Der Eisschnelltr
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<strong>Der</strong> Reiher<br />
Richard hat die letzten Äpfel gepflückt, das Laub geharkt<br />
und den Rasen noch einmal gemäht.<br />
Er setzt sich auf die alte Holzbank neben der Walnuss,<br />
sieht in den Teich und zählt Fische. Die Katze der<br />
Nachbarin schleicht geräuschlos durch den Garten,<br />
bläulich schimmernde Raben sitzen laut krächzend in<br />
den Bäumen.<br />
Ostwind, denkt Richard.<br />
Er hält Ausschau nach dem Reiher, der manchmal<br />
über Feld und Grundstück kreist. Er summt so vor sich<br />
hin, sieht gedankenverloren zu, wie die goldbraunen<br />
Blätter der Walnuss zu Boden und aufs Wasser fallen.<br />
»Summst du den Fischen was vor?«<br />
»Leo, na, alles klar?«, fragt Richard, aus den in welken<br />
Blättern schwebenden Gedanken gerissen. »Wie<br />
war’s in der Schule?«<br />
»Von der Schmidt«, sagt Leo. Er gibt seinem Vater<br />
einen Brief, setzt sich zu ihm auf die Bank.<br />
Die Schmidt – Dr. Jutta Schmidt, Schulleiterin am<br />
Friedrich-Schiller-Gymnasium – kennt der Vater schon<br />
länger, als ihm lieb ist. Sie war seine Klassenlehrerin.<br />
Damals. In der DDR. An der Polytechnischen Oberschule<br />
Ernst Thälmann.<br />
»Die Schmidt, die Schmidt«, raunt Richard. Er zieht<br />
einen Zettel aus dem Umschlag, entfaltet ihn und liest<br />
leise vor: »Sehr geehrte Familie Busch, da Leo wiederholt<br />
negativ im Schulbetrieb aufgefallen ist, bitte ich Sie<br />
am Donnerstag, den 11. Oktober um 18 Uhr, in Raum 8<br />
des Friedrich-Schiller-Gymnasiums zu einem Elterngespräch.<br />
Dr. Jutta Schmidt.«<br />
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