Nr. 79 - Sommer 2021
Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses" Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ? Rezept: Soufflé d'été au basilic
Île de Port-Cros: ein regelrechtes Juwel
Freizeitparks: Familienerlebnisse in Frankreich
Abbaye de Montmajour: durch die Vergangenheit der Provence
Amiens: Gartenfestival im "Venedig des Gemüses"
Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune
Debatte: Sacé-Cœur schützen oder abreißen ?
Rezept: Soufflé d'été au basilic
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DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN <strong>Nr</strong>. <strong>79</strong> · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong><br />
PROVENCE · FREIZEITPARKS · CÔTE D'AZUR · PARIS · HAUTS-DE-FRANCE<br />
Île de Port-Cros<br />
Von Schriftstellern, Naturschutz<br />
und einer zerrissenen Hose<br />
Freizeitparks<br />
Familienerlebnisse in Frankreich<br />
Paris<br />
Ein unglaubliches Hotelkonzept:<br />
jedes Zimmer ein Kinosaal!<br />
Abbaye de Montmajour<br />
Eine Reise durch die Vergangenheit<br />
der Provence<br />
Hortillonnages von Amiens<br />
Gartenfestival im « Venedig des Gemüses »<br />
Geschichte 150 Jahre Pariser Kommune<br />
Debatte Sacré-Cœur schützen oder abreißen?<br />
Rezept Soufflé d’été au basilic<br />
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EDITORIAL<br />
Liebe Leserin,<br />
lieber Leser,<br />
während wir die Arbeiten für dieses<br />
Magazin abschließen, wissen wir noch<br />
nicht, inwiefern wir in diesem <strong>Sommer</strong><br />
ungehindert verreisen können, ohne uns<br />
um Grenzen zu kümmern. Oder wird es nach wie vor<br />
Einschränkungen geben? Das kann noch niemand sagen.<br />
Trotz dieser Unsicherheit verspüren wir jedoch alle mehr<br />
denn je das Bedürfnis, uns in die Zukunft zu projizieren,<br />
an ein Ende der Krise zu glauben, uns auf<br />
den heiß ersehnten Moment vorzubereiten,<br />
an dem wir unsere Freiheit wiedererlangen.<br />
Bei der Vorbereitung dieser Ausgabe von<br />
Frankreich erleben haben wir erneut versucht,<br />
wirkliche Highlights in Frankreich<br />
aufzustöbern, die Ihnen vielleicht<br />
Inspirationen für zukünftige Reiseziele<br />
geben. Darüber hinaus ging es uns<br />
aber auch darum, das zu bestätigen,<br />
was wir seit mehr als einem Jahr<br />
spüren – und was zweifellos<br />
der Slogan für dieses Magazin<br />
sein könnte –, nämlich, dass<br />
Freiheit beim Lesen beginnt!<br />
Auf den folgenden Seiten geht es zunächst<br />
Richtung Süden, auf die wunderschöne<br />
Insel Port-Cros, die unbekannteste,<br />
aber vermutlich anziehendste der<br />
sogenannten Îles d’Or, die vor der Halbinsel<br />
Giens und dem Cap Bénat liegt. Sie<br />
werden dort drei Menschen kennenlernen,<br />
die zu ihrer Zeit ein sonderbares Trio bildeten,<br />
Vorreiter in Sachen Umweltschutz<br />
waren und das Schicksal der Insel<br />
veränderten.<br />
Wir bleiben im<br />
Süden, in der Provence,<br />
um Ihnen Lust auf einen<br />
Abstecher zur Abbaye de Montmajour<br />
zu machen. Zwischen Alpilles und<br />
Arles können Sie hinter den kühlen Mauern eine<br />
Reise durch die Vergangenheit der Region unternehmen.<br />
Im Norden des Landes, im Departement Somme, werden<br />
Sie einen weiteren Ort entdecken, dem ein erstaunliches<br />
Geschick widerfuhr: die Hortillonnages d’Amiens. Anbaukulturen<br />
inmitten von Kanälen machten im Laufe<br />
der Jahrhunderte die Stadt zum « Venedig des Gemüses<br />
». Heute ist diese Besonderheit der Rahmen<br />
für ein einzigartiges Gartenfestival, dessen<br />
Gründer Ihnen erklärt, wie es dazu kam.<br />
Von den anderen Themen, die Sie in dieser<br />
Ausgabe entdecken, empfehle ich<br />
Ihnen besonders unseren Artikel über<br />
die Pariser Kommune. Diese Periode<br />
vor genau 150 Jahren stellte eine völlig<br />
neuartige und intensive politische<br />
und soziale Erfahrung in Frankreich dar. Noch<br />
heute diskutieren die Franzosen leidenschaftlich<br />
darüber. Bei diesem Stichwort lege ich Ihnen auch<br />
unsere neue Rubrik über aktuelle Debatten im<br />
Hexagon ans Herz, in der es diesmal um Sacré-<br />
Cœur in Paris geht.<br />
Sie sehen also, Sie erhalten erneut unzählige Gelegenheiten<br />
zum Reisen, zumindest beim Lesen.<br />
Nutzen Sie diese Freiheit!<br />
Wir wünschen Ihnen einen ausgezeichneten <strong>Sommer</strong>.<br />
Bleiben Sie gesund!<br />
Titelbild: Blick auf den Hafen der Insel Port-Cros (Var).<br />
Jean-Charles Albert<br />
Chefredakteur<br />
jc.albert@frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 3
INHALT<br />
Île de Port-Cros · 26<br />
Buchhandel · 68<br />
Freizeitparks · 56<br />
Pariser<br />
Kommune · 72<br />
Hortillonnages von Amiens · 36<br />
Rezept · 90<br />
Abbaye de Montmajour · 48<br />
Trüffel · 64<br />
4 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Rennes<br />
Nantes<br />
68 · Bordeaux<br />
Unterwegs in Frankreich<br />
26 Île de Port-Cros<br />
Von Schriftstellern, Naturschutz und<br />
einer zerrissenen Hose<br />
Die Insel Port-Cros hat ein erstaunliches Schicksal, das<br />
eng mit einer Familie und mit Schriftstellern verbunden<br />
ist. Ihr Name wurde lange Zeit nur von Insidern unter der<br />
Hand weitergegeben, als wäre sie ein wertvoller Schatz,<br />
den es vor dem Massentourismus zu schützen gilt.<br />
36 Hortillonnages von Amiens<br />
Von einer verrückten Idee zum jährlichen Ereignis<br />
Die Hortillonnages sind ein unumgängliches Gartenfestival.<br />
Man besichtigt dabei Gärten, die auf kleinen Inseln inmitten<br />
von Kanälen liegen. Zu Fuß oder mit einem Elektroboot<br />
erhält der Besucher einen neuartigen, erholsamen und<br />
manchmal auch unkonventionellen Blick auf die Umwelt<br />
sowie auf Vergangenheit und Zukunft der Region.<br />
48 Abbaye de Montmajour<br />
Eine Reise durch die Vergangenheit der Provence<br />
Die Abbaye de Montmajour ist diskreter als Klöster wie<br />
Sénanque, Le Thoronet oder Silvacane. Dennoch ist sie<br />
bei einem Aufenthalt in der Region einen Besuch wert,<br />
denn ihre beeindruckende architektonische Vielfalt<br />
zeugt von einer fast achthundertjährigen Geschichte.<br />
56 Freizeitparks<br />
Familienerlebnisse in Frankreich<br />
In puncto Freizeitparks ist Frankreich mit mehr als<br />
hundert Anlagen sehr gut ausgestattet. Eine Übersicht<br />
über unsere bevorzugten Freizeitparks im Hexagon.<br />
60 Hotel<br />
Hôtel Paradiso, Paris<br />
Lille<br />
36 · Amiens<br />
Rouen<br />
94 · Waltenheim-sur-Zorn<br />
60, 72, 80 · Paris<br />
Straßburg<br />
92 · Angers<br />
Tours<br />
Dijon<br />
Lyon<br />
Montpellier<br />
48 · Arles<br />
Toulouse<br />
Marseille<br />
26 · Île de Port-Cros<br />
Frankreich heute<br />
64 Landwirtschaft<br />
Hurra, in Frankreich ist es gelungen, die begehrten<br />
weißen Trüffel zu züchten!<br />
Eine französische Baumschule und ein Forschungsinstitut haben<br />
es gemeinsam geschafft, die seltenste Trüffel der Welt zu züchten:<br />
die Weiße Trüffel (Tuber magnatum), die bis dato lediglich wild<br />
in einigen Wäldern des Piemont und des Balkans wuchs.<br />
68 Gesellschaft<br />
« Wie ich als Buchhändlerin die aktuelle<br />
Gesundheitskrise in Frankreich erlebe. »<br />
Hélène des Ligneris musste ihre Buchhandlung La Machine à<br />
Lire in Bordeaux während der durch die Coronavirus-Pandemie<br />
verursachten Ausgangsbeschränkungen mehrfach schließen.<br />
Sie spricht über ihre Erfahrungen und Gedanken …<br />
72 Geschichte: 150 Jahre Pariser Kommune<br />
Ein zwiespältiger Geburtstag für die Franzosen<br />
Die Franzosen erkennen zwar an, dass die Kommune ein<br />
wichtiger Teil ihrer Geschichte ist, dennoch entzündeten sich<br />
angesichts der Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag in diesem<br />
Jahr polemische Diskussionen, die davon zeugen, wie zwiespältig<br />
dieses geschichtliche Ereignis wahrgenommen wird.<br />
80 Debatte<br />
Soll man die Basilika Sacré-Cœur in Paris<br />
schützen oder abreißen?<br />
Man sagt, dass Franzosen Diskussion lieben. Zurzeit debattieren<br />
sie über ein sehr umstrittenes Thema: Soll man die<br />
Basilika Sacré-Cœur von Paris schützen oder abreißen?<br />
Art de vivre<br />
82 Der Comic: ein eigenständiges<br />
Medium in Frankreich (5)<br />
Idiss, von Richard Malka (Anwalt und Comicautor)<br />
Der Autor dieses Comics ist Anwalt und verteidigt beispielsweise<br />
das Satiremagazin Charlie Hebdo. Er ist ein unermüdlicher<br />
Verfechter der Meinungsfreiheit. Wir haben uns mit ihm über<br />
dieses Thema und über seinen letzten Comic unterhalten.<br />
90 Chantals Rezept<br />
Soufflé d’été au basilic<br />
92 Spirituosen<br />
Der Cointreau<br />
Diese kleine quadratische Flasche aus orange-braunem<br />
Glas ist seit jeher in nahezu allen französischen Haushalten<br />
zu finden. Sie ist eine Art Madeleine de Proust, also etwas,<br />
das automatisch bestimmte Erinnerungen auslöst.<br />
.<br />
94 Produkt<br />
Briefkästen für Frankreichliebhaber « made in Alsace »<br />
Barbara und Charly Hamm, zwei Gastronomen aus dem Elsass voller<br />
Ideen, stellen Briefkästen und Dekorationssets für Briefkästen her,<br />
die Anspielungen an verschiedene Regionen Frankreichs sind.<br />
3 Editorial<br />
6 On en parle<br />
12 On lit<br />
14 On lit en France<br />
20 On regarde<br />
22 On surfe<br />
24 On écoute<br />
67 Leserbriefe<br />
88 Nach bestellungen<br />
96 Guéwen a testé<br />
98 Impressum<br />
98 Vorschau<br />
Frankreich erleben im Internet: www.frankreicherleben.de<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 5
ON EN PARLE<br />
ZUG<br />
Bald wieder mit dem Nachtzug<br />
von Paris nach Nizza<br />
STÄDTETOURISMUS<br />
Entlang der blauen Linie durch<br />
Roubaix<br />
Die Idee ist einfach, man musste nur auf sie<br />
kommen. Um Touristen die Orientierung in der<br />
Stadt zu erleichtern, ließ die Stadtverwaltung<br />
von Roubaix (Nord) eine blaue Linie auf den<br />
Boden zeichnen, welche die verschiedenen<br />
Sehenswürdigkeiten verbindet. Auch ohne<br />
einen Plan zu studieren, kann man sich nicht<br />
mehr verlaufen und ist zudem sicher, nichts zu<br />
verpassen.<br />
HOTEL<br />
Ein 5-Sterne-Hotel & Spa<br />
ab 2024 in Colmar<br />
Eine solche Ankündigung mitten in<br />
der Coronaviruskrise bleibt nicht<br />
unbemerkt und hebt die Moral der<br />
Hotelbranche: Nicolas Decker, der<br />
Besitzer des großartigen Hotels<br />
La Cheneaudière in Colroy-la-<br />
Roche (Bas-Rhin) – das wir Ihnen in<br />
Frankreich erleben <strong>Nr</strong>. 61 vorgestellt<br />
haben – will laut eigenen Angaben<br />
eine « kleine Schwester » des<br />
5-Sterne-Hotels eröffnen. Das neue<br />
Hotel soll im Zentrum von Colmar, im<br />
Stadtteil « Klein-Venedig », in einem<br />
Park mit schönem Baumbestand<br />
entstehen. Geplant sind 25<br />
Suiten in einer Jugendstilvilla, ein<br />
luxuriöser Wellnessbereich sowie ein<br />
Außenpool. Die Eröffnung ist für 2024<br />
vorgesehen.<br />
Die historische Nachtzugverbindung zwischen Paris und<br />
Nizza wurde 2017 eingestellt. Inzwischen wird sie jedoch als<br />
ökologische Alternative zu Auto und Flugzeug eingestuft und<br />
wurde am 16. April <strong>2021</strong> wieder aufgenommen. Der Nachtzug<br />
startet um 20.52 Uhr vom Bahnhof Paris-Austerlitz und erreicht<br />
Nizza um 10.11 Uhr morgens. Die Reise für die 1088 km lange<br />
Strecke dauert 13 Std. und 19 Minuten. In der ersten Klasse<br />
bezahlt man im Liegewagen mit 4 Plätzen ab 39 Euro. Für<br />
die zweite Klasse (6 Liegeplätze) kostet ein Ticket ab 29 Euro,<br />
im Liegesitz ab 19 Euro. Vor der Ankunft in Nizza hält der<br />
Zug auch in Marseille, Toulon, Les Arcs Draguignan, Saint<br />
Raphaël Valescure, Cannes und Antibes. Es gibt täglich eine<br />
Verbindung in beide Richtungen. Die alten Waggons wurden<br />
mit einem Budget von 100 Millionen Euro auf den neuesten<br />
Stand gebracht, um die 12-stündige Reise für die Fahrgäste<br />
bequemer und angenehmer zu gestalten.<br />
LABEL<br />
Villeurbanne ist die erste Kulturhauptstadt<br />
Frankreichs<br />
Villeurbanne (Rhône) ist eine Stadt im Großraum von Lyon<br />
und wurde nun mit dem Label Capitale française de la<br />
culture ausgezeichnet. Dieses Label wurde erstmals vom<br />
Kulturministerium verliehen, um ein bestehendes kulturelles<br />
Engagement zu unterstützen. Mit einem Festival de rue, einer<br />
École nationale de musique, einem Institut de l’art contemporain<br />
und einem Maison du livre, de l’image et du son<br />
stellt Villeurbanne bereits eine ambitionierte<br />
Kulturpolitik unter Beweis. Ein schöner Erfolg<br />
für eine Stadt mit nur 150 000 Einwohnern.<br />
Im Jahr 2022 wird Villeurbanne also dieses<br />
Label tragen, das von einer Finanzspritze in<br />
Höhe von einer Million Euro begleitet wird.<br />
6 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
NOTRE-DAME DE PARIS<br />
2000 Eichen für den Wiederaufbau des Dachstuhls<br />
Mit der Entscheidung, den durch ein Feuer am 15. April 2019<br />
komplett zerstörten Dachstuhl der Kathedrale Notre-Dame<br />
de Paris « identisch » wiederherzustellen, verpflichtete sich die<br />
Regierung gleichzeitig, den Zimmerleuten 2000 französische<br />
Eichen für die kolossalen Arbeiten zu liefern. Anfang März<br />
wurden im Staatswald von Bercé (Sarthe) die ersten acht<br />
Bäume geschlagen. Sie sind mehrere Hundert Jahre alt und<br />
haben außergewöhnliche Ausmaße. Baum Nummer 1 hat<br />
einen Durchmesser von über einem Meter und mehr als 20<br />
Meter nutzbares Stammholz. Er soll als einer von sechs langen<br />
Balken den « Sockel » der Turmspitze tragen. Aus den sieben<br />
anderen sollen Teile für das Gebälk der Turmspitze und des<br />
Querschiffs entstehen. Die 1992 restlichen Bäume werden in<br />
den nächsten Monaten im ganzen Land gefällt, in Sägewerken<br />
zugeschnitten und müssen anschließend 12 bis 18 Monate<br />
lang trocknen, bis das Holz eine Feuchtigkeit von unter 30 %<br />
erreicht hat. Die 2000 Eichen entsprechen 0,1 % der jährlich in<br />
Frankreich abgeholzten Eichen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 7
ON EN PARLE<br />
POLEMIK<br />
Einige Museen verzichten auf<br />
römische Zahlen<br />
Die Information hätte unbemerkt bleiben können,<br />
wäre da nicht die Verbundenheit der Franzosen zu<br />
bestimmten « Traditionen »: Das Pariser Musée<br />
Carnavalet berichtete über die Entscheidung, die<br />
römischen Zahlen auf den Infotafeln teilweise<br />
durch arabische zu ersetzen. Kurze Zeit später<br />
kündigte auch das Musée du Louvre an, für die<br />
Angabe der Jahrhunderte keine römischen<br />
Zahlen mehr zu verwenden, da « Ausländer und<br />
viele Franzosen sie nicht entziffern können ».<br />
Die Könige werden im Louvre gegenüber den<br />
Jahrhunderten offensichtlich bevorzugt, denn<br />
auf den dortigen Tafeln ist immer noch von Henri IV<br />
und Louis XIV die Rede, während man sich im Musée<br />
Carnavalet hier ebenfalls an Schreibweisen wie Henri 4<br />
und Louis 14 gewöhnen muss. Da jedoch die kontroverse<br />
Auseinandersetzung diesbezüglich gerade erst beginnt,<br />
wird man von diesem Thema vermutlich noch mehr hören …<br />
UMBAU<br />
Grand Palais wird schöner<br />
Das für die Weltausstellung im Jahr 1900 errichtete<br />
Ausstellungsgebäude Grand Palais liegt am Seineufer im Herzen<br />
von Paris. Jetzt wurde es für umfangreiche Renovierungsarbeiten<br />
geschlossen. Im Frühjahr 2024 wird der Grand Palais teilweise<br />
wieder öffnen, damit Teile des Hauptschiffs während<br />
der Olympischen und Paralympischen Spiele zugänglich<br />
sind. Im Frühjahr 2025 sollen dann die Arbeiten komplett<br />
abgeschlossen sein. Das Projekt ist bereits vor 10 Jahren<br />
aufgrund schwerwiegender Schäden beschlossen, jedoch Ende<br />
2020 überarbeitet worden. Das neue Konzept ist « schlichter<br />
und umweltfreundlicher ». Ziel ist vor allem, den Feuerschutz<br />
im Gebäude zu verbessern, die 2016 begonnenen Arbeiten an<br />
den Dächern (20 000 von 35 000 m² sind bereits renoviert) zu<br />
vollenden und neue Besichtigungsrundgänge einzurichten.
UMWELT<br />
Immer weniger Schnee in den<br />
Alpen<br />
Eine jüngst erfolgte länderübergreifende<br />
Analyse hat die Daten von 2000 Schneemess-<br />
Stationen im Alpenraum von Frankreich, Italien,<br />
Deutschland, Slowenien und der Schweiz<br />
wissenschaftlich erfasst und ausgewertet.<br />
Dabei wurde offiziell bestätigt, was bereits<br />
seit Langem offensichtlich ist: Seit 50 Jahren<br />
liegt in tieferen und mittleren Lagen der Alpen<br />
immer weniger Schnee. Je nach Höhenlage<br />
und Region hat sich die Anzahl der Schneetage<br />
in der Zeit von 1971 bis 2019 um 22 bis 34 Tage<br />
verkürzt.<br />
UMWELT<br />
ARCHITEKTUR<br />
Pritzker-Preis für die<br />
Franzosen Anne<br />
Lacaton und<br />
Jean-Philippe Vassal<br />
Der Pritzker-Preis ist in der Architektur das, was der<br />
Nobel-Preis in der Literatur ist. <strong>2021</strong> wurde er an Anne<br />
Lacaton und Jean-Philippe Vassal für die Gesamtheit<br />
ihrer Bauwerke vergeben. Dazu gehören das Museumsund<br />
Ausstellungsgebäude Palais de Tokyo in Paris,<br />
der Regionalfonds für zeitgenössische Kunst FRAC in<br />
Dünkirchen (Nord) und die Architekturschule in Nantes<br />
(Loire-Atlantique). Die beiden Architekten sind international<br />
für günstige Lösungen bekannt, die « das menschliche<br />
Leben durch Großzügigkeit und Freiheit » verbessern. Die<br />
Preisträger wurden von der Jury dafür gelobt, dass « ihre<br />
Arbeit die klimatischen und ökologischen Anforderungen<br />
unserer Zeit sowie soziale Dringlichkeiten, vor allem im<br />
städtischen Wohnungsbau, berücksichtigt, und darüber<br />
hinaus den Hoffnungen und Träumen unserer Zeit, die<br />
Lebensqualität vieler Menschen zu verbessern, neuen<br />
Auftrieb verleiht ».<br />
Bald Falken auf dem Dach<br />
des Straßburger Münsters<br />
Um die Zahl der Tauben rund um das<br />
ehrwürdige Gebäude zu reduzieren,<br />
wurde in der Turmspitze des<br />
Straßburger Münsters ein Nistkasten für<br />
Wanderfalken installiert. Ein solcher<br />
Vogel war beobachtet worden, wie<br />
er regelmäßig in der Umgebung des<br />
Gebäudes Tauben jagte. Damit er<br />
sich dauerhaft dort niederlässt,<br />
wurde direkt in der Turmspitze in<br />
einer Höhe von 113 Metern ein<br />
Richtung Nordosten ausgerichteter,<br />
maßgefertigter Nistkasten<br />
installiert. Die Straßburger<br />
hoffen, dass darin bald ein<br />
Falkenpaar sein Nest einrichtet.<br />
Die Vorgehensweise ist in der<br />
Region nichts Neues, denn in<br />
der etwas südlicher gelegenen<br />
Stadt Illkirch-Graffenstaden<br />
gibt es auf der Kirche Saint-<br />
Symphorien bereits seit<br />
einigen Jahren einen<br />
solchen Nistkasten. Dort<br />
hat sich inzwischen<br />
ein Wanderfalkenpaar<br />
eingenistet, und die<br />
Taubenpopulation ist in<br />
der Tat zurückgegangen.
ON EN PARLE<br />
STREET-ART<br />
Marseille kreiert einen Street-Art-Parcours<br />
Einer Initiative aus dem gemeinnützigen Sektor von Marseille ist es<br />
zu verdanken, dass die Stadt sich vielleicht bald einen Namen bei<br />
Liebhabern von Street-Art macht. Bereits heute existiert zwar in<br />
mehreren Stadtvierteln eine ganze Anzahl von derartigen Werken<br />
– die darüber hinaus oft von renommierten Künstlern kreiert<br />
wurden –, doch die meisten sind bisher nur den Einwohnern selbst<br />
bekannt. Derzeit wird eine Karte mit einem Rundgang durch die<br />
Stadt erstellt, welcher die Kunstwerke miteinander verbindet.<br />
Berücksichtigt wird zudem die Möglichkeit, mit öffentlichen<br />
Verkehrsmitteln vom Stadtzentrum bis in die entfernteren<br />
Stadtviertel zu gelangen. Auf diese Weise will sich Marseille auf<br />
internationaler Ebene als Akteur im Bereich Street-Art profilieren.<br />
Wir werden die konkrete Umsetzung des Projekts verfolgen und Sie<br />
auf dem Laufenden halten.<br />
ARCHITEKTUR<br />
Musée des Tissus in Lyon wird von Rudy Ricciotti neu eingekleidet<br />
Die Region Auvergne-Rhône-Alpes hat als Eigentümerin die<br />
Umgestaltung des bereits seit zwei Jahren geschlossenen<br />
Musée des Tissus dem Architekten Rudy Ricciotti übertragen.<br />
Der Architekt, der unter anderem für das MuCEM in Marseille<br />
und das Zentrum für Tanz und Theater Pavillon Noir in Aix-en-<br />
Provence bekannt ist, beschloss, die Renovierung der beiden<br />
historischen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert mit einem<br />
neuen Bau zu kombinieren. Die Fassade wird mit « Lamellen »<br />
aus Ultrahochleistungs-Faserbeton verkleidet, da dies eines<br />
der bevorzugten Materialien von Rudy Ricciotti ist.<br />
RANGLISTE<br />
Baguette auf dem Weg<br />
zum Weltkulturerbe?<br />
Es ist schwierig, etwas zu finden, das<br />
« französischer » als ein Baguette ist. Von<br />
der klassischen Variante, dem sogenannten<br />
Baguette tradition, werden in Frankreich täglich<br />
mehr als sechs Millionen Stück verkauft. Das<br />
französische Kulturministerium, das bei der<br />
UNESCO die offiziellen Bewerber Frankreichs für<br />
eine Klassifizierung als Weltkulturerbe einreicht,<br />
hat daher beschlossen, nicht die Zinkdächer von<br />
Paris oder das Fête vinicole in Arbois, sondern das<br />
« Nationalbrot » der Franzosen, also das Baguette,<br />
vorzuschlagen. Die Entscheidung der UNESCO wird<br />
bis Herbst 2022 erwartet.<br />
10 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
BOTANISCHER GARTEN<br />
Berühmte Palme in den Serres d‘Auteuil (Paris) geopfert<br />
Die treuesten unserer Leser wissen gut, dass der botanische Garten Serres d‘Auteuil einer unserer<br />
Lieblingsplätze in Paris ist. Wir sind diesem Ort umso mehr verbunden, als dass wir ihn in der<br />
allerersten Ausgabe von Frankreich erleben vorgestellt haben. Im größten der Gewächshäuser, das<br />
von Gustave Eiffel errichtet wurde, thronte bislang eine wunderschöne, 15 m hohe Palme der Spezies<br />
Phoenix canariensis (siehe nebenstehendes Foto aus der damaligen Reportage). Mit ihrem stolzen<br />
Alter von 80 Jahren war sie der Star des<br />
Ortes. Allerdings drohten ihre Palmwedel<br />
die historischen Glasfenster aus dem Jahr<br />
1898 zu beschädigen und machten zudem<br />
anderen Gewächsen Schatten. Da Palmen<br />
lediglich aus ihrem sogenannten Herzen in der<br />
Palmspitze austreiben, ist es unmöglich, sie zu<br />
stutzen oder auszulichten. Aus diesem Grund<br />
wurde entschieden, die Palme zu fällen und<br />
damit zu opfern. Dabei wurde kein anderer<br />
Baum im Gewächshaus beschädigt, und<br />
andere Pflanzen können sich seither besser<br />
ausbreiten und wachsen. Die Gärtner sind<br />
der Ansicht, dass in einigen Jahren ein neues<br />
Blätterdach das Gewächshaus zieren wird. Als<br />
Erinnerung an diese wunderschöne Palme<br />
wurden jedoch einige Palmwedel aufbewahrt,<br />
die jetzt die anderen Gewächshäuser<br />
verschönern.<br />
MUSEUM<br />
Es heißt jetzt nicht mehr nur<br />
« Musée d‘Orsay »<br />
Jetzt ist es offiziell: Das am Ufer der Seine<br />
gelegene Musée d‘Orsay heißt ab sofort Musée<br />
d‘Orsay Giscard d’Estaing. Damit trägt es den<br />
Namen des im letzten Jahr verstorbenen<br />
Präsidenten, der Frankreich von 1974 bis<br />
1981 regierte. Der Gare d‘Orsay war allerdings<br />
bereits während der Präsidentschaft seines<br />
Vorgängers, des von 1969 bis 1974 regierenden<br />
Georges Pompidou, als Monument historique<br />
klassifiziert worden, um in ein Museum<br />
verwandelt zu werden. Das Kultusministerium<br />
begründet die Hommage an Giscard d‘Estaing<br />
jedoch damit, dass « die offizielle Entscheidung<br />
für den Beginn der Arbeiten und die Widmung als Museum für die Kunst des 19. Jahrhunderts auf die<br />
Entschlossenheit von Valéry Giscard d‘Estaing im Jahr 1977 zurückgeht ». Dass solche Namenszusätze<br />
Tradition haben, kann man an einigen berühmten Gebäuden in der Umgebung erkennen: Musée<br />
national d‘art moderne Centre Pompidou, Bibliothèque nationale de France (BNF) François<br />
Mitterrand, Musée des arts premiers du Quai Branly Jacques Chirac … Aus praktischen Gründen<br />
nutzen viele Franzosen im Alltag jedoch meist nur den ursprünglichen Namen dieser Museen ohne<br />
den Namenszusatz des Präsidenten. Insofern ist es eher eine verwaltungstechnische Änderung.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 11
ON LIT<br />
ROMAN<br />
Sieben Tage Windstille<br />
Laure Limongi, Originaltitel: On ne peut pas tenir la mer entre ses mains, übersetzt<br />
von Valerie Schneider, Mare, 288 Seiten, ISBN 978-3866486515<br />
Die Geschichte der kleinen Huma Benedetti ist die eines braven, korsischen Mädchens mit<br />
einer etwas anderen Kindheit. Huma lebt in einem schönen, lichtdurchfluteten Haus oberhalb<br />
von Bastia. Auf den ersten Blick könnte man meinen, sie sei von der Liebe ihrer Eltern, ihrer<br />
Großmutter und sogar ihrer Urgroßmutter umgeben. Huma könnte eigentlich sehr glücklich<br />
sein, wenn nicht über allem ein Geheimnis lasten würde. Schon früh ahnt sie, dass in dieser<br />
scheinbar so normalen Familie irgendetwas nicht stimmt. Warum versteckt ihre Mutter zum<br />
Beispiel immer eine Waffe unter ihrer Kleidung? Warum spricht man zu Hause niemals über<br />
den Beruf der Eltern? Weil diese – wie Huma später herausfindet – militante Freiheitskämpfer<br />
sind, Mitglieder der Front de Libération Nationale Corse (FNLC), einer radikalen nationalistischen Bewegung, die<br />
für die Unabhängigkeit Korsikas kämpft. Laure Limongi, die selbst von der Île de Beauté stammt, behandelt<br />
in ihrem ersten ins Deutsche übersetzten Roman ein Thema, über das nur wenige Korsen offen sprechen: die<br />
Omertà, das Gesetz des Schweigens. Die Autorin geht dabei über den Schmerz einer gestohlenen Kindheit<br />
hinaus, sie will Fragen beantworten, nachdenklich stimmen. Ein großer, ausdrucksstarker Roman einer Frau, die<br />
ihre Insel trotz allem zutiefst liebt und sich nicht darauf beschränkt, vorschnell zu urteilen, sondern Lust darauf<br />
macht, die Hintergründe zu verstehen. Fesselnd!<br />
BRIEFROMAN<br />
Briefe an seine Nachbarin<br />
Marcel Proust, Originaltitel: Lettres à sa voisine, übersetzt von Bernd Schwibs,<br />
herausgegeben von Estelle Gaudry und Jean-Yves Tadié mit einem Essay<br />
von Andreas Maier, Insel Verlag, 117 Seiten, ISBN 978-3458195009<br />
Zu den Schriftstücken von Marcel Proust (1871-1922), die in den letzten Jahren in<br />
Frankreich aufgetaucht sind (siehe unseren Hinweis in der Rezension des Buches<br />
Céleste et Marcel, un amour de Proust in der Rubrik On lit en France), gehören auch<br />
diese Briefe an seine Nachbarin. Sie stellen eine erstaunliche Entdeckung dar,<br />
die viel über den Alltag des berühmten Dichters verrät. Es handelt sich dabei um<br />
dreiundzwanzig von Proust verfasste Briefe an die bis dato unbekannte Marie<br />
Williams sowie drei Briefe an deren Ehemann. Proust wohnte in der dritten Etage<br />
des Gebäudes Boulevard Haussmann <strong>Nr</strong>. 102 (VIII. Pariser Arrondissement), das<br />
Ehepaar im selben Gebäude in der vierten Etage, also genau darüber. Madame<br />
Williams war mit einem amerikanischen Zahnarzt verheiratet, dessen Praxis sich wiederum unter<br />
dem Zimmer befand, das der kranke und geräuschempfindliche Autor bewohnte … Handelte es sich<br />
beim Absender nicht um Marcel Proust, täte man diesen Briefwechsel vermutlich als unbedeutende<br />
Korrespondenz zwischen Nachbarn ab, bei der es um eine Beschwerde wegen Lärms geht. Der Name<br />
Proust verleiht den Briefen jedoch verständlicherweise eine andere Dimension. Bei der Lektüre offenbart<br />
sich dem Leser das Talent, mit dem der Schriftsteller versucht, die Frau, die den Schlüssel für seine Ruhe<br />
besitzt, zu bezaubern. Er sprüht nur so vor Humor, gibt sich charmant, spricht stilvoll über leichte Themen<br />
wie Musik, denn er weiß – es ist nicht zu überhören –, dass Madame Williams Harfe spielt. Und auch<br />
ernstere, persönlichere Themen kommen zur Sprache, beispielsweise die Einsamkeit, die Proust bei seiner<br />
Nachbarin vermutet, während ihr Mann arbeitet. Das Buch bietet die seltene Gelegenheit nachzuvollziehen,<br />
wie ein Schriftsteller auf seine ganz eigene Weise in einem simplen « Nachbarschaftsstreit » vorgeht. Schade<br />
nur, dass man die Antworten von Madame Williams nicht kennt.<br />
12 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
GESCHICHTE UND AKTUALITÄT<br />
Notre-Dame, die Seele Frankreichs<br />
Agnès Poirier, Originaltitel: Notre-Dame. The Soul of France, übersetzt aus dem<br />
Englischen von Monika Köpfer, Insel Verlag, 239 Seiten, ISBN 978-3458178774<br />
Agnès Poirier stammt aus Paris. Die Schriftstellerin und Journalistin pendelt heute zwischen<br />
Paris und London und schreibt unter anderem für The Guardian, The Observer und die<br />
New York Times. Nach dem Brand der Kathedrale Notre-Dame de Paris am 15. April 2019,<br />
der auf der ganzen Welt emotionale Reaktionen auslöste, verspürte sie das Bedürfnis, der<br />
Kathedrale ein Werk zu widmen, in dem sie im Verlauf von zehn Schlüsselereignissen die<br />
Geschichte dieser Kirche und die seit Jahrhunderten bestehende, enge Beziehung der<br />
Franzosen zu ihr erzählt. Ein sehr umfassend belegter Text, mit unzähligen unbekannten<br />
Anekdoten, den man neugierig und mit Vergnügen liest. Lehrreich!<br />
HISTORISCHE ERMITTLUNGEN<br />
KRIMINALROMAN<br />
Bretonische Idylle, Kommissar<br />
Dupins zehnter Fall<br />
Jean-Luc Bannalec, Kiepenheuer & Witsch, 320 Seiten,<br />
ISBN 978-3462054019. Erscheint am 15.06.<strong>2021</strong><br />
Einmal mehr erfüllt Jean-Luc Bannalec – ein<br />
humorvoll als Anspielung auf die Bretagne<br />
gewähltes Pseudonym des deutschen<br />
Schriftstellers, Übersetzers und Verlegers<br />
Jörg Bong – die Erwartungen der Fans des<br />
berühmtesten aller bretonischen Kommissare,<br />
Georges Dupin. Auch in Dupins zehntem Fall ist<br />
es nicht nur die Handlung voller unerwarteter,<br />
geschickt konstruierter Wendungen, die den<br />
Erfolg dieses Krimis ausmacht. Wie immer<br />
quillt das Buch von kleinen Details und<br />
« typisch französischen »<br />
Verhaltensweisen nur<br />
so über. Das ist kein<br />
Wunder, denn der Autor<br />
kennt die Bretagne fast<br />
wie seine Westentasche,<br />
da er zwischen Frankfurt<br />
a. M. und dem Süden<br />
des Finistère pendelt.<br />
Diesmal spielt die<br />
Geschichte auf der<br />
Trauminsel Belle-Île<br />
(Morbihan). Erneut ein<br />
großer Dupin, ein großer<br />
Bannalec und ein großer<br />
Bong! Davon möchten<br />
wir noch mehr!<br />
Hôtel Provençal, eine<br />
Geschichte der Côte<br />
d’Azur<br />
Lutz Hachmeister, C. Bertelsmann,<br />
240 Seiten, ISBN 978-3570104323<br />
Oberhalb des Pinienwalds<br />
des Seebades Juan-les-<br />
Pins thront seit 44 Jahren<br />
die verlassene Ruine des<br />
ehemaligen Luxushotels Le<br />
Provençal. Hier logierten einst<br />
Gäste wie Winston Churchill,<br />
Lilian Harvey, Charlie Chaplin<br />
und Miles Davis; galt es doch zu<br />
seiner Eröffnung 1927 als die modernste und aufregendste<br />
Herberge der Côte d’Azur. Lutz Hachmeister hat für dieses<br />
Buch – fast wie ein Ermittler – beachtliche Nachforschungen<br />
angestellt. Er erweckt darin einen legendären Hotelkomplex<br />
mit 280 Zimmern wieder zum Leben, der in den Goldenen<br />
Zwanzigerjahren ein Prunkstück unter den Hotels der<br />
Côte d’Azur war. Seit der Schließung aus wirtschaftlichen<br />
Gründen im Jahr 1976 lässt das Hôtel Provençal den<br />
Menschen der Region keine Ruhe und steht wie ein<br />
Geisterhaus in der provenzalischen Landschaft von<br />
Juan-les-Pins. Man hat beinahe den Eindruck, als hoffe<br />
dieses Gebäude, das Zeugnis vieler Verrücktheiten –<br />
und Versäumnisse – der « French Riviera » war, immer<br />
noch auf ein zweites Leben. Bisher hat sich kein anderer<br />
französischer Journalist so eingehend mit diesem Hotel<br />
beschäftigt. Aufschlussreich!<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 13
ON LIT EN FRANCE<br />
Unsere Auswahl an Büchern, über die man<br />
zurzeit in Frankreich spricht<br />
ROMAN<br />
ESSAY<br />
Les visiteurs<br />
du soir<br />
Renaud Revel,<br />
Plon, 352 Seiten,<br />
ISBN<br />
978-2259265119<br />
Wer hat<br />
nicht schon<br />
einmal davon<br />
geträumt, zu<br />
wissen, was<br />
an einem Ort,<br />
an dem die<br />
Macht regiert<br />
– beispielsweise<br />
im Elysée-Palast, dem Sitz des französischen<br />
Staatspräsidenten –, abends vor sich geht,<br />
wenn die Angestellten und Berater nach Hause<br />
gegangen sind? Genau für diese sogenannten<br />
Visiteurs du soir, die abendlichen Besucher,<br />
interessiert sich der Journalist Renaud Revel in<br />
diesem Essay. Frauen und Männer aus Politik,<br />
Kultur, Medien oder Unternehmen werden<br />
außerhalb des offiziellen Terminplans in den<br />
Elysée-Palast eingeladen. Oftmals betreten<br />
sie ihn über verborgene Türen, um mit dem<br />
Präsidenten in dessen Büro oder Privaträumen<br />
über bestimmte Themen zu diskutieren und ihn in<br />
wichtigen aktuellen Fragen zu beraten. Eine Praxis,<br />
die – so erfährt man – fest in der französischen<br />
Politik verankert ist und Fragen über die kleinen<br />
und großen Geheimnisse der Republik aufwirft.<br />
Céleste et Marcel, un amour de Proust<br />
Jocelyne Sauvard, Éditions du Rocher, 336 Seiten, ISBN 978-2268105192<br />
Marcel Proust (1871-1922) sorgt 150 Jahre nach seiner Geburt<br />
immer noch für literarische Schlagzeilen in Frankreich: Perfekt<br />
auf diesen « runden Geburtstag » abgestimmt stieß der Verlag<br />
Gallimard in seinen Archiven auf ein unveröffentlichtes Manuskript:<br />
einen der zahlreichen Entwürfe von Auf der Suche nach der<br />
verlorenen Zeit, der nun unter dem Titel Les Soixante-quinze<br />
feuillets veröffentlicht wurde. Eine literarische Überraschung, die in<br />
Frankreich viel von sich reden macht. Wie Sie sich denken können,<br />
ist dies nicht das einzige Proust gewidmete Werk, das anlässlich<br />
dieses Jahrestages erschienen ist. Das Buch, das wir Ihnen hier<br />
vorstellen, ist besonders interessant, denn ohne ein Kenner des<br />
Schriftstellers und seiner Werke sein zu müssen, verschafft es<br />
durch die romanhafte und flüssige Darstellung einen Einblick<br />
in den eigenartigen Alltag des Dichters in seinen vier letzten<br />
Lebensjahren. Proust ist 47 Jahre alt, leidet unter schrecklichen<br />
Asthmaanfällen und lebt zurückgezogen in einem Zimmer in Paris.<br />
Dennoch widmet er sich hingebungsvoll der Vollendung seines<br />
Buches Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Jocelyne Sauvard<br />
hegt zwar eine Begeisterung für Proust, lässt uns in ihrem Werk<br />
aber vor allem eine außergewöhnliche Frau entdecken, die im<br />
Schatten des berühmten Schriftstellers<br />
lebt: Céleste. Sie ist einerseits<br />
seine Haushälterin, andererseits<br />
aber auch Freundin und Vertraute<br />
mit einer bewundernswerten<br />
Selbstlosigkeit. Céleste ist der<br />
Dreh- und Angelpunkt dieser gut<br />
belegten Geschichte von einer<br />
wunderschönen Beziehung<br />
zwischen einer mütterlichen und<br />
aufopferungsvollen Frau und<br />
einem kranken, verbrauchten<br />
Schriftsteller. Eine interessante<br />
Betrachtung der manchmal<br />
schmalen Gratwanderung<br />
zwischen Liebe und Freundschaft.<br />
14 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
ERZÄHLUNG<br />
Être un chêne, sous l’écorce<br />
de Quercus<br />
Laurent Tillon, Actes Sud, 318 Seiten,<br />
ISBN 978-2330144951<br />
Peter Wohlleben, der Autor des in<br />
Frankreich sehr erfolgreichen Buches Das<br />
geheime Leben der Bäume, und Laurent<br />
Tillon hätten sich viel zu erzählen und<br />
würden vermutlich schnell Freunde<br />
werden: Beide sind Förster und hegen<br />
dieselbe Leidenschaft für die Kommunikationsfähigkeit der<br />
Bäume. In diesem wunderschönen Buch erzählt Laurent Tillon<br />
von der engen Beziehung, die er seit seiner Jugend zu « seiner »<br />
Eiche hat, einer 240 Jahre alten Eiche im Wald von Rambouillet. Er<br />
nennt sie Quercus. Beim Lesen erfährt man nicht nur mehr über<br />
die erstaunliche Art, wie Bäume miteinander kommunizieren und<br />
interagieren – wie es Peter Wohlleben ebenfalls so schön beschreibt<br />
–, sondern auch über die Geschichte und Entwicklung des<br />
französischen Waldes. Ein Buch voller überraschender Ereignisse<br />
und Abenteuer, zwischen Wissenschaft, Poesie und Philosophie,<br />
das neugierig macht und den Leser in Staunen versetzt. Ein Buch,<br />
das man am besten unter seinem Lieblingsbaum liest!<br />
ERZÄHLUNG<br />
L’homme-chevreuil, sept ans de vie sauvage<br />
Geoffroy Delorme, Éditions Les Arènes, 254 Seiten, ISBN 9<strong>79</strong>-1037502810<br />
Auch dieses Buch vermittelt einen anderen Blick auf den Wald<br />
und seine Bewohner: Geoffroy Delorme war noch keine 20 Jahre<br />
alt, als er in einem Wald in der Normandie ein neugieriges und<br />
verspieltes Reh sah. Mensch und Tier fassten auf erstaunliche<br />
Weise Zutrauen zueinander. Das ging so weit, dass der junge<br />
Mann beschloss, sein Leben einschneidend zu verändern. Er<br />
wollte vollständig in den Wald eintauchen,<br />
dort leben und das Verhalten<br />
von Rehen und anderen Tieren<br />
beobachten, um dadurch zu<br />
lernen, wie man in diesem<br />
manchmal feindlichen Umfeld<br />
überlebt. Eine Erfahrung, die am<br />
Ende sieben Jahre dauerte! Der<br />
Autor erzählt mit unglaublicher<br />
Demut und Zurückhaltung von<br />
diesem erstaunlichen Leben.<br />
Das Buch ist mit viel Zartgefühl<br />
geschrieben und tut einfach gut!<br />
ROMAN<br />
Des diables et<br />
des saints<br />
Jean-Baptiste Andrea,<br />
Éditions L’iconoclaste,<br />
320 Seiten, ISBN<br />
978-2378801748<br />
Auf Jean-Baptiste<br />
Andrea wurde<br />
man vor allem<br />
2019 durch<br />
sein Buch Ma Reine aufmerksam, das nicht<br />
weniger als 12 Literaturpreise erhielt. In<br />
seinem neuen Roman geht es wiederum um<br />
die Vielschichtigkeit des Lebens. Man macht<br />
Bekanntschaft mit Joseph, einem alten<br />
Einzelgänger, der auf Bahnhofsklavieren vor<br />
gleichgültigen Reisenden auf virtuose Art<br />
Stücke von Beethoven zum Besten gibt. Doch<br />
dahinter verbirgt sich eine sowohl schreckliche<br />
als auch wunderbare Vergangenheit. Eine<br />
Vergangenheit, die – wie viele Leben – durch<br />
die Kindheit geprägt und seither nicht einfach<br />
ist, genauer gesagt, seit Joseph in einem<br />
Waisenhaus in den Pyrenäen lebte. Jean-<br />
Baptiste Andrea lässt uns an der persönlichen<br />
Geschichte dieses Mannes, an seinem<br />
unglaublichen menschlichen Reichtum,<br />
teilhaben. Dabei wären vermutlich auch wir<br />
einfach an Joseph vorbeigegangen, hätten wir<br />
ihn auf einem Bahnhof tatsächlich getroffen.<br />
Berührend und treffend!<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 15
ON LIT EN FRANCE<br />
ROMAN<br />
La Sainte-Touche<br />
Djamel Cherigui, Éditions Jean-Claude Lattès, 224 Seiten, ISBN 978-709667371<br />
Djamel Cherigui ist 34 Jahre alt und Lebensmittelhändler in Roubaix<br />
(Nord). Seinen eigenen Worten nach war sein Leben « beschissen »,<br />
bis er hinter seiner Kasse beim Warten auf den nächsten Kunden<br />
die Literatur entdeckte. La Sainte-Touche ist sein erster Roman. Ein<br />
starkes Buch, das einerseits ein sehr realistisches Bild vom Leben<br />
unter schwierigen Bedingungen (Armut, Improvisationskunst,<br />
Schmuggel aller Art …) vermittelt und andererseits eine<br />
kommunikative Lebensfreude ausstrahlt. Man spürt, wie viel<br />
Freude es dem Autor bereitet, beim Schreiben in eine andere Welt<br />
zu entfliehen. Vor allem spürt man, wie gerne er mit verschiedenen Stilen spielt,<br />
indem er zwischen Umgangssprache und einer sehr gehobenen Sprache hin und her<br />
springt. Ein nicht alltägliches Leseerlebnis, belebend, genussvoll und voller Humor.<br />
ROMAN<br />
Les enfants sont rois<br />
ERZÄHLUNG/BIOGRAFIE<br />
« Je vous ai tant aimés »<br />
Benjamin Castaldi, Les<br />
Éditions du Rocher, 288 Seiten,<br />
ISBN 978-2268104850<br />
<strong>2021</strong> jähren sich die<br />
Geburtstage von Simone<br />
Signoret (1921-1985) und<br />
Yves Montand (1921-1991)<br />
zum hundertsten Mal. Die<br />
beiden waren eines der<br />
legendärsten Paare des<br />
französischen Kinos und<br />
Chansons. Benjamin Castaldis Mutter, Catherine<br />
Allégret, ist die Tochter von Simone und wurde von<br />
Yves Montand adoptiert. In diesem Buch erinnert sich<br />
Benjamin Castaldi an das legendäre Paar, von der<br />
Zeit der Besatzung bis zum Fall der Berliner Mauer.<br />
Er erzählt von Filmsets und Variétébühnen und teilt<br />
viele Einzelheiten aus dem Leben dieser beiden<br />
außergewöhnlichen Persönlichkeiten mit dem Leser.<br />
Es ist nicht nur das Porträt zweier Menschen, die als<br />
sehr anziehend bekannt waren, sondern auch das<br />
Porträt ihres Engagements, das uns Details über die<br />
politische Linke, den Kommunismus und das Ende<br />
der kommunistischen Überzeugung in Frankreich<br />
vermittelt. Lehrreich!<br />
Delphine de Vigan, Gallimard, 352 Seiten,<br />
Gallimard, ISBN 978-2072915819<br />
In Les enfants sont rois bleibt Delphine de Vigan ihrem<br />
präzisen Blick auf die französische Gesellschaft treu.<br />
Sie greift darin Ausschweifungen unserer heutigen<br />
Zeit, wie fehlendes Schamgefühl, Exhibitionismus,<br />
übermäßige und bedingungslose Darstellung der<br />
banalsten und persönlichsten Angelegenheiten, auf.<br />
Dafür lässt uns die Autorin in Form eines regelrechten<br />
Thrillers in die unbekannte Welt des Reality-TV<br />
eintauchen. Genauer gesagt in die Welt von Kindern,<br />
die von ihren Eltern von einem Tag auf den anderen<br />
zu « Ministars » gemacht werden – zu sogenannten<br />
« Influencern » auf<br />
Nischenkanälen –,<br />
deren Alltag rund um<br />
die Uhr gefilmt und in<br />
sozialen Netzwerken<br />
oder auf YouTube<br />
ausgestrahlt wird.<br />
Das Buch ist sehr<br />
aufschlussreich, lässt<br />
Empörung aufkommen<br />
und regt zum<br />
Nachdenken an.<br />
16 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
ROMAN<br />
L’avantage<br />
Thomas André, Éditions Tristram, 164 Seiten,<br />
ISBN 978-2367190808<br />
Die Handlung dieses zwar kurzen, aber intensiven<br />
Romans ist rund um ein Tennisturnier im Süden<br />
Frankreichs angelegt. Der 17-jährige Marius<br />
nimmt daran teil. Zwischen<br />
dem Wettkampf auf dem<br />
Tenniscourt und seinen<br />
Freunden im « normalen<br />
Leben » fällt es ihm oft<br />
schwer, seinen Platz zu<br />
finden. Was verständlich<br />
ist! Ein schöner Roman,<br />
bei dem man viel über die<br />
zahlreichen Widersprüche<br />
im Leben lernt.<br />
HISTORISCHER ROMAN<br />
La fille de Napoléon<br />
Bruno Fuligni, Éditions<br />
Les Arènes, 272 Seiten,<br />
ISBN 9<strong>79</strong>-1037502773<br />
Anlässlich des 200.<br />
Jahrestages des Todes von<br />
Napoleon Bonaparte (1769-<br />
1821) liegt es auf der Hand,<br />
dass in diesem Jahr wohl<br />
viele Werke über das Leben<br />
dieses Kaisers erscheinen<br />
werden. La fille de Napoléon<br />
wirft besondere Fragen<br />
auf, da ihm die opportunistische Entdeckung des Autors<br />
von bisher unveröffentlichten Archiven auf einem Speicher<br />
zugrunde liegt. Bruno Fuligni überträgt die Dokumente,<br />
gleicht sie mit anderen Quellen ab und rekonstruiert auf diese<br />
Weise das unglaubliche Schicksal von Charlotte Chappuis,<br />
die angeblich die älteste und in Vergessenheit geratene<br />
Tochter des Kaisers ist … Offen bleibt die Frage, ob diese<br />
« unveröffentlichten Dokumente » tatsächlich der historischen<br />
Wahrheit entsprechen oder ob sie einfach einen – gelungenen<br />
– medienwirksamen Coup darstellen. Auf jeden Fall ist die<br />
Geschichte durchaus denkbar, und das Buch liest sich mit<br />
einer wahren Freude wie ein richtiger Krimi!<br />
Französisch lernen am Puls der Zeit<br />
Aktuell in der Revue de la Presse:<br />
Napoléon, le bicentenaire<br />
de la discorde<br />
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Mai <strong>2021</strong><br />
Novembre 2020<br />
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B1–C2<br />
B1–C2<br />
B1–C2<br />
ACTUALITÉ<br />
ACTUALITÉ<br />
ACTUALITÉ<br />
• Francophonie : l’inexorable<br />
déclin • Nouvelle-Calédonie de la langue française :<br />
au courte Canada • Nouvelle-Calédonie victoire du non à :<br />
l’indépendance<br />
courte victoire du non à<br />
Page 3<br />
Page<br />
l’indépendance<br />
3<br />
Page 3<br />
ÉCONOMIE<br />
ENVIRONNEMENT<br />
ENVIRONNEMENT<br />
• Épargne : qui sont ces<br />
Français • Protection qui cachent des oiseaux de : en<br />
l’argent France, • Protection liquide la chasse sous des à leur oiseaux la glu a du : en<br />
France, mb dans la l’aile chasse à la glu a du<br />
| Photo : Getty Images<br />
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Artikel aus führenden französischsprachigen Zeitungen und unserer Redaktion<br />
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S p r ac h t r a i n i n g • L a n d e s k u n d e • Vo k a b e l h i l f e n • Ü b u n g s material<br />
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Le Chat, ce drôle d’animal<br />
La Citroën Ami est<br />
La Citroën Ami est<br />
• N o 5 | 6 8 º A n n é e •<br />
• N o 1 1 | 6 7 º A n n é e •<br />
• N o 1 1 | 6 7 º A n n é e •<br />
200 ans après sa mort,<br />
Juliette Gréco, icône de<br />
Juliette Gréco, icône de<br />
créé par Philippe Geluck en 1983, Napoléon Bonaparte continue de<br />
prend une la mini-urbaine pose sur les Champs-Élysées,<br />
électrique à deux diviser la chanson les Français. française, Pour nous certains a quittés il<br />
à Paris. places. une Vingt mini-urbaine Pratique statues et déjantées moderne, électrique du elle à deux peut fut à un 93 la homme ans. chanson Muse d’État française, de visionnaire, la rive nous gauche, a pour quittés elle<br />
matou être places. y conduite sont Pratique exposées. sans permis et moderne, et se loue elle peut à d’autres fut, à 93 dans un ans. tyran le Paris Muse belliqueux. d’après-guerre, de la rive gauche, la elle<br />
moins être de conduite 20 € par sans mois. permis et se loue à reine fut, de dans Saint-Germain-des-Prés.<br />
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moins de 20<br />
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par mois.<br />
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reine<br />
l’article<br />
de Saint-Germain-des-Prés.<br />
en pages 12 et 13<br />
Lire l’article en page 5<br />
Lire l’article en pages 10 et 11<br />
Lire l’article en page 5<br />
Lire l’article en pages 10 et 11<br />
les thèmes les plus importants<br />
d’un les écrivain thèmes les capital plus ». importants Michel<br />
Houellebecq d’un écrivain assure capital que ». ce Michel sera<br />
le Houellebecq dernier « Interventions assure que » : ce « Je sera<br />
ne le promets dernier pas « Interventions absolument » : de « Je<br />
cesser ne promets de penser, pas mais absolument au moins de<br />
de cesser de de penser, communiquer mais au mes moins<br />
pensées de cesser et mes de communiquer opinions au pulic,<br />
pensées hors cas et mes d’urgence opinions morale au<br />
mes<br />
pu-<br />
Covid-19 : à la frontière allemande,<br />
les travailleurs français redoutent les<br />
es renforcés<br />
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ON LIT EN FRANCE Übersetzungen deutscher Autoren<br />
Da wir der Meinung sind, dass die Literatur ein gutes Mittel<br />
ist, um sich besser kennenzulernen, präsentieren wir Ihnen<br />
in dieser neuen Rubrik aktuell erschienene Übersetzungen<br />
von Büchern deutscher Autoren. So haben Sie immer Lesetipps für<br />
Ihre französischen Freunde und tragen damit zur Verbreitung der<br />
deutschsprachigen Kultur im Hexagon bei …<br />
ROMAN<br />
Lilas rouge<br />
Mousse<br />
ROMAN<br />
Klaus Modick, französische Übersetzung von Marie Hermann,<br />
Éditions Rue de l’échiquier, 140 Seiten, ISBN 978-2374252551<br />
Dieser Erstlingsroman von Klaus Modick gilt seit seiner Erscheinung<br />
als eines der wichtigsten Werke des Genres Ökofiktion in<br />
Deutschland. Der Autor schreibt darin über die Gedanken des<br />
berühmten Biologieprofessors Lukas Ohlburg (1907-1981), der im<br />
Alter von 74 Jahren nach einem Herzversagen tot in seinem Haus<br />
in Ammerland (Niedersachsen) aufgefunden<br />
wurde. Er hatte sich dorthin zurückgezogen,<br />
um an einem letzten Werk zu arbeiten. Ein<br />
Buch zwischen Wissenschaft und Poesie –<br />
gewissermaßen ein Testament –, das sehr<br />
bewegt und bei dem wir uns Fragen über unsere<br />
persönliche Beziehung zur Natur stellen.<br />
ROMAN<br />
Tu aurais dû t’en aller<br />
Die deutsche Originalausgabe wurde 1984<br />
bei Kiepenheuer & Witsch unter dem Titel<br />
Moos. Die nachgelassenen Blätter des<br />
Botanikers Lukas Ohlburg veröffentlicht.<br />
Daniel Kehlmann, französische Übersetzung von Juliette<br />
Aubert, Actes Sud, 94 Seiten, ISBN 978-2330143978<br />
Daniel Kehlmann ist in Frankreich bereits durch die 2007<br />
veröffentlichte Übersetzung seines Buches Die Vermessung der<br />
Welt (französischer Titel: Les Arpenteurs du monde) bekannt. In<br />
diesem Werk kreiert er die Atmosphäre eines<br />
Horrorromans, jedoch ganz ohne Blut und<br />
Mörder. Ein Drehbuchautor, dem es an<br />
Inspiration mangelt, und seine Frau machen<br />
Urlaub in den Bergen. In der isolierten<br />
Umgebung entsteht eine erdrückende<br />
Atmosphäre. Gänsehaut ist garantiert!<br />
Die deutsche Originalausgabe wurde<br />
2016 bei Rowohlt unter dem Titel Du<br />
hättest gehen sollen veröffentlicht.<br />
Reinhard Kaiser-<br />
Mühlecker, französische<br />
Übersetzung von Olivier<br />
Le Lay, Verdier, 698 Seiten,<br />
ISBN 978-2378560942<br />
Ein großartiger,<br />
generationenübergreifender Roman über<br />
das Leben der österreichischen Familie<br />
Goldberger vom Beginn des Zweiten<br />
Weltkriegs an bis ins Jahr 2010. Es geht darin<br />
um Entscheidungen, Handlungen, vor allem<br />
aber um Unausgesprochenes, und letzten<br />
Endes wird zurückhaltend aber treffsicher<br />
eine allgemeingültige Frage aufgeworfen:<br />
Wie treten die Folgen bestimmter Taten – in<br />
diesem Fall Kriegsverbrechen – innerhalb<br />
einer Familie von Generation zu Generation<br />
wieder zutage, obwohl – oder gerade weil –<br />
man sich ihnen nicht stellen will? Das Buch<br />
ist vor allem deshalb unser absoluter Coup<br />
de cœur, weil es dieses sensible Thema auf<br />
besonders einfühlsame und intelligente<br />
Weise behandelt und dabei immer auf<br />
einer sehr menschlichen Ebene bleibt. Wir<br />
lieben es aber auch für den schönen und<br />
flüssigen Stil und für die, in diesem Fall<br />
ausgesprochen überzeugende Qualität der<br />
Übersetzung. Es gibt nur wenige Werke,<br />
bei denen man eine derartige Symbiose<br />
zwischen Autor und Übersetzer spürt. Bei<br />
diesem Werk sind die beiden Versionen<br />
nicht nur sehr nah, sondern komplementär.<br />
Ein echtes Meisterwerk und ein Beispiel für<br />
gemeinsames Arbeiten! Man legt Lilas rouge<br />
mit Wehmut aus der Hand und ist umso<br />
glücklicher festzustellen, dass der zweite<br />
Band, Lilas noir (Schwarzer Flieder), der die<br />
Fortsetzung und das Ende der Geschichte<br />
um die Familie Goldberger behandelt und<br />
in Deutschland 2014 vom selben Verlag<br />
herausgegeben wurde, im Jahr 2022 in<br />
Frankreich ebenfalls bei Verdier erscheinen<br />
wird.<br />
Die deutsche Originalausgabe wurde<br />
2012 bei Hoffmann und Campe unter<br />
dem Titel Roter Flieder veröffentlicht.<br />
18 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Frankreich im<br />
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DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN <strong>Nr</strong>. <strong>79</strong> · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong><br />
PROVENCE · FREIZEITPARKS · CÔTE D'AZUR · PARIS · HAUTS-DE-FRANCE<br />
Île de Port-Cros<br />
Von Schriftstellern, Naturschutz<br />
und einer zerrissenen Hose<br />
Freizeitparks<br />
Familienerlebnisse in Frankreich<br />
Paris<br />
Ein unglaubliches Hotelkonzept:<br />
jedes Zimmer ein Kinosaal!<br />
Abbaye de Montmajour<br />
Eine Reise durch die Vergangenheit<br />
der Provence<br />
Hortillonnages von Amiens<br />
Gartenfestival im « Venedig des Gemüses »<br />
Geschichte 150 Jahre Pariser Kommune<br />
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(Deutschland). In Österreich kostet das Abonnement<br />
21,90 Euro anstatt 26,00 Euro und in der Schweiz 37,00<br />
CHF anstatt 43,60 CHF. Alle anderen Auslandsabonnements<br />
kosten 26,90 Euro. Das Abonnement läuft zunächst für ein Jahr<br />
und verlängert sich danach automatisch. Es ist nach dem ersten<br />
Jahr jederzeit kündbar.<br />
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Entscheidend ist dabei der Wohnort des Beschenkten.<br />
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den ich dem Beschenkten übergeben kann. Das Abonnement<br />
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Ich ermächtige die AVZ GmbH, Storkower Straße 127a, 10407<br />
Berlin, Gläubiger-Identifikationsnummer DE39Z0200000080844<br />
wiederkehrende Zahlungen von meinem Konto mittels Lastschrift<br />
einzuziehen. Die Mandatsreferenz wird mir gesondert mitgeteilt.<br />
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Diese Bestellung kann innerhalb von 14 Tagen beim Aboservice<br />
schriftlich ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 19
ON REGARDE<br />
Hinweis zu den<br />
aktuellen Filmtipps<br />
Seien wir ehrlich:<br />
Vielen von uns<br />
fehlt das Kino, viele<br />
von uns träumen davon,<br />
sich dort wieder einmal<br />
ganz ungezwungen und<br />
spontan einen Film anzusehen.<br />
Damit stehen<br />
wir nicht alleine da …<br />
Durch wiederkehrende<br />
Ausgangsbeschränkungen<br />
und sonstige Einschränkungen<br />
herrscht<br />
bei den Terminen für die<br />
Starts neuer Filme jedoch<br />
eine permanente<br />
Unsicherheit. Uns ist<br />
aufgefallen, dass einige<br />
Medien in der letzten<br />
Zeit daher überhaupt<br />
keine Informationen<br />
mehr über anstehende<br />
Filmstarts kommunizieren.<br />
Wir sind jedoch<br />
davon überzeugt, dass es<br />
wichtig ist, Sie nach wie<br />
vor über diese Filme zu<br />
informieren. Selbst auf<br />
die Gefahr hin, dass die<br />
vorgesehenen Termine<br />
verschoben werden. Produzenten,<br />
Verleiher und<br />
Kinobetreiber erstellen<br />
weiterhin couragiert ihre<br />
Pro gramme. Also sollten<br />
wir uns mit ihrer Arbeit<br />
mehr denn je solidarisch<br />
zei gen und die Lust auf<br />
das von uns allen so geliebte<br />
Kinoerlebnis<br />
wach halten. Daher teilen<br />
wir mit Ihnen nach wie<br />
vor unsere Coups de cœur<br />
der Filme, die eine Beziehung<br />
zu Frankreich<br />
haben und in den kommen<br />
den Monaten – also<br />
« demnächst » in<br />
Deutschland anlaufen<br />
werden. So bald wie<br />
möglich, wie wir alle<br />
hoffen!<br />
DOKUMENTARFILM<br />
Die Wanderung<br />
eines<br />
Lebens<br />
Der Film erzählt<br />
die a priori banale<br />
Geschichte von<br />
sieben Menschen<br />
aus Australien und Neuseeland, die –<br />
wie viele andere jedes Jahr – auf dem<br />
Jakobsweg nach Santiago de Compostela<br />
wandern. Der gemeinsame Weg, der über<br />
mehr als 800 km durch einmalig schöne<br />
Landschaften in Frankreich und Spanien<br />
führt, wird die Pilger unausweichlich<br />
verändern. Fergus Grady begleitet die<br />
Wanderer 42 Tage lang diskret und doch<br />
sehr präsent mit seiner Kamera. Auf diese<br />
Weise lässt er uns an ihren Beweggründen<br />
für dieses Unterfangen teilhaben, und an<br />
den Gedanken, die sie sich über dessen<br />
Sinn – und über das Leben schlechthin –<br />
machen. Ein sehr menschlicher Film, wie<br />
man ihn nur selten gesehen hat, voller<br />
Emotionen und Sensibilität, bei dem wir<br />
uns als Zuschauer unweigerlich Fragen<br />
über die Vergänglichkeit der Zeit stellen<br />
und darüber, wie wir die Zeit am besten<br />
nutzen. Wunderschön!<br />
Himmel über dem Camino – Der Jakobsweg<br />
ist Leben! Neuseeland, 2019, Originaltitel:<br />
Camino Skies, 81 min • Ein Film von Fergus<br />
Grady, mit Julie Zarifeh, Susan Morris, Mark<br />
Thomson, Claude Tranchant, Cheryl Stone, u.<br />
a. • Angekündigter Kinostart: 17. Juni <strong>2021</strong>.<br />
Und sollte sich die Wiedereröffnung der Kinos noch etwas<br />
hinziehen, stellen wir Ihnen noch eine aktuelle DVD-<br />
Neuerscheinung vor. Der Film lief bereits in den französischen<br />
Kinos und hat uns sehr gefallen.<br />
TRAGIKOMÖDIE<br />
DOKUMENTARFILM<br />
Zeit zum Nachdenken nehmen<br />
In dieser komplizierten und bewegten<br />
Periode, die wir gerade durchleben, tut<br />
ein Film wie Wer wir waren einfach gut.<br />
Dieser Film lässt uns die faszinierenden<br />
Gedankengänge von sechs Gelehrten<br />
und Wissenschaftlern nachvollziehen, die<br />
unsere Gegenwart reflektieren. Es handelt<br />
sich dabei um Alexander Gerst (Astronaut),<br />
Dennis Snower (Ökonom), Matthieu Ricard<br />
(Molekularbiologe und Mönch), Sylvia Earle<br />
(Ozeanologin), Felwine Sarr (Ökonom,<br />
Soziologe und Philosoph) und Janina Loh<br />
(Philosophin und kritische Posthumanistin).<br />
Der Zuschauer wird dabei aufgefordert, sich<br />
Zeit zu nehmen und über die Welt, in der wir<br />
leben, nachzudenken. Gleichzeitig lernt er<br />
sehr anziehende Persönlichkeiten kennen,<br />
zum Beispiel Matthieu Ricard, der heute<br />
als buddhistischer Mönch, Fotograf und<br />
Essayist in Nepal lebt. Er gilt in Frankreich als<br />
einer der größten Denker des Landes, seine<br />
Schriften haben einen hohen Stellenwert.<br />
Wer wir waren • Deutschland,<br />
<strong>2021</strong>, 114 min • Ein Film von<br />
Marc Bauder, mit Alexander<br />
Gerst, Sylvia Earle, Dennis<br />
Snower, Matthieu Ricard,<br />
Felwine Sarr, Janina Loh<br />
• Demnächst im Kino<br />
Die ehemalige Schriftstellerin Sybil (Virginie Efira) arbeitet nun<br />
als Psychotherapeutin, wird aber von ihrem Wunsch zu schreiben<br />
eingeholt. Sie beschließt, die meisten ihrer Patienten aufzugeben.<br />
Eine neue Patientin wirft nicht nur die Pläne von Sybil über den Haufen, sondern liefert ihr<br />
zudem noch ausreichend Stoff und Inspiration. Amüsante Verwicklungen und eine Virginie<br />
Efira, die an dieser Rolle sichtlich Spaß hat!<br />
Sibyl, Therapie zwecklos • Frankreich, 2019, 100 min • Originaltitel: Sibyl • Ein Film von<br />
Justine Triet, mit Virginie Efira, Adèle Exarchopoulos, Gaspard Ulliel, Sandra Hüller u. a.<br />
20 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
SPIELFILM<br />
Papillon<br />
Unschuldig wird<br />
Henri Charrière<br />
alias Papillon zu lebens langer Zwangs arbeit in<br />
der Strafkolonie Französisch-Guayana verurteilt.<br />
Abgeschobene Kriminelle sollen hier unter<br />
unmenschlichen Haftbedingungen gebrochen<br />
werden. Doch Henri trotzt der sengenden<br />
tropischen Sonne, den Krankheiten und den<br />
sadistischen Schikanen der Wärter. Gemeinsam<br />
mit dem Fälscher Louis Dega schmiedet er einen<br />
gewagten Fluchtplan. « Papillon » basiert auf der<br />
gleichnamigen Autobiografie von Henri Charrière,<br />
gilt inzwischen als Filmklassiker und wurde 2017<br />
erneut verfilmt.<br />
Spielfilm von Franklin Schaffner, mit Steve McQueen, Dustin<br />
Hoffman, Victor Jory u. a., Frankreich, USA 1973, 143 Min.<br />
Sonntag, 30. Mai <strong>2021</strong> um 20.15 Uhr, online in der<br />
ARTE-Mediathek vom 30. Mai bis zum 13. Juni <strong>2021</strong><br />
DOKUMENTATION<br />
Pablo Picasso und Françoise Gilot<br />
In ihrem Buch « Leben mit Picasso », erschienen im Jahr<br />
1964, wagte es Picassos Geliebte Françoise Gilot, ein wenig<br />
glanzvolles Bild des berühmten spanischen Malers zu<br />
zeichnen. Bis heute ist « die Frau, die Nein sagt », wie Picasso<br />
sie nannte, die Einzige geblieben, die Picasso die Stirn bot<br />
und sich über dessen ungeschriebenes Gesetz « Picasso<br />
verlässt man nicht! » hinwegsetzte. Es gab viele Versuche,<br />
die verworrene und mitreißende Geschichte dieses<br />
außergewöhnlichen Paares umzuschreiben oder gar ganz<br />
aus den Geschichtsbüchern zu streichen. Aus diesem Grund<br />
verdient sie es umso mehr,<br />
neu erzählt zu werden.<br />
Dokumentation von Sylvie Blum,<br />
Frankreich 2020, 52 Min. Sonntag,<br />
13. Juni um 16.15 Uhr, online<br />
in der ARTE-Mediathek vom 6.<br />
Juni bis zum 12. August <strong>2021</strong><br />
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Weitere Informationen und Angebote von ARTE : www.arte.tv<br />
SPIELFILM<br />
Die Blume des Bösen<br />
Nach drei Jahren USA-Aufenthalt kehrt François Vasseur<br />
zu seiner Familie nach Frankreich zurück. Es scheint sich<br />
kaum etwas verändert zu haben im Hause Charpin-Vasseur:<br />
Gérard, François´ Vater, arbeitet immer noch in seiner<br />
Apotheke. Tante Line residiert nach wie vor im familiären<br />
Anwesen, und auch François´ romantische Gefühle zu<br />
seiner hübschen Stiefschwester Michèle haben sich nicht<br />
verändert. Nur die Kandidatur seiner Stiefmutter Anne<br />
für das Bürgermeisteramt ist neu und bringt rasch einige<br />
Probleme mit sich …<br />
Spielfilm von Claude<br />
Chabrol, mit Nathalie<br />
Baye, Bernard<br />
Le Coq, Mélanie<br />
Doutey, Benoît Magimel<br />
u. a., Frankreich 2003,<br />
100 Min. Mittwoch, 16.<br />
Juni <strong>2021</strong> um 20.15<br />
Uhr, online in der ARTE-<br />
Mediathek vom 16. Juni<br />
bis zum 23. August <strong>2021</strong><br />
SPIELFILM<br />
La môme /<br />
La vie en rose<br />
Das französische<br />
Spielfilmdrama « La<br />
vie en rose » stellt<br />
episodenhaft das Leben der berühmten Chanson-<br />
Sängerin Edith Piaf nach, die in den 1930er Jahren<br />
ihren Durchbruch in Europa und schließlich auch in<br />
Amerika feierte. In ihrem intensiven Spiel verkörpert<br />
Marion Cotillard die 1963 an Leberkrebs verstorbene<br />
Édith Piaf und bringt die wichtigsten Stationen<br />
in ihrem Leben auf die Kinoleinwand – von ihrer<br />
ärmlichen und einsamen Kindheit, über ihren<br />
musikalischen Durchbruch, ihre Affären mit jüngeren<br />
Männern wie Georges Moustaki und Yves Montand, bis<br />
hin zu ihrer schweren Krankheit und ihrem frühen Tod.<br />
Spielfilm von Olivier Dahan, mit Marion Cotillard, Jean-<br />
Pierre Martins, Gérard Depardieu u. a., Frankreich,<br />
Großbritannien, Tschechien 2007, 134 Min.<br />
Sonntag, 22. August <strong>2021</strong> um 20.15 Uhr<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 21
ON SURFE<br />
OUTDOOR<br />
STÄDTETOURISMUS<br />
Eine neue Art, Städte zu erkunden<br />
Das Konzept dieser App entstand während einer<br />
Reise nach New York. Der Mitentwickler von CityGem,<br />
Grégoire le Masne, wollte damals mit seinen<br />
Kindern auf dem Fahrrad die Stadt entdecken. Wie<br />
viele andere Touristen auch, hielten sie nahezu an<br />
jeder Straßenecke an, um auf dem Stadtplan den<br />
richtigen Weg zu suchen. Durch diese Erfahrung kam<br />
Grégoire auf die Idee, eine App für einen touristischen<br />
« Stadtbummel » zu entwickeln. Die Idee basiert auf<br />
Audioguides, bei denen Schauspieler auf lebendige<br />
Art die Sehenswürdigkeiten entlang eines bestimmten<br />
Rundgangs vermitteln. Ob zu Fuß, mit Fahrrad,<br />
Scooter oder Auto: Der Nutzer wählt einen bestimmten<br />
Parcours, wird dank der Geolokalisierung von einer<br />
Sehenswürdigkeit zur anderen geleitet und erhält im<br />
Verlauf der Strecke automatisch hochwertige Audio-,<br />
Text- und Fotoinhalte, anhand derer er die Umgebung<br />
entdecken kann. Wir haben festgestellt, dass sich<br />
die Texte stark von den üblichen touristischen<br />
Beschreibungen abheben, wie man sie im Internet<br />
zuhauf findet. Die App vermittelt unzählige präzise<br />
Informationen, führt zu versteckten und unbekannten<br />
Orten und ermöglicht sogar Kontakte mit Einwohnern.<br />
Aktuell gibt es über 60 Streckenvorschläge für 12<br />
französische Städte: Albi (3 Stecken), Biarritz (3),<br />
Bordeaux (3), Fontainebleau (1), Honfleur (1), Lille (3),<br />
Lyon (3), Nantes (3), Paris (39), Saint-Malo (3), Straßburg<br />
(1) und Versailles (1). Das Angebot wird jedoch laufend<br />
erweitert. Man kann sich die Strecken ansehen, bevor<br />
man sich für eine entscheidet. Ein wichtiger Punkt: Die<br />
Entwickler von CityGem legen Wert darauf, dass ihre<br />
App kostenlos und werbefrei ist und bleibt. Nutzer<br />
können jedoch einen beliebigen<br />
Betrag spenden, um dadurch<br />
einen Beitrag zur Entwicklung<br />
neuer Strecken<br />
zu leisten. Kurz:<br />
eine lobenswerte<br />
Initiative mit<br />
innovativen und<br />
gut gemachten<br />
Inhalten und einer<br />
tollen Umsetzung.<br />
Bravo!<br />
App CITYGEM<br />
(kostenlos, derzeit<br />
allerdings nur<br />
in französischer<br />
Sprache)<br />
LAND-ART<br />
Poetische Labyrinthe<br />
Gegenseitige Hilfe unter<br />
Wanderern<br />
In Frankreich wird der Laut<br />
eines bellenden Hundes im<br />
Allgemeinen mit « Waff Waff »<br />
beschrieben. Jérôme Bruyas<br />
hat während seiner zahlreichen<br />
Läufe und Wanderungen im<br />
ganzen Hexagon oftmals<br />
solche Bell-Laute vernommen.<br />
Vor allem der Tag, an dem er<br />
von einem frei laufenden Hund angegriffen wurde, bleibt ihm<br />
im Gedächtnis. Aus diesem unschönen Zusammentreffen<br />
entstand jedoch am Ende eine gute Idee: eine kostenlose<br />
App, zu der Wanderer, Spaziergänger und Outdoorsportler<br />
ihren Beitrag leisten und sich gegenseitig vor Gefahren auf<br />
einer bestimmten Strecke warnen können. Auf diese Weise<br />
können sich die anderen Mitglieder der Gemeinschaft vor<br />
dem Aufbruch über Dinge wie gefährliche Tiere, eingestürzte<br />
Brücken, abgeschnittene oder nicht praktikable Wege,<br />
Überschwemmungen, Zeckengebiete u. v. m. informieren.<br />
Eine nützliche und solidarische App, ganz nach unserem<br />
Geschmack!<br />
App WAFFAPP (kostenlos)<br />
Bastien Aillet stammt<br />
aus der Normandie,<br />
genauer gesagt aus dem<br />
Departement Calvados,<br />
und hat bereits in seiner<br />
Jugend eine Leidenschaft<br />
für Natur und Labyrinthe<br />
entwickelt. Heute<br />
kreiert er auf Wunsch<br />
von Gemeinden oder<br />
Grundstücksbesitzern Labyrinthe unter freiem Himmel,<br />
die manchmal mehr als einen Hektar groß sind. Ob<br />
inmitten von Feldern oder am Strand, alle sind regelrechte<br />
Meisterwerke, die eine unglaubliche Poesie ausstrahlen.<br />
Auf seiner Facebook-Seite kann man diese Labyrinthe<br />
bewundern; Glückspilze können sich sogar vor Ort in<br />
ihnen verirren. Kunstvoll!<br />
Facebook-Seite: Les labyrinthes champètres<br />
22 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
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ON ÉCOUTE<br />
KLASSIK/BAROCKMUSIK<br />
Les musiciens du Roi, dirigés par Thibaut Roussel: Le coucher du<br />
Roi. Musiques pour la chambre de Louis XIV<br />
Ludwig XIV. (1638-1715) war nicht nur ein großer Liebhaber von Kunst und Musik,<br />
sondern darüber hinaus auch ein Genussmensch. Zudem wusste er immer,<br />
das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Oft lud er einige der besten<br />
Komponisten, Musiker und Sänger des Königreiches ein, um tagsüber den Hof<br />
zu unterhalten. Nur wenige wissen, dass der König diese Künstler dann abends<br />
bat, ihn in seine Privatgemächer zu begleiten und dort seine Lieblingsmusik oder<br />
speziell für diesen Anlass komponierte Stücke zum Besten zu geben. So konnte er auf angenehme Weise sanft in den<br />
Schlaf hinübergleiten. Diese CD lässt uns solche Momente aus der Privatsphäre des Königs im Schloss von Versailles<br />
nachempfinden. Das Album enthält darüber hinaus eine DVD mit der Aufnahme eines musikalischen Spaziergangs durch<br />
die ausgedehnten Gemächer von Schloss Versailles, der im Juni 2020 ohne Publikum aufgezeichnet wurde und auch auf<br />
der Plattform ArteConcert verfügbar ist (https://www.arte.tv/de/videos/098485-002-A/das-zubettgehen-des-koenigs/).<br />
CHANSON<br />
Raphaël:<br />
Haute fidélité<br />
Seit dem Erscheinen seines<br />
Albums Caravane im Jahr<br />
2005 denken viele Franzosen<br />
bei Raphaël unweigerlich an<br />
Gitarrenklänge und eine sanfte, gesetzte Stimme. Auf<br />
seiner neuen CD überrascht der inzwischen 45-jährige<br />
Texter und Komponist (der darüber hinaus als Regisseur<br />
und Schriftsteller arbeitet) mit Elektroklängen und<br />
einem dynamischeren Stil. Die Musik erscheint wie eine<br />
Reaktion auf die Ausgangsbeschränkungen, die wir alle<br />
erlebt haben. Gleichzeitig erweist Raphaël dem im April<br />
2020 verstorbenen Sänger Christophe, der ihn in vielerlei<br />
Hinsicht inspirierte, eine schöne Hommage. Ein reifes, oft<br />
betörendes Album.<br />
CHANSON<br />
Alain Bashung: Covers<br />
Alain Bashung ist zwar bereits 2009 gestorben, doch<br />
noch immer ist er aus der französischen Musikszene nicht<br />
wegzudenken. Dies gilt besonders für die Rockmusik.<br />
Dieses posthum veröffentlichte Album vereint rund 20<br />
Coverversionen von großen französischen Chansons, die<br />
Bashung im Laufe seiner Karriere realisierte. Mit seiner so<br />
besonderen Stimme lässt er uns Sängerinnen und Sänger<br />
wie Léo Ferré, Edith Piaf, Jacques Brel, Nino Ferrer oder<br />
Serge Gainsbourg neu entdecken. Beim Anhören der<br />
Musik, die auf bewegende Art wunderschöne musikalische<br />
Erinnerungen wachruft, bewegt<br />
man sich zwischen Emotion<br />
und Nostalgie.<br />
KLASSIK/OPER<br />
Natalie Dessay: Natalie Dessay à l’opéra<br />
Diese beeindruckende und großartige Box mit 33 CDs, 19 DVDs sowie einem<br />
92-seitigen Heft präsentiert das gesamte Opernwerk, das die modernste<br />
der französischen Sopranstimmen, Natalie Dessay, interpretierte. Es ist eine<br />
wunderschöne Weise, auf eine 30-jährige Opernkarriere zurückzublicken, und vor<br />
allem ein Mittel, ein außergewöhnliches Talent zu würdigen, das der Kunst der<br />
Oper in Frankreich frischen Wind verliehen hat. Seit 2013 hat sich diese bemerkenswerte Künstlerin jedoch<br />
nicht mehr auf Opernbühnen präsentiert, sondern ist ihrer Neugier gefolgt, um neue Erfahrungen in Genres<br />
wie Chanson, Theater und Musical zu machen. Natalie Dessay ist also eine Künstlerin mit vielen Facetten!<br />
Gerüchten zufolge könnte es sogar sein, dass sie demnächst in ihre Geburtsstadt Bordeaux zurückkehrt, um<br />
sich wieder mehr der Oper zu widmen.<br />
24 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Filme, Serien, Kultur, Kulturerbe …<br />
Auf TV5MONDEplus sind französischsprachige Programme.<br />
Überall verfügbar. Die ganze Zeit. Kostenlos.<br />
Photos: 19-2 © Véro Boncompagni - Frank-Etienne vers la béatitude © L. Valmontone / B.O.X. -<br />
Anomalia © RTS - Escapade, le magazine des patrimoines © RTBF.<br />
TV-SERIEN (KANADA)<br />
19-2<br />
Zwei Streifenpolizisten der<br />
Polizei von Montréal werden<br />
in das problematischste<br />
Viertel der Stadt versetzt. Ein<br />
lebhafter Blick in ihren Alltag.<br />
LEBENSART (FRANKREICH)<br />
Frank-Etienne vers la béatitude<br />
Marie-Lou hat kein Glück<br />
in der Liebe und beschließt<br />
daher, sich wieder der Religion<br />
zuzuwenden und einen praktizierenden<br />
Juden zu heiraten.<br />
Um heiraten zu können, muss<br />
sie den Shidduch-Test bestehen,<br />
ein arrangiertes Treffen…<br />
TV-SERIEN (SCHWEIZ)<br />
Anomalia<br />
Eine junge Neurochirurgin ist in<br />
ihre Heimatregion zurückgezogen.<br />
Es geschehen merkwürdige Dinge<br />
und allmählich wird sie sich ihrer<br />
Fähigkeiten als Heilerin bewusst…<br />
tv5mondeplus.com<br />
ENTDECKUNG (BELGIEN)<br />
Escapade, le magazine<br />
des patrimoines<br />
Entdeckung eines Landes, einer<br />
Region, einer Stadt durch das<br />
kulturelle, architektonische,<br />
historische, industrielle und<br />
gastronomische Erbe…
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Var<br />
26 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Île de Port-Cros<br />
Von Schriftstellern, Naturschutz<br />
und einer zerrissenen Hose<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 27
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Var<br />
28 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Die sogenannten « Îles d’Or » liegen im Departement Var vor der<br />
Halbinsel Giens (Gemeinde Hyères) und dem Kap Bénat (Gemeinde<br />
Bormes-les-Mimosas). Porquerolles ist die bekannteste und touristischste<br />
von ihnen, die Île du Levant die ausgefallenste (der größte<br />
Teil der Insel ist militärisches Sperrgebiet und der Rest im Wesentlichen<br />
eine FKK-Zone) und Port-Cros mit nur 7 km 2 die kleinste.<br />
Doch die Größe ist nicht das einzige Merkmal, das Port-Cros auszeichnet,<br />
denn das Eiland ist zudem seit 1963 als Nationalpark eingestuft<br />
– der im Jahr 2012 auf einen Teil von Porquerolles ausgeweitet<br />
wurde – und bei Weitem die ruhigste und unaufdringlichste<br />
dieser Inseln. Port-Cros hat ein erstaunliches Schicksal, das eng mit<br />
einer Familie und mit Schriftstellern verbunden ist. Der Name der<br />
Insel wurde lange Zeit nur von Insidern unter der Hand weitergegeben,<br />
als wäre sie ein wertvoller Schatz, den es vor dem Massentourismus<br />
zu schützen gilt. Ein regelrechtes Juwel.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 29
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Var<br />
Claude und ich haben das Paradies gefunden.<br />
Komm her! » Diese Aufforderung mag simpel erscheinen,<br />
betrachtet man sie jedoch im Kontext,<br />
«<br />
dann sagt sie viel über den Charme der Île de Port-Cros<br />
aus, dem im Laufe der Jahre immer wieder Menschen erlegen<br />
sind. Es ist die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg.<br />
Marceline Henry (1884-1966), eine elegante und begüterte<br />
Frau verlässt ihren Mann, einen Notar in der Nähe von<br />
Avignon, um ihren Geliebten, den an Tuberkulose erkrankten<br />
Sous-Préfet und Dichter Claude Balyne (mit richtigem<br />
Namen Jean Picard, unbekannt -1930) auf die Insel Port-<br />
Cros zu begleiten und zu pflegen. Dort angekommen, fühlt<br />
sich « Madame Balyne » – wie die 35 Bewohner der Insel<br />
sie nennen – so wohl, dass sie ihrem Mann schreibt und<br />
ihn auffordert, sich ihnen anzuschließen … So kommt es,<br />
dass Marceline Henry, Marcel Henry (1900-1997) und<br />
Claude Balyne letztlich auf der winzigen Insel Port-Cros<br />
ein für die damalige Zeit ausgesprochen « modernes Trio »<br />
bilden. Und das Schicksal dieses kleinen Eilands nimmt<br />
dadurch eine erstaunliche Wendung …<br />
Kulisse für eine tragische<br />
Liebesgeschichte<br />
Das ist nicht das erste Mal, dass Port-Cros den Rahmen<br />
für eine Liebesgeschichte darstellt, über die man<br />
spricht: Bereits einige Jahre bevor Marceline, Marcel und<br />
Claude Port-Cros entdecken, war die Insel der prächtige<br />
Schauplatz für ein literarisches Werk. Ein gewisser Vicomte<br />
Eugène-Melchior de Vogüe (1848-1910) schrieb im<br />
Jahr 1897 einen Roman mit dem Titel Jean d’Agrève, eine<br />
romantisch-tragische Liebesgeschichte, die auf Port-Cros<br />
spielt und bei den Lesern der damaligen Zeit sehr erfolgreich<br />
war. So erfolgreich, dass 1921 auf der Insel sogar ein<br />
Stummfilm nach der Buchvorlage gedreht wurde.<br />
Eine Insel erwacht zum Leben<br />
Doch zurück zu unserem Trio. Wie seine Frau und ihr<br />
Geliebter unterliegt Marcel Henry nach seiner Ankunft<br />
sofort dem Zauber der Insel. Dies geht so weit, dass er<br />
gemeinsam mit Marceline und Claude – und dank der<br />
finanziellen Unterstützung einiger enger Freunde – beschließt,<br />
sich in ein großes Abenteuer zu stürzen. Die<br />
drei wollen diese nahezu verlassene Insel wieder zu neuem<br />
Leben erwecken, sie für Besucher attraktiv machen. Sie<br />
möchten, dass ihre Freunde und Bekannten Port-Cros<br />
ebenfalls kennenlernen. Also eröffnen sie 1922 im winzigen<br />
Fischerhafen der Insel die Hostellerie Provençale,<br />
auf die bald Le Manoir folgt, ein Hotel, das sich in einem<br />
Gebäude befindet, das als « Schloss der Insel » gilt und<br />
nur wenige Gehminuten von der Hostellerie entfernt ist.<br />
Heute noch sind die beiden Häuser die einzigen Hotels<br />
auf der Insel.<br />
30 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Es gibt nicht viele Landstriche an der Côte d’Azur, die so geschützt sind, wie es bei Port-<br />
Cros der Fall ist. Vergleicht man eine Postkarte aus dem Jahr 1931, die die Bucht mit<br />
dem Hafen und der Hostellerie zeigt (oben), mit einem aktuellen Foto, das aus derselben<br />
Perspektive aufgenommen wurde (links), stellt man fest, dass sich dank der Gründung<br />
des Nationalparks so gut wie nichts verändert hat. Unten: Marceline Henry empfing auf<br />
der Insel viele Besucher und trug entscheidend zur Bekanntheit von Port-Cros bei.<br />
Vorreiter in Sachen Umweltschutz<br />
Marceline, Marcel und Claude sind bereits im Jahr 1920 davon überzeugt,<br />
dass Port-Cros ein richtiggehendes Juwel ist. Doch wie bei vielen anderen Naturschönheiten<br />
ist das Gleichgewicht der Insel fragil. Sogar sehr fragil. Die<br />
drei wollen zwar Unterkunftsmöglichkeiten für die zukünftigen Besucher der<br />
Insel schaffen, aber nicht um jeden Preis. Es geht ihnen nicht nur darum, die<br />
Zimmer ihrer Gasthäuser zu füllen, sondern vor allem darum, das unglaubliche<br />
Naturerbe der Insel und das labile natürliche Gleichgewicht zu bewahren. In<br />
unserer Zeit würde man von einem « umweltverträglichen und nachhaltigen »<br />
Tourismus sprechen. Im Grunde genommen sind Marceline, Marcel und Claude<br />
regelrechte Wegbereiter des Umweltschutzes. Für die touristische Entwicklung<br />
auf Port-Cros visieren sie eine Zielgruppe an, die ihrem eigenen Milieu<br />
angehört: kultivierte Menschen, die schöne Dinge lieben und diese respektieren.<br />
Anspruchsvolle Menschen also, die gerne unter sich bleiben möchten.<br />
Kaufen, um zu schützen<br />
Die Eheleute Henry realisieren schnell, dass sie für die Verwirklichung ihres<br />
Ziels, den Tourismus auf der Insel (und in ihren Hotels) auszubauen und gleichzeitig<br />
Umwelt und Natur zu schützen, hohe finanzielle Mittel benötigen. Mittel,<br />
um einerseits die Insel bei der ausgesuchten und nicht sehr breiten Zielgruppe<br />
bekannt zu machen, und andererseits, um so viel Grund und Boden wie möglich<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 31
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Var<br />
32 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
zu kaufen. Dazu kommt, dass dieser Grund und Boden in der Folge unterhalten<br />
werden muss. Allerdings bleibt es nicht unbemerkt, dass den beiden immer mehr<br />
Grundstücke auf der Insel gehören, was zu einem gewissen Neid führt. Bald gibt<br />
es mehrere Prozesse, mit denen man versuchen will, den Immobilienhunger der<br />
Eheleute zu bremsen. Die juristischen Auseinandersetzungen verursachen ihrerseits<br />
hohe Kosten. Das Ziel, Port-Cros zu retten, wird für Marceline und Marcel<br />
immer schwieriger. Dennoch geben sie nicht auf. Im Gegenteil. Und bald soll<br />
ihnen eine unvorhergesehene Begegnung zu Hilfe kommen …<br />
Vom Segen einer zerrissenen Hose<br />
Im Oktober 1925 hört Jean Paulhan (1884-1968), der Chefredakteur der<br />
1908 gegründeten und sehr renommierten Literaturzeitschrift La Nouvelle Revue<br />
Française (NRF) – die immer noch eine Referenz darstellt und inzwischen vom<br />
bekannten Verlag Gallimard herausgegeben wird –, vom ausgezeichneten Ruf<br />
der Hostellerie Provençale und verbringt einige Tage auf Port-Cros, um auszuspannen.<br />
Während eines Spaziergangs über die Insel zerreißt sich der einflussreiche<br />
Journalist die Hose. Während Jean Paulhan nach der Rückkehr ins Hotel<br />
darauf wartet, dass seine Hose geflickt wird, macht er zufällig die Bekanntschaft<br />
der Besitzerin, Marceline Henry. Er ist geschmeichelt, dass Marceline<br />
zu den Abonnenten seiner Revue zählt, und sich zudem als regelrechte Literaturbegeisterte<br />
entpuppt. Marceline und Jean beginnen, regelmäßig ihre Gedanken<br />
über Literatur auszutauschen, und bald beteiligt sich auch Marcel an diesen<br />
Gesprächen. Zwischen den dreien springt der Funke über.<br />
Da die Eheleute Henry davon träumen, Port-Cros zu einem Urlaubsort für<br />
Schriftsteller zu machen, packen sie ohne zu zögern die unglaubliche Chance<br />
beim Schopf und unterbreiten Jean Paulhan einen interessanten Vorschlag.<br />
Marceline und Marcel bieten an, der Nouvelle Revue Française 15 Jahre lang<br />
ein Nutzungsrecht für eine ihrer Immobilien auf der Insel zu überlassen. Es<br />
handelt sich dabei um das Fort de la Vigie, eine alte, mehr oder weniger verlassene<br />
Festung, die zwar keinen Komfort, dafür aber einen herrlichen Blick aufs<br />
Meer bietet. Jean Paulhan wird sofort klar, dass dies ein traumhafter Ort für<br />
Schriftsteller ist, denen es an Inspiration mangelt. Kaum ist er zurück in Paris,<br />
veranlasst er einige Renovierungsarbeiten und schickt in der Folge zahlreiche<br />
mit der NRF verbundene Schriftsteller zum « Inspirationsurlaub » auf die Insel.<br />
Mit Blick auf ihre Bestrebungen zum Wohle der Umwelt verlangen die Eheleute<br />
Henry von den vor Ort residierenden Literaten als Gegenleistung lediglich<br />
zwei Dinge: nicht außerhalb des Forts zu rauchen und jeden Abend vom Fort<br />
aus einen Blick über die Insel zu werfen und im Falle eines Brandes zu warnen.<br />
Von der unbekannten Insel zum<br />
Hotspot für Schriftsteller<br />
Obwohl Claude Balyne bereits sehr krank ist, nutzt er sein schriftstellerisches<br />
Talent und publiziert im Jahr 1929, einige Jahre vor seinem Tod, L’île fée<br />
und im darauffolgenden Jahr L’âge où l’on croit aux îles. Beide Werke drücken<br />
seine Liebe zu dieser Insel aus, die – seinen eigenen Worten zufolge – alle, die<br />
sie entdeckt haben, regelrecht in ihren Bann zieht. Die Schriften tragen ebenfalls<br />
dazu bei, dass sich der Name von Port-Cros herumspricht. Währenddessen<br />
Linke Seite: Le Manoir, das « Schloss » der Insel, ist heute ein Hotel. Das 1635 erbaute<br />
Fort de l'Estissac gehört inzwischen dem Nationalpark und dient als Rahmen für<br />
Ausstellungen. Das Wassergebiet rund um die Insel steht unter strengem Schutz<br />
und ist eines der schönsten Tauchgebiete des Mittelmeers. Eine Tafel erinnert an<br />
das Ehepaar Henry: « Marcel und Marceline Henry waren in die Schönheit der Natur<br />
dieses unvergleichlichen Ortes verliebt, haben sie verteidigt und geschützt und<br />
damit den Weg für die Gründung des Nationalparks Port-Cros geebnet. »<br />
Freiheit<br />
beginnt<br />
beim<br />
Lesen<br />
Paris<br />
PROVENCE · FREIZEITPARKS · CÔTE D'AZUR · PARIS · HAUTS-DE-FRANCE<br />
DAS UNABHÄNGIGE FRANKREICH-MAGAZIN <strong>Nr</strong>. <strong>79</strong> · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong><br />
Île de Port-Cros<br />
Geschichte 150 Jahre Pariser Kommune<br />
Debatte Sacré-Cœur schützen oder abreißen?<br />
Rezept Souffl é d’été au basilic<br />
Von Schriftstellern, Naturschutz<br />
und einer zerrissenen Hose<br />
Freizeitparks<br />
Familienerlebnisse in Frankreich<br />
Ein unglaubliches Hotelkonzept:<br />
jedes Zimmer ein Kinosaal!<br />
Abbaye de Montmajour<br />
Eine Reise durch die Vergangenheit<br />
der Provence<br />
Hortillonnages von Amiens<br />
Gartenfestival im « Venedig des Gemüses »<br />
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UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Var<br />
schickt die Nouvelle Revue Française weiterhin zahlreiche berühmte Schriftsteller<br />
nach Port-Cros, die vom stimulierenden Umfeld profitieren: Malraux, Valéry,<br />
Gide, Arland und Saint-John Perse, um nur einige zu nennen. Alle werden in<br />
der Folge zu leidenschaftlichen Botschaftern für die Insel, eine Tradition, die<br />
im Übrigen heute noch andauert: Immer noch kommen Autoren – beispielsweise<br />
Alexandre Jardin – für einen Aufenthalt nach Port-Cros, um dort beim<br />
Zirpen der Zikaden und mit Blick auf das Meer zu schreiben. Im <strong>Sommer</strong> trifft<br />
man sie zur Apérozeit nicht selten im kleinen Dorf der Insel beim Boulespielen.<br />
Der Beginn eines geregelten Umweltschutzes<br />
Parallel dazu laden Marceline und Marcel immer wieder Wissenschaftler<br />
und Naturexperten auf die Insel ein. Sie bestärken diese, Bestandsaufnahmen<br />
der Fauna und Flora zu erstellen. Dabei wird sehr schnell klar, dass die Insel in<br />
dieser Beziehung Außergewöhnliches zu bieten hat. Zum Schutz der Natur werden<br />
Wege angelegt, Jagen, Fallenstellen und Feuermachen werden verboten. Es<br />
entsteht ein ganzes Regelwerk, das im Grunde genommen die ersten Umweltschutzbestimmungen<br />
Frankreichs darstellt. Auch durch diese Überlegungen und<br />
Arbeiten macht Port-Cros von sich reden, vor allem aber entsteht das Bewusstsein,<br />
wie wichtig es ist, die Insel vor einem ausufernden Tourismus zu schützen,<br />
eine Entwicklung, die sich bereits auf der Nachbarinsel Porquerolles abzeichnet.<br />
Die Einstufung als Nationalpark als<br />
Würdigung der Anstrengungen<br />
Blick aus der Luft auf Port-Cros mit den<br />
Inseln Bagaud (links) und Gabinière<br />
(vorne). Beide sind als Totalreservat<br />
des Parks eingestuft, insofern sind<br />
weder Anlegen noch Betreten<br />
gestattet. Port-Cros ist dagegen ein<br />
regelrechtes Paradies für Wanderer;<br />
täglich legen dort mehrere Boote an.<br />
Nach zahlreichen Zwischenfällen wird der Kampf der Eheleute Henry<br />
für die Weiterentwicklung und den Schutz der Insel Port-Cros im Jahr 1963<br />
belohnt: In jenem Jahr entsteht der Parc national Port-Cros. Die Insel sowie<br />
ein ausgedehnter Teil der Unterwasserwelt – aus dem inzwischen der größte<br />
Meerespark Europas entstanden ist – werden damit zu einem streng geschützten<br />
Kleinod der mediterranen Artenvielfalt. Autos sind von der Insel verbannt.<br />
Gleiches gilt für Fahrräder, im Gegensatz zur Insel Porquerolles, die 2012<br />
ebenfalls in den Nationalpark aufgenommen wird. Im Laufe der Jahre werden<br />
mehr als 30 Kilometer Fußwege – und sogar Unterwasserwege – ausgeschildert.<br />
Einer davon ist der Sentier des Écrivains (Gehzeit rund vier Stunden), der die<br />
literarische Vergangenheit der Insel würdigt und unter anderem an der Hostellerie<br />
Provençale, am Hôtel du Manoir, am Fort de L’Estissac mit seinem atemberaubenden<br />
Panoramablick auf die Reede von Hyères und am Fort de la Vigie<br />
vorbeiführt. Er bietet die Gelegenheit, diese fantastische Gegend zu entdecken<br />
und sich an die unerschütterlichen Bestrebungen der Eheleute Henry zu erinnern,<br />
die Weiterentwicklung der Insel einerseits und den Schutz von Natur und<br />
Umwelt andererseits zu vereinen. Ein Beispiel, dem man nach wie vor folgen<br />
sollte.<br />
Lesetipp:<br />
Der Nationalpark Port-Cros und der Verlag Gallimard<br />
haben einen praktischen und gut dokumentierten<br />
Führer herausgegeben, der von einer der größten<br />
Spezialistinnen für die Geschichte der Insel – und<br />
der Verbindungen zwischen Port-Cros und der NRF –<br />
geschrieben wurde, nämlich von Claire Paulhan, der<br />
Enkelin von Jean Paulhan. Port-Cros, Le sentier des<br />
écrivains, Éditions Gallimard, ISBN 978-2072593673.<br />
34 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
e<br />
Limoges<br />
Reiseinfos & Lesetipps für Ausflüge in die Umgebung<br />
Tulle<br />
Périgueux<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
Port-Cros …<br />
A89/E70<br />
… Berlin<br />
Le Pescher<br />
1514 km … Hamburg 1588 km<br />
Souillac … sur Köln 1118 km … Frankfurt Saillac<br />
Dordogne<br />
1107 km<br />
Aurillac<br />
… München 972 km … Wien 1300 km<br />
Sarlat-le-Canéda … Zürich 758 km … Paris 873 km<br />
Payrac<br />
… Nizza 167 km Rocamadour<br />
… Hyères 18 km<br />
A20/E9<br />
Der nächstgelegene Flughafen<br />
ist Toulon-Hyères (15 km). Er wird<br />
direkt von Paris-Orly, Lyon und<br />
Bordeaux aus angeflogen. Aus dem<br />
deutschsprachigen Raum gibt es<br />
Direktflüge zu den Flughäfen von<br />
Marseille (110 km) und Nizza (140 km).<br />
Der nächstgelegene Bahnhof ist<br />
Hyères. Vom TGV-Bahnhof in Marseille<br />
erreicht man Toulouse Hyères beispielsweise mit<br />
dem Regionalexpresszug.<br />
Mehrere Schifffahrtsunternehmen<br />
bieten Überfahrten zur Insel Port-<br />
Narbonne<br />
Cros an. Ab Hyères (Port Saint-Pierre)<br />
A81/E80<br />
fährt das Unternehmen TLV-TVM Limoux das<br />
ganze Jahr über nach Port-Cros. Je<br />
nach Saison gibt es auch Überfahrten<br />
ab La Londe, Bormes-les-Mimosas, France<br />
Bandol, Sanary-sur-Mer, Toulon,<br />
Saint-Mandrier-sur-Mer, Le Lavandou, Perpignan<br />
Andorra<br />
Cavalaire-sur-Mer, La Croix-Valmer,<br />
Saint-Tropez, Sainte-Maxime, Le Céret<br />
Issambres und Saint-Raphaël.<br />
Spanien<br />
Maison du Parc national<br />
Île de Port-Cros<br />
Telefon: +33 (0)4 94 01 40 70<br />
www.portcrosparcnational.fr<br />
Es liegt neben der Hafenmeisterei,<br />
links von der Anlegestelle.<br />
Geöffnet vom 1. April bis 30.<br />
September.<br />
Die Öffnungszeiten richten sich nach<br />
A89/E70<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
A75/E11<br />
le Mont-Dore<br />
A72/E70<br />
den Ankunftszeiten der Schiffe.<br />
Der Nationalpark Port-Cros besitzt<br />
auch ein Büro in Hyères, das das ganze<br />
Jahr über erreichbar ist (Telefon: +33<br />
(0)4 94 12 82 30).<br />
A7/E15<br />
Die meisten Unterkünfte auf der Insel<br />
liegen in Hafennähe. Achtung: Da sie<br />
nicht sehr zahlreich sind, sollte man<br />
frühzeitig reservieren, sofern man die<br />
Abgeschiedenheit und Ruhe auf Port-<br />
Cros genießen will, sobald das letzte Orange<br />
Schiff des Tages den Hafen verlassen<br />
A9/E15<br />
hat. A75/E11 Wenn Sie sich bei einem Besuch Avignon<br />
der Insel etwas gönnen möchten,<br />
Saint-Guilhemle-Désert<br />
A54/E805<br />
dann ist ein Aufenthalt im Le Manoir, Nîmes<br />
dem Lodève « Schloss von Port-Cros », das<br />
1948 in ein Hotel verwandelt wurde, Arles<br />
Montpellier<br />
ein absolutes Muss. Das Hotel mit<br />
A9/E15<br />
seinem Park mit hundertjährigen<br />
Eukalyptusbäumen Bézier<br />
liegt nur wenige<br />
Gehminuten vom Hafen entfernt und<br />
besitzt einen einmaligen Charme<br />
(www.hotel-lemanoirportcros.com).<br />
<br />
In den Monaten Juli und August ist<br />
das Touristenaufkommen auf Port-<br />
Cros relativ hoch. Wir empfehlen Ihnen<br />
daher, die Insel außerhalb dieser Zeit zu<br />
besuchen. Collioure Vor allem das Frühjahr und<br />
A9/E15<br />
AP7/E15<br />
Puy de Dôme<br />
Lyon<br />
St.-Etienne<br />
Valence<br />
die Monate September bis November<br />
bieten sich besonders für einen Aufenthalt<br />
an. Die Temperaturen sind in dieser<br />
Zeit in der Regel sehr angenehm und<br />
die Hotelpreise wesentlich günstiger als<br />
in der Hochsaison.<br />
Wie jeder Nationalpark ist auch der<br />
Nationalpark Port-Cros eine geschützte<br />
Zone, für die spezifische Vorschriften<br />
gelten, um die fragile Natur zu<br />
schützen. Man kann Port-Cros daher<br />
A43/E70<br />
A49/E713<br />
Crest<br />
A7/E15<br />
A55<br />
Saillans<br />
Marseille<br />
Die<br />
Apt<br />
Chambéry<br />
Grenoble<br />
Aix-en-<br />
Provence<br />
A52<br />
A50<br />
Gap<br />
A51/E712<br />
A8/E80<br />
Toulon<br />
Annecy<br />
Briançon<br />
A57<br />
nur zu Fuß besuchen, außerhalb des<br />
Ortes herrscht Rauchverbot und Hunde<br />
sind dort ebenfalls nicht zugelassen,<br />
selbst wenn sie an der Leine geführt<br />
werden. Campen und Zelten ist auf der<br />
gan zen Insel untersagt. Abfall muss<br />
nach Möglichkeit wieder mit zurück<br />
auf das Festland genommen oder<br />
ausschließlich in den dafür bestimmten<br />
Con tainern entsorgt werden. Das Sammeln<br />
von Mineralien, das Pflücken von<br />
Pflanzen sowie Jagen und Fischen in<br />
jeglicher Form sind verboten.<br />
Italien<br />
France<br />
Cannes<br />
A8/E80<br />
Île de Port-Cros<br />
Nice<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 73<br />
Porquerolles, Villa Carmignac:<br />
große Kunst auf einer kleinen Insel<br />
(10 km entfernt)<br />
Vor knapp zwei Jahren wurde<br />
auf der nur 12 km 2 großen<br />
Insel Porquerolles die Villa<br />
Carmignac eröffnet. Sie ist<br />
das gelungene Ergebnis<br />
des gewagten Vorhabens,<br />
zeitgenössische Kunst an<br />
einem Ort zu installieren,<br />
wo man sie nicht erwartet. An einem Ort, irgendwo<br />
zwischen Himmel, Erde und Meer, an dem die<br />
Empfänglichkeit für diese Kunst offensichtlich<br />
besonders ausgeprägt ist.<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 63<br />
Hyères, eine authentische Ecke am Mittelmeer<br />
(25 km entfernt)<br />
Ganz im Süden der Provence, zwischen Toulon und Saint-<br />
Tropez, liegt die Stadt Hyères. Zusammen mit<br />
ihrer unmittelbaren Umgebung gilt sie als kleine<br />
Besonderheit an dieser Küste. Hyères ist vor<br />
allem dafür bekannt, dass man von dort zu den<br />
sogenannten Îles d‘Or (Porquerolles, Port-Cros<br />
und Levant) übersetzt, die genau gegenüber im<br />
Meer liegen. Darüber hinaus hat sich die Stadt<br />
aber seit Jahrhunderten eine für diese Region<br />
unerwartete Authentizität und Lebensart bewahrt, durch die sie sich von<br />
den umliegenden Orten deutlich unterscheidet. Hyères ist ein « etwas<br />
anderes » Ziel an der Côte d’Azur. Wir wollen versuchen nachzuvollziehen,<br />
warum das so ist.<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN SIE AUF SEITE 86.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 35
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hauts-de-France / Somme<br />
Hortillonnages von<br />
Von einer verrückten Idee<br />
zum jährlichen Ereignis<br />
36 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Amiens<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 37
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hauts-de-France / Somme<br />
Im Norden Frankreichs, in Amiens (Somme), gibt es ein einzigartiges Festival, auf das von Jahr zu Jahr<br />
immer mehr Gartenfreunde ungeduldig warten. 2010 aus einer etwas verrückten Idee entstanden, ist<br />
das Festival International des Hortillonnages d’Amiens heute ein unumgängliches Ereignis unter den französischen<br />
Gartenfestivals. Die Region um Amiens wurde lange Zeit als « Venedig des Gemüses » bezeichnet,<br />
da sich die Anbaukulturen auf kleinen Inseln befanden, die sich kilometerlang entlang von Kanälen<br />
erstreckten. Genau diese geografische Besonderheit steht im Zentrum der Hortillonnages d’Amiens, ist<br />
jedoch nicht die einzige Originalität des Festivals. Bemerkenswert ist darüber hinaus die Tatsache, dass<br />
man die Gärten frei und ungehindert entweder zu Fuß oder – die originellere Variante – mit einem elektrisch<br />
betriebenen Kahn besichtigt. Dabei erhält der Besucher einen neuartigen, erholsamen und<br />
manchmal auch unkonventionellen Blick auf die Umwelt sowie auf Vergangenheit und Zukunft der Region.<br />
Eine großartige Möglichkeit, die Gegend abseits der ausgetretenen Pfade zu erkunden.<br />
38 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Treue Leser von Frankreich erleben wissen nur zu gut, dass es uns ein<br />
Anliegen ist, die unzähligen touristischen und künstlerischen Initiativen<br />
in Frankreich mit Ihnen zu teilen. Vor allem Initiativen,<br />
die eher unbekannt sind, sich abseits der üblichen touristischen Routen<br />
befinden und in den klassischen Reiseführern meist gar nicht erwähnt<br />
sind. Im Frühjahr und <strong>Sommer</strong> finden im Hexagon inzwischen mehr als<br />
6000 Festivals statt – ein Rekord in Europa, der umso beeindruckender<br />
ist, wenn man bedenkt, dass es vor 30 Jahren nur 600 waren –, die unzählige<br />
interessante Möglichkeiten bieten, das Land, die Franzosen, ihren<br />
Alltag, ihre Traditionen und die Geschichte einer Region zu entdecken.<br />
Nachdem die Natur seit letztem Jahr bei vielen von uns einen ganz<br />
besonderen Stellenwert erhalten hat, wollen wir derzeit vor allem Veranstaltungen<br />
in den Vordergrund stellen, die mit Natur und Gärten zu tun<br />
haben. In der letzten Ausgabe haben wir Ihnen das Festival des Forêts<br />
vorgestellt, diesmal präsentieren wir Ihnen nun ein anderes, sehr eigenständiges<br />
Festival, das sich in der Zeit von Mai bis Oktober für einen<br />
Besuch anbietet: das Festival International des Hortillonnages d’Amiens.<br />
Die Veranstaltung im Stil von Land-Art lädt die Besucher zu einem<br />
angenehmen Streifzug durch die Natur ein, in dessen Verlauf sie sich<br />
der Verbindungen zwischen Natur, Landwirtschaft, Kultur, Kulturerbe<br />
und lokaler Entwicklung bewusst werden können. Im Laufe der<br />
vergangenen 11 Auflagen hatten bereits 260 Landschaftsgestalter, Architekten<br />
und Künstler aus der ganzen Welt die Möglichkeit, in dieser<br />
bemerkenswerten Naturlandschaft schöpferisch tätig zu sein. Auf diese<br />
Weise sind auf den unzähligen Parzellen und Inseln in und um Amiens<br />
170 Kunstwerke entstanden. Die oft überraschenden Werke setzen sich<br />
mit Problemen unserer heutigen Zeit, wie nachhaltige Entwicklung<br />
und ökologische Herausforderungen, auseinander und sind zu Fuß<br />
oder bei einer poetischen Fahrt in einer kleinen, elektrisch betriebenen<br />
Barke erreichbar. Die zwölfte Ausgabe in diesem Jahr steht unter<br />
dem Zeichen von Erde, Wasser und der Beziehung, die wir zur Natur<br />
als Nahrungslieferant haben. Das Festival bietet die Gelegenheit für<br />
einen einmalig schönen Ausflug in die Natur voller Überraschungen.<br />
Um mehr darüber zu erfahren, unterhielten wir uns mit dem Gründer<br />
dieses außergewöhnlichen Festivals: Gilbert Fillinger kennt es wie<br />
kein anderer und spricht voller Emotionen darüber. Er konnte vor elf<br />
Jahren Menschen von der Machbarkeit eines etwas verrückten Projektes<br />
überzeugen und zur Mitarbeit bewegen: eine nahezu aufgegebene<br />
Sumpflandschaft in ein einmalig schönes Kreations- und Experimentiergebiet<br />
zu verwandeln. Zweifellos eine schöne Geschichte!<br />
Vorherige Doppelseite: Mémoire d’arbre von Yuhsin<br />
U Chang, einer der Gärten des Festivals 2020.<br />
Oben: Cabotans maraîchers von Stéphane Larcin<br />
und Baptiste Demeulemeester (Festival 2019).<br />
Interview:<br />
Gilbert Fillinger<br />
Gründer des Festival International des Hortillonnages in Amiens und<br />
Leiter der Vereinigung Art & Jardins – Hauts-de-France<br />
Gilbert Fillinger, angesichts Ihres Namens liegen wir mit unserer Vermutung<br />
wohl nicht so falsch, dass Ihre Wurzeln nicht in der Picardie liegen. Wie war<br />
Ihr Werdegang, wie haben Sie die Region um Amiens entdeckt?<br />
Sie haben in der Tat recht! Ich bin in Mühlhausen geboren, bin also<br />
Elsässer. Ein Teil von mir ist sogar deutschen Ursprungs, denn meine Urgroßmutter<br />
stammt aus der Nähe von Baden-Baden. Mein Werdegang<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 39
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hauts-de-France / Somme<br />
ist etwas untypisch, da ich die Schule vor dem Abitur verließ. Ich<br />
war jedoch von jeher ein sehr neugieriger Mensch, zog eine Zeit lang<br />
kreuz und quer durch Frankreich und begeisterte mich für die Welt der<br />
Kultur. Zuerst für Musik, dann für Kino und Theater. Mit 32 Jahren<br />
gründete ich eine Produktionsfirma für Theater- und Kulturveranstaltungen,<br />
bevor ich 1996 in Bourges (Anm. d. Red.: Centre-Val-de-<br />
Loire) zum Leiter des Maison de la Culture ernannt wurde. 2005, also<br />
knapp zehn Jahre später, bot man mir die Leitung des Kulturzentrums<br />
in Amiens an. Da mir der Sinn nach einem Wechsel stand, sagte ich<br />
zu. So kam ich in diese Region.<br />
Kannten Sie zu diesem Zeitpunkt bereits die Hortillonnages, also die in<br />
Frankreich einzigartige und für Amiens charakteristische Tradition, in<br />
einem von kilometerlangen Kanälen durchzogenen Sumpfgebiet Obst und<br />
Gemüse anzubauen?<br />
Ich hatte zwar davon gehört, wusste aber nicht wirklich, wie ich<br />
mir das vorzustellen hatte. Tatsächlich entdeckt habe ich sie dann eher<br />
durch Zufall, als ich mich aufgrund eines gesundheitlichen Problems<br />
sehr viel bewegen musste. Je mehr ich die Umgebung von Amiens erforschte,<br />
desto öfter stieß ich auf diese, im Grunde genommen sehr<br />
verborgenen Orte, die oft nur mit dem Boot zugänglich sind. Zunächst<br />
betrachtete ich sie nur « von Weitem », umrundete sie auf der Uferböschung<br />
der Kanäle. Dann hatte ich die Gelegenheit, mit einem Kahn<br />
zu Gemüsebauern zu fahren, wo ich mehr über diese geschichtsträchtigen<br />
Orte voller Geheimnisse und Charme erfuhr.<br />
Die Hortillonnages von Amiens haben in der Tat bereits eine lange Vergangenheit<br />
und sind im Übrigen im Gedächtnis und im Alltag der Bewohner<br />
dieser Region tief verankert …<br />
Das stimmt. Bei Recherchen wurde mir klar, dass die ersten Spuren<br />
auf die galloromanische Zeit zurückgehen. Da die Gegend sehr sumpfig<br />
war, wollten die Menschen damals den Boden trockenlegen, um<br />
Land für ihre Kulturen zu gewinnen. Im Mittelalter wurde der Gemüseanbau<br />
dann systematischer und organisierter betrieben, entwickelte<br />
sich zu einer Einkommensquelle für Tausende von Menschen und ernährte<br />
jahrhundertelang den Norden Frankreichs bis Paris. Noch zu<br />
Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Amiens tausend Gemüsebauern.<br />
Leider fielen fast alle der Industrialisierung zum Opfer, und der überwiegende<br />
Teil der kultivierten Parzellen wurde aufgegeben. Nur einige<br />
dieser Gemüsebauern – die hier Hortillons genannt werden – hielten an<br />
der Tradition fest und bestellten weiterhin ihr Land. Andere Parzellen<br />
wurden von Naturliebhabern, vor allem von Fischern, übernommen.<br />
Anfang der 2000er-Jahre versetzten allerdings Überschwemmungen<br />
den Hortillonnages den Todesstoß. Beim Anblick der vom Wasser überfluteten<br />
kleinen Inseln gaben nahezu alle der verbliebenen Hortillons<br />
und Landbesitzer ihre Gemüse- und Obstgärten oder kleinen Wochenend-<br />
und Urlaubshütten auf. Als ich diese Gegend entdeckte, war<br />
das knapp 300 Hektar große Gebiet zum Großteil verlassen.<br />
Hat Sie diese Naturlandschaft sofort berührt?<br />
Ja. Das viele Brachland, die aufgegebenen und nicht mehr unterhaltenen<br />
Inselchen, all das hatte eine geheimnisvolle Seite. Vor allem aber<br />
eine Seele. Es ging etwas Besonderes davon aus. Etwas, das man nur<br />
schwer erklären kann. Es war offensichtlich, dass der Ort in der Vergangenheit<br />
eine wichtige Rolle für die Menschen hier gespielt hatte,<br />
dass er ein wichtiges Naturerbe darstellte, das jedoch gerade dabei war,<br />
Neben einer angenehmen Fahrt mit dem Elektrokahn<br />
über die Kanäle bietet das Festival schöne<br />
Spaziermöglichkeiten von Garten zu Garten. Oben<br />
der Garten Sphère nourricière von Manon Bordet<br />
Chavanes, Marie Brégeon und Johann Laskowski<br />
(Festival 2016). Während der Dauer des Festivals<br />
trifft man nicht nur auf enthusiastische Besucher,<br />
sondern auch die Mitarbeiter gehen begeistert<br />
ihrer Arbeit nach. Rechte Seite: Roques von Luca<br />
Antognoli und Gabriel Pontoizeau (Festival 2020).<br />
40 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
in Vergessenheit zu geraten. Bei genauerem Nachdenken muss man<br />
allerdings zugeben, dass die Gegend gar nicht so « natürlich » ist, denn<br />
schließlich wurde sie von Menschenhand so gestaltet … Es ist aber<br />
bewegend festzustellen, dass sich die Natur, in dem Moment, als der<br />
Mensch sich zurückzog, wieder des Ortes bemächtigt hat, dass es ihr<br />
gelungen ist, einen verlassenen Ort wieder anziehend zu machen. Ich<br />
bin davon überzeugt, dass die Natur ein Kunstwerk für sich ist, denn<br />
sie ist großartig, voller Emotionen und in gewisser Weise auch kreativ.<br />
Dennoch kam Ihnen nicht sofort der Gedanke, den Ort neu zu beleben …<br />
Nein. Ich übernahm gerade meine neue Funktion im Maison de la<br />
Culture, da hatte ich genug zu tun. Insofern kam ich zunächst gar nicht<br />
auf diese Idee.<br />
War es dann eher zufällig, dass Sie den Einfall hatten, ein Festival im Gebiet<br />
dieser Hortillonnages zu schaffen?<br />
Genau. Zur damaligen Zeit war ich bereits für die von mir produzierten<br />
künstlerischen Veranstaltungen bekannt, die sowohl in<br />
Frankreich als auch im Ausland auf Tournee gingen. Gleichzeitig<br />
beschloss die Regierung, die künstlerische Kreation und die Entwicklung<br />
lokaler Initiativen im ganzen Land zu fördern. Martin<br />
Hirsch, ein Beamter des höheren Dienstes, wurde von der Regierung<br />
mit dieser Mission betraut. Gemeinsam mit Marin Karmitz* machte<br />
* Anm. d. Red.: Ein großer Name der französischen Kultur; Regisseur,<br />
Produzent und Verleiher von Filmen, der, so will es der Zufall, der<br />
Vater von Nathanaël und Elisha Karmitz ist, den Gründern des Hôtel<br />
Paradiso, das wir Ihnen auf den Seiten 60-63 vorstellen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 41
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hauts-de-France / Somme<br />
er ein Budget dafür locker und wählte acht kreative Einrichtungen in<br />
ganz Frankreich aus, die seiner Meinung nach dazu in der Lage waren,<br />
originelle Projekte zu entwickeln. Meine Produktionsfirma war<br />
ebenfalls darunter. Anlässlich einer vorbereitenden Sitzung, bei der<br />
alle am Tisch ihre Ideen zu diesem Thema präsentieren sollten, war<br />
ich zufällig als letzter an der Reihe. Ich hörte die Ausführungen aller<br />
Vorredner. Um ehrlich zu sein, war mir zwar klar, dass es in Amiens<br />
genug zu tun gab, doch ich hatte überhaupt kein konkretes Projekt<br />
im Kopf. Irgendwann erwähnte eine Diskussionsteilnehmerin, wie<br />
gerne sie einen Garten kreiert hätte, wenn sie die Möglichkeit dazu<br />
gehabt hätte. Genau da machte es bei mir Klick! In dieser Sekunde<br />
wurde mir klar, welches Glück wir in Amiens mit den Hortillonnages,<br />
dieser so unglaublichen Landschaft hatten! Die Idee war geboren! Ich<br />
nutzte die Zeit, bis ich an der Reihe war, um ein paar Gedanken aufs<br />
Papier zu kritzeln. Auf dieser Basis erläuterte ich dann mein Kulturprojekt:<br />
ein Gartenfestival in den Hortillonnages von Amiens! So fing<br />
also alles an …<br />
Oben links: Besucher entdecken den Garten<br />
Hortillophones von Raphaëlle Duquesnoy (Festival<br />
2019). Oben und Zeichnungen rechts: Zu den<br />
ausgewählten Projekten für das diesjährige<br />
Festival gehören Jardin fortifié von Quentin Aubry<br />
und Zeger Dalenberg (Studio Audal) sowie Élever<br />
la terre von Livia Kolb und Virginie Alexe. Unten:<br />
Affaissement von Simon Augade (Festival 2019).<br />
Offensichtlich kam der Vorschlag sofort gut an! Ihnen wurde allerdings schnell<br />
klar, dass Sie sich in ein total verrücktes Projekt gestürzt hatten …<br />
Als die erste Euphorie vorbei war, realisierte ich in der Tat, dass ich<br />
mich etwas weit vorgewagt hatte. Außer einer einmaligen Gegend und<br />
einer etwas verrückten Idee hatte ich nichts Konkretes in der Hand.<br />
Doch von Anfang an wurde ich von tollen Menschen unterstützt, die<br />
in ihre Region regelrecht verliebt waren. So hatte ich beispielsweise im<br />
Maison de la Culture von Amiens einen großartigen technischen Leiter.<br />
Er ist ebenfalls ein Abenteurer mit Leib und Seele und sagte sofort<br />
zu, als ich ihn bat, bei diesem Projekt mitzuarbeiten. Wir mieteten ein<br />
Boot und fuhren auf den Kanälen der Hortillonnages spazieren. Dabei<br />
stellten wir fest, dass es in der Tat mehrheitlich Brachland war. Doch<br />
die Gegend war fantastisch. Als wir zurückkamen, hatten wir den<br />
Kopf voller Ideen. Schnell konnten wir eine große Anzahl von Menschen<br />
für das Projekt begeistern, einige hatten sogar bereits Aktivitäten<br />
wie Spazierfahrten mit dem Boot über die Kanäle initiiert. Francis<br />
Parmentier, einer der wenigen noch aktiven Hortillons, der ausschließlich<br />
auf den Inseln arbeitet – die sechs anderen aktiven Gemüsebauern<br />
bewirtschaften Parzellen am Rand der Kanäle –, zeigte sich genauso<br />
enthusiastisch wie der Bürgermeister. Ohne diese Unterstützung wäre<br />
das alles nicht möglich gewesen.<br />
42 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Wie haben die Bewohner von Amiens Ihr Projekt aufgenommen?<br />
Am Anfang leuchtete es ihnen nicht so richtig ein. Doch das ist<br />
normal. Manche von Ihnen gingen in den Hortillonnages immer noch<br />
ihren Gewohnheiten nach, unterhielten dort einen kleinen Gemüsegarten,<br />
hatten eine Wochenendhütte und führten dort ein geruhsames<br />
Leben. Als sie dann plötzlich erfuhren, dass ein Festival ins Leben gerufen<br />
werden sollte, dass diese Ruhe möglicherweise durch « Fremde »<br />
gestört werden würde, hat dies nicht wenige erschreckt, darüber bin ich<br />
mir wohl bewusst. Zum Glück hatte ich einige einheimische Freunde,<br />
die das Vorhaben erklärten und für das Projekt warben. Ich weiß aber,<br />
dass viele Menschen in Amiens dachten, ich müsse ein bisschen zurückgeblieben<br />
sein, mich in ein Projekt zu stürzen, das von vornherein<br />
zum Scheitern verurteilt war.<br />
Was war das Schwierigste für Sie?<br />
Das Schwierigste war für mich die Erkenntnis, dass ich zwar Theaterstücke,<br />
Tanz- oder Musikveranstaltungen organisieren kann, von<br />
der Welt des Gartens jedoch keine Ahnung hatte, sieht man von der<br />
mir angeborenen Neugier einmal ab. Zudem ist das Gelände der Hortillonnages<br />
sehr fragil, man arbeitet permanent auf oder direkt am Wasser.<br />
Also musste ich mir Kenntnisse über ein mir völlig fremdes Thema<br />
aneignen, abgesehen davon, dass das Festival von A bis Z kreiert<br />
werden musste. Aber ich bin davon überzeugt, dass man in der Kultur<br />
– ebenso wie in vielen anderen Bereichen – eine Art von Unbedarftheit<br />
braucht, damit alles funktioniert. Zudem setzte ich mein Vertrauen in<br />
unser kleines Team. Im kulturellen Bereich ist es unvermeidbar, Risiken<br />
einzugehen, dessen muss man sich bewusst sein, und man muss<br />
akzeptieren, dass man sich irren kann und möglicherweise scheitert.<br />
Durch Arbeit und Überzeugungskraft konnte im Juni 2010 dann die erste<br />
Ausgabe des Festivals stattfinden …<br />
Ja. Wir hatten einige Kanäle « gereinigt », ein paar Inseln « aufgeräumt<br />
» und konnten rund 20 Künstler, Landschaftsgärtner und Architekten<br />
davon überzeugen, sich hier niederzulassen und Kunstwerke zu<br />
kreieren. Im ersten Jahr war das nur dank eines Netzwerks von guten<br />
Freunden möglich, die Ausschreibungen in interessanten Einrichtungen<br />
lancierten, vor allem in der Kunsthochschule in Amiens. Das<br />
erste Festival war gleich ein voller Erfolg! Das Publikum ließ sich nicht<br />
bitten: Zuerst kamen die Einwohner von Amiens. Sie waren neugierig<br />
und bewegt, dass ihre Hortillonnages wieder mit Leben erfüllt waren.<br />
Durch Mund-zu-Mund-Propaganda kamen nach und nach Besucher<br />
aus der Region, dann aus anderen Regionen Frankreichs und inzwischen<br />
sogar aus dem Ausland.<br />
Was wird aus den Kunstwerken?<br />
Einige sind dauerhaft angelegt, andere nur für eine Zeit von ein bis<br />
drei Jahren. Manchmal werden sie durch die Natur zerstört. Aber das<br />
gehört dazu. Diejenigen, die beim Publikum am besten ankommen,<br />
werden regelmäßig unterhalten. Pro Jahr entstehen rund zehn neue<br />
Kunstwerke und bei jedem Festival kann man insgesamt etwa 50 Werke<br />
entdecken. Ich würde es gerne auf 15 pro Jahr ausbauen. Platz ist<br />
genug vorhanden: Derzeit belegt das Festival eine Fläche von zwei bis<br />
drei Hektar, die man zu Fuß besichtigen kann, während mit dem Boot<br />
eine Wasserfläche von rund 20 Hektar zugänglich ist. Darauf befinden<br />
sich etwa 20 Inseln. Wir haben also noch Luft nach oben. Aber das ist<br />
eine Frage von Zeit und Budget.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 43
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hauts-de-France / Somme<br />
Oben: Das Projekt 3 kilomètres à la ronde von Alix<br />
Eoche-Duval und Cyril Servettaz wurde ebenfalls<br />
für das diesjährige Festival ausgewählt. Unten: Der<br />
« schwimmende Empfangsbereich » des Festivals<br />
wurde 2020 von Alexis Deconinck in Zusammenarbeit<br />
mit Studenten der Faculté d’Architecture La Cambre-<br />
Horta der Freien Universität Brüssel kreiert.<br />
Das Festival ist aber weit davon entfernt, sich nur um kulturelle und ästhetische<br />
Belange zu kümmern, sondern es will auch für Umweltfragen sensibilisieren,<br />
die Uferböschungen und die Inseln schützen, die Erinnerung an<br />
die Vergangenheit lebendig halten, Verbindungen zwischen den Bewohnern<br />
knüpfen …<br />
Genau! Mir wird klar, dass dieses Festival nahezu politisch ist.<br />
Ist das bei Kultur aber wirklich erstaunlich? Kunst war schon immer<br />
ein Medium, um Botschaften zu vermitteln. Sie drückt Dinge aus, sei<br />
es auch nur Schönheit. Vor allem aber ist sie ein Sprachrohr. In der<br />
komplexen Zeit, in der wir heute leben, stellen uns diejenigen, die ihre<br />
Werke anlässlich des Festivals präsentieren, wesentliche Fragen: Wohin<br />
bewegt sich unser Planet? Wie geht es ihm? Was ist Wasser? Arbeit?<br />
Nahrung? Alle diese Fragen fordern uns auf, in uns hineinzuhören,<br />
Antworten zu finden und zu geben. Meines Erachtens nach ist genau<br />
das heute die Rolle von Kultur. Umso mehr, als dass man sich hier, inmitten<br />
der Hortillonnages, frei und ungehindert bewegen kann. Das hat<br />
gar nichts mit den « Kulturkathedralen » zu tun, die Museen heute sind.<br />
Hier kann man die Menschen direkt ansprechen, ihnen aber auch die<br />
Möglichkeit geben, wenn sie es möchten, ganz einfach nur die Ruhe<br />
und Ausgeglichenheit des Ortes zu genießen. Jeder kommt auf seine<br />
Kosten. Diese Freiheit inmitten der Natur liebe ich.<br />
Gilbert Fillinger, vielen Dank für das Gespräch.<br />
44 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Quimper<br />
N165/E60<br />
Reiseinfos und Lesetipps<br />
Amiens …<br />
… Berlin 964 km … Hamburg 782 km<br />
… Köln 404 km … Frankfurt 580 km<br />
… München 821 km … Wien 1301 km<br />
… Zürich 655 km … Paris 136 km<br />
… Lille 111km<br />
Die nächstgelegenen Flughäfen, die<br />
aus dem deutschsprachigen Raum<br />
angeflogen werden, sind Beauvais-Tillé<br />
(57 km) und Roissy-Charles-de-Gaulle<br />
(129 km).<br />
Festival des Hortillonnages d’Amiens<br />
12. Auflage, 22. Mai bis 17. Oktober <strong>2021</strong><br />
Telefon: +33 (0)6 78 53 55 92<br />
www.artetjardins-hdf.com<br />
Kahn. Die Rundfahrt von Insel zu Insel<br />
dauert rund 2,5 Std.<br />
Das Festival findet zwar unter<br />
freiem Himmel statt, angesichts der<br />
derzeitigen Situation empfehlen wir<br />
Ihnen dennoch, sich vor dem Besuch<br />
auf der Website oder per Telefon<br />
über die genauen Öffnungszeiten zu<br />
informieren.<br />
Der Mietpreis für das Boot richtet sich<br />
nach der Personenzahl (max. 6):<br />
1–2 Personen 19 € • 3–4 Personen 24 € •<br />
5–6 Personen 29 € • Kostenlos für<br />
Kinder unter drei Jahren •<br />
Gebühr für den Schutz der<br />
Hortillonnages: 1 € (≥ 11 Jahre)<br />
bzw. 0,50 € (3–10 Jahre). Le A29/E44 Havre<br />
A131 Jumièges<br />
Honfleur<br />
Das Elektroboot ist sehr einfach zu<br />
steuern.<br />
N13<br />
Man Caen kann auf jeder beliebigen<br />
A13/E46<br />
Saint-Lô Insel anlegen und sich dort frei<br />
bewegen.<br />
Man kann die Gärten des Festivals auf Vom Zentrum von Amiens führt ein<br />
Lannion zwei Arten besichtigen:<br />
angenehmer Weg zum zentralen<br />
DinardSaint-Malo<br />
Avranches<br />
A28/E402<br />
– Zu Fuß: Über den Treidelpfad<br />
Bereich in Camon. Zu Fuß ist es ein<br />
gelangen Sie auf die Île aux Fagots und schöner 45-minütiger Spaziergang,<br />
N176/E401 Mont-Saint-Michel<br />
Saint-Brieuc dann über den N12/E50 Étang de Rivery zur Île mit Fahrrad oder Auto geht es<br />
Robinson. Die Inseln sind teilweise A84 entsprechend schneller. Die kürzeste<br />
mit Brücken verbunden. Der reizvolle Verbindung (ausschließlich Alençon zu Fuß) ist<br />
N164<br />
Spaziergang dauert rund 45 Minuten. ein Treidelpfad, der 10 Min. von der<br />
Der Eintritt ist frei.<br />
Kathedrale entfernt beginnt. Bei dieser<br />
– Mit D768 dem Boot (die interessantere Rennes Gelegenheit besichtigt man gleichzeitig<br />
Variante): Mieten Sie in Camon am<br />
einen Teil der Stadt. In diesem Fall<br />
N24<br />
Hafen (Port à Fumier, 35 rue Roger<br />
beträgt die Gehzeit Le rund Mans30 Min.<br />
Lorient Allou) einen elektrisch betriebenen<br />
N12/E50<br />
Vannes<br />
A84/E401<br />
E5/A10<br />
A11/E501<br />
A28/E502<br />
A89/E70<br />
A13/E5<br />
A16<br />
PARIS<br />
A6/E15<br />
A1/E15-E19<br />
Beachten Sie, dass es im <strong>Sommer</strong> A5/E54<br />
Chartres<br />
durch die Rückstrahlung des Wassers<br />
schneller zu einem Sonnenbrand<br />
A11/E50<br />
kommen kann! Vergessen Sie also den<br />
Sonnenschutz A10/E5 nicht oder bevorzugen<br />
einen Besuch in den Monaten Juni,<br />
September oder Orléans Oktober.<br />
Montalivet<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN SIE AUF SEITE 86.<br />
Tulle<br />
Périgueux<br />
Brive-la-Gaillarde<br />
Le Porge<br />
Bordeaux<br />
Sarlat-le-Canéda<br />
Rouen<br />
Evreux<br />
Dreux<br />
Calais<br />
Boulogne<br />
Amiens<br />
Dunkerque<br />
Arras<br />
Roubaix<br />
Lille<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 78Blois<br />
Chambord<br />
Compiègne: A10/E5-E60 musikalische Waldbäder und ein<br />
Einhorn (72 km entfernt) Cheverny<br />
Seit Tours fast 30 Chenonceau Jahren treffen sich A71/E9 Liebhaber klassischer<br />
A85<br />
und zeitgenössischer Musik jeden <strong>Sommer</strong><br />
A10/E5 in der Nähe von Compiègne (Oise), um etwas<br />
Bourges<br />
nicht Alltägliches zu erleben. Konzerte mitten<br />
im Wald, « Musikspaziergänge » und sogar<br />
« musikalische<br />
A20/E9<br />
Waldbäder » bieten dem<br />
Publikum Eindrücke der besonderen A71/E11 Art und<br />
sind eine Einladung zum Auftanken.<br />
A4/E50<br />
Sens<br />
A75/E11<br />
le Mont-Dore<br />
Gent<br />
A26/E17<br />
Auxe<br />
N165/E60<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 62<br />
Quiberon<br />
Eine beeindruckende Reise in der Baie Angers<br />
de Somme (Teil 1): die Abbaye A11/E60 de Saint-<br />
La Baule<br />
Riquier (42 km entfernt)<br />
A86/E60<br />
St. Nazaire<br />
Die Baie de Somme ist eine Nantes magische<br />
Gegend. Zu Recht ist dies A87<br />
Monts<br />
ein wichtiger touristischer Clisson<br />
Cholet<br />
Anziehungspunkt in der Region<br />
Hauts-de-France. A83 Weniger bekannt<br />
ist jedoch, Les Sablesd’Olonne<br />
Kilometer von hier, etwas<br />
dass sich nur wenige<br />
Dutzend<br />
weiter im Landesinneren, ein<br />
ebenso beeindruckender, erholsamer und einzigartiger<br />
A83<br />
Poitiers<br />
Ort verbirgt. Ein Ort, an dem es seltsamerweise um einen<br />
Saint-Sigismond<br />
zertrümmerten Schädel, um ein Pergament, das die Geburt<br />
der französischen Sprache markiert, um eine wundersame<br />
N11/E601<br />
Niort<br />
Quelle, die den Königen besondere Fähigkeiten La verlieh, Rochelle<br />
um die Fundamente Europas und um einen Dirigenten mit E5/A10<br />
internationalem Ruf geht, der während seines Musikfestivals<br />
eigenhändig die Blumen für die Sträuße schneidet, E602/A837 die<br />
nach dem Konzert den Musikern überreicht werden. Ein<br />
Ort, der seit Jahrhunderten kleine Geschichten und große<br />
Geschichte schreibt. Dieser Ort, das ist die Abbaye de Saint- Angoulême<br />
Riquier.<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof Cherbourgbefindet<br />
sich in Estrées-Deniécourt Octeville<br />
(Haute-Picardie, 42 km).<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 63<br />
Eine beeindruckende Reise in der Baie de Somme<br />
(Teil 2): Le parc du Marquenterre (75 km entfernt)<br />
Wir setzen unsere Entdeckungsreise Montluçon in der<br />
Baie de Somme in einem der berühmtesten<br />
ornithologischen Parks Frankreichs, dem Parc<br />
A71/E11<br />
du Marquenterre, fort. Seit seiner Eröffnung<br />
im Jahr 1973 erfreuen drei Rundwege mit<br />
insgesamt 13 Beobachtungsstationen Natur- Clermont-<br />
Limoges<br />
Ferrand<br />
und Vogelliebhaber.<br />
A89/E70 Puy de Dôm<br />
Souillac sur<br />
Dordogne<br />
Le Pescher<br />
Payrac<br />
Saillac<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 45<br />
Rocamadour<br />
Aurillac<br />
Véz
ADVERTORIAL<br />
Im Tal der Somme erwartet Sie ein ganz<br />
besonderes Radfahrerlebnis. Der Fluss<br />
schlängelt sich auf über 200 Kilometern<br />
von seiner Quelle im nordfranzösischen<br />
Departement Aisne bis an den Ärmelkanal.<br />
Aber nicht nur die Somme-Bucht,<br />
die zu den schönsten der Welt gehört,<br />
bietet Ihnen ein atemberaubendes Naturerlebnis,<br />
die ganze Flusslandschaft an<br />
sich ist einzigartig und wird Sie mit ihrer<br />
erhaltenen Natur überraschen.<br />
Nehmen Sie sich Zeit und fahren Sie die 160<br />
Kilometer lange gut ausgebaute Véloroute<br />
V30 geruhsam ab. So können Sie genussvoll<br />
die vielen versteckten Schmuckstücke entdecken,<br />
die Sie von Péronne über Amiens bis<br />
zur Somme-Bucht erwarten. Liebevoll geführte Gästezimmer<br />
und originelle Ferienwohnungen in den ehemaligen Wohnhäusern<br />
der Schleusenwärter laden zum Übernachten ein.<br />
Machen Sie Halt in den Gasthäusern am Ufer der Somme<br />
und genießen Sie die lokalen Spezialitäten, wie zum Beispiel<br />
den geräucherten Aal.<br />
Die Somme ist ein gemütlicher, langsam dahinfließender<br />
Fluss, dem Sie auf der gesamten Reise bis zum Meer folgen.<br />
Der Treidelpfad führt Sie immer durch ein Mosaik von Teichen<br />
und Sümpfen. Eine ursprüngliche Landschaft, die Sie<br />
sofort gefangen nimmt und in Ihnen ein einziges Gefühl erzeugen<br />
wird: Das Wasser ist überall!<br />
Eines der größten Feuchtgebiete Europas<br />
und eine Wiege der Menschheit<br />
Sie befinden sich in einem der größten Feuchtgebiete Europas,<br />
das seit 2017 ein Naturschutzgebiet im Rahmen der<br />
Ramsar-Konvention ist. Die ehemaligen Löcher des Torfabbaus<br />
wurden von der Somme wieder mit Wasser aufgefüllt<br />
und es entstand so eine grandiose Landschaft mit einer reichen<br />
Flora und Fauna. Atmen Sie durch. Inmitten der friedlichen<br />
Wasserinseln erscheint der Alltag weit entfernt. Vom<br />
Fahrrad aus ist es einfach, in die Natur einzutauchen und den<br />
Rest zu vergessen.<br />
Auf den kalkigen Südhängen des Tales wurden leicht erreichbare<br />
Aussichtspunkte eingerichtet. Auf diesen Belvederes<br />
fühlt man sich wie am Mittelmeer, umgeben von Orchideen,<br />
Thymianbüschen und Eidechsen, und man genießt gleichzeitig<br />
einen alles umfassenden Blick auf das grüne Tal mit seinem<br />
außergewöhnlichen Schauspiel.
ADVERTORIAL<br />
Diese alten Flussterrassen wurden bereits vor Urzeiten<br />
besiedelt. Schon im 19. Jahrhundert wurden bei prähistorischen<br />
Forschungen in St. Aucheul bei Amiens 450 000 Jahre<br />
alte menschliche Spuren gefunden. Ihre Fahrradreise führt<br />
direkt zum besten Ort, um die Geschichte der Menschheit<br />
über 600 000 Jahre zurückzuverfolgen: Im archäologischen<br />
Park von Samara wird auf anschauliche und unterhaltsame<br />
Art und Weise das Leben unserer prähistorischen Ahnen<br />
dargestellt. Ein Halt lohnt sich hier auf alle Fälle, auch um<br />
nochmals einen schönen Spaziergang durch das umliegende<br />
Sumpfschutzgebiet zu machen.<br />
Kulturerbe einer langen und reichen Geschichte<br />
Aber auch in der näheren Vergangenheit spielten das Tal<br />
der Somme und seine bedeutenden Klöster und Abteien im<br />
Laufe der Jahrhunderte eine wichtige politische und kulturelle<br />
Rolle. Besuchen Sie die Reste des ehemaligen Königsklosters<br />
Saint-Pierre aus dem 7. Jahrhundert in Corbie. Die Stiftskirche<br />
Saint-Vulfran in Abbeville und die Abteikirche Saint-Riquier<br />
sind herausragende Beispiele der extravaganten gotischen<br />
Kunst. Und nicht zu vergessen die Kathedrale Notre-Dame<br />
von Amiens, eine der größten und vollendetsten gotischen<br />
Kathedralen und ein UNESCO-Weltkulturerbe.<br />
Charmante malerische Dörfer<br />
laden zu einem Halt ein<br />
Auf der Fahrt in Richtung Meer durchqueren Sie zusammen<br />
mit der Somme viele hübsche, malerische Städte und<br />
Dörfer, die sich für eine Rast lohnen. Man spürt stets die Präsenz<br />
des Wassers, der Fluss ist allgegenwärtig.<br />
In Amiens, der Hauptstadt des Departements Somme,<br />
sollten Sie auf alle Fälle einen längeren Halt einplanen. Diese<br />
hübsche Stadt hat schon immer mit und von dem Fluss<br />
gelebt. Das urige Stadtviertel Saint-Leu wurde entlang der<br />
zahlreichen Flussarme gebaut, so dass es noch heute von<br />
Wasserkanälen durchzogen ist. Die schwimmenden Gärten,<br />
die Hortillonnages, sind Zeugnisse von Menschenhand geschaffener,<br />
fruchtbarer Gärten im ehemaligen Sumpfgebiet.<br />
Das Schloss der kleinen Stadt Long und seine in Terrassen<br />
angelegten Rosengärten spiegeln sich im stillen Wasser<br />
der Somme. Hier lohnt es sich, auch das Wasserkraftwerk<br />
vom Ende des 19. Jahrhunderts zu besuchen, das es dem<br />
Dorf ermöglichte, als eines der Ersten in Frankreich von der<br />
Elektrizität zu profitieren.<br />
Nicht weniger als zehn Brücken führen in Pont-Saint-<br />
Remy über die Somme. Und in Eaucourt-sur-Somme steht<br />
eine restaurierte Windmühle auf dem Hügel, von dem Sie bei<br />
gutem Wetter schon die Somme-Bucht von Weitem erkennen<br />
können.<br />
Die Somme-Bucht hält ein ganz besonderes Finale für<br />
die Radler bereit: Bei Saint-Valéry-sur-Somme öffnet sich der<br />
Fluss und macht Platz für ein ganz besonders gewaltiges Naturschauspiel<br />
von Ebbe und Flut, Himmel, Sand und Wasser.<br />
Was für eine wunderschöne, beeindruckende Belohnung<br />
nach dieser langen Fahrt!<br />
Und für besonders mutige und ausdauernde Radfahrer<br />
gibt es hier die Möglichkeit, auf dem neuen Radwanderweg<br />
EuroVelo4, der Vélomaritime, entweder nach Norden in<br />
Richtung Opalküste und Dünkirchen abzubiegen oder nach<br />
Westen der Küste in die Normandie zu folgen. Und warum<br />
nicht bis nach Roscoff in die Bretagne?<br />
Praktische Informationen<br />
Auf der Internetseite von Somme-Tourisme finden Sie alle<br />
nützlichen Informationen auch für Übernachtungsmöglichkeiten,<br />
Gastronomie und Fahrradvermietung:<br />
https://www.somme-tourisme.com<br />
Mehrere Bahnhöfe entlang der Strecke ermöglichen eine<br />
einfache An- und Abfahrt und das Aufgliedern der Veloroute in<br />
unterschiedliche Etappen.<br />
Linke Seite: Aus der Vogelperspektive gur zu erkennen: die wieder mit Wasser befüllten Löcher<br />
des Torfabbaus. Rechts oben: Die Reise per Fahrrad führt an vielen malerischen Plätzen und<br />
Sehenswürdigkeiten vorbei. (Alle Fotos: Copyright: CRTC Hauts-de-France/ Stéphane Bouilland).<br />
Weitere Infos unter:<br />
www.nordfrankreich-reiseideen.com
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Bouches-du-Rhône<br />
Abbaye de<br />
Montmajour<br />
Eine Reise durch die<br />
Vergangenheit der Provence<br />
Mit ihrer ruhigen Atmosphäre und den dicken Mauern,<br />
die auch an heißen <strong>Sommer</strong>tagen für eine wohltuende<br />
Kühle im Inneren der Gebäude sorgen, sind die Klöster<br />
der Provence gerade in dieser Jahreszeit besonders angenehm<br />
zu besichtigen. Denkt man an diese Orte, fallen<br />
einem natürlich zunächst die Namen von bekannten<br />
Abteien – wie Sénanque mit ihren Lavendelfeldern oder<br />
Le Thoronet mit ihrer geradlinigen Architektur – ein. Die<br />
Abbaye de Montmajour, die einige Kilometer nordöstlich<br />
von Arles liegt, ist dagegen viel diskreter, aber bei<br />
einem Aufenthalt in der Region einen Besuch wert. Ihre<br />
beeindruckende architektonische Vielfalt zeugt von einer<br />
fast achthundertjährigen Geschichte und diente zudem<br />
als nahezu unerschöpfliche Inspirationsquelle für<br />
Vincent van Gogh.<br />
48 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 49
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Bouches-du-Rhône<br />
Ist es eine Festung? Ein Schloss? Ein religiöses Gebäude?<br />
Alles gleichzeitig? Schon aus der Ferne betrachtet,<br />
stellt man sich bei der Abbaye de Montmajour viele<br />
Fragen. Nur wenige Kilometer von der Stadt Arles entfernt<br />
– zu der die Abtei im Übrigen gehört – zieht ihre isolierte<br />
Lage unweigerlich die Blicke auf sich: Inmitten einer ausgedehnten<br />
Ebene – trockengelegtes Sumpfland – überragt<br />
ihre Silhouette die Landschaft. Egal, aus welcher Richtung<br />
man sich ihr nähert, sie beeindruckt, wirkt unglaublich imposant.<br />
Auf der kleinen Straße, die vom Dorf Fontvieille<br />
zur Abbaye de Montmajour und weiter nach Arles führt,<br />
ist der Eindruck noch stärker. Hinter einer Kurve taucht<br />
die Abtei in ihrer ganzen Pracht auf, erhaben und geheimnisvoll,<br />
als wolle sie sich ganz dicht an den Felsen – den<br />
« Mont Majour » – schmiegen, mit dem sie seit knapp acht<br />
Jahrhunderten nahezu eine Einheit bildet.<br />
Menschen hierher. Die Wallfahrt fand immer am 3. Mai<br />
statt und trug nicht unwesentlich zum Reichtum der Abtei<br />
bei, wodurch diese sich weiter ausdehnen konnte. Im<br />
12. Jahrhundert ließen die Mönche in unmittelbarer Nähe<br />
der Abtei die hübsche Chapelle reliquaire Sainte-Croix im<br />
reinsten romanischen Stil errichten. Dorthin brachten sie<br />
die wertvolle Reliquie während der Wallfahrten (in der<br />
restlichen Zeit wurde sie im Salle du Trésor verwahrt) und<br />
konnten die Pilger und Getreuen unter optimalen Bedingungen<br />
empfangen.<br />
Ein Turm zur Verteidigung<br />
Ende des 13. Jahrhunderts waren der Ruf und die<br />
Macht von Montmajour auf ihrem Höhepunkt. Nicht<br />
nur in spiritueller, sondern auch in politischer und wirtschaftlicher<br />
Hinsicht erstreckte sich ihr Einfluss<br />
über ein ausgedehntes Gebiet, das von<br />
Grenoble (Isère) bis zum Mittelmeer reichte.<br />
Es lag daher nahe, dass die Abtei auch Begehrlichkeiten<br />
hervorrief. Dies ging so weit,<br />
dass man sie während des Hundertjährigen<br />
Krieges schützen musste. Durch den Bau<br />
einer Festungsmauer und eines 26 m hohen<br />
Turmes, dem Tour Pons de l’Orme, wurde sie<br />
daher befestigt. Besonders aus der Ebene<br />
wirkt der Turm beeindruckend. Heute haben<br />
die Besucher von dort aus einen herrlichen<br />
Panoramablick über die Umgebung. Damit<br />
hätte die Geschichte enden können. Dass<br />
dies nicht so ist, wird bei der Besichtigung<br />
klar, denn die architektonischen Stile zeugen<br />
von der Fortsetzung der Entwicklung …<br />
Vorherige Doppelseite: Blick auf die Abtei von ihrem höchsten Punkt, dem<br />
26 m hohen Tour Pons de l’Orme. Oben: der Kreuzgang. Rechte Seite: Ob in<br />
der Ermitage Saint-Pierre, einer halb in den Fels gehauenen, präromanischen<br />
Kapelle, die gleichzeitig den ältesten Teil der Abtei darstellt (im Vordergrund),<br />
oder auf dem ab 1369 errichteten Tour Pons de l’Orme: Auf jeder Ebene<br />
dieses Ortes unternimmt man eine Reise durch die Vergangenheit.<br />
Die Reliquie des « Wahren Kreuzes »<br />
Betritt man dann Montmajour, erreicht die Verblüffung<br />
ihren Höhepunkt. Es gibt nur wenige Orte, bei<br />
denen man sich so schnell über die Vergänglichkeit der<br />
Zeit und die Abfolge der Epochen bewusst wird. Die Abtei<br />
wurde 948 von Benediktinermönchen gegründet, die<br />
zunächst nur die bescheidene Ermitage Saint-Pierre bauten<br />
– eine in der Provence einzigartige, halb in den Fels<br />
gehauene präromanische Kapelle. In der Folge vergrößerte<br />
sich das Kloster durch eine Abteikirche. Die Reliquie des<br />
« Wahren Kreuzes » in der Krypta zog damals viele Pilger<br />
an und machte den Ruf von Montmajour aus. Für die<br />
Pèlerinage du Pardon kamen über Jahrhunderte unzählige<br />
Das « Schloss der Mönche »<br />
Im 17. Jahrhundert waren Mönche der<br />
Congrégation de Saint-Maur, der Ordensgemeinschaft<br />
der Mauriner, über eine, wie<br />
sie es nannten, « nachlassende Strenge » der<br />
Abtei besorgt. Sie verjagten die Benediktiner<br />
und ließen sich selbst dort nieder, um<br />
ein gottesfürchtiges Klosterleben zu führen, was wiederum<br />
den Menschen in Arles nicht sehr gefiel. Die neuen<br />
Mönche errichteten ein weiteres Kloster, das Monastère<br />
Saint-Maur, das in der Gegend schnell als « Schloss der<br />
Mönche » bezeichnet wurde, da es so imposant erschien.<br />
Mit seiner Architektur, die Monumentalität und Funktionalität<br />
verband, wirkte es in der Tat wie ein regelrechter<br />
Palast. Für die Mauriner war das aber nichts Ungewöhnliches,<br />
denn die neuen Gebäude und Gärten mussten die<br />
Bedürfnisse des täglichen Lebens und des Klosterlebens<br />
erfüllen: ein Schlafraum zum Ruhen, eine Bibliothek für<br />
die geistige Arbeit, Gärten, eine Bäckerei und eine Küche.<br />
Für das liturgische Leben nutzten die Ordensbrüder weiterhin<br />
die Abteikirche aus dem Mittelalter.<br />
50 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 51
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Bouches-du-Rhône<br />
Von der Abtei zum Steinbruch<br />
Am Beginn der Französischen Revolution hatte die<br />
Abtei alle Merkmale eines grandiosen Gebäudes im klassizistischen<br />
Stil. Leider änderte sich mit der Revolution<br />
auch ihr Schicksal grundlegend. Wie viele andere religiöse<br />
Gebäude in Frankreich wurde Montmajour 1<strong>79</strong>0 als Nationalgut<br />
verkauft. Das Kloster wurde seines Dachstuhls<br />
beraubt und diente dann als Steinbruch. Es ist im Übrigen<br />
bekannt, dass ein guter Teil der Steine, mit denen einige<br />
Straßen und Häuser in Arles gebaut oder renoviert wurden,<br />
von hier stammt. 1921 wurde die Abbaye de Montmajour<br />
glücklicherweise als Monument historique klassifiziert.<br />
1994 wurde ein Großteil der Anlage renoviert und<br />
seither regelmäßig unterhalten. Gerade derzeit enden<br />
umfangreiche Arbeiten, in deren Rahmen vor allem die<br />
Terrassen und Gärten restauriert wurden.<br />
Von Bibel und Enzyklopädie über<br />
van Gogh bis hin zu Fotografien<br />
Die Abtei Montmajour, die seit 1945 dem französischen<br />
Staat gehört, rüttelt aber die Besucher heute nicht nur deswegen<br />
auf, weil diese dort eine Reise durch die Zeit und<br />
verschiedene architektonische Stile unternehmen können.<br />
Darüber hinaus spürt man sofort, dass ihre Mauern über<br />
Jahrhunderte hinweg Reflexion und Inspiration gefördert<br />
haben – sowohl in spiritueller als auch in kultureller und<br />
künstlerischer Hinsicht – und im Übrigen heute noch fördern.<br />
Im 18. Jahrhundert, zur Zeit der Ordensgemeinschaft<br />
der Mauriner, war Montmajour ein Zentrum geistlicher<br />
und wissenschaftlicher Arbeiten: Schriften zufolge gab es<br />
1739 in der Bibliothek der Abtei nicht weniger als 2346 Titel,<br />
eine für die damalige Zeit beachtliche Zahl. 1<strong>79</strong>0 waren<br />
es mehr als 4600. Es ist bekannt, dass Mönche immer neugierig<br />
waren, dass sie ihre Zeit und die Welt, in der sie lebten,<br />
verstehen wollten. Sie lasen nicht nur die Bibel, sondern<br />
auch Molière, Cervantes und die Enzyklopädie von Diderot<br />
und Alembert. Die Abtei selbst war eine Inspirationsquelle<br />
für viele Künstler. Einer der bekanntesten von ihnen war<br />
unbestritten der holländische Maler van Gogh (1853-1890),<br />
der 1888 Paris verließ, um sich in Arles niederzulassen,<br />
wo er seine berühmtesten Bilder malte. Er unternahm regelmäßig<br />
ausgedehnte Märsche durch die Landschaft der<br />
Camargue und kam auch oft nach Montmajour, um dort<br />
zu zeichnen oder die alten Steine und die Landschaft der<br />
Umgebung zu malen. Heute ist es nicht mehr die Malerei,<br />
sondern vor allem die Fotografie, die in der Abtei gewürdigt<br />
wird: Im Rahmen der jährlich stattfindenden Rencontres de<br />
la photographie d’Arles, einem international renommierten<br />
Fotofestival, ist Montmajour der Rahmen für Fotoausstellungen.<br />
Eine schöne Art, die lange kulturelle Tradition auf<br />
dem Mont Majour fortzusetzen und den so besonderen<br />
Geist dieser provenzalischen Abtei weiter zu pflegen.<br />
52 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Links: Am Fuß<br />
des Tour Pons de<br />
l’Orme, erinnern<br />
in das Gestein<br />
gehauene Gräber<br />
daran, dass der<br />
Mont Majour früher<br />
als Begräbnisstätte<br />
diente. Rechts: 1888<br />
malte Vincent van<br />
Gogh das Gemälde<br />
Coucher de soleil<br />
à Montmajour. Im<br />
Hintergrund kann man<br />
links, oberhalb der<br />
Eichen, die Silhouette<br />
der Abtei erkennen.<br />
Rechts unten: der<br />
Tour Pons de l’Orme.<br />
Interview:<br />
Remy Quenin<br />
seit 28 Jahren Fremdenführer<br />
in der Abtei<br />
Remy Quenin, Sie stammen aus dem<br />
nicht weit entfernten Dorf Le Paradou;<br />
Sie sind also ein sogenanntes Enfant<br />
du Pays. Was bedeutet die Abbaye<br />
de Montmajour für Sie?<br />
Die Abtei ist für mich vor allem mit Erinnerungen an<br />
meine Kindheit verbunden: Daran, wie ich sie mit meinem<br />
Vater oder mit Klassenkameraden besichtigt habe,<br />
denn unsere Lehrer gingen regelmäßig mit uns dorthin.<br />
Ich weiß noch, wie sehr uns immer die dicken Mauern<br />
beeindruckten, und dass wir das Gefühl mochten, uns auf<br />
den verschiedenen Ebenen zu verirren. Abgesehen davon,<br />
dass Montmajour natürlich ein nicht gerade alltäglicher<br />
Arbeitsplatz ist, bin ich mir darüber bewusst, dass sie für<br />
mich eine Art Orientierung in meinem Leben darstellt,<br />
auf die ich nur schwer verzichten könnte. Sie ist wie ein<br />
tröstlicher Bezugspunkt. Mit ihrer isolierten Lage auf<br />
dem Felsen inmitten des ehemaligen Sumpfgebiets in der<br />
Ebene gehört sie unauslöschlich zum Landschaftsbild, ist<br />
von weither sichtbar, vor allem, wenn man aus Richtung<br />
Arles kommt.<br />
Warum ist Montmajour Ihrer Meinung nach in der breiten<br />
Öffentlichkeit weniger bekannt, als die nicht weit entfernten<br />
Klöster Sénanque, Le Thoronet und Silvacane?<br />
Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, dass<br />
die geografische Lage von Montmajour<br />
vermutlich weniger vorteilhaft ist, als<br />
die « Abgeschiedenheit » anderer<br />
Abteien. Montmajour ist<br />
nur wenige Kilometer vom<br />
Stadtzentrum von Arles<br />
entfernt. Paradoxerweise<br />
sind wir einerseits nicht<br />
nahe genug, um Teil einer<br />
Stadtbesichtigung zu<br />
Fuß zu sein, andererseits<br />
aber wieder zu nahe.<br />
Viele Touristen möchten<br />
nach dem Besuch<br />
des römischen Amphitheaters,<br />
des antiken<br />
Theaters, der<br />
Kirche und des<br />
Klosters Saint-<br />
Trophime oder<br />
des Espace Van<br />
Gogh etwas<br />
anderes sehen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 53
UNTERWEGS IN FRANKREICH Provence-Alpes-Côte d’Azur / Bouches-du-Rhône<br />
Bei der Besichtigung bewegt man sich sowohl unter freiem Himmel zwischen den Überresten der Gebäude, als auch im Inneren, beispielsweise<br />
in der Ermitage Saint-Pierre. Dies ist besonders im <strong>Sommer</strong> angenehm, weil man hinter den dicken Mauern der Hitze entfliehen kann.<br />
Wenn dann überhaupt noch die Lust auf eine Abtei vorhanden<br />
ist, wollen sie gleichzeitig von der provenzalischen<br />
Landschaft profitieren. Logischerweise orientieren sie sich<br />
in diesem Fall eher Richtung Sénanque, weil sie das bekannte<br />
Motiv des Klosters inmitten von Lavendelfeldern<br />
im Kopf haben, oder Richtung Le Thoronet, das nahezu<br />
versteckt mitten im Wald liegt. Ich kann mir vorstellen,<br />
dass Montmajour für sie von Arles aus einfach zu nahe ist,<br />
um eine echte Ablenkung darzustellen.<br />
Dabei liegt diese Abtei doch auch inmitten der Natur, und was<br />
die Ablenkung angeht, ist man bei einem Besuch oft regelrecht<br />
perplex …<br />
Das stimmt. Es ist in gewisser Weise amüsant, die<br />
Reaktion der Besucher zu sehen, wenn sie Montmajour<br />
betreten. Kaum angekommen, sagen viele: « Auf so etwas<br />
waren wir gar nicht gefasst! » Montmajour versetzt wirklich<br />
in Erstaunen, und zwar in mehrerer Hinsicht. Aus der<br />
Ferne hat man den Eindruck, es sei eine Ruine. Aus der<br />
Nähe betrachtet, ist man von der Höhe und dem Umfang<br />
der Gebäude beeindruckt. Und im Inneren wird einem<br />
dann völlig bewusst, dass man sich hier an einem ganz<br />
besonderen Ort befindet …<br />
In welcher Beziehung unterscheidet sich Montmajour denn gerade<br />
von den renommierten Klöstern in der Umgebung?<br />
Ich glaube, was den Besucher hier am meisten überrascht,<br />
ist die Architektur des Gebäudes. Während die drei<br />
« zisterziensischen Schwestern der Provence », wie Sénanque,<br />
Le Thoronet und Silvacane genannt werden, « flach » konstruiert<br />
sind, erstreckt sich Montmajour über mehrere Ebenen.<br />
Das ist unerwartet und für eine Abtei in dieser Region<br />
seltsam. Insofern sind die meisten Besucher richtiggehend<br />
verblüfft. Sie erwarteten eine « normale Abtei », die mehr<br />
oder weniger verfallen ist, und entdecken am Ende eine<br />
Reihe von Gebäuden – einige davon in sehr gutem Zustand<br />
–, die in ihrer Gesamtheit ein regelrechtes Labyrinth über<br />
mehrere Ebenen darstellen. Das ist eine Überraschung.<br />
Viele sagen mir sogar, dass sie sich vom Monument nahezu<br />
« überfallen » fühlen. Das kann ich gut nachvollziehen, denn<br />
selbst nach all den Jahren beeindruckt mich Montmajour<br />
immer noch, vor allem im Winter, wenn manchmal nur der<br />
Turm im Dunst sichtbar ist. Das ist magisch!<br />
Durch diese bemerkenswerte Architektur verlassen die Menschen<br />
bei einem Besuch die ausgetretenen Pfade …<br />
Genau. Der Besuch von Montmajour ist in gewisser<br />
Weise verwirrend, man könnte fast sagen, er ist genauso<br />
« anarchisch » wie der Bau. Von einer Ebene zur anderen<br />
passiert man die verschiedenen Bauabschnitte, durchläuft<br />
dabei Jahrhunderte, von der präromanischen und romanischen,<br />
über die gotische Zeit bis ins 18. Jahrhundert, also<br />
in die klassizistische Epoche. Dabei wird man sich schnell<br />
über viele Dinge bewusst, zum Beispiel die Tatsache, dass<br />
die Steine im Laufe der Jahrhunderte nicht auf dieselbe<br />
Art und Weise behauen wurden. Das ist etwas, was die<br />
Besucher begeistert, und vor allem Kinder begreifen dabei<br />
sofort, dass sie verschiedene Epochen durchstreifen. Eine<br />
Besichtigung von Montmajour ist also für Klein und Groß<br />
eine erstaunliche Reise durch die Vergangenheit.<br />
Remy Quenin, wir danken Ihnen für das Gespräch.<br />
54 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Le Mans<br />
A11/E501<br />
A28/E502<br />
Orléans<br />
Auxerre<br />
Châtillon-sur-Seine<br />
Angers<br />
A11/E60<br />
Nantes<br />
A87<br />
Clisson<br />
Cholet<br />
A83<br />
s-<br />
A83<br />
Saint-Sigismond<br />
N11/E601<br />
Niort<br />
La Rochelle<br />
E5/A10<br />
A86/E60<br />
Monts<br />
Poitiers<br />
Blois<br />
Chambord<br />
A10/E5-E60<br />
Cheverny<br />
Tours Chenonceau<br />
A71/E9<br />
A85<br />
A10/E5<br />
Bourges<br />
A20/E9<br />
A71/E11<br />
14<br />
Montluçon<br />
2<br />
A6/E15<br />
Vézelay Avallon<br />
6<br />
1 3 5<br />
8<br />
4<br />
11<br />
7<br />
9 10<br />
13<br />
15<br />
12<br />
A71/E11<br />
A31/E17-E21<br />
Flavigny<br />
Dijon<br />
A38<br />
Beaune 18<br />
17<br />
Chalon-sur-Saône<br />
A6/E15<br />
Cluny<br />
16<br />
Be<br />
alivet<br />
e<br />
t<br />
E602/A837<br />
3 Abteikirche Notre-Dame<br />
4 Krypta<br />
Tulle<br />
Périgueux<br />
5 Kirchenschiff Brive-la-Gaillarde und Chor<br />
A89/E70 Le Pescher<br />
E5/A10<br />
Souillac sur Saillac<br />
Dordogne<br />
BordeauxReiseinfos Sarlat-le-Canéda<br />
& Lesetipps<br />
Payrac Rocamadour<br />
Aurillac<br />
A52/E72<br />
Arles …<br />
A20/E9<br />
Route de Fontvieille<br />
… Berlin 1523 km … Hamburg 1482 km 13200 Arles<br />
… Köln 948 km … Frankfurt 960 km Telefon: +33 (0)4 90 54 64 17<br />
… München 1033 km … Wien 1492 km<br />
… Zürich 669 km … Paris 724 km www.abbaye-montmajour.fr<br />
… Montpellier 78 km … Nîmes 32 km<br />
Planen Sie für den Besuch etwa 1,5 Std.<br />
Der nächstgelegene Flughafen, der aus ein.<br />
dem deutschsprachigen Raum direkt<br />
angeflogen wird, ist Marseille-Provence Die Termine für die Wiedereröffnung<br />
E5-E70/A63<br />
nne<br />
France<br />
A64/E80<br />
Angoulême<br />
(68 km).<br />
Der nächstgelegene TGV-Bahnhof<br />
befindet sich in Avignon (42 km).<br />
Pau Abbaye de Montmajour<br />
Centre des monuments nationaux<br />
Limoges<br />
1 Eingang / Ausgang<br />
2 Empfang / Boutique /<br />
Toiletten<br />
der Abtei und die Preise für die<br />
Lodève<br />
Toulouse Saison <strong>2021</strong> sind aufgrund der<br />
derzeitigen Situation zum Zeitpunkt<br />
der Drucklegung dieses Magazins<br />
noch nicht bekannt. Informieren Sie Bézier<br />
sich daher vor einem Besuch auf der<br />
Website der Abbaye de Narbonne Montmajour.<br />
A81/E80<br />
Limoux<br />
Clermont-<br />
Ferrand<br />
A89/E70 Puy de Dôme<br />
6 Kapelle<br />
A75/E11<br />
7 Klostergebäude<br />
le Mont-Dore<br />
8 Nordgalerie<br />
9 Ostgalerie<br />
10 Kapitelsaal<br />
11 Westgalerie<br />
12 Speisesaal<br />
A75/E11<br />
A72/E70<br />
Montpellier<br />
A9/E15<br />
Lyon<br />
13 Südgalerie A43/E70<br />
14 Kloster Saint-Maur<br />
15 Turm Pons de l’Orme<br />
16 St.-Etienne Ermitage Saint-Pierre<br />
17 Felsengräber<br />
18 Kapelle Sainte-Croix<br />
(außerhalb des Plans) A49/E713<br />
Valence<br />
A7/E15<br />
A9/E15<br />
Nîmes<br />
A54/E805<br />
Arles<br />
Orange<br />
Avignon<br />
A7/E15<br />
Aix-en-<br />
Provence<br />
A55<br />
Marseille<br />
Chambér<br />
A52<br />
Grenob<br />
A51/E71<br />
A50<br />
Gap<br />
A8<br />
To<br />
panien<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 71<br />
Coup de cœur: le Moulin de Daudet, Fontvieille<br />
(5 km entfernt)<br />
Es scheint auf dem Gipfel des kleinen Hügels<br />
heute bewegter denn<br />
Andorra<br />
je zuzugehen. Die<br />
Céret<br />
Mühlenflügel haben damit nichts zu tun,<br />
denn es handelt sich um eine ganz andere<br />
Art der Bewegung: um Menschenströme,<br />
um Tausende Besucher, die jedes Jahr in<br />
einem erstaunlichen Pilgerzug den Hügel<br />
erklimmen. Diese Berühmtheit verdankt<br />
das ehrwürdige Gebäude einem Mann:<br />
Alphonse Daudet (1840-1897), einer der populärsten Schriftsteller der<br />
französischen Literatur.<br />
France<br />
Perpignan<br />
Spanien<br />
A9/E15<br />
AP7/E15<br />
Collioure<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 69<br />
Tanzende Flamingos in der Camargue<br />
(38 km entfernt)<br />
Der Parc ornithologique du Pont de Gau<br />
ist der ideale Ort, um die wilde<br />
Fauna und Flora der Camargue<br />
zu entdecken. Auf Wegen in einer<br />
Länge von insgesamt sieben<br />
Kilometern und von mehreren<br />
Beobachtungsstationen aus können<br />
die Besucher die Vogelwelt dieser<br />
Region beobachten. Der « Star »<br />
dabei, der viele Naturfreunde in den Park zieht, ist der<br />
Rosaflamingo.<br />
INFORMATIONEN ZUR BESTELLUNG DIESER UND ANDERER AUSGABEN FINDEN SIE AUF SEITE 86.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 55
UNTERWEGS IN FRANKREICH Freizeitparks<br />
FREIZEITPARKS<br />
Familienerlebnisse<br />
in Frankreich<br />
In puncto Freizeitparks ist Frankreich mit mehr als hundert Anlagen sehr gut ausgestattet.<br />
Die bekanntesten und meistfrequentierten – und damit quasi ein Muss für alle,<br />
die solche Parks lieben – sind Disneyland Paris, Parc Astérix und Futuroscope. Sie sind<br />
aber nicht die Einzigen, die die Augen von Klein und Groß zum Strahlen bringen, denn<br />
es gibt zahlreiche kleinere und – zu Unrecht – weniger bekannte Parks. In einer Zeit, in<br />
der sich die Hoffnung abzeichnet, dass wir demnächst wieder mit der ganzen Familie<br />
etwas unternehmen, uns mit anderen amüsieren können, möchten wir Ihnen daher<br />
eine Übersicht über unsere bevorzugten Freizeitparks im Hexagon geben. Alle sind seit<br />
Oktober 2020 geschlossen, bereiten sich aber ungeduldig auf die bevorstehende Wiedereröffnung<br />
vor. Grund genug also, einen Besuch zu planen!<br />
Disneyland Paris<br />
(SEINE-ET-MARNE)<br />
Seit der Eröffnung im Jahr 1992 im Osten<br />
von Paris ist es Disneyland Paris gelungen, sich<br />
auf europäischer Ebene als Branchenleader zu<br />
positionieren. Der Erlebnispark, der ganz dem<br />
erfolgreichen Universum von Disney gewidmet ist,<br />
wartet mit mehr als 50 Attraktionen sowie zahlreichen<br />
Shows und Animationen auf. Dabei wird<br />
an nichts gespart, um die Besucher in Traumwelten<br />
zu versetzen. Disneyland wurde zwischenzeitlich<br />
durch die Walt Disney Studios ergänzt, einen Park,<br />
der ganz der Welt des Kinos gewidmet ist. In den<br />
zahlreichen Hotels und Restaurants, die sich direkt<br />
in der Anlage befinden, gibt es Angebote für jedes<br />
Budget – ein nicht zu vernachlässigender Vorteil<br />
für Familien. Trotz der aktuellen Situation hat das<br />
Unternehmen die Kreation von drei Themenwelten<br />
rund um bekannte Disneyfilme wie Star Wars,<br />
Marvel und Schneewittchen bestätigt. Ein Projekt,<br />
das immerhin einen Betrag von 2 Milliarden Euro<br />
verschlingt. Dadurch will Disneyland Paris den<br />
Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern weiter<br />
ausbauen und Kinderaugen noch mehr strahlen<br />
lassen …<br />
Disneyland Paris, Marne-la-Vallée. Tagesticket Normaltarif (≥ 12<br />
Jahre) ab 59 €, ermäßigt (3 – 11 Jahre) ab 54 €. Kinder unter 3<br />
Jahren haben freien Eintritt. www.disneylandparis.com/de-de/<br />
56 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Puy du Fou (VENDÉE)<br />
Dieser 1989 gegründete historische Themenpark ist<br />
in seiner Art einzigartig in Frankreich. Er ist mehr als ein<br />
klassischer Freizeitpark, denn er bietet eine Vielzahl von artistischen<br />
Shows unter freiem Himmel mit grandiosen und<br />
beeindruckenden Inszenierungen, die sowohl Kinder als auch<br />
Eltern begeistern. Die eingesetzten Spezialeffekte machen<br />
das Renommee des Parks aus. In diesem Jahr ist Jean de la<br />
Fontaine ein zentrales Thema.<br />
Puy du Fou, Les Epesses. Tagesticket Normaltarif (≥ 14 Jahre) ab 37 €,<br />
ermäßigt (3 – 13 Jahre) ab 27 €. www.puydufou.com/france/de<br />
Walygator-Parcs<br />
GRAND EST (MOSELLE)<br />
UND SUD-OUEST (LOT-ET-GARONNE)<br />
Diese beiden Erlebnisparks setzen ganz auf « Abenteuer<br />
in fernen Ländern » und bieten dafür zahlreiche und<br />
oft große Attraktionen, wie beispielsweise Achterbahnen.<br />
Wasserspiele und Shows ergänzen das Angebot. Das Preis-<br />
Leistungs-Verhältnis ist ausgezeichnet.<br />
Parc Walygator Grand-Est, Maizières-lès-Metz. Tagesticket Normaltarif 27 €<br />
(≥ 11 Jahre), ermäßigt 22 € (3 bis 10 Jahre). Kinder unter 3 Jahren haben<br />
freien Eintritt. www.walygatorparc.com/grandest/<br />
Parc Walygator Sud-Ouest, Roquefort. Tagesticket Normaltarif 26 €<br />
(≥ 11 Jahre), ermäßigt (3 – 10 Jahre) 21,50 €. Kinder unter 3 Jahren<br />
haben freien Eintritt. www.walygatorparc.com/sudouest/<br />
Parc Astérix (OISE)<br />
« On est comme ça au pays des Gaulois », so sind wir halt im<br />
Land der Gallier, diese Devise haben sich die Mitarbeiter des<br />
Parc Astérix, der 35 Kilometer nördlich von Paris liegt, auf<br />
die Fahne geschrieben. Ein Park, der – ganz nach dem Vorbild<br />
von Asterix und Obelix – alles daransetzt, um hervorzustechen<br />
und die – in diesem Fall nicht römischen, sondern<br />
amerikanischen – Eindringlinge in ihre Schranken zu weisen.<br />
Mehr als 40 Attraktionen, von denen eine verrückter als<br />
die andere ist, zahlreiche Shows, Begegnungen<br />
mit den Helden des Comics und Hotels:<br />
Alles ist vorhanden, um den Besuchern ein<br />
« All-in-One-Paket » zu bieten und die Erwartungen<br />
von Klein und Groß zu erfüllen.<br />
Man amüsiert sich in einem besonders fröhlichen<br />
und familiengerechten Ambiente.<br />
Für 2023 hat der Parc Astérix mit Toutatis<br />
eine neue Attraktion von Format angekündigt.<br />
Parc Astérix, Plailly. Tagesticket Normaltarif<br />
(≥ 12 Jahre) ab 45 €, ermäßigt (3 – 11<br />
Jahre) ab 42 €. Kinder unter 3 Jahren haben<br />
freien Eintritt. www.parcasterix.fr<br />
France Miniature<br />
(YVELINES)<br />
Dies ist unserer Ansicht nach der originellste<br />
Vergnügungspark in Frankreich<br />
und gleichzeitig eine Einladung zu einer<br />
ungewöhnlichen Reise durch das Hexagon.<br />
Der Besucher folgt einem einfachen<br />
und angenehmen Parcours durch einen<br />
fünf Hektar großen Landschaftspark und<br />
entdeckt dabei 117 wichtige kulturelle<br />
Monumente des Landes, die alle originalgetreu<br />
im Maßstab 1:30 nachgebaut<br />
wurden. Innerhalb weniger Stunden<br />
durchquert man Frankreich und lernt auf<br />
spielerische Art dazu.<br />
France Miniature, Elancourt. Tagesticket<br />
Normaltarif (≥ 12 Jahre) ab 17 €, Ticket Billet<br />
enfant gratuit 23 €: pro Ticket zum Normaltarif<br />
gibt es ein kostenloses Kinderticket (4 – 11 Jahre).<br />
Kinder unter 4 Jahren haben freien Eintritt. Wenn<br />
Sie zufällig im Gründungsjahr des Parks (1991)<br />
geboren sind, schenkt Ihnen France Miniature<br />
anlässlich des gemeinsamen 30. Geburtstags<br />
ein Eintrittsticket. www.franceminiature.fr<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 57
UNTERWEGS IN FRANKREICH Freizeitparks<br />
Parc du Petit Prince<br />
(HAUT-RHIN)<br />
Dieser Park ist, wie der Name bereits sagt, dem Werk von<br />
Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944) gewidmet. Er wurde<br />
2014 eröffnet. Guéwen hat zwar erst vor nicht allzu langer Zeit<br />
in der Rubrik Guéwen a testé über ihn berichtet (Frankreich erleben<br />
<strong>Nr</strong>. 74), wir wollten ihn jedoch aufgrund seiner « anderen » Positionierung<br />
in der Auswahl unserer Lieblingsparks in Frankreich<br />
nicht auslassen. Hier gibt es zwar ebenfalls einige beeindruckende<br />
Attraktionen (zum Beispiel die Fesselballone), doch generell<br />
orientiert sich alles eher an den Interessen von Kindern, und die<br />
meisten Angebote sind ebenso poetisch wie die Welt des Kleinen<br />
Prinzen. Dieser Vergnügungspark setzt also weniger auf Fahrgeschäfte,<br />
die Nervenkitzel verschaffen, sondern beispielsweise<br />
auf die Entdeckung der Natur, und regt dazu an, die Dinge mit<br />
anderen Augen zu sehen. Vermutlich der ruhigste und entspannendste<br />
der Parks!<br />
Eine nützliche Website:<br />
Der europäische Erlebnis- und<br />
Freizeitparkführer: Dies ist eine<br />
hilfreiche Quelle, wenn man aktuelle<br />
Informationen über Freizeitparks in<br />
Europa sucht. Man findet dort unter<br />
anderem ein Verzeichnis mit allen<br />
europäischen Freizeitparks, kann<br />
einen Park nach seiner Kategorie<br />
(Themenparks, Hochseilgärten,<br />
Erlebnisbäder, Aquarien, Zoos,<br />
Tierparks oder botanische Gärten) oder<br />
nach geografischen Kriterien suchen.<br />
Mit dem Link www.infoparks.com/<br />
ge/r_parcs/france/ gelangt man direkt<br />
zu einer Karte, auf der alle Parks im<br />
Hexagon verzeichnet sind.<br />
Parc du Petit Prince, Ungersheim. Tagesticket Normalpreis (≥ 12 Jahre) ab<br />
16,80 €, ermäßigt (ab einer Größe von 1 m, bis 11 Jahre) 13,60 €. Kinder bis zu<br />
einer Größe von 1 m haben freien Eintritt. www.parcdupetitprince.com/de<br />
Futuroscope (VIENNE)<br />
Das Futuroscope liegt 10 km nördlich<br />
von Poitiers und rangiert hinsichtlich<br />
der Besucherzahlen auf Platz drei. Auch<br />
dies ist ein « etwas anderer » Freizeitpark.<br />
Ursprünglich stand ein Konzept dahinter,<br />
das ausschließlich auf innovative<br />
Projektionstechniken setzte. Inzwischen<br />
wurde das Themenspektrum erweitert und<br />
umfasst Wissenschaft und Technologie<br />
im weitesten Sinne, kombiniert mit der<br />
Vermittlung von Wissen. Im Zentrum<br />
steht aber nach wie vor die Bildtechnik.<br />
Rund 40 Attraktionen, die regelmäßig<br />
auf den neuesten Stand gebracht werden,<br />
und viele Vorführungen sorgen für schöne<br />
Momente mit der ganzen Familie. Die<br />
Übernachtung kann vor Ort in eigenen<br />
Hotels erfolgen.<br />
Futuroscope, Chasseneuil-du-Poitou.<br />
Tagesticket Normalpreis (≥ 13 Jahre) 42 €,<br />
ermäßigt (5 – 12 Jahre) 34 €. Kinder unter 5<br />
Jahren haben freien Eintritt. Darüber hinaus<br />
gibt es diverse Ermäßigungen, beispielsweise<br />
für Familien. www.futuroscope.com<br />
58 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Jardin d’Acclimatation (PARIS)<br />
Viele Besucher der Hauptstadt kennen den Jardin d’Acclimatation nicht, obwohl<br />
dieser bereits seit mehr als 150 Jahren Kinderherzen höherschlagen lässt<br />
und daher eine feste Institution für viele Pariser darstellt. Die 18 Hektar große<br />
Anlage wurde 2018 vollkommen renoviert. Sie liegt in einer grünen Oase im<br />
Westen von Paris, ist mit der Metro gut erreichbar und ein fantastischer Ort für<br />
Familien, um abzuschalten. Bei den 45 Attraktionen kommen sowohl diejenigen<br />
auf ihre Kosten, die Nervenkitzel suchen (es gibt zahlreiche Achterbahnen,<br />
sogar Wasserachterbahnen), als auch diejenigen, denen der Sinn eher nach ruhigeren<br />
Aktivitäten steht, die sich auch für kleine Kinder eignen (Karusselle,<br />
Spielplätze, Puppentheater …). Darüber hinaus bietet der Park noch etwas, was<br />
man in einer Stadt wie Paris nicht erwartet: einen Bauernhof mit Kaninchen,<br />
Ziegen, Ouessant-Schafen, Eseln und Hühnern. Eine tolle Entdeckung!<br />
Jardin d’Acclimatation, Bois de Boulogne, Paris. Ticketpreise 2,30 € bis 3,50 €<br />
(1 oder 2 Tickets pro Attraktion), interessant ist das Tagesticket Pass Illimité (ab<br />
27 €). Alle, die das Besondere lieben, können von der Metrostation Porte Maillot<br />
(XVI. Arrondissement) mit der Schmalspurbahn Petit Train du Jardin auf originelle<br />
Weise zum Haupteingang des Parks fahren. www.jardindacclimatation.fr<br />
Parc Spirou (VAUCLUSE)<br />
Terra Botanica<br />
(MAINE-ET-LOIRE)<br />
Terra Botanica, vor den Toren der<br />
Stadt Angers, sticht gegenüber den klassischen<br />
Freizeitparks ebenfalls durch ein<br />
eigenes Konzept heraus. Die Attraktionen<br />
und Aktivitäten zielen darauf ab,<br />
die Besucher für Pflanzen, Natur und<br />
Umwelt zu interessieren und zu sensibilisieren.<br />
Im ersten « Erlebnispark der<br />
Pflanzenwelt » gibt es mehr als 275 000<br />
Pflanzenarten, darunter viele sehr seltene.<br />
Die Attraktionen und Aktivitäten<br />
von Terra Botanica sind gut durchdacht<br />
und darauf ausgerichtet, die Aufmerksamkeit<br />
von Kindern zu fesseln. Der<br />
Park hat daher einen großen Erfolg. Von<br />
solchen Angeboten möchten wir noch<br />
mehr!<br />
Dieser Vergnügungspark liegt in der Nähe von Avignon und wurde<br />
2018 eingeweiht. Bei einem Besuch taucht man in die Welt des<br />
belgischen Comic-Magazins Spirou und seiner Helden ein: Spirou<br />
und Fantasio, Boule und Bill, Marsupilami, Gaston Lagaffe … Der<br />
Park besitzt zahlreiche Attraktionen, darunter einige, die für einen<br />
echten Adrenalinstoß sorgen, wie der zweitgrößte Freefall-Tower Europas,<br />
der Zombillénium Tower. Dieser Freizeitpark wurde erst Mitte<br />
2018 eröffnet und war demzufolge bisher nur eine einzige volle Saison<br />
geöffnet (2019). Trotz der kurzen Zeit hat er aber in der Region schon<br />
viele treue Anhänger gefunden und will sich weiter vergrößern. Angekündigt<br />
sind der « palumbische Dschungel », aus dem das Fantasiewesen<br />
Marsupilami stammt, sowie ein Lucky Luke geweihter Wilder<br />
Westen.<br />
Parc Spirou, Monteux. Tagesticket 26 € (für alle bis 1,40 m) bzw.<br />
32 € (für alle über 1,40 m). www.parc-spirou.com<br />
Terra Botanica, Angers. Tagesticket<br />
Normalpreis (≥ 18 Jahre) 18 €, ermäßigt<br />
(3 – 17 Jahre) 14,50 €. Kinder unter 3 Jahren<br />
haben freien Eintritt. www.terrabotanica.fr<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 59
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hotel<br />
60 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Hôtel<br />
Paradiso:<br />
jedes<br />
Zimmer ein<br />
Kinosaal<br />
In der Nähe des Place de la Nation in Paris<br />
(XII. Arrondissement) eröffnete ein Hotel<br />
mit einem Konzept, das derzeit vermutlich<br />
einzigartig auf der Welt ist: das erste<br />
« Kino-Hotel ». Das ultramodern und puristisch<br />
gestaltete Haus ist ganz dem Kino<br />
gewidmet, die Zimmer sind mehr als<br />
« nur » Zimmer. Im Grunde genommen<br />
handelt es sich dabei um 36 private<br />
Kinosäle mit Bett.<br />
In Zeiten einer weltweiten Pandemie, in denen sowohl<br />
in Frankreich als auch in vielen anderen Ländern die<br />
Kinosäle schon seit Längerem geschlossen sind, erscheint<br />
die jüngste Eröffnung des Hôtel Paradiso in Paris<br />
mit seinem « Kino-Hotel-Konzept » nahezu als Traum. Ein<br />
Traum, der Kinofreunden wieder ein bisschen Hoffnung<br />
gibt, der sie fröhlich stimmt, nach all den langen Monaten<br />
ohne die Möglichkeit, einen Filmpalast zu besuchen.<br />
Dieses Hotel ist eindeutig nicht mit anderen Häusern<br />
vergleichbar: Es ist das erste Hotel, das ganz der Filmkunst<br />
gewidmet ist und seinen Gästen ein einzigartiges<br />
Erlebnis verspricht. Die 34 Zimmer und 2 Suiten sind mit<br />
der allerneuesten Technologie ausgestattet und können<br />
in private Kinosäle verwandelt werden: Auf Knopfdruck<br />
erscheint eine große Leinwand, die das Fenster verdeckt<br />
und damit den Raum in Dunkelheit hüllt, bevor ein ultramoderner<br />
Videoprojektor den gewählten Film (zur Wahl<br />
stehen immerhin 2000 Titel) projiziert. In einigen Zimmern<br />
haben Sie sogar von der Badewanne aus freie Sicht<br />
auf die Leinwand, während die beiden Suiten einen separaten<br />
Vorführraum mit Kinosesseln und Projektoren besitzen,<br />
wie man es aus dem « richtigen » Kino kennt. Selbst<br />
anspruchsvolle Filmliebhaber werden begeistert sein!<br />
Dabei darf man selbstverständlich nicht vergessen,<br />
dass diese « Kinosäle » auch Hotelzimmer sind. Auch in<br />
dieser Beziehung hat man im Hôtel Paradiso an nichts<br />
gespart. Alle Zimmer wurden von der Dekorateurin Alex<br />
Thomsen gestaltet und erscheinen wie ein Kokon in einem<br />
eleganten und puristischen Design, wobei so unterschiedliche<br />
Materialien wie Rohbeton und weicher Teppichboden<br />
für ein harmonisches Ambiente sorgen. Bei der<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 61
UNTERWEGS IN FRANKREICH Hotel<br />
Einrichtung (z. B. bei den Betten) wurde Wert auf höchste<br />
Qualität gelegt, die Bäder sind großzügig geschnitten<br />
und perfekt ausgestattet. Beachten Sie<br />
jedoch, dass die Betten in den ersten<br />
Kategorien (Paradiso und Paradiso<br />
Supérieure) das « französische » Maß<br />
von 160 x 200 cm haben. Wenn Sie<br />
Wert auf ein 180 cm breites Bett legen,<br />
müssen Sie mindestens die Kategorie<br />
« Grande chambre Paradiso » reservieren.<br />
Selbstverständlich gibt es im<br />
Hotel einen Zimmerservice, eine Bar<br />
und sogar eine großartige Dachterrasse<br />
mit Blick über Paris. Sobald es die Hygienevorschriften<br />
erlauben, sollen dort<br />
Open-Air-Vorführungen stattfinden.<br />
Es ist naheliegend, dass die Eröffnung<br />
eines solchen Hotels in Paris gut<br />
überlegt sein will, selbst wenn es sich<br />
bei den Initiatoren um Kinoliebhaber,<br />
um nicht zu sagen Kinoverrückte, handelt.<br />
Angeblich stuften Kenner der Pariser Hotelbranche<br />
dieses Projekt bei Bekanntwerden als « Selbstmord » ein.<br />
Doch die Familie Karmitz, die hinter diesem Projekt steht,<br />
zeichnet sich durch eine Vorliebe für verrückte Projekte<br />
aus – solange sie wohl überlegt sind – und würde um nichts<br />
in der Welt vor einem solchen Vorhaben zurückschrecken.<br />
Das liegt vielleicht daran, dass das<br />
Kino in dieser Familie eine regelrechte<br />
« Religion » ist und dass man<br />
niemals zögert, aus dem Rahmen zu<br />
fallen. Ganz im Gegenteil. Wir gehen<br />
sogar so weit, zu sagen, dass das französische<br />
Kino ohne die Familie Karmitz<br />
nicht das wäre, was es heute ist.<br />
Das Spektrum reicht von gewagten<br />
Produktionsentscheidungen, über die<br />
Entwicklung von komfortableren Sälen<br />
bis hin zur Ergänzung der Kinos<br />
durch Cafés und Buchhandlungen.<br />
Marin Karmitz, der Vater, gehört zu<br />
den großen Namen des französischen<br />
Kinos. Der gebürtige Rumäne begeisterte<br />
sich schon sehr früh für Filme,<br />
arbeitete zunächst als Kinoregisseur,<br />
dann als Produzent und schließlich<br />
als Filmverleiher. Eine beeindruckende Karriere also,<br />
in deren Verlauf er in den 1970er- bis 1980er-Jahren ein<br />
kleines Kinosaal-Imperium aufbaute: MK2. Seine Kinosäle<br />
waren für die damalige Zeit bereits äußerst innovativ,<br />
62 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
ultrabequem und mit der allerneuesten Projektionstechnik<br />
ausgestattet. Die Franzosen konnten dort beispielsweise<br />
erstmals eine « Zweierbank » ohne Armlehne in der Mitte<br />
entdecken.<br />
Urheber des Projektes « Hotel Paradiso » sind die Söhne,<br />
Nathanaël und Elisha, welche auch die Leitung des<br />
Hotels innehaben. Zweifellos haben die beiden vor, das<br />
innovative Werk ihres Vaters fortzuführen und das Image<br />
des französischen Kinos weiterhin voranzutreiben. Es geht<br />
hier nicht darum, einfach einen Bildschirm vor ein Bett<br />
zu stellen, sondern mit den Gepflogenheiten zu brechen<br />
und eine Interaktion zwischen Kino und Gesellschaft zu<br />
kreieren. Sobald es die Situation erlaubt, sollen Debatten,<br />
Vorführungen und Special Nights veranstaltet werden,<br />
um einen Austausch zwischen Kino, Bewohnern des<br />
Stadtviertels, Gastronomie, Kultur, Kunst … entstehen<br />
zu lassen. Es hat daher seinen Grund, warum das Hotel<br />
in einem Viertel im Osten von Paris eröffnet wurde, einer<br />
Gegend, die bei Touristen noch relativ unbekannt ist. Die<br />
Brüder Karmitz setzen darauf, dass in dieser Gegend im<br />
Laufe der Zeit ein lebendiges kulturelles Leben entstehen<br />
wird. Vertrauen wir ihnen, denn sie kennen den Ort gut.<br />
Das Hotel befindet sich nämlich genau über einem der<br />
historischen Kinosäle des Unternehmens: MK2 Nation.<br />
Wir wünschen diesem Hotel, das uns träumen lässt, ein<br />
langes Leben!<br />
<br />
Hôtel Paradiso<br />
135, boulevard Diderot<br />
75012 Paris<br />
Telefon: +33 (0)1 88 59 20 01<br />
www.mk2hotelparadiso.com<br />
<br />
Zimmerpreis: 135 bis 350 Euro.<br />
Frühstück: 18 Euro<br />
<br />
34 Zimmer von 23 bis 28 m² (Double,<br />
Twin, Familiale, Supérieure, Grande,<br />
Junior Suite) und 2 Suiten 39 und 40<br />
m² (Suite Cinéma und Grande Suite<br />
Cinéma).<br />
Zimmerservice: hausgemachte<br />
Snacks (Bagel ab 6 €), Lieferung<br />
einer Mahlzeit aus einem Restaurant<br />
in der Umgebung (ab rund 20 €),<br />
Eisbecher (6 €), Eis am Stiel (5 €),<br />
Popcorn (ab 4 €). Für Knabbereien<br />
oder richtige Mahlzeiten während<br />
des Films ist also gesorgt.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 63
FRANKREICH HEUTE Landwirtschaft<br />
Hurra, in Frankreich ist es gelungen, die<br />
begehrten weißen Trüffel zu züchten!<br />
Die kleine Welt der Trüffel betrachtet es fast als<br />
Wunder, vielleicht sogar als regelrechte Revolution:<br />
Eine französische Baumschule und ein Forschungsinstitut<br />
haben es gemeinsam geschafft,<br />
die seltenste Trüffel der Welt zu züchten: die<br />
Weiße Trüffel (Tuber magnatum), auch Piemontoder<br />
Albatrüffel genannt. Eine Trüffel, die bis<br />
dato lediglich wild in einigen Wäldern des Piemont<br />
und des Balkans wuchs. Eine Trüffel, um die<br />
man sich auf der ganzen Welt reißt und für die man<br />
zwischen 1500 und 6000 Euro pro Kilo (oder sogar noch<br />
mehr) hinblättern muss, während es für ein Kilo Schwarze Trüffel<br />
« nur » durchschnittlich 800 Euro sind. Bei dieser Nachricht träumt man in der<br />
französischen Trüffelbranche schon von einem Eldorado des weißen Goldes!<br />
64 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Dank des genialen deutschen Försters Peter Wohlleben<br />
und seines internationalen Bestsellers Das geheime<br />
Leben der Bäume (2019, Heyne, 224 Seiten,<br />
ISBN 978-3453604322), der auch ins Französische übersetzt<br />
wurde, entdeckten die Franzosen voller Staunen, wie Bäume<br />
im Wald über ein ganzes Netzwerk an mikroskopisch<br />
kleinen Pilzen miteinander kommunizieren. Dass die<br />
Pépinières Robin, eine im Familienbesitz befindliche<br />
Baumschule im Südwesten des Landes, bereits seit<br />
rund 20 Jahren zusammen mit dem renommierten<br />
Forschungszentrum Institut National de Recherche<br />
pour l’Agriculture, l’Alimentation et l’Environnement<br />
(INRAE) ebenfalls winzige Pilze und ihr erstaunliches<br />
Verhältnis zu Bäumen genau untersucht, wissen<br />
die meisten dagegen nicht. Das Ziel der gemeinsamen<br />
Arbeit: eine Technik zu entwickeln, um die<br />
seltenste und teuerste Trüffel, die überaus berühmte<br />
und begehrte Weiße Trüffel Tuber magnatum zu<br />
kultivieren. Etwas, das bisher – allen Forschungen<br />
in italienischen und mitteleuropäischen Wäldern<br />
zum Trotz – niemandem gelungen ist.<br />
Alles begann im Jahr 1948, als Max Robin in<br />
Saint-Laurent-du-Cros (Hautes-Alpes) eine Baumschule<br />
gründete. In der ersten Zeit war diese auf die<br />
Kultivierung von Waldpflanzen für die Aufforstung<br />
von Berggebieten spezialisiert. Als jedoch Anfang<br />
der 1980er-Jahre die Kinder von Max – Bruno,<br />
Christine und Cécile – in das Familienunternehmen<br />
eintraten, gaben sie eine neue Richtung vor. Von nun an<br />
wollte man sich auf ein sehr spezifisches und vielversprechendes<br />
Gebiet spezialisieren, nämlich auf die « kontrollierte<br />
Mykorrhizierung ». Der Name dieser Technik hört<br />
sich zwar kompliziert an, doch sie war damals bereits<br />
seit rund zehn Jahren bekannt. Entwickelt wurde sie von<br />
Forschern aus Clermont-Ferrand (Puy-de-Dôme), die<br />
zunächst im Labor und dann in der Praxis das reproduzierten,<br />
was Peter Wohlleben in seinem<br />
Roman vereinfacht und allgemeinverständlich<br />
beschrieb: die Mykorrhizierung, anders<br />
gesagt die Symbiose, die auf natürliche<br />
Weise zwischen einem Pilz und dem Wurzelsystem<br />
eines Baumes entsteht. Alles basiert<br />
auf der simplen Tatsache, dass Pilze und Bäume<br />
komplementär sind. Der Pilz versorgt den Baum<br />
mit wichtigen Mineralstoffen aus dem Boden,<br />
während der Baum dem Pilz im Gegenzug den<br />
benötigten Zucker liefert. Und genau für diese<br />
enge Verbindung, diese Interaktion zwischen<br />
Pilz und Baum, entwickelte die<br />
Familie Robin eine wahre Leidenschaft.<br />
Das ging so weit, dass dieser<br />
Familienbetrieb durch seine Investitionen<br />
in Gewächshäuser und ein<br />
ultramodernes Labor inzwischen der<br />
weltweite Marktführer im Bereich der kontrollierten<br />
Mykorrhizierung ist.<br />
Mit ihrem Wissen und der Beherrschung dieser<br />
Technik züchtet die Baumschule « Trüffelpflanzen<br />
», anders gesagt, junge Baumschösslinge, deren<br />
Wurzeln in Kontakt mit dem Pilz gebracht und von diesem<br />
besiedelt wurden. Damit können Trüffelzüchter (oder<br />
auch Privatleute, siehe Infobox) eine Trüffelanpflanzung<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 65
FRANKREICH HEUTE Landwirtschaft<br />
anlegen und nach einigen Jahren die begehrten Pilze<br />
ernten. Dank der kontrollierten Mykorrhizierung wurde<br />
es also möglich, Trüffel zu züchten. Und die Baumschule<br />
Robin ist damit erfolgreich: Heute verkauft sie mehr als<br />
130 000 Trüffelpflanzen pro Jahr, und ihre Pflanzen alleine<br />
produzieren 90 % der Schwarzen Trüffel, die in Frankreich<br />
geerntet werden. Ein beachtliches Ergebnis, das<br />
jedoch bis vor kurzer Zeit über eine Tatsache nicht hinwegtäuschen<br />
konnte: Der « Star» unter den Trüffeln, die<br />
nur äußerst schwer erhältliche und vor allem nahezu unerschwingliche<br />
Weiße Trüffel (Tuber magnatum) widersetzte<br />
sich bis jetzt hartnäckig der Technik der kontrollierten<br />
Mykorrhizierung.<br />
Als die Pépinières Robin daher<br />
im Februar dieses Jahres eine<br />
Pressemitteilung mit dem stolzen<br />
Titel « Weltpremiere: kontrollierte<br />
Produktion von weißen Trüffeln<br />
Made in France gelungen » veröffentlichte,<br />
war das eine regelrechte<br />
Sensationsmeldung! Zur allgemeinen<br />
Überraschung informierte<br />
das Unternehmen die verdutzten<br />
Trüffelproduzenten aus aller Welt,<br />
dass die Weiße Trüffel anbaufähig<br />
geworden war, und das weit von<br />
ihrer ursprünglichen Heimat entfernt.<br />
Unter größter Geheimhaltung waren einige Jahre<br />
zuvor in klimatisch unterschiedlichen Regionen (Auvergne-Rhône-Alpes,<br />
Bourgogne-Franche-Comté und<br />
Nouvelle-Aquitaine) fünf Trüffelanpflanzungen angelegt<br />
worden. 2019 wurden die ersten drei und 2020 dann vier<br />
Trüffel geerntet! Es war eine revolutionäre Mitteilung, die<br />
Trüffelzüchter umgehend zum Träumen verleitete. Denn<br />
man muss wissen, dass mit Weißen Trüffeln, die bisher<br />
nicht kultiviert werden, sondern in italienischen Wäldern<br />
lediglich gesammelt werden konnten, ein Umsatz in Höhe<br />
von rund einer Milliarde Euro erzielt wird …<br />
Die Nachricht kam den Trüffelzüchtern in Frankreich<br />
daher mehr als gelegen. Der Umsatz, der hier im<br />
Wesentlichen mit Schwarzen Trüffeln erzielt wird, ist<br />
seit Jahrzehnten rückläufig. Dabei muss man für eine<br />
Anpflanzung mit hohen Investitionskosten rechnen. Derzeit<br />
bezahlt man pro Pflanze mehr als 100 Euro, wobei<br />
für einen rentablen Betrieb schätzungsweise 400 bis 500<br />
Pflanzen notwendig sind. Dazu kommt die regelmäßige<br />
Bewässerung, und mit der ersten Ernte ist frühestens nach<br />
sieben bis zehn Jahren zu rechnen … Auch wenn es sich<br />
heute noch nicht abschätzen lässt, ist das wirtschaftliche<br />
Potenzial der Weißen Trüffel enorm und folglich sehr<br />
interessant. Bleibt abzuwarten, ob man in Frankreich den<br />
Anbau von Weißen Trüffeln in Angriff nimmt. Eines ist<br />
auf jeden Fall sicher: Eine kleine Baumschule im Südosten<br />
hat die Grundlage gelegt, dass sich die Franzosen in dieses<br />
neue Eldorado stürzen können.<br />
Für alle, die es selbst ausprobieren möchten<br />
Zur Baumschule Robin gehören zwei Produktionsstätten<br />
im Südosten Frankreichs: eine in Saint-Laurent-du-Cros<br />
(Hautes-Alpes) und eine weitere in Valernes (Alpes-de-<br />
Haute-Provence). Dort kultiviert und vertreibt man seit<br />
mehr als 30 Jahren mykorrhizierte Pflanzen für den<br />
Anbau essbarer Pilze. Ein Besuch ist eine interessante<br />
Erfahrung, bei der auch die Geschmacksnerven auf<br />
ihre Kosten kommen, denn die dort erzeugten Pilze<br />
schmecken köstlich. Auch Kinder sind begeistert, wenn<br />
sie sehen, wie Edel-Reizker, Weinroter Kiefern-Reizker<br />
und Butter-Röhrling wachsen. Diese zertifizierten,<br />
nummerierten und mit der<br />
Jahrgangszahl versehenen<br />
Plants Champignons®<br />
werden zu einem Preis<br />
ab 21 € pro Topf (ohne<br />
Versandkosten) verkauft.<br />
In jedem Topf befindet sich<br />
eine Kiefer, deren Wurzeln<br />
mit dem Pilz mykorrhiziert<br />
wurden. Dabei hat man die<br />
Wahl unter verschiedenen<br />
Baumarten: Schwarzkiefer,<br />
Waldkiefer (auch Weißkiefer<br />
oder Föhre genannt),<br />
Pinie (auch Mittelmeer-<br />
Kiefer oder Schirmkiefer<br />
genannt) und Seekiefer<br />
(auch Bordeaux-Kiefer<br />
oder Strandkiefer genannt). Die Produktion der Reizker<br />
beginnt vier Jahre nach der Pflanzung, pro Baum werden<br />
im Durchschnitt 400 g pro Jahr geerntet. Die Butter-<br />
Röhrlinge wachsen bereits ab dem dritten Jahr, bei ihnen<br />
liegt die Erntemenge zwischen 1,7 und 3 kg pro Baum und<br />
Jahr. Diejenigen, die sich an der Trüffelzucht versuchen<br />
möchten, haben die Wahl zwischen Baumarten wie Zeder,<br />
Hainbuche, Eiche, Haselnussstrauch, Kiefer und Linde.<br />
Auch diese werden als Pflanzen verkauft, deren Wurzeln<br />
nach demselben Prinzip mykorrhiziert wurden. In diesem<br />
Fall werden Schwarze Trüffel oder Perigordtrüffel (Tuber<br />
melanosporum), Burgundertrüffel (Tuber uncinatum),<br />
<strong>Sommer</strong>trüffel (Tuber aestivum) und die berühmte Weiße<br />
Trüffel (Tuber magnatum) angeboten. Der Preis (ohne<br />
Versandkosten) liegt zwischen 16 €, für eine mit der<br />
Burgundertrüffel oder der <strong>Sommer</strong>trüffel mykorrhizierte<br />
Pflanze, und 136 €, für eine mit der Weißen Trüffel<br />
mykorrhizierte Pflanze. Je nach Spezies, Bodenqualität<br />
und Unterhalt beginnt ein solcher Baum im Alter von fünf<br />
bis zehn Jahren mit der Produktion. Es ist unmöglich, die<br />
Produktionsmenge pro Pflanze zu quantifizieren oder gar<br />
zu garantieren, man schätzt jedoch, dass bei Schwarzen<br />
Trüffeln die Produktionsmenge pro Hektar ungefähr<br />
zwischen 20 und 90 kg liegt. Bei den anderen Sorten ist<br />
es wesentlich weniger. Auf der Website der Baumschule<br />
gibt es viele Informationen und praktische Hinweise für<br />
die Kultivierung. Es wird sogar die Möglichkeit angeboten,<br />
seinen Boden testen zu lassen.<br />
<br />
Pépinières Robin<br />
05500 Saint-Laurent-du-Cros<br />
Telefon: +33 (0)4 92 50 43 16<br />
www.robinpepinieres.com<br />
66 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Leserbriefe<br />
Guten Tag,<br />
ich bin begeisterter Leser<br />
Ihrer Zeitschrift Frankreich<br />
erleben, und zwar von<br />
Anfang an. So habe ich<br />
auch alle Hefte von <strong>Nr</strong>.<br />
1 bis heute gesammelt<br />
(außer Heft 7, 18 und 28).<br />
Aus Altersgründen möchte<br />
ich diese Hefte gerne<br />
abgeben bzw. günstig<br />
verkaufen. Ich wäre Ihnen<br />
dankbar, wenn Sie mir<br />
eventuell einen oder<br />
mehrere Interessenten<br />
vermitteln könnten.<br />
Vielen Dank.<br />
Axel Seebode<br />
Redaktion:<br />
Lieber Herr Seebode,<br />
wir sind immer sehr berührt, wenn wir feststellen, wie viele Leser<br />
uns seit der ersten Nummer, die im Januar 2006 erschien, die Treue<br />
halten und bereits seit so vielen Jahren gemeinsam mit uns durch<br />
Frankreich reisen. Wir danken Ihnen sehr für diese gemeinsame<br />
Zeit und hoffen, dass Sie auch in Zukunft zumindest die eine oder<br />
andere Ausgabe lesen werden. Gerne übermitteln wir Lesern, die an<br />
einer oder mehrerer Ausgaben Ihrer fast vollständigen Sammlung<br />
interessiert sind, Ihre Mailadresse. Nochmals herzlichen Dank für<br />
Ihre Treue!<br />
Liebes Redaktionsteam,<br />
gerne würde ich eine Info zu Ihrem tollen Heft beisteuern. Auf<br />
dem Weg von Orleans nach Gien durchfährt man einen Ort<br />
namens Saint-Martin-d’Abbat. Dies ist das Village aux boîtes des<br />
lettres. Jedes Haus hat einen witzigen Briefkasten und ist z. B.<br />
als Musikinstrument oder Gemüse gestaltet. Wir hatten dort viel<br />
Spaß und haben erfahren, dass es jetzt sogar ein Museum der<br />
Briefkästen gibt. Ich freue mich auf die nächste Ausgabe Ihrer<br />
Zeitschrift.<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
Huberta Jacobs<br />
Redaktion:<br />
Liebe Frau Jacobs,<br />
Sie haben vollkommen recht, die Briefkästen machen den Ruf des<br />
netten kleinen Dorfes Saint-Martin-d’Abbat (Loiret) aus und sind<br />
wirklich originell. Auf die Initiative eines Bewohners sind seit 1997<br />
mehr als 220 solcher Briefkästen entstanden und schmücken das Dorf<br />
zum Teil sehr humorvoll. Zweifellos hätten auch die Briefkästen, die<br />
Barbara und Charly Hamm herstellen und die wir Ihnen in der Rubrik<br />
« Produkt » vorstellen, dort ihren Platz! Vielen Dank für diesen Hinweis,<br />
der sicherlich anderen Lesern Lust darauf macht, das kleine - und auch<br />
abgesehen von den Briefkästen - sehr sympathische Dorf zu entdecken.<br />
Bonjour!<br />
Ich hatte vor längerer Zeit ein Abo und mir dabei auch einige<br />
digitale Ausgaben heruntergeladen. Nun habe ich aber meine<br />
Zugangsdaten vergessen und kann mich nicht mehr anmelden.<br />
Können Sie mir bitte weiterhelfen? Ich würde auch gern wieder<br />
neue Ausgaben digital lesen.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Marga Künne<br />
Redaktion:<br />
Liebe Frau Künne,<br />
wir nutzen die Gelegenheit, um alle Leser darauf hinzuweisen,<br />
dass die Applikation Frankreich erleben vollständig überarbeitet<br />
wurde. Es war ein sehr aufwendiges Unterfangen, das mehrere<br />
Monate in Anspruch nahm. Dafür ist die neue Applikation nun<br />
wesentlich schneller und effizienter. Sie steht sowohl für Geräte<br />
von Apple als auch für solche mit dem Betriebssystem Android<br />
kostenlos zur Verfügung und kann auf Tablets und Smartphones<br />
(praktisch für unterwegs!) installiert werden. Beachten Sie jedoch,<br />
dass die ehemalige App aus technischen Gründen nicht mehr<br />
heruntergeladen werden kann. Sie können diese jedoch nach wie<br />
vor nutzen, wenn sie auf Ihrem Gerät bereits installiert ist. Alle Leser,<br />
die wie Sie über diese App Ausgaben von Frankreich erleben gekauft<br />
haben, können uns gerne per Mail (digital@frankreicherleben.<br />
com) mitteilen, welche Nummern dies sind (inkl. Kaufnachweis). Wir<br />
integrieren diese dann in ein Konto für die neue App, für das Sie von<br />
uns neue Zugangsdaten erhalten. Insofern spielt es keine Rolle, wenn<br />
Sie die bestehenden Zugangsdaten vergessen haben. Sie können im<br />
Übrigen gespannt sein, denn ab September können Sie von neuen<br />
digitalen Angeboten profitieren,<br />
zum Beispiel von einem Kombi-<br />
Abo für Print- und Digitalausgabe<br />
zu einem Vorteilspreis.<br />
Hat Ihnen unser Magazin gefallen? Haben Sie Verbesserungsvorschläge oder Anregungen?<br />
Schreiben Sie uns. Wir sind gespannt auf Ihre Meinung!<br />
Per E-Mail: leserbriefe@frankreicherleben.de ·<br />
Per Brief: Frankreich erleben – Leserbriefe ·<br />
Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux · Frankreich<br />
Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe in gekürzter Fassung zu veröffentlichen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 67
FRANKREICH HEUTE Gesellschaft<br />
68 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Wie ich als Buchhändlerin<br />
die aktuelle Gesundheitskrise<br />
in Frankreich erlebe.<br />
Hélène des Ligneris<br />
Hélène des Ligneris leitet die unabhängige Buchhandlung La Machine à Lire in Bordeaux. Die kleine<br />
Buchhandlung in der Stadt musste, wie alle Buchhandlungen in Frankreich, während der durch die Coronavirus-Pandemie<br />
verursachten Ausgangsbeschränkungen mehrfach schließen. Nach vielen aufreibenden<br />
Monaten hat Hélène vor Kurzem eine positive Nachricht erhalten: Durch eine Verordnung erhielten<br />
die französischen Buchhandlungen offiziell den Status als Commerces essentiels, also als « wesentliche<br />
Geschäfte », sodass sie nun auch im Falle eines weiteren Lockdowns nicht mehr schließen<br />
müssen. Eine schöne Anerkennung. Vor allem, da die Kunden wieder in Scharen strömen. Wie ist diese<br />
plötzliche Zuneigung der Franzosen zu ihren Buchhändlern zu bewerten? Wird sie von Dauer sein? Hélène<br />
spricht über ihre Erfahrungen und ihre Gedanken …<br />
Guten Tag Hélène des Ligneris. Sie sind seit vielen<br />
Jahren nicht nur die « feste » Buchhändlerin von<br />
Frankreich erleben, sondern vor allem eine « kundennahe<br />
Buchhändlerin ». Eine, die von vielen Leserinnen<br />
und Lesern des Viertels gerne um Empfehlungen und Buchtipps<br />
gebeten wird. Eine Buchhändlerin, zu der viele Kunden im<br />
Laufe der Jahre und der gemeinsamen Leseerfahrungen eine<br />
regelrechte Bindung entwickelt haben. Als Sie im März 2020<br />
dann aufgrund des Lockdowns die Türen Ihrer Buchhandlung<br />
schließen mussten, waren wir sehr traurig. Zugegebenermaßen<br />
hatten wir sogar Angst um Ihre Zukunft und den Fortbestand<br />
des Ladens. Daher zunächst die naheliegende Frage: Wie geht<br />
es Ihnen?<br />
Vielen Dank, mir und den anderen Mitarbeitern der<br />
Buchhandlung geht es gut. Es ist aber unbestritten, dass<br />
das letzte Jahr für uns, wie für die meisten anderen, sehr<br />
kompliziert war …<br />
Was haben Sie an diesem Tag im März 2020 gefühlt, als Sie<br />
Ihre Buchhandlung aufgrund der Ausgangsbeschränkungen<br />
schließen mussten?<br />
Ich erinnere mich noch ganz genau daran: Gemäß den<br />
Weisungen der Regierung mussten wir die Buchhandlung<br />
von einem Tag auf den anderen schließen. Am Dienstag,<br />
17. März 2020, um 12 Uhr begann der Lockdown. Als<br />
ich den Laden verließ, begegnete ich auf der Straße einer<br />
Kundin. Auf ihre Frage, wie es mir gehe, brach ich in Tränen<br />
aus. Ich hatte den Eindruck, mein Kind im Stich zu<br />
lassen. Anders kann ich es nicht ausdrücken. Im Grunde<br />
genommen war ich wie vom Donner gerührt.<br />
Zu dem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass dieser erste, sehr<br />
strenge Lockdown zwei Monate dauern würde, vom 17. März<br />
bis zum 11. Mai 2020. Zwei lange Monate, in denen Ihre<br />
Buchhandlung, wie alle sogenannten « nicht wesentlichen » Geschäfte<br />
in Frankreich geschlossen bleiben mussten. Wie haben<br />
Sie sich organisiert, nachdem der erste Schock vorbei war?<br />
Glücklicherweise gab es von staatlicher Seite schnell<br />
eine gewisse Anzahl an Unterstützungsmaßnahmen für<br />
die Unternehmen, die gezwungenermaßen schließen<br />
mussten. Wir erhielten beispielsweise ein staatlich garantiertes<br />
Darlehen, um die Fixkosten und vor allem die<br />
Gehälter bezahlen zu können. Das war eine große Hilfe.<br />
Mir war dann auch schnell klar, dass wir uns nicht unterkriegen<br />
lassen durften. Das kam gar nicht infrage. Wissen<br />
Sie, der französische Buchhandel ist keine einfache Branche.<br />
Er ist einer der Sektoren mit der geringsten Marge:<br />
35 %, das ist lächerlich! Nehmen Sie beispielsweise ein<br />
Bekleidungsgeschäft: Dieses kauft in der Regel ein Kleidungsstück<br />
für 10 Euro ein, um es für 40 oder 50 Euro<br />
– wenn nicht gar zu einem noch höheren Preis – zu verkaufen.<br />
Von solchen Margen kann man als Buchhändler<br />
nur träumen. Eine kleine Struktur wie wir ist nicht in der<br />
Lage, ausreichend Rücklagen zu bilden, um eine staatlich<br />
verordnete, mehrmonatige Schließung zu überstehen. Insofern<br />
war mir schnell klar, dass wir in dieser Situation<br />
mehr denn je zupacken mussten, und zwar schnell. Dass<br />
wir uns so gut es ging auf die Krise einstellen und gemeinsam<br />
im Team Mittel finden mussten, um weiterzumachen.<br />
Wir mussten auf die Wiedereröffnung optimal vorbereitet<br />
sein.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 69
FRANKREICH HEUTE Gesellschaft<br />
In dieser Zeit erhielten Sie die ersten ermutigenden Nachrichten<br />
von Ihren Kunden …<br />
Ja, das war wirklich eine sehr, sehr schöne Überraschung<br />
und hat enorm gut getan. Darauf waren wir,<br />
ehrlich gesagt, gar nicht gefasst. Im Laufe der Wochen erhielten<br />
wir unzählige Nachrichten per Telefon, per Internet,<br />
manchmal schoben vorbeigehende Kunden während<br />
ihrer « autorisierten » Einkäufe einfach ein paar Zeilen<br />
unter der Tür durch … Das alles war für uns wirklich ein<br />
großer Trost.<br />
Zumal die Franzosen, als man sie plötzlich ihrer Buchhandlungen<br />
und damit « neuer » Bücher beraubte, eine regelrechte<br />
Begeisterung fürs Lesen entwickelten und verlangten, dass<br />
diese Geschäfte ebenso öffnen sollten, wie andere für den so<br />
genannten « wesentlichen » Bedarf … Vielleicht mag es ja etwas<br />
spöttisch klingen, wenn man die Frage stellt, ob es nicht<br />
typisch französisch ist, jahrelang Buchhandlungen immer mehr<br />
zu ignorieren und dann in dem Moment, indem sie aus den<br />
bekannten Gründen schließen mussten, ihre sofortige Wiedereröffnung<br />
zu verlangen?<br />
(Lacht) Da haben Sie recht. Diese Reaktion ist vermutlich<br />
wirklich sehr typisch für Franzosen. Aber unserer<br />
Moral hat sie auf jeden Fall gutgetan. Die Menschen waren<br />
auf einen Schlag mit ihren Buchhändlern solidarisch.<br />
Was diese spontane « Begeisterung » angeht, müssen wir<br />
aber, wie ich glaube, vorsichtig sein. Wir dürfen uns keine<br />
Illusionen machen, müssen objektiv bleiben: Menschen,<br />
die in der Buchhandlung einkaufen, sind zwangsläufig<br />
Menschen, die der Kultur gegenüber aufgeschlossen sind.<br />
Durch die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen<br />
können sie nun weder Kinos oder Theater besuchen,<br />
können nicht ins Restaurant gehen und keine Reisen<br />
unternehmen. Also geben sie mehr Geld für Bücher<br />
aus. Im Grunde genommen repräsentiert das von Ihnen<br />
beschriebene Verhalten doch genau die Zeit, in der wir<br />
leben. Man begeistert sich spontan für etwas und möchte<br />
diesen Wunsch dann auch auf der Stelle erfüllt haben. Es<br />
ist natürlich toll, wenn es sich dabei um ein Buch handelt,<br />
das will ich gar nicht bestreiten. Die Frage ist nur, ob diese<br />
Begeisterung anhalten wird. Auch wenn ich mich als<br />
Buchhändlerin darüber freue, muss ich gleichzeitig einen<br />
kühlen Kopf bewahren. Es ist an uns Buchhändlern, die<br />
Passion aufrecht zu erhalten, weiterhin « wichtig », vielleicht<br />
sogar « unentbehrlich » zu sein. Auf jeden Fall kann<br />
man nicht bestreiten, dass sich die Beziehung zwischen<br />
den Franzosen und ihren Buchhandlungen entscheidend<br />
verändert hat.<br />
Zu Beginn des zweiten landesweiten Lockdowns vom 30.<br />
Oktober bis 15. Dezember 2020 waren die Menschen hier<br />
im Land etwas verwirrt: Während die Buchhandlungen geschlossen<br />
waren, konnte man in Supermärkten und bei großen<br />
Handelsketten wie FNAC Bücher kaufen. Zumindest so lange<br />
bis die Regierung angesichts der Empörung über diese Situation<br />
diesen Verkauf von Büchern ebenfalls untersagte und sie<br />
zwang, den Zugang zu kulturellen Produkten zu sperren. Die<br />
Öffentlichkeit war schockiert, die Buchhändler wurden zum<br />
Symbol für Ungerechtigkeit …<br />
Ja, sowohl für unsere Kunden als auch für uns war die<br />
Situation zu diesem Zeitpunkt wirklich unverständlich.<br />
Im weitesten Sinne für alle Leser. Zumal das Buch mehr<br />
und mehr zum Zufluchtsort wurde, zu einem Mittel, sich<br />
vom Lockdown abzulenken.<br />
Im November 2020 beschloss die Regierung, den Verkauf von<br />
Büchern nicht nur auf dem Versandweg, sondern auch durch<br />
Abholung, also mittels « click and collect », zu gestatten. Die<br />
Kunden konnten telefonisch oder per Internet eine Bestellung<br />
aufgeben und diese dann mit der ausgefüllten Ausgangsgenehmigung<br />
abholen. Der Verband der französischen Buchhändler,<br />
Syndicat de la librairie française (SLF), war zunächst dagegen,<br />
da seiner Meinung nach die Bedingungen für den Schutz<br />
der Gesundheit nicht gesichert waren. Wie haben Sie diese Zeit<br />
erlebt?<br />
Wir sagten uns, dass wir keine Wahl haben, dass wir es<br />
anpacken müssen. Also stürzten wir uns in die Arbeit und<br />
entdeckten eine ganz neue Seite unseres Berufes: Bestellungen<br />
verarbeiten und bestätigen, Kartons falten, Sendungen<br />
vorbereiten, frankieren … Der Laden glich einem<br />
Lager, man musste fast bei jedem Schritt über Kartons<br />
steigen. Alle waren damit beschäftigt, Lieferungen und<br />
Abholungen vorzubereiten. Das war verrückt und ziemlich<br />
kräftezehrend. Aber es war notwendig und hilfreich:<br />
Auf diese Weise waren wir beschäftigt, konnten die<br />
Wünsche der Kunden erfüllen. Das alles machte uns diese<br />
plötzliche Vorliebe für Bücher noch bewusster.<br />
Die Buchhandlungen in Frankreich durften schließlich am 28.<br />
November 2020 wieder öffnen, und die Kunden strömten umgehend<br />
in die Läden. Laut Berufsverband der französischen<br />
Buchhändler war der Monat Dezember sogar herausragend:<br />
Alleine in diesem Monat wurden die Umsatzverluste durch<br />
die beiden Lockdowns quasi ausgeglichen. Die Bücher, die<br />
im Herbst einen der begehrten Literaturpreise erhalten hatten<br />
– darunter der Prix Goncourt für L’anomalie von Hervé<br />
le Tellier – fanden reißenden Absatz. So etwas hatte es davor<br />
noch nie gegeben. Dadurch war das Jahr letzten Endes gerettet.<br />
Und jetzt wurde die Buchhandlung noch dazu als « wesentliches<br />
Geschäft » eingestuft, genauso wie Lebensmittelläden. Da<br />
hat sich das Buch am Ende doch toll behauptet!<br />
Das stimmt absolut. Es war nicht einfach, aber ich<br />
gebe zu, die Feststellung tut gut. Dennoch fand ich die<br />
Diskussionen um die Buchhandlung als « wesentliches<br />
Geschäft » etwas schizophren. Ich bin zwar stolz, dass<br />
man sich in Frankreich plötzlich über den Stellenwert von<br />
70 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Buchhandlungen Gedanken machte, doch ich finde, dass<br />
alle Geschäfte für die Nahversorgung dazu zählen. Sicher,<br />
die Pandemie und die mit ihr verbundenen Fragestellungen<br />
haben der Arbeit der Buchhändler – und dem Buch<br />
im weitesten Sinne – eine gewisse Anerkennung verschafft.<br />
Endlich hat man in Frankreich<br />
positiv über uns gesprochen. Das ist für<br />
mich wichtig. Andererseits kann ich<br />
mich nicht uneingeschränkt darüber<br />
freuen, nun als « wesentlich » eingestuft<br />
zu sein, während Theater, Kinos und<br />
andere Geschäfte für die Nahversorgung<br />
bei einem Lockdown schließen<br />
müssen. Der Begriff ist schwierig abzugrenzen<br />
…<br />
Hat sich der Beruf des Buchhändlers Ihrer<br />
Meinung nach durch diese Krise verändert?<br />
Ganz bestimmt. Wir mussten uns<br />
schnell anpassen, quasi im Eiltempo.<br />
Es war im Grunde genommen eine<br />
Anpassung an unsere heutige Gesellschaft,<br />
zu der die Bestellung per Internet gehört. Mir<br />
war schnell klar, dass wir gezwungen waren, dieser Entwicklung<br />
zu folgen. Vor dem zweiten Lockdown mussten<br />
wir in kürzester Zeit die Website der Buchhandlung neu<br />
erstellen. Dennoch konnten wir einen Auftritt umsetzen,<br />
Wenn Sie das nächste Mal<br />
in Bordeaux sind, sollten<br />
Sie die Buchhandlung La<br />
Machine à Lire besuchen.<br />
Abgesehen davon,<br />
dass sie an einem der<br />
charmantesten historischen<br />
Plätze der Stadt liegt,<br />
können Sie dort die<br />
authentische Atmosphäre<br />
einer unabhängigen<br />
Buchhandlung erleben.<br />
La Machine à Lire<br />
8, place du Parlement<br />
33000 Bordeaux<br />
www.lamachinealire.com<br />
der uns entspricht: Auf der Website werden nicht nur<br />
die Bücher aufgelistet, die man bestellen kann, sondern<br />
sie spiegelt unsere Coups de cœur und unser Engagement<br />
genauso wider, wie die Tische, auf denen wir die Bücher<br />
im Laden präsentieren. Man muss gut achtgeben, dass die<br />
Buchhandlung ihre Seele behält. Dazu<br />
ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu<br />
finden. Das ist nicht einfach, wie man<br />
an den Webauftritten vieler französischer<br />
Buchhändler sieht, denn diese<br />
sind meist nicht sehr einladend. Wir<br />
haben alle darunter gelitten, dass die<br />
großen Handelsketten sich im Internet<br />
breitgemacht haben, dass sie den kostenlosen<br />
Versand für Bücher anbieten<br />
durften. Dagegen anzukämpfen, ist<br />
nicht einfach. Das hat uns dem Internet<br />
gegenüber misstrauisch gemacht. Doch<br />
diese Krise hat, so glaube ich, die Dinge<br />
verändert: Die Buchhandlung muss<br />
sich anpassen, das wurde uns deutlich<br />
vor Augen geführt. Insofern müssen<br />
wir uns weiterentwickeln, dennoch<br />
dürfen wir dabei alle, sowohl Buchhändler als auch Leser,<br />
nicht vergessen, dass nichts den persönlichen Kontakt,<br />
den persönlichen Austausch über ein Buch ersetzen kann.<br />
Hélène des Ligneris, wir danken Ihnen für das Gespräch.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 71
FRANKREICH HEUTE Geschichte<br />
150 Jahre<br />
Pariser<br />
Kommune<br />
Ein zwiespältiger Geburtstag<br />
für die Franzosen<br />
Vor genau 150 Jahren, vom 18. März bis zum 28.<br />
Mai 1871, war Paris der Schauplatz eines bedeutenden<br />
Aufstands, der zur Entstehung der Commune<br />
de Paris führte, die allerdings nur 72 Tage Bestand<br />
hatte, bevor ihr ein blutiges Ende gesetzt<br />
wurde. Die Pariser Kommune hatte somit keine<br />
Zeit, ihr revolutionäres Programm umzusetzen, sie<br />
stellt aber dennoch eine bis dato nie da gewesene<br />
politische und soziale Erfahrung dar, die ein Vorbild<br />
für die meisten sozialistischen Revolutionen<br />
des 20. Jahrhunderts war. Die Franzosen erkennen<br />
zwar an, dass die Kommune ein wichtiger Teil<br />
ihrer Geschichte ist, dennoch entzündeten sich<br />
angesichts der Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag<br />
in diesem Jahr polemische Diskussionen, die davon<br />
zeugen, wie zwiespältig dieses geschichtliche<br />
Ereignis wahrgenommen wird.<br />
72 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Genau 498 Straßen und 190 Einrichtungen tragen<br />
in Frankreich den Namen von Louise Michel<br />
(1830-1905), einer der zentralen Figuren der Pariser<br />
Kommune und der französischen Geschichte. Wenn<br />
Sie jedoch Franzosen fragen, wer diese kämpferische Frau<br />
voller Ideale und mit einem nahezu unglaublichen Schicksal<br />
war, werden Sie schnell feststellen, dass nur wenige tatsächlich<br />
Bescheid wissen. Und das, obwohl Verlaine (1844-<br />
1896) Louise Michel als « Beinahe-Jeanne-d‘Arc » qualifizierte<br />
und auch ein anderer Dichter, nämlich Victor Hugo<br />
(1802-1885), mit dem sie einen regelmäßigen Briefwechsel<br />
führte, zu ihren Bewunderern zählte. Louise Michel ist also<br />
eine den meisten Franzosen unbekannte Frau, obwohl sie<br />
lange Zeit als Symbolfigur der französischen Linken galt<br />
und anlässlich des Jahrestages der Pariser Kommune nun<br />
sogar die Umbettung ihres Leichnams ins Panthéon im<br />
Gespräch ist. Allerdings hätte die Inschrift auf dem Frontspitz<br />
dieser letzten Ruhestätte berühmter französischer<br />
Persönlichkeiten, Aux grands hommes la patrie reconnaissante,<br />
Louise Michel vermutlich eher missfallen, denn sie<br />
war zudem eine der ersten Feministinnen des Landes …<br />
Fasziniert von einer verkannten Periode<br />
Es ist kein Geheimnis, dass Franzosen manchmal ein<br />
paradoxes Verhalten an den Tag legen: Einerseits würdigen<br />
sie ihre Vorfahren, benennen Straßen und Schulen<br />
nach ihnen, fassen sogar eine « Pantheonisierung » ins<br />
Auge, interessieren sich dann aber nicht wirklich für die<br />
Geschichte dieser Menschen. Ein Phänomen, das in den<br />
letzten Monaten, als es auf den 150. Jahrestag der Pariser<br />
Kommune zuging, noch offensichtlicher in Erscheinung<br />
trat. Es scheint so, als verwandele sich diese Zeit der französischen<br />
Geschichte für die Dauer der Jubiläumsfeierlichkeiten<br />
in eine regelrechte « nationale Legende », die die<br />
Fantasie der Menschen<br />
stimuliert. Objektiv<br />
gesehen muss man allerdings<br />
zugeben, dass die<br />
Franzosen La Commune<br />
seit Jahren quasi « vergessen<br />
» hatten, bevor<br />
die Erinnerung an die<br />
Links: Während der Dauer der Kommune zündeten die Kommunarden mehrere Pariser Monumente an,<br />
welche die politische Macht symbolisierten. Die Darstellungen dieser Szenen der Verwüstung wurden durch<br />
die Regierenden der damaligen Zeit bewusst gefördert, um die Zerstörungswut der Kommune anzuprangern.<br />
Über die hohe Zahl der getöteten oder deportierten Kommunarden wurde dagegen der Mantel des<br />
Schweigens ausgebreitet. Diese Abbildungen vermitteln eine Vorstellung vom Ausmaß der Gewalt in der<br />
damaligen Zeit in Paris. Ein 1871 im Gefängnis in Versailles aufgenommenes Porträt von Louise Michel.<br />
Unten: Die von Haussmann in Paris veranlassten Arbeiten waren gewaltig, wie man am Beispiel des<br />
Baus der Avenue de l'Opéra sehen kann. Viele Pariser konnten von diesen Arbeiten gar nicht profitieren<br />
und Haussmann wurde als « Hehler, der Paris verkauft, damit es zerstört wird » verschrien.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 73
FRANKREICH HEUTE Geschichte<br />
Ereignisse urplötzlich wieder aus der Versenkung auftauchte.<br />
Selbst in der Schule wird dieses historische Ereignis<br />
knapp abgehandelt, es steht eher im Zentrum von<br />
geschichtlichen, intellektuellen und politischen Studien.<br />
Auch wenn sich angeblich mehr als 5000 Veröffentlichungen<br />
mit der Pariser Kommune beschäftigen – wobei sich<br />
die Zahl in diesem Jahr wohl um ein paar Dutzend Neuveröffentlichungen<br />
erhöhen wird – sind die Franzosen mit<br />
ihr, genauso wie mit der Nationalheldin Louise Michel,<br />
zum großen Teil nicht vertraut.<br />
Eine eigenartige Revolution<br />
Trotz üppig gefüllter Archive und einer Fülle an Forschungsarbeiten<br />
zu den Ereignissen, ist diese Zeit der<br />
französischen Geschichte heute immer noch schwer nachvollziehbar.<br />
Wie viele revolutionäre Phasen schien der<br />
Ablauf der Ereignisse keiner Logik zu folgen. Selbst Karl<br />
Marx (1818-1883) lag nicht so falsch, als er die Kommune<br />
als « Sphinx, die den Bourgeoisverstand auf so harte Proben<br />
setzt » bezeichnete. Die Kommune also ein Fabelwesen<br />
mit einem rätselhaften Verhalten? Das könnte man in<br />
der Tat meinen … Auf jeden Fall ist es eine eigenartige<br />
Revolution, die selbst hochqualifizierte Geschichtsforscher<br />
nach eigenen Aussagen immer noch nicht vollständig<br />
erfasst haben. Doch – von der noch notwendigen<br />
historischen Arbeit einmal abgesehen – was ist in den 72<br />
Tagen von März bis Mai 1871 in Paris eigentlich passiert,<br />
dass dieses Thema heute noch in Frankreich eine derartige<br />
Polemik hervorruft? Eine kurze Zusammenfassung der<br />
Ereignisse scheint angebracht …<br />
Von Ungleichheit bis Verrat<br />
Versetzen wir uns ins Paris während des Zweiten Kaiserreichs,<br />
Ende der 1860er-Jahre. Die Hauptstadt gleicht<br />
einer riesigen Baustelle: Napoleon III. (1808-1973) hat<br />
den Präfekten Haussmann (1809-1891) mit der Modernisierung<br />
der Stadt beauftragt. Dieser lanciert große Arbeiten:<br />
Prachtstraßen werden angelegt, Hôtels particuliers<br />
und die berühmten Gebäude im « Haussmannschen Stil »<br />
(die noch heute zum Ruf von Paris beitragen) entstehen,<br />
Parks und Gärten werden kreiert, ein unterirdisches Abwassersystem<br />
wird eingerichtet … Alles ist zum Besten<br />
von Paris, wirkt aber zunächst störend auf die Bewohner,<br />
ganz besonders auf die Ärmsten unter ihnen. Letztere<br />
wissen nur zu gut, dass sie niemals von dieser luxuriösen<br />
Modernisierung profitieren werden. Während in manchen<br />
Gebäuden bereits fließendes Wasser und sogar eine Zentralheizung<br />
Einzug hält, leben sie inmitten dieser Baustellen<br />
und haben oft nicht genug zum Leben. Angesichts<br />
dieser immer offensichtlicher werdenden Ungerechtigkeit<br />
entsteht nach und nach eine Protestbewegung.<br />
Um den spürbaren Zorn auf ein anderes Ziel umzuleiten,<br />
beschließt der Kaiser einen « politischen Coup »<br />
und erklärt Preußen den Krieg. Das Vorhaben missglückt<br />
74 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
jedoch. Napoleon wird am 2. September<br />
1870 in Sedan (Ardennen) gefangen genommen,<br />
das Kaiserreich bricht zusammen.<br />
Am 4. September wird die Republik ausgerufen.<br />
Die Franzosen machen sich bereit,<br />
ihr Land gegen die Preußen zu verteidigen<br />
und gründen dafür eine zivile Miliz: die<br />
Garde nationale. Sie besteht aus einfachen<br />
Bürgern, die sich freiwillig gemeldet haben<br />
und durch Spenden aus der Bevölkerung<br />
bewaffnet werden. Die Antwort der Preußen<br />
lässt nicht lange auf sich warten, am<br />
19. September 1870 kreisen sie Paris ein.<br />
Die Übergangsregierung zerfleischt sich<br />
gegenseitig. Dem damaligen Innenminister<br />
Léon Gambetta (1838-1882) gelingt es,<br />
Paris in einem Heißluftballon zu verlassen,<br />
in der Hoffnung, in der Provinz eine Armee<br />
auf die Beine zu stellen. Er lässt jedoch eine<br />
Regierung zurück, die bereits mit den Preußen<br />
über die Kapitulation verhandelt, was<br />
den Parisern ganz und gar nicht gefällt. Sie<br />
fühlen sich verraten und fordern die Wahl<br />
einer Pariser Kommune.<br />
« Platz dem Volk, Platz<br />
der Kommune! » .<br />
Der einsetzende Winter ist besonders streng, in der<br />
nach wie vor von den Preußen eingekesselten Hauptstadt<br />
breitet sich eine Hungersnot aus. Dennoch organisiert sich<br />
vor allem in den ärmsten Vierteln im Norden und Nordosten<br />
ein immer stärkerer Widerstand. Rote Plakate mit<br />
der Aufschrift Place au peuple! Place à la Commune! werden<br />
aufgehängt. Am 22. Januar 1871 versammelt sich das<br />
Pariser Volk vor dem Rathaus der Stadt, das gleichzeitig<br />
Regierungssitz ist. Die Menschen wollen vom Bürgermeister<br />
angehört werden. Weit davon entfernt, diesem<br />
Wunsch nachzukommen, lässt dieser vom Gebäude aus in<br />
die Menge schießen.<br />
Die 28. Regierung unterzeichnet den Waffenstillstand<br />
mit den Preußen. Der Preis dafür ist enorm: 5 Milliarden<br />
Goldfranken und die Abtretung des Elsasses sowie<br />
eines Teils von Lothringen. Währenddessen marschiert<br />
die deutsche Armee über die Champs-Élysées. Gleichzeitig<br />
will die neue Regierung Frankreichs die von den<br />
Menschen in Paris finanzierten Kanonen einkassieren und<br />
entsendet dafür in der Nacht des 18. März 1871 20 000<br />
Soldaten in die Hauptstadt. Das ist für die Pariser der<br />
Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Auf dem<br />
Montmartre stellen sich die Menschen der Armee entgegen,<br />
errichten Barrikaden. Vor allem viele mutige Frauen<br />
– allen voran Louise Michel – sind dort präsent, um die<br />
Geschütze zu verteidigen. Im Verlauf der angespannten<br />
Lage verweigern die meisten Soldaten den Befehl, auf<br />
die Menschen zu schießen und verbrüdern sich mit den<br />
Links: Frauen spielten in der Kommune eine zentrale Rolle, viele von ihnen<br />
traten in die Nationalgarde ein. Am 7. Oktober 1870 hob der Innenminister Léon<br />
Gambetta mit dem Heißluftballon in Paris ab, um auf diesem Weg nach Tours zu<br />
gelangen. Kommunarden errichten am Place Blanche eine Barrikade. Oben: Die<br />
Kanonen der Nationalgarde wurden auf dem Montmartre-Hügel abgestellt.<br />
Kommunarden. Der Rest der Armee zieht sich zurück,<br />
die Regierung überlässt das Rathaus den Aufständischen<br />
und flieht nach Versailles. Es ist ein großer Sieg für die<br />
Kommune, der umgehend auch in der Provinz für Nachahmer<br />
sorgt: In Limoges (Haute-Vienne), Toulouse<br />
(Haute-Garonne), Narbonne (Aude), Le Creusot (Saôneet-Loire),<br />
Saint-Etienne (Loire), Lyon (Rhône) und Marseille<br />
(Bouches-du-Rhône) werden ebenfalls Kommunen<br />
ausgerufen …<br />
« Das Leben verändern »:<br />
von der Utopie zur Realität<br />
Das Symbol des Widerstands, die Pariser Kommune<br />
wird am 28. März 1871 anlässlich eines großen Volksfestes<br />
vor dem Rathaus offiziell proklamiert. Die Menschen<br />
sind wie elektrisiert und fest entschlossen, sich selbst zu<br />
verwalten. Es ist der Beginn der politisch völlig neuartigen<br />
und intensiven Erfahrung einer République universelle mit<br />
demokratischen und sozialen Zielsetzungen. Wesentliche<br />
Inhalte sind beispielsweise die Vereinigung der Völker, die<br />
Stellung der Frau in der Gesellschaft, Erziehung sowie die<br />
Beziehungen zwischen Gesellschaft, Natur und Kunst.<br />
In dieser Hinsicht ist die Kommune spannend. Es ist<br />
eine populäre Mobilisierung, die « das Leben verändern »<br />
will, indem sie die Arbeits- und Lebensbedingungen aller<br />
Menschen verbessert. Es gelingt ihr, in sehr kurzer Zeit<br />
ein ausgesprochen modernes politisches Konzept zu entwerfen<br />
und umzusetzen, von dem einige Aspekte heute<br />
immer noch nichts von ihrer Aktualität verloren haben:<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 75
FRANKREICH HEUTE Geschichte<br />
Lohngleichheit von Mann und Frau, Beschlagnahmung<br />
leer stehender Wohnungen für die Ärmsten, kostenlose<br />
Rechtsprechung, Trennung von Kirche und Staat, Anerkennung<br />
der französischen Staatsbürgerschaft bei Ausländern,<br />
Wahlrecht für alle, passives Wahlrecht für Frauen …<br />
All diese Reformen und neuartigen sozialen Veränderungen<br />
konnten die Kommunarden in der Hauptstadt in Rekordzeit<br />
umsetzen.<br />
Die « blutige Woche »<br />
Eine der solidarischen Aktionen der Kommune war die Einrichtung<br />
einer städtischen Kantine während der Belagerung von Paris. Die<br />
Kommune war für die Menschen in Paris ein Symbol der Hoffnung.<br />
Man kann sich vorstellen, dass diese Veränderungen<br />
der nach Versailles geflüchteten Regierung nicht gerade gefallen.<br />
Deshalb zögert diese auch nicht, die zwar politisch<br />
energiegeladene, aber geschundene und ausgehungerte Bevölkerung<br />
am 2. April 1871 überraschend anzugreifen und<br />
einen regelrechten Krieg gegen die aufständischen Menschen<br />
zu führen. Die Lage der Kommunarden ist schrecklich:<br />
Der Norden und Osten der Hauptstadt ist immer noch<br />
von den Deutschen besetzt, im Süden und Westen werden<br />
sie von den Truppen aus Versailles angegriffen. Während<br />
einer « blutigen Woche » spielen sich furchtbare Kämpfe ab,<br />
76 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
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FRANKREICH HEUTE Geschichte<br />
die am 21. Mai 1871 ihren Höhepunkt finden. In dieser<br />
Zeit dringen die Regierungstruppen vom Südwesten bis<br />
in den Pariser Nordosten vor. Viertel um Viertel. Es ist ein<br />
buchstäbliches Gemetzel. Die Armee schießt gnadenlos<br />
auf Männer, Frauen und Kinder. Doch die Kommunarden<br />
setzen sich zur Wehr. Am Ende steht eine dramatische<br />
Bilanz: Die Zahl der Toten wird auf 20 000, die Zahl der<br />
Gefangenen auf 40 000 geschätzt. Letztere werden an<br />
Die heftigen Kämpfe und die Feuer während der « blutigen Woche »<br />
hinterließen tiefe Spuren in Paris, wie unter anderem diese<br />
Fotografien von der Rue de Rivoli und dem Rathaus zeigen.<br />
Orte gebracht, die weit von der Hauptstadt entfernt sind.<br />
Die letzten Soldaten der Pariser Kommune – 147 sind es<br />
genau – werden von der Armee aus Versailles auf dem<br />
Friedhof Père-Lachaise (XX. Arrondissement) am Fuß<br />
der sogenannten Mur des Fédérés (in der südöstlichen<br />
Ecke des Friedhofs) getötet. Diese Mauer symbolisiert<br />
noch heute den Kampf der Kommunarden für ihre Ideale.<br />
In den darauffolgenden Wochen und Monaten werden<br />
ungefähr 80 weitere gefangengenommene Kommunarden<br />
ohne Gerichtsverfahren exekutiert, während mehrere<br />
Tausend andere – darunter Louise Michel – nach Neukaledonien<br />
deportiert werden. Die Bilanz ist also erschütternd,<br />
das auf beiden Seiten vergossene Blut hinterlässt<br />
tiefe Spuren in der französischen Gesellschaft. Dennoch<br />
wird sehr schnell ein Aufruf zur Vereinigung laut, vor<br />
allem durch die in der Folge berühmt gewordenen Verse<br />
von Victor Hugo, der sich für eine nationale Versöhnung<br />
starkmacht:<br />
« Soldaten! Soldaten! Was wollt ihr?<br />
Was! Auf der einen Seite Frankreich<br />
und auf der anderen Seite Frankreich!<br />
Hört auf! Aus eurem Erfolg entsteht die Trauer. »<br />
(Victor Hugo, L’année terrible)<br />
Jedem ist klar, dass eine Versöhnung mit einer gesetzlich<br />
verhängten Amnestie für die Kommunarden<br />
verbunden ist. Diese wird in zwei Abstimmungen (18<strong>79</strong><br />
und 1880) beschlossen. Damit haben die Franzosen das<br />
Gefühl, dass sie « das Kapitel abschließen » können.<br />
Starke Symbolwirkung versus reale Tragweite<br />
Heute eine Bilanz dieser Ereignisse zu ziehen, ist für<br />
die Franzosen keine einfache Angelegenheit und Anlass<br />
für Unstimmigkeiten. Die Pariser Kommune überdauerte<br />
einerseits nur 72 Tage, doch in diesen etwas mehr als zwei<br />
Monaten gelang den Menschen in Paris die Umsetzung<br />
einer politischen und sozialen Erfahrung, die von einer<br />
ungeheuren Modernität geprägt war. Das historische, politische<br />
und ideologische Vermächtnis ist also beträchtlich.<br />
Zweifellos hat diese Zeit die Gemüter geprägt. Allerdings<br />
dauerte die Zeit der Pariser Kommune nicht lange genug<br />
an, als dass sie « sich bewähren », tatsächliche Veränderungen<br />
in der französischen Gesellschaft herbeiführen<br />
konnte. Die « reale Tragweite » ist also viel schwieriger zu<br />
messen. Umso mehr, da diese Revolution im Gegensatz<br />
zu anderen – zum Beispiel die Russische Revolution oder<br />
auch die Französische Revolution – keine Zeit hatte, die<br />
Menschen zu enttäuschen, da sie nur ein sehr kurzlebiges<br />
« Intermezzo » in der Geschichte des Landes war. All<br />
das macht die Analyse nicht einfach. Diese Schwierigkeit<br />
trat bei den jüngsten Debatten über die Organisation der<br />
Gedenkfeiern anlässlich des 150. Jahrestages deutlich<br />
ans Tageslicht. Die Rechte betrachtet diese Zeit zwar<br />
als eine interessante Periode im Hinblick auf die sozialen
Allen, die noch tiefer einsteigen möchten, empfehlen wir<br />
einen hervorragenden Dokumentarfilm:<br />
Les damnés de la Commune<br />
von Raphaël Meyssan<br />
Acht Jahre lang trug<br />
der Grafiker und<br />
Regisseur Raphaël<br />
Meyssan in mühevoller<br />
Arbeit aus Zeitungen<br />
und Büchern der<br />
damaligen Zeit<br />
Tausende Grafiken über<br />
die Pariser Kommune<br />
zusammen. Zunächst<br />
entstand daraus eine<br />
bemerkenswerte Grafic<br />
Novel in drei Bänden:<br />
Les Damnés de la<br />
Commune, erschienen<br />
im Verlag Delcourt in<br />
den Jahren 2017 und<br />
2019. Auf der Basis<br />
dieser Arbeit realisierte<br />
der Autor dann in<br />
Zusammenarbeit mit<br />
ARTE einen einzigartigen, animierten Dokumentarfilm,<br />
der sehr bewegend ist. Durch eine spezielle<br />
Kameratechnik taucht man direkt in diese Zeichnungen<br />
und subtilen Animationen ein. Der Film – aus dem alle<br />
Illustrationen dieses Artikels stammen – lässt uns durch<br />
die Erzählung von Victorine, einer jungen Revolutionärin,<br />
das Leben in der Kommune nachvollziehen. Es ist<br />
mehr als nur ein fesselnder Dokumentarfilm, es ist<br />
ein eigenständiges Werk, das – danke ARTE! – auch in<br />
deutscher Sprache angeboten wird und das wir Ihnen<br />
nur wärmstens empfehlen können!<br />
Les damnés de la Commune, von Raphaël Meyssan, bis<br />
zum 19. August <strong>2021</strong> kostenlos anzusehen auf arte.tv<br />
(Link: www.arte.tv/de/videos/094482-000-A/dieverdammten-der-pariser-kommune/)<br />
Les damnés<br />
de la Commune<br />
und politischen Ansätze, stuft sie andererseits jedoch als<br />
blutrünstig und anarchisch ein. Die Linke dagegen – vor<br />
allem der radikale Flügel – sieht in ihr eine utopische<br />
Vision, der man keine Chance gelassen hat und die man<br />
weiterverfolgen sollte. Zwischen den beiden Lagern versuchen<br />
die Franzosen offensichtlich, sich eine Meinung<br />
zu bilden und sich « für eine Seite zu entscheiden ». Vor<br />
etwas mehr als einem Jahr sah man einige Gilets jaunes<br />
an den Kreisverkehren, die über ihren leuchtend gelben<br />
Jacken Schilder mit der Aufschrift Vive la Commune! trugen.<br />
Heute entdeckt man ab und zu Botschaften wie La<br />
Commune n’est pas morte!, die an eine Wand gesprüht sind,<br />
und man stellt fest, dass die Kommune selbst nach 150<br />
Jahren in der Presse noch für leidenschaftliche Debatten<br />
sorgt. Über diese Feststellung hätte sich Louise Michel,<br />
die Freiheitskämpferin, die davon träumte, die Welt zu<br />
verändern, ganz sicher gefreut.<br />
Während der « blutigen Woche » wurden zahlreiche Kommunarden<br />
ohne Verurteilung exekutiert. Man hatte es dabei besonders auf<br />
die sogenannten Pétroleuses abgesehen, Frauen, die beschuldigt<br />
wurden, Feuer gelegt zu haben. Die Fotomontage von Ernest<br />
Charles Appert zeigt das Gefängnis in Versailles mit inhaftierten<br />
Frauen der Pariser Kommune. Im Vordergrund erkennt man Louise<br />
Michel (rechts stehend mit einem weißen Rock, markiert ).<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · <strong>79</strong>
FRANKREICH HEUTE Ce qui fait débat<br />
Soll man die Basilika Sacré-Cœur<br />
in Paris schützen oder abreißen?<br />
Man sagt, dass Franzosen Querulanten seien,<br />
dass sie immer etwas zu nörgeln hätten. Klischee<br />
oder Realität? Eines ist auf jeden Fall sicher: Sie<br />
diskutieren gerne. Manchmal auch über Themen,<br />
die vielleicht eher unangebracht oder sogar überflüssig<br />
erscheinen. Weil solche Debatten im Endeffekt<br />
aber viel über die Franzosen aussagen und<br />
wir uns oft darüber amüsieren, wollen wir in dieser<br />
Rubrik auf ausgefallene Diskussionen eingehen,<br />
die, von außen betrachtet, vielleicht etwas<br />
seltsam erscheinen, in Frankreich aber für Gesprächsstoff<br />
sorgen. Ein in der jüngsten Zeit sehr<br />
umstrittenes Thema steht beispielsweise in einer<br />
engen Verbindung mit dem Artikel über die Pariser<br />
Kommune in dieser Ausgabe: Es geht dabei<br />
um die Frage, ob man die Basilika Sacré-Cœur<br />
von Paris schützen oder abreißen soll …<br />
Partizipative Demokratie » ist heutzutage « in », und<br />
das nicht nur in Paris. Vor einigen Jahren hat die<br />
« Stadtverwaltung daher eine Website eingerichtet,<br />
auf der die Pariser Anregungen für Investitionen geben<br />
können, die ihr Viertel oder die Hauptstadt als solche betreffen.<br />
Dafür wird ein sogenanntes Budget municipal participatif<br />
bereitgestellt. Obwohl diese Möglichkeit prinzipiell<br />
positiv aufgenommen wurde, war eine richtige Begeisterung<br />
bisher nicht zu spüren, zumal der Begriff « Bürgerhaushalt<br />
» ja auch nicht gerade sehr « prickelnd » klingt …<br />
Doch urplötzlich sorgt diese Initiative nun für Gesprächsstoff,<br />
da ein Bewohner des XVIII. Pariser Arrondissements<br />
– vielleicht mit einem etwas spöttischen Hintergedanken –<br />
folgenden Vorschlag machte: « Sacré-Cœur ist ein Versailler<br />
Schandfleck, der das Andenken an die Pariser Kommune<br />
befleckt. Das Projekt besteht in einem vollständigen<br />
Abriss der Basilika im Rahmen eines großen Volksfestes. »<br />
Überrascht es, dass die Stadtverwaltung diesen Vorschlag<br />
sofort für « unzulässig » erklärt hat? Was den Urheber des<br />
Vorschlags wiederum nicht wirklich erstaunt, denn der<br />
Spaßvogel gestand auf dem Sender France Info, seinen Vorschlag<br />
eher als « Scherz » eingereicht zu haben und damit<br />
vor allem « die Grenzen der Ausübung lokaler Demokratie<br />
aufzeigen » zu wollen.<br />
In anderen Zeiten hätte man die Sache damit vermutlich<br />
auf sich beruhen lassen. Doch wir leben im Jahr<br />
<strong>2021</strong>, in dieser angeblich so « großartigen » Zeit, in der<br />
ein simpler « Scherz » – noch dazu ein eher sympathischer<br />
– sich durch Internet und soziale Netzwerke wie<br />
durch Zauberhand in ein Gerücht verwandelt, das sich<br />
wie ein Lauffeuer verbreitet und außer Kontrolle gerät.<br />
Und genau das ist passiert. Innerhalb weniger Stunden<br />
wurde dieser « flapsige » Vorschlag unzählige Male aufgenommen,<br />
geteilt, « geliked », ... wie man das in der<br />
« Internetsprache » heute nennt. Es entstand ein regelrechter<br />
Medienhype … Was ja, ehrlich gesagt, nicht erstaunlich<br />
ist, wie jeder regelmäßige Nutzer der sozialen<br />
Netzwerke bestätigen wird. Den Abriss von Sacré-Cœur<br />
vorzuschlagen, dieser Basilika, die untrennbar mit dem<br />
Stadtbild verbunden ist und auf dem höchsten Punkt<br />
der Hauptstadt, auf dem Montmartre-Hügel, liegt!<br />
Unmöglich! Es zu wagen, an diesem legendären, nach<br />
Notre-Dame meistbesuchten Monument der Hauptstadt<br />
zu rühren! Auf gar keinen Fall! Sich an dieser international<br />
bekannten Basilika zu vergreifen, die noch dazu<br />
mit dem so romantischen Gesicht der Amélie Poulain<br />
assoziiert wird! Wie kann man auf so einen Gedanken<br />
kommen! Kein Wunder, das daraus umgehend eine heftige<br />
Debatte entstanden ist …<br />
Da Sacré-Cœur in Paris schon seit Langem in mehrfacher<br />
Hinsicht in der Kritik steht, bietet die Affäre nun<br />
eine gute Möglichkeit, diese anzubringen. Das geht mit<br />
der Architektur los, die – das ist kein Geheimnis – nicht<br />
wenigen ein echter Dorn im Auge ist. Insofern ist es auch<br />
kein Zufall, dass dieses Gebäude von vielen Einwohnern<br />
schon immer mit Spitznamen wie Pâtisserie de la Butte,<br />
Chou à la Crème oder auch Notre-Dame de la Galette bedacht<br />
wurde. Diese nicht sehr schmeichelhaften Bezeichnungen<br />
spielen auf die üppigen, runden Formen und die<br />
von Weitem sichtbare weiße Farbe der Basilika an, die<br />
eher an einen schwer verdaulichen Kuchen als an eine<br />
religiöse Stätte erinnert. Aber wegen einer umstrittenen<br />
Ästhetik gleich einen Abriss ins Auge zu fassen? Nein, die<br />
Gründe für diesen radikalen Vorschlag liegen woanders.<br />
Was man Sacré-Cœur in diesem Fall vorwirft, ist der<br />
Zweck, warum sie ab 1875 überhaupt gebaut wurde. Dadurch<br />
wird, wie der Pariser Bürger es in seinem Vorschlag<br />
an die Stadtverwaltung formulierte « das Andenken an die<br />
Pariser Kommune beschmutzt ».<br />
80 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Um das besser zu verstehen, muss man ins Jahr 1871<br />
zurückblicken. Die neue Französische Republik unterzeichnete<br />
damals den Waffenstillstand mit Preußen. Einen<br />
Frieden, den die Pariser als demütigend empfanden<br />
und kategorisch ablehnten. Sie gründeten daher die Pariser<br />
Kommune, die nach kürzester Zeit durch die Armee aus<br />
Versailles während der « blutigen Woche » vom 21. bis 28.<br />
Mai 1871 mit einem Massaker beendet wurde. 1873, also<br />
zwei Jahre später, betrachtete der neue Staatspräsident, der<br />
ultrakonservative General Mac-Mahon (1808-1893), den<br />
Aufstand der Pariser immer noch als ungeheuren Affront.<br />
In diesem Kontext fiel die Entscheidung für den Bau von<br />
Sacré-Cœur. Die mehrheitlich mit Konservativen und<br />
Mitgliedern des Klerus besetzte Nationalversammlung<br />
beschloss, auf dem Montmartre-Hügel ein religiöses Gebäude<br />
errichten zu lassen, um « die der Kommune zur Last<br />
gelegten Sünden zu sühnen ». Die Praxis, Gott auf diesem<br />
Weg um Vergebung zu bitten, war zur damaligen Zeit<br />
üblich und sehr verbreitet. Erstmals davon gesprochen<br />
hatte der Pariser Ladenbesitzer und konservative Katholik<br />
Alexandre Legentil (1821-1889): Bereits 1871 hatte er<br />
feierlich geschworen, man würde auf dem Montmartre-<br />
Hügel eine Basilika errichten, um Gottes Vergebung zu<br />
erhalten, da seiner Ansicht nach alle Übel Strafen seien,<br />
mit denen Gott die Sünden der Menschen sanktionieren<br />
wolle. Zwei Jahre später nahm die Nationalversammlung<br />
diesen Gedanken also wieder auf und beschloss die Errichtung<br />
von Sacré-Cœur. Um den Eindruck noch zu verstärken,<br />
wurde der Montmartre-Hügel als Ort bestimmt,<br />
genau dort, wo im März 1871 der Aufstand begann, der<br />
zur Bildung der Kommune führte. Polemischer geht es<br />
kaum! Die Basilika konnte diese ideologische Rechtfertigung<br />
für ihren Bau niemals loswerden, und wurde von da<br />
an von vielen Parisern als Beleidigung der Erinnerung an<br />
die Kommunarden betrachtet. Grund genug also, vonseiten<br />
der extremen Linken die Diskussion um den Abriss<br />
regelmäßig anzufachen, sozusagen als radikales Mittel,<br />
um die Versailler nicht mehr zu feiern.<br />
Als sei das alles noch nicht genug, geht die Debatte um<br />
Sacré-Cœur aber noch weiter. Im Oktober 2020 beschloss<br />
die regionale Kommission für Architektur und Kulturerbe<br />
einstimmig, « die Formalitäten in Angriff zu nehmen, um<br />
das Gebäude bis <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> [als Monument historique]<br />
klassifizieren zu lassen ». Dies wäre insofern willkommen,<br />
da eine solche Klassifizierung mit höheren Fördermitteln<br />
für die Erhaltung und Restaurierung verbunden ist. Doch<br />
weil die Franzosen Debatten lieben, facht die Initiative<br />
umgehend den alten Zwist zwischen einer Linken – die<br />
sich darüber empört, wie man einem ihrer Meinung nach<br />
deplatzierten und reaktionären Monument ein solches<br />
Geschenk machen kann – und einer Rechten – deren Ansicht<br />
nach das Gebäude zum nationalen Kulturerbe gehört<br />
und damit Anspruch darauf hat, geschützt zu werden –<br />
wieder an … Und die Pariser, die zum überwiegenden Teil<br />
zwischen diesen beiden Lagern stehen, haben im Endeffekt<br />
ihren Spaß an den endlosen Diskussionen. Sie wissen<br />
nur zu gut, dass Sacré-Cœur zum Bild der Stadt gehört<br />
und haben das Gebäude in gewisser Weise ins Herz geschlossen.<br />
Vielleicht ganz besonders aus dem Grund, weil<br />
es Anlass zu polemischen Diskussionen gibt.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 81
ART DE VIVRE Kultur<br />
Der Comic: ein eigenständiges Medium in Frankreich ( 5 )<br />
Interview:<br />
Richard Malka<br />
Anwalt und Comicautor<br />
Richard Malka, Ihr Gesicht<br />
und Ihre Ansichten<br />
sind in Frankreich<br />
gut bekannt. Sie sind ein<br />
unermüdlicher und hartnäckiger<br />
Verteidiger des Rechts<br />
auf Meinungsfreiheit und<br />
seit der Gründung des Satiremagazins<br />
Charlie<br />
Hebdo im Jahr 1992 dessen<br />
Anwalt. Insofern gehören<br />
Sie zu den sogenannten<br />
« Staranwälten », deren Äußerungen<br />
besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Viele<br />
wissen allerdings nicht, dass Sie bereits seit langer Zeit auch<br />
eigene Comics schreiben. Diese Doppelfunktion ist nicht alltäglich<br />
…<br />
Ja, das stimmt. Auf jeden Fall ist es für einen Anwalt<br />
nicht alltäglich, das ist mir wohl bewusst. Man kann sich<br />
nur schwer vorstellen, dass ein Anwalt den Gerichtssaal<br />
verlässt, und dann an einem Comic arbeitet. Ein bisschen,<br />
als ob es « nicht seriös » wäre. Ich persönlich habe allerdings<br />
bemerkt, dass dies zwar am Anfang auf Erstaunen<br />
gestoßen ist, dass diese « Besonderheit » jedoch von meinen<br />
Berufskollegen schnell als etwas Positives wahrgenommen<br />
wurde. Man muss wissen, dass ich seit Langem<br />
das Image eines eher unorthodoxen Anwalts habe. Ein<br />
Satiremagazin wie Charlie Hebdo zu verteidigen – oder<br />
auch Hausbesetzer, wie es des Öfteren vorkommt –, das<br />
reicht aus, um innerhalb der Anwaltschaft beziehungsweise<br />
in der Gesellschaft im weitesten Sinne als jemand zu<br />
gelten, der aus dem Rahmen fällt. Doch da stehe ich voll<br />
und ganz dahinter.<br />
Wie kam es dazu, dass Sie begannen, Comics zu schreiben?<br />
Als ich ungefähr 28 Jahre alt war und den Anwaltsberuf<br />
bereits rund fünf Jahre ausübte, verspürte ich das<br />
Bedürfnis, mich anders, mich auf künstlerische Art auszudrücken.<br />
Die Welt des Comics war mir gut vertraut,<br />
und dieses Medium erschien mir für meine Zwecke besser<br />
geeignet, als zum Beispiel ein Buch. Und offen gesagt<br />
haben die Franzosen eine richtiggehende Zuneigung zu<br />
Comics.<br />
Woher kommt das Ihrer Meinung nach?<br />
Das ist allmählich entstanden. Bevor Comics populär<br />
wurden, gab es schon immer eine ausgesprochene Kultur<br />
des Bildes in Frankreich, vor allem, wenn das Bild einen<br />
politischen Charakter hatte. Die Franzosen haben relativ<br />
schnell Zeichnungen als Mittel des politischen Ausdrucks<br />
eingesetzt. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts leisteten<br />
die berühmten Images d‘Épinal* einen großen Beitrag zur<br />
Verbreitung von Nachrichten und Meinungen innerhalb<br />
des Landes. Doch vor allem das Aufkommen<br />
von Karikatur und Pressezeichnung<br />
hat eine große Rolle gespielt: 1832 stellte<br />
der Zeichner und Journalist Charles<br />
Philippon König Louis-<br />
Philippe in Form einer<br />
Birne dar. Die Zeichnung<br />
schlug sofort ein und<br />
verbreitete sich in ganz<br />
Frankreich. Von da an<br />
standen die Franzosen voll<br />
und ganz hinter der Karikatur,<br />
beziehungsweise<br />
hinter der Pressezeichnung<br />
im weitesten Sinne,<br />
und diese wurde ein<br />
Teil ihres Alltags. Als<br />
sich dann der Comic<br />
von Belgien aus auch<br />
nach Frankreich ausbreitete,<br />
verstärkte dies<br />
nur die Gewohnheit,<br />
sich zeichnerisch auszudrücken.<br />
So erklärt sich<br />
auch der Erfolg des sogenannten<br />
« engagierten »<br />
Comics in Frankreich.<br />
82 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong><br />
* Siehe Frankreich erleben <strong>Nr</strong>. 73
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 83
ART DE VIVRE Kultur<br />
Robert Badinter, Idiss,<br />
Éditions Fayard,<br />
230 Seiten,<br />
ISBN 978-2213710105.<br />
Grenzen durch die Sprache gesetzt.<br />
Welchen Stellenwert hat die<br />
Zeichnung Ihrer Meinung<br />
nach heute?<br />
Sie ist wesentlich. Eine<br />
Zeichnung vermittelt die<br />
Dinge anders als Worte,<br />
sie spricht andere Menschen<br />
an. Vielleicht weil<br />
sie unmissverständlicher<br />
ist: Mit einer Zeichnung,<br />
einem einzigen Panel,<br />
kann man Dinge ausdrücken,<br />
die die Seele<br />
und den Geist schneller,<br />
stärker und direkter ansprechen.<br />
Und vor allem<br />
ist sie universell, denn im<br />
Gegensatz zum geschriebenen<br />
Wort sind ihr keine<br />
Allerdings muss man eine Zeichnung auch verstehen … Ist für<br />
dieses Verständnis nicht eine Gewohnheit im Umgang mit ihr,<br />
vielleicht sogar eine regelrechte Kultur Voraussetzung?<br />
Das ist in der Tat das Problem, das sich bei Zeichnungen<br />
stellt, besonders bei Karikaturen. Damit man sie<br />
versteht, müssen sie in einen Kontext gesetzt und erläutert<br />
werden. Darin liegt auch die Schwierigkeit<br />
in meiner Funktion als Anwalt.<br />
Vor allem wenn ich Charlie Hebdo<br />
vertrete, erkläre ich regelmäßig<br />
Karikaturen. Dabei beharre ich<br />
eindringlich auf der Tatsache,<br />
dass diese Karikaturen Teil der<br />
französischen Geschichte, der<br />
DNA des französischen Volkes,<br />
dass sie Teil der Meinungsfreiheit<br />
sind. Diese Erläuterungen<br />
sind vor allem gegenüber dem<br />
Ausland unverzichtbar, denn oft<br />
ist das Verhältnis zur Zeichnung<br />
dort anders. Da ist auch eine gewisse<br />
Pädagogik notwendig. Die<br />
jüngere Geschichte hat uns allerdings<br />
gezeigt, dass gerade dies<br />
gefährlich sein kann: Der Lehrer<br />
Samuel Paty hat in seiner Schule in<br />
Conflans-Sainte-Honorine genau<br />
das versucht, nämlich über Karikaturen<br />
zu sprechen, sie zu erklären.<br />
Am 16. Oktober des vergangenen<br />
Jahres wurde er ermordet, weil er<br />
in einer Schulstunde zum Thema<br />
Meinungsfreiheit zwei Mohammed-Karikaturen<br />
aus Charlie<br />
Hebdo gezeigt hatte …<br />
In Bezug auf die Meinungsfreiheit sagen Sie, dass die Franzosen<br />
zwar immer noch « Charlie sind », dass jedoch trotzdem<br />
ein gewisses Unbehagen vorherrscht und dass die Situation<br />
erschreckender ist, als direkt nach den Attentaten auf Charlie<br />
Hebdo …<br />
Das ist das große Paradox in der derzeitigen Situation:<br />
Wir haben uns das – durch Gesetze und Justiz geschützte<br />
– Recht erkämpft, heute quasi alles sagen und zeichnen<br />
zu dürfen, was man möchte, sofern man Menschen als<br />
solche respektiert. Und so unglaublich es erscheint, genau<br />
jetzt scheint sich die Geschichte umzukehren, denn diese<br />
Meinungsfreiheit macht manchen Staatsbürgern Angst,<br />
sodass sie Einschränkungen fordern. Die Staatsbürger –<br />
glücklicherweise nicht alle, sondern nur ein Teil, – werden<br />
nun zu Feinden der Meinungsfreiheit. Diese Feststellung<br />
mache ich immer wieder. Es ist heutzutage immer schwieriger,<br />
frei und unzensiert alle Themen anzusprechen, die<br />
aktuell sind: Feminismus, Geschlecht, Handicap, Ökologie,<br />
Veganismus, Cancel Culture, Sklaverei … Angesichts<br />
der Polemik gegen eine weiße Übersetzerin, die den Text<br />
einer schwarzen Autorin übersetzen sollte, dachte ich erst<br />
kürzlich, ich würde träumen. Eine Welt von Verrückten!<br />
Wohin soll das führen?<br />
Macht Ihnen das Angst?<br />
Ja, das macht wirklich Angst. Das ist nicht angenehm.<br />
Als ob die Menschen wie kopflose Hühner durch die<br />
Gegend rennen würden. Freiheit<br />
ist kompliziert! Man sagt uns<br />
nicht, was wir zu tun haben,<br />
andererseits müssen wir<br />
akzeptieren, vor den Kopf<br />
gestoßen oder beleidigt zu<br />
werden. Das kann nämlich die<br />
Zeichnung durchaus. Insofern<br />
sollten wir sie als Stärke unserer<br />
Demokratie betrachten. Ich sage<br />
oft, dass die Meinungsfreiheit für<br />
mich als Anwalt eine « unglückliche<br />
Klientin » ist. Es ist offensichtlich,<br />
dass es ihr nicht gut geht,<br />
dass man sie auf der ganzen Welt<br />
täglich infrage stellt. Wenn man<br />
sie dann falsch einsetzt, kann man<br />
getötet, gelyncht oder in sozialen<br />
Netzwerken bedroht werden. Man<br />
kann sie also in der Tat fürchten.<br />
Dennoch sollten wir nicht vergessen,<br />
dass der Humor die Waffe der Armen,<br />
der Bauern ist, die sich über Gott und die<br />
Welt lustig machen. Diese Freiheit bleibt<br />
uns, wenn wir alle anderen verloren haben.<br />
Ein Bollwerk gegen Fanatismus. Und ich<br />
bin zuversichtlich, dass die Freiheit auf lange<br />
Sicht immer gewinnen wird.<br />
84 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Vor gut einem Jahr kam ein anderer französischer Jurist – und<br />
nicht irgendeiner – auf Sie zu. Der ehemalige Präsident des<br />
Verfassungsgerichts (1986-1995) und Justizminister (1981-<br />
1986) Robert Badinter ist vor allem für seinen Kampf für die<br />
Abschaffung der Todesstrafe bekannt, was er am 9. Oktober<br />
1981 erreichte. Er schlug Ihnen vor, ein 2018 von ihm verfasstes<br />
Werk als Comic umzusetzen. In dem Buch erzählt er von<br />
seiner Großmutter mütterlicherseits, Idiss. Die Illustrationen<br />
dieses Artikels sind aus eben diesem Comic. Es geht dabei um<br />
die Liebe eines Enkels zu seiner jüdischen Großmutter, die auf<br />
der Flucht vor Elend, Antisemitismus und Pogromen in Mitteleuropa<br />
1912 nach Paris geflohen war. Wie reagierten Sie auf<br />
diesen Vorschlag?<br />
Ich war bewegt und geehrt zugleich. Sehr bewegt,<br />
weil Robert ein Freund von mir ist. Ich weiß, wie wichtig<br />
Idiss für ihn war. Ich weiß, wie viel Herzblut und Sinn<br />
in seiner Geschichte stecken. Dass er mir vorschlug, das<br />
Buch als Comic umzusetzen, war daher ein wunderschöner<br />
Freundschaftsbeweis. Und ich fühlte mich geehrt,<br />
weil er mir damit die Geschichte seiner Großmutter,<br />
seiner Familie anvertraute, es war also ein großartiger<br />
Ausdruck seines Vertrauens mir gegenüber. Obwohl das<br />
Projekt nicht wirklich in meinen Zeitplan passte, sagte ich<br />
daher sofort zu. So etwas lehnt man nicht ab. Und zugegebenermaßen<br />
kam die Ausgangssperre dann gerade zur<br />
richtigen Zeit. Ich konnte mich zurückziehen und ganz<br />
dieser Arbeit widmen.<br />
Hat Sie die Tatsache erstaunt, dass Robert Badinter an einen<br />
Comic dachte, um die Geschichte von Idiss für die Nachwelt<br />
festzuhalten?<br />
Im ersten Augenblick schon. Ich weiß, dass der Comic<br />
weder der Generation noch der Kultur von Robert<br />
entspricht. Und doch habe ich seinen Wunsch sofort verstanden,<br />
dass sein Buch als<br />
Comic umgesetzt werden<br />
soll. Das hat mich berührt.<br />
Es spricht für ihn,<br />
dass er erkannte, dass<br />
seine Geschichte auf<br />
diese Weise eine breitere<br />
und vor allem jüngere Leserschaft<br />
erreicht. Es war<br />
Robert ein Anliegen, diese<br />
Geschichte weiterzugeben,<br />
und mit einem Comic,<br />
das war ihm klar, würde<br />
er ein größeres Publikum<br />
erreichen.<br />
Wie lief die Umsetzung ab?<br />
Gut, wenngleich es zu Beginn etwas schwierig war.<br />
Als Freund war es zwangsläufig nicht ganz einfach für<br />
mich, den nötigen Abstand zur Geschichte von Robert<br />
und seiner Familie zu finden. Ich musste mir die Geschichte<br />
zu eigen machen, in meiner Vorstellungswelt<br />
aufarbeiten und ihr gleichzeitig auf dem Papier das notwendige<br />
Leben einhauchen, das typisch für einen Comic<br />
ist. Fred Bernard hat dies mit seinen Zeichnungen und der<br />
sehr einfühlsamen Farbgebung in sanften Tönen ebenfalls<br />
perfekt erfasst. Wir waren ein gutes Team. Deshalb ging<br />
die Adaptation dann auch sehr zügig vonstatten. Als wir<br />
Robert zum ersten Mal unsere Arbeit zeigten, fragten wir<br />
uns dennoch beide, ob es ihm gefallen würde. Mit seiner<br />
Aussage, dass es « etwas anderes », aber « eine schöne Geschichte<br />
» sei, machte er uns das größte Kompliment. Die<br />
Umsetzung war geglückt!<br />
Richard Malka, wir danken Ihnen für das Gespräch.<br />
Robert Badinter,<br />
Richard Malka<br />
und Fred Bernard, Idiss,<br />
Éditions Rue de Sèvres,<br />
128 Seiten,<br />
ISBN 978-2810208104.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 85
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Stöbern Sie in den Themen der noch erhältlichen Ausgaben!<br />
8<br />
9<br />
7<br />
12<br />
Reisethemen,<br />
nach Regionen<br />
geordnet:<br />
Landesweite Themen<br />
6<br />
11<br />
1 2<br />
3<br />
10<br />
13<br />
5<br />
14<br />
16<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Radtourismus – von der Bretagne 77<br />
bis an die belgische Grenze<br />
Die schönsten Küstenwege 67<br />
Fahrradrouten – Die schönsten 59<br />
Strecken entlang der Küsten<br />
Weihnachtsmärkte – Wo geht es 57<br />
noch authentisch zu?<br />
Winterurlaub – Romantische<br />
Skistationen anstatt Bettenburgen 57<br />
Brücken – Frankreichs<br />
53<br />
bemerkenswerteste Brücken<br />
Wellness in den Bergen – Nach 43<br />
dem Sport die Erholung<br />
10 Ideen… – …für Ferien am Meer 40<br />
1 Paris <strong>Nr</strong>.<br />
Delacroix in Saint-Sulpice – Das 76<br />
Werk eines ganzen Lebens<br />
Städteplanung – Champs-<br />
75<br />
Élysées: eine Aufforderung zum<br />
Träumen?<br />
Coup de cœur – Die<br />
65<br />
Straßenbuchhändler an den<br />
Seine-Quais in Paris<br />
Saint-Germain-des-Prés: Mehr 60<br />
als ein Viertel, die Seele von Paris?<br />
Le Train Bleu – Ist das legendäre 58<br />
Restaurant noch immer einen<br />
Besuch wert ?<br />
Musée d‘Histoire de la Médecine 57<br />
– ein ungewöhnliches Museum im<br />
Herzen der Hauptstadt<br />
Pariser Rathaus – Ein Palast für 53<br />
die Hauptstädter<br />
Le Bon Marché – Eine Pariser 41<br />
Institution feiert ihren 160.<br />
Geburtstag<br />
Hôtel des Invalides – Ein kleines 38<br />
Militär-Versailles mitten in Paris<br />
Avenue des Champs-Elysées 36<br />
– Wie steht es um den Glanz des<br />
Prachtboulevards?<br />
HOTELS<br />
La Lanterne – Paris 76<br />
Le Narcisse Blanc – Paris 62<br />
4<br />
15<br />
17<br />
18<br />
2 Pariser Umland <strong>Nr</strong>.<br />
Ecouen – Ein Museum für die<br />
Renaissance<br />
50<br />
3 Norden & Champagne <strong>Nr</strong>.<br />
Hauts-de-France – Compiègne: 78<br />
musikalische Waldbäder und ein<br />
Einhorn<br />
Hauts-de-France – La Coupole: 77<br />
von der Vergangenheit in die<br />
Zukunft<br />
Hauts-de-France – Familistère de 64<br />
Guise,von «Versailles für Arbeiter»<br />
zum bewohnten Museum<br />
Baie de Somme – Eine<br />
63<br />
beeindruckende Reise (Teil 2):<br />
Le parc du Marquenterre<br />
Baie de Somme – Eine<br />
62<br />
beeindruckende Reise (Teil 1): die<br />
Abbaye de Saint-Riquier<br />
Nordfrankreich – Auf den Spuren 59<br />
eines großen französischen<br />
Architekten<br />
Marais Audomarois – Ein<br />
58<br />
Sumpfgebiet für Kenner<br />
Pays de Condé – Eine<br />
43<br />
Bergbaugegend erfindet sich neu<br />
Marne – In der Heimat des<br />
40<br />
Champagners<br />
10 Ideen… für Nord-Pas-de-Calais 38<br />
Arras & Douai – Riesen für den 36<br />
Kleinen<br />
HOTELS<br />
Le Domaine de la Chartreuse – 57<br />
Gosnay<br />
Pasino – Saint-Amand-les-Eaux 43<br />
4 Elsass & Lothringen <strong>Nr</strong>.<br />
Elsass / Grand Est – Das<br />
Geheimnis des fehlenden Turms<br />
der Kathedrale von Straßburg<br />
Elsass / Grand Est – Mit dem<br />
Hausboot 100% elektrisch durchs<br />
Elsass<br />
Meuse – Wandern mal anders – Die<br />
Begegnung von zeitgenössischer<br />
Kunst und ländlichem Raum<br />
Elsass – Kaysersberg,eines der<br />
Lieblingsdörfer der Franzosen<br />
Vogesen – Eine Fotoausstellung<br />
unter freiem Himmel im Herzen<br />
der Vogesen<br />
Grand-Est – Mondial Air Ballons,<br />
der poetische Aufstieg von 456<br />
Heißluftballons<br />
Grand-Est – Graufthal,das Elsass<br />
zur Zeit der Streichhölzer<br />
Kirrwiller – 520 Einwohner<br />
und die drittgrößte Music Hall<br />
Frankreichs<br />
Weihnachtskugeln aus<br />
Meisenthal – nicht nur Kugeln,<br />
sondern Objekte voller Sinn<br />
76<br />
74<br />
70<br />
69<br />
68<br />
65<br />
64<br />
62<br />
61<br />
Château de Lunéville – Wie 52<br />
Phoenix aus der Asche<br />
Musée Lalique – Eine Hommage 43<br />
an die Glasmacherkunst<br />
10 Ideen… für ein Wochenende 41<br />
im Elsass<br />
Haut-Koenigsbourg – Ein<br />
40<br />
wahrhaft deutsch-französisches<br />
Kulturerbe<br />
Bitche – Das zweite Leben einer 38<br />
Zitadelle<br />
Neufchef & Aumetz – Das stolze 36<br />
Erbe der lothringischen Kumpel<br />
HOTELS<br />
Le Chambard – Kaysersberg 69<br />
Grand Hôtel & Spa Gérardmer – 68<br />
Gérardmer<br />
La Cheneaudière – Colroy-la- 61<br />
Roche<br />
La Clairière Bio- & Spa-Hotel – 38<br />
La Petite-Pierre<br />
5 Burgund & Jura <strong>Nr</strong>.<br />
Saône-et-Loire – Ein "essbarer" 78<br />
Wald<br />
Aufbruchstimmung in den<br />
77<br />
französischen Thermalbädern<br />
Kirschen – das rote Gold einer 76<br />
Region<br />
Burgund – Eine Rundfahrt zum 75<br />
Auftanken!<br />
Châteauneuf-en-Auxois: Die 74<br />
Verbindung von Kulturerbe,<br />
Modernität und Lebendigkeit<br />
«Unsere Vorfahren, die Gallier»: 73<br />
Eine Reise ins Land von Asterix<br />
Morvan – Eine Geschichte von 71<br />
Ammen und Pflegekindern<br />
Jura – Weihnachten im Jura: vom 69<br />
Rosenkranz zum Spielzeugland<br />
Haute-Saône – Notre-Damedu-Haut<br />
in Ronchamp: eine<br />
69<br />
Rechenaufgabe für Le Corbusier<br />
Ostfrankreich – Vorreiter bei der 68<br />
Abschaffung der Sklaverei<br />
Jura – Salins-les-Bains: Salz, 67<br />
das weiße Gold prägt eine ganze<br />
Region<br />
Saône-et-Loire – Tournus, ein 66<br />
Zwischenstopp für Neugierige auf<br />
dem Weg in den Süden<br />
Côte d’Or – Vill’Art, das zweite 66<br />
Leben eines Steinbruchs<br />
Belfort – Die wiederentdeckte 64<br />
Genialität eines Künstlers<br />
Bourgogne-Franche-Comté – 63<br />
Alésia, Auf den Spuren der Gallier<br />
Route des Grands Crus – Die 61<br />
Champs-Elysées von Burgund<br />
Montbéliard – 30 Jahre<br />
61<br />
Lumières de Noël<br />
Dijon – Mehr als nur Senf 53<br />
Maison de Louis Pasteur – Ein 43<br />
Dorf im Fokus der Wissenschaft<br />
Peugeot-Museum – Mehr als ein 39<br />
Automobilmuseum<br />
HOTELS<br />
Château Sainte-Sabine – Sainte-<br />
Sabine<br />
Relais Bernard Loiseau –<br />
Seaulieu<br />
74<br />
71<br />
6 Loire-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Pays de la Loire – Doué-en-Anjou: 78<br />
im Reich der Blumenkönigin<br />
Pays de la Loire – La Chartresur-le-Loir:<br />
das Dorf der<br />
77<br />
Antiquitätenhändler<br />
Centre - Val de Loire – Chaumontsur-Loire:<br />
die positive Dynamik<br />
76<br />
der Gärten<br />
Pays de la Loire – Saint-Florentle-Vieil:<br />
Die kulturelle Revanche<br />
74<br />
eines kleinen Dorfes an der Loire<br />
Centre - Val de Loire – Richelieu: 73<br />
«das schönste Dorf des<br />
Universums!»<br />
Pays de la Loire – Die schöne 70<br />
Geschichte des größten<br />
japanischen Gartens Europas<br />
Loire-Tal – Eine faszinierende 68<br />
Reise ins Land der Troglodyten<br />
Mayenne – Mit dem Hausboot auf 66<br />
der Mayenne<br />
Chédigny – ein Dorf wird zum 65<br />
Garten<br />
La grange de Meslay: Von der 60<br />
Holzkathedrale zum Musiktempel<br />
Tours – Frischer Wind im Loiretal 59<br />
Chambord – Mehr als nur ein 58<br />
beeindruckendes Schloss<br />
Cheverny – Das Schloss von Tim 43<br />
und Struppi<br />
Ballonfahrt übers Loire-Tal – 38<br />
Bitte zeichne mir ein Schloss<br />
Blois – Ein Schloss der<br />
36<br />
Geheimnisse und Intrigen<br />
HOTELS<br />
7 Normandie <strong>Nr</strong>.<br />
Normandie – Biennale La Forêt 74<br />
Monumentale: Wenn Kunst den<br />
Wald verschönert<br />
Normandie – Villa «Les Rhumbs» 73<br />
in Granville: Wo für Christian Dior<br />
alles gegann<br />
Normandie – An Bord der Marité 71<br />
von Granville zu den Chausey-<br />
Inseln<br />
Le Havre – 500 Jahre, das will 62<br />
gefeiert werden !<br />
Cherbourg – Dem Meer<br />
53<br />
zugewandt<br />
Genuss – Die AOC der Normandie 39<br />
HOTELS<br />
Domaine de la Corniche –<br />
36<br />
Rolleboise
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8 Bretagne <strong>Nr</strong>.<br />
Leuchtürme und Leuchtfeuer – 77<br />
im Westen etwas neues!<br />
Finistère – Eine Reise zu Pflanzen 76<br />
aus aller Welt<br />
Morbihan – Am Tag als… 26 August 76<br />
1934… die Kinder aus dem Bagno<br />
auf Belle-Île-en-Mer Flüchten<br />
Finistère – Pont-Aven:<br />
75<br />
inspirierende Bretagne!<br />
Pays bigouden: die Bretagne in 73<br />
konzentrierter Form<br />
Belle-île-en-Mer – Unsere Coups 70<br />
de cœur für die größte bretonische<br />
Insel<br />
Finistère – Locronan, die<br />
66<br />
bretonische Seele par excellence<br />
Côtes d’Armor – La Vallée des 63<br />
Saints, die bretonische Osterinsel<br />
Brest und Roscoff – Mehr als nur 62<br />
zwei Gärten<br />
Bretagne – Umfriedete<br />
61<br />
Pfarrbezirke<br />
Ile d’Ouessant – Eine Insel voller 58<br />
Leben<br />
Genuss – Die AOC der Bretagne 40<br />
Abbaye de Daoulas – Kloster der 39<br />
Kultur und der Heilpflanzen<br />
HOTELS<br />
Castel Clara – Port Goulphar, 70<br />
Belle-Île-en-Mer<br />
Château de Sable – Porspoder 58<br />
9 Atlantikküste <strong>Nr</strong>.<br />
Nouvelle-Aquitaine / Deux- <strong>79</strong><br />
Sèvres – Pougne-Hérisson: der<br />
Nabel der Welt<br />
Nouvelle-Aquitaine – Talmontsur-Gironde:<br />
zwischen Himmel<br />
75<br />
und Fluss am Ende der Welt<br />
Coup de cœur – Carrelets:<br />
74<br />
poetische Fischerhütten aus einer<br />
anderen Zeit<br />
Baskenland – Château d’Abbadia, 71<br />
eine Inspiration für den<br />
Wiederaufbau von Notre-Dame ?<br />
Atlantiküste – Ein Paradies für 67<br />
Naturismus<br />
Nouvelle-Aquitaine – Coup de 66<br />
cœur: Parc de Majolan<br />
Nouvelle-Aquitaine – Die<br />
64<br />
Metamorphose von Bordeaux,<br />
Eine Zwischenbilanz<br />
Coup de cœur – Die Eiche im 63<br />
Taubenschlag von Pouzay<br />
Bordeaux 60<br />
Bordeaux – Bordeaux 2.0 46<br />
Ile d’Oléron, Ile de Ré, Ile<br />
46<br />
Madame, Ile d’Aix, Fort Boyard –<br />
Reif für die Insel(n)<br />
Wein – Ein asiatischer Winzer im 46<br />
Bordelais<br />
Klöster – Abteien, die sogar 40<br />
Kinder begeistern<br />
Marais Poitevin – Die grünen 38<br />
Kanäle des Marais Poitevin<br />
Likör – Angélique de Niort, Likor 38<br />
aus einer Heilpflanze<br />
Gironde – Wie Vauban eine<br />
36<br />
Flussmündung abriegelte<br />
HOTELS<br />
Hôtel de Sèze – Bordeaux 64<br />
Hôtel Napoléon – Ile d’Aix 46<br />
10 Auvergne & Limousin <strong>Nr</strong>.<br />
Corrèze – Das Gefühl, in der 68<br />
Inkastadt Machu Micchu zu sein<br />
Nouvelle-Aquitaine – Les Pans 63<br />
de Travassac, eine Spektakuläre<br />
Reise in das Land des Schiefers<br />
Genuss – Die AOC der Auvergne 38<br />
HOTELS<br />
Domaine Saint Estève – Millau 53<br />
11 Périgord & Midi-<br />
Pyrénées<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Vallée de la Dordogne: Wo man 60<br />
« wie Gott in Frankreich lebt »<br />
Airbus-Fabrik – Zu Besuch bei 46<br />
Airbus in Toulouse<br />
Gouffre de Padirac – Der<br />
44<br />
Erdmitte ein Stückchen<br />
näherkommen<br />
Pastell – Das blaue Gold 43<br />
HOTELS<br />
Chateau de la Treyne – Lacave, 60<br />
Vallée de la Dordogne<br />
Grand Hôtel Le Turenne –<br />
47<br />
Beaulieu-sur-Dordogne<br />
12 Pyrenäen <strong>Nr</strong>.<br />
Le Train Jaune – Ein Zug als<br />
Wahrzeichen<br />
13 Languedoc-<br />
Roussillon<br />
Aude – Die große Höhle von<br />
Cabrespine, ein unterirdisches<br />
Abenteuer<br />
Occitanie – Assignan,Das<br />
unglaubliche Schicksal eines<br />
französischen Dorfes<br />
Sigean: das Reservat der<br />
glücklichen Tiere<br />
Languedoc-Roussillon –<br />
Überraschende Mittelmeerregion<br />
Carcassonne – Imponierende<br />
Festungsstadt des Mittelalters<br />
Côte Vermeille – Paulilles, wenn<br />
die Hölle zum Paradies wird<br />
Saint-Guilhem-le-Désert – Wenn<br />
ein Krieger zum Klosterbruder<br />
wird<br />
Stadtentwicklung – Montpellier,<br />
ein Synonym für Dynamik<br />
45<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
65<br />
64<br />
60<br />
59<br />
57<br />
57<br />
47<br />
47<br />
14 Rhône-Tal <strong>Nr</strong>.<br />
Lyon – Rendezvous in der Rue du 64<br />
Premier-Film<br />
Drôme – Wandern auf den Spuren 62<br />
der Hugenotten<br />
Lyon – Die Metamorphose<br />
61<br />
eines Arbeiterviertels in ein<br />
Freilichtmuseum<br />
Lyon – Eine Stadt gewinnt ihre 59<br />
Flussufer zurück<br />
Montélimar & Umgebung – Eine 46<br />
Reise zwischen gestern und<br />
morgen<br />
Tradition – Guignol, kleine Helden 43<br />
aus Lyon<br />
Wein – Clairette de Die 42<br />
Grignan – Im Land der schönen<br />
Briefe: eine Reise nach Grignan<br />
Wein – Lirac, das « mediterranste »<br />
Weinanbaugebiet im Rhône-Tal<br />
Jardin Zen d’Erik Borja – Auf<br />
der Suche nach dem verlorenen<br />
Garten<br />
Gastronomie – Michel Chabran,<br />
der Luxus der Simplizität<br />
Genuss – L’O Provençale: Olivenöl<br />
aus Nyons<br />
40<br />
40<br />
39<br />
39<br />
36<br />
HOTELS<br />
Manoir de la Roseraie – Grignan 40<br />
15 Alpen <strong>Nr</strong>.<br />
Auvergne-Rhône-Alpes – La<br />
Grange au Lac: wie im inneren<br />
eines Cellos<br />
Auvergne-Rhône-Alpes: Evian:<br />
das Gedächtnis des Wassers<br />
77<br />
71<br />
16 Provence <strong>Nr</strong>.<br />
Provence-Alpes-Côte d'Azur 78<br />
– Crotte Cosquer: unglaublische<br />
Höhlenmalereien in den<br />
Calanques von Marseille<br />
Provence-Alpes-Côte d’Azur – 75<br />
Château La Coste: ein Hauch<br />
von Verrücktheit zwischen<br />
provenzalischen Reben<br />
Porquerolles – Villa Carmignac: 73<br />
Große Kunst auf einer kleinen Insel<br />
Provence – Coup de cœur: le 71<br />
Moulin de Daudet, Fontvieille<br />
Marseille – Eine fast<br />
70<br />
hundertjährige Liebeserklärung ist<br />
noch immer atuell<br />
Camargue – Tanzende Flamingos 69<br />
in der Camargue<br />
Provence – Lavendel: eine<br />
67<br />
überraschende deutschfranzösische<br />
Geschichte.<br />
Provence – Mit Giono auf dem 67<br />
Berg der Schäfer<br />
Alpes-de-Haute-Provence – 66<br />
Salagon, ein einzigartiger Ort, um<br />
die Hochprovence zu verstehen<br />
Fontaine-de-Vaucluse – Die 58<br />
berühmteste Quelle Frankreichs<br />
Arles – Römische Pracht und 53<br />
prachtvolle Kunstvorlage<br />
Umwelt – Lavendel der Provence 46<br />
in Gefahr<br />
10 Ideen… für die Provence 39<br />
HOTELS<br />
B Design & Spa – Le Paradou 39<br />
Attrap’Rêves – Allauch 33<br />
17 Côte d’Azur <strong>Nr</strong>.<br />
Paul Ricard – zwei Inseln, ein<br />
Schicksal<br />
Iles de Lérins, jenseits des «roten<br />
Teppichs» von Cannes<br />
Provence-Alpes-Côte-d’Azur<br />
– Géoparc de Haute-Provence,<br />
eine erstaunliche Reise in die<br />
Vergangenheit der Erde<br />
Hyères – eine authentische Ecke<br />
am Mittelmeer<br />
Monaco – Internationales<br />
Zirkusfestival von Monte Carlo<br />
Bormes-les-Mimosas – Wo<br />
Blumen wie Königinnen verehrt<br />
werden<br />
Ile de Port-Cros – Kleine<br />
Trauminsel im Mittelmeer<br />
75<br />
74<br />
65<br />
63<br />
53<br />
39<br />
38<br />
Domaine du Rayol – Die<br />
Geschichte eines ungewöhnlichen<br />
Parks<br />
Nizza – Frühlingsgefühle einer<br />
Diva<br />
HOTELS<br />
La Bonne Etape – Château-<br />
Arnoux-Saint-Auban<br />
36<br />
32<br />
65<br />
18 Korsika <strong>Nr</strong>.<br />
Genuss – Die AOC Korsikas 43<br />
Überseegebiete<br />
(DOM/TOM)<br />
Französisch-Guayana – Natur,<br />
Geschichte, Raumfahrt<br />
Weitere Themen<br />
Chantals Rezepte<br />
APPETITANREGER<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
37<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
SUPPEN<br />
Gaspacho de tomates et fraises 46<br />
Gaspacho de tomate 40<br />
Velouté de laitue 38<br />
SALATE<br />
Spinatsalat mit harten Eiern und 66<br />
knusprigen Hähnchenflügeln<br />
QUICHES & TARTES<br />
Tarte Tatin aux pommes et au 74<br />
camembert<br />
Tourte Printanière aux<br />
70<br />
champignons de Paris<br />
Tarte d’automne aux champignons 60<br />
et à la farine de châtaignes<br />
Quiche Lorraine 33<br />
GRATINS, AUFLÄUFE & TOASTS<br />
Camembert rôti au four 57<br />
FLEISCHGERICHTE<br />
Poulet fermier basse température 62<br />
à l’ail<br />
Rôti de porc aux pruneaux 59<br />
Coq au vin 43<br />
FISCHGERICHTE<br />
Poêlée de Saint-Jacques au cidre 73<br />
Encornets à la Sétoise 69<br />
Blanquette de saumon 65<br />
Millefeuille de crabe au saumon 63<br />
fumé<br />
Sole meunière 61<br />
FONDUES UND SAUCEN<br />
Die echte hausgemachte<br />
68<br />
Mayonnaise<br />
DESSERTS<br />
La crème catalane 78<br />
La tarte au chocolat 77<br />
Le Mont-blanc 76<br />
Le Gâteau basque 71<br />
Le Far Breton 64<br />
Profiteroles au chocolat chaud 58<br />
Crème brûlée à la fleur d’oranger 39<br />
GEBÄCK<br />
La Tarte Bourdaloue 67<br />
Les petits sablés de Noël 53<br />
GETRÄNKE<br />
Liqueur d’estragon 36
Weine & Alkoholika<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Wein – Château La Coste: ein 76<br />
Versuchslabor für den Weinau von<br />
morgen ?<br />
Spirituosen – Sapinette: ein Likör 74<br />
aus Tannennadeln<br />
Wein – Das Weinbaugebiet Bandol 73<br />
Spirituosen – Roderich Dühr, ein 65<br />
Deutscher, der Cognac im Blut hat<br />
Wein/Portrait – Glucklich wie 64<br />
Sabine und Jörg in Frankreich<br />
Wein – Crémant, ein kleiner<br />
63<br />
Schaumwein mausert sich<br />
Wein – Der elsässische Winzer 61<br />
Jean-Paul Schmitt ist seinen<br />
Reben näher denn je<br />
Alkoholische Getränke –<br />
60<br />
Frankreich, das neue Eldorado für<br />
Bierliebhaber<br />
Wein – Der neue Trend beim 59<br />
Aperitif à la française<br />
Wein – Warum wird Wein nicht 58<br />
grundsätzlich im Holzfass<br />
gelagert?<br />
Champagner – Was Sie schon 57<br />
immer über Champagner wissen<br />
wollten<br />
Weltkulturerbe – Frankreichs 53<br />
Winzer greifen zum Welterbe titel:<br />
Les coteaux, maisons et caves de<br />
Champagne (Teil 2)<br />
Peter Kwok – Ein asiatischer 46<br />
Winzer im Bordelais<br />
Picon – « Un Picon-Bière, s’il vous 43<br />
plaît »<br />
Bier – Schattendasein oder<br />
40<br />
Geheimtipp?<br />
Lirac – Das « mediterranste » 40<br />
Weinanbaugebiet im Rhône-Tal<br />
Wein & Gesundheit – Vive le vin! 39<br />
Vive la santé!<br />
Angélique de Niort – Likor aus 38<br />
einer Heilpflanze<br />
Cognac – Eine ungewöhnliche 36<br />
Erfolgsgeschichte<br />
Genuss<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Gastronomie – Jacques Bockel: 77<br />
ein Elsässer «provoziert» die Welt<br />
der Schokolade<br />
Gastronomie – Champignons: 70<br />
Jacky Roulleau, der Gärtner der<br />
Nacht<br />
Genuss – Bouchot-Muscheln: 69<br />
der Rolls-Royce unter den<br />
französischen Muscheln<br />
Gastronomie – Das beste aller 66<br />
Baguettes<br />
Gastronomie – Kaviar von der 65<br />
französischen Atlantikküste,<br />
der neue Star<br />
Gilles Choukroun – Ein<br />
62<br />
Sternekoch, der die Pariser an den<br />
Flughafen zieht<br />
Gastronomie – Wenn ein junger 61<br />
Koch einen Michelin-Stern erhält<br />
Spitzengastronomie – Fabian 53<br />
Feldmann, ein deutscher<br />
Sternekoch im Land der<br />
Feinschmecker<br />
Produkte – Orangina 53<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 49<br />
Aquitaniens<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 46<br />
Burgunds<br />
Trüffel – Schwarze Diamanten 44<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 43<br />
Korsikas<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC 40<br />
der Bretagne<br />
Gastronomie – Michel Chabran,<br />
der Luxus der Simplizität<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC<br />
der Normandie<br />
Serie: Frankreichs AOC – Die AOC<br />
der Auvergne<br />
L’O Provençale – Olivenöl aus<br />
Nyons<br />
Politik & Wirtschaft<br />
Wirtschaft – Discounter: Wenn<br />
Deutschland Frankreich erobert<br />
Wirtschaft – Die Revision<br />
der Gebietsgrenzen der<br />
AOC Champagne: ein neuer<br />
Goldrausch?<br />
Politik – Sind die Regionen das<br />
Erfolgsrezept für den Tourismus ?<br />
Wirtschaft – Frankreich-<br />
Deutschland: der Krieg der<br />
Gummibärchen ist erklärt!<br />
Initiative – Die deutschfranzösische<br />
Freundschaft: welch<br />
eine Energie!<br />
Politik – Präsidentschaftswahlen<br />
2017, Präsidiale Orte<br />
Wirtschaft – Atomkraft in<br />
Frankreich: der Niedergang eines<br />
Systems, das sich zu sicher fühlte<br />
Kindergeld – Ist eine Reform<br />
überhaupt möglich?<br />
Pestizide – Marie-Lys Bibeyran,<br />
eine Frau kämpft gegen Pestizide<br />
Hochschulpolitik – Teaching in<br />
English? Oh mon Dieu!<br />
Umwelt – Lavendel der Provence<br />
in Gefahr<br />
Gregor Gysi – Der Linken-Politiker<br />
und Frankreich<br />
Medien – Die politische<br />
Ausrichtung französischer Medien<br />
Tourismus – Hauptsache<br />
außergewöhnlich<br />
Volksabstimmungen –<br />
Modethema im Wahlkampf<br />
Fünf Jahre Sarkozy – Zeit für eine<br />
Bilanz<br />
Umweltschutz –<br />
Kettensägenmassaker am<br />
Welterbe Canal du Midi<br />
Gesellschaft & Alltag<br />
Am Tag als… der Leichnam des<br />
Unbekannten Soldaten am Arc de<br />
Triomphe bestattet wurde<br />
Gesellschaft – Wo ist eigentlich<br />
das gute französische Brot<br />
geblieben?<br />
Gesellschaft – Lotto: Glücksspiel<br />
in Frankreich zur Rettung des<br />
Kulturerbes<br />
Geschichte – Koch und Pasteur:<br />
eine konstruktive Rivalität als<br />
Hoffnungsträger<br />
Kulturschock – Die Königin von<br />
Arles<br />
Geschichte – Montaigne: Ist die<br />
«Grabgeschichte» bald gelöst?<br />
Gesellschaft – Literaturszene: das<br />
Ende eines zu langen Schweigens<br />
Geschichte – Heinz Stahlschmidt,<br />
der Deutsche, der den Hafen von<br />
Bordeaux rettete<br />
Gesellschaft – Demografie: mehr<br />
Franzosen, aber nicht überall …<br />
Gesellschaft – Der unglaubliche<br />
Streit im das Erbe von Saint-<br />
Exupéry<br />
39<br />
39<br />
38<br />
36<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
78<br />
73<br />
70<br />
69<br />
65<br />
63<br />
59<br />
53<br />
53<br />
46<br />
46<br />
43<br />
40<br />
40<br />
39<br />
38<br />
36<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
77<br />
76<br />
76<br />
75<br />
74<br />
74<br />
74<br />
71<br />
70<br />
69<br />
Interview – Serie «Quand on aime<br />
la France» (2)<br />
René Martin, der französische<br />
Steve Jobs der Musik<br />
Interview – Serie «Quand on aime<br />
la France»<br />
Roger Diederen, Direktor der<br />
Kunsthalle München<br />
Ernährung – Vorsicht vor<br />
triploiden Austern!<br />
Gesellschaft – Le Mondial la<br />
Marseillaise à pétanque, der<br />
größte Boule-Wettkampf der Welt<br />
Geschichte – Tromelin, Die Insel<br />
der vergessenen Sklaven<br />
Yacine Aït Kaci – Der Vater von<br />
Elyx, des Botschafters der guten<br />
Laune<br />
David Ken – Der Fotograf, der das<br />
Glück fotografiert<br />
Verkehr – Paris: das Tauziehen um<br />
die Umwandlung des Seine-Ufers<br />
in eine Fußgängerzone geht weiter<br />
Geschichte: Die Johnnies, die<br />
Lieblingsfranzosen der Engländer<br />
Frauen und Männer, die sich<br />
für die deutsch-französische<br />
Freundschaft einsetzen:<br />
Barbara Barberon-Zimmermann,<br />
Mitbegründerin des deutschfranzösischen<br />
Kulturfestivals<br />
arabesques<br />
Brexit: Wie denken Briten, die in<br />
Frankreich leben, darüber?<br />
Fußball – Euro 2016: 10 Stadien<br />
warten auf die Fussballfans<br />
Integration – die Schwächen des<br />
französischen Systems<br />
Erfolgsgeschichten aus<br />
Frankreich –<br />
Denis Mollat, der Buchhändler 2.0<br />
Geschichte – 300. Todestag<br />
von Ludwig XIV. in Versailles:<br />
Begräbnisrituale leben länger als<br />
Könige<br />
Gesellschaft – Hinter den<br />
Kulissen des CROSS Corsen.<br />
Erinnerungskultur – Passen<br />
Gedenken und Tourismus<br />
zusammen?<br />
EU-Hauptstadtjahre: 2013 –<br />
Nantes und Marseille werden<br />
europäische Hauptstädte<br />
Winterschlussverkauf – Der<br />
andere Wintersport<br />
Simone Hérault – Die Stimme<br />
Frankreichs<br />
Berühmtheiten – Die 100<br />
bekanntesten Franzosen<br />
Frankreichbild – Frankreichs<br />
Image in der Welt<br />
Académie Française – Die<br />
Unsterblichen, die 40 Wächter der<br />
französischen Sprache<br />
Der Präfekt – Lebendes Symbol<br />
des Zentralismus<br />
Tourismus – Trends für den<br />
Winterurlaub 2011/12<br />
Gardienne – Félisa, Gardienne<br />
in Paris<br />
Kunst & Kultur<br />
Ungewöhnliche Geschichten aus<br />
Frankreich –<br />
Alexandre Dumas: Wie der Vater,<br />
so der Sohn<br />
Kultur / Comic (4) – Cent mille<br />
ans: Bure ou le scandale enfoui des<br />
déchets nucléaires<br />
Portrait - Jean-Yves de Groote,<br />
Herausgeber von Ecoute<br />
69<br />
68<br />
67<br />
63<br />
63<br />
62<br />
62<br />
61<br />
60<br />
60<br />
60<br />
59<br />
58<br />
58<br />
57<br />
57<br />
52<br />
43<br />
43<br />
40<br />
39<br />
39<br />
39<br />
38<br />
36<br />
36<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
78<br />
78<br />
77<br />
Enthüllung –Das Geheimnis um<br />
Van Goghs letztes Bild gelüftet<br />
Preise – Tyll Peters: ein junger<br />
Deutscher erhält Preis von Charlie<br />
Hebdo<br />
Kultur / Comic (3/3) – Marco Rizzo<br />
und Lelio Bonaccorso – À bord de<br />
l’Aquarius<br />
Kultur / Comic (2/3) – Inès Léraud<br />
und Pierre Van Hove: Algues<br />
vertes, l’histoire interdite<br />
Kultur / Comic (1/3) – Nora<br />
Krug: Heimat, ein deutsches<br />
Familienalbum<br />
Kultur – Amüsante Geschichten<br />
rund um die französische<br />
Nationalhymne «La Marseillaise»<br />
Kultur – Festival de Piano de La<br />
Roque d’Anthéron<br />
Geschichte – Der Neandertaler:<br />
Unser Urahn erhält ein neues<br />
Image<br />
Portrait – Auf den Spuren von<br />
Jacques Prévert<br />
Sprache – Aussprache,<br />
Kartografie eines Systems à la<br />
française<br />
Kultur – 1977-2017: Centre<br />
Pompidou, 40 Jahre und immer<br />
noch überraschend<br />
Musik: Das unglaubliche<br />
Vermächtnis von Maurice Ravel<br />
Götz Alsmann – Götz Alsmann<br />
in Paris<br />
Museen – Frankreichs Museen auf<br />
der Überholspur<br />
ST-ART – Eine Kunstmesse<br />
zwischen den Welten<br />
Lebensart<br />
77<br />
76<br />
73<br />
72<br />
71<br />
68<br />
67<br />
67<br />
64<br />
64<br />
61<br />
60<br />
46<br />
45<br />
38<br />
<strong>Nr</strong>.<br />
Produkte – Parapluie de<br />
78<br />
Cherbourg<br />
Produkte – Die Künstlerfarben 77<br />
Lefranc Bourgeois<br />
Produkte – Das gelbe Oelzeug von 76<br />
Guy Cotten<br />
Produkte – La Hulotte, «das 74<br />
meistgelesene Magazin im<br />
Tierbau»<br />
Produkte – Les Herbes de<br />
71<br />
Provence<br />
Produkte – Das<br />
70<br />
Gemüsepassiergerät aus Edelstahl<br />
namens Moulinex<br />
Produkte – Le Livre de Poche: 69<br />
eine kulturelle Revolution<br />
Produkte – Châteldon:<br />
68<br />
der Champagner unter den<br />
französischen Mineralwässern<br />
Produkte – Revolution in Sachen 67<br />
Aperitif!<br />
Produkte – Les boules Quies 66<br />
Produkte – Die Zitronenpresse 65<br />
aus Glas von Luminarc<br />
Produkte – La Pléiade 64<br />
Produkte – Das Salz La Baleine 63<br />
Produkte – Das Papier d’Arménie 62<br />
Produkte – Der gelbe Briefkasten 61<br />
der Post<br />
Produkte – Der Bistrostuhl<br />
60<br />
« Drucker »: zeitlos und pariserisch<br />
Produkte – Bol à prénom 59<br />
Produkte – Eau de Javel 58<br />
Produkte – Sophie la girafe 57<br />
Produkte – Duralex-Gläser 53<br />
Guignol – Kleine Helden aus Lyon 43
ART DE VIVRE Rezept<br />
Dieses Soufflé habe ich vor einigen Jahren durch meine Nachbarin und<br />
gute Freundin Françoise entdeckt. Da Basilikum für mich zu den großen<br />
Gaumenfreuden des <strong>Sommer</strong>s gehört, bereite ich dieses unkomplizierte<br />
Rezept seither in der wärmeren Jahreszeit regelmäßig zu und<br />
teile es heute gerne mit Ihnen. Es eignet sich als Vorspeise in Begleitung<br />
eines guten, aber nicht zu trockenen Weißweins. Ich bin sicher, dass Sie<br />
und Ihre Freunde es genauso genießen werden wie ich! Ich wünsche<br />
Ihnen allen einen exzellenten kulinarischen <strong>Sommer</strong>! Bon appétit!<br />
Soufflé d’été<br />
au basilic<br />
Für 6 Personen<br />
Zubereitungszeit: 15 Minuten<br />
Backzeit: ca. 20 Minuten<br />
90 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Zutaten:<br />
1 schöner Bund frisches<br />
Basilikum<br />
150 g geriebener Parmesan<br />
5 Eier<br />
30 cl fettarme Milch<br />
70 g Butter<br />
60 g Mehl<br />
6 Prisen Salz<br />
frisch gemahlener Pfeffer<br />
etwas Butter und Mehl<br />
für die Förmchen<br />
Sonstiges:<br />
6 kleine Auflaufformen<br />
Zubereitung:<br />
• Backofen auf 210° C vorheizen.<br />
•<br />
Basilikum mit kaltem Wasser abspülen,<br />
trocknen, Blätter abzupfen<br />
und in feine Streifen schneiden.<br />
• Milch in einem Topf zum<br />
Kochen bringen.<br />
• Eier trennen. Eiweiß zu einem<br />
nicht zu steifen Schnee schlagen<br />
(da ansonsten die Soufflés<br />
nicht richtig aufgehen).<br />
lassen,<br />
• Butter in einem Topf schmelzen<br />
nach und nach das Mehl<br />
unterrühren. Gut vermischen.<br />
• Heiße Milch zugeben und erneut<br />
verrühren. Salzen und pfeffern. Sobald<br />
die Masse auf einem Löffelrücken<br />
haften bleibt, vom Herd nehmen.<br />
Zunächst die Eigelbe und das<br />
geschlagene Eiweiß, anschließend<br />
dann den Parmesan und das fein<br />
geschnittene Basilikum unterheben.<br />
• Auflaufformen einfetten und<br />
mit Mehl bestäuben. Zu 3/4<br />
mit der Masse füllen.<br />
• Rund 20 Minuten im vorgeheizten<br />
Backofen backen.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 91
ART DE VIVRE Spirituosen<br />
DER COINTREAU<br />
Diese kleine quadratische Flasche aus orange-braunem<br />
Glas ist seit jeher in nahezu allen französischen<br />
Haushalten zu finden. Sie ist eine Art<br />
Madeleine de Proust, also etwas, das automatisch bestimmte<br />
Erinnerungen auslöst. Generationen von Franzosen haben<br />
die Spirituose getrunken und trinken sie immer noch. Der<br />
Aperitif ging zudem in mehrfacher Hinsicht in die französische<br />
Geschichte ein, beispielsweise durch die Brüder Lumière,<br />
die berühmten Vorreiter des Kinos und der Fotografie,<br />
die mit ihm eine der ersten filmischen Inszenierungen<br />
realisierten. Darin betritt ein<br />
als Pierrot verkleideter Mann<br />
eine Bar. Den vom Ober angebotenen<br />
Wein und Champagner<br />
lehnt er ab, akzeptiert<br />
aber eine Flasche Cointreau.<br />
Während er schmachtend am<br />
Flaschenhals leckt, entkleiden<br />
sich im Hintergrund Frauen …<br />
Eine solche Werbung wäre<br />
heute aus nachvollziehbaren<br />
Gründen so nicht mehr möglich.<br />
Ebenso wenig wie eine<br />
andere Werbung dieser Marke<br />
nach dem Ersten Weltkrieg, in<br />
der ungeniert daran erinnert<br />
wurde, dass der Aperitif gut für<br />
die Gesundheit sei … « Machen<br />
Sie sich niemals ohne ein<br />
kleines Glas Cointreau auf den<br />
Weg », wurde wie selbstverständlich<br />
kommuniziert, wobei<br />
die Aussagen für die meisten<br />
alkoholischen Getränke damals<br />
ähnlich waren.<br />
Einige Jahre zuvor gab es<br />
einen Leutnant der französischen<br />
Armee, der freiwillig<br />
an der Front kämpfte und von<br />
seinem Umfeld mit dem Spitznamen<br />
« Cointreau-Whisky »<br />
bedacht wurde, da er eine ausgesprochene<br />
Vorliebe für diese<br />
seinerzeit noch unbekannte<br />
Mischung hegte. Sein Name<br />
war Guillaume de Kostrowitzky<br />
(1880-1918), besser bekannt<br />
Für Cocktailfreunde<br />
Cointreau ist eine der beliebtesten Zutaten für<br />
Cocktails. Gut dosiert eingesetzt, erhält ein<br />
Getränk durch ihn ein optimales Gleichgewicht<br />
zwischen den ihm eigenen Aromen – ein<br />
anhaltender Geschmack nach Orange – und<br />
den anderen Zutaten, denn deren Geschmack<br />
kommt durch die sowohl milden als auch<br />
intensiven Noten des Cointreaus besser zur<br />
Geltung.<br />
• Der echte Margarita: Der berühmte Cocktail<br />
wurde 1948 in Mexiko von der einfallsreichen<br />
Amerikanerin Margaret Sames, genannt<br />
« Margarita », erfunden. Sie hegte eine<br />
regelrechte Leidenschaft für Cointreau.<br />
3 cl Cointreau, 5 cl weißen Tequila und 2 cl<br />
frischen Limettensaft zusammen mit Eis in<br />
einen Shaker geben. Kräftig schütteln und in<br />
ein Glas abseihen.<br />
• Der berühmte Cosmopolitan: 4 cl Wodka,<br />
2 cl Cointreau, 2 cl Cranberrysaft, 1 cl<br />
Limettensaft, ein Schuss Orange Bitter und<br />
Eis in einen Shaker geben. Kräftig schütteln<br />
und in ein Glas abseihen.<br />
• Daiquiri auf neue Art: 6/10 Bacardi,<br />
3/10 Cointreau, 1/10 frisch gepressten<br />
Limettensaft und Eis in einen Shaker geben.<br />
Kräftig schütteln und – je nach Vorliebe – mit<br />
oder ohne Eis in ein Glas gießen.<br />
Auf der Website von Cointreau gibt es<br />
zahlreiche Anregungen für Cocktails auf der<br />
Basis von Cointreau, darunter auch einige<br />
originelle Vorschläge. Zudem gibt es die<br />
Rezepte in deutscher Sprache.<br />
www.cointreau.com/de/de/cocktails<br />
als Guillaume Apollinaire. Mit der Zeit gab es dann auf<br />
der ganzen Welt immer mehr Anhänger von Cointreau,<br />
die das Getränk je nach Geschmack und Aktivitäten anpassten.<br />
Beispielsweise die australischen Extremschwimmer<br />
Icebergers, die noch heute bei jedem Wetter und jeder<br />
Temperatur im Meer schwimmen und sich hinterher traditionell<br />
mit einer heißen Schokolade mit Cointreau am<br />
Strand aufwärmen. Oder der berühmte Maler Yves Klein<br />
(1928-1962), der 1957 bei der Vernissage in einer Pariser<br />
Galerie die Besucher mit einem Cocktail in genau derselben<br />
Farbe wie sein berühmtes<br />
Blau begrüßte: Es war eine<br />
Mischung aus Methylenblau,<br />
Gin und … Cointreau.<br />
Auch wenn Cointreau<br />
heute für die meisten Franzosen<br />
immer noch ein Kultgetränk<br />
ist, ist sein Image<br />
inzwischen viel « gesetzter ».<br />
Viele haben Erinnerungen an<br />
ihre Kindheit, wo die Eltern<br />
oder Großeltern die quadratische<br />
Flasche aus dem Schrank<br />
holten und ein wenig der<br />
transparenten Flüssigkeit in<br />
einen Crêpes- oder Kuchenteig<br />
oder auch in eine heiße<br />
Schokolade gossen. Sofort war<br />
die Luft von einem wärmenden<br />
und tröstlichen Geruch<br />
nach Orangen erfüllt. Heute<br />
schätzen die Franzosen dieses<br />
Getränk zwar nach wie vor,<br />
tendieren aber eher dazu, es<br />
als etwas zu betrachten, das in<br />
keiner Küche fehlen darf. Die<br />
Flasche ist zwar präsent, wird<br />
in den meisten Fällen jedoch<br />
schlicht und einfach vergessen.<br />
Probieren Sie es aus, wenn<br />
Sie das nächste Mal bei Franzosen<br />
zu Gast sind: Fragen Sie<br />
nach Cointreau! Vermutlich<br />
wird man sich daran erinnern,<br />
dass irgendwo eine Flasche<br />
davon steht, ohne genau sagen<br />
zu können, wann man sie zum<br />
92 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
letzten Mal hervorgeholt hat. Wahrscheinlich war es, als<br />
man ein angesagtes Rezept in einer Zeitschrift<br />
entdeckt hat, oder als ein Freund, der<br />
immer über die aktuellsten Trends auf<br />
dem Laufenden ist, um einen Cocktail<br />
auf der Basis von Triple sec gebeten<br />
hat …<br />
Das Geheimnis dieses 1885 in<br />
Angers (Maine-et-Loire) erfundenen<br />
Getränks beruht nämlich auf einer<br />
dreifachen Destillation der Schalen<br />
von Süß- und Bitterorangen. Die<br />
Süßorangen (Citrus sinensis) kommen<br />
aus Spanien, Ghana, Brasilien<br />
und dem Senegal, während die Bitterorangen<br />
(Citrus aurantium spp<br />
bigaradia) jedes Jahr aus Brasilien und<br />
Tunesien importiert werden. Das Familienunternehmen<br />
Cointreau wird<br />
inzwischen von der sechsten<br />
Generation geleitet, und<br />
noch immer werden die<br />
Orangen vor Ort in<br />
der Destillerie in<br />
Angers von Hand geschält, um die gewünschte Form und<br />
Dicke zu erhalten. Die Bitterorangen werden in Streifen<br />
geschnitten, während die Süßorangen zunächst<br />
in Scheiben geschnitten und dann in Viertel geteilt<br />
werden. Die Art des Schälens ist dabei für<br />
Bitter- und Süßorangen unterschiedlich.<br />
Anschließend werden die Schalen drei bis<br />
fünf Tage lang in der Sonne getrocknet, bis<br />
sie einen Feuchtigkeitsgehalt von 11 % erreicht<br />
haben. Die Schalen werden nach einem altüberlieferten<br />
Verhältnis gemischt – das Teil des<br />
Familiengeheimnisses ist –, um die geschmackliche<br />
Harmonie zu erzielen, die den Erfolg des<br />
Getränkes ausmacht. Sie mazerieren mehrere<br />
Wochen lang in einer hydroalkoholischen Lösung,<br />
die dann in großen Destillierkolben aus<br />
Kupfer destilliert wird, um die besten Aromen<br />
zu erhalten.<br />
Musée et Distillerie Cointreau<br />
2, boulevard des Bretonnières<br />
49124 Saint-Barthélemy d’Anjou<br />
Telefon: +33 (0)2 41 31 50 50<br />
www.cointreau.com/de
ART DE VIVRE Produkt<br />
Serie: Typisch französische Produkte (29)<br />
Briefkästen für Frankreichliebhaber<br />
« made in Alsace »<br />
Möchten Sie gerne einen originellen Briefkasten<br />
besitzen, der an Ihre Lieblingsregion erinnert?<br />
Barbara und Charly Hamm, zwei Gastronomen<br />
aus dem Elsass voller Ideen, stellen Briefkästen<br />
und Dekorationssets für Briefkästen her, die Anspielungen<br />
an verschiedene Regionen Frankreichs<br />
wie das Elsass, die Bretagne oder die Normandie<br />
sind. Eine nette Art, ein Stück Frankreich<br />
bei sich zu Hause zu haben.<br />
Für treue Leser unseres Magazins sind Barbara und<br />
Charly Hamm keine Unbekannten: In Frankreich<br />
erleben <strong>Nr</strong>. 74 haben wir über eine Fahrt mit dem<br />
Elektro-Hausboot auf dem Rhein-Marne-Kanal östlich<br />
von Straßburg berichtet. Dabei haben wir Ihnen unter anderem<br />
das sympathische Restaurant À l’Ancre in Waltenheim-sur-Zorn<br />
(genau gegenüber der Schleuse <strong>Nr</strong>. 44)<br />
vorgestellt, wo wir köstlich gegessen haben.<br />
Dass wir die beiden ein weiteres Mal besucht<br />
haben, hat nichts mit dem Restaurant<br />
zu tun, denn Barbara und Charly<br />
sind darüber hinaus auch begabte<br />
Künstler und Unternehmer mit<br />
Leib und Seele. 2010 gründeten<br />
sie ein kleines Unternehmen,<br />
das ihnen sehr am Herzen<br />
liegt: Boit’Idéal. Es handelt<br />
sich dabei um sehr originelle<br />
Briefkästen, die sympathische<br />
Anspielungen auf<br />
andere Regionen Frankreichs<br />
darstellen.<br />
Alles begann damit, dass Barbara das Aussehen ihres<br />
Briefkastens sehr langweilig und öde fand und ihren<br />
Mann Charly dazu aufforderte, sich zu überlegen, wie<br />
man ihn lustiger und attraktiver machen könnte. Charly<br />
ist nämlich nicht nur ein verdammt guter Koch, sondern<br />
er besitzt darüber hinaus auch handwerkliches Talent. Um<br />
auf andere Gedanken zu kommen, arbeitete er schon immer<br />
gerne mit Holz, sofern das Restaurant ihm die Zeit<br />
dazu ließ. Das sieht man an den vielen Dekorationsgegenständen<br />
im Restaurant, die er selbst herstellte. Auch<br />
unzählige Vogelhäuser sind im Laufe der Zeit entstanden.<br />
Was nun Barbaras Wunsch nach einem originelleren<br />
Briefkasten anging, so schlug Charly vor, ihm das Aussehen<br />
eines kleinen elsässischen Hauses zu geben. Gesagt,<br />
getan. Barbara und Charly machten sich auf die Suche<br />
nach einem geeigneten Material, das Wind und Wetter<br />
standhalten kann.<br />
Nach und nach klapperten die beiden die Heimwerkermärkte<br />
in der Umgebung ab. « Wenn wir unser Vorhaben<br />
erläuterten, erklärte man uns für verrückt », erinnert<br />
sich Barbara lächelnd. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte<br />
überhaupt niemand daran gedacht,<br />
das Aussehen von Briefkästen<br />
zu verschönern. Doch die<br />
beiden Restaurantbesitzer<br />
begeisterten sich immer<br />
mehr für ihr Projekt,<br />
erweiterten ihren Aktionsradius<br />
für die<br />
Materialsuche und<br />
wurden schließlich in<br />
Deutschland fündig.<br />
Einige Wochen später<br />
war ihr Briefkasten<br />
94 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
fertig: Er hatte das Aussehen<br />
eines typisch elsässischen<br />
Hauses.<br />
Kaum war er installiert,<br />
erregte er auch schon Aufsehen:<br />
« Wir wurden mehrmals<br />
pro Tag gefragt, wo wir ihn<br />
gekauft hätten. Das ließ uns<br />
schmunzeln. Schließlich sagten<br />
wir uns, dass wir vielleicht<br />
über eine Vermarktung solcher<br />
Briefkästen nachdenken<br />
sollten. » Der erste Kunde war<br />
ein Deutscher, der mit seinem<br />
www.boitideal.com<br />
<br />
Barbara und Charly Hamm<br />
Boit’Ideal<br />
2, rue du Moulin<br />
67670 Waltenheim-sur-Zorn<br />
Telefon: +33 (0)6 86 92 80 85<br />
Wohnmobil unterwegs war. Er war vom Aussehen des<br />
elsässischen Briefkastens fasziniert und bestellte auf der<br />
Stelle einen. Seitdem ist dieser am Eingang eines Hauses<br />
in Stuttgart installiert. In der Zwischenzeit haben Barbara<br />
und Charly ihr Konzept professionell umgesetzt. Mit der<br />
Hilfe eines befreundeten Zeichners, Roland Perret, eines<br />
Herstellers klassischer Briefkästen und einer Druckerei<br />
entwickelten sie eine ganze Reihe solcher Briefkästen,<br />
die eine Anspielung auf französische Regionen sind (Elsass,<br />
Bretagne, Normandie, Nord). Andere setzen einen<br />
bestimmten Häusertyp (Chalet, modernes Haus) oder<br />
poetische und humorvolle Motive (Hühner-/Kaninchenstall)<br />
um. Der Preis für einen solchen Briefkasten, der nur<br />
noch aufgehängt werden muss, liegt zwischen 65 und 89<br />
€. Bis heute wurden bereits mehr als 2000 Exemplare davon<br />
verkauft, wobei die Käufer<br />
aus ganz Europa und sogar<br />
von anderen Kontinenten<br />
kommen. « Wir hatten schon<br />
eine Bestellung aus Japan! »,<br />
erinnert sich Barbara enthusiastisch.<br />
Barbara und Charly ruhen<br />
sich bei Weitem nicht auf ihren<br />
Lorbeeren aus, sondern haben<br />
auch ein findiges Konzept für<br />
alle diejenigen entwickelt, die<br />
bereits einen Briefkasten in<br />
den französischen Standardabmessungen<br />
besitzen: Zum Preis von 35,90 € bieten sie Sets<br />
an (40 cm x 30 cm x 30 cm) mit denen man den Kasten<br />
verkleiden und ein widerstandsfähiges Dach konstruieren<br />
kann. Und alles mit selbstklebender Folie, es sind weder<br />
Schrauben oder Nägel noch Leim notwendig. Dank<br />
einer Partnerschaft mit einem Briefkastenhersteller in<br />
Deutschland hoffen sie, bald etwas Ähnliches für deutsche<br />
Briefkästen anbieten zu können.<br />
Neuesten Informationen zufolge sind die Ideen von<br />
Barbara und Charly noch lange nicht erschöpft: Demnächst<br />
wollen sie ein noch originelleres und einfallsreicheres<br />
Outfit für Briefkästen vermarkten, das noch viel<br />
individuellere Möglichkeiten bieten soll … Doch pst! Das<br />
ist noch ein Geheimnis! Wir werden Sie aber auf dem<br />
Laufenden halten …<br />
In dieser Serie werden Produkte vorgestellt, die sich in fast<br />
jedem französischen Haushalt befinden oder die für<br />
viele Franzosen kleine Nationalheiligtümer sind. In<br />
den letzten Ausgaben sind erschienen: Hollywoodund<br />
Malabar-Kaugummis (<strong>Nr</strong>. 51), Petit Suisse<br />
(<strong>Nr</strong>. 52), Orangina (<strong>Nr</strong>. 53), Duralex-Gläser<br />
(<strong>Nr</strong>. 54), Messer (<strong>Nr</strong>. 55), L’école des loisirs<br />
(<strong>Nr</strong>. 56), Sophie la girafe (<strong>Nr</strong>. 57), Eau<br />
de Javel (<strong>Nr</strong>. 58), Bol à prénom (<strong>Nr</strong>. 59),<br />
Bistrostuhl « Drucker » (<strong>Nr</strong>. 60), der gelbe<br />
Briefkasten der Post (<strong>Nr</strong>. 61), Papier<br />
d’Arménie (<strong>Nr</strong>. 62), Salz La Baleine (<strong>Nr</strong>. 63),<br />
Literatursammlung La Pléiade (<strong>Nr</strong>. 64),<br />
Zitronenpresse aus Glas von Luminarc<br />
(<strong>Nr</strong>. 65), Boules Quies (<strong>Nr</strong>. 66), Ricard<br />
aux plantes fraîches (<strong>Nr</strong>. 67), Eau de<br />
Châteldon (<strong>Nr</strong>. 68), Le Livre de Poche (<strong>Nr</strong>.<br />
69), Gemüsepassiergerät Moulinex (<strong>Nr</strong>. 70),<br />
Herbes de Provence (<strong>Nr</strong>. 71), Cacolac (<strong>Nr</strong>.<br />
72), L’Image d’Épinal (<strong>Nr</strong>. 73), La Hulotte,<br />
« das meistgelesene Magazin im Tierbau »<br />
(<strong>Nr</strong>. 74), Savon de Marseille (<strong>Nr</strong>. 75), das<br />
gelbe Ölzeug von Guy Cotten (<strong>Nr</strong>. 76), die<br />
Künstlerfarben Lefranc Bourgeois (<strong>Nr</strong>. 77)<br />
und der Parapluie de Cherbourg (<strong>Nr</strong>. 78).<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 95
GUÉWEN A TESTÉ<br />
… den Korkgeschmack beim Wein<br />
Der Korkgeschmack ist für Weinliebhaber und Winzer eine regelrechte Plage<br />
und einer der häufigsten Weinfehler, mit denen wir heutzutage konfrontiert<br />
sind. Doch worum handelt es sich dabei genau? Wie entsteht dieser unangenehme<br />
Geschmack? Kann man ihn vermeiden oder neutralisieren? Da ich in<br />
diesem Punkt etwas klarer sehen wollte, habe ich das Thema genauer unter<br />
die Lupe genommen.<br />
96 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
Wie erkennt man Korkgeschmack?<br />
Die meisten Weinliebhaber kennen den<br />
charakteristischen Korkton, der oft einen<br />
starken, manchmal richtig abstoßenden<br />
Nachgeschmack hinterlässt, der an<br />
einen modrigen Keller, an feuchten<br />
Karton oder an verschimmelten Kork<br />
erinnert. Auch das Belüften des Weines<br />
durch Schwenken oder Umfüllen in eine<br />
Karaffe hilft nicht, den Beigeschmack zu<br />
vertreiben. Allerdings darf man diesen<br />
Fehler nicht mit anderen Geschmacksnoten<br />
verwechseln, die durch den Ausbau<br />
des Weines entstehen, beispielsweise mit<br />
einer zu intensiven Holznote durch den<br />
Barrique-Ausbau. In einem solchen Fall<br />
hilft es meist, den Wein zu belüften,<br />
damit der Geschmack verschwindet<br />
oder gemildert wird. Wenn Sie sich<br />
nicht sicher sind, ob ein Wein tatsächlich<br />
« nach Kork schmeckt », schwenken Sie<br />
ihn oder füllen Sie ihn in eine Karaffe mit<br />
einem möglichst großen Boden um, damit<br />
der Wein so viel Kontakt mit der Luft<br />
wie möglich erhält. Lassen Sie ihn dann<br />
ein<br />
wenig stehen und kosten Sie ihn nochmals. Sie werden<br />
feststellen, dass in vielen Fällen die angenehmen Aromen<br />
des Weines in den Vordergrund getreten sind und der<br />
unangenehme Nebengeschmack verschwunden ist.<br />
Woher kommt er?<br />
Korkgeschmack tritt seit den 1970er/1980er-Jahren immer<br />
häufiger auf, sodass sich seitdem zahlreiche Untersuchungen<br />
mit dem Phänomen beschäftigt haben. Schließlich<br />
fand der Schweizer Wissenschaftler Hans Tanner den<br />
Grund für diesen unangenehmen Geschmack heraus. Zur<br />
allgemeinen Überraschung ist der Korken nicht der einzige<br />
Verantwortliche. Inzwischen ist nachgewiesen, dass<br />
der Korkgeschmack im Wesentlichen von einem Molekül<br />
namens TCA (2,4,6-Trichloroanisol) kommt. Dieses<br />
entsteht, wenn Schimmelpilze, die sich im Korkmaterial<br />
eingenistet haben, auf Chlorverbindungen treffen. Doch<br />
woher kommt das Chlor? Man schätzt, dass das im Korken<br />
vorhandene TCA in 95 % der Fälle durch Chlor entsteht,<br />
das in der Baumrinde selbst eingelagert ist (durch<br />
Insektizide oder Umweltverschmutzung) beziehungsweise<br />
durch chlorhaltige Produkte, die im Weinkeller<br />
verwendet werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn<br />
Holz (Paletten, Dachstuhl) mit bestimmten Fungiziden<br />
behandelt wird. In manchen Regionen stammt es möglicherweise<br />
auch aus dem leider immer stärker gechlorten<br />
Wasser, mit dem die Fässer gereinigt werden. Insofern<br />
kann es vorkommen, dass man Korkgeschmack sogar in<br />
Weinen findet, die sich noch im Fass befinden, also<br />
noch gar nicht abgefüllt wurden und demzufolge nicht<br />
mit einem Korken in Berührung gekommen sind. In<br />
diesem Fall sind die im Weinkeller natürlich vorhandenen<br />
Schimmelpilze für den Beigeschmack verantwortlich.<br />
Kann man Korkgeschmack verhindern?<br />
Die logische Folgerung, um den unangenehmen<br />
Geschmack zu verhindern, wäre der Verzicht auf den<br />
guten alten Korken. Diese Lösung erscheint simpel, ist<br />
aber im Grunde genommen nicht so einfach umzusetzen,<br />
denn für den « klassischen » Korken sprechen einige<br />
gute Argumente: Nicht nur viele Winzer, sondern<br />
auch Wissenschaftler sind der Meinung, dass der<br />
Verschluss aus dem natürlichen Korkmaterial zu<br />
einer besseren Weinalterung und Konservierung<br />
beiträgt. Obwohl er die Flasche dicht abschließt, lässt<br />
er durch seine Porosität einen gewissen Luftaustausch<br />
zu, der den Wein optimal altern lässt. Aus diesem<br />
Grunde findet man auf den allermeisten lagerfähigen<br />
Weinen immer noch natürliche Korken. In vielen<br />
Ländern – so auch in Frankreich – findet dieser bei<br />
den Konsumenten nach wie vor Anklang, da sie in<br />
ihm eine Qualitätsgarantie sehen und ganz einfach<br />
am Naturkorken hängen. Auf ihn zu verzichten, wäre<br />
daher eine radikale und nicht sehr sinnvolle Lösung.<br />
Welche Alternativen gibt es zum natürlichen Korken?<br />
Alternativen gibt es in der Tat einige: Weltweit gesehen<br />
wird heute schätzungsweise die Hälfte aller Weine mit<br />
synthetischen Korken (aus Kunststoff, vor allem auf der<br />
Basis von Erdöl), Drehverschlüssen (aus Aluminium),<br />
Glaskorken (die man im Übrigen immer häufiger bei<br />
Roséweinen findet) oder auch mit « experimentelleren »<br />
Varianten wie Korken aus Zuckerrohr verschlossen.<br />
Kann man den Korkgeschmack eliminieren?<br />
Leider nein, denn auch von den<br />
zahlreichen « alten Hausmitteln »,<br />
mit denen man Korkgeschmack<br />
angeblich eliminieren kann,<br />
hat sich noch keines wirklich<br />
bewährt. Anstatt einen solchen<br />
Wein jedoch einfach<br />
wegzuschütten, bleibt die<br />
Möglichkeit, ihn zum<br />
Kochen zu bringen und<br />
einkochen zu lassen. Dabei<br />
verschwindet der unangenehme<br />
Geschmack<br />
und man kann den Wein<br />
dann zumindest für eine<br />
Sauce verwenden.<br />
Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong> · 97
IMPRESSUM/VORSCHAU<br />
Impressum<br />
Frankreich erleben ist das Ergebnis von Teamarbeit. Neben den Autoren und<br />
Fotografen tragen auch die Lektoren, Grafiker und alle anderen Mitarbeiter<br />
zur Qualität der einzelnen Artikel bei. Daher sind keine einzelnen Personen<br />
am Ende eines Artikels hervorgehoben, sondern findet die Nennung im<br />
Impressum statt.<br />
Frankreich erleben erscheint im Verlag<br />
Ajc Presse · 57, rue Chantecrit · 33300 Bordeaux<br />
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Zeitschriftenhandel in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und<br />
Südtirol sowie per Abonnement erhältlich.<br />
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Monel, les Hortillonnages d’Amiens • S.6-7: Roubaix Tourisme, DR; Serge Robin,<br />
Ajc Presse • S.8-9: Sarah Sergent, Paris Tourist Office; Serge Robin, Ajc Presse •<br />
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Parc National de Port-Cros; Vincent Bardinal, Parc National de Port-Cros; Caroline<br />
Devevey, Parc National de Port-Cros • S.34: Philippe Robert, Parc National de<br />
Port-Cros; Serge Robin, Ajc Presse • S.36-37: Yann Monel, les Hortillonnages<br />
d’Amiens • S.38-39: Yann Monel et Mathieu Farcy, les Hortillonnages d’Amiens<br />
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d’Amiens • S.42-43: Arts et Jardins Hauts-de-France; Studio Audal; Yann Monel,<br />
les Hortillonnages d’Amiens; Livia Kolb et Virginie Alexe • S.44: Alix Eoche-Duval et<br />
Cyril Servettaz; Arts et Jardins Hauts-de-France • S.46-47: DR • S.48-52: G. Brown,<br />
Ajc Presse • S.53: CCØ Musée Van Gogh Amsterdam; Remy Genin, DR; G. Brown,<br />
Ajc Presse • S.54-55: G. Brown, Ajc Presse; Plan: Centre des Musées Nationaux,<br />
DR • S.56: Disney, DR • S.57: A. Sobczk, Parc Astérix; Milady, France Miniature<br />
• S.58: JL Audy, Futuroscope, Sylvain Bachelot, Jardin d’acclimation; DR • S.59:<br />
Parc Spirou, DR • S.60-63: Romain Ricard et Fred Lahache, Hotel Paradiso, DR •<br />
S.64-66: Pépinières Robin, DR • S.67: Pixabay • S.68-71: Jc Albert, Ajc Presse •<br />
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Lebar, Paris Tourist Office • S.82-85: Léontine Behaeghel, l’école des loisirs; Rue<br />
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Serge Robin, Ajc Presse • S.98: Serge Robin, Ajc Presse; G. Brown, Ajc Presse;<br />
Binabik155, Creative Commons 3.0.<br />
Die Nummer 80 unseres Magazins ist ab dem 17. August <strong>2021</strong><br />
im Handel erhältlich, rechtzeitig also, um sich auf den Herbst<br />
einzustimmen. Bei allen Abonnenten steckt sie wie immer bereits<br />
eine Woche vorher im Briefkasten.<br />
Damit Sie eine kleine Vorstellung von den Themen bekommen –<br />
wobei wir natürlich nicht alles verraten – erhalten Sie im Rahmen<br />
unseres kleinen Spiels auf dieser letzten Seite wieder einige<br />
Hinweise:<br />
Zunächst drei Fotos:<br />
Anschließend dann drei Hinweise,<br />
von denen jeder eine Verbindung zu<br />
einem der Fotos hat:<br />
« Ich bin eine französische Stadt, die lange Zeit La belle endormie,<br />
Dornröschen, genannt wurde. In den letzten Jahren habe ich<br />
mich jedoch sehr verändert. Was meine Vergangenheit angeht,<br />
bin ich nach wie vor sehr zurückhaltend, vor allem wenn es<br />
darum geht, wie ich von der Sklaverei profitiert habe. Sie werden<br />
jedoch feststellen, dass sich die Zeiten geändert haben und dass<br />
ein Besuch unter diesem Blickwinkel zu nicht alltäglichen und<br />
interessanten Entdeckungen führt … »<br />
« Ich bin ein sehr berühmtes und beliebtes elsässisches Bier und<br />
stamme aus der ältesten Brauereianlage Frankreichs. Seit acht<br />
Generationen bin ich im Besitz derselben Familie, die mit knapp<br />
200 Beschäftigten darum kämpft, mich herzustellen. Mein Name<br />
weist auf einen Himmelskörper hin … »<br />
« Ich bin ein friedliches Fischerstädtchen am Mittelmeer, in der Nähe<br />
von Toulon. Der Lauf der Dinge wollte es, dass viele Deutsche und<br />
Österreicher mich von 1933 bis 1941 als Zufluchtsort wählten.<br />
Das ging so weit, dass ich jahrelang die, wie es der Philosoph<br />
und Schriftsteller Ludwig Marcuse ausdrückte, ‹ Hauptstadt der<br />
deutschen Literatur › war. »<br />
Haben Sie alles erraten? Dann können Sie die Antworten überprüfen,<br />
indem Sie die folgenden Begriffe vervollständigen:<br />
_ _ R _ E _ _ _<br />
_ E _ _ _ R<br />
S _ _ A _ _ - _ U _ - _ E _<br />
Ausgabe <strong>Nr</strong>. 80 - Herbst <strong>2021</strong><br />
Erscheint am 17. August <strong>2021</strong><br />
98 · Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2021</strong>
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mit 5 Saunen, Sonnenterrasse und Boddenblick, ein Fitnessstudio mit<br />
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