ART MENSCHENRECHTSBILDUNG/MIHR - ZPSA
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die Maastricht Guidelines on Violations of Economic, Social and Cultural Rights vor (Human Rights Quarterly,<br />
Vol. 20, 1998, pp. 691-705), dass der Staat die Pflicht hat, sicherzustellen, dass private Organisationen oder<br />
Individuen, miteingeschlossen transnationale Unternehmen, die ihrer Gerichtsbarkeit unterstehen, den<br />
Individuen die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte nicht vorenthalten (zit. in: Eide et al. 2001, S.<br />
732). Auch wenn diese Richtlinien zur Zeit reichlich utopisch scheinen, sind sie doch anrufbar, was zu ihrer<br />
weiteren Verdeutlichung und ersten zögerlichen bis widerspenstigen Umsetzung führen könnte.<br />
2.3 Das Trippelmandat der Sozialen Arbeit als Disziplin und Profession<br />
Es ist üblich geworden, vom Doppelmandat der Sozialen Arbeit zu sprechen. Gemeint ist damit, dass<br />
Sozialarbeitende den Spagat zwischen zwei ungleichen Auftraggebern zu leisten haben: zum einen ist es die<br />
Klientel (Individuen, Familien, Gemeinwesen, Organisationen), deren vorgetragene oder erfasste Problematik<br />
auch unter Menschenrechtsgesichtspunkten betrachtet werden soll. Dabei ist nicht auszuschliessen, dass auch<br />
KlientInnen Sozialer Arbeit - vor allem im Zusammenhang mit sexistischen, rechtsextremistischen<br />
Orientierungen und Gewalt im sozialen Nahraum - Menschenrechte verletzen. Zum andern sind es die<br />
Einrichtungen des Sozialwesens. Dass diese Träger und ihre ausführenden Organe auch in krassester Weise<br />
Menschenrechte verletzen können, ist die bittere Lehre aus den Dokumenten über den aktiven wie passiv<br />
zulassenden Beitrag des Sozial-, Gesundheits- und Anstaltswesens während der nationalsozialistischen Diktatur<br />
(z.B. Otto/Sünker 1986). In schwächerer Form sind auch die heutigen AkteurInnen des Sozialwesens<br />
(Sozialdienste, Jugend- und Vormundschaftsämter, Strafvollzug, Erziehungsheime, Alters- und Pflegeheime,<br />
Ausschaffungsgefängnisse) vor Menschenrechtsverletzungen nicht gefeit.<br />
Soziale Arbeit wird aufzeigen müssen, dass das vielzitierte Doppelmandat nicht ausreicht, um<br />
menschenrechtlich unzumutbare Aufträge abzuwehren. Sie muss sich deshalb auf ein drittes, eigenbestimmtes<br />
Mandat berufen können - und dies unabhängig davon, ob sie sich explizit als (eine) Menschenrechtsprofession<br />
versteht oder nicht. Dieses dritte Mandat verschafft sie sich durch ihr Selbstverständnis als Profession, d.h.<br />
erstens aufgrund ihrer Wissenschaftsbasierung, die sich um theoretisch und empirisch begründete Problem- und<br />
Situationserfassung, -erklärung und -veränderung bemüht sowie zweitens aufgrund ihres internationalen wie<br />
nationalen Berufskodexes, der in neuerer Zeit explizit die Verpflichtung auf die Werte Freiheit und<br />
Gerechtigkeit sowie die Menschenrechte enthält (vgl. Abschnitt 1).<br />
Menschenrechtsbildung wird in diesem Zusammenhang auf ethisch-philosophische Begründungspositionen<br />
zurückgreifen müssen. Zum einen ginge es um die Kenntnis und Beurteilung verschiedener<br />
Begründungstraditionen, zum andern um die rechtsphilosophische wie fallbezogene Erhellung des<br />
Unterschiedes zwischen Legalität (positiviertes Recht) und Legitimität, zwischen Politik, die vom Staat, der<br />
Regierung und dem Politischen, das von den (Sozial)BürgerInnen ausgeht. Das heisst, dass zwischen<br />
Gesetzeskonformität als obrigkeitlicher Begründungsbasis und Legitimität als staatsunabhängige, empirische<br />
und ethische Begründungsbasis zu unterscheiden wäre. Das im ersten Abschnitt erwähnte UN-Manual Social<br />
Work and Human Rights enthält denn auch eine Passage, die festhält, dass sich die Profession Sozialer Arbeit<br />
im Zweifelsfall auf die Seite ihrer Klientel und mithin gegen die Organisation stellen muss (UNO-Manual, S. 5).<br />
Dass man sich dabei auch Ärger, Drohungen, Entlassungen und in vielen Staaten der Weltgesellschaft auch<br />
Verfolgung und Inhaftierung einhandeln kann, ist nicht von der Hand zu weisen. So gehört zur<br />
Menschenrechtsbildung auch die Frage, unter welchen Bedingungen Dissidenz und Zivilcourage möglich und<br />
gefordert sind.<br />
Menschenrechtsbildung muss auf diesem Hintergrund des weitern folgendes Veränderungs- bzw.<br />
Handlungswissen vermitteln: Zentral sind gewiss solide Rechtskenntnisse über Abkommen, Konventionen,<br />
Sanktionen und Durchsetzungsmöglichkeiten. Doch hat der vorherrschende Fokus auf den rechtlichen Aspekt<br />
der Menschenrechte sowohl das Denken wie die Praxis betreffend Menschenrechte unnötig eingeschränkt,<br />
ferner andere Professionen, AkteurInnen davon abgehalten, sich damit zu befassen und dadurch mit zur<br />
Schieflage zwischen Freiheits- und Sozialrechten beigetragen (Ife 2001, S. 31). Parallel zur Bildung über<br />
Rechtsaspekte braucht es Bildungsprogramme zur Entwicklung einer Menschenrechtskultur im Alltag, die sich<br />
an den menschlichen Bedürfnissen und einem würdevollen Leben orientiert. (Wronka 2002). Dazu gehören<br />
Methoden der Ressourcenerschliessung, Ermächtigung, Mediation und zwar unter expliziter Bezugnahme auf<br />
Menschenrechts- bzw. Gerechtigkeitskriterien, ferner der Bewustseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit,<br />
miteingeschlossen die Erstellung von Schatten- oder Parallelberichten zu Handen der UNO-<br />
Menschenrechtskommissionen, Monitoring, Lobbying und Programmevaluation.<br />
4. Der Masterstudiengang in Sozialer Arbeit<br />
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