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WeltWeit 02/2019 - Zeitschrift für Entwicklungspartnerschaft und globale Gerechtigkeit

Alter: Lebenszuversicht im Osterglauben Synergie statt Elend durch UNO-Migrationspakt

Alter: Lebenszuversicht im Osterglauben
Synergie statt Elend durch UNO-Migrationspakt

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weltweit<br />

ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEIT<br />

Alter: Lebenszuversicht<br />

im Osterglaube SEITE 10<br />

Synergie statt Elend durch<br />

UNO-Migrationspakt SEITE 4<br />

2/<strong>2019</strong>


2<br />

weltweit VORWORT<br />

Kinder <strong>und</strong> Clowns ergeben oft<br />

«herrliche Denkgelegenheiten».<br />

(Bild: Ulrich Töpfer)<br />

Denkensanregung<br />

Was unterscheidet Menschen am stärksten von<br />

ihren Mitgeschöpfen?<br />

Die Leistung ihres Gehirns, haben Sie jetzt vielleicht<br />

mit mir gedacht, sinnende Leserin, nachdenklicher<br />

Leser. Tatsächlich: Wir vermögen<br />

über vieles hinauszudenken. Das macht uns<br />

überlegen – aber auch anfällig <strong>für</strong> Täuschungen.<br />

Menschliche Instinkte sind denjenigen von Tieren<br />

unterlegen. Wir hören, sehen <strong>und</strong> riechen<br />

schlechter als viele von ihnen. Wir nehmen das<br />

Unmittelbare, Gegenwärtige oft nicht genügend<br />

wahr, bemerken nicht die Qualität der Luft, die<br />

wir einatmen, nehmen Veränderungen der Natur,<br />

von der wir leben, zu wenig wahr.<br />

Wir sind in vielen Lebensbezügen auf Wissen<br />

<strong>und</strong> Erklärungen angewiesen. Je weiter die zivilisatorische<br />

Entwicklung schreitet, desto weniger<br />

ist sie begreifbar – <strong>und</strong> umso mehr sind wir auf<br />

gut gesinnte Vermittlungen angewiesen. Die<br />

Dinge sind oft nicht, was sie scheinen. Darum<br />

müssen wir Menschen – zu unserem eigenen<br />

Wohl <strong>und</strong> <strong>für</strong> dasjenige aller – kritisch bleiben<br />

<strong>und</strong> selber denken, um möglichst nicht von falschen<br />

Autoritäten hinters Licht geführt zu werden.<br />

Überhaupt: «Ist mein Denken frei?» Haben Sie<br />

sich das auch schon gefragt? Im Gr<strong>und</strong>e ist<br />

unser Hirn eine unglaubliche Denkmaschine, die<br />

wie eine nie endende Filmrolle andauernd weiterspult.<br />

Können Sie das Denken oder negative<br />

Gedanken abschalten? Vermutlich geht das<br />

beim Schlafen – aber Einschlafenkönnen ist ja<br />

ein Geschenk, wie es alle erfahren, die diesbezüglich<br />

immer wieder Schwierigkeiten haben.<br />

Aber wie uns reges Träumen kündet, haben wir<br />

nachts unsere «geistige Freiheit» auch nicht im<br />

Griff. Dennoch ermöglicht uns der Standby-<br />

Betrieb beim Schlafen die Erholung, ohne die<br />

wir gar nicht leben könnten. Und wie wir von<br />

östlichen Meditationspraktiken wissen, führt das<br />

geübte Anhalten des Denkens in eine Ruhe <strong>und</strong><br />

Innerlichkeit <strong>und</strong> ermöglicht Gefühle von Einssein<br />

<strong>und</strong> Frieden. Tatsächlich: Ich persönlich<br />

mache immer wieder die Erfahrung, wie wohl es<br />

tut, «meine Denkmaschine» runterzufahren.<br />

Beobachten Sie mal Gespräche, die ziellos von<br />

einem unbesonnenen Stichwort zum andern<br />

«irren» – oder solche, die vor allem den Zweck<br />

verfolgen, Recht zu bekommen. Was es eigentlich<br />

bringt, fragen wir selten. Welchen Sinn verfolgt<br />

unser Reden? Zuwendung, Anteilnahme,<br />

Mitgefühl – oder fachliche Information, Kontrolle,<br />

Beeinflussung? Wir sollten dies mehr überlegen<br />

– auch beim Fernsehen, Zeitunglesen oder am<br />

Natel. Es tut gut, mehr Freiheit zu bekommen,<br />

bewusster etwas vermehrt zu tun (vielleicht mal<br />

jemandem zuzuhören) oder zu lassen («eigentlich<br />

wirkt der Klatsch-Tratsch nicht aufbauend!»).<br />

Der menschliche Geist ist zu Unglaublichem<br />

fähig – im Positiven wie Negativen. Machen wir<br />

doch kleinste Lernschritte, unsere «geistige Freiheit»<br />

mehr zu gestalten: in die Richtung, welche<br />

uns guttut.<br />

Theo Bühlmann


weltweit AUFTAKT<br />

Besuchen Sie uns unter: www.weltweit.ch<br />

<strong>und</strong> im Facebook: http://www.facebook.com/<strong>Zeitschrift</strong><strong>WeltWeit</strong><br />

3<br />

INHALT<br />

H!NTERGRUND<br />

04 UNO-Migrationspakt: ergriffene Chance?<br />

STANDPUNKT<br />

07 Aus Menschenhandel Rettende<br />

MERKWÜRD!G<br />

08 Schweizer Politik im Nachhaltigkeitstest<br />

ALLEWELT<br />

09 Nachrichten aus aller Welt<br />

AUFERSTEHUNG<br />

10 Osterglaube am Lebensabend<br />

WEGWEISERIN<br />

14 Krankenpflegepionierin Sr. Liliane Juchli<br />

THEMENSEITEN<br />

16 Christliche Gottesmutter<br />

in neuem Verständnis<br />

04 UNO-Migrationspakt: zum Nutzen aller<br />

Weil die <strong>globale</strong>n Wanderbewegungen von einzelnen Ländern<br />

nicht mehr alleine zu meistern sind, gab die UNO-Generalversammlung<br />

2016 ein <strong>globale</strong>s Vereinbarungswerk in Auftrag:<br />

den Migrationspakt. Denn eine dauerhafte <strong>und</strong> vertrauensvolle<br />

Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- <strong>und</strong><br />

Aufnahmestaaten ist im Interesse aller. Wurde diese Chance,<br />

Migration menschenrechtskonfrom zu gestalten, genügend<br />

genutzt?<br />

23 KREUZQUER<br />

GESELLSCHAFTWELT<br />

24 50 Jahre Fastenkampagne: starke Frauen<br />

ANGEBOTE<br />

26 Veranstaltungen von Herausgebergemeinschaften<br />

AUSGEFALLEN<br />

27 «Kunstfleisch»: Beitrag gegen Hunger?<br />

VOYAGEPARTAGE<br />

28 Ein halbes Jahr in Südindien zu Hause<br />

PROJEKTHILFE<br />

29 Eine Existenz <strong>für</strong> 20 Frauen aus Nordostindien<br />

BRÜCKENSCHLAG<br />

30 Heilende Sandspieltherapie in Korea<br />

16 Maria – <strong>und</strong> unser Weiblichkeitsverständnis<br />

Der Mai gilt als Muttergottesmonat. Was hat die Mariengestalt<br />

der Altäre <strong>und</strong> Andachtsbilder mit der selbstbestimmten<br />

Frau von heute zu tun? Was haben «ihre» Dogmen zur<br />

Frauen- <strong>und</strong> Männeremanzipation zu sagen? <strong>WeltWeit</strong>-<br />

THEMENSEITEN auf den Spuren Marias in ihrer universalen<br />

Bedeutung <strong>und</strong> tief menschlichen Wirkkraft – auch interreligiös.<br />

PROJEKTHILFE<br />

32 Kinderheilk<strong>und</strong>e-Station in Kongo-Kinshasa<br />

PROJEKTHILFE<br />

33 Ausbildungen in Solarenergie in Westafrika<br />

PROJEKTHILFE<br />

37 Hilfe <strong>für</strong> sudanesische Flüchtlinge in Ägypten<br />

38 LESERBRIEFE<br />

AUFHEITERND<br />

40 Kasachstan erhält ein erneuertes Alphabet<br />

Titelbild: Aufstellende Begegnungen –<br />

auch eine Chance <strong>für</strong> die Glaubensstärkung.<br />

(Bild: wohnen-im-alter.de)<br />

2/<strong>2019</strong>


4<br />

Globaler<br />

Migrationspakt<br />

Migration <strong>und</strong> Flucht sind eine Chance zu mehr Multilateralismus <strong>und</strong> Kooperation.


5<br />

weltweit<br />

H!NTERGRUND<br />

Junge Rohingya-Flüchtlinge<br />

blicken über das Flüchtlingscamp<br />

Palong Khali in Bangladesch nahe<br />

der Grenze zu Myanmar.<br />

(Bild: Andrew McConnell, UNHCR)<br />

Schweizer Migrationsgeschichte<br />

ROSMARIE BÄR<br />

Ein historischer Moment, freute sich der Präsident der Generalversammlung<br />

am 10. Dezember 2018, als 164 UNO-Mitgliedstaaten<br />

in Marrakesch den Globalen Migrationspakt unterzeichneten.<br />

Mehr noch, es war ein historischer Tag: 70 Jahre zuvor<br />

wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEM) proklamiert<br />

– als zivilisatorische Antwort auf die Gräuel des Zweiten<br />

Weltkrieges. Der Migrationspakt basiert auf der AEM <strong>und</strong> vereinbart<br />

erstmals einheitliche Migrationsleitlinien. Justitia <strong>und</strong> Pax<br />

nennt sie einen Meilenstein der internationalen Zusammenarbeit.<br />

Marrakesch gingen Gezänk <strong>und</strong> schrille Debatten voraus. Widerstand<br />

gegen die Unterzeichnung formierte sich in fast allen europäischen<br />

Staaten.<br />

Ziel: Vertrauenszusammenarbeit<br />

Der Pakt ist nicht aus heiterem Himmel entstanden. Die «New<br />

Yorker Erklärung» der UNO-Generalversammlung vom September<br />

2016 hatte den Auftrag gegeben, zwei <strong>globale</strong> Vereinbarungen<br />

auszuarbeiten, einen «Flüchtlingspakt» <strong>und</strong> einen zu Migration.<br />

Es ist die Erkenntnis auf die «unkontrollierbare» Migrations<strong>und</strong><br />

Flüchtlingskrise 2015, dass die <strong>globale</strong>n Wanderbewegungen<br />

von den einzelnen Ländern nicht mehr alleine zu meistern<br />

sind. Notwendig ist eine dauerhafte <strong>und</strong> auf Vertrauen basierende<br />

Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- <strong>und</strong> Aufnahmestaaten:<br />

«Dieser Globale Pakt ist Ausdruck unserer gemeinsamen<br />

Verantwortung in der Frage der Migration, mit dem<br />

Ziel, sie zum Nutzen aller zu gestalten.» Mit dabei im Verhandlungsprozess<br />

waren auch jene Staaten, die heute dagegen<br />

Stimmung machen. MigrantInnen-, Menschenrechts- <strong>und</strong> Entwicklungsorganisationen,<br />

das IKRK, ebenso die Privatwirtschaft<br />

<strong>und</strong> die Wissenschaft sassen mit am Tisch.<br />

Eine «sichere, geordnete <strong>und</strong> reguläre Migration» ist Ziel des<br />

Migrationspakts. Den Menschenrechten verpflichtet, zeigt er<br />

pragmatische Lösungsstrategien auf. Völkerrechtlich bindend ist<br />

er nicht, aber mit politischer <strong>und</strong> moralischer Verpflichtung. An<br />

seinen Standards müssen sich die Staaten künftig messen lassen.<br />

Die 23 Ziele lassen unschwer erkennen: Der Migrationspakt<br />

schützt die Rechte von MigrantInnen, stärkt Menschenwürde,<br />

Sicherheit <strong>und</strong> Schutz. Es geht um die Bekämpfung von Menschenhandel,<br />

Ausbeutung <strong>und</strong> Diskriminierung, es geht auch<br />

um die Bekämpfung negativer Migrationsursachen in den Herkunftsländern.<br />

Ausgenutzte <strong>und</strong> Profitierende<br />

Über 250 Millionen Menschen leben weltweit ausserhalb ihrer<br />

Heimatländer. Der Pakt will «faire <strong>und</strong> ethisch vertretbare Bedingungen<br />

schaffen <strong>für</strong> menschenwürdige Arbeit». Vor allem Wander-<br />

<strong>und</strong> Saisonarbeiter werden in vielen Ländern ausgenützt<br />

<strong>und</strong> ausgebeutet. Millionen Menschen sind in Zwangsarbeit<br />

Die junge Familie meiner Grossmutter väterlicherseits war<br />

arm, Grossvater meistens arbeitslos. Denn auch nach der<br />

ersten Juragewässerkorrektion wuchsen auf dem halbwegs<br />

entsumpften Boden des Berner Seelandes Not <strong>und</strong> Armut.<br />

Um ihre armengenössigen Familien loszuwerden <strong>und</strong> die<br />

Belastung der Gemeindekasse zu verringern, griffen zahlreiche<br />

Gemeinden zum Mittel der «Zwangsmigration». Mit finanziellen<br />

Anreizen wurden die Armen zur Auswanderung<br />

bewegt. So verzichteten mittellose Emigranten meiner Heimatgemeinde<br />

auf den ihnen zustehenden Burgernutzen:<br />

Holz, Allmend. Gegenleistung der Gemeinde war ein Reisekostenzustupf.<br />

Die Grenzen zwischen staatlich unterstützter<br />

Auswanderung <strong>und</strong> Abschiebung waren fliessend. Von<br />

Historikern wird die bernische Auswanderung des späten<br />

19. <strong>und</strong> frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>erts als ökonomisch bedingte<br />

Massenbewegung, SchweizerInnen als Wirtschaftsflüchtlinge<br />

bezeichnet. Hauptauswanderungsziel waren die<br />

(heutigen) Vereinigten Staaten. Amerikanische Behörden<br />

beklagten sich häufig über die schweizerische Praxis der<br />

«Abschiebung» missliebiger Personen.<br />

Die Behörde meiner Heimatgemeinde klopften damals auch<br />

bei meinen Grosseltern an <strong>und</strong> machten ihnen das «Glück»<br />

in Amerika schmackhaft. Bei meiner Grossmutter bissen sie<br />

auf Granit. Sie weigerte sich <strong>und</strong> blieb mit ihrer Familie zeitlebens<br />

in der Gemeinde. So wuchs mein Vater statt im fernen<br />

«New Berne» im Berner Seeland auf. Und ich verdanke<br />

mein Hiersein <strong>und</strong> den Schweizerpass der Standhaftigkeit<br />

meiner Grossmutter.<br />

Rosmarie Bär<br />

gefangen, als Hausangestellte, auf dem Bau, in der Landwirtschaft.<br />

Die Gemüseplantagen in Südeuropa gedeihen nur durch<br />

Ausbeutung Tausender MigrantInnen.<br />

Heute fehlen legale Zuwanderungsmöglichkeiten. MigrantInnen<br />

sind auf irreguläre Routen mit lebensbedrohlichen Gefahren verwiesen.<br />

Als «Wirtschaftsflüchtlinge» diffamiert oder als «illegale<br />

Einwanderer» kriminalisiert, drohen Abschiebung <strong>und</strong> Rückführung.<br />

Wie hoffnungslos müssen die Lebensperspektiven sein,<br />

dass Menschen aufbrechen, auch wenn sie um die Gefahren<br />

<strong>und</strong> Widrigkeiten wissen? Die Menschenkarawanen, die von<br />

Zentralamerika nach Mexiko <strong>und</strong> Richtung USA ziehen, sind<br />

traurige Zeugen davon.<br />

ArbeitsmigrantInnen können – so der Pakt – ein erheblicher Entwicklungsfaktor<br />

sein, im Zielland wie zu Hause. Beispiel: Die<br />

Rücküberweisungen der Diaspora sind wichtig zum Überleben<br />

der Familie. Sie übertreffen bei Weitem die staatlichen Entwicklungsmittel<br />

internationaler Geber. Ohne dieses Geld wäre der<br />

Migrationsdruck noch grösser. Aber die Überweisungen sind<br />

viel zu teuer. Das trifft besonders Frauen, die häufiger kleinere<br />

Beträge schicken. Diese Kosten zu senken, ist erklärtes Ziel<br />

2/<strong>2019</strong>


6<br />

weltweit<br />

H!NTERGRUND<br />

Max Frisch die chinesische Mauer bauen. Dieser Doktrin huldigen<br />

heute zu viele politisch Verantwortliche auf der Welt, von<br />

den USA über Australien bis zu den meisten Ländern der EU.<br />

Löbliche Ausnahme ist Deutschland. B<strong>und</strong>eskanzlerin Merkel<br />

mahnte in Marrakesch: «Es lohnt sich, um den Pakt zu kämpfen,<br />

wegen der vielen Menschen, die dadurch ein besseres Leben<br />

bekommen könnten, aber auch wegen des klaren Bekenntnisses<br />

zum Multilateralismus. Nur durch den werden wir unseren Planeten<br />

besser machen können.» Kein Zweifel, der Migrationspakt<br />

ist zum Einfallstor gegen den Multilateralismus geworden. Bornierter<br />

Nationalismus feiert Urständ. Völker- <strong>und</strong> Menschenrechte<br />

werden infrage gestellt. Medien jubeln gar, die Ära der<br />

Werte sei vorbei. Zivilisatorische Errungenschaften wie das friedliche<br />

Miteinander verlieren an Gewicht. Es geht an die Substanz<br />

der Demokratie.<br />

Globale Wanderbewegungen sind<br />

nicht mehr von einzelnen Ländern<br />

zu meistern.<br />

Eine solche Welt wollen wir<br />

alle nicht. (Bild: UNHCR)<br />

Paktes. Industriestaaten auf der anderen Seite profitieren in<br />

erheblichem Masse vom Zuzug qualifizierter Fachkräfte aus<br />

ärmeren Ländern. Die Abwanderung von ÄrztInnen, IT-Experten<br />

<strong>und</strong> Ingenieuren stellt <strong>für</strong> sie ein gravierendes Problem dar:<br />

«Brain-Drain» macht Investitionen im Ausbildungssektor zunichte.<br />

Gemeinschaftsdenken tut not<br />

Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit, fehlende Zukunftsperspektiven,<br />

Gewalt <strong>und</strong> Korruption sind starke Triebfedern, zu migrieren.<br />

Und die Schere zwischen Arm <strong>und</strong> Reich öffnet sich weltweit<br />

immer mehr. Um die unfreiwillige Migration an der Wurzel zu<br />

packen, braucht es nachhaltige Entwicklung in den Herkunftsländern.<br />

Und politische Änderungen, vor allem gerechtere<br />

Weltwirtschaftsregeln, um extreme soziale Ungleichheiten zu<br />

redu-zieren. Anleitung dazu gibt die Agenda 2030. Es wäre ein<br />

«ethisches Unrecht», würde eine Reform des internationalen<br />

Handels- <strong>und</strong> des Steuerrechtes ausgeklammert. Dort liegt ein<br />

Schlüssel, um Migrationsursachen zu bekämpfen.<br />

Die Klimaveränderung macht immer mehr Menschen in immer<br />

mehr Ländern zu «KlimamigrantInnen». Ihre Lebensgr<strong>und</strong>lagen<br />

sind bedroht. Der kausale Zusammenhang zwischen Klimawandel,<br />

Konflikten <strong>und</strong> Migration ist wissenschaftlich belegt. Das<br />

IKRK zeigt sich alarmiert über den Zusammenhang von Klimaveränderung<br />

<strong>und</strong> Gewalt in der Sahel-Zone. Alte Spannungen<br />

in Niger <strong>und</strong> Mali verschärfen sich. Fazit: Nur die Umsetzung<br />

der Klimaschutzziele im Pariser Übereinkommen verminderte<br />

den Migrationsdruck.<br />

«Um die Zukunft zu verhindern» <strong>und</strong> sein Weltbild nicht infrage<br />

stellen zu müssen, lässt der Kaiser im gleichnamigen Stück von<br />

Quo vadis Schweiz?<br />

Vor Marrakesch wurde in der Schweiz eine politische Lawine<br />

gegen den Pakt losgetreten, der Untergang der souveränen<br />

Schweiz verkündet. Es sei ein «verstecktes Umsiedlungsprogramm<br />

<strong>für</strong> Wirtschafts- <strong>und</strong> Armutsflüchtlinge». Wir könnten<br />

nicht alle aufnehmen, seien nicht das Sozialamt der Welt. Fakt<br />

ist: Im Pakt steht schwarz auf weiss, dass jeder Staat seine<br />

eigene Migrationspolitik bestimmen <strong>und</strong> selbstständig regeln<br />

kann. Die Verantwortung <strong>für</strong> ihre Einwanderungspolitik, den<br />

Zugang zum Arbeitsmarkt <strong>und</strong> den Schutz der Grenzen liegt<br />

bei ihm.<br />

Wer in der Schweiz <strong>für</strong> Abschottung plädiert, verweigert sich der<br />

Realität. Weder migriert die ganze Welt, noch wollen alle Menschen<br />

zu uns. 83 Prozent der Eingewanderten kommen aus<br />

europäischen Ländern. Die Wirtschaft ruft weiterhin nach ausländischen<br />

Arbeits- <strong>und</strong> Fachkräften. Aus ganz Afrika wanderten<br />

2017 gerade mal 4307 Personen ein. Der B<strong>und</strong>esrat sah sich<br />

genötigt, vorläufig auf eine Unterzeichnung des Paktes zu verzichten.<br />

Allerdings schreibt er dazu: «Die Leitprinzipien <strong>und</strong> Ziele<br />

entsprechen voll <strong>und</strong> ganz der Migrationspolitik der Schweiz.»<br />

Es wäre unverständlich <strong>und</strong> beschämend, wenn unser Land<br />

weiterhin zu den Verweigerer-Staaten gehören würde.<br />

Kein Finale, sondern einen Auftakt markiert die Annahme des<br />

Migrationspakts. Staat, Kirche <strong>und</strong> Zivilgesellschaft sind gemeinsam<br />

gefordert, ihn mit Leben zu füllen. In dieser Hinsicht macht<br />

Marrakesch Mut. Nur gemeinsames internationales Handeln<br />

kann zu guten <strong>und</strong> fairen Lösungen führen. Grenzen im Denken<br />

überwinden ist das Gebot. Oder wie Seneca mahnte: «Es kann<br />

niemand ethisch verantwortungsvoll leben, der nur an sich denkt<br />

<strong>und</strong> alles seinem persönlichen Vorteil unterstellt. Du musst <strong>für</strong><br />

den anderen leben, wenn du <strong>für</strong> dich selbst leben willst.» <br />

Rosmarie Bär, alt Nationalrätin, war bis Ende 2010 Koordinatorin <strong>für</strong><br />

Entwicklungspolitik bei Alliance Sud <strong>und</strong> verantwortlich <strong>für</strong> das Dossier<br />

«Nachhaltige Entwicklung».


7<br />

weltweit<br />

STANDPUNKT<br />

Sr. Anna Affolter ist Generalrätin der<br />

Ingenbohler Schwestern <strong>und</strong> im<br />

Vorstand der Herausgebergemeinschaft<br />

von <strong>WeltWeit</strong>.<br />

Menschenrettende<br />

SR. ANNA AFFOLTER<br />

Letzten Dezember hatte ich die Gelegenheit, unsere zwei Zentren<br />

gegen Menschenhandel in Indien zu besuchen. Was ich sah,<br />

hörte <strong>und</strong> erlebte, hat tiefe Eindrücke in mir hinterlassen. Unsere<br />

indischen Schwestern haben in den vergangenen Jahren ihr<br />

Engagement gegen Menschenhandel verstärkt. Eine Begebenheit<br />

in Delhi, wo unsere Schwestern sich mit verschiedenen Aktivitäten<br />

gegen Menschenhandel einsetzen, hat mich besonders<br />

Besprechung von Schwestern <strong>und</strong><br />

Mitarbeitenden einer NGO über<br />

Aktivitäten gegen Menschenhandel.<br />

(Bilder: Ingenbohler Schwestern)<br />

betroffen gemacht. An einem der Abende wurden zwei der<br />

Schwestern von einer Organisation, mit der unsere Schwestern<br />

intensiv zusammenarbeiten, <strong>für</strong> eine Rettungsaktion aufgeboten.<br />

Dabei handelt es sich um die Befreiung von Kindern, die Opfer<br />

von «Bonded Child Labour» (Kinderschuldknechtschaft) sind.<br />

Am andern Tag erfuhren wir, dass in einer lange vorbereiteten<br />

Aktion elf Kinder im Alter von neun bis siebzehn Jahren befreit<br />

werden konnten. Die Kinder waren in einem Haus gefangen<br />

gehalten <strong>und</strong> mussten unter strenger Beobachtung Taschen<br />

herstellen.<br />

Der Befreiungsschlag muss jeweils sehr schnell gehen. Jede<br />

Aktion ist gefährlich <strong>und</strong> riskant. Die Polizei nimmt die Aufsichtspersonen<br />

mit <strong>und</strong> übergibt sie der Justiz. Und bringt die Kinder<br />

an einen sicheren Ort, wo sie zuerst menschlich betreut <strong>und</strong><br />

medizinisch untersucht werden. Danach werden sie – wenn möglich<br />

– zu ihren Eltern zurückgebracht, die meist weit weg wohnen.<br />

Oder es wird <strong>für</strong> eine sichere Unterkunft gesorgt. Mit jedem<br />

einzelnen Opfer wird dann vor Ort in einem längeren<br />

Prozess eine gute Zukunft in Bezug auf Schule, Ausbildung<br />

oder Arbeit vorbereitet; die Kinder <strong>und</strong> die<br />

Familie werden begleitet. Bis Weihnachten plante die<br />

Organisation noch weitere Rettungsaktionen, um r<strong>und</strong><br />

200 Kinder <strong>und</strong> auch Erwachsene zu befreien.<br />

Ich vernahm von den Schwestern, dass Schätzungen<br />

zufolge ungefähr 15 Millionen Inderinnen <strong>und</strong> Inder<br />

in «Schuldknechtschaft» gefangen sind <strong>und</strong> so in<br />

sklavenähnlicher Abhängigkeit ausgebeutet werden.<br />

Diese Personen stammen aus armen Landgegenden.<br />

Sie nehmen in der Not ums Überleben bei unseriösen<br />

Geldverleihern Kredite auf, etwa um Saatgut oder<br />

andere lebensnotwendige Dinge zu kaufen. Die<br />

Schulden sind mit horrenden Zinsen belegt. Als Gegenleistung<br />

verlangen die Geldgeber, dass Familienmitglieder,<br />

vor allem Kinder, die Schulden abarbeiten<br />

müssen. Es wird geschätzt, dass etwa 5,7 Millionen<br />

indischer Kinder als Schuldknechte arbeiten, oft<br />

14 bis 16 St<strong>und</strong>en täglich, sieben Tage die Woche.<br />

Sie haben keine Chance auf Schulbildung <strong>und</strong> werden<br />

nicht selten missbraucht.<br />

Immer wieder, wenn ich an diese Realität <strong>und</strong> ihr Ausmass<br />

denke, läuft es mir kalt den Rücken hinunter.<br />

Da ich dieses Erlebnis im Dezember hatte, brachte<br />

ich es mit dem Sinn des Advents in Zusammenhang.<br />

In dieser Zeit wird viel um das rettende <strong>und</strong> befreiende<br />

Kommen Gottes gebetet. Hier in Delhi durfte ich<br />

erleben, wie der «Rettergott» Nachfolgerinnen <strong>und</strong><br />

Nachfolger gef<strong>und</strong>en hat. Sie schotten sich nicht ab <strong>und</strong> lassen<br />

sich nicht abschrecken von Risiken. Ohne Furcht um das eigene<br />

Leben setzen sie sich <strong>für</strong> die Würde <strong>und</strong> Rettung ausgebeuteter<br />

<strong>und</strong> versklavter Kinder <strong>und</strong> Erwachsener ein. Sie überlassen sich<br />

nicht der Hoffnungslosigkeit <strong>und</strong> dem Gedanken, dass sie im<br />

Vergleich zu der Zahl der Betroffenen «nur wenige» retten können.<br />

Im Glauben an den besonderen Schutz Gottes wissen sie,<br />

dass jede Rettung ein Beitrag ist zu einer besseren <strong>und</strong> gerechteren<br />

Welt. <br />

2/<strong>2019</strong>


8<br />

weltweit<br />

MERKWÜRDIG<br />

Unter dieser Rubrik erklärt <strong>WeltWeit</strong> einen «merkens-würdigen» entwicklungspolitischen<br />

Begriff oder beantwortet eine spannende Frage aus dem Entwicklungszusammenhang.<br />

Wenn Sie als Lesende(r) einen Begriff behandelt haben möchten oder falls Sie eine Frage<br />

beschäftigt, so schreiben Sie an die Redaktion: at.buehlmann@bluewin.ch<br />

Martin Fässler war bis 2014 Stabschef <strong>und</strong> Direktionsmitglied der Direktion <strong>für</strong> Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Zusammenarbeit (DEZA). Er arbeitet heute als Berater <strong>für</strong> internationale Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> Fachdozent: «Nach dem Studium der Sozialwissenschaften, Lehr- <strong>und</strong> Wanderjahren<br />

als Hirt, Senn <strong>und</strong> Handwerker sowie der Arbeit mit randständigen Jugendlichen war<br />

ich in der humanitären Hilfe in Ex-Jugoslawien <strong>und</strong> im Horn von Afrika tätig. Ich war verantwortlich<br />

<strong>für</strong> Entwicklungsprogramme in der Region der Grossen Seen <strong>und</strong> in Mozambique<br />

<strong>und</strong> nachfolgend <strong>für</strong> die Ausgestaltung der Entwicklungspolitik der Schweiz.»<br />

Martin Fässler<br />

Nachhaltigkeitspolitik der Schweiz<br />

MARTIN FÄSSLER<br />

Die Staatengemeinschaft hat im Pariser Klimaabkommen eine<br />

Obergrenze von weniger als 2 Grad Celsius vereinbart. Trotzdem<br />

geht’s weiter auf einem Kurs, der zu einer <strong>globale</strong>n Erwärmung<br />

von 3 oder 4 Grad im Verlauf des 21. Jahrh<strong>und</strong>erts führen wird.<br />

Schon heute lassen sich viele Veränderungen im <strong>globale</strong>n <strong>und</strong><br />

regionalen Klima beobachten: Hitzewellen werden häufiger,<br />

Dürren intensiver, Niederschläge stärker, tropische Wirbelstürme<br />

zerstörerischer. Unter den Auswirkungen solcher Extremwetterereignisse<br />

leiden besonders Entwicklungsländer. Dazu kommen<br />

graduelle Veränderungen: Die mittlere Wasserverfügbarkeit wird<br />

im Mittelmeerraum, im Nahen Osten sowie in Mittelamerika deutlich<br />

abnehmen; ebenso die Erträge wichtiger Feldfrüchte, besonders<br />

in den Tropen <strong>und</strong> Subtropen. Stark betroffen sind die Länder<br />

Afrikas. Das Risiko <strong>für</strong> Vertreibung durch Naturkatastrophen<br />

wird vielerorts weiter steigen.<br />

Die Umsetzung der Agenda 2030<br />

eröffnet enorme Chancen.<br />

Vor gut drei Jahren hat die Staatengemeinschaft die Agenda 2030<br />

mit 17 Nachhaltigkeitszielen verabschiedet. Eine Landkarte <strong>für</strong><br />

global gerechte Entwicklungsmöglichkeiten <strong>für</strong> alle Menschen auf<br />

einem ökologisch begrenzten Planeten, heute <strong>und</strong> in Zukunft.<br />

Die Welt ist von einer solchen Vision noch weit entfernt: in ökologischer<br />

Hinsicht, mit Blick auf soziale <strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>und</strong> in der<br />

Art des Wirtschaftens. Die Landkarte skizziert die notwendigen<br />

Wenden in Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft. Gefordert sind von Politik,<br />

Zivilgesellschaft, Unternehmen, Wissenschaft <strong>und</strong> allen Pionieren<br />

des Wandels umfassende Innovationen bei der Energieversorgung,<br />

der Mobilität, der Zukunft unserer Städte <strong>und</strong> unseren<br />

ebensstilen.<br />

Die Kernelemente <strong>für</strong> den Übergang zur Nachhaltigkeit finden sich<br />

in der Agenda 2030 <strong>und</strong> im Pariser Klimaabkommen: Verantwortung<br />

der jetzigen Generationen, um einen gefährlichen Wandel<br />

des Erdsystems zu vermeiden; Verknüpfung von nationalem <strong>und</strong><br />

<strong>globale</strong>m Gemeinwohl; Übernahme der Verantwortung <strong>für</strong> die Folgen<br />

gegenwärtigen Handelns; Entwicklung einer internationalen<br />

Zusammenarbeit, die es erlaubt, die Vielfalt der Gesellschaften als<br />

Ressourcen <strong>für</strong> Problemlösungen zu nutzen. Die Schweiz ist – wie<br />

andere Länder auch – gefordert, zu zeigen, wie ein Umsteuern in<br />

Richtung nachhaltige Entwicklung gelingen kann.<br />

Der Übergang fällt mit zwei weiteren Veränderungsprozessen zusammen:<br />

nationalistische, oft autoritäre, klimaskeptische, wissenschaftsfeindliche<br />

<strong>und</strong> «Our country first»-orientierte Bewegungen;<br />

die Gestaltung der digitalen Umbrüche. Auch hierzulande meinen<br />

etliche, Zukunftsaufgaben seien eher mit Abschottung zu bewältigen.<br />

Nachhaltige Entwicklung ist machbar <strong>und</strong> bezahlbar. Die Umsetzung<br />

der Agenda 2030 eröffnet enorme Chancen. Im Jahr <strong>2019</strong><br />

gibt es Gelegenheit zuhauf <strong>für</strong> mutige Weichenstellungen: ein<br />

neuer Anlauf im Ständerat <strong>für</strong> ein griffiges Klimagesetz; die neue<br />

Botschaft des B<strong>und</strong>esrates <strong>für</strong> die internationale Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> diejenige <strong>für</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung 2<strong>02</strong>1 bis 2<strong>02</strong>4;<br />

die Überarbeitung der Strategie Nachhaltige Entwicklung der<br />

Schweiz.<br />

Wenn die Schweiz die Weichen <strong>für</strong> eine ambitionierte Umsetzung<br />

der Agenda 2030 mit griffigen Massnahmen stellt, aus «wohlverstandenem<br />

Eigeninteresse» eine starke internationale Zusammenarbeit<br />

ausbaut <strong>und</strong> öffentliche Mittel mit Blick auf das nationale<br />

<strong>und</strong> <strong>globale</strong> Gemeinwohl einsetzt, kann ein solches Zeichen der<br />

Weitsicht unsere Kinder stolz machen.<br />

Kirchen können Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit voranbringen<br />

helfen. Die päpstliche Enzyklika «Laudato si» <strong>und</strong> das<br />

Impulspapier der DEK «Geliehen ist der Stern, auf dem wir leben –<br />

Die Agenda 2030 als Herausforderung <strong>für</strong> die Kirchen» unterscheiden<br />

sich wohltuend von der technischen Sprache einer ingenieursmässigen<br />

Bewältigung der Herausforderung. Beide sprechen<br />

über Werte, eine Art von Anti-Utilitarismus, die Integrität der<br />

natürlichen <strong>und</strong> menschlichen Mitwelt – <strong>und</strong> lassen attraktive Perspektiven<br />

entstehen.


9<br />

weltweit<br />

ALLEWELT<br />

Extreme Armut hat<br />

abgenommen<br />

Seit dem Jahr 2000 sind mehr als eine Milliarde Menschen der<br />

extremen Armut entkommen. Zwar gibt es auch arme Menschen<br />

oberhalb der Armutsgrenze von 1,90 US-Dollar pro Tag, doch<br />

können sie sich auf mehr als das blosse Überleben konzentrieren<br />

<strong>und</strong> in die Zukunft schauen. Der Fortschritt kam mit einer<br />

ersten Welle in China <strong>und</strong> einer zweiten in Indien. Extreme Armut<br />

konzentriert sich nun zunehmend in Subsahara-Afrika – allerdings<br />

nur auf eine Handvoll Länder wie die Republik Kongo oder<br />

Nigeria – wo 2050 voraussichtlich 86 Prozent aller Betroffenen<br />

leben werden. Eine grosse Herausforderung ist das starke Bevölkerungswachstum.<br />

<br />

Goalkeepers Bericht der Gates Stiftung<br />

dische Vermögen von r<strong>und</strong> 3000 Milliarden Franken verwaltet.<br />

Das Risiko ist gross, dass Konzerne ihre Schweizer Firmensitze<br />

<strong>für</strong> Gewinnverschiebungen von Süd nach Nord <strong>und</strong> entsprechende<br />

Steuervermeidung auf Kosten von Entwicklungsländern nutzen.<br />

Gemäss Schätzungen des IWF verlieren Länder des Südens<br />

dadurch jährlich bis zu 200 Milliarden Dollar an Steuersubstrat. <br />

Dominik Gross, Alliance Sud<br />

Angriffe auf<br />

Pressefreiheit<br />

Laut der jährlichen Rangliste von Reporter ohne Grenzen hat<br />

sich 2018 in keiner anderen Weltregion die Situation der Medien<br />

so sehr verschlechtert wie in Osteuropa. Verbale Angriffe auf<br />

Journalisten durch Regierungen <strong>und</strong> Politiker, ein feindseliges<br />

Berichterstattungsklima, Drohungen <strong>und</strong> gewalttätige Übergriffe,<br />

juristische Verfolgung Medienschaffender <strong>und</strong> regierungsnahe<br />

Oligarchen als Medieneigentümer sind dabei Elemente, die<br />

der Pressefreiheit schaden. Aufsehenerregende Fälle wie die<br />

Ermordung des slowakischen Journalisten Ján Kuciak oder die<br />

Verurteilung Jovo Martinovićs in Montenegro aufgr<strong>und</strong> von<br />

berufsbedingten Kontakten in die Unterwelt weisen auf diese<br />

beunruhigende Entwicklung hin. <br />

Ökumenisches Forum G2W<br />

Geldabfluss aus<br />

Entwicklungsländern<br />

Der Washingtoner Think-Tank Global Financial Integrity schätzt,<br />

dass Entwicklungs- <strong>und</strong> Schwellenländern jährlich eine Billion<br />

Dollar durch unlautere Finanzflüsse verloren geht. Dazu gehören<br />

nicht nur Gelder aus Geldwäscherei <strong>und</strong> Korruption, sondern<br />

auch «legale» aus der Steuerhinterziehung. Für die Nachhaltigkeitsziele<br />

der UN-Agenda 2030 bräuchte es weltweit mindestens<br />

5000 Milliarden Dollar jährlich. Zum Vergleich: Die weltweite Entwicklungszusammenarbeit<br />

liegt aktuell bei etwa 160 Milliarden<br />

Dollar pro Jahr.<br />

Als eines der grössten Finanzzentren der Welt mit der höchsten<br />

Pro-Kopf-Dichte an Konzernsitzen spielt die Schweiz in der<br />

Bekämpfung der entwicklungsschädigenden unlauteren Finanzflüsse<br />

eine sehr wichtige Rolle. 2017 wurden hierzulande auslän-<br />

Eine Bäuerin bei der Hirseernte in Burkina Faso.<br />

(Bild: Annette Boutellier, Fastenopfer)<br />

UNO-Menschenrechtsrat<br />

stärkt Bauern<br />

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen stärkt die Rechte<br />

von Bauernfamilien, Fischergemeinden <strong>und</strong> auch Nomadenvölkern<br />

durch eine Deklaration. Am 17. Dezember hat auch die<br />

UNO-Generalversammlung die Erklärung verabschiedet. Sie<br />

anerkennt das Recht auf Land <strong>und</strong> Saatgut, das von zentraler<br />

Bedeutung ist. Und gibt den Staaten Richtlinien <strong>für</strong> eine Politik<br />

an die Hand, die Hunger <strong>und</strong> Armut effizient bekämpft. Denn<br />

hierzu muss die Landwirtschaft besser unterstützt werden. Die<br />

Anerkennung <strong>und</strong> Stärkung der Bauernrechte ist da<strong>für</strong> zentral.<br />

In Afrika, Asien <strong>und</strong> Lateinamerika werden täglich Bauern <strong>und</strong><br />

Bäuerinnen bedroht oder gar ermordet. Die Schweizer Regierung<br />

hat <strong>für</strong> die Deklaration gestimmt. Auch in der Schweiz arbeiten<br />

Bauernfamilien oft unter schweren Bedingungen. Täglich verschwinden<br />

hierzulande zwei bis drei Bauernhöfe. <br />

Fastenopfer<br />

2/<strong>2019</strong>


10<br />

Auferstehen ins Leben<br />

Ostern ist <strong>für</strong> ChristInnen das Fest des Auferstehens. Wie ist es zu verstehen – auch im Älterwerden<br />

<strong>und</strong> Betagtsein?<br />

Bild: Theo Bühlmann


11<br />

weltweit<br />

AUFERSTEHUNG<br />

CHRISTIANE FASCHON<br />

«Christus ist auferstanden»: Der Ostergruss wird wieder in unzähligen<br />

Kirchen weltweit ertönen. Feierlich, jubelnd. Die Bestätigung<br />

aus dem Glaubensbekenntnis «Ich glaube an die Auferstehung<br />

der Toten». Was bedeutet Ihnen das? Besonders, wenn das Alter<br />

näher rückt <strong>und</strong> der zweite Satz eine sehr persönliche Note erhält.<br />

Viele ChristInnen glauben, dass es erst im Neuen Testament um<br />

die Auferstehung geht. Doch bereits in der hebräischen Bibel<br />

wird darüber berichtet. In einem rabbinischen Kommentar heisst<br />

es sogar: «Es gibt keine Stelle, in der die Schrift nicht über Auferstehung<br />

spricht.» Die Bibel ist also damit angefüllt. Nicht nur<br />

der Prophet Ezechiel (37,1–14) berichtet in einer dramatischen<br />

Vision über die Belebung der Toten. Bis heute beten JüdInnen<br />

täglich im Schmone-Esre, dem wichtigsten jüdischen Gebet:<br />

«Gelobt seist du Ewiger, der die Toten wieder belebt.»<br />

Jesus ist von den Toten auferweckt –<br />

wir werden ihm folgen.<br />

Ob man vom Stuhl aufsteht oder aus dem Tod aufersteht; es gibt<br />

da<strong>für</strong> im Neuen Testament nur ein griechisches Wort, das aus<br />

der Alltagssprache stammt: anhistemi. Im Deutschen dagegen<br />

unterscheiden sich die verschiedenen Bedeutungen nur durch<br />

eine Silbe. Das Aufstehen im Leben ist Welten vom Auferstehen<br />

nach dem Tod entfernt – Aufstand noch mehr. Ein weiteres Wort<br />

in diesem Zusammenhang ist «auferwecken»: Gott hat Jesus<br />

von den Toten auferweckt. Griechisch heisst es «egeiro»: aufwecken.<br />

Als ginge es ganz leicht, wie von einem Mittagsschlaf.<br />

Die gute Botschaft heisst: Gott hat Jesus von den Toten auferweckt,<br />

aufgeweckt. Er ist auferstanden, aufgestanden. Wir wissen<br />

nicht, wie das genau vonstattengeht; doch wir werden ihm<br />

folgen.<br />

Das Leben siegt<br />

«Ich glaube an die Auferstehung»: Wie steht es damit im Alter?<br />

Sr. Ingrid Grave, fast 80 Jahre alt, hat letztes Jahr in einem Interview<br />

erklärt, wie sie Auferstehung im Hier <strong>und</strong> Jetzt erlebt. Und<br />

dass sie auf eine Auferstehung nach dem Tode hofft. Doch «der<br />

Glaube an die Auferstehung lässt sich nicht befehlen», sagt die<br />

Nonne. Auch die berühmte Theologin Dorothee Sölle betonte,<br />

es brauche Mut zu sagen, dass das Leben stärker sei als der<br />

Tod. Gerade im Alter mit seinen Belastungen ist das eine Herausforderung.<br />

Früher wurden ChristInnen oft auf die jenseitige<br />

Welt vertröstet: Krankheit, Schmerz <strong>und</strong> Tod sollten die Gläubigen<br />

als Gottes Fügung <strong>und</strong> Willen annehmen, eine Prüfung,<br />

damit sie dann dem Reich Gottes würdig werden. Oder sie sollten<br />

sie als Strafe <strong>für</strong> vergangene Sünden sehen.<br />

Dagegen verwahren sich heute viele TheologInnen. Heinz Rüegger<br />

betont, dass selbst ein so berühmter Theologe wie Kurt Marti<br />

sein Leben im hohen Alter als «Leerlauf» bezeichnete! Bereits im<br />

Buch Hiob wird diese Idee abgelehnt. Die Fre<strong>und</strong>e Hiobs wollen,<br />

dass er in seinem Leiden einen Sinn sieht; Gott kritisiert sie<br />

da<strong>für</strong>. Rüegger betont, Leid sei keine Reifeprüfung. Wer das<br />

behaupte, werte die Erfahrung der Betroffenen ab. Da gebe es<br />

vieles auszuhalten, ohne schnelle Tröstung! Vieles bleibe ungelöst.<br />

Er verweist auf Dietrich Bonhoeffers Aussage, das Letzte<br />

sei in Gottes Hand, das Vorletzte aber, also auch Leid <strong>und</strong> Alter,<br />

gehöre in unser Leben.<br />

Standhalten üben<br />

Für den Glauben gibt es nur zwei Wege: Ausweichen oder Annehmen.<br />

Integrität werde im letzten Reifeprozess unseres Lebens<br />

der Verzweiflung, Todesfurcht <strong>und</strong> dem Lebensekel gegenüber<br />

gestellt, schrieb Erik H. Erikson. Schlichter gesagt: Alter ist<br />

nichts <strong>für</strong> Feiglinge. Im Alter flüchten manche in den Konsum,<br />

andere wachsen tiefer in den Glauben. Religion <strong>und</strong> Spiritualität<br />

wird <strong>für</strong> viele wichtiger. Der eigene Tod, der Tod Nahestehender<br />

ist unausweichlich. Der Umzug in ein Heim steht an, es kommen<br />

Krankheiten <strong>und</strong> Einschränkungen; andere bestimmen immer<br />

mehr über das eigene Leben. Mit einer vertrauensvollen Gottesbeziehung<br />

fällt vieles leichter. Glaube ist nachweislich ges<strong>und</strong>heitsfördernd;<br />

er baut Stress ab. Glaube hilft auch, mit dem<br />

eigenen Leben Frieden zu machen.<br />

Glaube ist in der jetzigen Generation der Betagten (noch) ein<br />

Thema. Auch die Kirche, selbst wenn sie infrage gestellt wird.<br />

Glaube ist oft nicht mehr die Kirchenfrömmigkeit von früher, sondern<br />

eher das Einssein mit Gott im Gebet, die Verb<strong>und</strong>enheit mit<br />

Menschen im Gottesdienst, mit der Natur oder auch in der Meditation.<br />

Glaube kann helfen, selbst in negativen Erfahrungen Hoffnung<br />

zu finden. Und den Tod in einem anderen Licht zu sehen.<br />

Reich Gottes<br />

Dein Leiden wird nicht ewig anhalten. Das Licht ist da <strong>und</strong> wird<br />

eines Tages auch <strong>für</strong> dich wieder sichtbar. Darauf können wir<br />

vertrauen. Niemand kann die Dunkelheit, die ganz persönliche<br />

Trauerarbeit überspringen, die Verzweiflungsarbeit auslassen.<br />

Ein Teil von uns muss sterben, die alte Welt auseinanderbrechen,<br />

damit wir unser eigenes Menschsein verzeihend annehmen<br />

<strong>und</strong> uns daran wieder erfreuen können. Bitten wir um die<br />

Gabe des Verstehens oder der Versöhnung, der Wiederentdeckung<br />

des Sinn.<br />

Es sind Zeiten der Wandlung, in denen du die Kontrolle verlierst,<br />

die dich letztlich von Angst <strong>und</strong> Mühen frei machen.<br />

Die dich dem Fluss von Gottes <strong>für</strong>sorglicher Liebe anvertrauen<br />

lassen, in der du alles empfangen kannst. Der Tod wird etwas<br />

Heiliges, offenbart ein viel grösseres Geheimnis. Er führt dich<br />

in einem heiligen Raum, in dem du die Wirklichkeit der Güte<br />

<strong>und</strong> Liebe berührst als grosses Mysterium, welches die<br />

Gegensätze aufnimmt <strong>und</strong> in welchem das Leben von Gr<strong>und</strong><br />

auf in Ordnung ist: im Reich Gottes.<br />

Nach Richard Rohr<br />

«Wer loslässt, wird gehalten», Claudius Verlag<br />

2/<strong>2019</strong>


12<br />

weltweit<br />

AUFERSTEHUNG<br />

Eine gute Begleitung<br />

von Kranken <strong>und</strong> Pflegebedürftigen<br />

beinhaltet<br />

auch das Spirituelle.<br />

(Bild: Techniker Krankenkasse<br />

Hamburg)<br />

Dabei sei nochmals betont: Es kann nicht darum gehen, in Demenz,<br />

Lebensmüdigkeit <strong>und</strong> Schmerz immer Gottes Wille hineinzuinterpretieren.<br />

Besteht darin womöglich ein vorbereitender<br />

Weg des Loslassens?<br />

Für manche wird der Glaube in der Erinnerung an die Kindheit<br />

<strong>und</strong> Jugend zur Last. Ein drohender Gott, wie die Kirchen ihn<br />

lange gepredigt haben, kann Angst vor seiner Strafe nach dem<br />

Tod auslösen. Seelsorge ist daher im Alter besonders wichtig,<br />

um das eigene Gottesbild zu prüfen. Vielleicht geht es jetzt<br />

darum, sich vom «furchtbaren Glauben» lösen zu können.<br />

30 «geschenkte» Jahre<br />

In den letzten 150 Jahren haben wir 30 Jahre an Lebenserwartung<br />

gewonnen. Professor Peter Gross, Fachmann zum Thema<br />

Alter, betont, dass man heute im Alter Zeit geschenkt erhalte,<br />

über sich <strong>und</strong> sein Leben nachzudenken. Im Alter können Türen<br />

aufgehen. Männer <strong>und</strong> Frauen gehen wieder zur Schule, sie nehmen<br />

an Kursen an Volkshochschulen, bei Pro Senectute oder<br />

der kirchlichen Erwachsenenbildung teil. Sie entdecken Hobbys<br />

<strong>und</strong> neue Interessen. Es ist nun möglich, spätabends Dokumentationen<br />

<strong>und</strong> Filme anzuschauen, Nächte durchzulesen, weil<br />

man ja nicht früh aufstehen muss. Andere treffen sich häufiger<br />

mit Fre<strong>und</strong>Innen oder Familienangehörigen, besuchen kulturelle<br />

Anlässe oder reisen. Seniorentarife machen vieles auch finanziell<br />

eher möglich. Studien zeigen, dass ältere Menschen weniger als<br />

früher von der Meinung anderer abhängig sind. Kreativität ist bis<br />

ins hohe Alter möglich: Johann Wolfgang von Goethe vollendete<br />

seinen Faust mit 80, Michelangelo die Sixtinische Kapelle mit<br />

71 Jahren. Kannten vor einigen Generationen Enkel ihre Grosseltern<br />

oft nicht, so sind diese heute intensiv im Einsatz. Zudem<br />

ist es heute dank der neuen Medien via Mail, Skype oder Whatsapp<br />

leichter, in Kontakt zu kommen <strong>und</strong> zu bleiben. Dazu engagieren<br />

sich SeniorInnen ehrenamtlich. Gerade Kirchgemeinden<br />

bieten viele Möglichkeiten. Auch mit dem Liebesleben sind viele<br />

zufriedener als früher; dies zeigt eine Studie der Universität Rostock:<br />

Mehr Kreativität <strong>und</strong> Sensibilität können das Liebesleben<br />

bis ins hohe Alter sehr beglückend erhalten, weil Zärtlichkeit einen<br />

breiten Raum bekommt. Verdorrtes kann wieder erwachen, unabhängig<br />

vom Lebensalter! Das Alter hat auch seinen Reichtum.<br />

Spiritual Care<br />

Heute kommt neben der Seelsorge auch die Spiritual Care gerade<br />

auch im Alter in Heimen <strong>und</strong> Spitälern hinzu. Seit 2015 existiert<br />

es als neues Lehrfach an der Universität Zürich. Der Lehrstuhl<br />

wird von beiden Landeskirchen finanziert. Professor Simon<br />

Peng-Keller erklärt, dass Palliative Care «neben der Sorge um<br />

die physischen Nöte <strong>und</strong> Bedürfnisse von schwer erkrankten<br />

Menschen auch die psychische, soziale <strong>und</strong> spirituelle Dimension»<br />

umfasst. Spiritual Care ist darum eine Vertiefung. Es geht<br />

darum, genau hinzuhören, was die Person umtreibt. «Erzählen<br />

kann helfen, sich von bedrängenden Erlebnissen zu distanzieren,<br />

sie zu ordnen <strong>und</strong> verschüttete Ressourcen zugänglich zu machen»,<br />

betont Peng. Die professionellen Begleitpersonen müssen<br />

spirituelle Fragen ernst nehmen. Es ist nicht nötig, dass sie<br />

selbst einer Glaubensgemeinschaft angehören. Denn es geht<br />

nicht um die beratende Person, sondern um die anvertrauten<br />

PatientInnen. Ihre Überzeugungen in Bezug auf Leiden, Sterben,<br />

das Leben nach dem Tod, sie brauchen Raum <strong>und</strong> müssen ernst<br />

genommen werden! Die eigene Glaubenspraxis kann jedoch eine<br />

wichtige Quelle <strong>für</strong> diese Aufgabe sein.<br />

Gott hilft in jeder Situation, sagt die Bibel: «Ich bin <strong>für</strong> dich da,<br />

bin mit dir» (So hat er sich Mose im Dornbusch gezeigt). «Bis in<br />

euer Alter bin ich derselbe, <strong>und</strong> ich will euch tragen, bis ihr grau<br />

werdet. Ich habe es getan; ich will heben <strong>und</strong> tragen <strong>und</strong> erretten»<br />

(Jesaja 46, 4). Oder wie Ingrid Grave es sagt: «Das Vertrauen<br />

auf Gott hilft. Gott hat Leben geschenkt. Er ist Leben. Und er will<br />

auch, dass wir leben. Das Neue Testament hilft mir ganz stark,<br />

zu diesem Vertrauen zu gelangen.»


13<br />

weltweit INNEHALT<br />

Es interessiert mich nicht, wie alt du bist.<br />

Ich möchte wissen, ob du es riskieren wirst,<br />

verrückt vor Liebe zu sein, vernarrt in deine Träume,<br />

in das Abenteuer, lebendig zu sein.<br />

Es interessiert mich nicht, welche Planeten<br />

in welcher Konstellation zu deinem Mond stehen.<br />

Ich möchte wissen, ob du die Mitte deines Leids berührt hast,<br />

ob du durch Verrat, den du im Leben erfahren hast,<br />

aufgebrochen <strong>und</strong> offen geworden<br />

oder geschrumpft bist <strong>und</strong> dich verschlossen hast<br />

vor Angst <strong>und</strong> weiterem Schmerz.<br />

Es interessiert mich nicht, ob die Geschichte,<br />

die du mir erzählst, wahr ist.<br />

Ich möchte wissen, ob du jemanden enttäuschen kannst,<br />

um zu dir selbst ehrlich zu sein,<br />

ob du es erträgst, dass dir deshalb jemand Vorwürfe macht<br />

<strong>und</strong> du trotzdem deine eigene Seele nicht verrätst.<br />

Ich möchte wissen, ob du treu sein kannst<br />

<strong>und</strong> zuverlässig.<br />

Ich möchte wissen, ob du Schönheit sehen kannst,<br />

auch dann, wenn es nicht jeden Tag schön ist<br />

<strong>und</strong> ob du in deinem Leben<br />

einen göttlichen Funken spürst.<br />

Ich möchte wissen, ob du mit Misserfolg<br />

leben kannst– mit deinem <strong>und</strong> meinem –<br />

<strong>und</strong> immer noch am Ufer eines Sees stehen<br />

<strong>und</strong> «Ja» zum Vollmond rufen kannst.<br />

Oriah Mountain Dreamer<br />

Bild: punkrowski<br />

2/<strong>2019</strong>


14<br />

Reisende in Sachen<br />

Pflege <strong>und</strong> Sinn<br />

Die Ingenbohler Schwester Liliane Juchli wollte in die weite Welt. Stattdessen wurde sie Kranken -<br />

schwester <strong>und</strong> schrieb ein Werk, welches das Leben in Heimen <strong>und</strong> Spitälern veränderte.<br />

Armut <strong>und</strong> harte Arbeit<br />

Ihre Kindheit im Schweizer Nussbaumen bei Baden im Aargau,<br />

wo sie 1933 als Klara Juchli geboren wurde, war durch Armut<br />

<strong>und</strong> harte Arbeit geprägt. Vielleicht gerade deshalb erwachte<br />

in ihr der Wunsch, anderen Menschen zu helfen – möglichst als<br />

Entwicklungshelferin. Da die Ingenbohler Schwestern auch in<br />

Missionsgebieten tätig waren, fasste sie als junge Frau den Entschluss,<br />

diesem Orden beizutreten. Nur sah ihr Orden andere<br />

Aufgaben <strong>für</strong> sie vor. Nach einigen Jahren umfangreicher Arbeit<br />

<strong>und</strong> einer weiteren Ausbildung zur Schulschwester übernahm<br />

sie Aufgaben in der Pflegeschule <strong>und</strong> entdeckte ihr Talent, von<br />

ihr selbst didaktisch gut aufbereitetes Wissen zu vermitteln. Da<br />

es aber in jener Zeit keine Lehrbücher gab, musste sie sich ihr<br />

Lehrmaterial, das sämtliche Inhalte der Pflege umfasste, selbst<br />

zusammenstellen. Am Ende kam ein 500-seitiges Manuskript<br />

heraus, das der Georg Thieme Verlag in Stuttgart 1973 erstmals<br />

veröffentlichte <strong>und</strong> bis heute (als «Lehrbuch <strong>für</strong> Pflegende in<br />

Ausbildung» bereits in der 13. Auflage) herausgibt.<br />

Jedes Modell bleibt leer, rückt es<br />

nicht das Leben ins Zentrum.<br />

Sr. Liliane Juchli.<br />

(Bild: Stefan Knobel,<br />

Bibliomedpflege)<br />

THOMAS SCHNELLING<br />

Liliane Juchli ist wohl eine der bekanntesten Krankenschwestern<br />

der Gegenwart. Durch ihre berufliche Praxis <strong>und</strong> ihre zahlreichen<br />

Publikationen hat sie das Denken <strong>und</strong> Handeln in der Ges<strong>und</strong>heits-<br />

<strong>und</strong> Krankenpflege wesentlich beeinflusst. Insbesondere<br />

durch ihr Hauptwerk «Allgemeine <strong>und</strong> spezielle Krankenpflege»,<br />

das bis heute als das umfassendste Lehrbuch im deutschsprachigen<br />

Raum <strong>und</strong> weit darüber hinaus gilt, hat sie Generationen<br />

von Krankenschwestern <strong>und</strong> -pflegern geprägt. Aber bis dahin<br />

war es ein weiter Weg.<br />

Schmerz, Angst, Verzweiflung<br />

Aber diese harte Arbeit über viele Jahre hinweg hatte einen hohen<br />

Preis: Liliane Juchlis persönliche Erfahrungen mit Erschöpfung<br />

<strong>und</strong> Depression, die sie ihrem Tagebuch anvertraute: «Nein –<br />

da ist nichts mehr – nichts mehr als trostlose Leere – erschöpft,<br />

ausgebrannt <strong>und</strong> gehetzt warte ich auf den Schlaf, der nie<br />

kommt. Auch die Tabletten helfen nicht mehr – wozu noch weiterkämpfen?<br />

Wozu? Schmerz, Angst <strong>und</strong> Verzweiflung prägten<br />

mein Dasein. Lebensgefühle, die eine menschliche Existenz bis<br />

zur letzten Faser durchdringen.» Sie nahm sich eine Auszeit<br />

<strong>und</strong> liess sich mit dem Psychoanalytiker Stephan Blarer – <strong>und</strong><br />

später bei Karlfried Graf Dürckheim <strong>und</strong> seiner «Initiatischen<br />

Therapie» – auf einen langen, schmerzhaften, aber schliesslich<br />

auch äusserst heilvollen Prozess ein: «Es begann eine eigentliche<br />

Entdeckungsreise meines Lebens <strong>und</strong> schliesslich das<br />

Erwachen im Geiste <strong>und</strong> im innersten Herzen.»


15<br />

weltweit<br />

WEGWEISERIN<br />

Diese einschneidenden Erfahrungen veränderten in den Siebzigerjahren<br />

Liliane Juchlis Menschenbild <strong>und</strong> damit auch ihren<br />

Blick auf die Pflege nachhaltig. Pflege sollte auf einem ganzheitlichen<br />

Denken <strong>und</strong> Handeln beruhen <strong>und</strong> wesentlich enger als<br />

bisher an den körperlichen <strong>und</strong> seelischen Bedürfnissen des<br />

Menschen in seiner Gesamtheit orientiert sein – <strong>und</strong> zwar sowohl<br />

der Pflegebedürftigen als auch der Pflegenden: «Den Menschen<br />

so zu sehen, wie er ist, nicht oberflächlich, einseitig oder<br />

durch Wunschbilder verzerrt. Ihn in der Tiefe seines Seins erfassen<br />

<strong>und</strong> respektieren. Aus dieser Tiefensicht, da er mehr ist als<br />

eine Summe von Zellen <strong>und</strong> Organen, die besser oder schlechter<br />

arbeiten, die ges<strong>und</strong> sind, wenn sie funktionieren, <strong>und</strong> repariert<br />

werden müssen, wenn sie gestört sind.»<br />

ATL-Modell: Mensch im Zentrum<br />

Wichtig ist daher in der Begleitung <strong>und</strong> Pflege von Menschen<br />

in erster Linie das Wie: «Wie wir etwas tun, dass wir uns in<br />

Anspruch nehmen lassen», so Liliane Juchli in einem Vortrag:<br />

Bei der Begleitung <strong>und</strong> Pflege kommt<br />

es sehr darauf an, wie es gemacht wird.<br />

(Bild: charlottenhof)<br />

«Zeit finden <strong>für</strong> die unausgesprochenen Fragen <strong>und</strong> Ängste des<br />

Gegenübers. Wer so auf dem Weg ist, wird erfahren, dass die<br />

Sinnerfahrung ein Geschenk ist.»<br />

Diese neue, damals revolutionäre Herangehensweise führte zu<br />

einer weiteren Professionalisierung <strong>und</strong> Aufwertung der Pflegeberufe.<br />

Der vierten Auflage ihres Lehrbuches, die 1983 erschien,<br />

legte sie ihr neues, ganzheitliches Menschenbild zugr<strong>und</strong>e. Hier<br />

beschreibt sie auch erstmals die «Aktivitäten des täglichen Lebens»<br />

(ATL), nach denen sie die gr<strong>und</strong>legenden <strong>und</strong> in der Pflege<br />

zu berücksichtigenden Lebensbereiche in ihrer Wechselwirkung<br />

strukturierte: «Dabei sehe ich den Menschen in seinen Bezügen<br />

zu sich selbst, zum Mitmenschen, zur Natur sowie zum ganz<br />

anderen, dem Göttlichen.» Konkret ergänzt sie die «physiologische<br />

Ebene» – wach sein, schlafen, sich waschen, kleiden,<br />

essen, trinken, sich bewegen, atmen – mit Personal-Sozialem:<br />

sich sicher fühlen <strong>und</strong> verhalten, Raum <strong>und</strong> Zeit gestalten, arbeiten<br />

<strong>und</strong> spielen. Und sie schliesst die geistige Ebene, wo das<br />

Kommunizieren, Kind-, Frau-, Mannsein, Sinnfinden im Werden,<br />

Sein, Vergehen wichtig sind, mit ein. Die ATL sind aber nur dann<br />

ein erfolgversprechendes Instrument, ja Lebensmodell, «wenn<br />

wir die Fakten in Bezug zum Menschen als ganzheitliches Wesen<br />

sehen: im Blick auf alle seine Beziehungen <strong>und</strong> in Bezug zu<br />

seiner individuellen Geschichte respektive Biografie, welche die<br />

aktuelle Situation beeinflusst <strong>und</strong> mitbestimmt hat. Jedes Modell<br />

bleibt eine leere Hülle, wenn es nicht das Leben <strong>und</strong> die Lebendigkeit<br />

ins Zentrum rückt.»<br />

Menschlichkeit <strong>und</strong> Würde<br />

Liliane Juchli sieht in der Pflege auch eine wichtige moralische<br />

Herausforderung. Hier müsse es – so die Pflegewissenschaftlerin<br />

Marianne Arndt – darum gehen, «die menschliche Wirklichkeit<br />

so zu sehen, dass auch <strong>für</strong> das Nicht-Wiederherstellbare, auch<br />

<strong>und</strong> gerade <strong>für</strong> den ‹hoffnungslosen Pflegefall› ein ernst zu nehmender<br />

Anspruch geltend gemacht wird». Das<br />

unterstreicht auf sehr eindrückliche Weise Juchlis<br />

lebenslangen Einsatz <strong>für</strong> die Würde des Menschen<br />

als höchsten menschlichen Wert wie auch als<br />

Gegenkraft zu einer Leistungsgesellschaft, die mit<br />

einer gr<strong>und</strong>legenden, umstürzenden Veränderung,<br />

in der Menschen immer älter <strong>und</strong> kränker werden,<br />

konfrontiert ist. Die Wahrung der Menschlichkeit<br />

<strong>und</strong> der Menschenwürde in unseren Spitälern <strong>und</strong><br />

Heimen darf aber nicht den Pflegenden allein überlassen<br />

werden. Eine humane Gestaltung der Pflege<br />

braucht das Zusammenspiel aller Kräfte, der politisch-gesellschaftlichen<br />

Kräfte wie der ethischmoralischen<br />

Verantwortlichkeit.<br />

Auch in diesem Sinne versteht Liliane Juchli die<br />

Pflegenden eher als «Pädagogen», gehört es doch<br />

zu ihren Aufgaben, «den Kranken nicht nur während<br />

seines Krankseins zu pflegen <strong>und</strong> zu begleiten,<br />

sondern ihn auch auf das Ges<strong>und</strong>sein vorzubereiten,<br />

ihn zu begleiten auf dem Weg zur Selbstpflege.<br />

Dazu gehört ein anthropologisches <strong>und</strong> ethisches<br />

Gr<strong>und</strong>wissen. Pflege ist sehr oft auch Seelsorge.»<br />

Was bringe ich von mir ein?<br />

Nicht von ungefähr sieht die engagierte Pflegelehrerin<br />

<strong>und</strong> Ordensfrau Juchli daher die menschliche<br />

Begegnung als das Zentrum aller Pflege. Sie fordert, dass die<br />

Pflegenden sich selbst immer wieder Rechenschaft abgeben<br />

müssen zu der Frage, wie sie den Menschen sehen, wie sie auf<br />

den anderen Menschen zugehen. Ihr Leitsatz «Ich pflege als die,<br />

die ich bin» schliesst auch den Ges<strong>und</strong>heitszustand der Pflegenden<br />

mit ein: «Sie bringen sich selber immer mit ein, sowohl ihre<br />

gute wie ihre schlechte Laune. Hier gilt es, die eigenen Grenzen<br />

offen zu kommunizieren. Deshalb muss man auch zu den Pflegenden<br />

Sorge tragen. Eine starke Persönlichkeit wehrt sich am<br />

Ende auch gegen wirtschaftliche <strong>und</strong> politische Zwänge, die<br />

ihrem Berufsethos widersprechen; sie macht sich <strong>für</strong> ihre berufseigenen<br />

Anliegen stark.» <br />

Buchtipp: Trudi von Fellenberg-Bitzi: «Liliane Juchli – ein Leben <strong>für</strong> die<br />

Pflege», Georg Thieme Verlag, Stuttgart/New York 2013.<br />

2/<strong>2019</strong>


16<br />

Maria: Leitbild neuen<br />

Menschseins<br />

Die Mutter Gottes ist Entwicklungshelferin zu einer gottgewirkten Transformation, in uns <strong>und</strong> in der Welt.


weltweit<br />

17<br />

THEMENSEITEN<br />

Maria hilft uns, den Weg<br />

zum Göttlichen zu finden.<br />

(Bild: pixabay)<br />

TBü. Die Situation des Menschen ist geprägt von einer Trennung<br />

aus der ursprünglichen Schöpfungseinheit. Sie zeigt sich in<br />

einem egozentrischen «Ich»; in der Gier auch, immer mehr haben<br />

zu wollen. Es wähnt sich autonom, ist aber abgeschnitten vom<br />

eigenen Urgr<strong>und</strong>. Dies wird zur Bedrohung <strong>für</strong> die Erde. Von<br />

grosser Dringlichkeit ist darum die menschliche Entwicklung zu<br />

einer «allem Leben dienenden Seinsmacht», erklärt Pia Gyger<br />

in ihrem Buch «Maria, Tochter der Erde, Königin des Alls. Vision<br />

der neuen Schöpfung» (Kösel-Verlag 2005). Ziel des Menschen<br />

als Mitschöpfer der Evolution müsse sein, «unter Beibehaltung<br />

aller guten Früchte der Individualisierung den Zugang zur Einheit<br />

des Lebens wiederzufinden». Es gehe darum, uns von Maria<br />

«aus der Stille des Herzens vor allem Tun» leiten zu lassen.<br />

«Dein Wille geschehe» erschliesst<br />

Göttliches in uns <strong>und</strong> aller Existenz.<br />

Aus aller Zerstreuung<br />

Pia Gyger zeigt einen von der Gottesmutter inspirierten inneren<br />

Weg der Meditation <strong>und</strong> Wesensschau auf, damit der in uns verborgene<br />

Schatz ans Licht gehoben <strong>und</strong> <strong>für</strong> uns <strong>und</strong> die Welt<br />

wirksam werden kann: «eine kraftvolle Einkehr, Sammlung aus<br />

aller Zerstreuung» (nach Johannes Tauler), um sich «in den<br />

Abgr<strong>und</strong> der ineinanderfliessenden Einheit tragen zu lassen»<br />

(der Dominikaner Heinrich Seuse). Die christliche Tradition kennt<br />

dazu die Bewusstseinseinigung <strong>und</strong> -leerung <strong>und</strong> den Herzensweg.<br />

Pia Gyger legt säkularisierten Menschen Zazen, das Sitzen<br />

in Versunkenheit, nahe, welches aus dem Zen-Buddhismus<br />

kommt. Weder Überhöhung noch Geringschätzung des eigenen<br />

Selbst sei erstrebenswert, sondern Demut, Liebe, Weisheit <strong>und</strong><br />

Mitgefühl mit allen Lebewesen. Als Würze <strong>für</strong> unser wachsendes<br />

Charisma empfiehlt Gyger auch den Gebrauch des Humors als<br />

gelassene Heiterkeit, um «über sich selber zu lachen wie auch<br />

in spielerischer Weise über sich selber <strong>und</strong> die Welt zu seufzen».<br />

Hingabe ans Göttliche<br />

Jesus hat uns darauf hingewiesen, zu werden wie die Kinder,<br />

wenn wir das Himmelreich erfahren wollen. Sie leben gegenwärtig,<br />

sind dem Leben in unmittelbarer Offenheit zugewandt, den<br />

W<strong>und</strong>ern des Alltäglichen. Und er ist der grosse Lehrer der Feindesliebe,<br />

der Kraft zur Transformation der Welt. Aber auch Maria<br />

wurde durch ihr «Dein Wille geschehe» ermächtigt zur Ganzhingabe<br />

an das Wirken des Heiligen Geistes, zum Göttlichen in<br />

uns <strong>und</strong> aller Existenz. So versteht die Buchautorin auch deren<br />

Jungfräulichkeit als Gotteserfahrung: Sich bedingungslos «in<br />

eine neue Sichtweise <strong>und</strong> den dazu gehörenden Prozess der<br />

Wandlung» einlassen, auch als Rückbindung gegen die «Ich-<br />

Inflation».<br />

Als mitentscheidend zu dieser Entfaltung stuft Pia Gyger das<br />

«Ausrichten der Kräfte» am Beginn des Tages ein, um uns zu<br />

stärken <strong>und</strong> den Ereignissen Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Richtung zu geben.<br />

Dabei sei die eigene Energie weniger gegen Fehler <strong>und</strong> Schwächen,<br />

sondern besser <strong>für</strong> das in uns wachsende Gute zu verwenden.<br />

Das kann ein Gebet unterstützen: «Ave Maria, in deinen<br />

Schutz begrüsse ich heute alle <strong>für</strong> mich notwendigen Kräfte der<br />

Transformation, als Freude <strong>und</strong> Erwecker aus der Getrenntheit.»<br />

Das tägliche «Dein Wille geschehe» verankert <strong>und</strong> löst Ängste<br />

vor Veränderung auf.<br />

Ebenso wichtig sei bei Tagesende Rückblick <strong>und</strong> «Gewissenserforschung»,<br />

um gleichsam seine Ernte einzusammeln. Fragen<br />

«Wie habe ich heute dem Leben <strong>und</strong> der Liebe gedient? Wo war<br />

ich lieblos <strong>und</strong> egozentrisch?» lösen gemäss Gyger Verspannungen<br />

<strong>und</strong> heilen, wo wir verletzt wurden <strong>und</strong> andere verletzt<br />

haben. Diese tägliche Übung, die uns geschenkte Gnade der<br />

Vergebung anzunehmen, stärke unser Selbstwertgefühl <strong>und</strong><br />

erlöse uns aus der Opferrolle: «Auferstandener Christus, Heiliger<br />

Geist, in meinem Herzen <strong>und</strong> meinem Körper heile, was verw<strong>und</strong>et<br />

ist, mache weich, was spröd <strong>und</strong> hart, wärme, was vom<br />

Frost erstarrt, lenke, was da irregeht.»<br />

Welterneuerung<br />

Unsere Welt brauche «Menschen, die mit Freude, Abenteuergeist<br />

<strong>und</strong> heiligem Ernst jeden Tag als Forschungslabor <strong>und</strong> Übungsfeld<br />

benutzen, um herauszufinden, wie wir eine aus mütterlicher<br />

Barmherzigkeit geborene Macht entfalten können. Eine aus<br />

den Kräften der spirituellen Intelligenz geborene Politik, eine<br />

friedliche Gesellschaft, eine Weltfriedensordnung», schreibt Pia<br />

Gyger. Dazu gehört <strong>für</strong> sie als wichtigste Gegenwartsaufgabe<br />

die Auflösung der Dominanz eines Geschlechts über das andere.<br />

Das Erarbeiten eines neuen Miteinanders von Mann <strong>und</strong> Frau,<br />

das von Lust <strong>und</strong> Freude an der Entfaltung des Menschlichen<br />

geleitet ist. Die Autorin spricht sich <strong>für</strong> eine marianische Erfahrung<br />

aus, in der «Heilung <strong>und</strong> Friede in uns zunehmen, indem<br />

wir die Leiden der Menschheit <strong>und</strong> der Erde in unser Herz nehmen».<br />

<br />

2/<strong>2019</strong>


18<br />

Eine Brücke zu sich<br />

selbst <strong>und</strong> anderen.<br />

(Bild: presse-image)<br />

Maria sagt Ja<br />

SR. INGRID GRAVE<br />

Da gibt es in Nazareth diese ganz junge Maria. Sie wird aufgesucht<br />

von einem Engel, der sie in Kenntnis setzt von ihrer Schwangerschaft.<br />

Sie wird einen Sohn gebären. Das übersteigt Marias<br />

Begreifen: Wie soll das geschehen? Der Engel antwortet: Heiliger<br />

Geist wird über dich kommen; dein Kind wird Sohn Gottes<br />

genannt werden. Bei Gott ist kein Ding unmöglich.<br />

Maria sagt Ja. Und der letzte Satz dieses Textabschnittes (aus<br />

Lk 3,38) lautet: Danach verliess sie der Engel. Und es kommt<br />

auch keiner mehr, der ihr in den nächsten Tagen <strong>und</strong> Wochen<br />

beistehen würde. So ist das Leben. Man sagt Ja zu einer Herausforderung,<br />

jedoch im Augenblick der Krise zeigt sich weder<br />

Gott noch ein Engel, der konkrete Hilfe anbietet. Fast jeder<br />

Mensch erlebt solche Situationen. Maria bildet keine Ausnahme.<br />

Sie ist von Gott nicht verwöhnt worden. Da helfen uns all die<br />

verklärten Bilder über die ganz reine <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erschöne Magd des<br />

Herrn nicht weiter. Marias Leben kennt keine himmlische Romantik.<br />

Aber <strong>für</strong> die Art <strong>und</strong> Weise, wie sie ihren Alltag im Glauben<br />

bestanden hat, da<strong>für</strong> dürfen wir sie bew<strong>und</strong>ern <strong>und</strong> verehren.<br />

Als Zwölfjährigen nehmen die Eltern ihren Sohn mit auf die Wallfahrt<br />

nach Jerusalem. Sie verlieren ihn, suchen ihn während drei<br />

Tagen. Als sie ihn endlich im Tempel – diskutierend mit den<br />

Schriftgelehrten – finden, zeigt er kein Verständnis <strong>für</strong> ihre Not.<br />

Maria wirkt empört, wenn sie sagt: Kind, wie konntest du uns<br />

das antun? Der Zwölfjährige gibt sich unberührt: Was brauchtet<br />

ihr mich zu suchen? Wusstet ihr nicht, dass ich bei der Sache<br />

meines Vaters sein muss?<br />

Maria mag geahnt haben, dass sie etwas zu tun hat mit der Beziehung<br />

ihres Kindes zu Gott. Trotzdem scheint sie sich voller<br />

Fragen auf den Weg gemacht zu haben. Neben ihr ein schwei-


19<br />

THEMENSEITEN<br />

weltweit<br />

gender Josef, <strong>und</strong> von Jesus wird auch kein einziges Wort auf<br />

diesem langen Marsch überliefert. Worüber soll man auch reden<br />

nach einem solchen Zwist? Es gibt genug zu denken. Maria bewahrte<br />

all diese Worte in ihrem Herzen, schreibt Lukas. Das sagt<br />

viel. Etwas im Herzen bewahren, das ist ein inneres Erwägen,<br />

ein Meditieren, sich einlassen in die eigene Tiefe, sich verbinden<br />

mit dem unbegreiflich Grösseren. Ja sagen zu dem, was eigenes<br />

Begreifen übersteigt. Das wird <strong>für</strong> die doch noch recht junge<br />

Frau nicht einfach gewesen sein. Aber sie bleibt sich treu. Es<br />

geht weiter. Dieser Sohn hält sie in Atem.<br />

Ein Ja zu dem, was eigenes Begreifen<br />

übersteigt, <strong>und</strong> zum dazugehörenden<br />

Wandlungsprozess.<br />

Mit etwa 30 Jahren legt er die Arbeit nieder, zieht sich in die<br />

Wüste zurück. Als er heimkehrt, ist er nicht mehr derselbe. Er<br />

beginnt ein Wanderleben als Prediger <strong>und</strong> Heiler, erregt Aufsehen,<br />

noch bevor er in seinem Heimatort angekommen ist. Und<br />

schon passiert es am Sabbat in der Synagoge (Lk 4,16 ff.). Er<br />

tut, was jeder jüdische Mann tun darf: Er trägt einen Text aus der<br />

Schriftrolle vor <strong>und</strong> kommentiert ihn. Man staunt über den Sohn<br />

aus der Familie des Josef. Plötzlich schlägt die Stimmung um.<br />

Bezieht er doch den Inhalt des heiligen Textes auf sich selbst:<br />

Der Geist des Herrn ruht auf mir; er hat mich gesalbt. Er hat mich<br />

gesandt … Das ist zu viel! Man treibt den Hochstapler hinaus,<br />

<strong>und</strong> fast hätte man ihn den Abhang des Berges hinabgestürzt.<br />

Jesus geht weiter seine eigenen Wege. Jünger folgen ihm, auch<br />

Jüngerinnen. Seiner Familie wird vieles zugetragen, was sich um<br />

ihn herum ereignet. Ist er von Sinnen? Während Jesus in einem<br />

Haus, vollgestopft von Leuten, seine Lehren vorträgt, wird ihm<br />

gemeldet: Deine Mutter, deine Brüder stehen vor der Tür. – Wer<br />

ist meine Mutter, wer sind meine Brüder? Und er blickt auf jene,<br />

die um ihn versammelt sind. Sie, die seine Worte hören, den Willen<br />

Gottes tun, sie sind ihm Mutter, Schwester <strong>und</strong> Bruder. Doch<br />

seine leibliche Mutter lässt er draussen vor der Tür (Mk 3,31–35).<br />

Konnte Maria eine Weile nicht mehr Ja sagen zum Weg ihres<br />

Sohnes, sodass sie ihn mithilfe ihrer Familie zurückholen wollte<br />

ins «normale» Leben? Das kann ich nachvollziehen. Und diese<br />

Zurückweisung! Wie rückt Maria doch dadurch in unsere Nähe!<br />

Als Mutter, als Frau. Sie kommt uns entgegen, steigt herab von<br />

den Altären, auf die gerade die Männer der Kirche sie durch Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

erhoben haben. Maria wird eine von uns.<br />

Die Evangelisten wissen offensichtlich nichts vom Schmerz der<br />

Mutter, von ihren inneren Kämpfen. In den Texten wird es still um<br />

sie. Wie dem auch sei, Maria hat zurückgef<strong>und</strong>en zu ihrem Sohn.<br />

Der Evangelist Johannes stellt sie unter das Kreuz. Wohl der<br />

grausamste Moment <strong>für</strong> die Mutter. Sie hält ihn aus. Sie bleibt<br />

sich treu in ihrem Ja zum Unfassbaren.<br />

Der Tod ihres Sohnes. Nach drei Tagen bricht unbändiges Leben<br />

aus seinem Grab hervor. Die Jüngerschaft ist geschockt. Noch! Der<br />

Engel in Nazareth, er hatte von Gottes Heiligem Geist gesprochen.<br />

Jetzt bricht er sich Bahn. Maria ist dabei. Pfingsten bricht auf. <br />

Ermächtigung zu Grossem<br />

«Siehe, ich bin die Magd des Herrn», sagte Maria zum Engel, der<br />

ihr das «In der Hoffnung sein» mit dem Sohn Gottes vorausverkündete,<br />

«mir geschehe, wie du es gesagt hast» (Lk 1,38). Und<br />

der Heilige Geist lässt Elisabet mit Blick auf die schwangere<br />

Maria, welche sie besucht, die göttliche Botschaft verkünden:<br />

«Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die<br />

im Herzen voll Hochmut sind. Er stürzt die Mächtigen vom Thron<br />

<strong>und</strong> erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen<br />

Gaben <strong>und</strong> lässt die Reichen leer ausgehen» (Lk 1,46–55).<br />

Dies ist ein Befreiungsgebot, ein emanzipatorischer Auftrag, nicht<br />

nur zwischen den Geschlechtern, sondern auch zum Politischen<br />

<strong>und</strong> Wirtschaftlichen. Es ist echte Prophetie: Auch meine Seele<br />

wirkt in der Demut, Power <strong>und</strong> Weisheit Gottes befreiend. Ob<br />

Frau oder Mann, ich habe volle biblische Legitimation, ja Aufforderung,<br />

mich nicht einer Ordnung anzupassen, in der es Mächtige<br />

<strong>und</strong> Niedere gibt, sondern mich <strong>für</strong> die Gleichberechtigung<br />

einzusetzen, sie zu fordern <strong>und</strong> zu leben. Staatlich gesehen ist<br />

dies der Auftrag zu einer guten demokratischen Kultur, in der alle<br />

an den Menschenrechten <strong>und</strong> der Gesellschaftsbildung teilhaben<br />

sollen, Sorge zu tragen. In diesem Geist gilt es auch international<br />

<strong>für</strong> Ausgleich <strong>und</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong> zu sorgen: Die postkoloniale<br />

Unterjochung von Elendsgebieten durch reiche Länder<br />

<strong>und</strong> Unternehmen widerspricht aufs Ärgste der menschlichen<br />

Schöpfungsbestimmung. Ebenfalls jede männliche Arroganz,<br />

sich über Frauen zu erheben, auch in der Hierarchie der Wirtschaft<br />

– <strong>und</strong> der Kirche. Katholisch im Sinn von allumfassend<br />

bedeutet gemäss Magnificat die Ebenbürtigkeit der Frauen, auch<br />

als Priesterinnen. Wenn die Kirche endlich alle Menschenrechte<br />

in den eigenen Reihen umsetzt, wird sie auch in ihren politischen<br />

Forderungen glaubwürdiger. Ja, Trennung von Kirche <strong>und</strong> Staat<br />

in Ehren, aber es geht nicht darum, unpolitisch zu sein in Glaubensgemeinschaften.<br />

Im Gegenteil: Wenn Menschlichkeit, soziale,<br />

wirtschaftliche <strong>Gerechtigkeit</strong>, Gemeinwohl ernst genommen werden,<br />

bleibt das ein emanzipatorischer Auftrag <strong>für</strong> ChristInnen,<br />

der politisch ist. Neue Zukunftshoffnung, neues Gemeinschaftsleben<br />

«gebären» umfasst <strong>für</strong> die Menschheit gemäss der marianischen<br />

Aufforderung ursächlich auch den Ausgleich zwischen<br />

Hungernden <strong>und</strong> Reichen, also die Weltwirtschaftsordnung mitsamt<br />

dem Geld- <strong>und</strong> Handelssystem. Tatsächlich: «Der Mächtige<br />

hat Grosses» auch mit uns vor. Denken wir in unseren Entscheiden,<br />

in unserem Handeln mutig <strong>und</strong> hoffnungsvoll daran! <br />

Theo Bühlmann<br />

2/<strong>2019</strong>


20<br />

Glaubensdogmen<br />

neu verstanden<br />

Maria ist Gottesgebärerin, Jungfrau, unbefleckt Empfangene <strong>und</strong> leibhaft Auferstandene – wie kann uns<br />

das heute verständlich <strong>und</strong> hilfreich sein?<br />

TBü. Maria ist mit einem beträchtlich älteren Mann namens<br />

Josef verlobt gewesen. Mit ihm lebte sie in Galiläa im Provinzstädtchen<br />

Nazareth <strong>und</strong> wurde – vermutlich schon zwischen<br />

ihrem 12. <strong>und</strong> 14. Lebensjahr – Mutter von Jesus. Schon im<br />

Frühchristentum bekam sie darum den Titel Theotokus, Gottesgebärerin,<br />

der im Jahre 431 am Konzil von Ephesus gefestigt<br />

wurde. Dies auch aus der Erfahrung, dass sich im Menschen<br />

auch Erde <strong>und</strong> Himmel verbinden, wie Pia Gyger in ihrem Buch<br />

schreibt. Unsere tiefste Natur ist nicht Gespaltensein, sondern<br />

gottgewirktes Leben. Es könne also auch in uns das Mysterium<br />

geschehen, das Maria widerfahren ist. Sie wird so Ur- <strong>und</strong> Leitbild<br />

<strong>für</strong> das Weibliche in jedem Menschen: die Empfänglichkeit<br />

des Göttlichen, die Sehnsucht <strong>und</strong> der Drang nach Selbsttranszendenz,<br />

um Mitschöpfende Gottes zu werden.<br />

Ja zum Geist Gottes ...<br />

Seit dem Konzil von Konstantinopel 553 gilt Maria auch als<br />

«Aeipartenos – Ewig-Jungfrau». Das bedeutet, dass ihr Bräutigam<br />

Josef nicht der biologische Vater von Jesus war, sondern<br />

dessen Zeugung, wie bei Matthäus <strong>und</strong> Lukas beschrieben,<br />

durch den Heiligen Geist gewirkt wurde. Dieses Dogma gehört<br />

zu den meistumstrittenen. War es doch mitauslösend <strong>für</strong> die<br />

Höherstellung der zölibatär Lebenden über die Ehepaare <strong>und</strong><br />

begünstigte die Idealisierung des «Standes der Vollkommenheit».<br />

Und Pia Gyger stellt weiter kritisch <strong>und</strong> nüchtern fest, «vieles,<br />

was in der Kirche an Sexualneurotischem <strong>und</strong> -feindlichem<br />

wucherte <strong>und</strong> noch weiter lebt», sei mit diesem Dogma überhöht<br />

<strong>und</strong> idealisiert worden. Sogleich merkt sie an, dessen eigentlicher<br />

Sinn sei Entfaltung: Der Heilige Geist macht Maria (<strong>und</strong><br />

auch uns) zu einem Tempel. «Mir geschehe, wie Du gesagt hast»<br />

wird zur Ganzhingabe <strong>und</strong> zum Wesensgehorsam. Es geht um<br />

die Via Illuminativa, das Überwinden des Getrenntseins – in die<br />

liebende Beziehung mit der letzten, allumfassenden Wirklichkeit.<br />

«Der tiefste Sinn der Jungfräulichkeit ist also nicht sexuelle Enthaltsamkeit,<br />

sondern die radikale Offenheit <strong>und</strong> Hingabe an das<br />

Wirken des Geistes Gottes in uns.»<br />

... als Weg nach innen<br />

Es stellt einen Fortschritt dar, dass «der Weg nach innen», den<br />

früher eigentlich nur Menschen praktizieren konnten, die der<br />

Welt entsagten, heute <strong>für</strong> alle zugänglich ist: durch Meditations-,<br />

Kontemplations- oder Zen-Kurse. Im Atemsammeln, Bewusstseineinen,<br />

im Loslassen des diskursiven Denkens beginnen sich<br />

Türen nach innen zu öffnen. Das ist nicht nur leicht <strong>und</strong> einfach.<br />

Es geschieht allmählich auch eine Konfrontation mit seinen eigenen<br />

im Alltag nicht integrierten unliebsamen Aspekten, mit zur<br />

Seite geschobenen Kränkungen, unterdrückter Wut, nicht zugelassener<br />

Trauer. Pia Gyger erklärt, im Gegensatz zu therapeutischen<br />

Prozessen werde Verdrängtes <strong>und</strong> Ungelöstes nicht<br />

durchgearbeitet, sondern auf Versenkungswegen Atemzug um<br />

Atemzug losgelassen <strong>und</strong> der heilenden Mitte anvertraut. Und<br />

je tiefer wir auf der «Via Purgativa» voranschreiten, umso mehr<br />

stellen sich Fragen nach dem Lebenssinn, nach der Entfaltung<br />

unseres inneren Entwurfs. Wir spüren, dass wir mehr sind als<br />

die Rollen, die wir spielen. Und Gyger gibt zu bedenken, dass<br />

dieser Prozess keineswegs gradlinig verläuft, sondern eigene<br />

Widerstände <strong>und</strong> solche seiner Umgebung hervorrufen oder<br />

auch schmerzende Konflikte auslösen kann. Auch Angst gehört<br />

dazu, das brachliegende Potenzial in mir ans Licht zu heben.<br />

Es braucht Bereitschaft <strong>und</strong> Mut, in Ausdauer auf das zu hören,<br />

was in uns aufsteigt <strong>und</strong> unserem Leben <strong>und</strong> Tun Gestalt verleihen<br />

möchte.<br />

Erbsündefrei auferstanden<br />

1854 verkündigte Papst Pius IX, Maria sei frei von jeder Erbschuld<br />

empfangen worden. Nach katholischem Verständnis lebten<br />

die Menschen ursprünglich mit sich selbst, der Schöpfung<br />

<strong>und</strong> mit Gott im Einklang. Doch seit Adam <strong>und</strong> Eva vom verbotenen<br />

Baum der Erkenntnis assen, gibt es Leid, Tod <strong>und</strong> Verwirrungen.<br />

Auch dieses Dogma ist umstritten. Mythologisch gelesen<br />

steht (gemäss Jean Gebser) der Sündenfall <strong>für</strong> die Bewusstseinsentwicklung<br />

von der «Verschmelzung mit der Welt» zu ihrer<br />

Gegenüberstellung zum Ich. Es gibt Anzeichen, dass wir heute<br />

vom wirksamen Dualismus <strong>und</strong> Rationalismus weiter hinein in<br />

eine transrationale Bewusstseinsstruktur «geboren» werden. Der<br />

Mensch bekommt Bezug zu inneren Bildern <strong>und</strong> Kräften <strong>und</strong><br />

erfährt sich sowohl als eins mit der Welt wie auch als einmaligen<br />

Ausdruck von ihr. So versteht Pia Gyger die Mariendogmen als<br />

«Schlüssel, um in uns eingeschlossene Erfahrungen zu beleben».<br />

So bedeutet Immaculata-Concepta: Wir können die Angst<br />

<strong>und</strong> Programmierungen, die uns als schlecht <strong>und</strong> unwürdig charakterisieren,<br />

überwinden.


21<br />

weltweit<br />

THEMENSEITEN<br />

1950 verkündigte Papst Pius XII schliesslich,<br />

dass Maria nach Christus der erste<br />

Mensch ist, der leibhaftig auferstanden<br />

ist. Es ist die Schöpfungsvision, dass die<br />

Materie ins trinitarische Geheimnis berufen<br />

ist. Maria-Assumpta steht gemäss<br />

Pia Gyger <strong>für</strong> die <strong>für</strong> immer eingegangene<br />

Verbindung von unten her. Dass wir alle<br />

verwandelt werden, wie es im ersten<br />

Korintherbrief 15,51 steht. Aber nicht erst<br />

in der Erleuchtung des Todes stirbt das<br />

Ich <strong>und</strong> steht im wahren Selbst auf. Auch<br />

der neue Katechismus befand, dass wir<br />

durch den Heiligen Geist schon jetzt<br />

Anteil an der Aufweckung Christi haben. <br />

Der gute Weg führt nach<br />

innen, auch <strong>für</strong> den Mann.<br />

(Bild: Riccardo Bresciani,<br />

Pexels)<br />

Symbol der Ganzhingabe<br />

Maria ist in verschiedenen Religionen die helfende Mutter eines besonderen Sohnes.<br />

HEIDI RUDOLF<br />

Maria als Mutter, als Frau, die ein ganzheitliches Ja gesagt hat<br />

zu Gott, ist mit ihrem Glauben <strong>und</strong> mit ihrem Engagement Mutter<br />

eines auserwählten Sohnes, oder auch Mutter der Erde. Sie ist –<br />

wenn auch unterschiedlich – im Glauben <strong>und</strong> in der Sehnsucht<br />

der Menschen vieler Religionen verankert. Vor allem im Volksglauben.<br />

Für viele Gläubige ist Maria die helfende Mutter. Deshalb<br />

pilgern sie zu ihren Altären <strong>und</strong> an ihre Erscheinungsorte.<br />

Für viele ist sie eine Frau, die ihren Sohn bis zum Schluss begleitet<br />

hat <strong>und</strong> so zum Vorbild geworden ist.<br />

Maria, Miriam, Maryam, Maya, Parvathi: Sie ist eine grosse Frau<br />

des jüdischen Volkes, die vom kleinen Mädchen zur Visionärin<br />

wurde, die mit ihrem Loblied auch versteckt die römischen Besatzer<br />

anklagte, das «weibliche Antlitz» des Judentums (David<br />

Flüsser). Maryam, Mutter des Propheten Jesus. Maya, Mutter<br />

Buddhas. Parvathi, helfende Mutttergottheit der Hindus. Im Christentum,<br />

im Islam <strong>und</strong> im Buddhismus ist sie die jungfräuliche,<br />

von Gott auserwählte Mutter von Jesus dem Christus, dem<br />

herausragenden Propheten, dem Erleuchteten Buddha – <strong>und</strong><br />

helfende Mutter <strong>für</strong> die Hindus.<br />

Maryam im Islam<br />

Maria, die Mutter Jesu, hat im Islam eine Sonderstellung. Sie ist<br />

durch ihre Frömmigkeit, Demut <strong>und</strong> höchste geistliche Vollkommenheit<br />

von Gott (3, 42–43) auserwählt. Sie ist als Einzige im<br />

Koran mit Namen genannt, <strong>und</strong> als einziger Frau ist eine ganze<br />

Sure nach ihr benannt (Sure 19). Und Sure 3 trägt den Namen<br />

ihres Vaters, Imran – ihre Kindheit wird hier beschrieben. Durch<br />

Gottes Geist hat sie das Kind Jesus geboren (66,12). Hannah,<br />

ihre Mutter, hatte Gott versprochen, wenn sie noch ein Kind im<br />

hohen Alter bekomme, würde dieses Gott geweiht – als Nachfahrin<br />

von David, Abraham, Noah, Adam – <strong>und</strong> sie liess Maria<br />

aufwachsen unter der Obhut des Propheten Zacharias. Der<br />

Engel Gabriel verkündete Maria einen reinen Sohn. Auch im<br />

Koran fragt Maria, wie dies denn geschehen solle, ohne dass sie<br />

einen Mann habe. Aber der Engel antwortet: «So wird es sein.<br />

Dein Herr sagt: Das ist Mir ein leichtes, damit Wir ihn zu einem<br />

2/<strong>2019</strong>


22<br />

weltweit<br />

THEMENSEITEN<br />

Zeichen <strong>für</strong> die Menschen <strong>und</strong> zu einer Barmherzigkeit von Uns<br />

machen» (19,21). 2010 ist deshalb im Libanon der Tag der Verkündigung<br />

an Maria offizieller nationaler Feiertag geworden. Damit<br />

wurde sie, als jüdische Mutter, zu einer Brücke <strong>und</strong> Friedensstifterin<br />

zwischen Muslimen <strong>und</strong> Christen.<br />

Gott sagt im Koran: «So empfing sie ihn <strong>und</strong> zog sich mit ihm<br />

zu einem fernen Ort zurück. Die Wehen liessen sie zu einem Palmenstamm<br />

gehen» (19,22–23). Nach der Geburt beruhigte der<br />

Neugeborene sie, <strong>und</strong> Datteln <strong>und</strong> Wasser wurden ihre Stärkung.<br />

Als die Menschen sie nach der Rückkehr als Hure anklagten,<br />

zeigte sie auf Jesus, <strong>und</strong> er begann w<strong>und</strong>ersam zu sprechen:<br />

«Ich bin wahrlich Gottes Diener: Er hat mir die Schrift gegeben<br />

<strong>und</strong> mich zu einem Propheten gemacht … Und der Friede sei auf<br />

Der marianische Auftrag umfasst die weltweite<br />

<strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>und</strong> die Menschrechte.<br />

(Bild: Pexels)<br />

mir am Tag, da ich geboren wurde, <strong>und</strong> am Tag, da ich sterbe,<br />

<strong>und</strong> am Tag, da ich wieder zum Leben auferweckt werde»<br />

(19, 30–33). Trotzdem sind Maria <strong>und</strong> auch Jesus Menschen, die<br />

jedoch unter dem besonderen Schutz Gottes stehen, wie alle<br />

Propheten. Als absolut monotheistische Religion verbietet der<br />

Islam auch Bittgebete zu Maria. Auch wenn sie in der Volksfrömmigkeit<br />

im ehemaligen Wohn- <strong>und</strong> Sterbehaus bei Ephesus<br />

(wohin sie der Tradition nach mit dem Jünger Johannes reiste)<br />

durch Christen <strong>und</strong> Muslime als eine Art Heilige verehrt wird.<br />

Als Dienerin Gottes war sie die reinste aller Frauen, auserwählt<br />

<strong>für</strong> die Geburt Jesu, des grössten aller Propheten. Eine relativ<br />

grosse Verehrung gilt Maria bei den muslimischen Sinti <strong>und</strong><br />

Roma, vor allem aus dem Balkan. Sie bringen ihr an Maria Himmelfahrt<br />

Blumen <strong>und</strong> Opfergaben dar.<br />

Dazu habe ich eine persönliche Erfahrung: Während des Krieges<br />

in Bosnien, während der Session des Ständigen Tribunals der<br />

Völker in Barcelona, besuchten wir Christen <strong>und</strong> Muslime gemeinsam<br />

die Kathedrale. Vor einer Kopie der Schwarzen Madonna von<br />

Montserrat beteten wir gemeinsam – je auf unsere eigene Weise<br />

– zu Maria um Hilfe, Frieden <strong>und</strong> das Überleben der Liebsten.<br />

Im Buddhismus <strong>und</strong> Hinduismus<br />

Maya war Königin <strong>und</strong> die leibliche Mutter Buddhas. Ihre Ehe<br />

war 20 Jahre lang kinderlos. Dann träumte sie in einer Vollmondnacht,<br />

dass Geister sie an einen See am Himalaya entführten,<br />

sie nach einem Bad von den Devas in himmlische Gewänder<br />

gehüllt, mit Parfüm <strong>und</strong> Blütenblättern bestreut wurde. Ein weisser<br />

Elefant habe sie dreimal umkreist<br />

<strong>und</strong> sie habe von ihm über die rechte<br />

Seite einen Sohn empfangen. Nach zehnmonatiger<br />

Schwangerschaft habe sie auf<br />

dem Weg zu ihren Eltern (bei der Stadt<br />

Lumbini in Nepal) an einen Baum gelehnt<br />

ihren Sohn Siddharta durch die rechte<br />

Seite geboren. Sieben Tage danach starb<br />

sie. Siddharta wurde von ihrer Schwester<br />

aufgezogen. Die Überlieferung sagt, dass<br />

er nach seiner Erleuchtung zum Buddha<br />

seine Mutter drei Monate lang im Himmel<br />

besucht habe.<br />

An der Demarkationslinie zwischen Nord<strong>und</strong><br />

Südkorea stehen auf einem Sockel<br />

eine turmhohe weisse Buddhastatue,<br />

auf einem anderen eine etwas kleinere<br />

Figur der Jungfrau Maria, die Handflächen<br />

aneinandergepresst. «Sie sind<br />

Nordkorea zugewandt, weil sie <strong>für</strong> unseren<br />

Wunsch nach der Wiedervereinigung<br />

stehen», so eine junge buddhistische<br />

Südkoreanerin.<br />

In der vietnamesischen Pagode in Ecublens<br />

hängt ein Bild, gemalt von einem<br />

Bootsflüchtling. Es zeigt Quan Hien,<br />

die weibliche Erscheinung des Boddhisattva<br />

der Barmherzigkeit. Sie steht<br />

im Fluchtboot auf einem Drachen <strong>und</strong><br />

zähmt ihn. Er ist Symbol der Piraten<br />

auf dem Weg. Wir kennen das Bild von<br />

Maria aus der Offenbarung. Hat die<br />

Gebete der Flüchtlinge nun Quan Hien oder Maria erhört? Sie<br />

einigten sich: eine Frau, die sich ganz hingegeben hat.<br />

Im Hinduismus hat Parvathi (Sakti), die Frau Shivas <strong>und</strong> Mutter<br />

von Murugan <strong>und</strong> Ganesha, eine ähnliche Stellung: Sie ist Mutter<br />

der Erde, die Kämpfende <strong>für</strong> das Gute <strong>und</strong> hat vier Arme. Mit<br />

zweien bekämpft sie den Dämon, der die Welt zerstören will, <strong>und</strong><br />

die andern hält sie in schützenden Mudras zur Erde. Deshalb<br />

haben tamilische Hindus, seit sie in die Schweiz kamen, Marienwallfahrtsorte<br />

aufgesucht – es gab noch keine Hindutempel.<br />

Sie besuchen Einsiedeln, Mariastein <strong>und</strong> Lourdes. Sie sprechen<br />

Gebete wie zu Parvathi oder einer ihrer verschiedenen Erscheinungen<br />

<strong>und</strong> Namen <strong>und</strong> zünden Kerzen an: «Wenn wir von Maria<br />

zurückkehren, wird das Dunkel sauber wie im Tempel <strong>und</strong> wir<br />

bekommen einen freien Kopf.»


23<br />

weltweit<br />

KREUZQUER<br />

Lebensnotwendiges<br />

5<br />

••••<br />

••<br />

17 14<br />

•••<br />

13<br />

6<br />

••<br />

4<br />

••<br />

30 12<br />

••<br />

19 18 7 15 28 27<br />

•••<br />

29 26<br />

••<br />

3<br />

25<br />

••<br />

••<br />

••<br />

••<br />

20 16 11 24<br />

••<br />

8<br />

••<br />

••<br />

22 2<br />

9<br />

10 21<br />

••<br />

••<br />

23 1<br />

•• ••• •••• Anzahl Buchstaben; beim Überschneiden der Formen<br />

(rot <strong>und</strong> gelb fast wie ein Rechteck, grün ähnlich einem<br />

Ring) nur eine Farbe vorhanden; in dieses Feld gehört je ein gleicher<br />

Buchstabe.<br />

In den drei bunten Formen ergeben die Buchstaben der ausgefüllten<br />

Felder nacheinander den Lösungssatz, zuerst gelb 1–8,<br />

dann rot 9–16 <strong>und</strong> schliesslich grün 17–30.<br />

1 überragender Berggipfel der Weissen Arena GR 2 Kummer,<br />

Plage, Sorge 3 jener der Weisen ist ein Zaubermittel oder «was<br />

die Bauleute verworfen haben» 4 Talsperre 5 eine Form des<br />

Mondes 6 Alt-B<strong>und</strong>esrat aus AI, die erste Hälfte des Namens<br />

7 Elefant einer ausgestorbenen Art 8 Nahrungsmittel, meist<br />

weisse Farbe 9 eine Aussage von Bruder Klaus: Machet den ….<br />

nicht zu weit 10 Festessen 11 früher Lebensabschnitt<br />

12 so heiss wie der letzte auch bei uns 13 Bürde 14 Tritte<br />

15 Waidwerk, Verb, 1. Person Vergangenheit 16 Wert, Auszeichnung<br />

17 Menge, Summe, Quantum 18 Chronometer<br />

19 Kochstelle 20 Heidekraut 21 Stürze, Angelegenheiten<br />

22 Tapferkeit, Beherztheit 23 Ausflug, Fahrt 24 unvergänglich<br />

25 Woge, Strömung nur mit Anfang <strong>und</strong> Ende 26 Schweizer<br />

Kennzeichen 27 Salz, frz. 28 Abkürzung <strong>für</strong> Norden 29 geniale<br />

Erfindung; es dreht sich 30 schmaler Weg <br />

Auflösung des Rätsels im Heft 1/<strong>2019</strong><br />

Waagrecht<br />

1 CCM ← 3 wenige 8 IBO 11 14 16 42 46 Hochfest der<br />

Gottes Mutter Maria 14 der 15 30 35s Maria Lichtmess<br />

18 Eu 19 Menu 20 Eteuat ← 21 Epifanie/nie 23 bleu<br />

25 Fee/Nest 26 GE 27 Einsiedeln 29 Nu 30 Licht<br />

32 Ungnade 33 Baeren/aimer 37 desidera 39 Noel<br />

40 Sitte/B<strong>und</strong>/BS/ach 42 Mutter 43 ies 44 Sonnenstand/L<br />

46 Maria 47 gratis<br />

Senkrecht<br />

1 CH 2 MCM 3 Wein/Fe 4 Esau/Anna/At(h)en 5 NT<br />

6 Gebote 7 Ente 8 Ideal 9 Beste 10 or 12 Hampfel<br />

13 freien 16 Geist 17 Tube/Candidat 18 Erscheinung des<br />

Herrn 22 neu/Ehre/R(i)ss 24 UR 26 Gin 28 Sinai<br />

30 Lesung 31 Hiob/Eli 33 Bitte 34 Reb(ell) 36 Erlach<br />

38 ASU/ni ← 41 itna ↑ 42 Mor(gen) 44 SA 45 Anr(ede)<br />

Lösungswörter: Am Anfang eines Jahres<br />

2/<strong>2019</strong>


24<br />

Frauen stärken –<br />

Welt verbessern<br />

Die Ökumenische Jubiläumskampagne stärkt wiederum Frauen <strong>und</strong> ihren Einsatz <strong>für</strong> Menschenrechte.<br />

TINA GOETHE, COLETTE KALT, PASCALE SCHNYDER<br />

Obwohl die Staatengemeinschaft klare Gr<strong>und</strong>lagen <strong>für</strong> die Rechte<br />

jedes einzelnen Menschen auf der Welt geschaffen hat, diese<br />

auch kontinuierlich weiterentwickelt <strong>und</strong> konkretisiert, stossen<br />

die Umsetzung <strong>und</strong> Einklagbarkeit der Menschenrechte immer<br />

wieder an Grenzen. Demgegenüber sichern sich Investoren<br />

heute auf internationaler Ebene ab <strong>und</strong> werden mittels Freihandels-<br />

<strong>und</strong> Investitionsschutzabkommen gestärkt. Gleichzeitig<br />

zeigt sich die stetig wachsende Macht der Konzerne. Unternehmen<br />

üben einen grossen Einfluss auf die Politik von Staaten aus,<br />

zuungunsten der Menschen.<br />

Menschenrechte einfordern<br />

Doch immer mehr Frauen fordern als Akteurinnen selbstbewusst<br />

ihre Rechte ein, schliessen sich zusammen, stärken sich gegenseitig<br />

<strong>und</strong> wehren sich gegen Menschenrechtsverletzungen. Sie<br />

setzen sich <strong>für</strong> ihre Lebensgr<strong>und</strong>lagen ein <strong>und</strong> kämpfen <strong>für</strong> eine<br />

Wirtschaft, die Menschenrechte achtet <strong>und</strong> die Umwelt bewahrt.<br />

Sei es als Anwältin wie Sœur Nathalie, die in Kolwezi Kleinbäuer-<br />

Innen verteidigt. Oder in den Philippinen Sister Mary John, die<br />

sich gegen die Unterdrückung von Frauen engagiert. Oder Bembet<br />

Madrid, die zu Gendergerechtigkeit <strong>und</strong> Gemeindeentwicklung<br />

arbeitet. Die Ärztin Nong aus Laos, die sich da<strong>für</strong> einsetzt,<br />

dass Kinder <strong>und</strong> Frauen eine selbstbestimmte Zukunft haben.<br />

Bauernführerinnen, Arbeiterinnen, Lehrerinnen, Wissenschaftlerinnen<br />

oder Aktivistinnen wie Marie Crescence Ngobo in Kamerun:<br />

Sie alle treten als Hüterinnen <strong>und</strong> Kämpferinnen <strong>für</strong> ihr Territorium<br />

<strong>und</strong> den Schutz der Erde auf. Sie organisieren sich <strong>und</strong><br />

wehren sich gemeinsam gegen die negativen Auswirkungen der<br />

globalisierten Wirtschaft. Ihre Arbeit, ihr Engagement gilt es zu<br />

stärken <strong>und</strong> zu unterstützen.<br />

Verdrängte Sorgearbeit<br />

Wirtschaft, <strong>und</strong> ganz besonders Finanzwirtschaft, ist weltweit<br />

nach wie vor Männersache. Nachhaltige Veränderungen zu mehr<br />

sozialer <strong>Gerechtigkeit</strong> <strong>und</strong> Umweltschutz haben sich bisher<br />

wenig durchsetzen können. Nicht, dass das Geschlecht ein<br />

Garant <strong>für</strong> eine bestimmte Politik sein muss. Und doch ist es <strong>für</strong><br />

die Gleichstellung beider Geschlechter zentral, dass Frauen<br />

hohe <strong>und</strong> höchste Ämter in Politik <strong>und</strong> Wirtschaft bekleiden. Und<br />

es ist auch relevant, dass Frauen in wirtschafts- <strong>und</strong> finanzpolitische<br />

Entscheide gleichberechtigt einbezogen werden. Denn sie<br />

haben aufgr<strong>und</strong> der ihnen gesellschaftlich zugeteilten Verantwortung<br />

<strong>für</strong> die Sorgearbeit andere Prioritäten <strong>und</strong> Bedürfnisse als<br />

Männer. Und wenn vor allem Männer entscheiden, wo<strong>für</strong> Geld<br />

ausgegeben wird <strong>und</strong> wo<strong>für</strong> nicht, ist das <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong> ihren<br />

Lebensalltag spürbar. Auch Einsparungen im Staatshaushalt wirken<br />

sich auf Frauen anders aus als auf Männer. Deutlich wurde<br />

dies bereits mit den «Strukturanpassungsprogrammen» seit<br />

Ende der Achtzigerjahre. Länder des Südens, die ihre Staatsschulden<br />

gegenüber internationalen Gläubigern nicht mehr begleichen<br />

konnten, zwang der Internationale Währungsfonds zu<br />

drastischen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben. In der Folge<br />

50 Jahre Ökumenische Kampagne<br />

Fastenopfer (katholisch) <strong>und</strong> Brot <strong>für</strong> alle (reformiert) führen dieses Jahr zum 50. Mal ihre Kampagne in den sechs Wochen vor<br />

Ostern durch. Seit 1994 beteiligt sich auch Partner sein, das Hilfswerk der christkatholischen Landeskirche. Wie schon bei der<br />

ersten Info-Kampagne 1969 ist es das Ziel, die breite Öffentlichkeit auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen, die dazu<br />

führen, dass 800 Millionen Menschen in Hunger <strong>und</strong> Armut leben. Seit 1973 erscheint die Agenda mit ihren Sprüchen <strong>und</strong><br />

Informationen, die zum Markenzeichen der Kampagne wurde. Das Angebot wurde breiter: Das Hungertuch, Liturgiematerialien,<br />

Suppentage <strong>und</strong> die Rosenaktion gehören zu ihren Veranstaltungen, welche Kirchgemeinden <strong>und</strong> Pfarreien in der ganzen<br />

Schweiz jährlich durchführen.


25<br />

weltweit<br />

GESELLSCHAFTWELT<br />

Die Wirtschaftswissenschaftlerin<br />

Marie Crescence Ngobo engagiert sich<br />

<strong>für</strong> Frauenrechte <strong>und</strong> berät Frauen<br />

bei der Gründung <strong>und</strong> Entwicklung<br />

eigener Unternehmen.<br />

(Bild: Brot <strong>für</strong> alle/Fastenopfer)<br />

mussten die Länder nicht nur im Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Bildungssektor<br />

massiv kürzen, sondern auch Ausgaben <strong>für</strong> landwirtschaftliche<br />

Produktion abbauen <strong>und</strong> ihre Landwirtschaften auf die Produktion<br />

von Exportgütern ausrichten. Werden Baumwolle, Kaffee<br />

oder Blumen anstelle von Gr<strong>und</strong>nahrungsmitteln produziert, trifft<br />

das viele Familien direkt beim täglichen Mahlzeitenangebot, das<br />

weltweit noch immer mehrheitlich Frauen bereitstellen. Die Sparpolitik<br />

beschränkt sich längst nicht mehr auf ökonomisch ärmere<br />

Länder: Einerseits wird die Arbeitslast <strong>für</strong> die Versorgung von<br />

Kindern, kranken <strong>und</strong> alten Menschen höher, je mehr sich der<br />

Staat aus diesen Aufgaben zurückzieht. Andererseits betreffen<br />

die Kürzungen im Sozialbereich überdurchschnittlich die Arbeitsplätze<br />

von Frauen: Gr<strong>und</strong>schullehrerinnen, Verwaltungsangestellte,<br />

Pflegefachfrauen usw. Damit verlieren sie ihr Einkommen<br />

<strong>und</strong> müssen gleichzeitig mehr unbezahlte Arbeit leisten, weil die<br />

Sorgearbeit aus dem öffentlichen Sektor in die privaten Haushalte<br />

verlagert wird.<br />

Haushaltsansatz<br />

Diese ökonomisch unsichtbar gemachte tägliche Arbeit ist das<br />

F<strong>und</strong>ament unserer Gesellschaft. Kein Mensch ist lebensfähig<br />

ohne die Versorgung durch andere. Dennoch wird die Sorgearbeit<br />

ins Reich des Privaten abgeschoben, wo sie von der<br />

«liebenden Frau <strong>und</strong> Mutter» übernommen wird. Ein Ansatz, bei<br />

dem bezahlter <strong>und</strong> unbezahlter Arbeit den gleichen Wert zukommt,<br />

ist der «Haushaltsansatz», wie ihn Fastenopfer auf den<br />

Philippinen <strong>und</strong> Brot <strong>für</strong> alle in Honduras unterstützen. Dabei<br />

erarbeiten Mann <strong>und</strong> Frau gemeinsam ein Haushaltsbudget.<br />

Künftige Einkünfte <strong>und</strong> Ausgaben legen sie offen. Das klassische<br />

Modell vom Mann als Haushaltsvorstand verhandeln sie neu <strong>und</strong><br />

überprüfen die Arbeitsteilung geschlechterneutral. Es geht darum,<br />

wer wie viel leistet <strong>und</strong> ob die Arbeit gleichmässig verteilt ist.<br />

Dabei wird nicht nur die bezahlte Arbeit berücksichtigt, sondern<br />

auch Einsätze <strong>für</strong> Familie <strong>und</strong> Gemeinwohl. Oftmals erkennen<br />

Männer dabei, wie umfangreich Hausarbeit ist <strong>und</strong> wie wenig<br />

sie diese bis anhin wertschätzten. Diese Erkenntnis führt im<br />

Familiensystem in den meisten Fällen zu gr<strong>und</strong>legenden Veränderungen.<br />

Zum Wohl des Ganzen<br />

Veränderungen braucht es aber auch im Umgang mit den Ressourcen<br />

wie Land, sei es im privaten Besitz der Familie oder<br />

kollektiv durch die Gemeinschaft verwaltet. Obwohl Frauen im<br />

<strong>globale</strong>n Süden noch immer 60 bis 80 Prozent aller Lebensmittel<br />

herstellen, verarbeiten <strong>und</strong> vermarkten, sind es die Männer, die<br />

das Land besitzen. An einem von Brot <strong>für</strong> alle organisierten<br />

Workshop in Sierra Leone zum Problem Land Grabbing stellten<br />

Frauen klar: «Unsere Männer geben das Land her, ohne uns zu<br />

fragen, <strong>und</strong> wir können die Misere dann ausbaden.» Dass es den<br />

Frauen gemeinsam gelungen ist, die Landverkäufe rückgängig<br />

zu machen, zeigt jedoch, dass es sich lohnt, zu kämpfen <strong>und</strong><br />

gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen.<br />

Das sorgsame Handeln muss über staatliche Grenzen hinausgehen<br />

<strong>und</strong> den Schutz unserer Umwelt ganz selbstverständlich<br />

miteinbeziehen. Die Aufwertung der Sorgearbeit ist eine grosse<br />

Chance, die Wirtschaft als Ganzes neu auszurichten: von einer<br />

kapitalistischen Wirtschaft, die auf Profitmaximierung <strong>und</strong> der<br />

Ausbeutung von menschlichen <strong>und</strong> natürlichen Ressourcen<br />

basiert, hin zu einer Hauswirtschaft, in der das Wohl des Ganzen<br />

– Mensch <strong>und</strong> Umwelt – wieder ins Zentrum rückt. <br />

2/<strong>2019</strong>


26<br />

weltweit<br />

ANGEBOTE<br />

Kloster Menzingen ZG<br />

27. Juni bis 2. August <strong>2019</strong><br />

Basic Zen im Kloster Menzingen<br />

Mit Pater Gebhard Kohler<br />

Anmeldung: Schwestern vom Heiligen Kreuz, Claudia Burkard-Theiler,<br />

Hauptstrasse 11, 6313 Menzingen, Tel. 041 757 41 53,<br />

claudia.burkard@institut-menzingen.ch<br />

10.–17. August <strong>2019</strong><br />

Exerzitien mit Wandern <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong> Männer<br />

Während des Tages mit einem biblischen Text unterwegs;<br />

teilweise im stillen Sitzen, teils im Wandern.<br />

Prospekt <strong>und</strong> Anmeldung: Sr. Elisabeth Maria Sauter, Höngen,<br />

4712 Laupersdorf, Tel. 062 391 33 45 / 062 391 85 43,<br />

haus-der-stille@gmx.ch – www.kloster-menzingen.ch <br />

Katharina-Werk Basel<br />

6.–7. April / 27. April / 18. Mai / 22. Juni <strong>2019</strong><br />

Zazenkai – verlängertes Zazenkai<br />

im kanzeonZENdo, Solothurnerstrasse 50, 4053 Basel<br />

Anmeldung: e.hug@katharina-werk.org<br />

Kontemplation–Vertiefungstage:<br />

6.–12. April <strong>2019</strong>: Das Herz der Materie, ein Herz Gottes<br />

6.–10. Oktober <strong>2019</strong>: Ursprung <strong>und</strong> Gegenwart<br />

in der Propstei Wislikofen mit Hildegard Schmittfull<br />

7.–10. Mai <strong>2019</strong> (Pfingsten)<br />

ZEN <strong>und</strong> Wandern<br />

Staunen, hören, sehen <strong>und</strong> still werden<br />

Anmeldung: e.hug@katharina-werk.org<br />

18.–21. April <strong>2019</strong><br />

Ostern mit Mitgliedern der Gemeinschaft Katharina-Werk<br />

in Dahlem-Baasem, Eifel (DE)<br />

oder Ostern in der Stille<br />

in der Propstei Wislikofen<br />

mit Regula Tanner <strong>und</strong> Valeria Hengartner<br />

Sitzen in der Stille – Kontemplation – Zen – Wüstentage –<br />

Exerzitien – Offene Abende<br />

Regelmässige Angebote finden Sie unter www.katharina-werk.org<br />

Donnerstag, 2. Mai <strong>2019</strong>, 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr<br />

Morgenimpuls plus Kaffee mit Zopf<br />

Vortrag «Schönheit kommt von innen» <strong>und</strong> Zusammensein<br />

bei Kaffee <strong>und</strong> Zopf.<br />

Leitung: Sr. Ingrid Grave, ehem. TV-Moderatorin der Sternst<strong>und</strong>e<br />

Samstag, 18. Mai <strong>2019</strong>, 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr<br />

Indianische Flöte spielend kennen <strong>und</strong> vielleicht lieben lernen<br />

Kursleitung: Samuel Staffelbach, Musiker, Flüeli-Ranft<br />

Freitag, 31. Mai <strong>2019</strong>, 15.15 Uhr bis Sonntag, 2. Juni <strong>2019</strong>, 14.00 Uhr<br />

In der Trauer seelisch wachsen<br />

Gemeinsam unterwegs <strong>und</strong> wachsen im eigenen Trauerprozess.<br />

Seminarleitung: Sr. Madlen Büttler, Dominikanerin Ilanz <strong>und</strong><br />

Mirjam Hefti, Katechetin Chur<br />

Weitere Angebote <strong>und</strong> Informationen: Haus der Begegnung, Klosterweg<br />

16, 7130 Ilanz, Tel. 081 926 95 40, www.hausderbegegnung.ch<br />

oder hausderbegegnung@klosterilanz.ch <br />

Kloster Ingenbohl SZ<br />

Angebote an jedem 16. des Monats<br />

Pilgertag (Sel. Mutter Maria Theresia Scherer)<br />

10.30 Uhr Pilgergottesdienst in der Klosterkirche<br />

14.30 Uhr Pilgergebet in der Krypta<br />

19.30 Uhr Komplet, kirchliches Nachtgebet in der Krypta<br />

Keine Anmeldung erforderlich<br />

Sakrallandschaft Innerschweiz<br />

Pilger-Kulturangebote<br />

Pilgerherberge Haus Maria Theresia, Kloster Ingenbohl<br />

Nähere Informationen: Sr. Hildegard Zäch, Tel. 041 825 24 51,<br />

haus.maria-theresia@kloster-ingenbohl.ch / www.kloster-ingenbohl.ch /<br />

www.sakrallandschaft-innerschweiz.ch <br />

Zen Zentrum Offener Kreis Luzern<br />

Dienstag, 6.30 bis 8.00 Uhr <strong>und</strong> 19.00 bis 20.00 Uhr<br />

Donnerstag, 6.30 bis 08.00 Uhr <strong>und</strong> 18.00 bis 19.00 Uhr<br />

wöchentlich (ausser an Feiertagen <strong>und</strong> während Sesshins)<br />

Zazen (Schweigemeditation)<br />

Keine Anmeldung erforderlich<br />

Anmeldung (soweit nicht anders benannt) über Katharina-Werk, Neubadstrasse<br />

95, 4054 Basel, Tel. 061 307 23 23, sekretariat@katharina-werk.org <br />

Dominikanerinnen Ilanz GR – Haus der Begegnung<br />

Montag, 8. April, 16.00 Uhr bis Donnerstag, 11. April <strong>2019</strong>, 16.00 Uhr<br />

Welche Religion hat Gott?<br />

Kernthemen der Weltreligionen <strong>und</strong> des interreligiösen Dialogs.<br />

Kursleitung: Prof. Dr. Stefan Leimgruber, Zürich<br />

Freitag, 26. April, 9.15 Uhr bis Sonntag, 28. April <strong>2019</strong>, 16.00 Uhr<br />

Der ethische Weg: Erste Hilfe durch das Wort<br />

Reden kann Leben retten im Notfall.<br />

Seminarleitung: Ruedi Lang, Dozent Medical protect academy,<br />

Triengen<br />

28. April bis 3. Mai <strong>2019</strong><br />

Sesshin<br />

Leitung: Dr. Anna Gamma, ktw<br />

Samstag, 25. Mai <strong>2019</strong>, 10.00 bis 16.00 Uhr<br />

Zazenkai<br />

Leitung: Dr. Anna Gamma, ktw<br />

Samstag, 15. Juni <strong>2019</strong>, 9.30 bis 17.00 Uhr<br />

Zen-Einführung<br />

Leitung: Karl-Heinz Scholz, Zen-Assistenzlehrer<br />

Ort der Veranstaltungen <strong>und</strong> weitere Informationen: Zen Zentrum<br />

Offener Kreis, Bürgenstrasse 36, 6005 Luzern, Tel. 041 371 11 94,<br />

info@zenzentrum-offenerkreis.ch / www.zenzentrum-offenerkreis.ch


27<br />

weltweit<br />

AUSGEFALLEN<br />

Retortenfleisch: Unsinn?<br />

Ein Hamburger: Wieso muss Fleisch dabei sein?<br />

(Bild: pixabay)<br />

THEO BÜHLMANN<br />

Noch bevor der Schritt von der Vision zum Plan gemacht war,<br />

motivierte 2016 der Bioreaktor, der <strong>für</strong> den Hausgebrauch Hühnerfleisch<br />

produziert, <strong>für</strong> eine halbe Million Dollar Investoren. Die<br />

Idee fasziniert, Fleisch zu produzieren, ohne dass da<strong>für</strong> Tiere<br />

leiden <strong>und</strong> sterben müssen. Reine Science-Fiction ist es nicht<br />

mehr; die eigentliche Technologie funktioniert. Schon seit Jahren<br />

werden im Labor Herzklappen, Hautgewebe oder Ohrmuscheln<br />

gezüchtet. Wieso sollten Zellvervielfältigung <strong>und</strong> Gewebezüchtung<br />

nicht zu Schnitzel <strong>und</strong> Steaks führen?, dachten sich ForscherInnen.<br />

Durch Biopsie werden lebenden Tieren Muskelstammzellen<br />

entnommen <strong>und</strong> in einem Nährmedium kultiviert.<br />

Sie vermehren sich <strong>und</strong> wachsen zu Muskel- <strong>und</strong> Fleischfasern.<br />

Da wird viel experimentiert: Zellen werden mit elektrischen Impulsen<br />

trainiert, zu besserem «Muskelgewebe» heranzuwachsen.<br />

Und man gleicht es mit Fett <strong>und</strong> allerlei anderen Zusätzen geschmacks-<br />

<strong>und</strong> aussehensmässig an traditionelles Fleisch an.<br />

In-vitro-Produzenten argumentieren nicht nur moralisch. Auch<br />

wenn ihre Zucht aus Chemiefabriken nicht naturnah daherkommt,<br />

sehen sie sich als bessere ökologische Alternative zur<br />

Massentierhaltung. Der Energieverbrauch bei Kunstfleisch lasse<br />

sich um 45 Prozent <strong>und</strong> der Land- <strong>und</strong> Wasserverbrauch gar um<br />

95 Prozent gegenüber der konventionellen Fleischproduktion<br />

senken, wurde behauptet. Solche Angaben mussten aber bereits<br />

arg revidiert werden. Zumindest vorübergehend trübt der Energiebedarf<br />

eines Rindfleisch-Laborburgers die Ökobilanz; die sei<br />

bei einer aktuellen Geflügelproduktion besser.<br />

Schon 1997 erhielt der niederländische Forscher Willem van<br />

Eelen das erste In-vitro-Fleisch-Patent, weitere folgten in den<br />

USA. Einige wenige Biotechfirmen könnten den Markt unter sich<br />

aufteilen. 2013 lud der Biologe Mark Post aus Maastricht zum<br />

medienwirksamen Dinner mit dem ersten künstlichen Burger, der<br />

aus Rindsstammzellen gewonnen wurde. Er kostete – finanziell<br />

unterstützt von der niederländischen Regierung <strong>und</strong> gesponsert<br />

vom Google-Gründer Sergej Brin – 250 000 Euro. Letzten Frühling<br />

hiess es, den Burger gäbe es inzwischen <strong>für</strong> 60 Franken das<br />

Kilo.<br />

Als grösste Herausforderung entpuppte sich derweil das Nährmedium.<br />

Bisher wird es von Kälberserum aus Föten geschlachteter<br />

trächtiger Kühe gewonnen. SuperMeat hingegen gibt an, es<br />

vermehre «Fleischzellen» bereits auf rein pflanzlichen Nährböden.<br />

Aber die Herstellung erfordert immer noch Zugabe von Antibiotika.<br />

Und Forscher kämpfen damit, dem Original näher zu kommen<br />

<strong>und</strong> Muskelfasern hinzukriegen, die wie in Natura von Kollagenen<br />

gehalten <strong>und</strong> von Fettgewebe umhüllt besseren Geschmack<br />

bringen. 2017 geriet die US-Firma Impossible Foods in die Kritik,<br />

der Geschmacksträger ihres fleischfreien Burgers stamme aus<br />

gentechnisch veränderter Hefe ohne Zulassung.<br />

Die Welternährungsorganisation (FAO) erwartet, dass sich bis zur<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertmitte die weltweite Fleischproduktion nahezu verdoppelt.<br />

Sie verbraucht zehnmal mehr Wasser, als es <strong>für</strong> pflanzliche<br />

Nahrungsmittel braucht. Um ein Kilo Fleisch anzusetzen,<br />

müssen Masttiere – etwa 150 Milliarden sind es weltweit! –<br />

je nach Tierart drei bis acht Kilo Getreide fressen. Viehzucht ist<br />

vor allem auch angesichts des Welthungers eine ziemlich ineffiziente<br />

Art der Nahrungsgewinnung. Und sie verursacht vierzehn<br />

Prozent der Treibhausgase.<br />

Wird es also so sein, dass man sich in zehn Jahren in den Läden<br />

zwischen echten, natürlich herangewachsenen Schlachtprodukten,<br />

den vegetarischen <strong>und</strong> veganen Fleischalternativen <strong>und</strong> denjenigen<br />

des fabrikmässigen Kunstfleisches entscheidet? Man kann<br />

sich auch fragen, wieso der Mensch so sehr aufs Fleisch fixiert<br />

ist <strong>und</strong> seine Nahrungsentwicklung nicht vielmehr echt naturpflanzlich-kreativ<br />

forciert. Und (wie gut) könnten Landwirte ihre<br />

Tierzucht auf Rohstoffproduktion <strong>für</strong> Kunstfleisch umstellen? Wollen<br />

wir es als Konsumenten überhaupt: Haben Sie, liebe Leser-<br />

Innen, Lust auf einen In-vitro-Hamburger bekommen? Ich nicht. <br />

Quellen: Le Monde diplomatique, Tages-Anzeiger<br />

2/<strong>2019</strong>


28<br />

VOYAGEPARTAGE<br />

weltweit<br />

Mit Voyage-Partage engagieren sich junge Menschen während vier<br />

bis zwölf Monaten in einem kirchlichen Projekt in Asien, Afrika oder<br />

Lateinamerika. Dabei erhalten sie Einblicke in das einfache Leben der<br />

Bevölkerung <strong>und</strong> in die Arbeit der Ordensgemeinschaft. Voyage-Partage<br />

legt grossen Wert auf die intensive Vorbereitung <strong>und</strong> vermittelt<br />

individuell abgestimmte Projekte. Mehr Infos: www.voyage-partage.ch<br />

Leben in der Ferne <strong>und</strong><br />

doch zu Hause<br />

FABIA LANG<br />

Der Tag in Thimmarajupalem, im Südosten von Indien, startet<br />

morgens um fünf Uhr. Dann wird in der Kirche Musik aufgelegt,<br />

die bis zum Beginn des Gottesdienstes ertönt. Die Musik <strong>und</strong><br />

die Stimmung zaubern mir oft schon am frühen Morgen ein<br />

Schmunzeln aufs Gesicht. Ganz still ist es hier ohnehin nie. Entweder<br />

hört man Verkehrsmittel hupen, wilde H<strong>und</strong>e jaulen, oder<br />

Gebete aus den Tempeln <strong>und</strong> Kirchen ertönen. Die ständige Geräuschkulisse<br />

widerspiegelt das Leben hier sehr gut. Mittlerweile<br />

dass es normal ist, wenn man zu dritt oder viert auf einem Motorrad<br />

sitzt <strong>und</strong> in regelmässigen Abständen hupt, wenn man<br />

nicht vorankommt?<br />

Ich heisse Fabia, bin 19 Jahre alt <strong>und</strong> engagiere mich dank<br />

Voyage-Partage von Oktober 2018 bis April <strong>2019</strong> in einem Projekt<br />

der Schwestern vom Hl. Kreuz Menzingen in Südostindien.<br />

Das Projekt umfasst ein Community College, einen Kindergarten<br />

<strong>und</strong> ein Rehabilitationszentrum <strong>für</strong> Lepraerkrankte. Es wird von<br />

vier Schwestern betreut, drei weitere sind noch in Ausbildung.<br />

In vielem unterscheiden wir uns,<br />

doch genauso viel verbindet uns.<br />

Ich assistiere hier einerseits der Lehrerin im College<br />

beim Unterrichten. Andererseits helfe ich im Kindergarten<br />

mit. Dort bringen wir r<strong>und</strong> zwanzig Kindern<br />

Lieder <strong>und</strong> Tänze bei, üben mit ihnen das ABC oder<br />

spielen draussen. Mittags unterstützen wir die Kinder<br />

beim Essen, einige füttern wir auch. Die richtige Technik<br />

<strong>für</strong> das Eingeben <strong>und</strong> Essen mit den Händen zu<br />

lernen, forderte mich sehr. Insbesondere musste ich<br />

mich daran gewöhnen, einfach in den Teller zu greifen,<br />

sowohl in meinen eigenen als auch in den Teller<br />

der Kinder. Da ich regelmässig übe, klappt es schon<br />

viel besser. Es macht mir Freude, zu sehen, mit welcher<br />

Unbeschwertheit <strong>und</strong> Fröhlichkeit die Kinder<br />

hierher kommen. Ein Lachen von ihnen ist unbezahlbar.<br />

Und dass sie in Gemeinschaft von anderen Kindern<br />

sind, tut ihnen gut <strong>und</strong> fördert ihre Entwicklung.<br />

Fabia Lang beim Spiel<br />

mit Schulkindern.<br />

(Bild: Voyage-Partage)<br />

fallen mir die Geräusche gar nicht mehr auf. Zu Beginn jedoch<br />

fühlte ich mich wie in einer anderen Welt. Alles war neu: die Umgebung,<br />

die Umgangsformen, die Sprache. Wusstet ihr zum Beispiel,<br />

dass viele Inder traditionell mit den Händen essen? Und<br />

Auch von den Schwestern wurde ich sehr herzlich<br />

aufgenommen. Sie lassen mich voll <strong>und</strong> ganz an<br />

ihrem Leben <strong>und</strong> ihrem Alltag teilhaben. Das empfinde<br />

ich als keine Selbstverständlichkeit <strong>und</strong> ich bin<br />

ihnen sehr dankbar. Obgleich ich merke, dass es viele<br />

Dinge gibt, die uns Menschen weltweit unterscheiden,<br />

sehe ich auch, dass es genauso viel gibt, was<br />

uns miteinander verbindet – über kulturelle, religiöse<br />

<strong>und</strong> sprachliche Grenzen hinweg. Offen zu sein gegenüber<br />

Neuem öffnet neue Blickwinkel, die <strong>für</strong> das eigene Leben von<br />

Bedeutung sind. Und ein Lächeln zu schenken, wo auch immer<br />

wir sind, verbindet über alle Unterschiede hinweg.


29<br />

PROJEKTHILFE<br />

22005<br />

weltweit<br />

PROJEKTHILFE<br />

MENZINGER SCHWESTERN<br />

Existenzgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong><br />

20 Stammesfrauen<br />

Laufende Aktivitäten von WSSS sind:<br />

• Stickereien von Hand <strong>und</strong> per Maschine<br />

• Herstellen von Kunstgegenständen<br />

• Wohn- <strong>und</strong> Schulmöglichkeiten im Zentrum WSSS<br />

<strong>für</strong> mittellose Mädchen<br />

• Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> soziale Aufklärungsprogramme<br />

• Rachitis-Sprechst<strong>und</strong>e <strong>und</strong> andere Ges<strong>und</strong>heitsprogramme<br />

in den Dörfern<br />

• Hilfe <strong>für</strong> psychisch Kranke<br />

• Gemeinschaftsbasierte Rehabilitation von Behinderten.<br />

Beobachtung <strong>und</strong> Kontrolle der Behindertenorganisation<br />

• Aufklärung, Ges<strong>und</strong>heit, Lebensunterhalt, soziale Stärkung<br />

<strong>und</strong> Interessenvertretung der verschiedenen<br />

Gruppen im ganzen Mairang-Gebiet – umfasst 54 Dörfer.<br />

Schwester Alicia mit einer Nähgruppe.<br />

(Bild: Menzinger Schwestern)<br />

ÜBERSETZUNG: SR. THOMAS LIMACHER<br />

Wellsprings Social Service Society (WSSS) ist eine soziale Einrichtung<br />

der indischen Menzinger Schwestern in Mairang, West<br />

Khasi Hills District, Meghalaya. Sie fokussiert sich vor allem auf<br />

einen ganzheitlichen Ges<strong>und</strong>heitsdienst, im Hintergr<strong>und</strong> die kulturellen,<br />

ökonomischen <strong>und</strong> gemeinschaftlichen Khasi-Stämme,<br />

mit denen sie arbeitet.<br />

Ganzheitliche Frauenförderung<br />

Sr. Alicia Choorapuzha, die Projektträgerin, schreibt: Während<br />

der letzten zwölf Jahre haben wir mit der Missionsprokura an der<br />

Hilfe <strong>für</strong> viele Dörfer in diesem Distrikt zusammengearbeitet. Wir<br />

konnten schon 2001 Selbsthilfegruppen <strong>für</strong> Frauen organisieren<br />

<strong>und</strong> ihnen einiges an handwerklichen Fertigkeiten beibringen.<br />

Dazu führten wir verschiedene Entwicklungs- <strong>und</strong> Bildungsprogramme<br />

<strong>für</strong> vorzeitige SchulabgängerInnen <strong>und</strong> Menschen mit<br />

Behinderung durch. Unser Zentrum ist stets bemüht, neue Wege<br />

<strong>und</strong> Initiativen zu suchen, um die Armen <strong>und</strong> Unterprivilegierten<br />

zu erreichen.<br />

Hilfe <strong>für</strong> kleine Nähgeschäfte<br />

Während der letzten Jahre haben wir durchgehend verschiedene<br />

Trainingsprogramme <strong>für</strong> junge Stammesfrauen<br />

durchgeführt. Wegen finanzieller Schwierigkeiten waren<br />

viele nicht fähig, ein Einkommen schaffendes Programm<br />

zu starten. Sie sind handwerklich sehr begabt, diese ausgebildeten<br />

Frauen, arbeiten hart, aber es fehlen ihnen<br />

Hilfsmittel <strong>und</strong> Infrastruktur, um davon leben zu können.<br />

Durch unseren Erfahrungsbericht <strong>und</strong> unsere Evaluation<br />

ist uns aufgefallen, dass wir sie nach der Schulung mehr motivieren<br />

müssen, mithilfe einer Nähmaschine ein kleines Geschäft<br />

zu eröffnen.<br />

Es geht im Projekt um junge Frauen in den Dörfern des Hinterlands,<br />

die arm <strong>und</strong> ausgegrenzt in einfachen Waldbehausungen<br />

leben <strong>und</strong> mit ihren täglichen Lebensumständen finanziell nicht<br />

zurechtkommen. Wir planen, aus diesen Waldgebieten in verschiedenen<br />

Dörfern zwanzig Frauen aus den dortigen Stämmen<br />

zu selektieren, um sie sechs Monate lang intensiv an Nähmaschinen<br />

zu schulen. Die Maschinen werden ihnen nach dem<br />

Kurs abgegeben. Wir rechnen mit zwei Kursen pro Jahr. Während<br />

drei Jahren möchten wir dieses Projekt durchführen, in der<br />

Hoffnung, dass es ein Erfolg sein wird. Während ihrer Lehrzeit<br />

im Zentrum ermöglichen wir ihnen, an weiteren Bildungsprogrammen<br />

teilzunehmen, um Selbstvertrauen <strong>und</strong> andere Kompetenzen<br />

aufzubauen.<br />

Wir werden das Projekt nahe begleiten <strong>und</strong> mit regulären Hausbesuchen<br />

der Ausgebildeten auswerten. Somit werden wir auch<br />

weiterhin Hilfe anbieten, solange die Frauen das benötigen, bis<br />

sie selbstständig den Lebensunterhalt bestreiten können. <br />

2/<strong>2019</strong>


30<br />

PROJEKTHILFE<br />

27059<br />

MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />

Sandspieltherapie<br />

Im Priorat Seoul in Korea erfahren Missions-Benediktinerinnen, dass «auf Sand bauen» viele Menschen<br />

heilen kann.<br />

Im geschützten <strong>und</strong> unterstützten Rahmen der Sandspielkästen<br />

erfahren Kinder sehr lebensförderliche Prozesse.<br />

(Bild: Missions-Benediktinerinnen)<br />

SR. HOSANNA KIM<br />

Bei der von der Schweizerin Dora M. Kalff (1904 bis 1990) entwickelten<br />

Sandspieltherapie handelt es sich um eine psychotherapeutische<br />

Methode auf drei Säulen: zum einen auf Gr<strong>und</strong>ideen<br />

der analytischen Psychologie von C. G. Jung, zum anderen auf der<br />

«Welttechnik» der englischen Kinderärztin Margaret Lowenfeld<br />

<strong>und</strong> schliesslich auf den spirituellen Traditionen des Buddhismus.<br />

Spielerisch «aufleben»<br />

Praktisch steht in einer Therapiest<strong>und</strong>e dem Kind ein Tischsandkasten<br />

mit unzählig vielen kleinen Figuren (Menschen, Tiere,<br />

Pflanzen, Gebäude, Fahrzeuge usw.) <strong>und</strong> Dingen des alltäglichen<br />

Lebens zur Verfügung. Das Kind stellt mit dem Sand <strong>und</strong> den<br />

Figuren eine Szene dar. Die therapeutisch geschulte Schwester<br />

beobachtet es beim Spiel, ist in Stille anwesend <strong>und</strong> respektiert,<br />

was immer das Kind tut. Sie gibt keinen Kommentar, sondern


31<br />

weltweit<br />

BRÜCKENSCHLAG<br />

weitere Entwicklungsschiene ergab sich im Zusammenhang mit<br />

unserer Arbeit mit Taubstummen durch Sr. Amos Hwang seit<br />

2006. Die Schwester lebte als Psychologiestudentin in Silent Village,<br />

als gerade der Kurs <strong>für</strong> Sandspieltherapie anfing. Studenten<br />

waren fasziniert <strong>und</strong> hörten den Vorträgen mit Begeisterung<br />

zu. Die Art <strong>und</strong> Weise, mit Sand <strong>und</strong> den Figuren zu spielen,<br />

sprach sie sehr an. Sie erlebten, wie sich insgesamt die Atmosphäre<br />

des Silent Village veränderte, die Stimmung positiver<br />

wurde <strong>und</strong> die Kinder sich gegenseitig ermutigten. So wie an<br />

diesem Ort waren die Wirkungen vielfach zu erfahren. Die Arbeit<br />

mit der Sandspieltherapie weitete sich weiter aus: 2015 öffnete<br />

die Seoul Aewha Schule (Schule <strong>für</strong> die Taubstummen) das<br />

Sandspiel-Therapiezentrum <strong>für</strong> alle Schüler. Im selben Jahr wurde<br />

das Sandspielzentrum auf Antrag des Bischofs von Juju auf der<br />

Insel Jeju im Süden Koreas eröffnet. Zwei Schwestern sind dort<br />

<strong>und</strong> geben Beratung <strong>für</strong> Randgruppen mit Sandspieltherapie.<br />

Zur gleichen Zeit bietet das Zentrum auch das Programm «Ges<strong>und</strong>heit<br />

in der Gemeinschaft der Familie» an.<br />

ist ganz <strong>und</strong> gar anwesend, was die Kinder sehr schätzen. Das<br />

Sandspiel passt gut zu orientalischen Menschen, die nonverbale<br />

Kommunikation der verbalen vorziehen.<br />

Die Sandspieltherapie hat einige positive Wirkungen: Kinder<br />

bilden durch Phantasiespiele ein ges<strong>und</strong>es Selbst heraus. Sie<br />

wachsen darin, selbst aktiv zu werden <strong>und</strong> mit eigenen Händen<br />

ihre eigene Welt kreativ zu gestalten. Sie lernen, sich auf die<br />

ganz eigenen Sprachen von Sand <strong>und</strong> den Gegenständen in<br />

dem Sandkasten einzulassen. Das Sandspiel hat durch die Kästen<br />

eine klare Begrenzung. Das schützt die Kinder in vielerlei<br />

Hinsicht, sodass sie sich sicher fühlen können <strong>und</strong> eine sehr vertrauensvolle<br />

Beziehung zur Therapeutin entsteht.<br />

85 Schwestern sind Therapeutinnen<br />

Wie hat sich diese Therapie im Priorat Seoul in Korea entwickelt?<br />

2006 machte das Priorat Seoul auf dem Gelände des Prioratshauses<br />

den Benedict-Kindergarten auf. Sr. Rose Marie Hwang<br />

wurde als Direktorin <strong>für</strong> 340 Kinder in vierzehn Gruppen ernannt.<br />

Sie begann damit, die Sandspieltherapie <strong>für</strong> alle Kinder <strong>und</strong><br />

Eltern einzuführen. Die Kinder freuten sich immer sehr auf diese<br />

St<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> die Methode erwies sich <strong>für</strong> die Entwicklung der<br />

Kinder als sehr förderlich.<br />

2012 wurde Schwester Rose Marie zur Priorin des Priorats gewählt.<br />

Sie ermunterte alle Schwestern, sich in Sandspieltherapie<br />

ausbilden zu lassen. Viele Schwestern folgten ihr <strong>und</strong> absolvierten<br />

den Lizenzkurs bei Sr. Anna Kim, die eine Pionierin auf dem<br />

Gebiet der Sandspieltherapie in Korea ist. Schliesslich hatten bis<br />

zum Jahresende 85 Schwestern das Zertifikat erworben.<br />

2015 eröffneten wir auf dem Gelände des Prioratshauses das<br />

benediktinische Beratungszentrum Seoul, das sich um Bedürfnisse<br />

von Kindergärten <strong>und</strong> um die Leute in der Umgebung kümmert.<br />

Sieben Schwestern sind in diese Arbeit involviert. Eine<br />

Heilend <strong>und</strong> Glauben stärkend<br />

Da sich die Sandspieltherapie wie die Tiefenpsychologie mit den<br />

Tiefenschichten des Menschen befasst <strong>und</strong> ihn zu ihrem eigenen<br />

Selbst führen soll, erweist sie sich auch <strong>für</strong> die Evangelisierung<br />

als hilfreich. In Korea haben sich die wirtschaftliche Entwicklung<br />

<strong>und</strong> die soziale Atmosphäre sehr verändert. Infolgedessen leiden<br />

die Menschen auch geistig <strong>und</strong> psychologisch. Daher ist es<br />

wichtig, über gute Werkzeuge zu verfügen, damit man sich ihnen<br />

<strong>und</strong> ihren W<strong>und</strong>en nähern <strong>und</strong> sie behandeln <strong>und</strong> heilen kann.<br />

Zum einen ist es sehr hilfreich, Sandspieltherapeutin zu sein. Die<br />

koreanische Kultur respektiert Ordensleute sehr, sodass von vorneherein<br />

ein tiefes Vertrauensverhältnis <strong>und</strong> Frieden zwischen<br />

Therapeutin <strong>und</strong> Klienten vorausgesetzt werden können. Zum<br />

anderen sind Ordensfrauen wegen ihres Lebensstils <strong>und</strong> ihrer<br />

Ausbildung kompetent. Auch das Gebet einer Schwester ermöglicht<br />

Heilung auf noch ganz andere Weise.<br />

Gläubige, die bei einer Schwester zur Therapie kommen, wachsen<br />

auch nach <strong>und</strong> nach im Glauben. Und Nichtchristen können<br />

Christus durch eine Schwester als Therapeutin kennenlernen.<br />

Das Sandspiel mit nonverbalen Spielgegenständen kann dazu<br />

einladen, sich spielerisch auf den Heiligen Geist einzulassen, um<br />

immer freier zu werden. Durch die gemachten Erfahrungen lernt<br />

man sich selbst besser kennen <strong>und</strong> verstehen. Leib <strong>und</strong> Seele<br />

kommen nach <strong>und</strong> nach im Ges<strong>und</strong>heitsprozess voran.<br />

Um die Sandspieltherapie bekannt zu machen, nutzten wir auch<br />

internationale Treffen: 2013 erlebten 23 Priorinnen <strong>und</strong> Delegierte<br />

unserer Kongregation bei Priorinnentreffen in Korea zum<br />

ersten Mal die Sandspieltherapie. Sie waren erstaunt, dass sie<br />

sich gegenseitig nonverbal mit Sand <strong>und</strong> Figuren verständigen<br />

konnten. Im September 2017 wurde zum ersten Mal das Treffen<br />

der Priorinnen <strong>und</strong> Delegierten der CIB (Communio Internationalis<br />

Benedictinarum) in Daegu, Korea, abgehalten. Als Abschluss<br />

konnten die Teilnehmerinnen die Sandspieltherapie im benediktinischen<br />

Zentrum erleben.<br />

Wir Schwestern in Korea sehen im Sandspiel einen neuen Weg<br />

der Evangelisierung, weil wir dabei erfahren, dass W<strong>und</strong>en der<br />

Menschen geheilt werden, sie an Selbstachtung gewinnen <strong>und</strong><br />

harmonische menschliche Beziehungen aufbauen lernen. Auch<br />

ihr Glaube wird sehr gestärkt. Denn nur Gott kann das Unmögliche<br />

möglich machen. <br />

2/<strong>2019</strong>


32<br />

PROJEKTHILFE<br />

28098<br />

REDEMPTORISTEN<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>für</strong> Kinder<br />

In Kongo-Kinshasa möchten die Redemptoristen ihr Ges<strong>und</strong>heitszentrum mit einer Pädiatrie ergänzen.<br />

Nicht alle Familien<br />

können kranke Kinder<br />

versorgen, dann hilft<br />

die Pädiatrie aus.<br />

Sie ist über dem Ges<strong>und</strong>heitszentrum<br />

gebaut<br />

– jetzt fehlt noch<br />

die Innenausrüstung.<br />

(Bild: José Balmer)<br />

JOSÉ BALMER<br />

Kongo-Kinshasa ist ein riesiges Land, reich an Bodenschätzen,<br />

aber mit einer sehr armen Bevölkerung. Im Osten bekämpfen<br />

sich Rebellengruppen <strong>und</strong> terrorisieren auch die Dorfgemeinschaften.<br />

Dort greift auch die gefährliche Krankheit Ebola um<br />

sich. Die alte Regierung unternahm wenig, investierte kaum in<br />

Bildung, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Infrastruktur. Wird die im Dezember<br />

neu gewählte Regierung besser <strong>für</strong> die Menschen sorgen?<br />

Hort <strong>für</strong> Frauen <strong>und</strong> Kinder<br />

Dass es mit dem Ges<strong>und</strong>heitswesen schlecht steht, zeigt die<br />

hohe Kindersterblichkeitsrate von 75 auf 1000 Lebendgeburten!<br />

Was die traditionellen Hebammen leisten, verdient Respekt. Aber<br />

sie arbeiten oft unter unhygienischen Bedingungen ohne sauberes<br />

Wasser, saubere Tücher <strong>und</strong> Desinfektionsmittel. Zudem<br />

kommt oft Magie zum Zuge.<br />

Im Städtchen Mbanza Ngungu, im Westen des Landes, bauten<br />

die Redemptoristen 2016 ein Ges<strong>und</strong>heitszentrum mit einer Maternität.<br />

2017 nahm es den Betrieb auf (wir berichteten in Welt-<br />

Weit 4/2018 darüber). Es bietet den Kranken <strong>und</strong> insbesondere<br />

den schwangeren Frauen <strong>und</strong> Müttern bessere Ges<strong>und</strong>heitsdienste<br />

wie Gynäkologie, Ultraschall, EKG, Anämiebehandlung<br />

<strong>und</strong> verfügt über eine Maternität <strong>und</strong> ein Laboratorium. Das kleine<br />

Team von lokalen Ärzten, Ärztinnen, Pflegerinnen, Putzequipe<br />

<strong>und</strong> Sekretariat arbeitet gut. Es hat das Vertrauen der Frauen aus<br />

dem Städtchen <strong>und</strong> der Umgebung gewonnen. Das beweist der<br />

grosse Zulauf.<br />

Pädiatrie wurde nötig<br />

2018 wurde über dem Ges<strong>und</strong>heitszentrum ein Stockwerk hinzugefügt:<br />

Räume <strong>für</strong> eine Pädiatrie (Kinderheilk<strong>und</strong>e) <strong>für</strong> 16 Kinder.<br />

«Wir haben von Anfang an geplant, im ersten Stock eine<br />

Pädiatrie zu bauen, irgendwann einmal», erklärt Lieve Droogmans,<br />

zuständig <strong>für</strong> die Projektfinanzierung. «Aber es wurde<br />

dringend, weil manche Kinder zu schwach sind <strong>und</strong> aufgepäppelt<br />

werden müssen. Andere haben eine Behinderung <strong>und</strong> benötigen<br />

therapeutische Massnahmen. Wieder andere finden zu<br />

Hause nicht die nötige Pflege, weil die Mittel nicht vorhanden<br />

sind oder weil familiäre Probleme dies nicht zulassen. Ausserdem<br />

hielt das provisorische Dach des Zentrums bei starkem Regen<br />

nicht dicht. Also machten wir uns ans Werk.»


33<br />

weltweit<br />

PROJEKTHILFE<br />

Ausrüstung fehlt noch<br />

Für <strong>2019</strong> sind der Innenausbau der Pädiatrie sowie die Ausstattung<br />

mit den nötigen Einrichtungsgegenständen <strong>und</strong> Apparaten<br />

vorgesehen. Benötigt werden zum Beispiel ein oder zwei Brutkasten,<br />

ein Ultraschallgerät, ein Kardiomonitor, eine Spritzpumpe,<br />

Blutdruckmesser, Sauerstoffflaschen, Waagen, Betten <strong>und</strong> viele<br />

weitere Utensilien. Kostenpunkt: r<strong>und</strong> 38 000 Franken. Wenn die<br />

Finanzierung gef<strong>und</strong>en wird, kann die Pädiatrie im Herbst <strong>2019</strong><br />

den Betrieb aufnehmen. Die Projektleitung vor Ort ist bereits<br />

daran, das nötige Personal zu rekrutieren.<br />

Ein wichtiger Aspekt der Projektplanung war die Sicherstellung<br />

der Nachhaltigkeit. Ein Businessplan legte Preise <strong>für</strong> die Ges<strong>und</strong>heitsdienste<br />

fest, die <strong>für</strong> die meist arme Bevölkerung tragbar<br />

sind, aber auch die Betriebskosten des Zentrums tragen<br />

<strong>und</strong> so den Betrieb langfristig sichern. Die Erfahrung im Ges<strong>und</strong>heitszentrum<br />

zeigt, dass die Erträge die laufenden Kosten decken.<br />

Ob das <strong>für</strong> die Pädiatrie auch der Fall sein wird, ist ungewiss.<br />

Längere Aufenthalte <strong>und</strong> Therapien könnten die finanziellen<br />

Möglichkeiten mancher Familien übersteigen. Dann müssten die<br />

Leitung des Zentrums <strong>und</strong> die Geldgeber aus Europa Massnahmen<br />

zur Lösung des Problems suchen. Mit Ihrer Unterstützung<br />

stehen die Aussichten gut. <br />

PROJEKTHILFE<br />

33<strong>02</strong>4<br />

weltweit<br />

PROJEKTHILFE<br />

SALESIANER DON BOSCOS<br />

Solarprogramm Westafrika<br />

Die Salesianer Don Boscos bauen berufliche Ausbildungen <strong>und</strong> Solarinstallationen in Ghana <strong>und</strong> Liberia auf.<br />

KATHARINA KOCHERHANS<br />

Die Salesianer Don Boscos haben ein Ausbildungsprogramm in<br />

Elektro- <strong>und</strong> Solartechnik <strong>für</strong> Westafrika entwickelt. Damit werden<br />

mehrere Probleme gleichzeitig angegangen. Es ermöglicht<br />

jungen Menschen, in einem zukunftsorientierten Beruf Fuss zu<br />

fassen <strong>und</strong> bekämpft so gleichzeitig die hohe Jugendarbeitslosigkeit.<br />

Zudem fördert es die Nutzung alternativer Energien <strong>und</strong><br />

eine unterbruchfreie Stromversorgung.<br />

Perspektiven statt Emigration<br />

Stellen Sie sich vor, der Strom fällt aus. Am Anfang käme man<br />

wohl klar. Das Handy hat einen Akku, in der Schublade ist eine<br />

Taschenlampe <strong>und</strong> ein Sandwich schmeckt auch. Doch was,<br />

wenn es länger dauert? Eine Woche, einen Monat? Wenn Kühlschrank,<br />

Herd, Telefon, Computer, Radio, Lampen, Ampeln, Züge,<br />

Maschinen <strong>und</strong> Industrie stillständen? Strom ist bei uns allge-<br />

2/<strong>2019</strong>


34<br />

weltweit<br />

PROJEKTHILFE<br />

Weiterbildung<br />

von Berufsschullehrern<br />

durch Bruder<br />

Christof Baum.<br />

Installation<br />

eines Solarpanels<br />

auf einem<br />

Wohnhaus.<br />

(Bilder: Salesianer<br />

Don Boscos)<br />

genwärtig, unser Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Helfer in unzähligen Situationen.<br />

Ein stromloser Zustand ist <strong>für</strong> uns unvorstellbar. Für 620 Millionen<br />

Menschen in Subsahara-Afrika ist dieses Szenario aber tägliche<br />

Realität. Sie sind zwar nicht so abhängig von strombetriebenen<br />

Geräten wie wir, doch das Leben ohne Strom schränkt<br />

ihre Entwicklungsmöglichkeiten stark ein.<br />

Die Länder Afrikas stehen vor vielfältigen Herausforderungen.<br />

Eine davon ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote<br />

steigt von Jahr zu Jahr, da nur ein kleiner Prozentsatz aller<br />

Studien- <strong>und</strong> Lehrabgänger es schafft, im ersten Jahr nach dem<br />

Abschluss eine Stelle zu finden. Mit Arbeitslosigkeit gehen Frustration,<br />

Armut <strong>und</strong> das Risiko eines Abgleitens in die Kriminalität<br />

einher. Sehr viele junge Menschen liebäugeln mit der Emigration<br />

in ein Land, das bessere Lebensperspektiven bietet. Diesem<br />

Trend kann nur Gegensteuer gegeben werden, indem man vor<br />

Ort berufliche Perspektiven schafft, die ein gesichertes Einkommen<br />

<strong>und</strong> einen würdigen Lebensstandard ermöglichen. Ein wichtiger<br />

Faktor ist dabei eine qualitativ hochwertige Ausbildung, die<br />

sich an den Bedürfnissen des lokalen Arbeitsmarkts orientiert.<br />

Berufskurse: Elektro- <strong>und</strong> Solartechnik<br />

Ziel des Projekts der Salesianer Don Boscos ist es, mittels Berufsbildung<br />

die Nutzung von Solarenergie in Westafrika zu fördern<br />

<strong>und</strong> jungen Menschen gleichzeitig Lebens- <strong>und</strong> Einkommensperspektiven<br />

in ihrem Heimatland zu geben. Dazu werden an vier<br />

Standorten technische Berufskurse in Elektro- <strong>und</strong> Solartechnik<br />

etabliert. Die praxisorientierte Ausbildung öffnet jungen Menschen<br />

in Ghana <strong>und</strong> Liberia Zugang zu einem wachsenden, nachhaltigen<br />

<strong>und</strong> zukunftsorientierten Arbeitsmarkt. Alternative Energieformen<br />

haben in Westafrika viel Potenzial: Solaranlagen können<br />

zum Beispiel eine unstete Stromversorgung stabilisieren oder<br />

Elektrizität in Gegenden bringen, die noch unerschlossen sind.<br />

Dies ist ein wichtiger Faktor <strong>für</strong> wirtschaftliche Entwicklung. Dank<br />

der Nutzung des reichlich vorhandenen Sonnenscheins <strong>für</strong> die<br />

Stromversorgung wird gleichzeitig die Umwelt geschont.<br />

Beim Programm «Training of Trainers» geht es um Wissenstransfer<br />

von Experten zu Lehrern <strong>und</strong> von Lehrern zu Schülern. Es<br />

richtet sich an Berufsschullehrpersonen, die in Solartechnik aus<strong>und</strong><br />

weitergebildet werden <strong>und</strong> dann ihr Wissen als Multiplikatoren<br />

in ganz Westafrika weitergeben. Sie können sowohl an<br />

Don-Bosco-Schulen als auch an externen Schulen tätig sein.<br />

Die modularen Solarkurse richten sich an Schülerinnen, Schüler<br />

<strong>und</strong> Alumni der Elektro- <strong>und</strong> Elektronikklassen der Don-Bosco-<br />

Berufsschulen. Aber auch an andere Berufsschulen, an der Thematik<br />

interessierte Handwerker <strong>und</strong> Schulabbrecher mit Interesse<br />

an einem Wiedereinstieg <strong>und</strong> dem Willen, Verpasstes aufzuarbeiten.<br />

Breitenwirkung aus vier Standorten<br />

In Ashaiman (Ghana) entsteht das Kompetenzzentrum des Projektes.<br />

Auf dem Gelände des bereits bestehenden Berufsbildungszentrums<br />

Don Bosco Technological Institute wird ein Gebäude<br />

errichtet, das Platz <strong>und</strong> Infrastruktur <strong>für</strong> ein modernes Schulungs-<br />

<strong>und</strong> Referenzzentrum in Solartechnik bietet. An diesem<br />

Standort werden die modulartig aufgebauten Kurselemente erarbeitet<br />

<strong>und</strong> hier finden auch die «Training of Trainers»-Weiterbildungen<br />

sowie Solartechnikkurse <strong>für</strong> Jugendliche statt. Dazu<br />

werden Sunyani, Tatale (Ghana) <strong>und</strong> Monrovia (Liberia) als Ausbildungszentren<br />

<strong>für</strong> Elektrotechnik <strong>und</strong> Fotovoltaik-Solar ausgestattet.<br />

In diesen Zentren werden auf die lokalen Bedürfnisse<br />

abgestimmte, modulare Solarkurse vermittelt.<br />

Die Programmverantwortlichen Salesianer Don Boscos verfügen<br />

dank langjähriger Tätigkeit im Solarbereich in Afrika über praxiserprobte<br />

Erfahrung. Damit die Aktivitäten nach Ablauf der Projektdauer<br />

nicht «versanden», findet ein intensiver Wissenstransfer<br />

auf lokale Lehrkräfte statt. Ortsansässige Schlüsselpersonen<br />

werden aus- <strong>und</strong> weitergebildet <strong>und</strong> damit in die Lage versetzt,<br />

die Ausbildungszentren zu übernehmen <strong>und</strong> erfolgreich weiterzuführen.<br />

Ebenso kann auf bewährte Partnerschaften wie zum<br />

Beispiel das Netzwerk «Ingenieure ohne Grenzen» zugegriffen<br />

werden. Um weitere Synergien nutzen zu können <strong>und</strong> den Wissensaustausch<br />

zu fördern, strebt das Projekt die Zusammenarbeit<br />

mit dem Privatsektor <strong>und</strong> mit Bildungseinrichtungen sowohl<br />

im <strong>globale</strong>n Süden als auch im Norden an.<br />

Die praxisorientierte Ausbildung öffnet jungen Menschen in<br />

Ghana <strong>und</strong> Liberia Zugang zu einem wachsenden, nachhaltigen<br />

<strong>und</strong> zukunftsorientierten Arbeitsmarkt. Auch die Ärmsten bekommen<br />

eine Chance auf eine selbstbestimmte Zukunft. Diese<br />

innovativen Programme vor Ort sind eine echte Alternative zur<br />

Abwanderung ins Ausland <strong>und</strong> fördern gleichzeitig die Entwicklung<br />

in abgelegenen Regionen.


35<br />

weltweit<br />

ABOKARTE<br />

Nicht frankieren<br />

Ne pas affranchir<br />

Non affrancare<br />

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<strong>Zeitschrift</strong><br />

ALLGEMEINE SPENDEN<br />

Mess-Stipendium (Fr. 10. –)<br />

40 001<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendarbeit («Taufspende»)<br />

40 003<br />

Hungernde<br />

40 004<br />

Lepra <strong>und</strong> andere Tropenkrankheiten<br />

40 005<br />

Kinder in Not<br />

40 015<br />

WÄHLEN SIE DIE KENNZIFFER IHRER SPENDE<br />

Postkonto: Freiburg 17-6<strong>02</strong>1-7<br />

NOT- UND PROJEKTHILFE<br />

Pädiatrie-Ausrüstungen <strong>für</strong> das<br />

Ges<strong>und</strong>heitszentrum in Kongo-<br />

Kinshasa (S. 32–33).<br />

28098<br />

REDEMPTORISTEN<br />

Existenzgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> junge Frauen aus<br />

einheimischen Stämmen in Mairang,<br />

Nordostindien (S. 29).<br />

22005<br />

MENZINGER SCHWESTERN<br />

Berufliche Ausbildung <strong>und</strong> Solarinstallationen<br />

in Ghana <strong>und</strong> Liberia<br />

(S. 33–34).<br />

33<strong>02</strong>4<br />

SALESIANER DON BOSCOS<br />

Hilfe durch Sandspieltherapie<br />

im Priorat Seoul in Korea (S. 30–31).<br />

27059<br />

MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />

Hilfe <strong>für</strong> sudanesische Flüchtlinge<br />

in Ägypten (S. 37).<br />

24074<br />

MISSIO


36<br />

weltweit<br />

ENTWICKLUNGSPARTNERSCHAFT GLOBALEGERECHTIGKEIT<br />

weltweit<br />

ABOKARTE<br />

Schenken Sie sich <strong>und</strong> anderen<br />

Zuversicht <strong>und</strong> Perspektiven<br />

11 in der Entwicklungshilfe<br />

engagierte Gemeinschaften<br />

– eine <strong>Zeitschrift</strong>.<br />

<strong>WeltWeit</strong> vermittelt Ihnen Hoffnung <strong>und</strong> Optimismus –<br />

in einer manchmal entmutigenden Weltentwicklung.<br />

<strong>WeltWeit</strong> gibt Ihnen christliche <strong>und</strong> ethische Orientierung –<br />

in einem widersprüchlichen Zeitgeschehen.<br />

<strong>WeltWeit</strong> zeigt Ihnen, wie im Kleinen Grosses möglich ist –<br />

in Alltag <strong>und</strong> Gesellschaft, in Partnerschaft <strong>für</strong> <strong>globale</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong>.<br />

Mit einem Abonnement <strong>und</strong> Ihrer<br />

Spende ermöglichen Sie, dass wir<br />

andern Menschen helfen können.<br />

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1701 Freiburg<br />

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▼<br />

▼<br />

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❑ Kennziffer Nr.<br />

❑ Für folgenden Zweck:<br />

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Total<br />

Fr.<br />

Fr.<br />

Fr.<br />

Fr.<br />

Einbezahlt von / Versé par / Versato da<br />

Empfangsbestätigung<br />

erwünscht:<br />

❑ ja<br />

❑ nein<br />

BAG <strong>2019</strong><br />

Einbezahlt von / Versé par / Versato da<br />

•<br />

•<br />

2<strong>02</strong><br />

441.<strong>02</strong><br />

Die Annahmestelle<br />

L’office de dépôt<br />

L’ufficio d’accettazione<br />

17006<strong>02</strong>17><br />

17006<strong>02</strong>17>


37<br />

PROJEKTHILFE<br />

24074<br />

PROJEKTHILFE<br />

weltweit<br />

MISSIO<br />

Hoffnung <strong>für</strong> sudanesische<br />

Flüchtlinge<br />

Die Kirche hilft mit Alphabetisierungs- <strong>und</strong> Sprachprogrammen in Ägypten.<br />

Zehntausende Sudanesen<br />

sind vor dem Bürgerkrieg<br />

nach Ägypten geflohen.<br />

Mit gr<strong>und</strong>legenden Workshops<br />

hilft die Kirche den<br />

sudanesischen Flüchtlingen<br />

in Ägypten.<br />

(Bilder: pixabay.com,<br />

Missio Aachen)<br />

SIEGFRIED OSTERMANN<br />

Sie sind dem Krieg <strong>und</strong> dem Elend in ihrer Heimat entkommen,<br />

aber die Lebenssituation von sudanesischen Flüchtlingen ist<br />

dramatisch. Als Flüchtlinge haben sie keinerlei Chance auf Integration<br />

in die ägyptische Gesellschaft, im Gegenteil. Wegen des<br />

andauernden Bürgerkriegs im Sudan <strong>und</strong> Südsudan leben mittlerweile<br />

mehrere Zehntausend SudanesInnen als Asylsuchende<br />

in Ägypten – die meisten in der Hauptstadt Kairo <strong>und</strong> in Alexandria,<br />

an der Mittelmeerküste. Aber auch dort ist ihre Lebenssituation<br />

miserabel. Ägypten hat Vorbehalte gegenüber der<br />

UN-Flüchtlingskonvention. Die Folge davon ist, dass selbst anerkannte<br />

Flüchtlinge keinen Zugang zum öffentlichen Bildungs<strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>heitssystem haben. Der legale Zugang zum Arbeitsmarkt<br />

ist praktisch unmöglich. Die Flüchtlinge sind völlig ohne<br />

Perspektive.<br />

Besonders dramatisch ist die Situation <strong>für</strong> Frauen sowie Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist an der<br />

Tagesordnung. Viele leiden unter HIV/Aids <strong>und</strong> ungewollten<br />

Schwangerschaften. Jugendliche können weder die Schule besuchen<br />

noch haben sie Möglichkeiten, ihre Freizeit zu gestalten.<br />

Mit Gelegenheitsarbeiten können sie sich etwas verdienen, aber<br />

es ist wie ein Tropfen auf dem heissen Stein.<br />

Die Kirche, die in Ägypten selbst immer stärker unter Druck<br />

gerät, bemüht sich um die Integration der sudanesischen Menschen<br />

in die ägyptische Gesellschaft. Sie möchte <strong>für</strong> 500 sudanesische<br />

Flüchtlinge – 350 Frauen <strong>und</strong> 150 Männer – Alphabetisierungs-,<br />

Sprach- <strong>und</strong> Computerkurse durchführen. Dies hilft<br />

ihnen auch, eine Struktur in den Tagesverlauf zu bringen. In Workshops<br />

werden die Themen Gewalt, Hygiene, Aids-Vorsorge <strong>und</strong><br />

Gr<strong>und</strong>rechte behandelt. Für die Jugendlichen sind verschiedene<br />

Sportaktivitäten geplant, um so ihre Freizeit zu gestalten <strong>und</strong><br />

Gemeinschaft zu fördern.<br />

Ihre Spende hilft, die schwierige Situation sudanesischer Flüchtlinge<br />

in Ägypten zu verbessern, insbesondere <strong>für</strong> Frauen.<br />

Herzlichen Dank <strong>für</strong> Ihre Unterstützung. <br />

2/<strong>2019</strong>


38<br />

weltweit<br />

LESERBRIEFE<br />

Anmerkung der Redaktion: Wendelin Fleischli hat den vorangegangenen<br />

Aufruf an Urner Dekanats-KollegInnen gemailt <strong>und</strong> die<br />

<strong>WeltWeit</strong>-Beiträge «Wir fahren an die Wand!» sowie «Anstrengung,<br />

Verzicht <strong>und</strong> Kreativität» an 50 Adressen versandt. Er<br />

möchte diese Sache beim kommenden Dekanatstreffen ansprechen<br />

<strong>und</strong> fragen, «wie wir uns dazu stellen <strong>und</strong> was wir tun wollen».<br />

Der nachfolgende Leserbrief ist eine Reaktion auf seinen Versand.<br />

Bild:<br />

pixabay<br />

Leser-Reaktionen auf <strong>WeltWeit</strong> 1/<strong>2019</strong> <strong>und</strong> speziell<br />

zum Klima-Dossier<br />

«Ich beneide junge<br />

Menschen nicht»<br />

Ich habe mich intensiv mit dem Thema befasst <strong>und</strong> auch das<br />

Buch «Selbstverbrennung» von Prof. Hans Joachim Schellnhuber<br />

gelesen. Es stimmt schon nachdenklich, wenn er (als Klimaforscher)<br />

zum Schluss kommt, dass wir mit grosser Wahrscheinlichkeit<br />

in einer «Tragödie» enden – nur können wir das «Theater»<br />

nicht verlassen. Deshalb habe ich Statuten <strong>für</strong> einen Verein erstellt,<br />

die sein Werk fördern.<br />

Ich habe mich immer als optimistischen Menschen bezeichnet.<br />

Noch vor zehn Jahren dachte ich: «Jetzt könnte eine Wende<br />

kommen.» Aber es ist nichts passiert. Flüge, Kreuzfahrten, Autos<br />

nehmen immer mehr zu. Ehrlich gesagt beneide ich die jungen<br />

Menschen nicht. <br />

Pfr. Urs-Beat Fringeli, Wolfwil<br />

Ja, ihr lest richtig, ich schlage Alarm. Wie sich unsere Welt zu<br />

einem Treibhaus entwickelt, beobachte ich schon seit den<br />

Neunzigerjahren mit grosser Beunruhigung. Nun bringen mich<br />

Beiträge in der christlichen <strong>Zeitschrift</strong> <strong>WeltWeit</strong> dazu, euch laut<br />

zuzurufen: «Alarm!»<br />

Unsere Gr<strong>und</strong>aufgabe als ChristInnen ist es, die uns von Gott<br />

gegebene Welt in Verantwortung zu gestalten. Alles andere, was<br />

wir als Kirche tun, baut darauf auf. Wo wir als Weltgemeinschaft<br />

stehen, wird uns unverblümt aufgezeigt im <strong>WeltWeit</strong>. Die katholische<br />

Kirche versteht sich zuerst einmal als Sakrament <strong>für</strong> die Welt.<br />

Und wenn sie mit zuschaut, wie die Welt schläfrig in einen Hammer<br />

hineinläuft, hat sie gr<strong>und</strong>sätzlich versagt. Schauen wir also<br />

der Wahrheit ins Auge, denn Jesus Christus ist die Wahrheit. Für<br />

mich persönlich als Christ geht es da nun um alles oder nichts. <br />

Wendelin Fleischli, Pastoralassistent Altdorf<br />

Ich bin <strong>für</strong> die Anregung dankbar, dass wir uns über diese<br />

«Gleichgültigkeit» (Abstumpfung) Gedanken machen. Zu diesen<br />

Alarmglocken gehör(t)en <strong>für</strong> mich auch die Rufe (Schreie) der<br />

Kinder auf den Strassen einiger unserer Städte: «Wir sind da;<br />

wir sind laut; weil ihr unsere Zukunft klaut.» Die Wohlfühlgesellschaft<br />

scheint nicht einmal interessiert. <br />

Damian Weber, Altdorf<br />

Ihre <strong>Zeitschrift</strong>, die ich heute erhalten habe, ist fast gänzlich<br />

durchgelesen. Bravo! Immer sehr gute Artikel. <br />

Julius A. Stäuble, Winterthur<br />

Mein Kompliment <strong>für</strong> das neuste Heft von <strong>WeltWeit</strong>.<br />

Wirklich gute Überblicksartikel! <br />

Justin Koller, Rorschacherberg<br />

Kein lebensdienlicherer<br />

Kapitalismus?<br />

Schon länger wollte ich meine Anerkennung aussprechen <strong>für</strong> die<br />

gehaltvolle <strong>Zeitschrift</strong>. Nach Ihrem Artikel «Vom Kapital zum Leben»<br />

(<strong>WeltWeit</strong> 5/2018) kann ich mich nicht mehr zurückhalten.<br />

Ihre Ausführungen berühren mich mit ihrer f<strong>und</strong>ierten Stellungsnahme<br />

<strong>und</strong> unerbittlichen Zielstrebigkeit: «Wieso soll der herrschende<br />

Kapitalismus nicht zugunsten einer lebensdienlicheren<br />

Welt überwindbar sein?» Ich danke Ihnen aufrichtig <strong>für</strong> Ihren begründeten<br />

Standpunkt <strong>und</strong> bestärke Sie in Ihrem Engagement. <br />

Hans Grämiger, Chur<br />

Auch mir macht die gesellschaftliche Entwicklung sehr zu schaffen.<br />

Ich möchte Ihnen speziell zum Artikel «Rechtspopulismus:<br />

weltgesellschaftlicher Mahnruf» gratulieren (<strong>WeltWeit</strong> 4/2017).<br />

Ich danke Ihnen <strong>für</strong> Ihren unermüdlichen Einsatz <strong>für</strong> eine gute<br />

Information <strong>und</strong> zum Wohl aller <strong>für</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong>, Frieden <strong>und</strong><br />

Bewahrung der Schöpfung. <br />

Viktor Müller, Frick<br />

Der Satz der Titelseite «Von der Ernüchterung zur Ermutigung»<br />

(<strong>WeltWeit</strong> 1/2017) hat mich angeregt. Da kommt so etwas wie<br />

Hoffnung auf. Es dürfte auch um die Klimakonferenz gehen. Es<br />

hat überhaupt viele gute Beiträge (im Heft) – <strong>und</strong> vielerorts wird<br />

versucht, zu helfen. Auf irgendeine Art sollte man eben auch<br />

aktiv mitmachen (können). <br />

Paul Krapf-Cardoso, Bernhardzell


39<br />

weltweit<br />

SCHLUSSPUNKT<br />

VORSCHAU 3/19<br />

Zurückgekehrte Wildtiere:<br />

Gegentrend zum weltweiten Artensterben?<br />

weltweit<br />

HERAUSGEBERGEMEINSCHAFT<br />

MARIANNHILLER MISSIONARE<br />

Missionshaus St. Josef, St. Josefsweg 15,<br />

6460 Altdorf, Postkonto Luzern 60-187-8<br />

Tel. 041 874 04 40, Fax 041 874 04 41<br />

Redaktion: P. Peter Grand<br />

www.stiftung-mariannhill.ch<br />

SCHWEIZER REDEMPTORISTEN<br />

Bruggerstrasse 143, 5400 Baden<br />

Postkonto Bolivien-Mission, Baden 50-182-9<br />

Tel. 056 203 00 44, Fax 056 203 00 40<br />

Redaktion: P. Anton Schönbächler<br />

www.redemptoristen.de<br />

Interview: Bischof Paul Hinder<br />

zu Gegensätzen in der islamischen Welt<br />

Was bedeutet uns Heimat?<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>WeltWeit</strong><br />

Ausgabe 2/<strong>2019</strong>: April–Mai<br />

<strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong> <strong>Entwicklungspartnerschaft</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>globale</strong> <strong>Gerechtigkeit</strong>.<br />

60. Jahrgang, erscheint 6x im Jahr.<br />

Website:<br />

www.weltweit.ch<br />

Jahresabonnement:<br />

Schweiz: CHF 36.– (inkl. 2,5% MWST.)<br />

Europa: Euro 35.–, übrige Länder: CHF 54.–<br />

Herausgebergemeinschaft:<br />

Sr. Ingrid Grave (Präsidentin),<br />

Klosterweg 16, 7130 Ilanz, Tel. 081 926 95 00,<br />

ingrid.grave@klosterilanz.ch<br />

Redaktion: Theo Bühlmann,<br />

Fuchsacker 3, 6233 Büron,<br />

Tel. (bitte auf Beantworter sprechen): 041 933 13 23,<br />

at.buehlmann@bluewin.ch<br />

Administration, Abonnemente <strong>und</strong> Werbung:<br />

Thérèse Corpataux-Roggo/Chantal Tinguely-Neuhaus,<br />

Postfach 345, 1701 Freiburg<br />

Tel. <strong>02</strong>6 422 11 36, info@weltweit.ch<br />

Postkonto: PostFinance AG 17-6<strong>02</strong>1-7<br />

IBAN CH56 0900 0000 17006<strong>02</strong>1 7<br />

Layout/Gestaltung:<br />

Othmar Huber, Luzern<br />

Satz, Druck <strong>und</strong> Versand:<br />

Brunner Medien AG,<br />

6010 Kriens, www.bag.ch<br />

Redaktionsschluss:<br />

<strong>WeltWeit</strong> 3/<strong>2019</strong>: Mitte April<br />

BARMHERZIGE SCHWESTERN<br />

VOM HEILIGEN KREUZ INGENBOHL<br />

Klosterstrasse 10, 6440 Brunnen<br />

Postkonto Luzern 60-4000-2<br />

Tel. <strong>02</strong>1 825 20 00<br />

Redaktion: Sr. Anna Affolter<br />

Tel. 041 825 21 04<br />

www.scsc-ingenbohl.org<br />

www.kloster-ingenbohl.ch<br />

SCHWESTERN VOM HEILIGEN KREUZ<br />

Missionsprokura, Hauptstrasse 11,<br />

6313 Menzingen, Postkonto Zürich 80-4085-5<br />

Tel. 041 757 40 40, Fax 041 757 40 30<br />

Redaktion: Sr. Thomas Limacher<br />

www.kath.ch/kloster-menzingen<br />

www.holycross-menzingen.org<br />

MISSIO<br />

Internationales Katholisches Missionswerk<br />

Rte de la Vignettaz 48, Postfach 187<br />

1709 Freiburg, Postkonto Freiburg 17-1220-9<br />

Tel. <strong>02</strong>6 425 55 70, Fax <strong>02</strong>6 425 55 71<br />

Redaktion: Siegfried Ostermann<br />

www.missio.ch<br />

MISSIONS-BENEDIKTINERINNEN<br />

Missions-Prokura, Benediktenweg 5,<br />

82327 Tutzing, Tel. 0049 8158 90710-0<br />

Kreissparkasse München-Starnberg<br />

IBAN: DE72 7<strong>02</strong>5 0150 0430 5709 86<br />

Redaktion: Sr. Eva-Maria Zierl<br />

www.missions-benediktinerinnen.de<br />

MISSIONSFRANZISKANERINNEN<br />

VON MARIA IMMAKULATA<br />

Franziskusstrasse 15, 9463 Oberriet<br />

Postkonto St. Gallen 90-2312-4, Tel. 071 763 70 40<br />

Missionsprokura <strong>und</strong> Redaktion:<br />

Sr. Claudina Bachmann, Laura Schmiedeknecht<br />

FRANZISKANER MISSIONSSCHWESTERN<br />

VON MARIA HILF<br />

Sinserstrasse 12, 5644 Auw (AG)<br />

Postkonto Luzern 60-20513-6, Tel. 056 668 27 10<br />

Mail: gen.missionsprokur@bluewin.ch<br />

Missionsprokura <strong>und</strong> Redaktion: Sr. Consilia Hofer<br />

www.fmmh.org<br />

SALESIANER DON BOSCOS<br />

Don Boscostrasse 29, 6215 Beromünster<br />

Postkonto Luzern 60-28900-0<br />

Tel. 041 932 11 11, Fax 041 932 11 99<br />

Redaktion: P. Toni Rogger<br />

www.donbosco.ch<br />

KATHARINA-WERK<br />

Neubadstrasse 95, 4054 Basel<br />

Tel. 061 307 23 23, Fax 061 307 23 53<br />

Redaktion: Heidi Rudolf<br />

www.katharina-werk.ch<br />

DOMINIKANERINNEN<br />

Klosterweg 16, 7130 Ilanz<br />

Tel. 081 926 95 60, Postkonto 70-188-7<br />

Missionsprokur: Sr. Ingrid Grave, Pius Süess<br />

www.kloster-ilanz.ch<br />

weltweit UNERHÖRT<br />

«Mauern funktionieren nicht. Man kann sie bestenfalls einige<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte später als Touristenattraktion verwenden.»<br />

Der chinesische Komiker Joe Wong in einer US-TV-Show über das<br />

6600 km lange chinesische Militärbefestigungswerk als Sinnbild verstaubten<br />

Denkens in Anspielung zu Donald Trumps Mauer gegen Mexiko.<br />

Tages-Anzeiger vom 15. 1. <strong>2019</strong><br />

2/<strong>2019</strong>


40<br />

weltweit<br />

AUFHEITERND<br />

Buchstabenerfinder<br />

Erden Kazhybek tüftelt an einem<br />

erneuerten kasachischen Alphabet.<br />

(Bild: Frank Nienhuysen)<br />

THEO BÜHLMANN<br />

Drei Buchstabentypen hat er auf seiner Computertastatur zur<br />

Auswahl: englische neben russischen, <strong>und</strong> eher versteckt<br />

kasachische. Wenn der Leiter der Linguistik in Almaty den<br />

Anfangsbuchstaben seines Nachnamens Kazhybek auf Kasachisch<br />

schreiben will, muss er zuerst die Schift- <strong>und</strong> Nulltaste<br />

drücken, damit ein krächzend kehliges «K» mit einem kleinen<br />

Strich rechts unten erscheint. Denn das russische Alphabet<br />

kann nicht alle kasachischen Laute darstellen, so auch das<br />

«Kch». Darum gibt’s Varianten <strong>und</strong> Extrabuchstaben. Staatspräsident<br />

Nursultan Nasarbajew hat Sprachwissenschaftler<br />

Erden Kazhybek beauftragt, ein neues lateinisches Alphabet<br />

auszutüfteln, welches das Land per Dekret bekommt.<br />

Seit dem Ende der Sowjetunion 1991 kämpft es wie viele ehemalige<br />

Sowjetstaaten um eine neue nationale Identität. Seit<br />

26 Jahren ist Nasarbajew bemüht, sich von der Vorherrschaft<br />

des russischen Kulturerbes zu emanzipieren, gleichzeitig aber<br />

gute Beziehungen zu Moskau zu pflegen – bisher ein gelungener<br />

Spagat. Fast 900 Jahre lang war die Schrift des Nomadenvolkes<br />

arabisch – Kasachstan schreibt sich so: .<br />

Nach dem Zerfall des osmanischen Reiches näherte sich Kasachstan<br />

der europäischen Kultur, 1929 stellte es auf ein lateinisches<br />

Alphabet um. Doch 1940 befahl Stalin der Sowjetrepublik<br />

die Einführung der kyrillischen Schrift, seither dominiert<br />

Russisch im Land östlich des Kaspischen Meeres. Diese<br />

Übertragung auf das Kasachische ist in den Augen Erden Kazhybeks<br />

ein linguistischer Frevel. Heute erlebt es einen Boom.<br />

Zeitungen, Fernsehen <strong>und</strong> Radio berichten fast nur noch in kasachischer<br />

Sprache; <strong>für</strong> die Staatsmacht ist sie ein Symbol der<br />

Unabhängigkeit. Deshalb muss ein neues zukunftstaugliches<br />

Alphabet her. So versammeln sich jeden Monat Kazhybeks<br />

Arbeitsgruppen <strong>und</strong> Kommissionen, Linguisten, Orthografen<br />

<strong>und</strong> Computertechniker, um spezifische kasachische Laute<br />

besser mit Schriftzeichen abzubilden. 2012 gab die Regierung<br />

bekannt, dass 2<strong>02</strong>5 mit der Einführung des lateinischen Alphabetes<br />

zu rechnen sei. 2017 wurde ein neues Lateinalphabet<br />

offiziell beschlossen.<br />

Nicht mehr auf Russisch Казахская республика sollen die<br />

Kasachen nun ihre Republik schreiben, sondern: Qazaqstan<br />

Respy’bli’kasy. Den Wechsel begrüssen sie grösstenteils.<br />

Doch das konkret Eingeführte erntete viel Kritik <strong>und</strong> Spott,<br />

denn neun der Buchstaben wurden mit einem Apostroph versehen.<br />

Ein solcher Text werde schwer lesbar, wurde bemängelt,<br />

es sei eine übereilte Einführung. Man schneide sich selbst<br />

vom Internet ab, statt Anschluss an die Globalisierung drohe<br />

Isolation, wurde gewarnt. So wird nachgebessert, <strong>und</strong> Verschriftlichungen<br />

kasachischer Laute sind in einem zweijährigen<br />

Probelauf zu testen. Statt Apostropheninflation bekommen<br />

sie Akzente wie im Französischen. In sechs Jahren soll<br />

das neue Alphabet «in Blei gegossen» werden. Dokumente,<br />

Schulbücher, Strassenschilder gibt es dann in einer kasachischen<br />

Variante lateinischer Buchstaben. Das bedeutet<br />

Übersetzungen, neue Schreibprogramme <strong>und</strong> Software in<br />

Unternehmungen, Schulungen <strong>für</strong> Lehrer usw. Ein irrer Aufwand,<br />

den sich das ölreiche Land aber leisten will.<br />

Allerdings sprechen heute 30 Prozent der Bevölkerung ausschliesslich<br />

Russisch. «In den Geschäften komme ich klar,<br />

aber nicht in der Literatur», sagt der Kasache Jurij Serebrjanskij,<br />

der in der Sowjetzeit aufwuchs <strong>und</strong> etwa zu 70 Prozent<br />

seine Landessprache versteht. Die Veränderungen wirken<br />

<strong>für</strong> den Autor, der seine Gedichte <strong>und</strong> Romane auf Russisch<br />

schreibt, als Entfremdung <strong>und</strong> kultureller Verlust. Er ahnt<br />

wenig Gutes, wenn wie seinerzeit das Kyrillische nun wieder<br />

ein neues Alphabet künstlich verbreitet wird: «Für die rein<br />

russischsprachige Bevölkerung ist das wie ein Signal zur<br />

Abreise.» Professor Kazhybek dagegen glaubt, dass Russisch<br />

wichtig bleiben wird, nicht nur als zweite Amtssprache. Auf<br />

die Frage, wie er seinen Namen denn künftig schreibe im<br />

neuen Alphabet, tippt er: Qajybek. <br />

Quellen: Tages-Anzeiger, Wikipedia, Stern<br />

2/<strong>2019</strong>

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