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2019-03-17 Bayreuther Sonntagszeitung

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<strong>Bayreuther</strong> <strong>Sonntagszeitung</strong><br />

<strong>17</strong>. März <strong>2019</strong> 5<br />

160 Jahre die Stadt geprägt<br />

Historisches Museum: Ausstellung über Firma F.C. Bayerlein<br />

Dr. Klaus Bayerlein, Sohn des letzten Spinnereichefs Fritz Bayerlein, vor einer Schautafel mit den<br />

historischen Stationen der Firmendynastie F.C. Bayerlein, die für Bayreuth lange Zeit mit prägend<br />

war.<br />

Foto: Roland Schmidt<br />

BAYREUTH. Ein Spiegel der<br />

fränkischen Textil- und Wirtschaftsgeschichte<br />

ist die Firmenhistorie<br />

von F.C. Bayerlein.<br />

Die Geschichte des <strong>Bayreuther</strong><br />

Familienunternehmens,<br />

das über 160 Jahre die<br />

Stadt gesellschaftlich und<br />

städtebaulich mit geprägt hat,<br />

stellt den Auftakt einer neuen<br />

Ausstellungsreihe im Historischen<br />

Museum dar.<br />

Die Firmenhistorie geht bis auf<br />

das Jahr 1809 zurück. Damals<br />

ersteigerte der Pfarrersohn Johann<br />

Gotthilf Bayerlein das heutige<br />

Anwesen Maximilianstraße<br />

58 und eröffnete dort ein Geschäft<br />

für Tuche, Schnitt- und<br />

Kurzwaren, spezialisiert auf<br />

Stoffe nach der neuesten Mode.<br />

Die Lizenz für das Geschäft erhielt<br />

er „im Namen seiner Majestät,<br />

des Kaisers“, damals also<br />

Napoleon, erklärte Dr. Klaus<br />

Bayerlein, Urururenkel von Johann<br />

Gotthilf Bayerlein bei einem<br />

Rundgang durch die Ausstellung.<br />

Das Geschäft entwickelte<br />

sich gut, die Handelsbeziehungen<br />

reichten bald bis ins<br />

europäische Ausland. Seit 1826<br />

ließ Johann Gotthilf Bayerlein<br />

Merinoschafwolle aus dem<br />

Raum Erlangen von Hauswebern<br />

verarbeiten.<br />

Unter seinem Sohn Friedrich<br />

Christian (F.C.) Bayerlein<br />

wurde auch Baumwolle über<br />

Italien bezogen. Die Firma konzentrierte<br />

sich bald auf die Verarbeitung<br />

von Wolle und Baumwolle<br />

durch Hausweber, die diese<br />

Tätigkeit in der Regel neben<br />

der nicht voll zum Lebensunterhalt<br />

reichenden Landwirtschaft<br />

ausführten. Die Heimarbeiter<br />

kamen unter anderem aus<br />

Drossenfeld, Trebgast und<br />

Harsdorf. Friedrich Christian<br />

Bayerlein kaufte daher 1854<br />

das damals leer stehende Neudrossenfelder<br />

Schloss und<br />

nutzte es zunächst als Warenlager,<br />

stellte aber auch Webstühle<br />

auf und betrieb dort am Main<br />

eine Färberei.<br />

Als Bayreuth 1860 an das<br />

Eisenbahnnetz angeschlossen<br />

worden war, begann die Rückverlagerung<br />

des Unternehmens<br />

nach Bayreuth, zunächst in die<br />

Saas.<br />

Ein neues Kapitel der Firmengeschichte<br />

wurde aufge-<br />

schlagen, als 1875 eine neue<br />

Fabrik im Graben in Betrieb genommen<br />

wurde. Aus anfangs<br />

47 Beschäftigten wurden bis<br />

1894 insgesamt <strong>17</strong>2 Mitarbeiter.<br />

1894 baute Eduard Bayerlein<br />

schließlich in der Unteren<br />

Au eine neue, größere Fabrik,<br />

die sich auf Baumwollspinnerei<br />

und Zwirnerei konzentrierte. Die<br />

Weberei gab man auf.<br />

Die Fabrik wurde sukzessive<br />

weiter ausgebaut. Unter anderem<br />

kamen weitere Spinnereihochbauten<br />

und eine zusätzliche<br />

Dampfmaschine dazu. Anfang<br />

1907 waren bereits 594<br />

Personen beschäftigt, die Mehrzahl<br />

davon mit 460 Frauen. Aufgrund<br />

der vielen dort arbeitenden<br />

Frauen machte sich der<br />

Erste Weltkrieg zunächst nicht<br />

allzu stark bemerkbar, das Militär<br />

musste eingekleidet werden,<br />

was Aufträge brachte. Teile der<br />

Fabrikanlage legte man erst<br />

still, als die Rohstoff- und Kohlezufuhr<br />

geringer wurde.<br />

Umstellung von Dampfmaschinen<br />

auf Elektromotoren<br />

In den 1920er Jahren entwickelte<br />

Adolf Bayerlein die Fabrik kontinuierlich<br />

weiter. Ein wichtiger<br />

Schritt war 1927 die Umstellung<br />

vom Dampfmaschinenantrieb<br />

auf Elektromotoren an<br />

den Maschinen. Seit den 1930er-<br />

Jahren begann die Produktion<br />

von Mischgarnen mit gerissenem<br />

Leinen und Zellwolle.<br />

Auch sozial wurde für die<br />

Belegschaft viel getan. Arbeiterwohnungen<br />

wurden errichtet,<br />

schon früh eine Unterstützungskasse<br />

eingerichtet und für die<br />

Spinnereiarbeiter gab es eine<br />

eigene Kleingartenanlage. Gerade<br />

in wirtschaftlich schwierigen<br />

Zeiten konnte so manches<br />

Essbare selbst angebaut werden.<br />

1939 war mit 900 Mitarbeitern<br />

der Höhepunkt der Beschäftigung<br />

bei F.C. Bayerlein<br />

erreicht. In den insgesamt drei<br />

<strong>Bayreuther</strong> Spinnereien – neben<br />

F.C. Bayerlein gab es noch<br />

die in höchster Konkurrenz stehende<br />

Neue Spinnerei Bayreuth<br />

und die Mechanische Baumwollspinnerei<br />

– arbeiteten im<br />

Jahr des Ausbruchs des Zweiten<br />

Weltkriegs insgesamt über<br />

4.000 Menschen.<br />

Im Zweiten Weltkrieg blieb<br />

die Firma zunächst weitgehend<br />

unbeschadet. Ab 1943 nutzte<br />

das Hamburger Unternehmen<br />

AERO Lagergebäude der Spinnerei,<br />

um Getriebe und Lenksysteme<br />

für Flugzeuge und Raketen<br />

herzustellen. Dies wurde<br />

F.C. Bayerlein letztlich wohl zum<br />

Verhängnis, bei einem der großen<br />

Bombenangriffe in den letzten<br />

Kriegstagen wurde die Fabrik<br />

am 11. April 1945 zu 85 Prozent<br />

zerstört.<br />

Nach dem Krieg begann der<br />

Wiederaufbau der Firma. Kleine<br />

Teile liefen ab 1946 wieder, 1948<br />

wurden die ersten neuen Maschinen<br />

geliefert. Die Spinnerei<br />

wurde nun auf synthetische Fasern<br />

spezialisiert. So konnte ein<br />

hoher Exportanteil erzielt werden,<br />

F.C. Bayerlein wurde einer<br />

der bedeutendsten Produzenten<br />

von synthetischen Garnen<br />

in Europa. Zusätzlich wurde ein<br />

Garnhandel mit nicht selbst produzierten<br />

Garnen aufgebaut.<br />

„Die Firma war damals klein,<br />

beweglich und wir konnten mit<br />

unserer hoch motivierten Belegschaft<br />

sehr innovativ sein“, erinnerte<br />

sich Dr. Klaus Bayerlein.<br />

Die Maschinen wurden auf<br />

dem neuesten Stand gehalten,<br />

aber die Wirtschaftskrise 1967<br />

und internationale Konkurrenz<br />

brachten die deutsche Textilindustrie<br />

in eine schwierige Lage.<br />

Ende 1971 wollte die Kulmbacher<br />

Spinnerei weiter expandieren<br />

und bot eine Übernahme<br />

der Spinnerei Bayerlein mit ihrer<br />

Produktion von synthetischen<br />

Garnen als neuem Standbein<br />

an. Fritz Bayerlein und seine<br />

Söhne stimmten der Übernahme<br />

zu. Ihre Hoffnung, so die Beschäftigung<br />

für die damals vorhandenen<br />

rund 500 Mitarbeiter<br />

zu sichern, erfüllte sich aber<br />

nicht. Der Betrieb wurde 1979<br />

geschlossen, die Gebäude<br />

1980 abgerissen. Heute befinden<br />

sich auf dem Gelände die<br />

Immobilienverwaltung Bayerlein,<br />

die Agentur für Arbeit und<br />

das Arvena Kongresshotel.<br />

Die Ausstellung beinhaltet<br />

viele interessante und bislang<br />

vielfach kaum bekannte Fotos.<br />

Gegenstände und Bilder aus<br />

dem Besitz der Familie Bayerlein<br />

runden das Gezeigte ab.<br />

Die Publikumsresonanz auf die<br />

noch bis 31. März laufende Ausstellung<br />

ist bisher durchweg<br />

positiv.<br />

rs<br />

Kanalstr.<br />

Kath.<br />

Schlosskirche<br />

Bayreuth<br />

Ludwigstr.<br />

Opernstr.<br />

Hofgarten<br />

Wölfelstr.<br />

Badstr.<br />

Bayreuth<br />

Maximilianstr. Richard-Wagner-Str.<br />

Hohenzollernring<br />

B2/B85<br />

Romanstr.

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