wurde <strong>und</strong> die Kinder sich gegenseitig ermutigten. So wie an<br />
diesem Ort waren die Wirkungen vielfach zu erfahren. Die Arbeit<br />
mit der Sandspieltherapie weitete sich weiter aus: 2015 öffnete<br />
die Seoul Aewha Schule (Schule <strong>für</strong> die Taubstummen) das<br />
Sandspiel-Therapiezentrum <strong>für</strong> alle Schüler. Im selben Jahr wurde<br />
das Sandspielzentrum auf Antrag des Bischofs von Juju auf der<br />
Insel Jeju im Süden Koreas eröffnet. Zwei Schwestern sind dort<br />
<strong>und</strong> geben Beratung <strong>für</strong> Randgruppen mit Sandspieltherapie.<br />
Zur gleichen Zeit bietet das Zentrum auch das Programm «Ges<strong>und</strong>heit<br />
in der Gemeinschaft der Familie» an.<br />
ist ganz <strong>und</strong> gar anwesend, was die Kinder sehr schätzen. Das<br />
Sandspiel passt gut zu orientalischen Menschen, die nonverbale<br />
Kommunikation der verbalen vorziehen.<br />
Die Sandspieltherapie hat einige positive Wirkungen: Kinder<br />
bilden durch Phantasiespiele ein ges<strong>und</strong>es Selbst heraus. Sie<br />
wachsen darin, selbst aktiv zu werden <strong>und</strong> mit eigenen Händen<br />
ihre eigene Welt kreativ zu gestalten. Sie lernen, sich auf die<br />
ganz eigenen Sprachen von Sand <strong>und</strong> den Gegenständen in<br />
dem Sandkasten einzulassen. Das Sandspiel hat durch die Kästen<br />
eine klare Begrenzung. Das schützt die Kinder in vielerlei<br />
Hinsicht, sodass sie sich sicher fühlen können <strong>und</strong> eine sehr vertrauensvolle<br />
Beziehung zur Therapeutin entsteht.<br />
85 Schwestern sind Therapeutinnen<br />
Wie hat sich diese Therapie im Priorat Seoul in Korea entwickelt?<br />
2006 machte das Priorat Seoul auf dem Gelände des Prioratshauses<br />
den Benedict-Kindergarten auf. Sr. Rose Marie Hwang<br />
wurde als Direktorin <strong>für</strong> 340 Kinder in vierzehn Gruppen ernannt.<br />
Sie begann damit, die Sandspieltherapie <strong>für</strong> alle Kinder <strong>und</strong><br />
Eltern einzuführen. Die Kinder freuten sich immer sehr auf diese<br />
St<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> die Methode erwies sich <strong>für</strong> die Entwicklung der<br />
Kinder als sehr förderlich.<br />
2012 wurde Schwester Rose Marie zur Priorin des Priorats gewählt.<br />
Sie ermunterte alle Schwestern, sich in Sandspieltherapie<br />
ausbilden zu lassen. Viele Schwestern folgten ihr <strong>und</strong> absolvierten<br />
den Lizenzkurs bei Sr. Anna Kim, die eine Pionierin auf dem<br />
Gebiet der Sandspieltherapie in Korea ist. Schliesslich hatten bis<br />
zum Jahresende 85 Schwestern das Zertifikat erworben.<br />
2015 eröffneten wir auf dem Gelände des Prioratshauses das<br />
benediktinische Beratungszentrum Seoul, das sich um Bedürfnisse<br />
von Kindergärten <strong>und</strong> um die Leute in der Umgebung kümmert.<br />
Sieben Schwestern sind in diese Arbeit involviert. Eine<br />
Heilend <strong>und</strong> Glauben stärkend<br />
Da sich die Sandspieltherapie wie die Tiefenpsychologie mit den<br />
Tiefenschichten des Menschen befasst <strong>und</strong> ihn zu ihrem eigenen<br />
Selbst führen soll, erweist sie sich auch <strong>für</strong> die Evangelisierung<br />
als hilfreich. In Korea haben sich die wirtschaftliche Entwicklung<br />
<strong>und</strong> die soziale Atmosphäre sehr verändert. Infolgedessen leiden<br />
die Menschen auch geistig <strong>und</strong> psychologisch. Daher ist es<br />
wichtig, über gute Werkzeuge zu verfügen, damit man sich ihnen<br />
<strong>und</strong> ihren W<strong>und</strong>en nähern <strong>und</strong> sie behandeln <strong>und</strong> heilen kann.<br />
Zum einen ist es sehr hilfreich, Sandspieltherapeutin zu sein. Die<br />
koreanische Kultur respektiert Ordensleute sehr, sodass von vorneherein<br />
ein tiefes Vertrauensverhältnis <strong>und</strong> Frieden zwischen<br />
Therapeutin <strong>und</strong> Klienten vorausgesetzt werden können. Zum<br />
anderen sind Ordensfrauen wegen ihres Lebensstils <strong>und</strong> ihrer<br />
Ausbildung kompetent. Auch das Gebet einer Schwester ermöglicht<br />
Heilung auf noch ganz andere Weise.<br />
Gläubige, die bei einer Schwester zur Therapie kommen, wachsen<br />
auch nach <strong>und</strong> nach im Glauben. Und Nichtchristen können<br />
Christus durch eine Schwester als Therapeutin kennenlernen.<br />
Das Sandspiel mit nonverbalen Spielgegenständen kann dazu<br />
einladen, sich spielerisch auf den Heiligen Geist einzulassen, um<br />
immer freier zu werden. Durch die gemachten Erfahrungen lernt<br />
man sich selbst besser kennen <strong>und</strong> verstehen. Leib <strong>und</strong> Seele<br />
kommen nach <strong>und</strong> nach im Ges<strong>und</strong>heitsprozess voran.<br />
Um die Sandspieltherapie bekannt zu machen, nutzten wir auch<br />
internationale Treffen: 2013 erlebten 23 Priorinnen <strong>und</strong> Delegierte<br />
unserer Kongregation bei Priorinnentreffen in Korea zum<br />
ersten Mal die Sandspieltherapie. Sie waren erstaunt, dass sie<br />
sich gegenseitig nonverbal mit Sand <strong>und</strong> Figuren verständigen<br />
konnten. Im September 2017 wurde zum ersten Mal das Treffen<br />
der Priorinnen <strong>und</strong> Delegierten der CIB (Communio Internationalis<br />
Benedictinarum) in Daegu, Korea, abgehalten. Als Abschluss<br />
konnten die Teilnehmerinnen die Sandspieltherapie im benediktinischen<br />
Zentrum erleben.<br />
Wir Schwestern in Korea sehen im Sandspiel einen neuen Weg<br />
der Evangelisierung, weil wir dabei erfahren, dass W<strong>und</strong>en der<br />
Menschen geheilt werden, sie an Selbstachtung gewinnen <strong>und</strong><br />
harmonische menschliche Beziehungen aufbauen lernen. Auch<br />
ihr Glaube wird sehr gestärkt. Denn nur Gott kann das Unmögliche<br />
möglich machen. <br />
2/<strong>2019</strong>
32<br />
PROJEKTHILFE<br />
28098<br />
REDEMPTORISTEN<br />
Ges<strong>und</strong>heit <strong>für</strong> Kinder<br />
In Kongo-Kinshasa möchten die Redemptoristen ihr Ges<strong>und</strong>heitszentrum mit einer Pädiatrie ergänzen.<br />
Nicht alle Familien<br />
können kranke Kinder<br />
versorgen, dann hilft<br />
die Pädiatrie aus.<br />
Sie ist über dem Ges<strong>und</strong>heitszentrum<br />
gebaut<br />
– jetzt fehlt noch<br />
die Innenausrüstung.<br />
(Bild: José Balmer)<br />
JOSÉ BALMER<br />
Kongo-Kinshasa ist ein riesiges Land, reich an Bodenschätzen,<br />
aber mit einer sehr armen Bevölkerung. Im Osten bekämpfen<br />
sich Rebellengruppen <strong>und</strong> terrorisieren auch die Dorfgemeinschaften.<br />
Dort greift auch die gefährliche Krankheit Ebola um<br />
sich. Die alte Regierung unternahm wenig, investierte kaum in<br />
Bildung, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Infrastruktur. Wird die im Dezember<br />
neu gewählte Regierung besser <strong>für</strong> die Menschen sorgen?<br />
Hort <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong> Kinder<br />
Dass es mit dem Ges<strong>und</strong>heitswesen schlecht steht, zeigt die<br />
hohe Kindersterblichkeitsrate von 75 auf 1000 Lebendgeburten!<br />
Was die traditionellen Hebammen leisten, verdient Respekt. Aber<br />
sie arbeiten oft unter unhygienischen Bedingungen ohne sauberes<br />
Wasser, saubere Tücher <strong>und</strong> Desinfektionsmittel. Zudem<br />
kommt oft Magie zum Zuge.<br />
Im Städtchen Mbanza Ngungu, im Westen des Landes, bauten<br />
die Redemptoristen 2016 ein Ges<strong>und</strong>heitszentrum mit einer Maternität.<br />
2017 nahm es den Betrieb auf (wir berichteten in Welt-<br />
Weit 4/2018 darüber). Es bietet den Kranken <strong>und</strong> insbesondere<br />
den schwangeren Frauen <strong>und</strong> Müttern bessere Ges<strong>und</strong>heitsdienste<br />
wie Gynäkologie, Ultraschall, EKG, Anämiebehandlung<br />
<strong>und</strong> verfügt über eine Maternität <strong>und</strong> ein Laboratorium. Das kleine<br />
Team von lokalen Ärzten, Ärztinnen, Pflegerinnen, Putzequipe<br />
<strong>und</strong> Sekretariat arbeitet gut. Es hat das Vertrauen der Frauen aus<br />
dem Städtchen <strong>und</strong> der Umgebung gewonnen. Das beweist der<br />
grosse Zulauf.<br />
Pädiatrie wurde nötig<br />
2018 wurde über dem Ges<strong>und</strong>heitszentrum ein Stockwerk hinzugefügt:<br />
Räume <strong>für</strong> eine Pädiatrie (Kinderheilk<strong>und</strong>e) <strong>für</strong> 16 Kinder.<br />
«Wir haben von Anfang an geplant, im ersten Stock eine<br />
Pädiatrie zu bauen, irgendwann einmal», erklärt Lieve Droogmans,<br />
zuständig <strong>für</strong> die Projektfinanzierung. «Aber es wurde<br />
dringend, weil manche Kinder zu schwach sind <strong>und</strong> aufgepäppelt<br />
werden müssen. Andere haben eine Behinderung <strong>und</strong> benötigen<br />
therapeutische Massnahmen. Wieder andere finden zu<br />
Hause nicht die nötige Pflege, weil die Mittel nicht vorhanden<br />
sind oder weil familiäre Probleme dies nicht zulassen. Ausserdem<br />
hielt das provisorische Dach des Zentrums bei starkem Regen<br />
nicht dicht. Also machten wir uns ans Werk.»
33<br />
weltweit<br />
PROJEKTHILFE<br />
Ausrüstung fehlt noch<br />
Für <strong>2019</strong> sind der Innenausbau der Pädiatrie sowie die Ausstattung<br />
mit den nötigen Einrichtungsgegenständen <strong>und</strong> Apparaten<br />
vorgesehen. Benötigt werden zum Beispiel ein oder zwei Brutkasten,<br />
ein Ultraschallgerät, ein Kardiomonitor, eine Spritzpumpe,<br />
Blutdruckmesser, Sauerstoffflaschen, Waagen, Betten <strong>und</strong> viele<br />
weitere Utensilien. Kostenpunkt: r<strong>und</strong> 38 000 Franken. Wenn die<br />
Finanzierung gef<strong>und</strong>en wird, kann die Pädiatrie im Herbst <strong>2019</strong><br />
den Betrieb aufnehmen. Die Projektleitung vor Ort ist bereits<br />
daran, das nötige Personal zu rekrutieren.<br />
Ein wichtiger Aspekt der Projektplanung war die Sicherstellung<br />
der Nachhaltigkeit. Ein Businessplan legte Preise <strong>für</strong> die Ges<strong>und</strong>heitsdienste<br />
fest, die <strong>für</strong> die meist arme Bevölkerung tragbar<br />
sind, aber auch die Betriebskosten des Zentrums tragen<br />
<strong>und</strong> so den Betrieb langfristig sichern. Die Erfahrung im Ges<strong>und</strong>heitszentrum<br />
zeigt, dass die Erträge die laufenden Kosten decken.<br />
Ob das <strong>für</strong> die Pädiatrie auch der Fall sein wird, ist ungewiss.<br />
Längere Aufenthalte <strong>und</strong> Therapien könnten die finanziellen<br />
Möglichkeiten mancher Familien übersteigen. Dann müssten die<br />
Leitung des Zentrums <strong>und</strong> die Geldgeber aus Europa Massnahmen<br />
zur Lösung des Problems suchen. Mit Ihrer Unterstützung<br />
stehen die Aussichten gut. <br />
PROJEKTHILFE<br />
33<strong>02</strong>4<br />
weltweit<br />
PROJEKTHILFE<br />
SALESIANER DON BOSCOS<br />
Solarprogramm Westafrika<br />
Die Salesianer Don Boscos bauen berufliche Ausbildungen <strong>und</strong> Solarinstallationen in Ghana <strong>und</strong> Liberia auf.<br />
KATHARINA KOCHERHANS<br />
Die Salesianer Don Boscos haben ein Ausbildungsprogramm in<br />
Elektro- <strong>und</strong> Solartechnik <strong>für</strong> Westafrika entwickelt. Damit werden<br />
mehrere Probleme gleichzeitig angegangen. Es ermöglicht<br />
jungen Menschen, in einem zukunftsorientierten Beruf Fuss zu<br />
fassen <strong>und</strong> bekämpft so gleichzeitig die hohe Jugendarbeitslosigkeit.<br />
Zudem fördert es die Nutzung alternativer Energien <strong>und</strong><br />
eine unterbruchfreie Stromversorgung.<br />
Perspektiven statt Emigration<br />
Stellen Sie sich vor, der Strom fällt aus. Am Anfang käme man<br />
wohl klar. Das Handy hat einen Akku, in der Schublade ist eine<br />
Taschenlampe <strong>und</strong> ein Sandwich schmeckt auch. Doch was,<br />
wenn es länger dauert? Eine Woche, einen Monat? Wenn Kühlschrank,<br />
Herd, Telefon, Computer, Radio, Lampen, Ampeln, Züge,<br />
Maschinen <strong>und</strong> Industrie stillständen? Strom ist bei uns allge-<br />
2/<strong>2019</strong>
34<br />
weltweit<br />
PROJEKTHILFE<br />
Weiterbildung<br />
von Berufsschullehrern<br />
durch Bruder<br />
Christof Baum.<br />
Installation<br />
eines Solarpanels<br />
auf einem<br />
Wohnhaus.<br />
(Bilder: Salesianer<br />
Don Boscos)<br />
genwärtig, unser Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Helfer in unzähligen Situationen.<br />
Ein stromloser Zustand ist <strong>für</strong> uns unvorstellbar. Für 620 Millionen<br />
Menschen in Subsahara-Afrika ist dieses Szenario aber tägliche<br />
Realität. Sie sind zwar nicht so abhängig von strombetriebenen<br />
Geräten wie wir, doch das Leben ohne Strom schränkt<br />
ihre Entwicklungsmöglichkeiten stark ein.<br />
Die Länder Afrikas stehen vor vielfältigen Herausforderungen.<br />
Eine davon ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote<br />
steigt von Jahr zu Jahr, da nur ein kleiner Prozentsatz aller<br />
Studien- <strong>und</strong> Lehrabgänger es schafft, im ersten Jahr nach dem<br />
Abschluss eine Stelle zu finden. Mit Arbeitslosigkeit gehen Frustration,<br />
Armut <strong>und</strong> das Risiko eines Abgleitens in die Kriminalität<br />
einher. Sehr viele junge Menschen liebäugeln mit der Emigration<br />
in ein Land, das bessere Lebensperspektiven bietet. Diesem<br />
Trend kann nur Gegensteuer gegeben werden, indem man vor<br />
Ort berufliche Perspektiven schafft, die ein gesichertes Einkommen<br />
<strong>und</strong> einen würdigen Lebensstandard ermöglichen. Ein wichtiger<br />
Faktor ist dabei eine qualitativ hochwertige Ausbildung, die<br />
sich an den Bedürfnissen des lokalen Arbeitsmarkts orientiert.<br />
Berufskurse: Elektro- <strong>und</strong> Solartechnik<br />
Ziel des Projekts der Salesianer Don Boscos ist es, mittels Berufsbildung<br />
die Nutzung von Solarenergie in Westafrika zu fördern<br />
<strong>und</strong> jungen Menschen gleichzeitig Lebens- <strong>und</strong> Einkommensperspektiven<br />
in ihrem Heimatland zu geben. Dazu werden an vier<br />
Standorten technische Berufskurse in Elektro- <strong>und</strong> Solartechnik<br />
etabliert. Die praxisorientierte Ausbildung öffnet jungen Menschen<br />
in Ghana <strong>und</strong> Liberia Zugang zu einem wachsenden, nachhaltigen<br />
<strong>und</strong> zukunftsorientierten Arbeitsmarkt. Alternative Energieformen<br />
haben in Westafrika viel Potenzial: Solaranlagen können<br />
zum Beispiel eine unstete Stromversorgung stabilisieren oder<br />
Elektrizität in Gegenden bringen, die noch unerschlossen sind.<br />
Dies ist ein wichtiger Faktor <strong>für</strong> wirtschaftliche Entwicklung. Dank<br />
der Nutzung des reichlich vorhandenen Sonnenscheins <strong>für</strong> die<br />
Stromversorgung wird gleichzeitig die Umwelt geschont.<br />
Beim Programm «Training of Trainers» geht es um Wissenstransfer<br />
von Experten zu Lehrern <strong>und</strong> von Lehrern zu Schülern. Es<br />
richtet sich an Berufsschullehrpersonen, die in Solartechnik aus<strong>und</strong><br />
weitergebildet werden <strong>und</strong> dann ihr Wissen als Multiplikatoren<br />
in ganz Westafrika weitergeben. Sie können sowohl an<br />
Don-Bosco-Schulen als auch an externen Schulen tätig sein.<br />
Die modularen Solarkurse richten sich an Schülerinnen, Schüler<br />
<strong>und</strong> Alumni der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikklassen der Don-Bosco-<br />
Berufsschulen. Aber auch an andere Berufsschulen, an der Thematik<br />
interessierte Handwerker <strong>und</strong> Schulabbrecher mit Interesse<br />
an einem Wiedereinstieg <strong>und</strong> dem Willen, Verpasstes aufzuarbeiten.<br />
Breitenwirkung aus vier Standorten<br />
In Ashaiman (Ghana) entsteht das Kompetenzzentrum des Projektes.<br />
Auf dem Gelände des bereits bestehenden Berufsbildungszentrums<br />
Don Bosco Technological Institute wird ein Gebäude<br />
errichtet, das Platz <strong>und</strong> Infrastruktur <strong>für</strong> ein modernes Schulungs-<br />
<strong>und</strong> Referenzzentrum in Solartechnik bietet. An diesem<br />
Standort werden die modulartig aufgebauten Kurselemente erarbeitet<br />
<strong>und</strong> hier finden auch die «Training of Trainers»-Weiterbildungen<br />
sowie Solartechnikkurse <strong>für</strong> Jugendliche statt. Dazu<br />
werden Sunyani, Tatale (Ghana) <strong>und</strong> Monrovia (Liberia) als Ausbildungszentren<br />
<strong>für</strong> Elektrotechnik <strong>und</strong> Fotovoltaik-Solar ausgestattet.<br />
In diesen Zentren werden auf die lokalen Bedürfnisse<br />
abgestimmte, modulare Solarkurse vermittelt.<br />
Die Programmverantwortlichen Salesianer Don Boscos verfügen<br />
dank langjähriger Tätigkeit im Solarbereich in Afrika über praxiserprobte<br />
Erfahrung. Damit die Aktivitäten nach Ablauf der Projektdauer<br />
nicht «versanden», findet ein intensiver Wissenstransfer<br />
auf lokale Lehrkräfte statt. Ortsansässige Schlüsselpersonen<br />
werden aus- <strong>und</strong> weitergebildet <strong>und</strong> damit in die Lage versetzt,<br />
die Ausbildungszentren zu übernehmen <strong>und</strong> erfolgreich weiterzuführen.<br />
Ebenso kann auf bewährte Partnerschaften wie zum<br />
Beispiel das Netzwerk «Ingenieure ohne Grenzen» zugegriffen<br />
werden. Um weitere Synergien nutzen zu können <strong>und</strong> den Wissensaustausch<br />
zu fördern, strebt das Projekt die Zusammenarbeit<br />
mit dem Privatsektor <strong>und</strong> mit Bildungseinrichtungen sowohl<br />
im <strong>globale</strong>n Süden als auch im Norden an.<br />
Die praxisorientierte Ausbildung öffnet jungen Menschen in<br />
Ghana <strong>und</strong> Liberia Zugang zu einem wachsenden, nachhaltigen<br />
<strong>und</strong> zukunftsorientierten Arbeitsmarkt. Auch die Ärmsten bekommen<br />
eine Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft. Diese<br />
innovativen Programme vor Ort sind eine echte Alternative zur<br />
Abwanderung ins Ausland <strong>und</strong> fördern gleichzeitig die Entwicklung<br />
in abgelegenen Regionen.
35<br />
weltweit<br />
ABOKARTE<br />
Nicht frankieren<br />
Ne pas affranchir<br />
Non affrancare<br />
Ja, ich bestelle Gratis-Probeexemplare von <strong>WeltWeit</strong><br />
Ja, ich bestelle ein Jahresabo <strong>für</strong> CHF 36.– (Europa EUR 35.–/übriges Ausland CHF 54.–)<br />
Ja, ich unterstütze <strong>WeltWeit</strong> mit einer Spende von CHF<br />
Geschäftsantwortsendung Invio commerciale risposta<br />
Envoi commercial-réponse<br />
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1701 Freiburg<br />
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<strong>Zeitschrift</strong><br />
ALLGEMEINE SPENDEN<br />
Mess-Stipendium (Fr. 10. –)<br />
40 001<br />
Kinder- <strong>und</strong> Jugendarbeit («Taufspende»)<br />
40 003<br />
Hungernde<br />
40 004<br />
Lepra <strong>und</strong> andere Tropenkrankheiten<br />
40 005<br />
Kinder in Not<br />
40 015<br />
WÄHLEN SIE DIE KENNZIFFER IHRER SPENDE<br />
Postkonto: Freiburg 17-6<strong>02</strong>1-7<br />
NOT- UND PROJEKTHILFE<br />
Pädiatrie-Ausrüstungen <strong>für</strong> das<br />
Ges<strong>und</strong>heitszentrum in Kongo-<br />
Kinshasa (S. 32–33).<br />
28098<br />
REDEMPTORISTEN<br />
Existenzgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> junge Frauen aus<br />
einheimischen Stämmen in Mairang,<br />
Nordostindien (S. 29).<br />
22005<br />
MENZINGER SCHWESTERN<br />
Berufliche Ausbildung <strong>und</strong> Solarinstallationen<br />
in Ghana <strong>und</strong> Liberia<br />
(S. 33–34).<br />
33<strong>02</strong>4<br />
SALESIANER DON BOSCOS<br />
Hilfe durch Sandspieltherapie<br />
im Priorat Seoul in Korea (S. 30–31).<br />
27059<br />
MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />
Hilfe <strong>für</strong> sudanesische Flüchtlinge<br />
in Ägypten (S. 37).<br />
24074<br />
MISSIO
36<br />
weltweit<br />
ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEIT<br />
weltweit<br />
ABOKARTE<br />
Schenken Sie sich <strong>und</strong> anderen<br />
Zuversicht <strong>und</strong> Perspektiven<br />
11 in der Entwicklungshilfe<br />
engagierte Gemeinschaften<br />
– eine <strong>Zeitschrift</strong>.<br />
<strong>WeltWeit</strong> vermittelt Ihnen Hoffnung <strong>und</strong> Optimismus –<br />
in einer manchmal entmutigenden Weltentwicklung.<br />
<strong>WeltWeit</strong> gibt Ihnen christliche <strong>und</strong> ethische Orientierung –<br />
in einem widersprüchlichen Zeitgeschehen.<br />
<strong>WeltWeit</strong> zeigt Ihnen, wie im Kleinen Grosses möglich ist –<br />
in Alltag <strong>und</strong> Gesellschaft, in Partnerschaft <strong>für</strong> <strong>globale</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong>.<br />
Mit einem Abonnement <strong>und</strong> Ihrer<br />
Spende ermöglichen Sie, dass wir<br />
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1701 Freiburg<br />
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▼<br />
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❑ Kennziffer Nr.<br />
❑ Für folgenden Zweck:<br />
CHF<br />
▼<br />
▼<br />
Total<br />
Fr.<br />
Fr.<br />
Fr.<br />
Fr.<br />
Einbezahlt von / Versé par / Versato da<br />
Empfangsbestätigung<br />
erwünscht:<br />
❑ ja<br />
❑ nein<br />
BAG <strong>2019</strong><br />
Einbezahlt von / Versé par / Versato da<br />
•<br />
•<br />
2<strong>02</strong><br />
441.<strong>02</strong><br />
Die Annahmestelle<br />
L’office de dépôt<br />
L’ufficio d’accettazione<br />
17006<strong>02</strong>17><br />
17006<strong>02</strong>17>
37<br />
PROJEKTHILFE<br />
24074<br />
PROJEKTHILFE<br />
weltweit<br />
MISSIO<br />
Hoffnung <strong>für</strong> sudanesische<br />
Flüchtlinge<br />
Die Kirche hilft mit Alphabetisierungs- <strong>und</strong> Sprachprogrammen in Ägypten.<br />
Zehntausende Sudanesen<br />
sind vor dem Bürgerkrieg<br />
nach Ägypten geflohen.<br />
Mit gr<strong>und</strong>legenden Workshops<br />
hilft die Kirche den<br />
sudanesischen Flüchtlingen<br />
in Ägypten.<br />
(Bilder: pixabay.com,<br />
Missio Aachen)<br />
SIEGFRIED OSTERMANN<br />
Sie sind dem Krieg <strong>und</strong> dem Elend in ihrer Heimat entkommen,<br />
aber die Lebenssituation von sudanesischen Flüchtlingen ist<br />
dramatisch. Als Flüchtlinge haben sie keinerlei Chance auf Integration<br />
in die ägyptische Gesellschaft, im Gegenteil. Wegen des<br />
andauernden Bürgerkriegs im Sudan <strong>und</strong> Südsudan leben mittlerweile<br />
mehrere Zehntausend SudanesInnen als Asylsuchende<br />
in Ägypten – die meisten in der Hauptstadt Kairo <strong>und</strong> in Alexandria,<br />
an der Mittelmeerküste. Aber auch dort ist ihre Lebenssituation<br />
miserabel. Ägypten hat Vorbehalte gegenüber der<br />
UN-Flüchtlingskonvention. Die Folge davon ist, dass selbst anerkannte<br />
Flüchtlinge keinen Zugang zum öffentlichen Bildungs<strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>heitssystem haben. Der legale Zugang zum Arbeitsmarkt<br />
ist praktisch unmöglich. Die Flüchtlinge sind völlig ohne<br />
Perspektive.<br />
Besonders dramatisch ist die Situation <strong>für</strong> Frauen sowie Kinder<br />
<strong>und</strong> Jugendliche. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist an der<br />
Tagesordnung. Viele leiden unter HIV/Aids <strong>und</strong> ungewollten<br />
Schwangerschaften. Jugendliche können weder die Schule besuchen<br />
noch haben sie Möglichkeiten, ihre Freizeit zu gestalten.<br />
Mit Gelegenheitsarbeiten können sie sich etwas verdienen, aber<br />
es ist wie ein Tropfen auf dem heissen Stein.<br />
Die Kirche, die in Ägypten selbst immer stärker unter Druck<br />
gerät, bemüht sich um die Integration der sudanesischen Menschen<br />
in die ägyptische Gesellschaft. Sie möchte <strong>für</strong> 500 sudanesische<br />
Flüchtlinge – 350 Frauen <strong>und</strong> 150 Männer – Alphabetisierungs-,<br />
Sprach- <strong>und</strong> Computerkurse durchführen. Dies hilft<br />
ihnen auch, eine Struktur in den Tagesverlauf zu bringen. In Workshops<br />
werden die Themen Gewalt, Hygiene, Aids-Vorsorge <strong>und</strong><br />
Gr<strong>und</strong>rechte behandelt. Für die Jugendlichen sind verschiedene<br />
Sportaktivitäten geplant, um so ihre Freizeit zu gestalten <strong>und</strong><br />
Gemeinschaft zu fördern.<br />
Ihre Spende hilft, die schwierige Situation sudanesischer Flüchtlinge<br />
in Ägypten zu verbessern, insbesondere <strong>für</strong> Frauen.<br />
Herzlichen Dank <strong>für</strong> Ihre Unterstützung. <br />
2/<strong>2019</strong>
38<br />
weltweit<br />
LESERBRIEFE<br />
Anmerkung der Redaktion: Wendelin Fleischli hat den vorangegangenen<br />
Aufruf an Urner Dekanats-KollegInnen gemailt <strong>und</strong> die<br />
<strong>WeltWeit</strong>-Beiträge «Wir fahren an die Wand!» sowie «Anstrengung,<br />
Verzicht <strong>und</strong> Kreativität» an 50 Adressen versandt. Er<br />
möchte diese Sache beim kommenden Dekanatstreffen ansprechen<br />
<strong>und</strong> fragen, «wie wir uns dazu stellen <strong>und</strong> was wir tun wollen».<br />
Der nachfolgende Leserbrief ist eine Reaktion auf seinen Versand.<br />
Bild:<br />
pixabay<br />
Leser-Reaktionen auf <strong>WeltWeit</strong> 1/<strong>2019</strong> <strong>und</strong> speziell<br />
zum Klima-Dossier<br />
«Ich beneide junge<br />
Menschen nicht»<br />
Ich habe mich intensiv mit dem Thema befasst <strong>und</strong> auch das<br />
Buch «Selbstverbrennung» von Prof. Hans Joachim Schellnhuber<br />
gelesen. Es stimmt schon nachdenklich, wenn er (als Klimaforscher)<br />
zum Schluss kommt, dass wir mit grosser Wahrscheinlichkeit<br />
in einer «Tragödie» enden – nur können wir das «Theater»<br />
nicht verlassen. Deshalb habe ich Statuten <strong>für</strong> einen Verein erstellt,<br />
die sein Werk fördern.<br />
Ich habe mich immer als optimistischen Menschen bezeichnet.<br />
Noch vor zehn Jahren dachte ich: «Jetzt könnte eine Wende<br />
kommen.» Aber es ist nichts passiert. Flüge, Kreuzfahrten, Autos<br />
nehmen immer mehr zu. Ehrlich gesagt beneide ich die jungen<br />
Menschen nicht. <br />
Pfr. Urs-Beat Fringeli, Wolfwil<br />
Ja, ihr lest richtig, ich schlage Alarm. Wie sich unsere Welt zu<br />
einem Treibhaus entwickelt, beobachte ich schon seit den<br />
Neunzigerjahren mit grosser Beunruhigung. Nun bringen mich<br />
Beiträge in der christlichen <strong>Zeitschrift</strong> <strong>WeltWeit</strong> dazu, euch laut<br />
zuzurufen: «Alarm!»<br />
Unsere Gr<strong>und</strong>aufgabe als ChristInnen ist es, die uns von Gott<br />
gegebene Welt in Verantwortung zu gestalten. Alles andere, was<br />
wir als Kirche tun, baut darauf auf. Wo wir als Weltgemeinschaft<br />
stehen, wird uns unverblümt aufgezeigt im <strong>WeltWeit</strong>. Die katholische<br />
Kirche versteht sich zuerst einmal als Sakrament <strong>für</strong> die Welt.<br />
Und wenn sie mit zuschaut, wie die Welt schläfrig in einen Hammer<br />
hineinläuft, hat sie gr<strong>und</strong>sätzlich versagt. Schauen wir also<br />
der Wahrheit ins Auge, denn Jesus Christus ist die Wahrheit. Für<br />
mich persönlich als Christ geht es da nun um alles oder nichts. <br />
Wendelin Fleischli, Pastoralassistent Altdorf<br />
Ich bin <strong>für</strong> die Anregung dankbar, dass wir uns über diese<br />
«Gleichgültigkeit» (Abstumpfung) Gedanken machen. Zu diesen<br />
Alarmglocken gehör(t)en <strong>für</strong> mich auch die Rufe (Schreie) der<br />
Kinder auf den Strassen einiger unserer Städte: «Wir sind da;<br />
wir sind laut; weil ihr unsere Zukunft klaut.» Die Wohlfühlgesellschaft<br />
scheint nicht einmal interessiert. <br />
Damian Weber, Altdorf<br />
Ihre <strong>Zeitschrift</strong>, die ich heute erhalten habe, ist fast gänzlich<br />
durchgelesen. Bravo! Immer sehr gute Artikel. <br />
Julius A. Stäuble, Winterthur<br />
Mein Kompliment <strong>für</strong> das neuste Heft von <strong>WeltWeit</strong>.<br />
Wirklich gute Überblicksartikel! <br />
Justin Koller, Rorschacherberg<br />
Kein lebensdienlicherer<br />
Kapitalismus?<br />
Schon länger wollte ich meine Anerkennung aussprechen <strong>für</strong> die<br />
gehaltvolle <strong>Zeitschrift</strong>. Nach Ihrem Artikel «Vom Kapital zum Leben»<br />
(<strong>WeltWeit</strong> 5/2018) kann ich mich nicht mehr zurückhalten.<br />
Ihre Ausführungen berühren mich mit ihrer f<strong>und</strong>ierten Stellungsnahme<br />
<strong>und</strong> unerbittlichen Zielstrebigkeit: «Wieso soll der herrschende<br />
Kapitalismus nicht zugunsten einer lebensdienlicheren<br />
Welt überwindbar sein?» Ich danke Ihnen aufrichtig <strong>für</strong> Ihren begründeten<br />
Standpunkt <strong>und</strong> bestärke Sie in Ihrem Engagement. <br />
Hans Grämiger, Chur<br />
Auch mir macht die gesellschaftliche Entwicklung sehr zu schaffen.<br />
Ich möchte Ihnen speziell zum Artikel «Rechtspopulismus:<br />
weltgesellschaftlicher Mahnruf» gratulieren (<strong>WeltWeit</strong> 4/2017).<br />
Ich danke Ihnen <strong>für</strong> Ihren unermüdlichen Einsatz <strong>für</strong> eine gute<br />
Information <strong>und</strong> zum Wohl aller <strong>für</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong>, Frieden <strong>und</strong><br />
Bewahrung der Schöpfung. <br />
Viktor Müller, Frick<br />
Der Satz der Titelseite «Von der Ernüchterung zur Ermutigung»<br />
(<strong>WeltWeit</strong> 1/2017) hat mich angeregt. Da kommt so etwas wie<br />
Hoffnung auf. Es dürfte auch um die Klimakonferenz gehen. Es<br />
hat überhaupt viele gute Beiträge (im Heft) – <strong>und</strong> vielerorts wird<br />
versucht, zu helfen. Auf irgendeine Art sollte man eben auch<br />
aktiv mitmachen (können). <br />
Paul Krapf-Cardoso, Bernhardzell
39<br />
weltweit<br />
SCHLUSSPUNKT<br />
VORSCHAU 3/19<br />
Zurückgekehrte Wildtiere:<br />
Gegentrend zum weltweiten Artensterben?<br />
weltweit<br />
HERAUSGEBERGEMEINSCHAFT<br />
MARIANNHILLER MISSIONARE<br />
Missionshaus St. Josef, St. Josefsweg 15,<br />
6460 Altdorf, Postkonto Luzern 60-187-8<br />
Tel. 041 874 04 40, Fax 041 874 04 41<br />
Redaktion: P. Peter Grand<br />
www.stiftung-mariannhill.ch<br />
SCHWEIZER REDEMPTORISTEN<br />
Bruggerstrasse 143, 5400 Baden<br />
Postkonto Bolivien-Mission, Baden 50-182-9<br />
Tel. 056 203 00 44, Fax 056 203 00 40<br />
Redaktion: P. Anton Schönbächler<br />
www.redemptoristen.de<br />
Interview: Bischof Paul Hinder<br />
zu Gegensätzen in der islamischen Welt<br />
Was bedeutet uns Heimat?<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>WeltWeit</strong><br />
Ausgabe 2/<strong>2019</strong>: April–Mai<br />
<strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Entwicklungspartnerschaft</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>globale</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong>.<br />
60. Jahrgang, erscheint 6x im Jahr.<br />
Website:<br />
www.weltweit.ch<br />
Jahresabonnement:<br />
Schweiz: CHF 36.– (inkl. 2,5% MWST.)<br />
Europa: Euro 35.–, übrige Länder: CHF 54.–<br />
Herausgebergemeinschaft:<br />
Sr. Ingrid Grave (Präsidentin),<br />
Klosterweg 16, 7130 Ilanz, Tel. 081 926 95 00,<br />
ingrid.grave@klosterilanz.ch<br />
Redaktion: Theo Bühlmann,<br />
Fuchsacker 3, 6233 Büron,<br />
Tel. (bitte auf Beantworter sprechen): 041 933 13 23,<br />
at.buehlmann@bluewin.ch<br />
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Thérèse Corpataux-Roggo/Chantal Tinguely-Neuhaus,<br />
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Postkonto: PostFinance AG 17-6<strong>02</strong>1-7<br />
IBAN CH56 0900 0000 17006<strong>02</strong>1 7<br />
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Othmar Huber, Luzern<br />
Satz, Druck <strong>und</strong> Versand:<br />
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Redaktionsschluss:<br />
<strong>WeltWeit</strong> 3/<strong>2019</strong>: Mitte April<br />
BARMHERZIGE SCHWESTERN<br />
VOM HEILIGEN KREUZ INGENBOHL<br />
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Redaktion: Sr. Anna Affolter<br />
Tel. 041 825 21 04<br />
www.scsc-ingenbohl.org<br />
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SCHWESTERN VOM HEILIGEN KREUZ<br />
Missionsprokura, Hauptstrasse 11,<br />
6313 Menzingen, Postkonto Zürich 80-4085-5<br />
Tel. 041 757 40 40, Fax 041 757 40 30<br />
Redaktion: Sr. Thomas Limacher<br />
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Internationales Katholisches Missionswerk<br />
Rte de la Vignettaz 48, Postfach 187<br />
1709 Freiburg, Postkonto Freiburg 17-1220-9<br />
Tel. <strong>02</strong>6 425 55 70, Fax <strong>02</strong>6 425 55 71<br />
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www.kloster-ilanz.ch<br />
weltweit UNERHÖRT<br />
«Mauern funktionieren nicht. Man kann sie bestenfalls einige<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte später als Touristenattraktion verwenden.»<br />
Der chinesische Komiker Joe Wong in einer US-TV-Show über das<br />
6600 km lange chinesische Militärbefestigungswerk als Sinnbild verstaubten<br />
Denkens in Anspielung zu Donald Trumps Mauer gegen Mexiko.<br />
Tages-Anzeiger vom 15. 1. <strong>2019</strong><br />
2/<strong>2019</strong>
40<br />
weltweit<br />
AUFHEITERND<br />
Buchstabenerfinder<br />
Erden Kazhybek tüftelt an einem<br />
erneuerten kasachischen Alphabet.<br />
(Bild: Frank Nienhuysen)<br />
THEO BÜHLMANN<br />
Drei Buchstabentypen hat er auf seiner Computertastatur zur<br />
Auswahl: englische neben russischen, <strong>und</strong> eher versteckt<br />
kasachische. Wenn der Leiter der Linguistik in Almaty den<br />
Anfangsbuchstaben seines Nachnamens Kazhybek auf Kasachisch<br />
schreiben will, muss er zuerst die Schift- <strong>und</strong> Nulltaste<br />
drücken, damit ein krächzend kehliges «K» mit einem kleinen<br />
Strich rechts unten erscheint. Denn das russische Alphabet<br />
kann nicht alle kasachischen Laute darstellen, so auch das<br />
«Kch». Darum gibt’s Varianten <strong>und</strong> Extrabuchstaben. Staatspräsident<br />
Nursultan Nasarbajew hat Sprachwissenschaftler<br />
Erden Kazhybek beauftragt, ein neues lateinisches Alphabet<br />
auszutüfteln, welches das Land per Dekret bekommt.<br />
Seit dem Ende der Sowjetunion 1991 kämpft es wie viele ehemalige<br />
Sowjetstaaten um eine neue nationale Identität. Seit<br />
26 Jahren ist Nasarbajew bemüht, sich von der Vorherrschaft<br />
des russischen Kulturerbes zu emanzipieren, gleichzeitig aber<br />
gute Beziehungen zu Moskau zu pflegen – bisher ein gelungener<br />
Spagat. Fast 900 Jahre lang war die Schrift des Nomadenvolkes<br />
arabisch – Kasachstan schreibt sich so: .<br />
Nach dem Zerfall des osmanischen Reiches näherte sich Kasachstan<br />
der europäischen Kultur, 1929 stellte es auf ein lateinisches<br />
Alphabet um. Doch 1940 befahl Stalin der Sowjetrepublik<br />
die Einführung der kyrillischen Schrift, seither dominiert<br />
Russisch im Land östlich des Kaspischen Meeres. Diese<br />
Übertragung auf das Kasachische ist in den Augen Erden Kazhybeks<br />
ein linguistischer Frevel. Heute erlebt es einen Boom.<br />
Zeitungen, Fernsehen <strong>und</strong> Radio berichten fast nur noch in kasachischer<br />
Sprache; <strong>für</strong> die Staatsmacht ist sie ein Symbol der<br />
Unabhängigkeit. Deshalb muss ein neues zukunftstaugliches<br />
Alphabet her. So versammeln sich jeden Monat Kazhybeks<br />
Arbeitsgruppen <strong>und</strong> Kommissionen, Linguisten, Orthografen<br />
<strong>und</strong> Computertechniker, um spezifische kasachische Laute<br />
besser mit Schriftzeichen abzubilden. 2012 gab die Regierung<br />
bekannt, dass 2<strong>02</strong>5 mit der Einführung des lateinischen Alphabetes<br />
zu rechnen sei. 2017 wurde ein neues Lateinalphabet<br />
offiziell beschlossen.<br />
Nicht mehr auf Russisch Казахская республика sollen die<br />
Kasachen nun ihre Republik schreiben, sondern: Qazaqstan<br />
Respy’bli’kasy. Den Wechsel begrüssen sie grösstenteils.<br />
Doch das konkret Eingeführte erntete viel Kritik <strong>und</strong> Spott,<br />
denn neun der Buchstaben wurden mit einem Apostroph versehen.<br />
Ein solcher Text werde schwer lesbar, wurde bemängelt,<br />
es sei eine übereilte Einführung. Man schneide sich selbst<br />
vom Internet ab, statt Anschluss an die Globalisierung drohe<br />
Isolation, wurde gewarnt. So wird nachgebessert, <strong>und</strong> Verschriftlichungen<br />
kasachischer Laute sind in einem zweijährigen<br />
Probelauf zu testen. Statt Apostropheninflation bekommen<br />
sie Akzente wie im Französischen. In sechs Jahren soll<br />
das neue Alphabet «in Blei gegossen» werden. Dokumente,<br />
Schulbücher, Strassenschilder gibt es dann in einer kasachischen<br />
Variante lateinischer Buchstaben. Das bedeutet<br />
Übersetzungen, neue Schreibprogramme <strong>und</strong> Software in<br />
Unternehmungen, Schulungen <strong>für</strong> Lehrer usw. Ein irrer Aufwand,<br />
den sich das ölreiche Land aber leisten will.<br />
Allerdings sprechen heute 30 Prozent der Bevölkerung ausschliesslich<br />
Russisch. «In den Geschäften komme ich klar,<br />
aber nicht in der Literatur», sagt der Kasache Jurij Serebrjanskij,<br />
der in der Sowjetzeit aufwuchs <strong>und</strong> etwa zu 70 Prozent<br />
seine Landessprache versteht. Die Veränderungen wirken<br />
<strong>für</strong> den Autor, der seine Gedichte <strong>und</strong> Romane auf Russisch<br />
schreibt, als Entfremdung <strong>und</strong> kultureller Verlust. Er ahnt<br />
wenig Gutes, wenn wie seinerzeit das Kyrillische nun wieder<br />
ein neues Alphabet künstlich verbreitet wird: «Für die rein<br />
russischsprachige Bevölkerung ist das wie ein Signal zur<br />
Abreise.» Professor Kazhybek dagegen glaubt, dass Russisch<br />
wichtig bleiben wird, nicht nur als zweite Amtssprache. Auf<br />
die Frage, wie er seinen Namen denn künftig schreibe im<br />
neuen Alphabet, tippt er: Qajybek. <br />
Quellen: Tages-Anzeiger, Wikipedia, Stern<br />
2/<strong>2019</strong>