VKD-Praxisberichte 2019
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
PraxisBerichte<br />
<strong>2019</strong><br />
Zu aktuellen Fragen des Krankenhausmanagements<br />
Kampf ums<br />
Personal<br />
mehr ab Seite 17<br />
Patientensicherheit<br />
mehr ab Seite 51<br />
Projekte | | Positionen | | Perspektiven
EDITORIAL<br />
Montag,<br />
18.11.<strong>2019</strong><br />
Dienstag,<br />
19.11.<strong>2019</strong><br />
Mittwoch,<br />
20.11.<strong>2019</strong><br />
HINWEISE ZUR REGISTRIERUNG<br />
Um an den Veranstaltungen teilnehmen<br />
zu können, registrieren Sie sich bitte<br />
für den 42. Deutschen Krankenhaustag<br />
kostenfrei online mit Hilfe des Links<br />
www.medica.de/dkt_shop1.<br />
Sie erhalten dann zur Bestätigung ein<br />
E-Ticket, mit dem Sie sich bei jeden Besuch<br />
einer Vortrags-Veranstaltung des<br />
42. Deutschen Krankenhaustages vor Ort<br />
einscannen können.<br />
Dieses E-Ticket dient gleichzeitig als<br />
Tages-Eintrittskarte zur Medica, die durch<br />
das Einscannen vor Ort beim Deutschen<br />
Krankenhaustag freigeschaltet wird.<br />
Auftaktveranstaltung<br />
mit Bundesminister Jens Spahn, MdB<br />
12:00 - 13:30 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />
Abendveranstaltung<br />
„Treffpunkt Krankenhaus“<br />
19:00 Uhr, Haus der Ärzteschaft<br />
Entscheiderfabrik<br />
10:00 - 13:00 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />
103. <strong>VKD</strong>-Mitgliederversammlung<br />
14:00 - 15:00 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />
6. <strong>VKD</strong>-Forum<br />
15:00 - 17:00 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />
Abendveranstaltung „meet IT der Club“<br />
ab 18:00 Uhr, MEDICA, Halle 13<br />
EVKM-Europatag<br />
09:30 - 13:00 Uhr, CCD-Ost, Raum R<br />
UNSERE TERMINE<br />
im Rahmen des<br />
42. Deutschen Krankenhaustages<br />
vom18. bis 21.11.<strong>2019</strong> in Düsseldorf<br />
vkd-online.de | medica.de |<br />
deutscher-Krankenhaustag.de |<br />
entscheiderfabrik.com | eahm.eu.org<br />
Besuchen Sie uns auch an unserem<br />
Stand auf der MEDICA in<br />
Halle 13/ G58 - in der Nähe der<br />
Entscheiderfabrik!<br />
Welche Krankenhäuser können es sich leisten, Abwerbeprämien<br />
in hoher vierstelliger Summe anzubieten?<br />
Vermutlich die wenigsten. Mit bis zu 8.000<br />
Euro werden spezialisierte Pflegekräfte schon gelockt,<br />
den Arbeitgeber zu wechseln. Welche Krankenschwester,<br />
welcher Pfleger mit der erwünschten<br />
Qualifikation kann da nein sagen?<br />
Vermutlich wissen alle Krankenhaus-Führungskräfte,<br />
dass diese Art des Kampfes ums Personal, dieses<br />
gegenseitige Abwerben, keine<br />
Dauerlösung ist. Die Meldungen<br />
in den Medien über<br />
Stationsschließungen, Bettensperrungen,<br />
das Abwandern<br />
ganzer Teams von einem Krankenhaus<br />
ins andere häufen<br />
sich und betreffen im Grunde<br />
Krankenhäuser aller Träger. Personal<br />
fehlt an allen Ecken und<br />
Enden. Das hat Auswirkungen<br />
für die Versorgung der Patienten<br />
und natürlich auch gravierende<br />
wirtschaftliche Folgen<br />
für die Kliniken, die geplante<br />
Leistungen dann nicht erbringen,<br />
wichtige Neubauten nicht<br />
eröffnen können.<br />
Editorial<br />
Personal und Patientensicherheit – zwei Seiten einer Medaille<br />
Dr. Josef Düllings,<br />
Präsident des Verbandes<br />
der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands (<strong>VKD</strong>)<br />
Das Problem, mit dem sich<br />
diese <strong>Praxisberichte</strong> im ersten<br />
Schwerpunkt „Der Kampf ums<br />
Personal“ beschäftigen, ist allerdings<br />
nicht plötzlich vom Himmel gefallen, sondern<br />
hat sich über viele Jahre aufgebaut – worauf der<br />
<strong>VKD</strong> auch bereits seit Jahren immer wieder hingewiesen<br />
hat. Ernstgenommen hat das die Politik erst<br />
jetzt. Bisher war es ja „nur“ ein Kampf des Personals,<br />
das mit größtem Engagement versucht hat, trotz<br />
aller Schwierigkeiten die Versorgung der Patienten<br />
dennoch in bester Qualität zu leisten. Das geht seit<br />
langem so, aber es kann natürlich nicht unendlich<br />
lange gehen.<br />
Was Krankenhäuser tun, um nicht nur kurzfristig,<br />
sondern nachhaltig das Problem anzugehen, wie<br />
verschieden die Lösungsansätze sein können, davon<br />
berichten Autorinnen und Autoren in diesem<br />
Heft. Sie zeigen, dass neue Ideen, stimmige, umfassende<br />
Konzepte und auch eine positive Ausstrahlung<br />
nach innen und außen durchaus Wirkung<br />
haben können.<br />
Was die Politik aus Überzeugung des <strong>VKD</strong> tun kann<br />
und tun muss, wird ebenfalls - wie es unsere Art<br />
ist - deutlich angesprochen. Es hilft nicht weiter,<br />
nur die Anzahl von Pflegekräften festzulegen, die<br />
in dieser oder jener Abteilung<br />
zwingend einzusetzen sind,<br />
wissend, dass die Suche am<br />
Arbeitsmarkt ziemlich erfolglos<br />
sein wird.<br />
Der Fachkräftemangel hat viele,<br />
sattsam bekannte Gründe,<br />
die alle auch gesundheitspolitisch<br />
in den Blick genommen<br />
werden müssen. Die überbordende<br />
und durch immer neue<br />
Regelungen weiter anwachsende<br />
Bürokratie als erheblicher<br />
Zeitfresser für Pflegende<br />
und Mediziner etwa gehört<br />
wesentlich dazu. Politik, Krankenkassen,<br />
Gemeinsamer Bundesausschuss<br />
– sie alle haben<br />
dazu beigetragen und sollten<br />
hier schnellstens den Rückwärtsgang<br />
einlegen. Das ist<br />
eine Frage des Wollens und<br />
vor allem des Vertrauens in die Krankenhäuser. Sie<br />
haben dieses Vertrauen verdient!<br />
Gleichzeitig sind Lösungen zur Bewältigung des<br />
Fachkräftemangels immer auch Beiträge zur Verbesserung<br />
der Patientensicherheit – unserem<br />
zweiten Schwerpunkt in diesen <strong>Praxisberichte</strong>n.<br />
Einen umfassenden Blick auf dieses Thema werfen<br />
hier die Patientenbeauftragte der Bundesregierung,<br />
Prof. Dr. med. Claudia Schmidtke, und die<br />
Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit<br />
(APS), Hedwig François-Kettner. Während<br />
wir bei der Händehygiene in den Kliniken inzwi-
EDITORIAL<br />
INHALTSVERZEICHNIS<br />
schen ein gutes Stück weitergekommen sind, ist<br />
bei der Kommunikation mit Patienten, Angehörigen,<br />
aber auch der Berufsgruppen im Krankenhaus<br />
unter- und miteinander durchaus noch Luft nach<br />
oben. Und was Piloten zwingend vorgeschrieben<br />
ist, sollte auch in der Medizin gelten: Vor der Praxis<br />
und auch später immer wieder einmal ins Simulationszentrum.<br />
Fast schwindlig macht uns in den Krankenhäusern,<br />
in welch enger Taktung derzeit Gesetzentwürfe aus<br />
dem Haus von Gesundheitsminister Jens Spahn<br />
vorgelegt werden. Die ersten Auswirkungen zeigen<br />
sich bereits bei den Regelungen zu Pflegepersonal-Untergrenzen<br />
in sensitiven Bereichen. Womit<br />
wir künftig noch rechnen müssen, welche Interaktionen<br />
die ganzen Gesetze auslösen werden, ahnen<br />
wir allenfalls. Angekündigt sind überdies neue<br />
gesetzgeberische Aktivitäten für eine sektorenübergreifende<br />
Versorgung – eines der vermutlich<br />
schwierigsten Themen überhaupt, an denen wir<br />
uns alle schon jahrelang die Zähne ausbeißen. Den<br />
Versuch eines Überblicks macht das aktuelle Interview,<br />
mit dem wir in diesem Heft beginnen.<br />
Und natürlich, wie schon in den vergangenen Jahren,<br />
werden auch wieder Projekte der ENTSCHEI-<br />
DERFABRIK für Unternehmenserfolg durch optimalen<br />
IT-Einsatz vorgestellt. Der <strong>VKD</strong> ist hier nach<br />
wie vor als Mitgründer des Projektes wichtiger<br />
Partner. Die beteiligten Krankenhäuser gehören zu<br />
den Vorreitern beim Thema Digitalisierung. Diese<br />
ist ja ebenfalls essenziell für die Bewältigung des<br />
Fachkräftemangels und für die weitere Verbesserung<br />
der Patientensicherheit.<br />
Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle allen<br />
Autorinnen und Autoren, die in ihren Beiträgen<br />
wichtige Erfahrungen weitergeben und so dafür<br />
gesorgt haben, dass die diesjährigen <strong>Praxisberichte</strong><br />
wieder interessant und lesenswert sind.<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong><br />
Das aktuelle Interview<br />
09<br />
Gesetze am laufenden Band - was ist<br />
die politische Strategie?<br />
Komplexität ist schwer beherrschbar, Folgenabschätzungen<br />
sind vonnöten und die Wirkung<br />
möglicher Interaktionen ist kaum überschaubar,<br />
Interview mit Dr. Josef Düllings<br />
Der Kampf ums Personal<br />
Ihr<br />
Dr. Josef Düllings<br />
17<br />
Es gibt nicht die eine Lösung | Der<br />
Fachkräftemangel ist eine komplexe strategische<br />
Herausforderung für das Management der<br />
Krankenhäuser, Rehakliniken und Einrichtungen<br />
der Altenpflege, Dr. Jens-Uwe Schreck<br />
29<br />
Unsere Mitarbeiter heute – und<br />
morgen | Strategisches Personalmanagement<br />
– die aktuelle Bewerberlage und die<br />
künftigen Herausforderungen, Redaktion<br />
<strong>Praxisberichte</strong><br />
35<br />
35-Stunden-Woche bei vollem<br />
Gehaltsausgleich | Wie die Frankfurter<br />
Rotkreuz-Kliniken ihre Pflegefachkräfte stärken,<br />
Tina Stanzel<br />
46<br />
24<br />
Der Fachkräftemangel löst sich<br />
nicht von alleine | Ein Plädoyer für die<br />
Ausbildung, Oliver Neuhaus, Christian Busse<br />
31<br />
Gute Köpfe schätzen gute Kommunikation<br />
| Wie sich ein offensives Marketing<br />
auf die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern<br />
in Zeiten des Fachkräftemangels auswirkt,<br />
Sabine Loh<br />
41<br />
Damit die Integration internationaler<br />
Pflegefachkräfte gelingt | Sektorenübergreifendes<br />
Projekt erarbeitet konkrete,<br />
bedarfsgerechte Lösungen für den Fachkräftemangel<br />
in der Pflege, Prof. Dr. Beate Blättner,<br />
Prof. Dr. Heinrich Bollinger<br />
Im Kampf ums Personal „am Ende<br />
der Kette“ | Wir nutzen alle Möglichkeiten,<br />
aber Angebote müssen von den Mitarbeitern<br />
auch angenommen werden, Franz Hartinger<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 4 5 <strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
INHALTSVERZEICHNIS<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
51<br />
Patientensicherheit als eine gemeinsame<br />
Aufgabe verstehen | Vor allem die<br />
Kommunikation mit Patienten und Angehörigen<br />
ist von zentraler Bedeutung, Prof. Dr. Claudia<br />
Schmidtke<br />
57<br />
Wir sind nicht zum Selbstzweck da|<br />
Wichtigstes Instrument zur Verbesserung der<br />
Patientensicherheit ist das gemeinsame Lernen<br />
aus Fehlern, Interview mit Hedwig François-<br />
Kettner<br />
69<br />
Sichere Kommunikation erleben!|<br />
Ob Notfall oder klinische Routine: Zusammenarbeit<br />
durch Einsatz interaktiver Plattformen<br />
gezielt trainieren, Dr. Christopher Neuhaus<br />
54<br />
Ein Querschnittsthema, das alle<br />
Versorgungsbereiche betrifft | Im<br />
Zentrum des Qualitätsmanagements steht die<br />
Patientensicherheit, Gabriele Kirchner<br />
64<br />
Simulationstrainings sollten obligatorisch<br />
sein | Es geht um Kommunikation,<br />
Koordination und Ressourcenmanagement,<br />
um Vorkommnisse, für die es keine Routinen<br />
gibt, Redaktion<br />
74<br />
„Dolmetscher der Seele“ - SIM im<br />
LVR | Psychiatrische Versorgung unter Einsatz<br />
von Sprachmittler*innen, Monika Schröder<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Das aktuelle Interview<br />
85<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
bereits im 13. Projektzyklus<br />
| Wichtige Zukunftsthemen<br />
für die stationäre und vernetzte<br />
Gesundheitsversorgung<br />
100<br />
<strong>VKD</strong> fordert einen Masterplan<br />
Digitalisierung|<br />
Leistungserbringer, Patienten<br />
und Industrie müssen beteiligt<br />
und die Finanzierung muss abgesichert<br />
werden, Dr. Josef Düllings,<br />
Peter Asché<br />
102<br />
IMPRESSUM<br />
88<br />
Vorgestellt: Neue Ideen, Weiterentwicklungen<br />
und Innovationen<br />
89<br />
91<br />
93<br />
96<br />
98<br />
Kommunikation mit Mehrwert, ohne “Whats-<br />
App-Dilemma“ Die sichere Chat Plattform NetSfere<br />
unterstützt Krankenhäuser bei Kommunikationsanforderungen<br />
im Zuge der Digitalisierung, Franz Obermayer<br />
Digital Boardroom für Krankenhäuser<br />
Wie Entscheider in Krankenhäusern komplexe Zusammenhänge<br />
agil und intuitiv analysieren können, Team<br />
Digitalisierung der Pathologie<br />
Es müssen unterschiedliche Systeme konventioneller<br />
wie auch digitaler Art miteinander verbunden werden,<br />
Autorenkollektiv<br />
Mobilitätsanalyse: Stürzen vorbeugen mit<br />
künstlicher Intelligenz<br />
Individuelle Sturzprävention und Entlastung der Fachkräfte<br />
durch 3D-Gangbildanalysen per Handy-Kamera,<br />
Diana Heinrichs<br />
Entlastung der Pflege<br />
Notfallknopf bleibt nur noch für wirkliche Notfälle,<br />
Julian Nast-Kolb<br />
Gesetze am laufenden Band -<br />
WAS IST DIE POLITISCHE STRATEGIE?<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 6
DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
Gesetze am laufenden Band –<br />
Was ist die politische Strategie?<br />
Komplexität ist schwer beherrschbar, Folgenabschätzungen sind<br />
vonNöten und die Wirkungen möglicher Interaktionen SIND kaum<br />
überschaubar<br />
Seit Amtsantritt von Bundesgesundheitsminister<br />
Jens Spahn werden in kurzer Taktung neue<br />
Gesetzentwürfe produziert, diskutiert und auch<br />
durchs Parlament gebracht. Während die Beteiligten<br />
und Betroffenen noch versuchen, sich<br />
darauf einzustellen, kündigt das Ministerium<br />
weitere an. Werden sie die Gesundheitsversorgung,<br />
speziell auch die Krankenhausversorgung,<br />
verbessern oder sind sie in ihren Auswirkungen<br />
eher kontraproduktiv? Das Interview<br />
mit <strong>VKD</strong>-Präsident Dr. Josef Düllings zu den Positionen<br />
des Managerverbandes und den Forderungen<br />
aus Sicht der Praxis für eine tatsächlich<br />
zukunftsweisende Perspektive.<br />
Unser Gesprächspartner<br />
Herr Dr. Düllings, wie fühlen Sie sich angesichts des<br />
Gesetze-Tsunami aus der Berliner Friedrichstraße?<br />
Dr. Josef Düllings: Einerseits, andererseits, würde ich<br />
sagen. Erfreulich ist ja, dass der Minister einerseits<br />
ganz offensichtlich Probleme aufgreifen und auch<br />
zur Lösung bringen will. Er kennt die Herausforderungen<br />
nicht nur aus früheren Zeiten als Gesundheitspolitiker,<br />
sondern sucht auch immer wieder<br />
selbst das Gespräch mit Praktikern, geht in Krankenhäuser,<br />
hört zu. Er stellt sich Diskussionen – auch<br />
mit uns, den Führungskräften der Krankenhäuser,<br />
Rehakliniken und Altenpflegeheime. Das schafft<br />
durchaus Vertrauen.<br />
Andererseits ist die Gesundheitsversorgung ein<br />
komplexes Thema. Wer hier Veränderungen in dieser<br />
Geschwindigkeit anstrebt, noch dazu mit solch<br />
einer Fülle neuer Gesetze, Verordnungen, Regelungen,<br />
kann die daraus resultierenden Folgen in der<br />
Praxis und auch die entstehenden Interaktionen<br />
kaum abschätzen – wobei die Folgenabschätzung<br />
von Gesetzentwürfen ohnehin ein Stiefkind der<br />
Gesetzgebung in Deutschland ist. Die Taktung ist<br />
so hoch, dass die Umsetzung ohnehin erst in den<br />
Anfängen steckt, ohne dass auch wir aus unserer<br />
Praxiserfahrung und eigenen Berechnungen heraus<br />
sagen könnten, was das alles für die Krankenhäuser<br />
tatsächlich bedeutet.<br />
Foto.: <strong>VKD</strong><br />
Dr. Josef Düllings,<br />
Präsident des Verbandes<br />
der Krankenhausdirektoren Deutschlands<br />
(<strong>VKD</strong>)<br />
Haben Sie ein konkretes Beispiel parat?<br />
Dr. Josef Düllings: Ja, natürlich. Ganz aktuell und<br />
heftig diskutiert auch bei uns im Verband sind das<br />
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz und die darin vorgesehene<br />
Ausgliederung der Pflegekosten aus dem<br />
DRG-System. Ein Eingriff in das hochkomplexe Finanzierungssystem,<br />
dessen Realisierung dem InEK,<br />
wie man hört, jedenfalls nicht so flott gelingen wird,<br />
wie zunächst angenommen, und nicht so schnell<br />
realisiert werden kann, wie man das vielleicht in Berlin<br />
erwartet hätte. Die Deutsche Krankenhausgesell-<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 8 9 <strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
Das Bundesgesundheitsministerium hat den<br />
Krankenhausstrukturfonds für vier Jahre mit insschaft<br />
rechnet damit, dass kaum ein Krankenhaus<br />
zum 1. Januar 2020 ein Pflegebudget vereinbart<br />
haben wird. Insgesamt haben wir es bei diesem Gesetz<br />
gleich mit mehreren Problemen zu tun, die uns<br />
großes Kopfzerbrechen bereiten.<br />
Wir haben mögliche Auswirkungen auf die Krankenhäuser<br />
bereits in unserer Stellungnahme zum Gesetzentwurf<br />
deutlich gemacht. Inzwischen kann in<br />
den Kliniken durchgerechnet<br />
werden, was sie zumindest<br />
die vorgesehene Pauschale<br />
für die Übergangszeit kosten<br />
wird. Da kommt man auf erhebliche<br />
Summen, die von<br />
dem pauschalen Tagessatz<br />
in Höhe von 130 Euro pro Fall<br />
vielfach nicht gedeckt werden<br />
– ich denke da an die Geriatrie, Kinderkliniken,<br />
aber auch Universitätskliniken. Doch nicht nur für<br />
sie wird das schwierig. Es wird vorhersehbar eine<br />
ganze Reihe von Häusern in finanzielle Schwierigkeiten<br />
bringen, wenn diese Pauschale nicht aufgestockt<br />
wird.<br />
Es ist durchaus anzuerkennen, dass die Krankenhäuser<br />
durch eine Begrenzung der Erlösverluste von<br />
zwei Prozent aus der Summe von Gesamtbetrag<br />
und Pflegebudget geschützt werden sollen. Die<br />
Bemessungsgrundlage dafür soll aber das Budget<br />
von <strong>2019</strong> sein. Kosten- und Leistungssteigerungen<br />
werden also für 2020 nicht berücksichtigt.<br />
Was wir schon in unserer Stellungnahme kritisiert<br />
haben, ist die Tatsache, dass Assistenzpersonal, also<br />
die Pflegenden unterstützendes Personal, das in<br />
den letzten Jahren in vielen Krankenhäusern eingestellt<br />
wurde, im Pflegebudget nicht berücksichtigt<br />
ist und damit auch nicht vollständig refinanziert<br />
wird. Das ist ein weiterer Baustein zur Unterfinanzierung<br />
der Krankenhäuser und kontraproduktiv für<br />
die Behebung des Fachkräftemangels in der Pflege.<br />
Wir werden außerdem mit einem weiteren, erheblichen<br />
Aufwuchs an Bürokratie durch die doppelte<br />
Abrechnung von DRGs und Pflegebudget rechnen<br />
müssen.<br />
Im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“,<br />
im vorigen Sommer ausgerufen von gleich drei<br />
Bundesministern, wurde jetzt von den geschäftsführenden<br />
Vorständen der Koalitionsfraktionen<br />
beschlossen, dass die Pflege von Bürokratie entlastet<br />
werden soll…<br />
Erfreulich ist ja, dass der<br />
Minister einerseits ganz<br />
offensichtlich Probleme<br />
aufgreifen und auch zur<br />
Lösung bringen will.<br />
„<br />
„<br />
Dr. Josef Düllings: Das ist ja an sich auch erfreulich.<br />
Leider steht dem entgegen, dass zum Beispiel die<br />
PKMS-Kodierung mit akribischer, kleinteiliger Aufzeichnung<br />
pflegerischer Maßnahmen auch 2020<br />
weiterhin vorgegeben wird – und das, obwohl<br />
diese Daten für das Pflegebudget überhaupt nicht<br />
benötigt werden. Der Abbau von Bürokratie ist immer<br />
wieder versprochen worden. Das Gegenteil<br />
geschieht, wie wir jeden Tag in den Krankenhäusern<br />
erleben. Mit jedem Gesetz<br />
und jeder Regelung werden es<br />
mehr Pflichten für Ärzte und<br />
Pflegende – und damit verstärkt<br />
sich natürlich der Personalmangel<br />
weiter.<br />
Immerhin war doch erfreulich,<br />
dass Tarifsteigerungen<br />
für die Pflegekräfte von den Kassen voll refinanziert<br />
werden – das hat der <strong>VKD</strong> immer wieder gefordert.<br />
Dr. Josef Düllings: Ja, wenn es denn tatsächlich so<br />
wäre. Die Vorgaben zur Tarifausgleichsrate verhindern<br />
das bis heute. Das Geld kommt nicht vollständig<br />
in den Krankenhäusern an. Die Krankenkassen<br />
mauern bei den Budgetverhandlungen, wenn es<br />
etwa um Zahlungen für Mitarbeiter aus Zeitarbeitsfirmen<br />
geht, obwohl diese examiniert sind.<br />
Positiv ist dagegen, dass die Vergütungen von<br />
Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, Krankenpflege<br />
und Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr<br />
vollständig von den Kostenträgern<br />
refinanziert werden. Hier gibt es einen Anreiz, mehr<br />
auszubilden.<br />
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert,<br />
dass einerseits den Krankenhäusern gegeben<br />
werden soll, ihnen andererseits an verschiedenen<br />
Stellen „genommen“ wird.<br />
Dr. Josef Düllings: Ja, das Spiel kennen wir schon:<br />
linke Tasche, rechte Tasche. Es zeigt erneut, wie wenig<br />
konsequent viele Gesetzesregelungen sind, wie<br />
gleichzeitig auch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss<br />
erarbeiteten Umsetzungsregeln den Willen<br />
des Gesetzgebers oft konterkarieren.<br />
Ein ziemliches Durcheinander…<br />
Dr. Josef Düllings: Ja, so sieht´s aus. Und die Krankenhäuser,<br />
ihre Mitarbeiter und auch die Patienten<br />
baden es am Ende aus. Dazu gehört außerdem das<br />
viel diskutierte Thema Personaluntergrenzen, die<br />
seit Anfang dieses Jahres für vier Bereiche gelten.<br />
Auch hier wieder: Das gesundheitspolitische Ziel<br />
ist das eine, die Umsetzung das andere. Ziel des<br />
Gesetzgebers ist es, durch Personaluntergrenzen<br />
zunächst in diesen vier pflegesensitiven Bereichen<br />
– Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie<br />
- die Versorgung der Patienten und deren<br />
Sicherheit zu verbessern. Das soll dann 2020 auf alle<br />
Abteilungen ausgeweitet werden. Die Ausweitung<br />
halten wir für einen Fehler. Die Nebenwirkungen<br />
sind überhaupt nicht klar.<br />
Was zunächst auch für die Öffentlichkeit gut und<br />
fürsorglich klingt, ist aus Sicht der Praxis realitätsfern.<br />
So wurden die Vorgaben für die Besetzung<br />
von Intensivstationen vollkommen undifferenziert<br />
festgelegt. Sie gehen nicht von einer sinnvollen,<br />
auf die unterschiedlichsten Pflegebedarfe in diesem<br />
Bereich ausgerichteten Besetzung aus, die sich<br />
allein schon zwischen Hochleistungskliniken und<br />
Intensivstationen der Grund- und Regelversorgung<br />
logischer Weise deutlich unterscheiden. Hier wird<br />
bereits bei diesen augenfälligen Unterschieden alles<br />
über einen Kamm geschoren. Gleichzeitig verhindern<br />
sie einen flexiblen Personaleinsatz, der vor<br />
Ort möglich sein muss und effizient gesteuert werden<br />
muss. Diese Vorgaben sind am grünen Tisch<br />
gestrickt und wenig hilfreich. Gesetzgeberischer<br />
Korrekturbedarf ist schon jetzt erkennbar.<br />
Wir haben im vorigen Jahr mehrfach gefordert,<br />
den damaligen Verordnungsentwurf grundsätzlich<br />
zu überarbeiten oder ganz auszusetzen und uns<br />
für ein gut begründetes, wirklich praxistaugliches<br />
Gesamtpaket ausgesprochen, das vor allem dem<br />
Management auch Spielraum für hausindividuelle<br />
Entscheidungen lassen würde. Es gab zudem zahlreiche<br />
Einwände auch von unseren Verbandsmitgliedern,<br />
die deutlich gemacht haben, dass diese<br />
Vorgaben zum Teil nicht umsetzbar sind oder die<br />
Patientenversorgung sogar gefährden. Gewarnt<br />
wurde auch vor Stations- und Bettenschließungen,<br />
wenn die Vorgaben nicht erfüllt werden könnten.<br />
Das ist auch so gekommen – über Stationsschließungen<br />
berichten regionale Medien inzwischen<br />
durchaus häufig.<br />
Dr. Josef Düllings: Jens Spahn hat in diesem Zusammenhang<br />
und auch in unserer Jahrestagung,<br />
mehrfach erklärt, dass er damit nicht unbedingt unzufrieden<br />
ist. Es gehe ja um die Pflegequalität. Das<br />
können wir wirklich nicht nachvollziehen. Regelmäßig<br />
berichten lokale Medien in den Grippezeiten<br />
über Aufnahmestopps von Krankenhäusern. Das ist<br />
nicht die Gesundheitsversorgung, die Bürger sich<br />
wünschen und für die sie als Versicherte ihre Beiträge<br />
gezahlt haben. Angesichts des erheblichen Fachkräftemangels<br />
gerade in Pflegeberufen, der nicht<br />
von heute auf morgen behoben werden kann, hat<br />
nicht nur unser Verband vor einer willkürlichen Verknappung<br />
von Behandlungskapazitäten gewarnt.<br />
Wir haben uns zudem für den von der Deutschen<br />
Krankenhausgesellschaft vorgeschlagenen Ganzhausansatz<br />
ausgesprochen, um mit substanziellen<br />
Datenerhebungen und einem soliden Personalbemessungsinstrument<br />
eine belastbare Grundlage für<br />
solche Festlegungen zu schaffen.<br />
Was offenbar auch von der „Konzertierten Aktion<br />
Pflege“ aufgegriffen wurde.<br />
Dr. Josef Düllings: Anfang Juni wurden die Ergebnisse<br />
der vor einem Jahr ins Leben gerufenen Aktion<br />
gegen den Pflegemangel vorgestellt. Im Grunde<br />
bestehen sie, wenn ich das richtig sehe, erst einmal<br />
vor allem aus Vorhaben und Plänen. Dabei ist auch<br />
vorgesehen, die Pflegepersonaluntergrenzen zu<br />
einem Pflegepersonalbemessungsverfahren weiterzuentwickeln.<br />
Was wir brauchen, ist ein praxisorientiertes<br />
und flexibles System, das nicht einzelne<br />
Abteilungen, sondern die gesamte Personalausstattung<br />
im Blick hat.<br />
Angesichts der vielen Gesetze, Regelungen und Aktionen<br />
zur Behebung des Fachkräftemangels, nicht<br />
nur in der Pflege, wird aber auch deutlich, dass es im<br />
Grunde an einem Gesamtplan fehlt.<br />
Und über all den Anforderungen und Notwendigkeiten<br />
steht immer die Finanznot vieler Kliniken.<br />
Dr. Josef Düllings: Ja. Ich kann mich an kein Jahr<br />
in meinem Berufsleben, speziell als Geschäftsführer<br />
eines Krankenhausunternehmens, erinnern, in<br />
dem das nicht ein beherrschendes Thema gewesen<br />
wäre. Es gab natürlich immer bessere und schlechtere<br />
Zeiten für die Krankenhäuser. Aber eines durchzieht<br />
die Branche wie ein roter Faden, und dies seit<br />
Jahrzenten, nämlich das Drama der Investitionsfinanzierung,<br />
auch wenn es von Bundesland zu Bundesland<br />
Unterschiede gibt. Hier ist der Ansatzpunkt<br />
für viele falsche Entwicklungen in der Branche, auch<br />
im Personalbereich.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 10 11<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
Dass die unterschiedlichen Finanzierungssysteme<br />
nicht kompatibel sind, habe ich bereits gesagt. Wir<br />
plädieren für ein eigenständiges System für diesen<br />
Bereich. Wichtig ist dabei, dass die enorme Unterdegesamt<br />
einer Milliarde Euro pro Jahr fortgesetzt.<br />
Kommt das den Forderungen des <strong>VKD</strong> nicht<br />
doch entgegen? Rund 120 kleine als bedarfsnotwendig<br />
eingestufte Krankenhäuser in Flächenregionen<br />
werden zudem mit je 400.000 Euro unterstützt.<br />
Dr. Josef Düllings: Der Strukturfonds – immerhin<br />
inzwischen nicht nur für die Schließung und Umwandlung<br />
von Krankenhäusern gedacht, sondern<br />
zum Beispiel auch auf Digitalisierungsprojekte erweitert<br />
– ist natürlich besser als nichts. Auch die<br />
Unterstützung bedarfsnotwendiger Häuser – von<br />
den Kassen lange Zeit blockiert – ist natürlich nicht<br />
abzulehnen. Aber angesichts der vor uns liegenden<br />
riesigen Herausforderungen ist dies politische<br />
Kosmetik.<br />
Unsere zentrale Forderung geht in eine andere,<br />
grundsätzliche und nicht nur temporär wirkende<br />
Richtung: Der Bund muss angesichts der mittlerweile<br />
jahrzehntelangen Misere dieser Tatsache<br />
„<br />
Die Gesundheitsversorgung ist ein komplexes<br />
Thema. Wer hier Veränderungen<br />
in dieser Geschwindigkeit anstrebt,<br />
noch dazu mit solch einer Fülle neuer<br />
Gesetze, Verordnungen, Regelungen,<br />
kann die daraus resultierenden Folgen<br />
in der Praxis und auch die entstehenden<br />
Interaktionen kaum abschätzen.<br />
“<br />
endlich ins Auge sehen und sich an der Investitionsförderung<br />
messbar beteiligen. Die Länder<br />
bringen insgesamt nicht einmal die Hälfte der<br />
konservativ als nötig geschätzten mehr als sechs<br />
Milliarden Euro dafür auf. Anfang der 1990er Jahre<br />
lag die Investitionsquote noch bei neun Prozent.<br />
Heute liegt sie bei unter drei Prozent. Wir haben<br />
zudem einen riesigen Investitionsstau. Viele Anlagegüter<br />
der Krankenhäuser sind bereits seit Jahren<br />
vollständig abgeschrieben, Gebäude und auch<br />
technische Anlagen sind nicht selten in einem maroden<br />
Zustand. Kein Mensch scheint sich für diese<br />
tickende Zeitbombe zu interessieren. Ein Ende<br />
der Unterfinanzierung ist nicht absehbar. Auch der<br />
Strukturfonds bedeutet keine Beteiligung des Bundes.<br />
Er finanziert sich zur Hälfte aus Mitteln des Gesundheitsfonds<br />
und zur anderen Hälfte aus Mitteln<br />
der Länder, die hier aktiv werden müssen – oder es<br />
auch lassen können.<br />
Das MDK-Gesetz wurde noch kurz vor der parlamentarischen<br />
Sommerpause vom Kabinett beschlossen.<br />
Damit wurde eine wichtige Forderung<br />
des <strong>VKD</strong> umgesetzt. Sind sie zufrieden?<br />
Dr. Josef Düllings: Ja, im Grundsatz durchaus, auch<br />
wenn die Fassung des Gesetzentwurfs noch verändert<br />
wurde – zugunsten der Krankenkassen, zu<br />
Lasten der Krankenhäuser. Durch die Unabhängigkeit<br />
des Medizinischen Dienstes von den Krankenkassen<br />
erwarten wir aber künftig faire Abrechnungsprüfungen.<br />
Dass die Kassen strittig gestellte<br />
Leistungen künftig nicht mehr gegen unstrittige<br />
aufrechnen dürfen, ist ebenfalls sehr wichtig für die<br />
Krankenhäuser. Der inzwischen erhebliche Anstieg<br />
der Prüfungen wird auf ein normales Maß begrenzt.<br />
Gut so!<br />
Dass die Krankenhäuser mit Strafzahlungen belegt<br />
werden sollen, wenn im Ergebnis der Prüfungen<br />
Rechnungen gekürzt werden, ist dagegen ein Unding<br />
und nirgends sonst in irgendeiner Gebührenordnung,<br />
etwa für Vertragsärzte, so festgelegt. Hier<br />
zeigt es sich wieder, das Misstrauen gegenüber den<br />
Krankenhäusern.<br />
Die neu in den Gesetzentwurf eingefügte Regelung<br />
zur Besetzung der Aufsichtsgremien des Prüfinstituts<br />
durch eine dominierende Anzahl von Kassenvertretern<br />
kratzt erheblich an dessen eigentlich<br />
angestrebter Unabhängigkeit. Das muss noch geändert<br />
und die Krankenhausseite paritätisch eingebunden<br />
werden.<br />
Ein Blick in die nahe Zukunft: Bundesgesundheitsminister<br />
Jens Spahn hat auf der <strong>VKD</strong>-Jahrestagung<br />
angekündigt, dass im zweiten Halbjahr<br />
die Diskussion um eine sektorenübergreifende<br />
Versorgung erheblich intensiviert wird. Eine<br />
Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat dazu bereits den<br />
Arbeitsentwurf für ein Eckpunktepapier veröffentlicht.<br />
Wie sind die Positionen des <strong>VKD</strong> zu diesem<br />
Thema?<br />
Dr. Josef Düllings: Das Thema ist nicht neu – Integrierte<br />
Versorgung, Ambulante Spezialfachärztliche<br />
Versorgung (ASV) sind ja Schritte in diese Richtung.<br />
Der <strong>VKD</strong> war und ist offen für eine sektorenübergreifende<br />
Gesundheitsversorgung. Das haben wir immer<br />
wieder betont.<br />
Dass gerade in ländlichen Regionen die Realität, vor<br />
allem das Fehlen niedergelassener Fachärzte, sektorenübergreifendes<br />
Arbeiten erzwingt, ist uns allen<br />
bewusst. Unser Verband plädiert dafür,<br />
je nach den Bedingungen in einer Region,<br />
sektorenübergreifend Versorgung zu<br />
planen – eine definitive Pflicht der Bundesländer<br />
in Kooperation mit der Selbstverwaltung.<br />
Notwendig ist aus unserer<br />
Sicht dabei aber auch die Konzentration<br />
der Leistungen – ambulant wie stationär<br />
– an den Krankenhäusern als Anker<br />
der Versorgung und die Entwicklung der<br />
Kliniken zu Gesundheitszentren, an die<br />
dann auch Altenpflege und ambulante<br />
Pflege sowie andere Gesundheitsberufe<br />
andocken können.<br />
Die Frage ist aber nicht das Ob, sondern<br />
das Wie. Es geht ja neben der Bedarfsplanung<br />
auch um Zulassungsfragen, um<br />
die Honorierung der Leistungen, aber<br />
auch um die technischen Vernetzungsbedingungen<br />
und die telematische<br />
Infrastruktur. Das sind keine einfachen<br />
Herausforderungen, wie schon bei den<br />
Modellen zur Integrierten Versorgung<br />
sowie bei der von Kontrollwahn getriggerten<br />
Überbürokratie in der ASV erlebt.<br />
Besondere Knackpunkte sind für uns<br />
die Finanzierung und die Qualitätssicherung.<br />
Die Krankenhäuser mit ihrem<br />
komplexen System der Qualitätssicherung<br />
erwarten Vergleichbares auch von<br />
den niedergelassenen Ärzten. Im Grunde<br />
brauchen wir hier eine gemeinsame<br />
Qualitätsstrategie und eben auch sektorenübergreifende<br />
Qualitätsparameter, Prüfungen<br />
und eine gemeinsame Qualitätssicherung. Hier<br />
müssen sich auch die niedergelassenen Ärzte bewegen.<br />
Auch die Krankenkassen müssen natürlich<br />
ins Boot, da nach Entlassung der Patienten deren<br />
weitere Wege für uns eine Black Box sind.<br />
Ebenfalls ein sehr schwieriges Thema wird die Frage<br />
der Finanzierung sein, denn bisher sind Projekte<br />
der Integrierten Versorgung zum Beispiel meist auf<br />
Finanzhilfen angewiesen. Die unterschiedlichen Finanzierungssysteme<br />
ambulant und stationär sind<br />
in sich nicht kompatibel. Wie die Kompatibilität hergestellt<br />
werden könnte, ist eine Frage. Die Lösung<br />
sehe ich derzeit eher noch in weiter Ferne. Ein Test<br />
wäre zunächst für die ASV eine einheitliche Vergütungssystematik<br />
sowie möglicher Weise Hybrid-<br />
DRGs für die sektorenübergreifenden Elemente des<br />
Versorgungssystems.<br />
Der Abbau von Bürokratie ist immer<br />
wieder versprochen worden. Das Gegenteil<br />
geschieht, wie wir jeden Tag in den Krankenhäusern<br />
erleben. Mit jedem Gesetz und<br />
jeder Regelung werden es mehr Pflichten<br />
für Ärzte und Pflegende – und damit verstärkt<br />
sich natürlich der Personalmangel<br />
weiter.<br />
„<br />
“<br />
Inzwischen gibt es konkrete Vorstellungen für ein<br />
Gesetz zur ambulanten Notfallversorgung. Sind<br />
diese eine Blaupause für ein künftiges Gesetz zur<br />
sektorenübergreifenden Versorgung?<br />
Dr. Josef Düllings: Wir haben als Verband immer<br />
wieder betont, dass die Gestaltung der ambulanten<br />
Notfallversorgung ein erster Schritt in sektorenübergreifende<br />
Versorgungsformen sein könnte. Was jetzt<br />
als Vorschlag vorliegt, ist allerdings noch keine Lösung.<br />
Wir begrüßen sehr, dass die Politik hier tätig<br />
wird. Wir müssen als Verband aber auch sehr deutlich<br />
auf Gefahren für die Krankenhäuser hinweisen,<br />
die sich für die Zukunft daraus ergeben können.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 12 13<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />
ckung aus der bisherigen Vergütung keine Fortsetzung<br />
findet. Außerdem ist es systemwidrig, dass die<br />
Vergütung dreiseitig mit den KVen zu vereinbaren<br />
ist, die über die Jahre eine faire Vergütung für die Kliniken<br />
verhindert haben.<br />
Die Reform der Notfallversorgung darf nicht dazu<br />
führen, dass der Patientenversorgung wertvolle<br />
Ressourcen entzogen werden. Der <strong>VKD</strong> befürchtet,<br />
dass mit der jetzt angestrebten Lösung genau dies<br />
geschieht: Aufbau von Parallelstrukturen und Aufwuchs<br />
von Bürokratie.<br />
Was wir ebenfalls grundsätzlich ablehnen, ist die<br />
Vorstellung, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen<br />
im Rahmen der geplanten Integrierten Notfallzentren<br />
in unseren Häusern mitbestimmen sollen.<br />
Schwierig ist in diesem Zusammenhang auch die<br />
Frage der personellen Ausstattung. Die INZ sollen<br />
eigenständig agieren, das Personal aber wird naturgemäß<br />
vom Krankenhaus gestellt werden. Dass<br />
wir hier große personelle Unterstützung aus dem<br />
KV-Bereich erhalten werden, scheint angesichts der<br />
aktuellen Lage ohnehin eine Illusion zu sein.<br />
Als <strong>VKD</strong> müssen wir uns jedenfalls sehr konkret mit<br />
den möglichen Auswirkungen auf die Krankenhäuser<br />
beschäftigen. Wir werden uns hier nicht von der<br />
Lobby der niedergelassenen Ärzte das Heft aus der<br />
Hand nehmen lassen.<br />
Nicht zu vergessen ist, dass der Ausbau von Versorgungsstrukturen<br />
für die ambulante Notfallversorgung<br />
an Krankenhäusern Investitionen erfordert.<br />
Daher ist aus Sicht des <strong>VKD</strong> eine weitere Aufstockung<br />
des Strukturfonds explizit für diesen Zweck<br />
für alle an der stationären Notfallversorgung teilnehmenden<br />
Krankenhäuser notwendig.<br />
Was zunächst auch für die Öffentlichkeit<br />
gut und fürsorglich klingt, ist aus<br />
Sicht der Praxis realitätsfern. So wurden<br />
die Vorgaben für die Besetzung von<br />
Intensivstationen vollkommen undifferenziert<br />
festgelegt.<br />
„<br />
“<br />
Die Krankenhäuser haben bisher den Versorgungsauftrag<br />
für die ambulante Notfallversorgung<br />
für sich reklamiert…<br />
Dr. Josef Düllings: …weil sie diejenigen sind, die<br />
den größten und einen seit Jahren wachsenden Teil<br />
dieser Arbeit leisten. Um auch künftig eine flächendeckende<br />
Zugangsmöglichkeit für Notfallpatienten<br />
zu gewährleisten, muss allen Krankenhäusern, die<br />
bereits heute an der Notfallversorgung teilnehmen,<br />
der Versorgungsauftrag für die ambulante Notfallversorgung<br />
durch Entscheidung der Länder übertragen<br />
werden.<br />
Wir stehen bei der sektorenübergreifenden Versorgung<br />
vor einem komplexen, sicher auch von vielen<br />
Diskussionen begleiteten Vorhaben, das die Strukturen<br />
der Gesundheitsversorgung grundlegend<br />
verändern und das in der Umsetzung Zeit brauchen<br />
wird. Diese müssen wir dann gemeinsam auch nutzen,<br />
immer wieder Korrekturen und Anpassungen<br />
vorzunehmen. Ich denke nicht, dass wir von Anfang<br />
an ein perfektes Konzept umsetzen können. Die<br />
Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Sektorenübergreifende<br />
Versorgung“ soll bis 2020 ihre Vorschläge veröffentlichen.<br />
Dann sehen wir hoffentlich klarer, was<br />
die Politik will – und können uns damit konstruktiv<br />
auseinandersetzen – wie wir es als Krankenhauspraktiker<br />
gewohnt sind. Was wir wollen ist klar, eine<br />
gute und ambulant-stationär integrierte Patientenversorgung.<br />
Herr Dr. Düllings, vielen Dank für Ihre<br />
ausführlichen Antworten.<br />
Der Kampf ums Personal<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 14
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
?<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
?<br />
?<br />
?<br />
?<br />
Es gibt nicht die eine Lösung<br />
Der Fachkräftemangel ist eine komplexe strategische<br />
Herausforderung für das Management der Krankenhäuser,<br />
Rehakliniken und Einrichtungen der Altenpflege<br />
?<br />
?<br />
?<br />
Pflegenotstand in deutschen<br />
Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen<br />
und Pflegeheimen. Dieses<br />
Problem hat es bis in den<br />
aktuellen Koalitionsvertrag<br />
der Regierungsparteien<br />
geschafft. Der Verband<br />
der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands weist seit Jahren<br />
immer wieder auf den<br />
sich stetig verschärfenden<br />
Fachkräftemangel in Pflege<br />
und Medizin der stationären<br />
Gesundheitsversorgung hin.<br />
Die Geschäftsführungen sehen<br />
tagtäglich in ihren Häusern,<br />
was es bedeutet, wenn<br />
oft nur noch mit größter<br />
Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter<br />
die Lücken kompensiert<br />
werden können, die immer wieder neu<br />
durch Krankheit, Fluktuation, anwachsende<br />
Patientenzahlen und insbesondere politische<br />
Entscheidungen, die u.a. über die Jahre auch<br />
zu den enorm zugenommenen Dokumentationspflichten<br />
geführt haben, gerissen werden.<br />
Hinzu kommt der demografische Faktor, der<br />
sowohl Patienten als auch Mitarbeitet betrifft.<br />
Immer wieder finden sich in den Medien Berichte<br />
über katastrophale Zustände in Krankenhäusern.<br />
Pflegende und Ärzte beklagen massive und dauerhafte<br />
Überlastung. Das liest man als Geschäftsführer<br />
eines Krankenhauses auch dann nicht gern, wenn<br />
es nicht um die eigene Einrichtung geht, in der die<br />
Situation solchen Berichten vielleicht weniger oder<br />
vielleicht nur von Zeit zu Zeit entspricht.<br />
Einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung<br />
Roland-Berger zufolge, für die Vorstände und Geschäftsführer<br />
der 400 größten deutschen Krankenhäuser<br />
befragt wurden, ist deren größte Sorge der<br />
Autor<br />
Foto: <strong>VKD</strong><br />
Dr. Jens-Uwe Schreck<br />
Geschäftsführer des Verbandes der<br />
Krankenhausdirektoren Deutschlands<br />
(<strong>VKD</strong>)<br />
sich verschärfende Fachkräftemangel.<br />
Wären die Manager<br />
kleinerer Häuser ebenfalls gefragt<br />
worden, würde das Bild<br />
nicht nennenswert anders,<br />
vielleicht sogar dramatischer<br />
aussehen. In der Pflege, so<br />
konstatiert die Studie, fehlten<br />
deutschlandweit rund<br />
20.000 qualifizierte Kräfte. Im<br />
vorigen Jahr haben allerdings<br />
nur 11.000 Fachkräfte dieser<br />
Berufsgruppe eine Arbeitsstelle<br />
gesucht. Ein leergefegter<br />
Arbeitsmarkt trifft auf stetig<br />
wachsende Anforderungen.<br />
Solche Aussagen kontrastieren<br />
natürlich mit denen der<br />
Krankenkassen, die meinen, es<br />
gebe im Vergleich mit anderen<br />
europäischen Ländern – gern genanntes Beispiel ist<br />
inzwischen Dänemark – viel zu viele Fachkräfte in<br />
Medizin und Pflege. Man müsse nur die Strukturen<br />
ändern, zentralisieren, die Zahl der Krankenhäuser<br />
und Klinikbetten erheblich verringern, weniger<br />
operieren, dann würde es das Fachkräfteproblem<br />
gar nicht geben.<br />
Fakt ist, dass in den letzten Jahren die Zahl der Fachkräfte<br />
in Medizin und Pflege tatsächlich angestiegen<br />
ist. In Deutschland arbeiten so viele Ärzte wie<br />
noch nie, wie die aktuelle Statistik der Bundesärztekammer<br />
für 2018 dokumentiert. Sie schlägt aber<br />
dennoch Alarm und warnt vor Engpässen. Wie der<br />
damalige Präsident der Bundesärztekammer, Prof.<br />
Frank Ulrich Montgomery, erklärte, sei der Zuwachs<br />
von 1,9 Prozent auf 392.402 Ärzte nicht ausreichend<br />
für den künftigen Versorgungsbedarf.<br />
Der Mangel besteht fort und verschärft sich ständig.<br />
Das hat natürlich nicht nur, aber durchaus auch<br />
strukturelle Gründe.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 16 17<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
>><br />
Auch der <strong>VKD</strong> sieht die Notwendigkeit von Strukturveränderungen.<br />
Er fordert aber eine sinnvolle,<br />
alle Sektoren einbindende und moderierte Planung<br />
sowie die Finanzierung solcher aufwändigen Veränderungen<br />
– und den Erhalt einer guten und gut<br />
erreichbaren Versorgung in ländlichen Regionen,<br />
wie sie übrigens im Juli auch Bundesgesundheitsminister<br />
Jens Spahn für richtig hielt. Angesichts der<br />
beschlossenen Sicherstellungszuschläge für kleine<br />
Krankenhäuser auf dem Lande kommentierte er:<br />
„Ein Krankenhaus vor Ort ist für viele Bürger ein Stück<br />
Heimat. Es gibt ihnen Geborgenheit und Sicherheit.<br />
Gerade in gesundheitlichen Notlagen braucht es<br />
eine schnell erreichbare Versorgung vor Ort.“<br />
Die Vorstellung, man zentralisiert und hat dann automatisch<br />
die Mitarbeiter der geschlossenen Häuser<br />
zur Verfügung, verkennt zudem, dass Menschen<br />
nicht einfach so „verschoben“ werden können.<br />
Wellenbewegungen<br />
Fachkräftemangel und Fachkräfteüberschuss in den<br />
Krankenhäusern wechselten sich seit Anfang der fünfziger<br />
Jahre in Wellenbewegungen ab. So kam es nach dem<br />
Krieg zu einem Boom an jungen Ärzten, der abflaute, als<br />
es andere Niederlassungsmöglichkeiten gab, abgelöst<br />
wiederum durch einen erneuten Anstieg durch Reduzierung<br />
der tariflichen Arbeitszeit. Vielfach waren es auch gesundheitspolitische<br />
Entscheidungen, die zu einem Mangel<br />
an Fachkräften führten – meist verbunden mit zunehmenden<br />
bürokratischen Pflichten, die Ärzte und Pflegende<br />
von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten. Aktuell sei auf<br />
die Auswertung der durchschnittlichen Monatswerte im<br />
2. Quartal bei den Pflegepersonaluntergrenzen verwiesen.<br />
Laut DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum in einer Pressemitteilung<br />
erfüllten nur vier Prozent der Krankenhäuser<br />
die Vorgaben nicht. Baum: „800 Krankenhäuser haben für<br />
2.259 Stationen 22.000 Monatsdurchschnittswerte gemeldet,<br />
die auf fast 700.000 Schichten basieren.“ Was für ein<br />
überflüssiger Aufwand an Bürokratie, die unsere Klinikmitarbeiter<br />
leisten müssen!<br />
Wer das anstrebt, ignoriert – dies sei an dieser Stelle<br />
nur kurz angemerkt - im Übrigen aber auch die<br />
enorme wirtschaftliche Bedeutung von Krankenhäusern<br />
für eine Region. Auch dazu gibt es Studien,<br />
die aber von Zentralisierungsbefürwortern offenbar<br />
nicht berücksichtigt werden.<br />
DIE EINFACHE RECHNUNG<br />
FUNKTIONIERT NICHT<br />
Ein Blick auf die aktuelle Situation und die Gründe<br />
dafür zeigt, dass eine so einfache Rechnung unter<br />
den heutigen Bedingungen nicht funktioniert.<br />
Es gibt sie ja auch nicht, überall die gleiche „Lage“. In<br />
ländlichen Regionen sind Pflegekräfte häufig weniger<br />
knapp als in Städten. Hingegen fehlen den Kliniken<br />
auf dem Lande oft die Ärzte.<br />
Da Pflegende in ihrer Mehrzahl Frauen sind, die aus<br />
den verschiedenen Gründen ihren Wohnort, wenn<br />
er in einer ländlichen Region liegt, nicht verlassen<br />
möchten oder können, sind die Belegschaften hier<br />
häufig stabiler als in den Städten, wo Wechsel eher<br />
unkompliziert verlaufen, ohne dass man umziehen<br />
muss, wenn der Arbeitgeber gewechselt wird. Zudem<br />
ist die berufliche Auswahl größer, weil es mehrere<br />
Krankenhäuser sowie erheblich mehr andere<br />
Anbieter von Gesundheitsleistungen gibt als auf<br />
dem Lande.<br />
Das Problem in ländlichen Regionen, zumal in Ostdeutschland,<br />
ist im Pflegebereich eher die Demografie,<br />
denn wenn die gegenwärtig aktiven Mitarbeiter<br />
in die Rente gehen, fehlt der Nachwuchs, der bereits<br />
in den Städten ist. Ein aufgeschobenes Problem, das<br />
sich u.a. auch in den über die letzten Jahre rückläufigen<br />
Anmeldungen für die Pflegeausbildung zeigt.<br />
Ärzte wiederum sind nur schwer zu bewegen, überhaupt<br />
aufs Land zu ziehen. Das ist schon seit vielen<br />
Jahren bekannt und belegt. So befragte die Universität<br />
Trier in einer Studie im Jahr 2010 12.500 Medizinstudenten<br />
nach ihren beruflichen Vorstellungen.<br />
Die neuen Bundesländer standen in der Beliebtheitsskala<br />
ganz am Ende der Attraktivitätsliste. Aber<br />
auch der Westerwald fand wenig Gnade vor den<br />
Augen der angehenden Mediziner. Ländliche Regionen<br />
in der Nähe größerer Städte dagegen waren<br />
vermutlich schon immer beliebter. Das hat sich über<br />
die Jahre nicht geändert. Viele Ärzte, die zum Beispiel<br />
in Krankenhäusern des Berliner Umlands tätig<br />
sind, wohnen in Berlin und pendeln täglich.<br />
Auch die Infrastruktur spielt in diesem Zusammenhang<br />
eine nicht unbedeutende Rolle. Bahn, Bus,<br />
schnelles Internet, Schulen und Kitas, Einkaufsmöglichkeiten,<br />
Restaurants und kulturelle Angebote<br />
sind wichtig und auf dem Lande eben oft nicht<br />
>><br />
verfügbar. Und wenn man die Wahl hat… Für junge<br />
Ärzte sind zudem Kliniken in größeren Städten und<br />
Ballungszentren auch deshalb attraktiver, weil sie<br />
andere Möglichkeiten der Fortbildung sowie mehr<br />
Karriereoptionen bieten.<br />
Die wesentlichen Gründe für den aktuellen<br />
Fachkräftemangel seien hier kurz zusammengefasst:<br />
Mit der verpflichtenden Einführung der<br />
DRGs im Jahr 2004 ging eine Welle von<br />
Dokumentationsaufgaben einher, die sich<br />
danach stetig vergrößerte durch die Notwendigkeit,<br />
nun Qualität umfangreich zu<br />
dokumentieren, die erhebliche Arbeitszeit<br />
von Ärzten und auch Pflegenden bis<br />
heute bindet und damit mehr Personal in<br />
diesen Berufsgruppen erfordert. In letzter<br />
Zeit kamen die exzessiv angestiegenen<br />
Kontrollen der Medizinischen Dienste hinzu,<br />
der im Übrigen selbst rund 2000 Ärzte<br />
beschäftigt, die der Patientenversorgung<br />
verloren gingen.<br />
>> >><br />
Die aus Brüssel kommende Arbeitszeitregelung<br />
von 2003, die auch die Bereitschaftsdienste<br />
in den Krankenhäusern<br />
betraf, hat nach einem zeitverlängernden<br />
Kompromiss der Arbeits- und Sozialminister<br />
der EU im Jahr 2008 fast schlagartig den<br />
Mangel an Ärzten weiter verschärft. Um<br />
die Regelung umzusetzen, mussten viele<br />
zusätzliche Ärzte eingestellt werden.<br />
Die Anzahl der Ärztinnen stieg auf rund<br />
50 Prozent der Mediziner und damit stiegen<br />
nicht nur die Ausfallzeiten wegen Elternzeit,<br />
sondern auch durch den Wunsch<br />
nach Teilzeitbeschäftigung. Hinzu kommen<br />
auch die Regelungen, die einen Einsatz<br />
von Schwangeren in definierten Bereichen<br />
ausschließen.<br />
>><br />
Über die Jahre kamen eine Reihe gesundheitspolitischer<br />
Gesetze sowie in der Folge<br />
Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />
hinzu, die den Einsatz<br />
weiteren Personals quasi erzwangen und<br />
auch künftig weiter erzwingen.<br />
Die Zahl der Medizinstudienplätze wurde<br />
über die Jahre nicht aufgestockt, obwohl<br />
das sowohl Ärzteverbände als auch der<br />
<strong>VKD</strong> immer wieder gefordert haben. Sie<br />
wurde nach dem Beitritt Ostdeutschlands<br />
sogar zusammengestrichen..<br />
Die Aufspaltung der Berufsgruppen in immer<br />
differenziertere Subspezialisierungen<br />
führte dazu, dass viele Fachkräfte nicht<br />
mehr generalistisch und damit flexibel eingesetzt<br />
werden können.<br />
Die bis vor zwei Jahren stetig steigenden<br />
Fallzahlen sowie die immer älter werdenden<br />
Patienten, die aufwändigere Behandlungen<br />
benötigen, waren weitere Gründe.<br />
>> >> >> >><br />
Der Wunsch nach Vereinbarung von Beruf<br />
und Familie nicht nur bei den Frauen, sondern<br />
bei vielen jungen Medizinern, führte<br />
zu weiteren Teilzeitwünschen, so dass<br />
insgesamt die aktive Arbeitszeit deutlich<br />
weniger gestiegen ist als die Zahl der Ärzte<br />
und Pflegenden insgesamt.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 18 19<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Nicht aus dem Auge zu verlieren ist in diesem Zusammenhang<br />
aber auch der Mangel an Haus- und<br />
Fachärzten in ländlichen Regionen, der sich natürlich<br />
in einer erhöhten Inanspruchnahme der Krankenhäuser,<br />
vor allem der Notaufnahmen, niederschlägt.<br />
Auch die im Jahr 2013 für den niedergelassenen Bereich<br />
veränderte Bedarfsplanung hat offensichtlich<br />
keine Wirkung gezeigt. Das Stadt-Land-Gefälle mit<br />
seinen eklatanten Auswirkungen auf den stationären<br />
Bereich auf dem Lande ist geblieben.<br />
Hier haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und<br />
die Krankenkassen leider nichts gelernt. Wenn man<br />
sieht, dass deren Planungen nach wie vor vom wirklichen<br />
Bedarf ländlicher Regionen in erheblichem<br />
Maße abweichen, hat das Folgen auch für die personelle<br />
Ausstattung der Krankenhäuser.<br />
Was tut die Politik –<br />
und was vermeidet sie?<br />
Die Politik hat das Problem erkannt und im Koalitionsvertrag<br />
der Regierungsparteien ist es benannt<br />
worden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn<br />
hat mit Gesetzesinitiativen in einer Taktung reagiert,<br />
die schon fast unheimlich ist. Die Versuche, das komplexe<br />
Thema anzugehen, hat allerdings nicht nur<br />
Freude in den Krankenhäusern ausgelöst.<br />
Ein Beispiel, das allen noch zu schaffen machen<br />
wird, wenn hier keine grundsätzlichen Änderungen<br />
erfolgen, ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz mit<br />
der Einführung eines Pflegebudgets. Wie sich dieser<br />
massive Eingriff in das hochkomplexe DRG-System<br />
insgesamt auswirkt, ist bereits absehbar. Es wird – so<br />
wie es jetzt umgesetzt werden soll – zu massiven<br />
Unwuchten innerhalb des Personals insgesamt sowie<br />
für die Wirtschaftlichkeit der Häuser führen.<br />
Die Verordnung zu den Pflegepersonal-Untergrenzen<br />
ist in den Krankenhäusern mehrheitlich von Anfang<br />
an abgelehnt worden. Hier stößt sich eine Regelung<br />
vom grünen Tisch mit den Notwendigkeiten<br />
und Bedingungen in der Krankenhauspraxis.<br />
Wie ein solcher Eingriff ausgehen kann, hat das<br />
Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) in einer Studie<br />
im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft<br />
am Beispiel der Umsetzung pflegerischer Strukturvorgaben<br />
ausgewählter Richtlinien des Gemeinsamen<br />
Bundesausschusses sowie zur allgemeinen<br />
Personalsituation in der Intensivpflege im vorigen<br />
„<br />
Die Vorstellung, man zentralisiert und hat dann<br />
automatisch die Mitarbeiter der geschlossenen Häuser<br />
zur Verfügung, verkennt zudem, dass Menschen nicht<br />
einfach so „verschoben“ werden können.<br />
“<br />
Jahr nachgewiesen. Danach hat im Jahr 2016 fast jedes<br />
dritte Krankenhaus Schwierigkeiten gehabt, offene<br />
Stellen im ärztlichen Dienst der Intensivstation<br />
zu besetzen – hochgerechnet seien das bundesweit<br />
600 arztliche Vollkraftstellen in der Intensivmedizin,<br />
die nicht besetzt waren. Jedes zweite Krankenhaus<br />
mit Intensivbereich (53 Prozent) habe in 2016 Probleme<br />
gehabt, offene Stellen in der Intensivpflege<br />
zu besetzen, so die Studie.<br />
Solche Personal-Untergrenzen auf sämtliche Abteilungen<br />
ausweiten zu wollen, wie es vom Gesetzgeber<br />
vorgesehen ist, gleicht einem Vabanquespiel<br />
mit der Versorgungssicherheit. Dass nun die Politik<br />
zurückrudert und zumindest für die von der Deutschen<br />
Krankenhausgesellschaft vorgeschlagene<br />
„Ganzhauslösung“ offen scheint, ist nur ein schwa-<br />
cher Trost. Wenn die Personaldecke zu kurz ist, wird<br />
es an irgendeiner Stelle immer fehlen.<br />
Die „Konzertierte Aktion Pflege“ gleich dreier Bundesministerien,<br />
gestartet im Sommer 2018, ist vermutlich<br />
gut gemeint, aber verliert sich auch wieder<br />
in Einzelaktionen.<br />
Wie gehen die Krankenhäuser<br />
mit dem Personalmangel um?<br />
Mit wachsendem wirtschaftlichem Druck verschärft<br />
sich das Problem. Fehlendes Fachpersonal bedeutet<br />
angesichts der neuen, stringenteren Regelungen<br />
für den Personaleinsatz in bestimmten Abteilungen<br />
auch die Schließung von Stationen oder Betten<br />
und damit wirtschaftliche Einbußen. Operationen<br />
müssen verschoben werden, Geburten werden<br />
verlagert, neue Bereiche, mit denen geplant wurde,<br />
gehen zum Teil nur verzögert in Betrieb.<br />
Verstärkt wird mit Zeitarbeitskräften gearbeitet, die<br />
nicht nur teuer, sondern die auch nicht immer, zu<br />
jeder Zeit und überall einsetzbar sind. Das Thema<br />
wurde auch in der Diskussion mit Bundesgesundheitsminister<br />
Jens Spahn in der <strong>VKD</strong>-Jahrestagung<br />
im Mai dieses Jahres in Berlin angesprochen, der es<br />
als Information „mitnehmen“ wollte. Grundsätzlich<br />
sei Zeitarbeit aus seiner Sicht aber sinnvoll. In den<br />
Krankenhäusern wird das nicht nur aus wirtschaftlicher<br />
Sicht anders gesehen. Es bringt durch die<br />
damit einhergehende Ungleichbehandlung auch<br />
Unruhe in die Belegschaften.<br />
Der Pflegedirektor des Universitätsklinikums Münster,<br />
Thomas van den Hooven, berichtete auf dem<br />
Hauptstadtkongress im Juni dieses Jahres in Berlin,<br />
dass in seinem Klinikum zu diesem Zeitpunkt<br />
120 von 2000 Vollzeitstellen nicht besetzt werden<br />
konnten, so dass rund 50 Betten geschlossen werden<br />
mussten und zwölf Prozent der OP-Kapazitäten<br />
nicht genutzt werden konnten. Auch der Vorstandsvorsitzende<br />
des Albertinen-Diakoniewerks aus<br />
Hamburg, Matthias Scheller, berichtete, dass wegen<br />
des Mangels an Pflegekräften Betten geschlossen<br />
und geplante Operationen abgesagt wurden.<br />
„<br />
Der Fachkräftemangel ist nur ein Symptom<br />
für den notwendigen Strukturwandel<br />
in der Gesundheitsversorgung. Bei allen<br />
Möglichkeiten, hier aktuell gegenzusteuern,<br />
kann er doch grundsätzlich nicht<br />
unabhängig von den übrigen Herausforderungen<br />
betrachtet und gelöst werden.<br />
“<br />
Inzwischen bieten manche Klinikunternehmen<br />
Wechselprämien zum Teil in erheblichen Größenordnungen<br />
an, werben also massiv Personal anderer<br />
Krankenhäuser ab. Das schwächt kleine Häuser<br />
zusätzlich. Größere Krankenhausunternehmen mit<br />
mehreren Standorten gehen dazu über, Springerpools<br />
zu bilden, um schnell Personallücken auffüllen<br />
zu können.<br />
Wie Krankenhausunternehmen auf den Fachkräftemangel<br />
reagieren, zeigen auch die folgenden Beiträge<br />
in diesem Themenschwerpunkt.<br />
Um dem Ärztemangel zu begegnen, gründeten<br />
Krankenhäuser in Brandenburg schon vor etlichen<br />
Jahren eine eigene Medizinische Hochschule. Auch<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 20 21<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
die Mühlenkreiskliniken berichten in diesen <strong>Praxisberichte</strong>n<br />
über ihr Engagement für Medizinernachwuchs<br />
im Rahmen einer umfangreichen und komplexen<br />
Personalstrategie.<br />
Die Ausbildungszahlen in der Pflege werden überall<br />
wieder angehoben. Um Rückkehrer in den Beruf<br />
wird geworben. Vielfach werden Mitarbeiter in Teilzeit<br />
angesprochen, ihre Arbeitszeit aufzustocken.<br />
Auch das Thema ausländische Arbeitskräfte spielt<br />
eine Rolle, auch wenn es sehr aufwändig und nicht<br />
in jedem Fall erfolgreich ist.<br />
Wie kommen wir aus dieser Spirale nach unten vor<br />
allem im Pflegebereich wieder heraus? Krankenhäuser<br />
nutzen bereits eine ganze Reihe von Handlungsoptionen.<br />
Es ist wichtig, die Ausbildung sowohl in<br />
Medizin als auch in der Pflege den aktuellen Bedingungen<br />
anzupassen. Ob sich die bereits beschlossene<br />
Generalisierte Pflegeausbildung tatsächlich als<br />
der Stein der Weisen zeigen wird, steht in den Sternen<br />
und wird im <strong>VKD</strong> sowohl von den Fachleuten<br />
aus der Altenpflege als auch der Kinderkrankenpflege<br />
sehr kritisch gesehen.<br />
Mehr Studienplätze sind notwendig, werden aber<br />
allenfalls mittelfristig Entspannung bringen. Es dau-<br />
Fazit<br />
Die Wohnungsmisere in manchen Gegenden, nicht<br />
nur mehr in den Hotspots, sondern auch in Mittelstädten,<br />
führt dazu, dass einige Häuser selbst Wohnungen<br />
schaffen und anbieten, um Personal zu<br />
finden und auch zu binden. So hat das Albertinen-<br />
Diakoniewerk in Hamburg 800 Wohnungen in seinem<br />
Bestand, die Pflegekräften angeboten werden<br />
können, wie ebenfalls auf dem Hauptstadtkongress<br />
berichtet wurde.<br />
„<br />
Auch der <strong>VKD</strong> sieht die Notwendigkeit<br />
von Strukturveränderungen. Er fordert<br />
aber eine sinnvolle, alle Sektoren einbindende<br />
und moderierte Planung sowie die<br />
Finanzierung solcher aufwändigen Veränderungen<br />
– und den Erhalt einer guten und<br />
gut erreichbaren Versorgung in ländlichen<br />
Regionen.<br />
“<br />
Komplexität der Herausforderungen erfordert komplexes,<br />
abgestimmtes Handeln<br />
ert deutlich länger, einen Facharzt auszubilden als<br />
einen Ingenieur. Daher wird kein Weg daran vorbeiführen,<br />
mehr ärztliche Aufgaben an andere Berufsgruppen<br />
zu delegieren, vor allem aber die medizinischen<br />
Berufe von diesem „Bürokratiemonster“ zu<br />
befreien. Das Medizinstudium muss zudem wesentlich<br />
praxisorientierter werden – wie es zum Beispiel<br />
in der Medizinischen Hochschule Brandenburg bereits<br />
erfolgreich vorexerziert wird.<br />
Auch wenn der Personalmangel dies deutlich erschwert<br />
- die Krankenhäuser müssen wieder attraktiver<br />
für ihre Mitarbeiter werden. Das ist eine wichtige<br />
Führungsaufgabe des Managements. Ein wichtiger<br />
Aspekt dabei ist die Unternehmenskultur. Sie zeigt<br />
sich nicht vor allem in Postulaten auf Papier, sondern<br />
im täglichen Umgang der Mitarbeiter untereinander,<br />
mit Patienten, Angehörigen, und dem Bild,<br />
das nach außen wirkt.<br />
Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang ist<br />
Verlässlichkeit. Gilt, was heute gesagt wird, auch<br />
morgen noch? Gilt es auch, wenn ein neuer Geschäftsführer<br />
kommt? Die „Verweildauer“ von Geschäftsführern<br />
deutscher Krankenhäuser ist im<br />
Schnitt kürzer als die von DAX-Vorständen. Man hat<br />
manchmal schon den Eindruck, dass Geschäftsführer<br />
von Trägern schneller ausgewechselt werden als<br />
Fußballtrainer. Das ist keine nachhaltige Entwicklung,<br />
das schafft kein Vertrauen bei den Mitarbeitern.<br />
Es verhindert Engagement und trübt auch für<br />
potenzielle Bewerber das Bild des Krankenhauses.<br />
Attraktivität für Mitarbeiter und Bewerber entsteht<br />
auch durch Chancen für diejenigen, die im Beruf<br />
weiterkommen wollen. „Exzellenz in der Pflege“<br />
– ein gemeinsames Papier des Bundesverbandes<br />
Pflegemanagement, des Verbandes der Pflegedirektorinnen<br />
und Pflegedirektoren der Universitätskliniken<br />
und Medizinischen<br />
Hochschulen sowie des Katholischen<br />
Pflegeverbandes<br />
– veröffentlicht im Juli<br />
dieses Jahres, zeigt einen<br />
Weg, wie gut ausgebildete<br />
und engagierte Mitarbeiter<br />
gewonnen und im Krankenhaus<br />
gehalten werden<br />
können – und damit auch<br />
attraktiver für Patienten<br />
werden: durch Exzellenz in<br />
der Pflege. Es gehe, heißt<br />
es darin, um Professionalität auf der ganzen Linie,<br />
um Exzellenzförderung. Sicher auch dies gerade angesichts<br />
des Fachkräftemangels besonders schwierig,<br />
grundsätzlich aber notwendig.<br />
Die Digitalisierung der Krankenhäuser gehört zum<br />
notwendigen Strukturwandel und wird auch die<br />
Arbeit aller Berufsgruppen verändern. Eine andere<br />
Form des Personaleinsatzes, eine Entlastung der<br />
Pflegenden und der Ärzte von einem Großteil der<br />
bürokratischen Pflichten, besser gestaltete Prozesse<br />
sind die Hoffnungen, die sich damit verbinden. Damit<br />
das möglich wird, ist aber – und das fordert der<br />
<strong>VKD</strong> seit etlichen Jahren ebenfalls – ein Masterplan<br />
Digitalisierung sowie ein gesamtgesellschaftlicher<br />
Kraftakt zu deren Finanzierung notwendig. Allein aus<br />
Bordmitteln kann das den Häusern nicht gelingen.<br />
„<br />
Auch wenn der Personalmangel<br />
dies deutlich erschwert - die Krankenhäuser<br />
müssen wieder attraktiver<br />
für ihre Mitarbeiter werden.<br />
Das ist eine wichtige Führungsaufgabe<br />
des Managements. Ein wichtiger<br />
Aspekt dabei ist die Unternehmenskultur.<br />
“<br />
Gleichzeitig muss auch an die seit Jahren von den<br />
Bundesländern ignorierte Pflicht zu einer auskömmlichen<br />
Investitionsfinanzierung erinnert werden, die<br />
an der Personalmisere ihren erheblichen Anteil hat.<br />
Das Problem des Fachkräftemangels hat sich in Jahren<br />
– ja Jahrzehnten - aufgebaut. Es wird sich nicht<br />
binnen kurzem lösen lassen. Für wirklich nachhaltige<br />
Veränderungen ist im Grunde eine Disruption<br />
des gegenwärtigen Gesundheitssystems notwendig,<br />
die alle Bereiche einbezieht. Diese kann aber<br />
nicht in einer extremen Reduzierung der Krankenhausstandorte<br />
bestehen, wie es im Sommer die<br />
Bertelsmann-Stiftung ganz im Einklang mit den<br />
Krankenkassen forderte. Nicht nur die Versorgung<br />
in ländlichen Regionen würde damit angesichts der<br />
defizitären Zahl an Fachärzten im niedergelassenen<br />
Bereich zur Disposition gestellt. Auch der Mangel an<br />
Fachkräften wäre damit keinesfalls behoben. Abgesehen<br />
davon, dass so die Zahl der Patienten, die versorgt<br />
werden müssen, nicht sinken würde. Werden<br />
die Mitarbeiter der zu schließenden Häuser wirklich<br />
mit fliegenden Fahnen in weiter entfernte Zentren<br />
wechseln? Wohl kaum!<br />
Zu erinnern ist in diesem<br />
Zusammenhang an die Ergebnisse<br />
der Kommission<br />
„Gleichwertige Lebensverhältnisse“,<br />
veröffentlicht<br />
ebenfalls im Juli dieses<br />
Jahres, die auch den Wert<br />
regionaler Gesundheitsangebote<br />
betont – Arztpraxen,<br />
Krankenhäuser,<br />
Pflegeeinrichtungen. Das<br />
unterstützt auch der <strong>VKD</strong>.<br />
Der Fachkräftemangel ist<br />
nur ein Symptom für den notwendigen Strukturwandel<br />
in der Gesundheitsversorgung. Bei allen<br />
Möglichkeiten, hier aktuell gegenzusteuern, kann<br />
er doch grundsätzlich nicht unabhängig von den<br />
übrigen Herausforderungen betrachtet und gelöst<br />
werden. Es ist ja keine neue Erkenntnis: Stationäre<br />
und ambulante Versorgung müssen gemeinsam<br />
gedacht und geplant werden – und dies entsprechend<br />
den regionalen Bedingungen. Ausgebaut<br />
werden müssen Versorgungszentren an Krankenhäusern,<br />
vor allem in den ländlichen Regionen.<br />
Die Kosten dafür sind als gesamtgesellschaftliche<br />
Aufgabe zu sehen, die sich nicht nur auf die Gesundheitsversorgung<br />
an sich bezieht, sondern auf<br />
das gesamte Umfeld. Für all das brauchen wir einen<br />
langen Atem.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 22 23<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Der Fachkräftemangel löst sich<br />
nicht von alleine<br />
Ein Plädoyer für die Ausbildung<br />
Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen. Erst recht nicht im Gesundheitswesen.<br />
Wer Fachkräfte ausbildet, ist im Wettbewerb um die<br />
besten Köpfe im Vorteil. Die Mühlenkreiskliniken sind sich dieses<br />
Zusammenhangs schon lange bewusst – auch zu Zeiten, als Ausbildungsaktivitäten<br />
von Unternehmen eher als nette Investition in<br />
das eigene gesellschaftliche Ansehen denn als notwendige Investition<br />
in die Zukunft gesehen wurden. In der härtesten Sanierungsphase<br />
der Mühlenkreiskliniken wurde 2010 mit der Akademie für<br />
Gesundheitsberufe eine Aus- und Weiterbildungseinrichtung geschaffen,<br />
die immer weit über den eigenen Bedarf hinaus Fachund<br />
Führungskräfte aus- und weitergebildet hat. Als die Landesregierung<br />
NRW mit der Ausweitung des Bochumer Modells den Weg<br />
für die Einrichtung eines Universitätsklinikums in unserer Region<br />
frei gemacht hat, schlugen die Mühlenkreiskliniken beherzt zu.<br />
Seitdem bilden wir jährlich 60 künftige Medizinerinnen und Mediziner<br />
aus – nicht zuletzt für unsere Zukunft.<br />
Der Wettbewerb um Pflegekräfte ist spätestens seit der Festsetzung<br />
von Pflegepersonal-Untergrenzen durch die Bundesregierung in vollem<br />
Gang. Aber auch in vielen anderen Berufen ist die Not groß: Medizinisch-<br />
Technische-Laboratoriumsassistenz, Medizinisch-Technische-Radiologieassistenz,<br />
Operationstechnische Assistenz, Hebammen – um nur einige<br />
zu nennen. Eine ganze Branche – so scheint es – hat den Bedarf an Fachkräften<br />
im Gesundheitswesen falsch eingeschätzt. Nicht zu vergessen<br />
die Ausbildungskapazitäten im ärztlichen Bereich, die Landespolitiker<br />
aller Couleur in den 90ern bundesweit zusammengestrichen haben.<br />
Das Problem hat in verschiedenen Regionen andere Schwerpunkte. Das<br />
Grundproblem aber bleibt: Den Kliniken und Krankenhäusern fehlen die<br />
Fachkräfte – überall. Metropolregionen wie Berlin, Hamburg, Köln oder<br />
München haben insbesondere im Bereich der Pflege Besetzungssorgen,<br />
ländliche Regionen – wie die unsere – kämpfen um jeden Mediziner.<br />
Mehr Werbung ist nur<br />
kurzzeitig erfolgreich<br />
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten mit der Situation umzugehen:<br />
Man macht Werbung in eigener Sache und versucht auf Kosten anderer<br />
Akteure im Gesundheitswesen durch Marketingkampagnen und das<br />
Verteilen von scheinbaren Geschenken seine Schäfchen ins Trockene zu<br />
bringen. Auch wir planen eine solche Imagekampagne. Der Weg ist kurzfristig<br />
vielversprechend und gleichzeitig langfristig wirkungslos. Denn es<br />
werden alle machen. Egal an welchem Ende man an der Decke zieht, am<br />
Ende ist die Decke zu kurz.<br />
Autor<br />
Oliver Neuhaus<br />
Direktor der Akademie für<br />
Gesundheitsberufe der<br />
Mühlenkreiskliniken<br />
Autor<br />
Dipl.-Sozw.<br />
Christian Busse<br />
Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Marketing<br />
sowie Pressesprecher<br />
der Mühlenkreiskliniken<br />
Foto: Sven-Olaf Stange<br />
Foto: privat<br />
>><br />
Ausweitung der Ausbildungskapazitäten<br />
ist die nachhaltige<br />
Lösung<br />
Alternativ sorgt man durch die Stärkung der eigenen<br />
Ausbildungsaktivitäten selbst für den dringend<br />
benötigten Nachwuchs. So sehr man in der aktuellen<br />
Notsituation natürlich auch zur ersten Möglichkeit<br />
greift, so richtig ist auch, dass die dauerhafte<br />
Lösung des Problems einzig und allein durch die<br />
massive Ausweitung der Ausbildungskapazitäten<br />
erreicht wird.<br />
Akademie für Gesundheitsberufe<br />
Foto: Veit Mette<br />
Die Mühlenkreiskliniken<br />
(MKK)<br />
Die Mühlenkreiskliniken AöR sind mit mehr<br />
als 4.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und<br />
200.000 behandelten Patientinnen und Patienten<br />
an fünf Standorten im Jahr der mit Abstand größte<br />
Klinikverbund in OWL. Deutschlandweit sind die<br />
Mühlenkreiskliniken der zwölftgrößte kommunale<br />
Klinikkonzern.<br />
Seit 2016 bilden wir in Kooperation mit dem Klinikum<br />
Herford, dem HDZ NRW und der Ruhr-Universität<br />
Bochum Medizinstudierende am Medizin<br />
Campus OWL aus. Das Johannes Wesling Klinikum in<br />
Minden ist das erste Universitätsklinikum der Akutversorgung<br />
in OWL. Die Mühlenkreiskliniken verbinden<br />
sehr erfolgreich universitäre Spitzenmedizin,<br />
Wissenschaft und Lehre mit regionaler Grund- und<br />
Regelversorgung in einem ländlichen Umfeld.<br />
Aus diesem Grund haben die Mühlenkreiskliniken<br />
mit ihrer konzerneigenen Akademie für Gesundheitsberufe<br />
einen starken Partner für die Aus- und<br />
Weiterbildung aufgebaut. Die Akademie ist in der<br />
größten Krise des kommunalen Klinikkonzerns im<br />
Jahr 2010 gegründet worden. Trotz eines massiven<br />
und zum Teil auch schmerzhaften Spardrucks im<br />
Unternehmen, wurde in die Ausbildung von jungen<br />
Menschen investiert. Heute ist die Bildungseinrichtung<br />
mit mehr als 500 Auszubildenden nach den<br />
öffentlichen Schulen die größte Bildungseinrichtung<br />
im Kreis Minden-Lübbecke. Die meisten für ein<br />
Krankenhaus relevanten Gesundheitsberufe werden<br />
in der Akademie ausgebildet: von der Hebamme<br />
bis zur Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz.<br />
Die Ausbildungskapazitäten wurden seit dem Jahr<br />
2015 um knapp ein Drittel sukzessive erhöht. In<br />
Kooperation mit der Fachhochschule Bielefeld bietet<br />
die Akademie zudem das Duale Studium in der<br />
Gesundheits- und Krankenpflege an. In vier Jahren<br />
können die Studierenden sowohl die klassische<br />
Pflegeausbildung absolvieren als auch den akademischen<br />
Grad Bachelor of Science erwerben.<br />
Viele ausgebildete<br />
Fachkräfte bleiben<br />
Die Erfahrung zeigt: Viele der bei uns ausgebildeten<br />
jungen Fachkräfte wollen nach ihrem Examen erstmal<br />
bei den Mühlenkreiskliniken bleiben. In der Regel<br />
unterbreiten wir heute jedem Absolventen im<br />
Pflegebereich ein Angebot – die meisten nehmen<br />
es an. Wir bieten ihnen ein attraktives Arbeitsumfeld<br />
in einer vertrauten Umgebung, gute Weiterbildungschancen<br />
und ein faires Gehalt nach dem<br />
TVöD. Wir sind unseren Mitarbeitern gegenüber ein<br />
verlässlicher Partner.<br />
Es kommt vor, dass junge Menschen nach einigen<br />
Jahren Berufserfahrung mit der Begründung kündigen,<br />
sie wollen mal etwas anderes sehen. Viele von<br />
diesen Eigengewächsen kommen dann nach einer<br />
unter Umständen mehrjährigen auswärtigen Tätigkeit<br />
mit der Begründung wieder zurück, sie wollten<br />
wieder in IHREM Krankenhaus arbeiten.<br />
Erfahrungen sammeln im<br />
eigenen Unternehmen<br />
Natürlich freut es uns, wenn Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter Erfahrungen sammeln möchten und<br />
über den Tellerrand der eigenen Station oder des<br />
eigenen Bereichs hinausschauen wollen. Doch –<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 24 25<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
so unsere Überlegungen – müssen sie dafür das<br />
Unternehmen verlassen? Wir denken: Nein. Unser<br />
Konzern mit fünf Standorten, knapp 5000 Mitarbeitern<br />
und mehr als<br />
40 Kliniken und<br />
Instituten fast aller<br />
medizinischen<br />
Fachrichtungen<br />
bietet genügend<br />
E n t w i c k l u n g s -<br />
möglichk eiten.<br />
Und so wurden<br />
in Zusammenarbeit<br />
mit den Pflegedirektoren,<br />
der<br />
Personalabteilung<br />
und der Akademie<br />
für Gesundheitsberufe<br />
Förderkonferenzen<br />
und<br />
Traineeprogramme<br />
ins Leben gerufen.<br />
Wir gehen<br />
seitdem aktiv auf<br />
potentielle künftige<br />
Führungskräfte<br />
im eigenen Unternehmen<br />
zu. Wir<br />
diskutieren mit<br />
ihnen Förder- und<br />
Weiterbildungsmöglichkeiten.<br />
Diese Instrumente<br />
sind Teil einer<br />
sehr erfolgreichen<br />
Bindungsstrategie. Die Fluktuationsrate ist dadurch<br />
in den vergangenen Jahren noch einmal gesunken.<br />
Meilenstein Uniklinik<br />
Ein weiterer Meilenstein war die Aufnahme des<br />
Johannes Wesling Klinikums in den Verbund des<br />
Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum<br />
(RUB). Die Landesregierung NRW hatte 2014 den<br />
Plan entwickelt, das Bochumer Modell zu erweitern.<br />
Das Bochumer Modell sieht vor, dass die Studierenden<br />
den ersten Teil des Studiums an der Medizinischen<br />
Fakultät an der RUB in Bochum absolvieren<br />
und den zweiten Teil in verschiedenen Krankenhäusern<br />
in NRW, die zusammen das Universitätsklinikum<br />
der Ruhr-Universität Bochum bilden. Die<br />
Mühlenkreiskliniken bewarben sich zusammen mit<br />
dem Klinikum Herford in einem Bieterverfahren<br />
und bekamen den Zuschlag. Seit 2016 studieren<br />
64 Medizinstudierende an den Einrichtungen der<br />
Mühlenkreiskliniken. Seitdem kommen jährlich 60<br />
Studierende hinzu. Der erste Jahrgang ist derzeit im<br />
Medizinerausbildung<br />
Fotos: Sven-Olaf Stange<br />
Praktischen Jahr<br />
und wird Ende<br />
des Jahres als approbierte<br />
Medizinerinnen<br />
und<br />
Mediziner dem<br />
Arbeitsmarkt zur<br />
Verfügung stehen.<br />
Selbstverständlich<br />
gehen wir nicht<br />
davon aus, dass alle<br />
64 Studierenden<br />
als Assistenzärzte<br />
bei uns anfangen<br />
werden. Doch die<br />
ersten Arbeitsverträge<br />
sind bereits<br />
geschlossen. Der<br />
erwartete Klebeeffekt<br />
beginnt Wirkung<br />
zu zeigen.<br />
Die Übernahme der Ausbildungsverpflichtung<br />
im Bochumer Modell ist eine<br />
nicht zu unterschätzende Leistung aller<br />
im Unternehmen beschäftigter Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter. Insbesondere<br />
die Ärzte und die Fachvertreter<br />
haben mit großem persönlichem Engagement<br />
die Lehrverpflichtungen übernommen.<br />
Hinzu kommen zusätzliche<br />
Forschungsvorhaben, die auch in einem<br />
jungen Universitätsklinikum immer breiteren Raum<br />
einnehmen und sowohl zeitliche als auch finanzielle<br />
und technische Ressourcen benötigen.<br />
Es gibt nur einen Weg, um einen Fachkräftemangel<br />
im eigenen Unternehmen mittel- und langfristig zu<br />
verhindern: Ausbildung und Studium.<br />
Es wird schwieriger –<br />
daher fangen wir früh an<br />
Kritiker unseres Wegs entgegnen uns, dass die Ausweitung<br />
der Ausbildungskapazitäten auch an ihre<br />
Grenzen stoßen wird, da immer mehr Branchen<br />
über einen Fachkräftemangel stöhnen und Ausbildungskapazitäten<br />
erhöhen. Im Grundsatz ist dieser<br />
Einwand berechtigt. Bislang schaffen wir es aber,<br />
unsere Kurse an der Akademie für Gesundheitsberufe<br />
durch Werbung weitestgehend zu besetzen.<br />
Teddy-Docs bei der Arbeit, Foto: Sven-Olaf Stange<br />
Dennoch sehen auch wir, dass es schwieriger wird,<br />
Menschen für einen Beruf im Gesundheitswesen<br />
zu begeistern. Aber auch hier gehen wir nicht den<br />
einfachen Weg einer ausschließlichen werblichen<br />
Aufrüstungsspirale um künftige Auszubildende. Wir<br />
fangen früher an. Viel früher - und zwar im Kindergarten.<br />
Studierende behandeln im<br />
Teddybär-Krankenhaus<br />
Unsere Studierenden bieten mit Unterstützung unseres<br />
Hauses beispielsweise ein Teddybär-Krankenhaus<br />
an. Ganze Kindergartengruppen kommen zu<br />
uns und bringen ihre vermeintlich verletzten Teddys<br />
mit. Die verletzten Teddys durchlaufen zusammen<br />
mit den besorgten Kindern einen liebevoll von<br />
den Teddy-Docs erarbeiteten Behandlungsprozess<br />
– von der Aufnahme, über die Röntgenabteilung<br />
bis hin zum OP. Mit einem Pflaster werden alle Teddys<br />
im Anschluss wieder entlassen. Diese Aktion<br />
soll den Kindern Angst vor einem eigenen Aufenthalt<br />
im Krankenhaus nehmen. Aber ganz häufig<br />
kommen Kinder so auch zum ersten Mal in einen<br />
ungezwungenen Kontakt zu einem (angehenden)<br />
Mediziner. Mehr noch, sie werden Co-Therapeut,<br />
weil sie bei der OP natürlich dabei sind und helfen.<br />
Es ist häufig der erste spielerische Kontakt der Kinder<br />
mit einem Beruf aus dem Gesundheitswesen.<br />
Erzieher haben berichtet, dass im Anschluss an den<br />
Besuch viele Jungen und Mädchen wochenlang<br />
im Kindergarten „Krankenhaus“ gespielt und dabei<br />
unzählige Teddybären behandelt haben.<br />
Vorlesungen an der Kinderuni<br />
Und es geht weiter. Für Grundschulkinder bieten<br />
die Mühlenkreiskliniken die „Kinder Universität<br />
Medizin“ an. Zehnmal im Jahr laden wir Kinder<br />
zwischen 8 und 12 Jahren zu einer einstündigen<br />
Vorlesung zu uns ein. Das Interesse ist überwältigend!<br />
Nach drei Wochen waren alle zehn über das<br />
Jahr verteilten Vorlesungen ausgebucht. Einmal im<br />
Monat treffen sich seitdem zwischen 150 und 200<br />
Kinder, um eine Stunde einen kindgerechten Vortrag<br />
über ein medizinisches Spezialthema zu hören<br />
– mitmachen und ausprobieren inklusive. Wer mindestens<br />
sechs Vorlesungen besucht hat, bekommt<br />
ein „Kinderdiplom“. Ein solches Diplom hängt mittlerweile<br />
in unzähligen Kinderzimmern.<br />
Bewerberfachtage und Tag der<br />
Gesundheitsberufe<br />
Wenn es dann für junge Menschen um die Berufsentscheidung<br />
geht, intensivieren unsere Pflegepädagogen<br />
der Akademie für Gesundheitsberufe<br />
den Kontakt zu den potentiellen Bewerberinnen<br />
und Bewerbern. Wir bieten allgemeinbildenden<br />
Schulen in der Region gezielt Bewerberfachtage<br />
an. Wir gehen in die Schulen. Wir berichten von unseren<br />
Ausbildungsberufen und den Chancen und<br />
Perspektiven, die die Gesundheitsbranche bietet.<br />
Regelmäßig besuchen darüber hinaus zahlreiche<br />
Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulformen<br />
die Akademie für Gesundheitsberufe und<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 26 27<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Teddy-Klinik<br />
Foto: Sven-Olaf Stange<br />
Akademie für Gesundheitsberufe<br />
Foto: Veit Mette<br />
Unsere Mitarbeiter heute – und morgen<br />
Strategisches Personalmanagement – die aktuelle Bewerberlage<br />
und die künftigen Herausforderungen<br />
Von einem Fachkräftenotstand könne bis jetzt<br />
in den Krankenhäusern der GLG Gesellschaft für<br />
Leben und Gesundheit nicht gesprochen werden.<br />
Offene Stellen werden in relativ kurzer Zeit<br />
wiederbesetzt. „Wir spüren jedoch, dass dies<br />
schwieriger wird“, sagt Andreas Gericke, Leiter<br />
der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Kommunalunternehmens.<br />
Foto: GLG Werner Forßmann Klinikum<br />
nehmen das Angebot einer ausführlichen Berufsinformation<br />
in Anspruch. Mit der Maßnahme sind<br />
über die Kreisgrenzen hinweg gelebte langjährige<br />
Kooperationen mit unterschiedlichen Schulformen<br />
entstanden. Des Weiteren führt die Akademie für<br />
Gesundheitsberufe neben den Berufsmessen auf<br />
Kreisebene regelmäßig einen „Tag der Gesundheitsberufe“<br />
durch. Mit dem entwickelten Konzept mit<br />
zahlreichen Partnern aus dem Gesundheitswesen<br />
werden berufsspezifische Einblicke vermittelt und<br />
vielfältige Karrierewege und Spezialisierungsmöglichkeiten<br />
in den Gesundheitsberufen aufgezeigt.<br />
Dieses Konzept stößt mit bis zu 500 Teilnehmern<br />
immer wieder auf große Resonanz und kann als sehr<br />
erfolgreich bezeichnet werden. Am Tag der Gesundheitsberufe<br />
bieten wir seit einiger Zeit die Möglichkeit<br />
einer Bewerbung vor Ort mit Sofortzusage an.<br />
Das Konzept ist sehr erfolgreich. Bis zu 50 zum Teil<br />
sehr hochklassige Bewerbungen erreichen uns auf<br />
diesem Wege an einem Tag.<br />
Faszination für Berufe im<br />
Gesundheitswesen wecken<br />
Neben der direkten Berufsinformation gibt es aber<br />
auch den klinischen Kontakt in die Krankenhäuser.<br />
Für Jugendliche gibt es das P.A.R.T.Y-Programm<br />
der Unfallchirurgen zur Unfallverhütung. Auch hier<br />
laden wir Jugendliche gezielt in die Klinik ein und<br />
sprechen mit ihnen über Medizin. Für Abiturienten<br />
bieten wir beispielsweise die Übernahme einer<br />
Patenschaft für eine Gesundheits-AG an. In diesen<br />
Kursen geht es gezielt um mögliche Berufsfelder in<br />
Medizin oder der Pflege. Wir nutzen jede Gelegenheit,<br />
um mit Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen<br />
in Kontakt zu kommen. Wir versuchen,<br />
ihnen die Faszination für einen Beruf im Gesundheitswesen<br />
zu vermitteln. Und der Blick in zum Teil<br />
begeisterte Gesichter nach solchen Veranstaltungen<br />
zeigt, es wirkt.<br />
Diese Aktivitäten sehen wir als zentrale Bausteine<br />
an, um künftig junge Menschen für einen Beruf in<br />
der Gesundheitsbranche zu gewinnen. Arbeiten in<br />
der Pflege, Arbeiten in der Medizin – das muss wieder<br />
„fly“ sein. Nur wenn wir es als Branche schaffen,<br />
die Faszination für Gesundheitsberufe zu vermitteln,<br />
werden wir künftig genügend Fachkräfte ausbilden<br />
und beschäftigen können. An dieser Stelle möge<br />
sich jeder Akteur im Gesundheitswesen selber prüfen,<br />
welches Bild er von der Gesundheitsbranche<br />
als attraktives Arbeitsfeld nach außen vermittelt.<br />
Dabei dürfen alte Kampflinien getrost als überholt<br />
gelten. Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen<br />
sitzen bei einer der entscheidenden Zukunftsfragen<br />
im selben Boot. Es scheint leider so, als hätten das<br />
einige noch nicht ganz verstanden.<br />
Dennoch sei, so Gericke, die Bewerberlage in einigen<br />
Berufsgruppen schwierig. „Rein bevölkerungsstatistisch<br />
ist absehbar, dass die heutige Zahl an<br />
Pflegefachkräften in Deutschland in fünf bis zehn<br />
Jahren keinesfalls mehr aufgeboten werden könne.<br />
Viele ältere Fachkräfte erreichten dann das Rentenalter.<br />
Dass Brandenburg zudem Anfang der neunziger<br />
Jahre die weltweit niedrigste Geburtenrate hatte,<br />
habe einen „Knick“ in der Bevölkerungsstruktur verursacht,<br />
der sich ebenfalls auswirke.<br />
Gemischte Erfahrungen<br />
Die GLG ist das Thema Fachkräftegewinnung schon<br />
vor vielen Jahren aktiv angegangen. Damals wurden<br />
35 Krankenschwestern aus dem Baltikum angeworben.<br />
Trotz Betreuungs- und Schulungsprogramm<br />
sind inzwischen aber nur noch wenige im Unternehmen.<br />
Viele kehrten nach Hause zurück, andere<br />
nutzten den Einstieg in den GLG-Krankenhäusern,<br />
um dann weiter nach Westdeutschland zu ziehen.<br />
Alles in allem, so die Erfahrung der vergangenen<br />
Jahre, hätten Anwerbeaktionen ausländischer Pflegefachkräfte<br />
nicht die Erwartungen erfüllt.<br />
Während es im Unternehmen nahe der polnischen<br />
Grenze kaum polnische Pflegekräfte gibt, arbeiten<br />
mehrere polnische Ärzte insbesondere im GLG<br />
Kreiskrankenhaus Prenzlau. Eine enge Kooperation<br />
besteht auch mit dem Universitätsklinikum Stettin<br />
bezüglich der praktischen Ausbildung von Ärzten.<br />
GLG Gesellschaft für Leben und<br />
Gesundheit mbH<br />
Der GLG-Verbund ist der größte Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen<br />
im Nordosten Brandenburgs.<br />
Er umfasst fünf Krankenhäuser und eine Fachklinik für<br />
Rehabilitation, Medizinische Versorgungszentren mit<br />
Arzt- und Facharztpraxen in Eberswalde, Finowfurt, Angermünde<br />
und Prenzlau, ein ambulantes Rehabilitationszentrum,<br />
einen ambulanten Pflegedienst und eine<br />
Medizinservice-GmbH, außerdem Wohnstätten, Tageskliniken<br />
und Beratungsstellen für psychisch erkrankte<br />
Menschen in Angermünde, Bad Freienwalde, Bernau,<br />
Criewen, Eberswalde, Prenzlau, Schwedt und Templin.<br />
Die GLG ist zugleich der größte Arbeitgeber in der Region,<br />
ein wichtiger Investor und Ausbildungsbetrieb.<br />
Gesellschafter der GLG mbH sind die Landkreise Barnim<br />
(71,1 %) und Uckermark (25,1 %) sowie die Stadt Eberswalde<br />
(3,8 %).<br />
Aus der Region für die Region<br />
Als der effektivste Weg hat sich für die GLG bisher erwiesen,<br />
intensiv Pflegefachkräfte aus der Region für<br />
die Region zu werben und darauf die Kräfte zu fokussieren.<br />
Das Unternehmen hat für den Pflegebereich<br />
ein starkes Fachkräfte-Nachwuchsprogramm in der<br />
Region gestartet. Dazu gehören Kooperationsver-<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 28 29<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
träge mit den Schulen, spezielle Praktikumsangebote,<br />
Aktionstage, Hilfe bei der beruflichen Orientierung.<br />
Schon ab der 9. Klasse gibt es Angebote für<br />
Patenschaften.<br />
Im Rahmen einer Führungskräfteklausur berichtete<br />
die Verwaltungsdirektorin des GLG-Martin-Gropius-<br />
Krankenhauses von der Umsetzung eines neuen<br />
Personalentwicklungskonzeptes. Hierbei ging es<br />
zunächst um die Fragen, welche Gründe Mitarbeiter<br />
haben, das Unternehmen zu verlassen, und wie neu<br />
eingestellte Mitarbeiter besser in Empfang genommen<br />
werden können. Das Ergebnis war ein ganzer<br />
Katalog von Ideen, die umgesetzt wurden. So gibt<br />
es nun u.a. die Stelle einer Mentorin für Personalmanagement.<br />
Foto: GLG<br />
GLG Agenda-Diplom Angermünde<br />
Dennoch ist auch das regionale Potenzial an möglichen<br />
Nachwuchskräften begrenzt. Die Qualität der<br />
Bewerbungen sinkt teilweise. Daher hat die GLG<br />
ihre Aktivitäten inzwischen auch auf Berlin erweitert,<br />
nimmt zum Beispiel an Berufsmessen teil und<br />
plant derzeit auch U-Bahn-Werbung. Hier steht das<br />
Unternehmen allerdings im Wettbewerb mit den<br />
hauptstädtischen Krankenhäusern. Es erweist sich<br />
als schwierig, Pflegekräfte aus Berlin zum Pendeln<br />
nach Eberswalde zu bewegen, da diese vor Ort genügend<br />
Angebote finden.<br />
Bei den Ärzten ist die Situation deutlich anders. Im<br />
Klinikum Barnim Werner Forßmann-Krankenhaus<br />
der GLG und im Martin Gropius Krankenhaus, beide<br />
in Eberswalde, arbeiten rund 350 Pendler aus Berlin.<br />
Zeitlich ist das sicher kein Problem, denn Fahrtzeiten<br />
können innerhalb Berlins deutlich länger sein. Vom<br />
Berliner Hauptbahnhof nach Eberswalde braucht<br />
die Bahn 35 Minuten.<br />
Auswirkungen aktueller<br />
Entwicklungen auf die<br />
Fachkräftesituation<br />
Zum vorausschauenden Handeln im Personalbereich<br />
gehört aber zwingend auch, die aktuellen<br />
Entwicklungen sowie die sich daraus ergebende<br />
Strategie des Unternehmens einzubeziehen. Seit<br />
2015 stagnieren bzw. sinken die Fallzahlen<br />
in deutschen Krankenhäusern. Von einer<br />
weiteren Expansion im Gesundheitswesen<br />
auszugehen ist daher der falsche<br />
Weg, so die Bewertung der Führungskräfte<br />
der GLG.<br />
Die Zukunft der Gesundheitsversorgung<br />
werde durch neue Versorgungsmodelle<br />
geprägt sein, durch Zentrenbildung,<br />
Spezialisierung, ambulant-stationäre<br />
Kooperationen, wie sie gerade vom Medizinisch-Sozialen<br />
Zentrum Uckermark<br />
gGmbH und dem GLG-Kreiskrankenhaus<br />
Prenzlau beschritten und vom Strukturfonds<br />
gefördert werden. Ziel ist die Umwandlung<br />
des Krankenhauses in ein Gesundheitszentrum<br />
– auch mit der Folge,<br />
dass weniger Pflegepersonal benötigt<br />
wird. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei<br />
auch die Telemedizin zur Einbindung des<br />
Standortes in die Gesamtversorgung.<br />
Die Digitalisierung wird zudem alle Bereiche der Gesundheitsversorgung<br />
und natürlich auch Berufsbilder<br />
verändern.<br />
Wie viel Personal in welchen Berufen und mit welcher<br />
Qualifikation die GLG künftig benötigen und<br />
entsprechend qualifizieren, für sich gewinnen und<br />
halten muss, ist eine wesentliche strategische Frage,<br />
ohne deren Beantwortung die Zukunft nicht gestaltet<br />
werden kann. Die Weichen werden in der GLG<br />
neu gestellt.<br />
Redaktion <strong>Praxisberichte</strong><br />
Gute Köpfe schätzen gute Kommunikation<br />
Wie sich ein offensives Marketing auf die Gewinnung und Bindung<br />
von Mitarbeitern in Zeiten des Fachkräftemangels auswirkt<br />
Am Anfang stand die kreative Zerstörung und<br />
Neuerfindung des Marketings sowie der Kommunikationsstrategie<br />
an den KEM I Evang. Kliniken<br />
Essen-Mitte. Im Verlauf der Entwicklung<br />
eines neuen CD/CI-Konzeptes bemerkten wir<br />
die positiven Zusatzeffekte in Bezug auf die<br />
Mitarbeiterbindung und –gewinnung. Eine<br />
weitere Lektion: die neuartige und mutige Gestaltung<br />
führt zudem zu einer höheren Identifikation<br />
und sogar zu einer Motivation Bestehendes<br />
zu ändern, neue Ideen einzutragen und<br />
sich als KEM-Botschafter zu begreifen.<br />
Das Marketing an den KEM ist seit vielen Jahren im<br />
Markt etabliert und sogar mehrfach preisgekrönt.<br />
Dennoch haben wir im Jahr 2017, im Rahmen<br />
einer Fusion, entschieden, dass eine<br />
neue Marketing- und Kommunikationsstrategie<br />
wahrnehmungseffektiv und jenseits<br />
des Markendogmas entwickelt werden<br />
sollte. Der selbstgewählte Slogan lautete:<br />
Vergiss die Marke! Erzeuge Aufmerksamkeit!<br />
Und dazu besonders: Erstmals ohne jede<br />
Mitwirkung einer Werbeagentur.<br />
Die Neuerfindung des<br />
Marketings an den KEM I Evang.<br />
Kliniken Essen-Mitte<br />
Innerhalb von nur 14 Monaten haben wir in-house<br />
ein neues Corporate Design & Corporate Identity<br />
(CD & CI)-Konzept aufgesetzt. Das alte Logo haben<br />
wir ins Heute übersetzt, Farbkonzepte und typografische<br />
Vorgaben revidiert sowie sämtliche Printprodukte<br />
und die Homepage mit 22 Fachklinikseiten<br />
neu erfunden. Dieser kreative Zerstörungsprozess<br />
ließ sich nur unter Einbindung aller Chefärzte, vieler<br />
interessierter und engagierter MitarbeiterInnen bewältigen.<br />
Das Klinik-Gesicht haben wir nach<br />
3 Prinzipien neu modelliert:<br />
1 2 3<br />
Bild vor<br />
Text<br />
Kurzer Text vor<br />
Ausführlichkeit<br />
Konsequente<br />
Laienverständlichkeit<br />
Symbolbild tim Mossholder / Pexels<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 30 31<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
*von ca. 2000 Kliniken<br />
Anz185x130_AzubiKnigge_190701.indd 1 01.07.19 12:03<br />
*von ca. 2000 Kliniken<br />
Anz185x130_AzubiKnigge_190701.indd 1 01.07.19 12:03<br />
>><br />
„<br />
Dieser kreative Zerstörungsprozess und die Neuerfindung ließen sich nur<br />
unter Einbindung aller Chefärzte sowie vieler interessierter und<br />
engagierter Mitarbeiter bewältigen.<br />
“<br />
1 2 3<br />
Im Ergebnis blicken wir auf ein zukunftsorientiertes,<br />
bildreiches, farbintensives und frisches Design, das<br />
die Patienten und Mitarbeitenden gleichermaßen<br />
anspricht.<br />
Erste Überraschung -<br />
Mitarbeiter wollen den Dialog<br />
Was uns am meisten überraschte, war die plötzlich<br />
einsetzende Intensität, mit der die Mitarbeiter sich<br />
immer häufiger zu Kampagnen und Veränderungen<br />
des Marketings äußerten. Das war neu und hatte es<br />
bei dem alten Marketing nicht gegeben. 3 Beispiele<br />
aus dem KEM-Alltag:<br />
>><br />
>><br />
Früher hießen wir Kliniken Essen-Mitte. Jetzt<br />
heißen wir KEM. Im Prozess der Neuerfindung<br />
stellten wir nämlich anhand von Interviews fest,<br />
dass intern immer von den KEM gesprochen<br />
wurde. Auch der im letzten Jahr abgeleitete<br />
Claim „KEM – Kompetenz. Exzellenz. Menschlichkeit.“<br />
entsprang dem Gedankenaustausch<br />
mit den Mitarbeitenden.<br />
Das neue Key Visual, die Doppelhelix: Weil die<br />
gen-basierte Krebsmedizin an den KEM eine<br />
übergeordnete Rolle spielt, haben wir uns dafür<br />
entschieden, mit diesem Visual zu werben – wir<br />
gingen von einer externen Verwendung und<br />
Wirkung aus.<br />
Dann fragten uns die ersten Mitarbeitenden plötzlich,<br />
ob sie die Helix als Aufkleber für ihr Auto oder in<br />
der Signatur nutzen dürften. Mitarbeitende schrieben<br />
uns, dass sie ein Helix-Plakat gesehen hätten,<br />
das sie gerne in ihr Büro hängen würden. Daran<br />
merkten wir deutlich, dass die Identifikation mit den<br />
KEM weiter wächst. Es wurde uns klar, dass die Veränderungen<br />
an den KEM, die wir zielgerichtet nach<br />
außen präsentierten – zum Beispiel auf Litfaßsäulen,<br />
Plakatwänden und in der Tageszeitung – auch innen<br />
mit hoher Aufmerksamkeit und Neugier verfolgt<br />
wurden.<br />
>><br />
Mitarbeitende senden uns jede Woche alte Prints<br />
zu – von Terminblöcken über Briefbögen und Klinikbroschüren<br />
bis hin zu alten Flyern und Plakaten<br />
– mit der dringenden Bitte, diese möglichst<br />
schnell in das neue KEM-Design zu verwandeln.<br />
Darüber hinaus gab und gibt es kontinuierlich Anregungen<br />
und den Zuspruch „Weiter so, Marketing!“<br />
Zweite Überraschung –<br />
Noch mehr gute Köpfe aus<br />
allen Richtungen wollen<br />
an die KEM<br />
Wir hatten nicht damit gerechnet, dass die<br />
eigenen Mitarbeiter sich derart austauschen<br />
und einbringen würden. Da überraschte es<br />
uns umso mehr, dass sogar potentielle Bewerber<br />
aus Medizin und Pflege - gerade in Zeiten<br />
des Fachkräftemangels – aktiv mit Bezug auf<br />
das neue Marketing auf uns zukamen, um die<br />
KEM näher kennen zu lernen. Das wiederum<br />
bestärkte uns darin, auch unsere Stellenanzeigen<br />
mutiger und provokanter zu gestalten. Die<br />
Aufmerksamkeit haben wir so also gesteigert.<br />
(s. Abb. 1, Stellenanzeige)<br />
Die neue Erscheinung der Klinik macht darüber hinaus<br />
auch zunehmend Gesundheitsunternehmen,<br />
wie Pharma, MedTech und Dienstleister, in neuer<br />
Weise auf uns aufmerksam. Das führt dazu, dass<br />
Mitarbeiter aus diesen Firmen sich bei uns vorstellen.<br />
War es früher so, dass insbesondere junge, karriereorientierte<br />
Mitarbeiter ungern im „verstaubten“<br />
Kliniksektor arbeiten wollten, so wirkt unser frisches<br />
und außergewöhnliches Auftreten offenbar nun anziehend<br />
auf sie.<br />
Von auSSen nach innen:<br />
Was das Marketing auSSerhalb<br />
der Klinik nach innen bewirkte<br />
Wir entschieden uns früh, dass wir über große Werbeflächen<br />
im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit erzeugen<br />
wollen. Wir werben daher regelmäßig – im<br />
Zuge aktueller Veranstaltungen und Neuerungen<br />
an den KEM – mit ausdrucksstarken und sehr farbintensiven<br />
Plakaten z. B. an Litfaßsäulen, Hauswänden,<br />
im Einkaufszentrum, am Bahnhof, an Cafés oder auf<br />
LKW. Hier übersetzen wir KEM immer wieder neu.<br />
Wir finden gemeinsam mit den Mitarbeitenden weitere<br />
Claims für die KEM, wie zum Beispiel: „KEM - Kreativ.<br />
Engagiert. Mutig.“<br />
Wir bleiben so im Dialog mit den Mitarbeitenden<br />
und eröffnen einen Raum für Identifikation und Kreativität<br />
an den KEM. Mit unserem ungewöhnlichen<br />
Design fallen wir auf – im Übrigen auch den Medienvertretern.<br />
Aufgefallen, weil Ausgefallen:<br />
Medienvertreter nehmen uns<br />
positiv wahr<br />
Mittlerweile konnten wir die Medienarbeit von<br />
regional auf überregional und sogar national ausdehnen.<br />
Haben wir früher hauptsächlich regionale<br />
Berichterstattung initiiert, so arbeiten wir nun vorwiegend<br />
überregional mit Qualitätsmedien, wie<br />
dem WDR, ZDF und der Funke Mediengruppe bis<br />
hin zur Telefonaktion mit der BILD. Neue Kontakte<br />
haben wir auch deshalb geknüpft, weil wir präsenter<br />
sind und dadurch länger in Erinnerung bleiben.<br />
Geballte Kompetenz in 22 Fachkliniken – die Chefärzte der KEM<br />
provided by<br />
Weil smart & digital<br />
alleine nicht reicht.<br />
KEM.<br />
Kreativ<br />
Einfühlsam<br />
Menschlich<br />
in Kooperation mit TELEKOM Healthcare Solutions<br />
kem-med.com<br />
Die KEM I Evang. Kliniken Essen-Mitte gGmbH<br />
Jede Krankheit ist anders – Jeder Mensch auch. Modernste<br />
Medizin und Forschung an den KEM | Evang. Kliniken<br />
Essen-Mitte bedeutet insbesondere auch teamorientierte<br />
und kommunikationsstarke Zusammenarbeit auf<br />
Die Kooperation mit der T-KOM ermöglicht<br />
ein kreatives Spiel mit unterschiedlichen<br />
Corporate Designs und Corporate<br />
Identities, die in den KEM und außerhalb<br />
gleichermaßen Interesse wecken.<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Die Medizin der Zukunft –<br />
schon jetzt an den KEM.<br />
Sei dabei.<br />
Moderne Medizin und Forschung<br />
an den KEM mit 22 Fachkliniken,<br />
2500 KEM-Botschaftern und<br />
einer ausgezeichneten Zusammenarbeit<br />
mit erfahrenen und kreativ<br />
denkenden Teams.<br />
Läuft bei uns an den KEM. Und bei Dir?<br />
laeuft-bei-mir@kem-med.com<br />
Hotline 0201 174-13001<br />
kem-med.com<br />
So kam eine Redakteurin vor Kurzem auf uns zu,<br />
die den auffälligen KEM-Beileger zur genbasierten<br />
Krebsmedizin in der Hand hielt und berichten wollte<br />
(s. Grafik Flyer Gen-Basierte Medizin). Wir merken<br />
deutlich, dass immer dann, wenn wir eine Kampagne<br />
starten, uns mehr Anfragen von außen erreichen.<br />
Die Medien sprechen uns häufiger an, wenn<br />
sie über Themen berichten wollen, die wir explizit<br />
beworben haben.<br />
Unsere Gestaltung, obwohl durchaus provokant<br />
und klinikuntypisch, wird von Medienvertretern<br />
zwar durchaus kritisch hinterfragt, schlussendlich<br />
jedoch als überzeugend und authentisch bewertet.<br />
höchstem Niveau. 2500 engagierte KEM-Mitstreiter an 22<br />
Fachkliniken, mit 1000 Betten, an drei Klinikstandorten versorgen<br />
bis zu 100.000 Patienten im Jahr.<br />
Platz 9<br />
Platz 41*<br />
Die Medizin der Zukunft –<br />
schon jetzt an den KEM.<br />
Sei dabei.<br />
Moderne Medizin und Forschung<br />
an den KEM mit 22 Fachkliniken,<br />
2500 KEM-Botschaftern und<br />
einer ausgezeichneten Zusammenarbeit<br />
mit erfahrenen und kreativ<br />
denkenden Teams.<br />
Läuft bei uns an den KEM. Und bei Dir?<br />
laeuft-bei-mir@kem-med.com<br />
Hotline 0201 174-13001<br />
kem-med.com<br />
Platz 41*<br />
Wir erzeugen Aufmerksamkeit und<br />
Neugier mit offensiver Ansprache und<br />
Gestaltung der Stellenanzeigen. Die<br />
KEM-Anzeigen sehen immer unterschiedlich<br />
aus (Abb. 1).<br />
Platz 9<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 32 33<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
CLP_10Juli_190625_ZW_RZ.indd 1 25.06.19 12:17<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Die genbasierte Krebsmedizin<br />
steht an den KEM im<br />
Fokus. Veranstaltungen mit<br />
internationalen Gästen locken<br />
immer mehr Mitarbeiter,<br />
Ärzte von den KEM und<br />
extern sowie Patienten an.<br />
Unser Ziel war und ist es, durch eine radikale Neugestaltung<br />
– von Print über Online bis hin zu TV & Media<br />
– eine deutliche Steigerung der Aufmerksamkeit,<br />
Marktausschöpfung und Neu-Bindung von Patienten<br />
und Zuweisern zu erreichen. Diese Absichten<br />
kann man im Ergebnis quantifizieren. Zuweiser- und<br />
Patientenstatistiken sind die herkömmlichen Messinstrumente.<br />
Unsere Evaluationen zeigen, dass das<br />
neue Marketing greift.<br />
Bei Mitarbeitenden und der Neugewinnung dieser<br />
stellen wir qualitativ fest, dass sich eine spürbar<br />
höhere Resonanz und ein nachhaltiges Interesse<br />
„<br />
Die neue Erscheinung der Klinik macht darüber hinaus<br />
auch zunehmend Gesundheitsunternehmen, wie<br />
Pharma, MedTech und Dienstleister, in neuer Weise<br />
auf uns aufmerksam. Das führt dazu, dass Mitarbeiter<br />
aus diesen Firmen sich bei uns vorstellen.<br />
“<br />
Fazit<br />
Autorin<br />
Sabine Loh<br />
Unternehmenssprecherin und<br />
Leiterin Marketing-<br />
Unternehmensentwicklung<br />
KEM I Evang. Kliniken<br />
Essen-Mitte gGmbH<br />
an den KEM als Arbeitgeber durch die neue Marketingstrategie<br />
einstellte. Da wir dieses Interesse nun<br />
auch aus anderen Branchen erkennen, ziehen wir<br />
folgendes Zwischen-Fazit:<br />
Gute Köpfe wollen gute Kommunikation, und<br />
arbeiten lieber für ein attraktives Unternehmen,<br />
das das Gewohnte auch gerne mal gegen<br />
den Strich bürstet.<br />
35<br />
Stunden-Woche bei vollem Gehaltsausgleich<br />
Der Erfolg von Kliniken wird<br />
sich in der Zukunft gerade daran<br />
messen, wieviel qualifizierte<br />
Wie die Frankfurter Rotkreuz-KlinIken ihre<br />
Pflegefachkräfte stärken<br />
Fachkräfte zur Verfügung stehen.<br />
Deshalb müssen Krankenhäuser<br />
vielfältige Anreizsysteme<br />
schaffen, um ihre kompetenten<br />
Pflegefachkräfte zu halten sowie<br />
potentielle neue Bewerberinnen<br />
und Bewerber anzusprechen.<br />
Damit gehen Themen der Unternehmenskultur<br />
sowie der Unternehmensorganisation<br />
einher.<br />
Das daraus entstehende Unternehmensprofil<br />
muss sich dann<br />
vor allem durch die kontinuierliche<br />
Einbindung der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter und deren<br />
Wünsche auszeichnen. Diese<br />
Strategie wird in den Frankfurter<br />
Rotkreuz-Kliniken verfolgt, indem<br />
unter anderem die 35-Stunden-Woche für<br />
stationäre Pflegefachkräfte eingeführt wurde.<br />
Seit Januar <strong>2019</strong> hat der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken<br />
e.V. als vermutlich erster deutscher Klinikträger<br />
die 35-Stunden-Woche bei vollem Gehaltsausgleich<br />
Foto: Frankfurter Rotkreuz-Kliniken<br />
Autorin<br />
Tina Stanzel<br />
Referentin Unternehmenskommunikation<br />
& Pressesprecherin<br />
Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V.<br />
Frankfurt am Main<br />
für stationäre Pflegefachkräfte<br />
eingeführt. Wie kam es dazu und<br />
welche positiven Effekte werden<br />
erwartet?<br />
Deutschlandweit stehen Krankenhäuser<br />
gerade im Hinblick auf<br />
gesellschaftliche Erwartungen<br />
und Entwicklungen vor einer Vielzahl<br />
von Herausforderungen: Demografischer<br />
Wandel, Erhöhung<br />
der Patientensicherheit, zunehmende<br />
Regulierung der Krankenhäuser<br />
seitens des Gesetzgebers<br />
und Maßnahmen der Qualitätssicherung-<br />
und erfassung waren<br />
für Kliniken schon immer außerordentlich<br />
wichtige Themen, die<br />
zukünftig noch bedeutsamer<br />
werden.<br />
Das Krankenhausstrukturgesetz und das zu Beginn<br />
des Jahres in Kraft getretene Pflegepersonalstärkungsgesetz<br />
bilden dabei momentan den gesetzlichen<br />
Rahmen. Mit Sicherheit schwingt dabei von<br />
einigen Seiten die Hoffnung mit, dass diese umfassenden<br />
gesetzgeberischen Maßnahmen zu einer<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 34 35<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
zahlreiche Maßnahmen gelingen. Eine Maßnahme<br />
sollte aber sein, für Pflegefachkräfte die bestmöglichen<br />
Arbeitsbedingungen zu schaffen.<br />
Gemeinsame Freude über die 35-Stunden-Woche<br />
Fotos: Rotkreuz-Kliniken Frankfurt am Main<br />
Etwas zu verändern erfordert Mut, aber vor allem<br />
auch Transparenz gegenüber den Angestellten.<br />
Konflikte zwischen Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen<br />
sind nicht immer ausgeschlossen, durch<br />
einen offenen Dialog kann und muss man sich damit<br />
aber auseinandersetzen. In zahlreichen Mitarbeitergesprächen<br />
hat sich herauskristallisiert, dass sich<br />
die meisten Pflegefachkräfte zunehmend mehr freie<br />
Zeit wünschen, um diese vor allem mit ihren Familien<br />
verbringen zu können. Diesem Wunsch wurde<br />
nun nachgegangen, indem die wöchentliche Sollarbeitszeit<br />
von 38,5 Stunden auf 35 Wochenstunden<br />
reduziert wurde – 3,5 Stunden weniger Arbeit - und<br />
das jede Woche. Der Grundlohn bleibt aber trotz der<br />
verkürzten Sollarbeitszeit gleich.<br />
Diese Entscheidung wurde in den Führungsgremien<br />
der Klinik (der Geschäftsführung und dem Vorstand<br />
als Aufsichtsorgan) sowie in Zusammenarbeit mit<br />
dem Betriebsrat erarbeitet und gefällt.<br />
Sabine Strobach sieht in der Einführung der<br />
35-Stunden-Woche ein klares Statement für die Pflege.<br />
„Wir, die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken, tun was für<br />
den Pflegeberuf und setzen mit dieser Neuerung ein<br />
klares Zeichen. Ich denke, dass wir mit der Einführung<br />
der 35-Stunden-Woche unsere Beschäftigten<br />
glücklich machen, und glückliche Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter sind ja die besten Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter. Ich persönlich freue mich sehr auf<br />
die kommende Zeit und sehe die Einführung als<br />
besonderes Highlight in meiner Karriere. Auch hier<br />
wurde deutlich: Solche Änderungen sind nur dann<br />
umsetzbar, wenn alle an einem Strang ziehen und<br />
positiv zusammenarbeiten. Und das zeichnet unsere<br />
Kliniken ja aus!“ Sabine Strobach ist eine der beiden<br />
Pflegedienstleitungen und stellvertretende Geschäftsführerin<br />
Personal, Pflege & Kommunikation<br />
der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken.<br />
Marktbereinigung im Gesundheitswesen führen.<br />
Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund eines Fachkräftemangels,<br />
der zur Folge hat, dass es zunehmend<br />
schwieriger wird, bestimmte Fachbereiche<br />
zu besetzen. Schlussendlich steigen auch die Arbeitsanforderungen<br />
an das Pflegepersonal, das sich<br />
neben den immer größer werdenden Fallzahlen<br />
pflegeintensiver Patienten auch vermehrt mit administrativen<br />
und dokumentarischen Tätigkeiten im<br />
Klinikalltag auseinandersetzen muss.<br />
Unter diesen Bedingungen – und es wurden lediglich<br />
einige zentrale Aspekte genannt – gilt es für Kliniken,<br />
sich mit prägnanten Profilen zu positionieren.<br />
Wichtig ist es gerade dann, die Attraktivität des Arbeitgebers<br />
für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
sowie auch für Bewerberinnen und Bewerber zu<br />
steigern. Was immer deutlicher wird: Krankenhäuser<br />
können nur dann erfolgreich bestehen, wenn sie<br />
über ausreichend qualifiziertes Personal verfügen.<br />
Die Pflege weiter stärken<br />
Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken sind inhabergeführt<br />
und stehen unter der Trägerschaft der Frankfurter<br />
Rotkreuz-Schwesternschaften. Deswegen<br />
gehört die Begleitung und Stärkung der Pflegefachkräfte<br />
seit mehr als 150 Jahren zur Unternehmenskultur<br />
und zum Selbstverständnis der Kliniken. Man<br />
ist davon überzeugt, dass die Qualität der Patientenversorgung<br />
vor allem mit der Zufriedenheit und<br />
Ausgeglichenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
zu tun hat. Aus diesem Grund ist die Stärkung<br />
der Pflege ein zentrales Anliegen. Dies kann durch<br />
Oberin Karin Schoppet, Vorstandsvorsitzende<br />
des Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. und Oberin der<br />
beiden Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften,<br />
betont: „Gerade für unser Pflegepersonal ist diese<br />
Neuerung ein absoluter Gewinn. Mit der Einführung<br />
der 35-Stunden-Woche stärken wir erneut unsere<br />
Attraktivität als Arbeitgeber und positionieren uns<br />
noch besser im Rhein-Main-Gebiet. Wir möchten<br />
dadurch nicht nur neue Pflegefachkräfte ansprechen,<br />
sondern auch unseren guten Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern sowie allen Mitgliedern der beiden<br />
Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften etwas zurückgeben.<br />
Dies gibt uns die Möglichkeit, sie durch<br />
die geringere Arbeitszeit körperlich zu entlasten und<br />
ihnen auch mehr Zeit mit ihren Familien zu ermöglichen.<br />
Dieser Aspekt liegt uns als „berufundfamilie“-<br />
zertifizierter Arbeitgeber besonders am Herzen.“<br />
Und auch Gunnar Sevecke, MBA, Geschäftsführer<br />
Finanzen & Strategie der Frankfurter Rotkreuz-<br />
Kliniken, sieht die Neuerung als positive Entwicklung.<br />
„Als inhabergeführte Kliniken durch die beiden<br />
Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften möchten<br />
wir vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 36 37<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Fotos: Rotkreuz-Kliniken Frankfurt am Main<br />
der Pflege für ihren täglichen Einsatz danken und<br />
das auch in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten.<br />
Persönlich freue ich mich besonders darüber, dass<br />
wir, die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken, den unternehmerischen<br />
Mut hatten, als voraussichtlich erste<br />
deutsche Kliniken die 35-Stunden-Woche in der<br />
Pflege einzuführen.“<br />
Jörg Kruppke ist der Meinung, dass die Pflege vor<br />
allem im Hinblick auf Tarifsteigerungen in den letzten<br />
Jahrzehnten meist vernachlässigt wurde. „Wir in<br />
den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken wollen nun zeigen:<br />
Es geht auch anders! Ich freue mich über die<br />
abgeschlossene Betriebsvereinbarung und hoffe,<br />
den Kolleginnen und Kollegen geht es genauso wie<br />
mir. Die 35-Stunden-Woche bringt durch die Verkürzung<br />
der Arbeitszeit eine körperliche Entlastung<br />
bei gleichbleibendem Gehalt - es ist also keine Teilzeit.<br />
Wenn das mal kein deutliches Signal ist!“ Jörg<br />
Kruppke ist Betriebsratsvorsitzender der Frankfurter<br />
Rotkreuz-Kliniken.<br />
Und was sagen die Pflegekräfte<br />
zu dieser Neuerung?<br />
Die vorgenommenen Änderungen treffen nicht nur<br />
beim Führungsgremium auf positives Echo, sondern<br />
vor allem auch bei den Fachkräften, die unmittelbar<br />
davon betroffen sind. Die Kliniken beschäftigen insgesamt<br />
rund 300 Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeiter,<br />
von denen nun mehr als die Hälfte<br />
von dieser Neuerung profitiert.<br />
Schwester Katy überlegt, nun wieder frühere<br />
Hobbies aufzugreifen. „Wenn man mich vor zehn<br />
Jahren gefragt hätte, was ich mit der gewonnenen<br />
Zeit mache, da hätte ich gesagt „Ich bin mit Leidenschaft<br />
auch Mutter und die ‚Mehr‘-Zeit gehört<br />
meinen Kindern.“ Nun sind meine Kinder groß und<br />
gehen langsam ihre eigenen Wege. Jetzt gehört die<br />
Zeit wieder mir. Ich habe früher sehr gern gemalt<br />
oder auch fotografiert und möchte damit wieder<br />
beginnen.“ Katy arbeitet seit 25 Jahren als Pflegekraft<br />
in der Klinik Rotes Kreuz und ist die Stationsleitung<br />
der Station 2AD.<br />
Schwester Andrea wird mit der nun gewonnenen<br />
Zeit einen Rundumschlag in ihrer Wohnung<br />
vornehmen. „Zu meinem 40. Geburtstag wollte ich<br />
mein Gästezimmer zu einem begehbaren Kleiderschrank<br />
und einer kleinen Bibliothek mit Leseecke<br />
umbauen. Gerade lese ich sehr gerne Nord- & Ostseekrimis.<br />
Passenderweise werde ich dieses Jahr 40<br />
„<br />
In zahlreichen Mitarbeitergesprächen hat sich herauskristallisiert,<br />
dass sich die meisten Pflegefachkräfte<br />
zunehmend mehr freie Zeit wünschen.<br />
“<br />
und habe nun dank der 35-Stunden-Woche endlich<br />
die Zeit dafür.“ Andrea arbeitet auf der Station 2AD<br />
der Klinik Rotes Kreuz und ist seit 19 Jahren Teil unseres<br />
Teams.<br />
Schwester Sarah plant ihre zusätzliche Zeit vor<br />
allem für Freunde, Familie sowie für ihren Husky-<br />
Mischling „Bruno“ ein. „Ich freue mich schon darauf,<br />
endlich wieder mehr Zeit mit meinen Liebsten zu<br />
verbringen. Außerdem kann ich mich so auch wieder<br />
mehr um Bruno kümmern und mit ihm neue<br />
Felder und Waldwege entdecken. Ach ja, und Zeit<br />
für mich zum Entspannen soll zukünftig auch nicht<br />
mehr zu kurz kommen.“ Sarah ist Pflegefachkraft auf<br />
der Station 1AD in der Klinik Rotes Kreuz und Praxisanleiterin.<br />
Sie ist seit 5 Jahren in unseren Kliniken.<br />
Schwester Amina möchte die gewonnenen<br />
Stunden vor allem für ihre Freunde und sich selbst<br />
nutzen. „Ich freue mich darauf, dass ich nun wieder<br />
mehr Zeit habe, um Yoga zu machen, Bücher von<br />
Paulo Coelho zu lesen oder auch mal ins Kino zu gehen.<br />
Außerdem plane ich nun endlich meinen ersten<br />
Kurztrip nach Berlin, um dort meine Freunde zu<br />
besuchen.“ Amina arbeitet seit 2018 als Pflegekraft<br />
auf der Station 1AD in der Klinik Rotes Kreuz.<br />
Finanzielle Unterstützung<br />
durch den Bund<br />
Krankenhäuser befinden sich aktuell in einem politisch<br />
sehr regulierten Markt, weswegen politische<br />
Entscheidungen von großer Bedeutung für die strategische<br />
Ausrichtung einer Klinik sind.<br />
Die deutsche Bundesregierung reagiert zunehmend<br />
auf den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen<br />
und fördert beispielsweise die Attraktivität und die<br />
Ausbildung des Pflegeberufs. So werden zum Beispiel<br />
die Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement<br />
gestärkt sowie die Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie gefördert. Außerdem erhalten<br />
Kliniken eine höhere Bezuschussung zur Ausbildung<br />
von Pflegefachkräften. Desweiteren soll die Digitalisierung<br />
in der Pflege und somit die Vereinfachung<br />
von dokumentarischen und administrativen Tätigkeiten<br />
gefördert werden.<br />
Vor allem das <strong>2019</strong> in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz<br />
wird deutsche Krankenhäuser zunehmend<br />
entlasten, da nun jede zusätzliche und jede<br />
aufgestockte Stelle in der Pflege voll und ganz von<br />
der Krankenversicherung finanziert wird. Diese Neuerung<br />
gilt auch für Pflegefachkräfte, die ihre Arbeitszeit<br />
von Teilzeit auf Vollzeit aufstocken möchten.<br />
Die Geschäftsführung der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken<br />
kalkuliert mit rund 550.000 Euro Zusatzkosten<br />
pro Jahr, die durch die Einführung der 35-Stunden-<br />
Woche anfallen. Das entspricht in etwa elf Fachkraftstellen,<br />
die deswegen auch neu geschaffen wurden<br />
und bis auf wenige Ausnahmen bereits besetzt sind.<br />
Die Neuerung ist zunächst auf zwei Jahre befristet.<br />
Die hohen Standards halten<br />
und ausbauen<br />
Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken konnten bereits in<br />
der Vergangenheit eine hohe Arbeitgeberattraktivität<br />
vorweisen, die sich in der hohen Mitarbeiterzufriedenheit<br />
, den wenigen freien Arbeitsstellen sowie<br />
der Zertifizierung „berufundfamilie“ widerspiegelt.<br />
Die Kliniken möchten auch weiterhin die Zufriedenheit<br />
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken.<br />
Damit die Pflegefachkräfte nicht dasselbe Pensum<br />
wie bislang, jedoch nun in kürzerer Zeit absolvieren<br />
müssen, wurden bereits und werden auch zukünftig<br />
weitere Vollzeitkräfte eingestellt.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 38 39<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Außerdem möchten die Kliniken erneut ihre hohe<br />
Arbeitgeberattraktivität stärken. In Bezug auf Employer<br />
Branding gehen die Frankfurter Rotkreuz-<br />
Kliniken schon seit Längerem moderne Wege. Die<br />
letzte Employer-Branding-Kampagne „Teamgeist<br />
erleben“ wurde mit mehreren Awards ausgezeichnet,<br />
eine weitere Arbeitgeber-Kampagne ist gerade<br />
in Planung. Für das Unternehmen ist klar: Die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter machen die Marke. Aus<br />
Beschäftigten werden Fans der eigenen Kliniken,<br />
die ihre Identifikation mit ihrem Arbeitgeber bis in<br />
die sozialen Medien hineintragen sowie sich selbst<br />
in die Planung und Umsetzung der Online-Inhalte<br />
einbringen.<br />
Stetig wird zudem daran gearbeitet, die Qualität der<br />
Patientenversorgung in den beiden Kliniken weiter<br />
zu steigern, was auch durch zahlreiche Institute<br />
überprüft wird. Auch in diesem Bereich können die<br />
Frankfurter Rotkreuz-Kliniken positive Zahlen vorweisen.<br />
Laut der größten Patientenbefragung in<br />
Europa würden rund 89 Prozent der Patientinnen<br />
und Patienten die Klinik Rotes Kreuz und die Klinik<br />
Maingau vom Roten Kreuz weiterempfehlen. Diese<br />
Qualität in der Patientenversorgung entsteht vor<br />
allem durch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
die in den beiden Kliniken beschäftigt sind.<br />
Rund 98 Prozent der stationären Angestellten sind<br />
examinierte Pflegekräfte, des Weiteren bilden die<br />
>><br />
Frankfurter Rotkreuz-Kliniken in ihrer Krankenpflegeschule<br />
unter anderem auch ihre Nachwuchspflegekräfte<br />
selbst aus.<br />
Ziehen andere Krankenhäuser<br />
nach?<br />
Bereits seit 1970 treten unterschiedliche deutsche<br />
Gewerkschaften für eine 35-Stunden-Woche ein.<br />
Trotz zahlreicher Verhandlungen, Streiks und Proteste<br />
ist die verkürzte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich<br />
bislang nicht weit verbreitet.<br />
Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken sind vermutlich<br />
der erste Klinikträger in Deutschland, der die<br />
35-Stunden-Woche für Stationspflegekräfte eingeführt<br />
hat und so nehmen die beiden im Herzen<br />
von Frankfurt gelegenen Krankenhäuser eine<br />
Pionierrolle ein. Dieser Schritt wurde von Medien<br />
und Politikern sehr begrüßt. Es wird vermutet, dass<br />
andere Krankenhäuser nachziehen werden und<br />
dieses Thema in zukünftige Tarifverhandlungen<br />
mit aufgenommen wird. Die Neuerung verdeutlicht:<br />
Jede Klinik trägt ihre eigene Verantwortung,<br />
so dass stetig neu hinterfragt werden muss, was für<br />
das Unternehmen und vor allem für die Beschäftigten<br />
gut ist.<br />
Der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V.<br />
Der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. mit seinen beiden Betriebsstätten Klinik<br />
Rotes Kreuz und Klinik Maingau vom Roten Kreuz liegt im Herzen der Stadt Frankfurt<br />
am Main und ist aktiver Teil der weltweiten Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung.<br />
Die Kliniken befinden sich in Trägerschaft der beiden Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften<br />
und verfügen über Haupt- und Belegabteilungen, 300 Betten und ca.<br />
17.000 Fallzahlen jährlich sowie rund 600 Beschäftigte. Neben der modernen Ausstattung<br />
der Häuser und der exzellenten Pflege durch hoch qualifizierte Rotkreuzschwestern<br />
und Pflegekräfte, bieten die Häuser über den Schwerpunkt des Belegarztsystems<br />
den Vorteil, dass die Patienten durch niedergelassene, erfahrene Fachärzte ihrer Wahl<br />
behandelt werden, und zwar sowohl ambulant in der Praxis, als auch stationär in der<br />
Klinik. Zudem sind die Standorte seit 2013 berufundfamilie-zertifiziert und gehören<br />
regelmäßig zu den besten Kliniken in Frankfurt am Main.<br />
Fotos: Rotkreuz-Kliniken Frankfurt am Main<br />
Damit die Integration internationaler<br />
Pflegefachkräfte gelingt<br />
Sektorenübergreifendes Projekt erarbeitet konkrete,<br />
bedarfsgerechte Lösungen für den Fachkräftemangel<br />
in der Pflege<br />
Neue Wege bei der Integration internationaler<br />
Pflegekräfte gehen die Hochschule Fulda und<br />
vier Träger von Versorgungseinrichtungen aus<br />
der Kranken- und Altenpflege: das Klinikum Fulda,<br />
das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda, die AWO<br />
Nordhessen und der Caritasverband für die Diözese<br />
Fulda e. V. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftlern der Hochschule<br />
Fulda erarbeiten die prinzipiell im Wettbewerb<br />
stehenden Träger konkrete Lösungsansätze,<br />
wie die Integration internationaler Pflegekräfte<br />
gelingen und der Fachkräftemangel gelindert<br />
werden kann. Ziel ist es, durch Kooperation Lösungen<br />
zu entwickeln, die sowohl auf die Region<br />
zugeschnitten sind, als auch zur Philosophie<br />
der jeweiligen Einrichtung passen. Für einzelne<br />
Träger ist es oft schwierig, für den Integrationsprozess<br />
wichtige Bausteine eigenständig anbieten<br />
zu können.<br />
Die Gewinnung und Integration internationaler Pflegefachkräfte<br />
ist - neben der Steigerung der Attraktivität<br />
der Pflegeberufe und der Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen - eine von mehreren notwendigen<br />
Maßnahmen, den Pflegefachkräftemangel zu<br />
Foto: privat Foto: Hochschule Fulda/Groß<br />
Autorin<br />
Prof. Dr.<br />
Beate Blättner<br />
Fachbereich Pflege und<br />
Gesundheit<br />
Hochschule Fulda<br />
Autor<br />
Prof. Dr.<br />
Heinrich Bollinger<br />
ehemals Professor für<br />
Organisationssoziologie in<br />
der Hochschule Fulda, nun<br />
Mitarbeiter im Projekt<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 40 41<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Foto: Hochschule Fulda/Groß<br />
mindern. Dies stellt die<br />
Pflegeeinrichtungen<br />
vor einige Aufgaben.<br />
Die Bedarfsanalyse<br />
in den Einrichtungen<br />
hat gezeigt, dass unterschiedlich<br />
intensive<br />
Vorerfahrungen<br />
vorhanden sind. Die<br />
Schwierigkeiten sind<br />
aber immer die gleichen.<br />
Die Anerkennung<br />
im Ausland erworbener<br />
Berufsabschlüsse,<br />
die Vermittlung von<br />
fremd- und fachsprachlichen<br />
Kenntnissen<br />
und die Bewältigung<br />
von Unterschieden in<br />
Qualifikationsniveaus,<br />
P f l e g e o rganisation<br />
und Pflegeverständnis,<br />
die auch zu Missverständnissen<br />
auf beiden<br />
Seiten führen, stellen<br />
erhebliche Herausforderungen<br />
dar. Die Einarbeitung<br />
internationaler<br />
Pflegefachkräfte ist<br />
eine Zusatzaufgabe für<br />
die bestehenden Pflegeteams,<br />
die ohnehin<br />
unter der angespannten Arbeitssituation leiden.<br />
Beispielsweise ist es bei einer Anwerbung von Pflegekräften<br />
aus Bosnien und Herzegowina eher wahrscheinlich,<br />
dass seitens der anerkennenden Behörde<br />
wesentliche Unterschiede in der Ausbildung<br />
festgestellt werden - es sei denn, die Pflegekräfte<br />
haben mindestens vier Jahre Berufserfahrung auf<br />
internistischen, chirurgischen oder neurologischen<br />
Stationen im Krankenhaus, die nicht länger als zwei<br />
Jahre zurückliegen. In anderen Fällen kann die Dauer<br />
des Anpassungslehrgangs stark variieren und bis<br />
zu 18 Monate betragen, mit praktischen Einsätzen<br />
und theoretischen Abschnitten. Bei einer praktischen<br />
Kenntnisprüfung müssen statt üblicherweise<br />
zwei bis zu vier Patientinnen oder Patienten aus unterschiedlichen<br />
Fachgebieten unter Prüfungsbedingungen<br />
versorgt werden.<br />
Die Hochschule Fulda<br />
Die Hochschule Fulda hat rund 9.500 Studierende<br />
in acht Fachbereichen und über 60 Studiengängen<br />
sowie 680 Beschäftigte, davon etwa<br />
160 Professorinnen und Professoren. Sie zählt<br />
zu den forschungsstarken Hochschulen für Angewandte<br />
Wissenschaften. 2016 erhielt sie als<br />
bundesweit erste Hochschule dieser Art das<br />
eigenständige Promotionsrecht für forschungsstarke<br />
Fachgebiete, darunter Public Health.<br />
Im Rahmen des Förderprogramms Innovative<br />
Hochschule entwickelt sie zurzeit ihre Transfer-<br />
Strategien weiter. Die Aus- und Weiterbildung<br />
von Berufen des Gesundheitswesens in derzeit<br />
11 Studiengängen ist einer der Schwerpunkte<br />
der Hochschule Fulda. Mit über 90 Mitarbeitenden<br />
und zahlreichen Forschungsprojekten ist<br />
der Fachbereich Pflege und Gesundheit eine<br />
tragende Säule der Hochschule.<br />
Länderdossiers, die Auskunft über Pflege und Pflegeausbildung<br />
im Land, über Besonderheiten bei der<br />
Anerkennung des Berufsabschlusses in Deutschland<br />
nach den bisherigen<br />
berufsrechtlichen<br />
Regelungen und über<br />
Erfahrungen mit der<br />
Anwerbung aus dem<br />
jeweiligen Land geben,<br />
sind eine erste Hilfestellung,<br />
die im Projekt sukzessive<br />
erarbeitet und<br />
in Kürze auch auf der<br />
Webseite des Projektes<br />
zugänglich gemacht<br />
werden. Ergänzend wird<br />
derzeit überlegt, inwieweit<br />
die gut ausgestatteten<br />
Simulationslabore<br />
des Pflegestudiums an<br />
der Hochschule auch<br />
dazu genutzt werden<br />
könnten, um fachspezifische<br />
Sprachkenntnisse<br />
praxisnah zu vertiefen.<br />
Alten- und<br />
Krankenpflege<br />
gemeinsam<br />
betrachten<br />
Internationale Pflegefachkräfte<br />
sind in der Regel<br />
in der Krankenpflege<br />
qualifiziert und an Hochschulen ausgebildet. In den<br />
meisten Staaten der Europäischen Union und in sogenannten<br />
Drittstaaten gibt es keine der deutschen<br />
Altenpflegeausbildung vergleichbare fachliche Bildung.<br />
Pflegekräfte übernehmen oft Aufgaben, die<br />
näher an den Tätigkeiten sind, die hier Ärztinnen<br />
und Ärzten vorbehalten sind. In vielen Staaten existieren<br />
zudem Besonderheiten in der Pflege, die in<br />
Deutschland unbekannt sind, etwa die grundpflegerische<br />
Versorgung von Patientinnen und Patienten<br />
durch Angehörige. Grundpflege ist dann weder<br />
Gegenstand der Ausbildung noch gehört sie zum<br />
Selbstverständnis der Pflege. Über das, was Pflegetätigkeit<br />
ausmacht, bestehen folglich ganz unterschiedliche<br />
Vorstellungen. Zu spüren bekommt das<br />
zu allererst die Altenpflege. Nicht selten fühlen sich<br />
die internationalen Kräfte hier nicht entsprechend<br />
sachverständig und in ihren Kompetenzen gewürdigt.<br />
Sie wechseln dann lieber in die Krankenpflege.<br />
Aber auch dort können sie ihr Wissen und Können<br />
nicht ihren Vorstellungen entsprechend einbringen.<br />
Ihr Unverständnis der Situation, die sie in Deutschland<br />
vorfinden, wird oft als sprachliches oder kulturelles<br />
Problem missverstanden.<br />
Einer der kooperierenden Träger der Altenpflege<br />
hat beispielsweise für sich die Konsequenz gezogen,<br />
nicht mehr ausgebildete Fachkräfte aus dem<br />
Ausland anzuwerben, sondern pflegeaffine Personen<br />
in Deutschland selbst auszubilden, um das hier<br />
übliche Pflegeverständnis zu vermitteln und zum<br />
Teil der beruflichen Sozialisation werden zu lassen.<br />
Die Erfahrungen damit lassen sich allerdings noch<br />
nicht abschließend bewerten.<br />
Wir müssen in der Versorgungspraxis zwischen Alten-<br />
und Krankenpflege differenzieren, der Berufsalltag<br />
ist ein anderer. Zugleich ist es wichtig, bei<br />
der Integration internationaler Pflegekräfte beide<br />
Bereiche im Blick zu haben. Nur dann können tragfähige<br />
Lösungen für die jeweiligen Einrichtungen<br />
mit ihren spezifischen Anforderungen und Problemen<br />
erarbeitet werden. Die sektorenübergreifende<br />
Zusammenarbeit der Versorgungseinrichtungen<br />
bildet daher eine wesentliche<br />
Grundlage<br />
für das Projekt und<br />
kann zugleich einen<br />
Beitrag dazu leisten,<br />
mit den Herausforderungen<br />
umzugehen,<br />
die mit der Umsetzung<br />
des neuen<br />
Pflegeberufegesetzes<br />
einhergehen, das<br />
am 1. Januar 2020 in<br />
Kraft treten soll. Eine<br />
engere Zusammenarbeit der kooperierenden Träger<br />
in der generalistischen Ausbildung wäre wohl<br />
zwangsläufig erfolgt; aber unser Projekt hat auch<br />
die Bereitschaft zur Zusammenarbeit insgesamt<br />
verbessert und zeigt damit willkommene Nebeneffekte.<br />
Die generalistische Ausbildung, also die Verbindung<br />
der bisher getrennten Ausbildung von Alten-, Kranken-<br />
und Kinderkrankenpflege, wirft zugleich neue<br />
Fragen auf. Wir erwarten, dass dies die Anerkennung<br />
von Abschlüssen internationaler Pflegefachkräfte<br />
erschweren wird, weil beispielsweise Inhalte<br />
der Altenpflege nicht zwingend Gegenstand internationaler<br />
Pflegeausbildungen sind. Beispielsweise<br />
ist in Brasilien die Pflege im Pflegeheim erst Gegenstand<br />
eines einjährigen Aufbaustudiums nach dem<br />
Bachelorabschluss.<br />
In den Organisationen die nötigen<br />
Voraussetzungen schaffen<br />
Zugleich geht das Projekt von der Grundannahme<br />
aus, dass Integration auch auf Seiten der Versorgungseinrichtungen<br />
Veränderungsbereitschaft erfordert.<br />
Ob die Integration gelingt, hängt wesentlich<br />
von den Gegebenheiten in den jeweiligen Einrichtungen<br />
ab. Integration ist nicht gleichbedeutend<br />
mit Anpassung an die bestehenden Arbeitsverhältnisse.<br />
Vielmehr setzt sie Veränderungen auf beiden<br />
Seiten voraus. Man muss nach Wegen suchen, die<br />
besonderen Kompetenzen der internationalen<br />
Fachkräfte sichtbar zu machen und zu verwerten.<br />
Sonst dominiert immer nur eine häufig an der<br />
Sprachkompetenz festgemachte Defizitperspektive<br />
auf die ausländischen Kolleginnen und Kollegen.<br />
Mit Fallstudien in den einzelnen Einrichtungen wird<br />
die Integration internationaler Pflegekräfte daher<br />
organisationsbezogen in den Blick genommen.<br />
Einzelne Aspekte des<br />
Integrationsgesche-<br />
„<br />
Gelingt die Integration internationaler<br />
Fachkräfte, dann führt dies zu einer<br />
Verbesserung der Arbeitssituation des<br />
gesamten Teams – der Weg dahin ist aber<br />
weit und durchaus steinig. Entlastung<br />
tritt nur dann ein, wenn die Teams bereit<br />
und fähig dazu sind, diese Integrationsleistung<br />
vorweg zu erbringen.<br />
“<br />
hens will das Projekt<br />
mit thematischen<br />
Querschnittsanalysen<br />
erheben und<br />
miteinander vergleichen,<br />
etwa die Form<br />
der Akquisition, die<br />
Art und Reichweite<br />
der Unterstützung<br />
beim Spracherwerb,<br />
die Vorbereitung des<br />
vorhandenen Personals<br />
auf die Integration oder den Umgang der Einrichtung<br />
mit den unterschiedlichen Erfahrungen<br />
der internationalen Kräfte in der Pflege sowie in ihrer<br />
Organisation.<br />
Beispielsweise zeigte sich in den Analysen eines Trägers,<br />
dass Einarbeitungskonzepte für neue Beschäftigte<br />
vorhanden sind und auch genutzt werden,<br />
aber kein systematisches Konzept zur Integration<br />
internationaler Pflegekräfte vorliegt. Ein solches<br />
Konzept wurde beim Träger selbst als notwendig<br />
erachtet, dabei wird darauf Wert gelegt, dass die<br />
Bestandteile eines Integrationskonzepts möglichst<br />
zu dem bewährten Einarbeitungskonzept passen.<br />
Bislang hatten Mitglieder der Belegschaft zudem<br />
in vielen Einzelfällen Aufgaben der sozialen Integration<br />
internationaler Arbeitskräfte übernommen,<br />
zum Beispiel Hilfe bei der Beschaffung von Hausrat,<br />
Stadtführungen, Hinweise auf Behörden oder<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 42 43<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Banken. Diese Hilfestellungen entstanden freiwillig<br />
oder auf Bitten der Leitungen und waren meist adhoc-Reaktionen<br />
auf sichtbar gewordene Bedarfe. In<br />
Einzelfällen war dies mit hohem persönlichem Engagement<br />
verbunden. Handelte es sich aber nicht<br />
mehr um Einzelfälle, nahm das soziale Engagement<br />
von Beschäftigten deutlich ab. Der einzelne Fall erscheint<br />
interessant, stellt eine bewältigbare Herausforderung<br />
dar und mobilisiert die Hilfsbereitschaft<br />
– er hat einen gewissen Eventcharakter. Wird Integration<br />
aber häufiger erforderlich und tendenziell zu<br />
einer Regelaufgabe, dann tritt der damit verbundene<br />
Arbeitscharakter stärker in den Vordergrund.<br />
Pflegeteams in den<br />
Einrichtungen vorbereiten<br />
In allen Fällen, in denen bei den Trägern Erfahrungen<br />
mit der Integration schlecht Deutsch sprechender<br />
Arbeitskräfte bestehen, wird darauf verwiesen,<br />
dass dies für die bestehende Belegschaft mit erheblichen<br />
Belastungen verbunden ist. Bestimmte<br />
Aufgaben, wie zum Beispiel die Dokumentation,<br />
können lange Zeit überhaupt nicht übertragen<br />
werden, Nachtdienste in der Regel nicht übernommen<br />
werden. Die Einarbeitung internationaler Pflegekräfte<br />
dauert insgesamt deutlich länger als die<br />
der hier zulande qualifizierten Kräfte – von ein bis<br />
zwei Jahren ist auszugehen. Der dringend erforderliche<br />
regelmäßige Besuch von Deutschkursen<br />
erfordert die Freistellung und eine entsprechende<br />
„<br />
Für die bestehenden Pflegeteams bedeutet die Integration<br />
internationaler Pflegekräfte stets zusätzlichen<br />
Aufwand. Integration macht Arbeit, und diese Arbeit<br />
muss unter den meist bestehenden Rahmenbedingungen<br />
Personalmangel und Zeitdruck geleistet werden.<br />
Die Teams müssen nach Ansicht der Projektbeteiligten<br />
auf diese Integrationsarbeit systematisch vorbereitet<br />
werden, und diese Zusatzarbeit muss in irgendeiner<br />
Form honoriert werden.<br />
“<br />
Foto: Hochschule Fulda/Groß<br />
Gestaltung von Dienstplänen. Vor allem durch solche<br />
Maßnahmen bedingte Dienstplanänderungen<br />
werden von der bestehenden Belegschaft kritisch<br />
gesehen. Dies alles muss berücksichtigt werden,<br />
und die Belastungen der Teams müssen besser aufgefangen<br />
werden. Demgegenüber wird die sprachliche<br />
und kulturelle Mittler-Funktion internationaler<br />
Fachkräfte bei einem sich internationalisierenden<br />
Klientel oft als hilfreich empfunden.<br />
Für die bestehenden Pflegeteams bedeutet die Integration<br />
internationaler Pflegekräfte also stets zusätzlichen<br />
Aufwand. Integration macht Arbeit, und<br />
diese Arbeit muss unter den meist bestehenden<br />
Rahmenbedingungen Personalmangel und Zeitdruck<br />
geleistet werden. Die Teams müssen nach<br />
Ansicht der Projektbeteiligten auf diese Integrationsarbeit<br />
systematisch vorbereitet werden, und<br />
diese Zusatzarbeit muss in irgendeiner Form honoriert<br />
werden.<br />
Gelingt die Integration internationaler Fachkräfte,<br />
dann führt dies zu einer Verbesserung der Arbeitssituation<br />
des gesamten Teams – der Weg dahin ist<br />
aber weit und durchaus steinig. Entlastung tritt nur<br />
dann ein, wenn die Teams bereit und fähig dazu<br />
sind, diese Integrationsleistung vorweg zu erbringen.<br />
Entscheidend ist hier, dass sowohl der Beitrag<br />
der in den Einrichtungen Beschäftigten als auch die<br />
Leistungen der internationalen Arbeitskräfte gewürdigt<br />
und gegenseitiger Respekt wie gegenseitige<br />
Anerkennung gefördert werden.<br />
Zum Projekt<br />
Das Projekt „Integration Internationaler Pflegekräfte“<br />
ist eines von zehn Umsetzungsprojekten<br />
des „Regionalen Innovationszentrums Gesundheit<br />
und Lebensqualität Fulda“ (RIGL-Fulda). Das<br />
RIGL-Fulda ist das bislang größte Transferprojekt<br />
der Hochschule Fulda, die eine der wenigen „Innovativen<br />
Hochschulen“ in Deutschland ist und<br />
durch die gleichnamige Bund-Länder-Initiative<br />
gefördert wird. Knapp zehn Millionen Euro stehen<br />
dem RIGL-Fulda bis Ende 2022 zur Verfügung.<br />
Mehr Informationen<br />
zum Projekt „Integration<br />
Internationaler Pflegekräfte“:<br />
https://hs-fulda.de/rigl-fulda/intip<br />
Mehr Informationen zum RIGL-Fulda:<br />
https://hs-fulda.de/rigl-fulda<br />
Fachlicher Kontakt:<br />
Prof. Dr. Beate Blättner<br />
Fachbereich Pflege und Gesundheit<br />
Hochschule Fulda<br />
E-Mail: Beate.Blaettner@pg.hs-fulda.de<br />
Prof. Dr. Matthias Klemm<br />
Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften<br />
Hochschule Fulda<br />
E-Mail: Matthias.Klemm@sk.hs-fulda.de<br />
Gemeinsam mit den Kooperationspartnern wird<br />
der Versuch unternommen, einrichtungsspezifische<br />
Lösungen für die Vorbereitung und die<br />
Unterstützung der Pflegeteams und ihrer Integrationsarbeit<br />
zu erarbeiten. „Integration“ hat aus<br />
Sicht des Projekts selbst den Charakter eines Projekts,<br />
das geplant und strukturiert werden muss,<br />
indem Zuständigkeiten definiert und ein Zeitplan<br />
mit Meilensteinen und Evaluierungszeitpunkten<br />
entwickelt werden müssen. Für das einzelne Pro-<br />
jekt muss geklärt werden, welche konkrete Unterstützung<br />
das Integrationsteam erfahren, bzw.<br />
wie eine Entlastung gewährleistet und in welcher<br />
Weise die zusätzliche Integrationsarbeit honoriert<br />
werden kann. Unabdingbar für das Gelingen<br />
des Projekts ist unter anderem die enge Zusammenarbeit<br />
mit den Personalverantwortlichen sowie<br />
der jeweiligen Beschäftigtenvertretung.<br />
Versorgungsmängel nicht<br />
verschieben<br />
Auch ethische Fragestellungen sind dem Projekt<br />
wichtig: Wenn qualifiziertes Pflegepersonal aus<br />
anderen Ländern angeworben wird, besteht das<br />
Risiko, dass Versorgungsmängel nur zwischen<br />
Staaten verschoben werden und die sozial ungleiche<br />
Verteilung von Gesundheitschancen<br />
zwischen Ländern verstärkt wird. Das wäre aus<br />
Public Health Sicht ethisch nicht zu vertreten. Die<br />
Bedingungen der Arbeitskräftevermittlung müssen<br />
ebenso betrachtet werden. Das Spektrum<br />
reicht von seriösen Angeboten bis hin zu Formen<br />
modernen Menschenhandels.<br />
Zeitplan<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Das Projekt hat eine Laufzeit bis Ende 2022. Die<br />
sukzessive erreichten Erkenntnisse werden der<br />
Fachöffentlichkeit in Form von Publikationen<br />
oder Fachtagungen vorgestellt.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 44 45<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
Im Kampf ums Personal<br />
„am Ende der Kette“<br />
Interview mit Franz Hartinger, Vorsitzender<br />
der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe Pflegeeinrichtungen<br />
Wir nutzen alle Möglichkeiten, aber Angebote müssen von den<br />
Mitarbeitern auch angenommen werden<br />
Mehr noch als die Krankenhäuser kämpfen die<br />
Pflegeeinrichtungen mit dem Problem und den<br />
Auswirkungen des Fachkräftemangels. Die Politik<br />
in Bund und Ländern hat dieses Thema nun<br />
aufgegriffen. Mit dem Pflegestärkungsgesetz<br />
werden der Altenpflege u.a. 13.000 neue Stellen<br />
versprochen. Obwohl deutlich mehr Pflegende<br />
fehlen, klingt das schon einmal gut. Die<br />
Mitglieder der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe Pflegeeinrichtungen<br />
sehen zwar den guten Willen der Politik,<br />
ihre Erfahrungen aus der Praxis lassen sie<br />
allerdings deutlich skeptischer auf die schon<br />
sichtbaren sowie vorhersehbaren Auswirkungen<br />
blicken. Das Interview dazu mit Franz Hartinger,<br />
Vorsitzender der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe Pflegeeinrichtungen<br />
zum Thema „Der Kampf ums<br />
Personal“ und den Befürchtungen des Managements<br />
für die Zukunft.<br />
Herr Hartinger, die Politik versucht, mit Gesetzen<br />
die Situation im Personalbereich auch der Altenpflege<br />
zu verbessern. Macht Sie das optimistisch?<br />
Franz Hartinger: Natürlich ist das erst einmal zu würdigen.<br />
Gutes Personal ist das Maß aller Dinge. Die<br />
Pflegeheime befinden sich hier sozusagen am Ende<br />
der Kette – und das schon sehr lange. Wir stehen im<br />
Wettbewerb um Personal nicht nur mit den Krankenhäusern,<br />
Pflegetagesstätten und ambulanten<br />
Pflegediensten, sondern zusätzlich mit Rehabilitationseinrichtungen,<br />
die sich inzwischen auch auf die<br />
Versorgung demenziell erkrankter Patienten spezialisiert<br />
haben. Sie alle benötigen qualifizierte Altenpflegekräfte.<br />
Hinzu kommt, dass inzwischen Zeitarbeitsfirmen<br />
massiv in den Pflegemarkt eingestiegen sind. Sie<br />
werben ihrerseits mit Prämien Fachkräfte in den Heimen<br />
ab. Aktuell ist die Situation also alles andere als<br />
rosig.<br />
Wie sieht Ihre Fachgruppe das Sofortprogramm<br />
Pflege von Bundesgesundheitsminister Jens<br />
Spahn?<br />
Franz Hartinger: Einerseits ist es zu begrüßen, dass<br />
sich die Politik endlich des Themas annimmt. Allerdings<br />
ist gut gedacht nicht immer auch gut<br />
gemacht. Unsere Befürchtung ist, dass künftig<br />
Fachkräfte aus den Altenheimen sogar von den<br />
Krankenhäusern abgeworben werden, weil dort<br />
jetzt jede neu eingestellte Pflegekraft voll finanziert<br />
wird. Krankenhäuser werben sich zum Teil mit hohen<br />
Prämien ja auch untereinander Personal ab. Damit<br />
könnte sich im Endeffekt unser Personalmangel<br />
noch weiter verschärfen.<br />
Die 13.000 neuen Stellen für die Altenpflege –<br />
eine Luftnummer?<br />
Franz Hartinger: So krass würde ich das nicht formulieren.<br />
Aber wir wissen alle, dass diese Fachkräfte<br />
einfach nicht vorhanden sind. Natürlich können<br />
wir versuchen, aus Teilzeitstellen Vollstellen zu machen<br />
– das erfordert bei unseren Mitarbeiterinnen<br />
aber schon sehr viel Überzeugungskraft. Die meisten<br />
arbeiten bewusst verkürzt, weil sie Zeit zur eigenen<br />
Regenerierung und für ihre Familien brauchen.<br />
Auch auf allzu viele Rückkehrer in den Beruf können<br />
wir nicht hoffen, so lange die Bedingungen so<br />
schwierig sind. Das wird erst gelingen, wenn sich die<br />
Lage insgesamt verbessert hat.<br />
Hier beißt sich wohl die Katze in den Schwanz?<br />
Franz Hartinger: Meine aktuellen persönlichen Erfahrungen<br />
in der Personalakquise sind bestimmt noch<br />
ausbaufähig, so dass ich inzwischen dazu übergehe,<br />
bereits vorhandene und motivierte Mitarbeiter zu<br />
Pflegefachkräften zu qualifizieren bzw. bereits qualifizierte<br />
ausländische Mitarbeiter ohne entsprechende<br />
Sprachkenntnisse auf Kosten des Unternehmens<br />
sprachlich weiterzubilden, um die erforderliche B 2<br />
Qualifizierung im sprachlichen Bereich vorzuweisen<br />
und dadurch den Fachkraftstatus anerkannt zu bekommen.<br />
Darüber hinaus versuchen wir natürlich, Teilzeitbeschäftigte<br />
zumindest temporär für eine Anhebung<br />
der Arbeitszeit zu gewinnen und auch früheren<br />
Mitarbeitern, die in längeren Erziehungszeiten sind,<br />
Hilfestellungen z. B. für Plätze in Kinderkrippen, -gärten<br />
etc. zu bieten oder Nachmittagsbetreuungsplätze<br />
für jüngere Schulpflichtige zu ermöglichen. Das<br />
alles sind Angebote, die aber auch angenommen<br />
werden müssen. Das Interesse daran ist leider oft<br />
sehr gering.<br />
Das heißt, auch die neuen Zuschüsse für familienfreundliche<br />
Angebote gehen ins Leere?<br />
Franz Hartinger: So gut wie, würde ich sagen. Der<br />
Anteil an Teilzeitarbeit ist sehr hoch, auch weil der<br />
Anteil der Frauen in der Altenpflege rund 85 Prozent<br />
beträgt. Sie organisieren weitgehend das Familienleben<br />
und arbeiten vor allem auch deshalb verkürzt.<br />
Aber natürlich ist das Management gefordert, eine<br />
Arbeitsatmosphäre zu fördern, in der sich die Mitarbeiter<br />
wohl fühlen, ihnen auch berufliche Entwicklungsmöglichkeiten<br />
zu eröffnen, ihnen vor allem<br />
auch planbare Arbeitszeiten zu ermöglichen. Dass<br />
dies nicht immer einfach ist, weiß ich.<br />
In Politik und Medien wird oft auch die schlechte<br />
Bezahlung der Pflegenden in der Altenpflege als<br />
wichtiger Grund für den Personalmangel genannt.<br />
Franz Hartinger: Das kann man sicher als einen<br />
Grund sehen, wobei sich gerade hier in jüngster Zeit<br />
doch einiges verändert hat. Laut Agentur für Arbeit<br />
steigen die Gehälter in der Altenpflege schon seit<br />
2017 sogar schneller als in anderen Branchen. Hinzu<br />
kommt, dass sich die Bezahlung zum Teil deutlich<br />
je Region und Träger unterscheidet. Hier ergibt sich<br />
kein einheitliches Bild.<br />
Angesichts des Mangels an Pflegekräften - deutschlandweit<br />
sind nur 3.000 arbeitslose Altenpflegefachkräfte<br />
bei 14.400 gemeldeten offenen Stellen<br />
registriert – ist das Ende der Fahnenstange bei den<br />
Gehältern aber sicher noch nicht erreicht.<br />
Die Politik strebt eine Allgemeinverbindlichkeit<br />
für die Tarife in allen Pflegeeinrichtungen an in der<br />
Hoffnung auf bundesweite Gehaltssteigerungen.<br />
Franz Hartinger: Das ist umstritten, weil hier auch<br />
Verfassungsrechte und das Tariffreiheitsgesetz tangiert<br />
werden, aber auch die Rechte der Kirchen.<br />
Die privaten Heimbetreiber plädieren dafür, diese<br />
Frage dem Wettbewerb zu überlassen. Wir haben<br />
dieses Thema in unserer Fachgruppe noch nicht<br />
grundsätzlich diskutiert. Inzwischen wurde der gesetzliche<br />
Mindestlohn neu festgelegt. Mit den dabei<br />
festgelegten Beträgen lässt sich erahnen, wie wenig<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 46 47<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
DER KAMPF UMS PERSONAL<br />
für die Leistungen der Altenpflege zumindest in Teilbereichen<br />
bezahlt wird oder wurde.<br />
Kann die Digitalisierung auch in der Altenpflege<br />
ein Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels<br />
sein?<br />
Franz Hartinger: Das kann sie.<br />
Die Altenpflege ist hier sicher<br />
weiter als mancher denkt. In<br />
den Einrichtungen unserer<br />
Kolleginnen und Kollegen der<br />
Fachgruppe wird zwischenzeitlich<br />
durchgehend digital<br />
dokumentiert und in gleicher<br />
Weise die Pflegeplanung<br />
durchgeführt. Ich denke, das<br />
ist auch in den meisten anderen<br />
Pflegeheimen bereits der<br />
Fall. Es sorgt für mehr Transparenz<br />
und Sicherheit. Alle relevanten<br />
Informationen über<br />
den Bewohner stehen allen<br />
am Pflege- und Betreuungsprozess<br />
Beteiligten uneingeschränkt<br />
zur Verfügung.<br />
Unter Beachtung des Datenschutzes<br />
ist diese Strukturierte<br />
Informations-Sammlung<br />
(SIS) auch ein guter Baustein<br />
für eine bessere Zusammenarbeit<br />
der Einrichtungen mit den behandelnden<br />
niedergelassenen Ärzten. Und z. B. mit dem Einsatz<br />
von Telecare sehe ich gute Entlastungsmöglichkeiten<br />
für Pflegekräfte.<br />
…und Robotik?<br />
Franz Hartinger: Grundsätzlich wäre Robotik als Assistenz<br />
und zum Beispiel zur Übernahme von Routinearbeiten,<br />
zur physischen Entlastung der Pflegenden<br />
oder als automatisierte Pflegewagen in der<br />
Altenpflege eine gute Sache. Zumal sich dadurch<br />
vermutlich auch jüngere Menschen angesprochen<br />
fühlen würden, sich für einen Beruf in der Altenpflege<br />
zu interessieren. Hier haben wir aber gerade in<br />
unserer <strong>VKD</strong>-Jahrestagung im Mai in Berlin in einem<br />
Vortrag gehört, dass solche Systeme bisher nur selten<br />
Marktreife erlangt haben und allenfalls – etwa<br />
Pflegewagen – im Modell erprobt wurden. Humanoide<br />
Roboter für bestimmte Tätigkeiten gibt es<br />
natürlich bereits, die in Pflegeeinrichtungen aber<br />
bisher nach meiner Kenntnis nur als Test eingesetzt<br />
wurden, wobei klar sein muss, dass sie die eigentliche<br />
Pflegearbeit und die Zuwendung zu den Bewohnern<br />
nicht ersetzen können und auch nicht ersetzen<br />
dürfen.<br />
Die Pflegeversicherung unterstützt einmalig<br />
eine vierzigprozentige Ko-Finanzierung zur Anschaffung<br />
von digitalen Ausrüstungen mit bis zu<br />
12.000 Euro – insgesamt können 30.000 Euro je<br />
Einrichtung finanziert werden. Bringt das die Digitalisierung<br />
voran?<br />
Franz Hartinger: Es hilft sicher, aber jeder weiß, wie<br />
teuer Hard- und Software sowie die für den Betrieb<br />
notwendige Infrastruktur sind. Insofern: Eher ein<br />
Tropfen auf den heißen Stein. Aber alles hilft ja.<br />
Eine letzte Frage bezieht sich auf die Ankündigung<br />
aus Nordrhein-Westfalen, in Krankenhäusern<br />
auch Kurzzeitpflege anzubieten. Wie bewerten<br />
sie diese Initiative?<br />
Franz Hartinger: Seit Januar 2016 gibt es bereits die<br />
Rechtsvorschrift des § 39 c SGB V. Mit dieser Vorschrift<br />
erhalten Versicherte einen Leistungsanspruch<br />
auf Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung.<br />
Sie soll den Versicherten dann die<br />
Möglichkeit einer Kurzzeitpflege bieten, wenn eine<br />
Kurzzeitpflege aus der Sozialen Pflegeversicherung<br />
nach dem SGB XI nicht möglich ist, weil z. B. der aktuelle<br />
Hilfebedarf nicht über die Dauer von wenigstens<br />
sechs Monaten hinausgeht und es damit zu<br />
keinem Pflegegrad kommt.<br />
In Bayern ist mir kein Vertrag nach § 132 SGB V zur<br />
Erbringung von Leistungen nach § 39 c SGB V bekannt.<br />
Ob es an fehlenden räumlichen Möglichkeiten<br />
in Krankenhäusern oder am auch dort vorherrschenden<br />
Pflegepersonalmangel liegt, kann ich<br />
nicht beurteilen. Zur Entlastung der Krankenhäuser<br />
wäre die Verlagerung der Kurzzeitpflege in eine stationäre<br />
Pflegeeinrichtung durchaus möglich.<br />
Vielleicht ist es aber auch ein regionales Problem.<br />
Das geforderte Entlassmanagement ist sicher dort<br />
leichter umzusetzen, wo niedergelassene Ärzte und<br />
ambulante Pflegedienste die Möglichkeiten haben,<br />
notwendige Versorgungen zu übernehmen. Fehlen<br />
diese Möglichkeiten oder sind die Patienten zu weit<br />
davon entfernt, wäre eine weit gefasste Regelung<br />
für eine individuelle Versorgung nicht nur wünschenswert,<br />
sondern dringend notwendig.<br />
Herr Hartinger, vielen Dank für das Gespräch.<br />
Patientensicherheit<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 48
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Autorin<br />
Prof. Dr. med.<br />
Claudia Schmidtke<br />
MdB, Patientenbeauftragte<br />
der Bundesregierung<br />
„<br />
Meine langjährige Tätigkeit als<br />
Herzchirurgin in leitender Position<br />
hat mich zudem in meiner Auffassung<br />
bestätigt, dass vor allem die<br />
Kommunikation mit Patienten und<br />
deren Angehörigen von zentraler<br />
Bedeutung für die Patientensicherheit<br />
ist.<br />
“<br />
Patientensicherheit als eine gemeinsame<br />
Aufgabe verstehen<br />
Vor allem die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen ist<br />
von zentraler Bedeutung<br />
Patientensicherheit ist eine der tragenden Säulen<br />
unserer Gesundheitsversorgung. Patientinnen<br />
und Patienten müssen sich auf die Sicherheit<br />
ihrer Behandlung verlassen können – sei es<br />
im ambulanten oder stationären Bereich. Allerdings:<br />
Fehler geschehen. Auch im Gesundheitswesen.<br />
Das gilt es anzuerkennen und sich bewusst<br />
zu machen, dass im Gesundheitswesen<br />
Fehler zu unerwünschten Ereignissen in der<br />
Behandlung der Patientinnen und Patienten<br />
führen können. Patientensicherheit bedeutet<br />
daher für mich nicht nur den anzustrebenden<br />
Idealzustand der Vermeidung unerwünschter<br />
Behandlungsergebnisse. Patientensicherheit<br />
steht für mich auch für die Fähigkeit beteiligter<br />
Akteure, Fehler offen zu kommunizieren und<br />
kontinuierlich aus ihnen zu lernen, damit Patientinnen<br />
und Patienten sicher versorgt werden.<br />
In den vergangenen Jahren ist in diesem Sinne<br />
für die Patientensicherheit vieles geschehen: OP-<br />
Checklisten, Maßnahmen zur Vermeidung von Patientenverwechslungen<br />
und zur Verbesserung der<br />
Hygiene sind in Krankenhäusern genauso alltäglich<br />
geworden wie ein patientenorientiertes Beschwerdemanagement,<br />
Fehlermeldesysteme oder ein einrichtungsinternes<br />
Qualitätsmanagement – um nur<br />
einige Beispiele zu nennen. Als wichtiger Impulsgeber<br />
hat sich dabei das Aktionsbündnis Patientensicherheit<br />
e. V. (APS) erwiesen, in dem sich seit 2005<br />
eine Vielzahl von Akteuren, unter anderem Vertreter<br />
aller Gesundheitsberufe und -institutionen, Patientenorganisationen,<br />
zu einem gemeinsamen Netzwerk<br />
mit dem Ziel zusammengeschlossen haben,<br />
die Patientensicherheit in Deutschland weiter zu<br />
verbessern.<br />
Mit dem im letzten Jahr vorgelegten Weißbuch „Patientensicherheit“<br />
hat das APS erneut unter Beweis<br />
gestellt, wie wichtig es als Ideengeber im Gesundheitswesen<br />
ist. Insbesondere die von Prof. Matthias<br />
Schrappe vorgestellte Definition Patientensicherheit<br />
geht mit einem erweiterten Begriffsverständnis<br />
neue Wege:<br />
51<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
>><br />
>><br />
>><br />
„Patientensicherheit ist das aus der Perspektive der<br />
Patienten bestimmte Maß, in dem handelnde Personen,<br />
Berufsgruppen, Teams, Organisationen, Verbände<br />
und das Gesundheitssystem<br />
einen Zustand aufweisen, in dem unerwünschte<br />
Ereignisse selten auftreten, Sicherheitsverhalten<br />
gefördert wird und Risiken beherrscht werden,<br />
über die Eigenschaft verfügen, Sicherheit als<br />
erstrebenswertes Ziel zu erkennen und realistische<br />
Optionen zur Verbesserung umzusetzen,<br />
und<br />
in der Lage sind, ihre Innovationskompetenz in<br />
den Dienst der Verwirklichung von Sicherheit<br />
zu stellen.“ (Zitiert nach M. Schrappe, APS-Weißbuch<br />
Patientensicherheit, Berlin 2018, S. 524).<br />
Das Weißbuch geht darüber hinaus noch auf zwei<br />
weitere wesentliche Faktoren ein: Patientensicherheit<br />
kann noch so gut definiert, konkrete Maßnahmen<br />
können noch so gut geplant und erprobt sein;<br />
das praktische Gelingen hängt letztlich immer auch<br />
von der Bereitschaft aller Beteiligten vor Ort ab, das<br />
Konzept der Patientensicherheit mit Leben zu füllen<br />
und dabei auch die Patientinnen und Patienten aktiv<br />
einzubinden. Ich bin davon überzeugt, dass es zu<br />
dieser Sicherheitskultur auf allen Ebenen keine sinnvolle<br />
Alternative gibt. Die Patientensicherheit muss<br />
als eine gemeinsame Aufgabe aller verstanden werden.<br />
Das ist eine tägliche Herausforderung für uns<br />
alle, eine Aufgabe, die Enthusiasmus und Ausdauer<br />
erfordert.<br />
Meine langjährige Tätigkeit als Herzchirurgin in leitender<br />
Position hat mich zudem in meiner Auffassung<br />
bestätigt, dass vor allem die Kommunikation<br />
mit Patienten und deren Angehörigen von zentraler<br />
Bedeutung für die Patientensicherheit ist. Viele<br />
patientensicherheitsrelevante Vorfälle wären durch<br />
gelingende Kommunikation zu vermeiden. Mein<br />
persönlicher Anspruch war es immer,<br />
meine Patienten und ihre Angehören<br />
einzubeziehen und jeden Behandlungsschritt<br />
mit ihnen zu besprechen.<br />
Als Patientenbeauftragte werbe ich<br />
daher für das Modell der partizipativen<br />
Entscheidungsfindung als Form der Kommunikation<br />
auf Augenhöhe zwischen Patient und Arzt sowie<br />
allen anderen Gesundheitsfachkräften. Ziel muss es<br />
sein, den mündigen Patienten als informierten Manager<br />
seiner eigenen Gesundheit wahrzunehmen,<br />
die relevanten Informationen auszutauschen und<br />
gemeinsam über eine angemessene Behandlung zu<br />
diskutieren und zu entscheiden. Dazu gehört auch,<br />
die Patienten und ihre Angehören durch entsprechende<br />
Anleitung und patientenverständliche Informationen<br />
in die Lage zu versetzen, zu ihrer eigenen<br />
Sicherheit beitragen zu können, beispielsweise<br />
durch richtige Verhaltensweisen im Krankenhaus<br />
oder nach der Entlassung.<br />
In diesem Sinne sollte es das Ziel sein, den zukünftigen<br />
Ärztinnen und Ärzten bereits während des<br />
Studiums die notwendigen Kompetenzen mit auf<br />
den Weg zu geben, um sie auf die kommunikativen<br />
Herausforderungen des Arztberufes vorzubereiten.<br />
Ich begrüße daher ausdrücklich, dass sowohl der<br />
Masterplan Medizinstudium 2020 als auch die Empfehlungen<br />
der begleitenden Expertenkommission<br />
eine Weiterentwicklung patientenbezogener Unterrichtsformate,<br />
insbesondere eine stärkere Vermittlung<br />
der ärztlichen Gesprächsführung, empfehlen,<br />
um die Arzt-Patienten-Kommunikation weiter zu<br />
verbessern. Gute Anregungen dafür gibt es bereits:<br />
Die Universität zu Lübeck setzt zum Beispiel im Rahmen<br />
des Medizinstudiums einen Lehrschwerpunkt<br />
im Bereich Kommunikation, um den angehenden<br />
Ärztinnen und Ärzten die notwendigen Kompetenzen<br />
für eine optimale ärztliche Gesprächsführung<br />
zu vermitteln. Auch die Berliner Charité bietet den<br />
Medizinstudierenden das Erlernen der ärztlichen<br />
Gesprächsführung und den Umgang mit schwierigen<br />
Gesprächssituationen in einem Kleingruppenlehrformat<br />
„Kommunikation, Interaktion und<br />
Teamarbeit“ mit Hilfe von Schauspielpatienten und<br />
Rollenspielen an.<br />
Wenn die Patientensicherheit als eine gemeinsame<br />
Aufgabe verstanden werden soll, kommt selbstverständlich<br />
auch der Gesundheitspolitik bei der<br />
Förderung der Patientensicherheit eine besondere<br />
Verantwortung zu. Diese Verantwortung nimmt diese<br />
Bundesregierung ernst. Im Koalitionsvertrag wurde<br />
diese Priorität entsprechend festgehalten:<br />
„Das Patientenwohl ist für uns entscheidender<br />
Maßstab für gesundheitspolitische Entscheidungen,<br />
die Patientenorientierung ist unser Leitbild für<br />
das Gesundheitswesen.“<br />
In den ersten eineinhalb Jahren dieser Bundesregierung<br />
wurde eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt<br />
bzw. angestoßen, die Ausdruck dieser Prioritätensetzung<br />
sind. So hat beispielsweise Bundesgesundheitsminister<br />
Jens Spahn sofort nach Amtsantritt die<br />
Schirmherrschaft über das APS übernommen und<br />
damit ein deutliches Signal gesetzt. Ich möchte hier<br />
einige Maßnahmen beispielhaft herausgreifen, die<br />
zur Stärkung der Patientensicherheit beitragen werden.<br />
Zum 1. Januar <strong>2019</strong> wurden Pflegepersonaluntergrenzen<br />
für diejenigen Krankenhausbereiche eingeführt,<br />
in denen ein Zusammenhang zwischen<br />
der Pflegepersonalausstattung und dem Auftreten<br />
unerwünschter Ereignisse besonders ersichtlich ist.<br />
Krankenhäuser, die dagegen verstoßen, werden<br />
sanktioniert. Die Selbstverwaltung ist gesetzlich beauftragt,<br />
die Pflegepersonaluntergrenzen weiterzuentwickeln<br />
und auf weitere Bereiche auszuweiten.<br />
Im Juni dieses Jahres wurde das Gesetz für mehr Sicherheit<br />
in der Arzneimittelversorgung vom Deutschen<br />
Bundestag verabschiedet. Damit wird unter<br />
anderem das elektronische Rezept vorangetrieben.<br />
Sicherheitsvorgaben für die Qualität von Arzneimitteln<br />
sowie die Test- und Kontrollverfahren werden<br />
verbessert, Möglichkeiten für Regressansprüche<br />
erweitert. Ein weiterer Aspekt – von besonderer<br />
Bedeutung in einem globalisierten Markt – ist, dass<br />
mehr Anreize und Kontrollmöglichkeiten zugunsten<br />
hoher Qualität eingeführt und damit Sicherheitslücken<br />
geschlossen werden. Und dieses Gesetz<br />
ist nur ein Teil eines Pakets für mehr Arzneimittelsicherheit.<br />
Andere Elemente sind unter anderem ein<br />
obligatorischer Medikationsplan für alle gesetzlich<br />
versicherten Patientinnen und Patienten, die drei<br />
oder mehr verschreibungspflichtige Medikamente<br />
einnehmen, und zukünftig eine digitale Version dieses<br />
Medikationsplans.<br />
Mehr Patientensicherheit wird auch das neu zu errichtende<br />
Implantateregister bringen. Wir brauchen<br />
ein solches Register, um Transparenz über die Haltbarkeit,<br />
die Qualität der Produkte und den Versorgungprozess<br />
zu erhalten. Das wird – und davon bin<br />
ich auch als Ärztin überzeugt – die Sicherheit und<br />
Qualität der Implantate und damit auch der medizinischen<br />
Versorgung in den Kliniken verbessern. Das<br />
Register wird uns sagen, wie die Operationsergebnisse<br />
in der Praxis sind, und helfen, Mängel bei den<br />
Produkten oder in der Versorgung frühzeitiger zu<br />
erkennen und zu beseitigen.<br />
Als Patientenbeauftragte werbe ich für<br />
das Modell der partizipativen Entscheidungsfindung<br />
als Form der Kommunikation<br />
auf Augenhöhe zwischen Patient<br />
und Arzt...<br />
„<br />
“<br />
Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn<br />
angekündigte Diskussion über die Qualität im Gesundheitswesen,<br />
bei der auch die Fragen nach einer<br />
Mindestanzahl und Qualität bei bestimmten<br />
Operationen thematisiert werden soll, kann ebenfalls<br />
dazu beitragen, die Sicherheit und die Transparenz<br />
der stationären Versorgung im Sinne der Patientinnen<br />
und Patienten zu verbessern.<br />
Transparenz und Sichtbarkeit ist für die Förderung<br />
der Patientensicherheit elementar. Aus diesem<br />
Grund freue ich mich umso mehr, dass die Weltgesundheitsversammlung<br />
als Beschlussgremium der<br />
Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen<br />
hat, den 17. September – das Datum des 2015 vom<br />
APS mit den deutschsprachigen Partnerorganisationen<br />
ins Leben gerufenen Internationalen Tags der<br />
Patientensicherheit – nun auch zum jährlichen Welttag<br />
der Patientensicherheit zu ernennen. Alle Akteure<br />
im Gesundheitswesen sind aufgerufen, sich vor<br />
Ort mit eigenen Aktionen zur Patientensicherheit<br />
zu beteiligen. Der Welttag der Patientensicherheit<br />
soll allen ins Bewusstsein rufen, wie wichtig es ist,<br />
sich täglich für die sichere Versorgung der Patienten<br />
einzusetzen. Von diesem Welttag wird alljährlich<br />
ein starkes Signal ausgehen, dass das Besondere an<br />
Patientensicherheit deutlich macht: Sie betrifft alle<br />
Beschäftigten im Gesundheitswesen, alle Patienten,<br />
alle Staaten.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 52<br />
53<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Patientensicherheit ist ein Querschnittsthema,<br />
das alle Bereiche der Gesundheitsversorgung<br />
betrifft. Wir verfügen hier in Deutschland über<br />
eines der besten Gesundheitssysteme der Welt.<br />
Aber bei allen Anstrengungen, die vor allem<br />
auch in Krankenhäusern für die Sicherheit der<br />
Patienten unternommen werden, gibt es in dieser<br />
Hinsicht noch viel zu tun. Das betrifft die<br />
Gestaltung von Prozessen und Strukturen, die<br />
Einführung moderner Technik, die Digitalisierung<br />
und Vernetzung ebenso wie das Handeln<br />
der hier tätigen Menschen. Vor allem geht es<br />
aber um ein Klima, das die Sicherheit der Patienten<br />
immer und bei allem im Blick hat – und<br />
damit um eine originäre Aufgabe der Führung.<br />
Ein Querschnittsthema, das<br />
alle Versorgungsbereiche<br />
betrifft<br />
Im Zentrum des<br />
Qualitätsmanagements steht<br />
die Patientensicherheit<br />
Foto: <strong>VKD</strong><br />
Autorin<br />
Gabriele Kirchner<br />
bis März <strong>2019</strong> Geschäftsführerin<br />
des Verbandes der<br />
Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands (<strong>VKD</strong>)<br />
Beste Qualität der Behandlung, wie sie von Patienten<br />
in deutschen Krankenhäusern erwartet wird, bedeutet<br />
auch ein hohes Maß an Patientensicherheit.<br />
Sie ist daher Zentrum und Kern aller Bemühungen<br />
im Qualitätsmanagement und bei der Umsetzung<br />
von Maßnahmen zur Qualitätssicherung in den<br />
Krankenhäusern.<br />
Die Krankenhäuser haben in den vergangenen Jahren<br />
eine Fehlerkultur implementiert, die neben dem<br />
wichtigen Risikomanagement zahlreiche Maßnahmen<br />
beinhaltet, wie etwa Critical Incident Reporting<br />
Systeme oder Simulationstrainings, wie sie auch auf<br />
den folgenden Seiten vorgestellt werden. Systematisch<br />
wird an weiteren Verbesserungen gearbeitet.<br />
Seit vielen Jahren stellen sich die Kliniken regelmäßig<br />
der Überprüfung ihrer Qualität - sowohl der<br />
gesetzlich vorgeschriebenen externen Kontrollen<br />
als auch in bestimmten Bereichen durch die medizinischen<br />
Fachgesellschaften. Die Ergebnisse werden<br />
transparent öffentlich dargestellt. Transparenz<br />
schafft Vertrauen.<br />
Personal als ein<br />
wesentlicher Faktor<br />
Ganz entscheidend für die Patientensicherheit ist<br />
der Einsatz gut ausgebildeter Fachkräfte vor allem in<br />
Medizin und Pflege, in Assistenzberufen ebenso wie<br />
in medizintechnischen Berufen, aber auch in sogenannten<br />
patientenfernen Berufen. Es gibt Studien,<br />
die deutlich zeigen, dass die Anzahl der Patienten,<br />
die eine Pflegekraft versorgt, einen wichtigen Unterschied<br />
für die Patientensicherheit macht.<br />
Zeit ist dabei ein wichtiger Faktor, der den Unterschied<br />
zwischen Sicherheit und Unsicherheit macht.<br />
Zeit für Zuwendung und Kommunikation vor allem.<br />
Die Krankenhäuser<br />
werden aus den bekannten<br />
Gründen<br />
nicht von heute auf<br />
morgen mehr Personal<br />
finden. Die Mitarbeiter,<br />
die heute in<br />
den Kliniken arbeiten,<br />
können aber mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit<br />
am Patienten aufbringen, wenn Prozesse besser<br />
gestaltet werden, wenn weniger bürokratische Aufgaben<br />
zu erledigen sind und wenn durch die Digitalisierung<br />
Informationen schneller und sicherer<br />
verfügbar sind, Doppeluntersuchungen wegfallen,<br />
Anamnesen nur einmal stattfinden müssen.<br />
Mehr Sicherheit entsteht auch dadurch, dass die<br />
Patienten verstehen und nachvollziehen können,<br />
was Ärzte ihnen vorschlagen, sich entsprechend<br />
verhalten, ihre Medizin so einnehmen, wie es notwendig<br />
ist, um gesund zu werden. Wichtig ist aber<br />
auch, dass sie sich in unserem Gesundheitssystem<br />
wirklich zurechtfinden, dass sie wissen, wo sie Hilfe<br />
finden.<br />
Realität nicht ausblenden<br />
Kontraproduktiv und der Patientensicherheit leider<br />
nicht förderlich sind allerdings Versuche, unter dem<br />
Deckmantel der Qualitätsverbesserung strukturelle<br />
Bereinigungen und damit Leistungsbeschränkungen<br />
auf kaltem Weg zu erzwingen. Aktuelles Beispiel<br />
ist hier die Krankenhausstudie der Bertelsmann-<br />
Stiftung, der zufolge rund 600 zentral gelegene<br />
Krankenhäuser für die Versorgung ausreichen würden<br />
– mit dem angeblichen Ziel, die Qualität und<br />
die Sicherheit der Patienten zu verbessern. In dieser<br />
Studie wird die Versorgungsrealität, wie sie auch<br />
von der Bevölkerung als Teil der Daseinsvorsorge<br />
des Staates und als Teil der persönlichen Sicherheit<br />
erwartet und gewünscht wird, ausgeblendet. Der<br />
<strong>VKD</strong> lehnt die Intentionen dieser Studie vehement<br />
ab und hat sich eindeutig auch für eine flächendeckende<br />
Krankenhausversorgung in der Zukunft<br />
positioniert. Das ist nicht nur ein wichtiger Aspekt<br />
gleichwertiger Lebensverhältnisse, es ist auch wichtig<br />
für die Sicherheit im Fall einer Grippeepidemie<br />
oder von Katastrophen und Massenunfällen.<br />
Wie überhaupt Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung<br />
nicht im luftleeren Raum umgesetzt werden<br />
können. Die Festlegung von Mindestpersonalbesetzungen<br />
für definierte Abteilungen und Zeiten<br />
durch die Politik führt eben nicht unbedingt<br />
zu einer Verbesserung<br />
„<br />
Zeit ist ein wichtiger Faktor, der den<br />
Unterschied zwischen Sicherheit und<br />
Unsicherheit macht. Zeit für Zuwendung<br />
und Kommunikation vor allem.<br />
“<br />
der Patientensicherheit,<br />
wenn das zusätzlich<br />
benötigte Personal<br />
am Arbeitsmarkt<br />
nicht verfügbar ist. Es<br />
verschlechtert allenfalls<br />
sogar die Versorgungssituation,<br />
wenn dadurch Abteilungen oder<br />
Betten geschlossen werden, weil das Management<br />
den Personaleinsatz nicht mehr flexibel je nach tatsächlicher<br />
Notwendigkeit steuern kann.<br />
Die Festlegung von Mindestmengen für bestimmte<br />
Behandlungen kann unter bestimmten Voraussetzungen<br />
der Patientensicherheit dienen. Das ist auch<br />
für den <strong>VKD</strong> keine strittige Frage. Gerade wenn es<br />
um komplexe Leistungen geht, für die Erfahrung<br />
von Ärzten und Pflegenden ebenso wichtig ist wie<br />
die entsprechende medizintechnische Ausrüstung,<br />
ist in der Regel eine stabil gute Qualität zu erwarten.<br />
Aber auch festgeschriebene Mindestmengen können,<br />
wie wir ebenfalls wissen, ihre Qualitätsgrenzen<br />
haben. Nicht immer ist viel gleich gut und besonders<br />
viel kann in schlecht umschlagen. Willkürlich<br />
gesetzte Grenzen bewirken allenfalls sogar eine Veränderung<br />
des Versorgungsauftrags und gefährden<br />
eventuell das Krankenhaus als Ganzes, reißen damit<br />
ein Loch in das Versorgungsnetz einer Region – mit<br />
negativen Folgen für die Patientensicherheit.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 54<br />
55<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Wir sind nicht zum Selbstzweck da<br />
Wichtigstes Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit<br />
ist das gemeinsame Lernen aus Fehlern<br />
Interview mit Hedwig François-Kettner, Vorsitzende des Aktionsbündnisses<br />
Patientensicherheit (APS)<br />
Was passiert nach der<br />
Entlassung des Patienten?<br />
Patientensicherheit endet nicht an der Krankenhaustür.<br />
Der Gesetzgeber hat den Häusern hier ein<br />
verpflichtendes Entlassungsmanagement auferlegt.<br />
Leider können die Krankenhäuser die Qualität<br />
der Leistungen im niedergelassenen Bereich nicht<br />
wirklich einschätzen – was umgekehrt durchaus<br />
sehr gut möglich ist. Angesichts der demnächst zu<br />
erwartenden Diskussionen um eine sektorenübergreifende<br />
Versorgung muss hier dringend gefordert<br />
werden, dass auch die Vertragsärzte gesetzlich zur<br />
strukturierten Qualitätsberichterstattung verpflichtet<br />
werden.<br />
Leider können die Krankenhäuser die<br />
Qualität der Leistungen im niedergelassenen<br />
Bereich nicht wirklich einschätzen<br />
– was umgekehrt durchaus<br />
sehr gut möglich ist.<br />
„<br />
“<br />
Sektorenübergreifende Qualitätssicherung ist ein<br />
absolutes Muss für eine Versorgungskette, wie Patienten<br />
sie sich wünschen. Sie müssen sich darauf verlassen<br />
können, dass sie beim niedergelassenen Arzt<br />
ebenso wie im Krankenhaus, in der Rehaklinik oder<br />
im Pflegeheim eine Versorgung in vergleichbarer<br />
Qualität erhalten. Diese muss transparent dargestellt<br />
und strukturiert veröffentlicht werden.<br />
Unabdingbar ist zudem eine sektorenübergreifende<br />
digitale Patientenakte – ein Projekt, das auch die Politik<br />
vorantreibt. Damit werden wir auch beim Thema<br />
Arzneimittelsicherheit wirklich weiterkommen<br />
– hier gibt es im Sinne der Patientensicherheit noch<br />
viel zu tun.<br />
Wer sich das Thema Patientensicherheit auf<br />
die Fahne geschrieben hat, braucht einen langen<br />
Atem. Den beweist das Aktionsbündnis<br />
Patientensicherheit (APS) seit 15 Jahren. Viele<br />
Menschen werden es vor allem mit der überaus<br />
erfolgreichen „Aktion Saubere Hände“ verbinden.<br />
Inzwischen wurden aber zahlreiche weitere<br />
Aspekte der Patientensicherheit bearbeitet.<br />
Ein ganzheitlicher Ansatz prägt die Arbeit des<br />
APS und seiner inzwischen zahlreichen Unterstützer.<br />
Das Interview mit Hedwig François-<br />
Kettner, der Vorsitzenden des APS.<br />
Frau François-Kettner, sicher kann man sagen,<br />
dass die Arbeit des APS dem Bohren dicker Bretter<br />
gleichkommt. Rund 15 Jahre Engagement für<br />
die Verbesserung der Patientensicherheit. Wie<br />
erfolgreich war sie?<br />
Hedwig François-Kettner: Unsere Arbeit – getragen<br />
vor allem von freiwilligen Unterstützern aus allen<br />
Berufsgruppen des Gesundheitswesens – war erfolgreich.<br />
Wir haben schon viel erreicht. Wir haben<br />
vor allem erreicht, dass dieses wichtige Thema in<br />
allen Bereichen, in denen Patienten behandelt und<br />
versorgt werden, einen deutlich höheren Stellenwert<br />
erlangt hat. Das lässt sich noch nicht unbedingt<br />
immer an konkreten Zahlen festmachen und<br />
es bleibt noch immer viel zu tun, aber wir sind gut<br />
vorangekommen.<br />
Es begann mit der Aktion zur Händehygiene, die<br />
in vielen Krankenhäusern aufgegriffen wurde.<br />
Hedwig François-Kettner: In Bezug auf die „Aktion<br />
Saubere Hände“ lassen sich die folgenden Erfolge<br />
feiern: Es engagieren sich 900 zahlende, teilnehmende<br />
Krankenhäuser, seit elf Jahren ist es eine der<br />
am längsten laufenden und größten Kampagnen<br />
zur Händedesinfektion im Gesundheitswesen –<br />
und zwar weltweit! Viele Aspekte der Aktion wurden<br />
in den klinischen Alltag und auch in offizielle Empfehlungen,<br />
zum Beispiel der KRINKO, übernommen.<br />
Als Ergebnis gibt es u. a. seit elf Jahren eine kontinuierliche<br />
Steigerung des Verbrauchs an Händedesinfektionsmitteln<br />
auf den Stationen. In 422 Kranken-<br />
Foto: Jens Schneemann<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 56<br />
57<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
„ PATIENTENSICHERHEIT<br />
Man kann sagen, dass die „Aktion Saubere Hände“<br />
bei den Krankenhäusern inzwischen fast allein läuft.<br />
Große Defizite sehen wir allerdings in den ambulanten<br />
Bereichen, auf die wir uns daher jetzt deutlich stärker<br />
konzentrieren.<br />
“<br />
häusern wurden im vorigen Jahr freiwillig auf 1.907<br />
Stationen direkte Beobachtungen zur Umsetzung<br />
der Händedesinfektion im klinischen Alltag als Instrument<br />
zur Verbesserung der Patientensicherheit<br />
durchgeführt.<br />
Man kann sagen, dass die „Aktion Saubere Hände“<br />
bei den Krankenhäusern inzwischen fast allein<br />
läuft. Große Defizite sehen wir allerdings in den<br />
ambulanten Bereichen, auf die wir uns daher jetzt<br />
deutlich stärker konzentrieren.<br />
Immer neue Themen wurden dann angepackt.<br />
Gab es eine Vorstellung, einen Plan dafür, welche<br />
Themen in welcher Reihenfolge angegangen<br />
werden sollten?<br />
Hedwig François-Kettner: Was die Planung der<br />
einzelnen Themen betrifft, die wir intensiver bearbeiten,<br />
so reagieren wir hier intensiv vor allem auf<br />
Hinweise aus der Praxis und den Fachgesellschaften.<br />
Fast alle kommen also von außen und werden<br />
vor der Bearbeitung daraufhin geprüft, ob eine<br />
entsprechende Handlungsempfehlung der Patientensicherheit<br />
dient. Das ist die einzige Zielsetzung.<br />
Bei allen Handlungsempfehlungen prüfen wir die<br />
Relevanz, schauen, ob es Erfahrungswerte gibt,<br />
führen eine seriöse Literaturrecherche durch und<br />
legen Leitlinien zugrunde, wenn es diese gibt.<br />
Auch bei schwierigen Themen – zum Beispiel die<br />
Gruppe ambulant versorgter intensivpflichtiger Patienten<br />
betreffend – sind wir durchaus unerschrocken,<br />
wenn es der Patientensicherheit dient. Dafür<br />
muss eigentlich jedes Mittel recht sein. Wir unternehmen<br />
das, was andere nicht tun.<br />
Die derzeit insgesamt zehn interdisziplinären und<br />
multiprofessionellen Arbeits- und Expertengruppen<br />
unseres Vereins, an denen sich bis zu 250 ehrenamtliche<br />
Akteure beteiligen, beschäftigen sich<br />
mit einer ganzen Reihe von konkreten Projekten<br />
und beteiligen sich auch an Trainings, die wir anbieten.<br />
Sie arbeiten derzeit u.a. an den Themen<br />
Außerklinische Intensivversorgung (AIV), Arzneimitteltherapiesicherheit,<br />
CIRS im ambulanten Sektor,<br />
Digitalisierung und Patientensicherheit, Medizinprodukte<br />
assoziierte Risiken, Sepsis und weiteren.<br />
Das Spektrum ist weit gefächert.<br />
Die Arbeitsgruppen tagen regelmäßig. Ihre Ergebnisse<br />
werden in Form von Handlungsempfehlungen<br />
– das sind Anleitungen zur Umsetzung von<br />
Sicherheitsstrategien – und zusammen mit Begleitdokumenten<br />
wie Infoflyern und Hintergrundbroschüren,<br />
veröffentlicht. Hinzu kommen Patienteninformationen<br />
und weitere Publikationen, die den<br />
Einrichtungen im Gesundheitswesen, den Patienten<br />
und Angehörigen kostenlos zur Verfügung gestellt<br />
werden.<br />
Woher kommt das Geld dafür – und für die Aktivitäten<br />
des APS?<br />
Hedwig François-Kettner: Das APS finanziert seine<br />
Projekte und Aktivitäten zu einem Drittel aus<br />
Mitgliedsbeiträgen, zu einem weiteren Drittel aus<br />
Spenden und zum letzten Drittel aus Projektfinanzierungen<br />
– insgesamt operiert das Aktionsbündnis<br />
vollständig unabhängig. Es gibt einen entsprechenden<br />
Leitfaden für die Arbeitsgruppen. Bei Veröffentlichungen<br />
erhalten wir Unterstützung. So hat das<br />
Bundesgesundheitsministerium die Handlungsempfehlungen<br />
der vergangenen Jahre in englische<br />
Sprache übersetzen lassen.<br />
Auch die Jahreskonferenzen des APS thematisierten<br />
immer ganz bestimmte Aspekte<br />
der Patientensicherheit. In diesem Jahr<br />
ging es aber nicht um ein solches Fachthema<br />
mit allen seinen Facetten, sondern um<br />
einen ganzheitlichen Ansatz. Es ging um<br />
„Sicherheitskultur auf allen Ebenen“. Aus<br />
der Erfahrung heraus, dass sich doch noch<br />
zu wenige Menschen im Gesundheitswesen<br />
mit dem Thema beschäftigen?<br />
Hedwig François-Kettner: Patientensicherheit<br />
muss Anliegen aller sein, muss im klinischen<br />
und pflegerischen Alltag zur Selbstverständlichkeit<br />
werden. Das beginnt natürlich<br />
schon beim Management. Ehrlich gesagt: Auch aus<br />
meiner eigenen Erfahrung heraus weiß ich, dass sie<br />
dort bereits vielfach nicht den Stellenwert hat, der<br />
ihr zukommen müsste. Es geht uns darum, alle Bereiche<br />
– ambulant wie stationär - einzubeziehen,<br />
also tatsächlich auch um eine prägende Kultur, der<br />
sich alle verpflichtet fühlen.<br />
Bisher haben wir in der Praxis eine separate Betrachtung<br />
der eigenen Handlungsfelder - auch in<br />
den Vorständen. Die Vielfalt muss bereits hier abgebildet<br />
werden, damit<br />
die verschiedenen Perspektiven<br />
eingebracht<br />
werden können.<br />
Wir haben vor allem erreicht, dass<br />
dieses wichtige Thema in allen Bereichen,<br />
in denen Patienten<br />
behandelt und versorgt werden,<br />
einen deutlich höheren Stellenwert<br />
erlangt hat.<br />
„<br />
“<br />
Was die Berufsgruppen<br />
betrifft, so agieren sie<br />
noch immer traditionell<br />
eher nebeneinander.<br />
Separiertes Lernen<br />
aber ist nicht sinnvoll – weder im Vorstand noch<br />
innerhalb der einzelnen Berufsfelder. Wir müssen<br />
die Bedeutung von Teamlernen verstehen, in das<br />
jeder seine Kompetenzen einbringt. Dafür gibt es<br />
bereits Modellprojekte, etwa in der Heidelberger<br />
Universitätsklinik.<br />
Das APS fordert zudem einen speziell für die Patientensicherheit<br />
Beauftragten. Wäre das nicht<br />
eigentlich die Aufgabe des Risikomanagers?<br />
Hedwig François-Ketter: Nein. Es geht hier darum,<br />
sämtliche Strukturen in die Betrachtung einzubeziehen.<br />
Patientensicherheit muss zur Chefsache<br />
werden. Daher muss dann auch die für Patientensicherheit<br />
verantwortliche Person im TOP-Management<br />
verankert sein. Sie hat die Aufgabe, Prozesse<br />
innerhalb des Unternehmens zu bewerten und<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
dafür zu sorgen, dass sie kontinuierlich im Sinne<br />
der Patientensicherheit verbessert werden sowie<br />
Transparenz nach innen und außen hergestellt<br />
wird. Eine komplexe Aufgabe also. Die Zahl der vermeidbaren<br />
Patientenschäden ist immer noch groß<br />
– trotz allen Engagements.<br />
Die Zahlen scheinen sich in den vergangenen<br />
Jahren tatsächlich nur wenig verändert zu haben.<br />
Rund 800.000 unerwünschte Ereignisse werden<br />
in jedem Jahr angenommen – wie kommt diese<br />
Zahl zustande – und welche Ereignisse stehen<br />
dabei an vorderer Stelle?<br />
Hedwig François-Kettner: Nach wie vor sind Infektionen,<br />
unerwünschte Arzneimittelereignisse,<br />
diagnostische Fehler, wie zu spät erkannte Sepsis,<br />
Dekubitus, Stürze, prioritär ursächlich. Infektionen<br />
insgesamt gehen nicht zurück, aber bei den Nosokomialen<br />
Infektionen erkennen wir eine durchaus<br />
erfreuliche Entwicklung – auch wenn es natürlich<br />
immer noch besser sein könnte.<br />
Die Validität internationaler und nationaler Studien<br />
sowie systematischer Reviews ist heute im<br />
Vergleich zu 2006/ 2008 gut. Serielle Untersuchungen<br />
in den Niederlanden<br />
wie auch geprüfte<br />
Interventionsstudien<br />
zeigen epidemiologische<br />
Ergebnisse, die für<br />
Deutschland als Näherung<br />
beschrieben werden.<br />
Danach liegen unerwünschte<br />
Ereignisse bei fünf bis zehn Prozent – das<br />
sind 400.000 bis 800.000 Fälle. Vermeidbar sind davon<br />
zwei bis vier Prozent, die Behandlungsfehler<br />
machen ein Prozent aus. Vermeidbare Todesfälle<br />
betrafen 20.000 Patienten oder 0,1 Prozent.<br />
Sehen Sie seit Gründung des APS in 2005 Veränderungen<br />
- nicht nur Aktionen in Kliniken und<br />
bei niedergelassenen Ärzten? Wo sehen Sie generell<br />
Verbesserungen?<br />
Hedwig François-Kettner: Wir erheben keine Zahlen.<br />
Daher sind Verbesserungen schwer nachweisbar.<br />
Erfreulicherweise erkennen wir bei den Krankenhäusern<br />
dennoch positive Entwicklungen. Eine<br />
aktuelle Evaluation unserer Handlungsempfehlungen<br />
dokumentiert hier durchaus Fortschritte. Von<br />
769 befragten Krankenhäusern gaben knapp 90<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 58<br />
59<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Quelle: APS<br />
Prozent an, externe Handlungsempfehlungen zu<br />
nutzen, 80 Prozent gaben an, dass sie die Produkte<br />
des APS kennen. Und es wurden 33 neue Anregungen<br />
für weitere Handlungsempfehlungen gegeben.<br />
Viele Einrichtungen warten auf unsere Empfehlungen,<br />
vor allem, weil sie pragmatisch und praxisbezogen<br />
sind. Was wir sehr gern hätten, wäre ein<br />
jährliches Monitoring. Vielleicht könnten wir das<br />
gemeinsam mit dem <strong>VKD</strong> auf den Weg bringen.<br />
Jahreskonferenz des APS – Hedwig François-Kettner im Gespräch<br />
Das Aktionsbündnis wird seinem Namen sehr<br />
gerecht – es geht im Zusammenhang mit den<br />
Themen immer auch um Aktionen.<br />
Hedwig François-Kettner: In unseren Jahreskonferenzen<br />
– die 14. fand im Mai dieses Jahres statt<br />
– diskutieren wir intensiv wichtige Themen – sowohl<br />
im Plenum als auch in vielen Workshops und<br />
Sessions. Auch dieses Mal haben wir wieder unseren<br />
Preis für Patientensicherheit an Projekte verliehen,<br />
die wir nicht nur interessant und wichtig<br />
finden, sondern von denen wir auch hoffen, dass<br />
sie viele Nachahmer finden. Wir freuen uns auch<br />
sehr darüber, dass die WHO im Mai beschlossen<br />
hat, den von uns initiierten Internationalen Tag<br />
der Patientensicherheit als Welttag der Patientensicherheit<br />
auszurufen – jeweils zum 17. September.<br />
Im letzten Jahr beteiligten sich daran in<br />
Deutschland schon über 600 Institutionen und<br />
Krankenhäuser mit Aktionen, Fortbildungen, Tagen<br />
der offenen Tür.<br />
Welche Kampagnen waren bisher am erfolgreichsten?<br />
Am stärksten präsent scheint in den<br />
Krankenhäusern nach wie vor die „Aktion Saubere<br />
Hände“ zu sein – vielleicht, weil sie alle Bereiche<br />
und Berufe nebst<br />
Patienten und Besucher<br />
betraf.<br />
Foto: APS<br />
Hedwig François-Kettner:<br />
In Deutschland konnte<br />
in den vergangenen Jahren,<br />
wie bereits erwähnt,<br />
ein Erfolg in Bezug auf<br />
die Reduktion nosokomialer<br />
Infektionen erreicht<br />
werden. Im internationalen<br />
Vergleich stehen wir<br />
schon ganz gut da. Wichtig<br />
sind hierbei jedoch<br />
die Maßnahmen, die an<br />
unterschiedlichen „Stellschrauben“<br />
ansetzen, damit<br />
nosokomiale Infektionen<br />
reduzieren und die<br />
Sicherheit der Patienten<br />
verbessern. Die Vielfältigkeit<br />
der eingesetzten<br />
Maßnahmen führt zum<br />
Erfolg.<br />
Wie binden Sie Patienten<br />
in die Arbeit des APS ein?<br />
Hedwig François-Kettner: Wir beziehen Patientenvertreter<br />
obligatorisch in unsere Arbeit mit ein. Im<br />
APS-Vorstand waren sie von Beginn an immer auch<br />
dabei. Wir wollen, dass Patienten souveräner werden.<br />
Deshalb geben wir spezielle Empfehlungen<br />
für sie heraus, die ihnen helfen sollen, eigenes Verhalten<br />
entsprechend einzusetzen.<br />
Einmal im Jahr organisieren wir Patientenworkshops<br />
und bitten zuvor Patienten, die ihnen wichtigen<br />
Themen zu benennen. In diesem Jahr war es<br />
das Entlassmanagement, das leider in vielen Krankenhäusern<br />
nicht gelebt wird. Ich habe schon 1995<br />
am ersten Expertenstandard dazu mitgearbeitet.<br />
Noch immer sind wir hier in der Praxis nicht so weit<br />
gekommen, wie erhofft und wie notwendig wäre.<br />
Es ist allerdings nicht ganz einfach, Patienten einzubinden,<br />
denn diejenigen, die dazu bereit wären,<br />
sind häufig bereits mit ihrem eigenen Krankheitsbild<br />
in Selbsthilfegruppen aktiv. Wir versuchen, ihnen<br />
die ehrenamtliche Arbeit zu erleichtern, indem<br />
wir ihnen z. B. die Reisekosten erstatten, wenn sie<br />
zu unseren Arbeitsgruppen kommen. Wir schicken<br />
unsere Ergebnisse aber auch an entsprechende<br />
Patientengruppen mit der Bitte zu prüfen, ob aus<br />
ihrer Sicht noch andere Aspekte eine Rolle spielen.<br />
Der informierte Patient – von ihm ist immer wieder<br />
die Rede. Gute Kommunikation ist aber ein<br />
schweres Thema, gerade auch für Ärzte. Am Ende<br />
geht es immer auch um Vertrauen. Könnte man<br />
sagen, Patientensicherheit in allen Bereichen, gut<br />
kommuniziert, schafft Vertrauen bei den Patienten<br />
und damit ein Verhältnis auf Augenhöhe?<br />
Hedwig François-Kettner: Vertrauen entsteht durch<br />
Transparenz, durch ein entsprechendes Verhalten<br />
gegenüber Patienten und Angehörigen, durch<br />
eine offene, klare Kommunikation.<br />
In anderen Ländern ist das Verhältnis von Patienten<br />
und Medizinern schon anders als hierzulande.<br />
In der Meo-Klinik in Minnesota zum Beispiel sitzen<br />
Ärzte und Patienten sich nicht gegenüber, sondern<br />
nebeneinander. Schon damit beginnt eine andere<br />
Form des Umgangs, die Vertrauen schafft. In kleinen<br />
Videos werden wichtige Informationen und<br />
Vorgehensweisen erläutert. Die Patienten bekommen<br />
ihre Rechnungen und können diese überprüfen.<br />
Natürlich – wenn jemand schwer krank ist,<br />
müssen andere für ihn handeln. Das muss aber immer<br />
mit Respekt geschehen. Hier können wir bei<br />
uns noch sehr viel tun.<br />
Wir haben im vergangenen Jahr eine neue Broschüre<br />
„Reden ist der richtige Weg“ herausgegeben,<br />
für die Patienten die Gliederung erarbeitet<br />
haben. Wir wollen erreichen, dass Patienten hinterfragen,<br />
was Ärzte und Pflegende sagen und tun,<br />
dass sie selbst Verantwortung übernehmen.<br />
Die Generation, die nach uns kommt, mein Sohn<br />
zum Beispiel, geht schon völlig anders an die Sache<br />
heran, hinterfragt tatsächlich Aussagen von<br />
Ärzten, informiert sich im Internet. Es ist nur eine<br />
Frage der Zeit, dass dies der Normalfall wird.<br />
Das Aktionsbündnis<br />
Patientensicherheit<br />
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. wurde<br />
im April 2005 als gemeinnütziger Verein gegründet.<br />
Es setzt sich für eine sichere Gesundheitsversorgung<br />
ein und widmet sich der Erforschung, Entwicklung und<br />
Verbreitung dazu geeigneter Methoden. Die Grundregeln<br />
der Vereinsarbeit lauten: Glaubwürdigkeit durch<br />
Unabhängigkeit, Bündelung von Fachkompetenzen,<br />
Multidisziplinäre Vernetzung, von der Praxis für die<br />
Praxis. Träger des APS sind Vertreter der Gesundheitsberufe,<br />
ihrer Verbände und der Patientenorganisationen,<br />
deren Ziel es war, eine gemeinsame Plattform zur<br />
Verbesserung der Patientensicherheit in Deutschland<br />
aufzubauen. International besteht Interaktion mit den<br />
Schwesterorganisationen für Patientensicherheit.<br />
Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.,<br />
Am Zirkus 2, 10117 Berlin,<br />
Tel: +49 (0)30 3 64 28 16 0,<br />
Fax: +49 (0)30 3 64 28 16 11,<br />
info@aps-ev.de<br />
Inzwischen arbeiten in den Krankenhäusern<br />
auch Ärzte und Pflegende aus anderen Ländern.<br />
Gleichzeitig kommen Patienten, die nur wenig<br />
oder gar nicht deutsch sprechen. Sie bringen zudem<br />
eine andere Vorstellung von Gesundheitsversorgung<br />
mit. Verständnisschwierigkeiten sind<br />
vorprogrammiert. Ein Thema für das APS?<br />
Hedwig François-Kettner: Unbedingt. Die Kommunikation<br />
mit ausländischen Patienten ist ein Thema<br />
für sich. Sprachbarrieren erschweren oder verhindern<br />
gar eine fehlerfreie Diagnostik, Patienten verstehen<br />
die veranlasste Therapie nicht. Wir haben<br />
das bereits in unserer Jahreskonferenz 2017 be-<br />
>><br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 60<br />
61<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
rücksichtigt. Es ging damals um das wichtige Thema<br />
Kommunikation. Bisher sind die Bemühungen<br />
in Deutschland allerdings noch eher kommerziell<br />
und nicht einheitlich.<br />
In Österreich gibt es zum Beispiel einen zentralen<br />
Dolmetscherpool, eine nationale Plattform,<br />
die Übersetzungen in 70 Sprachen ermöglicht.<br />
Wenn ein ausländischer Patient zum Arzt kommt<br />
und weder er noch der Arzt verstehen ein Wort,<br />
kann innerhalb von fünf bis zehn Minuten ein<br />
Dolmetscher per Video dazugeschaltet werden.<br />
Ein Dolmetscherdienst wie in Österreich, dessen<br />
Das Aktionsbündnis hat 28 Forderungen für<br />
mehr Patientensicherheit aufgestellt und daraus<br />
zunächst sieben in seinem APS-Weißbuch veröffentlicht.<br />
Weitere sollen folgen. In diesem Zusammenhang<br />
stellt sich auch die Frage, ob es immer<br />
gesundheitspolitischer Interventionen bedarf,<br />
die darin u. a. gefordert werden.<br />
Hedwig François-Kettner: Immer ist das sicherlich<br />
nicht notwendig, bei bestimmten Themen aber<br />
dennoch. Unsere zunächst sieben veröffentlichten<br />
Forderungen betreffen die verbindliche Einsetzung<br />
von Beauftragten für Patientensicherheit in den<br />
„<br />
Auch bei schwierigen Themen – zum Beispiel die Gruppe ambulant<br />
versorgter intensivpflichtiger Patienten betreffend – sind wir durchaus<br />
unerschrocken, wenn es der Patientensicherheit dient. Dafür muss eigentlich<br />
jedes Mittel recht sein. Wir unternehmen das, was andere nicht<br />
tun.<br />
“<br />
Dolmetscher auch alle vereidigt sind, wäre auch<br />
für Deutschland eine sehr gute zentrale Lösung.<br />
Das APS meint, Patientensicherheit sei erlernbar.<br />
Das müsste ja schon in der Ausbildung beginnen.<br />
Hedwig François-Kettner: Stimmt. Wir haben deshalb<br />
einen Lernzielkatalog erarbeitet, in dem das<br />
Thema ausführlich beschrieben ist, diesen beim<br />
Medizinischen Fakultätentag (MFT) vorgestellt<br />
und in die zu aktualisierenden Curricula eingebracht.<br />
Unsere Analyse der Ausbildungsinhalte für<br />
die deutschen Gesundheitsfachberufe hatte zuvor<br />
deutliche Defizite in Bezug auf Fragen der Patientensicherheit<br />
ergeben. Das Aktionsbündnis ist<br />
Mitglied beim Institut für medizinische und pharmazeutische<br />
Prüfungsfragen IMPP und u.a. Initialgeber<br />
für Prüfungsfragen.<br />
Das Institut für medizinische und pharmazeutische<br />
Prüfungsfragen (IMPP) hat unsere Prüfungsfragen<br />
zur Kommunikation mit aufgenommen. Die Studiengänge<br />
sind verpflichtet, dazu Seminare abzuhalten,<br />
das freut mich sehr. Auch für die Pflegeausbildung<br />
sollte das Standard werden.<br />
Gemeinsam mit der Kommunikationswissenschaftlerin<br />
Frau Prof. Hannawa haben wir zudem ein Innovationsprojekt<br />
initiiert. Unser Ziel ist es, für die inzwischen<br />
Hunderte Kommunikationsseminare ein<br />
Programm zu geeigneten Kommunikationsformen<br />
aufzulegen, das auch zertifiziert werden kann.<br />
Krankenhäusern, die Verbesserung der Hygiene in<br />
allen Bereichen des Gesundheitswesens, die verpflichtende<br />
Teilnahme an Fehlermeldesystemen,<br />
ein verbindliches Implantate-Register, die Einbeziehung<br />
des Themas Patientensicherheit in die Aus-,<br />
Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe,<br />
die Einbeziehung der Patienten und Angehörigen<br />
als aktive Partner sowie regelmäßige Patienten- und<br />
Angehörigenbefragungen. Bei deren Umsetzung<br />
bauen wir tatsächlich auch auf den Gesetzgeber.<br />
Einige Forderungen sind bereits so gut wie erfüllt.<br />
Die Bundesregierung hat ein verbindliches Implantate-Register<br />
auf den Weg gebracht. Fehlermeldesysteme<br />
gibt es bereits seit etlichen Jahren.<br />
Hedwig François-Kettner: Die Beteiligung daran<br />
ist aber leider bisher nicht sehr gut, weil sie nicht<br />
verpflichtend ist. CIRS könnte besser laufen – aber<br />
auch hier hängt es eben sehr stark von den Vorgesetzten<br />
ab. Das ist eine Sisyphosarbeit, die an der<br />
Spitze oft gar nicht wahrgenommen wird. Die damit<br />
Beauftragten haben oft keine eigenen Ressourcen<br />
für diese Aufgabe. Kaum jemand interessiert<br />
sich dafür. Deshalb brauchen wir die Beauftragten<br />
für Patientensicherheit, damit das Thema im Top-<br />
Management ankommen wird. Es ist auch wichtig,<br />
dass der Aufsichtsrat einmal im Jahr informiert wird.<br />
Erfreulich ist, dass das Land Hessen jetzt den ersten<br />
Beauftragten für Patientensicherheit installiert hat.<br />
Auch bei der TK gibt es ihn inzwischen. Man muss<br />
auch als Konzernchef danach fragen, wie sich die<br />
Infektionsraten und die Zahl der Todesfälle entwickeln,<br />
deren Ursachen unerwünschte Ereignisse<br />
oder Fehler sind.<br />
Patientenbefragungen werden ja vielfach in den<br />
Krankenhäusern schon durchgeführt.<br />
Hedwig François-Kettner: Grundsätzlich ja. Und<br />
das ist natürlich sehr erfreulich. Die Frage ist aber<br />
immer auch, ob das regelmäßig und auch professionell<br />
geschieht. Wir führen alle fünf Jahre gemeinsam<br />
mit dem Institut für Patientensicherheit<br />
in Bonn eine entsprechende Studie durch – suchen<br />
aber auch noch Unterstützung dafür. Die erste Studie<br />
hat die Situation 2010 mit 2015 verglichen. Danach<br />
haben 2015 schon 80 Prozent der Krankenhäuser<br />
angegeben, selbst Patientenbefragungen<br />
durchzuführen – zuvor waren es 40 Prozent. Damit<br />
können wir auch zeigen, was diese Befragungen<br />
bewirken. Wir brauchen aber auch einen Dialog<br />
dazu mit den Häusern.<br />
Sie haben eingangs auch auf den wirtschaftlichen<br />
Effekt der Patientensicherheit<br />
verwiesen. Ist dieser bezifferbar?<br />
Hedwig François-Kettner: Die<br />
OECD hat mehrere Studien<br />
durchgeführt, die deutlich zeigen:<br />
Wenn eine Einrichtung<br />
strategisch Aspekte der Patientensicherheit<br />
einführt,<br />
können 15 Prozent der Kosten<br />
gespart werden, weil<br />
vermeidbare Fehler deutlich<br />
reduziert werden. Das wären<br />
mehr als 50 Milliarden Euro<br />
im Jahr in den deutschen<br />
Krankenhäusern.<br />
Fünfzehn Prozent Budgeteinsparungen<br />
– was braucht das<br />
Management denn eigentlich<br />
noch?! Der wichtigste Gedanke<br />
ist aber immer: Wir sind nicht zum<br />
Selbstzweck da, sondern für die Patienten.<br />
Frau François-Kettner,<br />
herzlichen Dank für das Gespräch.<br />
„<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Patientensicherheit muss zur Chefsache<br />
werden. Daher muss dann auch die für<br />
Patientensicherheit verantwortliche<br />
Person im TOP-Management verankert<br />
sein.<br />
“<br />
Der Tipp:<br />
Das APS-WeiSSbuch Patientensicherheit:<br />
Wegweiser für zentrale Verbesserungen<br />
der Patientenversorgung<br />
Knapp 20 Jahre nach Erscheinen von „To Err Is Human“<br />
hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit mit dem<br />
„Weißbuch“ eine grundlegende Analyse der Situation<br />
und konkrete Forderungen zur Verbesserung der Patientensicherheit<br />
vorgelegt. Der Autor, Prof. Dr. Matthias<br />
Schrappe, war Gründungsvorsitzender des APS und hat<br />
nicht nur die theoretischen Grundlagen, die Erhebungsmethodik,<br />
die Daten zur Häufigkeit und die ökonomischen<br />
Implikationen aufgearbeitet, sondern daraus auch<br />
ein innovatives Konzept entwickelt, das als Basis für die<br />
weitere praktische Entwicklung und die gesundheitspolitische<br />
Bewertung des Themas dienen kann.<br />
„APS-Weißbuch Patientensicherheit: Wegweiser für zentrale<br />
Verbesserungen der Patientenversorgung“, MWV<br />
Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Paperback,<br />
ISBN: 978-3-95466-410-8, 64,95 Euro<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 62<br />
63<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Simulationstrainings sollten<br />
obligatorisch sein<br />
Es geht um Kommunikation, Koordination und Ressourcenmanagement,<br />
um Vorkommnisse, für die es keine Routinen gibt<br />
viele dieser Übungen Sinn. Dabei werden sie gefilmt.<br />
Im Anschluss erfolgt eine ausführliche Nachbesprechung.<br />
Das Video hilft dabei, sich an Schlüsselsituationen<br />
genau zu erinnern. Es geht um Kommunikation,<br />
Koordination und Ressourcenmanagement,<br />
um die eigenen Reaktionen in der simulierten Krisensituation.<br />
Sich auf diese Weise auf seltene Vorkommnisse vorzubereiten,<br />
ist in einigen anderen Branchen selbstverständlich.<br />
Piloten, Menschen, die auf Ölplattformen<br />
oder in Atomkraftwerken arbeiten, absolvieren<br />
regelmäßig Simulationstrainings. Ohne daran teilgenommen<br />
zu haben, darf ein Pilot gar nicht ins Cockpit.<br />
Das Helios Klinikum Erfurt<br />
Das Helios Klinikum Erfurt – eines von 86 Krankenhäusern<br />
des Helios-Konzerns Deutschland - ist ein Krankenhaus<br />
der Maximalversorgung mit rund 3.000 Mitarbeitern.<br />
>><br />
Mit knapp 1.300 Betten ist es das größte Krankenhaus<br />
der Region. Jährlich werden etwa 55.000 stationäre Patienten<br />
behandelt. Täglich finden rund 85 Operationen<br />
statt. Mehr als 30 Fachbereiche und Institutionen arbeiten<br />
unter einem Dach zusammen.<br />
Im Simulationszentrum des Helios Klinikums Erfurt<br />
Fotos: Helios Klinikum Erfurt<br />
Zwölf Organzentren unter dem Dach des Onkologischen<br />
Zentrums wurden für ihre ausgezeichnete Arbeit<br />
von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert. Das<br />
Klinikum ist Akademisches Lehrkrankenhaus des Universitätsklinikums<br />
Jena.<br />
Im Simulationszentrum des Helios Klinikums<br />
Erfurt trainieren Teams für den Ernstfall im OP<br />
und für Notfallsituationen. Es geht dabei u.a.<br />
um Reaktion und Verhalten von Teams in Situationen,<br />
die in der klinischen Praxis selten<br />
auftreten, aber schwerwiegende Folgen haben<br />
können, wenn nicht richtig reagiert wird. Es<br />
sind dennoch realitätsnah und schlüssig gestaltete<br />
Ereignisse, in denen es vor allem um<br />
OP-Techniken, Krisenfälle im OP und kritische<br />
Situationen in der Notaufnahme geht.<br />
Bisher sind im Helios Klinikum Erfurt vor allem Ärzte<br />
und Pflegende aus der Intensivmedizin, der Notfallmedizin,<br />
Anästhesie und Gastroenterologie sowie<br />
aus dem Rettungsdienst in die Simulationstrainings<br />
einbezogen. Für Anästhesisten, Anästhesiepflegekräfte<br />
und Intensivmediziner ist ein Training im Jahr<br />
verpflichtend. In der Regel nehmen berufsübergreifende<br />
Teams teil – so, wie sie auch im Klinikalltag<br />
zusammenarbeiten.<br />
Simuliert werden seit dem vorigen Jahr aber auch<br />
Notfälle aus dem Bereich der Geburtshilfe. Für andere<br />
Fächer – etwa die Chirurgie und die Radiologie<br />
– werden zudem auch bestimmte Fertigkeiten<br />
trainiert, etwa für die Gastroskopie. Alle können an<br />
einem Training teilnehmen – es ist ein Angebot, wie<br />
man es so bisher nur selten im Markt bekommen<br />
kann – ein Angebot, das auch Teams aus anderen,<br />
nicht zu Helios gehörenden Krankenhäusern nutzen<br />
können.<br />
Nur gemeinsam macht das<br />
Training Sinn<br />
Die trainierenden Gruppen bestehen in der Regel<br />
aus sechs bis zehn Personen. Ideal sind acht. Eine<br />
Gruppe zur Versorgung von Schwerverletzten, die<br />
aus sehr unterschiedlichen Berufsgruppen besteht,<br />
kann aber auch 16 Personen umfassen.<br />
Die Teams erhalten spezifische Aufgaben und lösen<br />
diese auch im Team, denn nur gemeinsam machen<br />
Die Menschen, die hier im simulierten OP trainieren,<br />
sind selbst Experten im klinischen Alltag. Sie werden<br />
in ihrer Praxis aber auch immer wieder knifflige Entscheidungen<br />
treffen – ausgelöst durch manchmal<br />
anscheinend kleine Dinge - die aber zu gravierenden<br />
Auswirkungen führen können, von denen für einen<br />
Patienten sehr viel abhängt. Wenn das passiert,<br />
kann bei den Beteiligten viel Stress entstehen, mit<br />
allen möglichen ebenfalls negativen Folgen.<br />
Natürlich können solche Ereignisse auch in einem<br />
Seminar theoretisch geschildert und die notwendigen<br />
Entscheidungen und Reaktionen erläutert<br />
werden. Solche Situationen aber selbst trainiert zu<br />
haben, Vorkommnisse, für die es keine Routinen<br />
gibt, mit denen also kaum jemand Erfahrung haben<br />
kann, hat einen vollkommen anderen, nachhaltigeren<br />
Effekt. Hinzu kommt die Nachbesprechung anhand<br />
der soeben gemachten Erfahrung, in der die<br />
Instrukteure auch die Fragen der Teilnehmer beantworten.<br />
Was braucht man für die<br />
Einrichtung eines<br />
Simulationszentrums?<br />
Der Aufwand zur Einrichtung und zum Betrieb eines<br />
Simulationszentrums ist durchaus groß. Bau, Einrichtung,<br />
Equipment, Freistellungen des Personals, das<br />
liegt im siebenstelligen Bereich. Ein nachgestellter<br />
OP-Saal wird mit echtem Equipment eingerichtet.<br />
Die Teams arbeiten mit echten Materialien. Ein elektronisch<br />
steuerbarer „Dummy“ kann in bestimmten<br />
Grenzen Reaktionen eines Patienten simulieren, die<br />
Augen öffnen, der Puls kann gefühlt werden.<br />
Die Trainer sitzen hinter einer Glasscheibe und geben<br />
verschiedene Reaktionen ein. Sie simulieren<br />
zum Beispiel eine Veränderung des Herzschlags.<br />
Für die Personen, die im nachgestellten OP agieren,<br />
wirkt das alles beinahe echt. Das gesamte Training<br />
im OP wird gefilmt.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 64<br />
65<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Die Trainer – ausgewählte<br />
Experten aus dem Klinikum<br />
„Die Trainer im Erfurter Simulationszentrum müssen<br />
über eine besondere fachliche Expertise und viel<br />
Erfahrung verfügen“, betont Dr. Beate Lenk, Leiterin<br />
des Bildungszentrums sowie des dazu gehörenden<br />
Simulationszentrums am Helios Klinikum Erfurt. Es<br />
müsse fachlich aber auch menschlich passen. Ein<br />
Trainer-Team besteht immer aus einem erfahrenen<br />
Fach- oder Oberarzt, einer Pflegekraft und einem<br />
Techniker. Alle haben einen Kommunikationskurs<br />
absolviert. Die Kommunikation mit den Mitarbeitern,<br />
die zum<br />
Training kommen,<br />
müsse klar<br />
und ohne Vorwurf<br />
sein, betont<br />
die Ärztin.<br />
Das Interesse<br />
gerade auch<br />
bei erfahrenen<br />
Mitarbeitern, als<br />
Instrukteur im<br />
Simulationszentrum<br />
ihr Wissen<br />
weiterzugeben,<br />
sei groß. Gleichzeitig<br />
würden<br />
Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />
auch die Trainer selbst sehen, wo überall Fehler entstehen<br />
könnten.<br />
Viele der Mitarbeiter des Kernteams im Simulationszentrum<br />
arbeiten hier mit einem Stellenanteil zwischen<br />
zehn und vierzig Prozent, für den sie in der<br />
Klinik freigestellt werden. So ist Dr. Lenk zum Beispiel<br />
ebenfalls zu 50 Prozent als Anästhesistin tätig.<br />
Welche kritischen Situationen<br />
werden trainiert?<br />
„Eine wichtige Quelle dafür, was trainiert werden<br />
sollte, sind Erfahrungen aus der Aus- und Weiterbildung<br />
von Ärzten und Pflegenden. Außerdem fließen<br />
aus der Abteilung Patientensicherheit und aus<br />
den medizinischen Fachgruppen Anregungen ein.<br />
Probleme, die im CIRS gemeldet werden, können<br />
ebenfalls Anlässe für Trainings sein. Wichtig sei aber<br />
immer auch, die Mitarbeiter zu fragen, wo sie selbst<br />
Bedarf sehen und auf die Wünsche der Abteilungen<br />
einzugehen“, so Dr. Lenk.<br />
Da zu einem sicheren Arbeiten auch Strukturen,<br />
Standards und Material gehören, leistet das Zentrum<br />
hier ebenfalls Beratungsarbeit.<br />
Die Trainings verändern auch<br />
die Kommunikation im Team<br />
Kommunikation ist generell ein wichtiger Aspekt<br />
der Patientensicherheit. Dr. Beate Lenk: „Wir konnten<br />
u.a. feststellen, dass sich die Teamkommunikation<br />
zwischen Pflegenden und Ärzten sowie untereinander<br />
durch die gemeinsamen Trainings komplett<br />
verändert hat.“ Ausländische Studien zeigten zudem,<br />
dass sich Komplikationsraten<br />
und Sterblichkeit<br />
unterscheiden<br />
würden, je nachdem,<br />
ob ein Team regelmäßige<br />
Trainings durchgeführt<br />
hat oder nicht.<br />
In Deutschland sei diese<br />
Art von Fortbildung<br />
im Vergleich zu anderen<br />
Ländern leider<br />
nicht vorgeschrieben.<br />
„Bei uns gibt es bisher<br />
keine Verpflichtung,<br />
bestimmte Handlungen<br />
zunächst zu trainieren und erst dann in der<br />
echten medizinischen Praxis zu arbeiten. Hier muss<br />
aus meiner Überzeugung ein Umdenken stattfinden.<br />
Hilfreich wäre zudem, wenn das Thema Qualität<br />
mit konkreten Themen des Simulationstrainings<br />
generell verknüpft wäre“, so die Leiterin des Erfurter<br />
Simulationszentrums.<br />
Hier wird derzeit auch an neuen Techniken gearbeitet<br />
– an einem Podcast und an videogestützten<br />
Debriefings. Das Zentrum hat auch Expertise, was<br />
Lehrfilme betrifft. Dafür muss dann im „echten“ OP<br />
nicht gestört werden. Als Grundlage für Lehrfilme<br />
können u.a. Empfehlungen der Fachgesellschaften<br />
dienen. Die Inhalte können an den Bedarf des jeweiligen<br />
Auftraggebers angepasst werden. Das muss<br />
nicht OP oder Intensiv sein. Anpassungen sind auch<br />
für Normalstationen oder Ambulanzen möglich.<br />
Redaktion <strong>Praxisberichte</strong><br />
Polytraumatag – jeder Handgriff, jede Aktion wird im Team trainiert<br />
Übung für den Ernstfall<br />
Abläufe und Personal im simulierten Ausnahmezustand<br />
Katastrophenübung Ende September vorigen<br />
Jahres in Erfurt. 24 teils schwerstverletzte Personen<br />
mussten innerhalb einer Nacht im Helios<br />
Klinikum infolge eines Sprengstoffanschlags<br />
versorgt werden. Das Szenario war Teil einer<br />
Übung von Einsatzkräften der Feuerwehr, der<br />
Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes<br />
der Landeshauptstadt Erfurt sowie angrenzender<br />
Landkreise am Erfurter Hauptbahnhof.<br />
„Durch das wirklichkeitsnahe Agieren wollten wir<br />
unsere Abläufe und unser Personal im Ausnahmezustand<br />
erproben“, so der Ärztliche Direktor Prof.<br />
Dr. med. Dirk Eßer. Seine erste Einschätzung in den<br />
frühen Morgenstunden: „Wir sind für den Ernstfall<br />
gerüstet und haben viel gelernt.“<br />
In Wellen wurden über die Rettungsdienste insgesamt<br />
drei leicht verletzte, zehn schwer verletzte<br />
und elf akut vital bedrohte Personen ins Klinikum<br />
gebracht. Neben Verbrennungen und Kopfverletzungen<br />
wiesen einige Patientendarsteller auch ein<br />
Polytrauma auf. „Wir wussten zwar, wann die Krankenhausübung<br />
stattfindet, nicht jedoch, was die<br />
Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />
Patienten für Beschwerden aufweisen“, so der Ärztliche<br />
Direktor weiter. „Im Vorfeld haben wir unsere<br />
Abläufe überprüft und unsere Teams allgemein auf<br />
die Gefahrenlage vorbereitet.“<br />
Prof. Eßer: „Wir haben uns bewusst für die maximal<br />
vertretbare Anzahl an Verletzten entschieden, um<br />
unsere Organisation unter Extrembedingungen zu<br />
testen. Im Notfall müssen alle Kräfte mobilisiert werden.“<br />
Zur Normalbesetzung wurden für die Übung<br />
etwa 450 Mitarbeiter des Helios Klinikums Erfurt<br />
alarmiert. Etwa 60 Fachärzte, Pflegekräfte und weitere<br />
Helfer eilten innerhalb der ersten Stunde nach<br />
Auslösung des Alarms ins Klinikum, um zu helfen.<br />
Bei einem Katastrophenfall mit vielen Schwerverletzten<br />
greift ein vorher definierter Alarm- und<br />
Einsatzplan. Aus einigen Fachbereichen werden<br />
so viele Mitarbeiter wie möglich in die Klinik gerufen.<br />
Dazu gehören Ärzte aller operativen Fächer,<br />
Anästhesisten, Intensivmediziner, das Personal der<br />
Notaufnahme, Radiologie und der Operationssäle.<br />
Außerdem müssen in kürzester Zeit Behandlungsplätze<br />
vorbereitet, Liegen und medizinisches Gerät<br />
herbeigeschafft werden.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 66<br />
67<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Sichere Kommunikation erleben!<br />
Prof. Dr. med. Dirk Eßer<br />
Ärztlicher Direktor des<br />
Helios Klinikums Erfurt<br />
>><br />
„<br />
Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />
Die nächtliche Übung, Szenarien im<br />
Simulationszentrum und ein breites<br />
Spektrum an jährlichen Fort- und Weiterbildungen<br />
dienen dazu, das Klinikpersonal<br />
auf Ausnahmesituationen gezielt<br />
vorzubereiten und Mechanismen<br />
einzuspielen. Das Szenario der Stadt war<br />
eine große Chance, unter verschärften<br />
Bedingungen zu trainieren. Wir wollten<br />
sehen, wie die Arbeit in der Notaufnahme<br />
und Überleitung in die einzelnen<br />
Behandlungsteams, insbesondere an<br />
den Schnittstellen Ambulanz, OP und<br />
Radiologie, klappt. Das erste Fazit fällt<br />
positiv aus. Vieles war intuitiv richtig. An<br />
manchen auf dem Papier klar definierten<br />
Abläufen müssen wir weiter arbeiten.<br />
“<br />
Helios: Simulationstrainings<br />
verbessern Patientensicherheit<br />
In den vergangenen drei Jahren hat das Unternehmen<br />
Helios mit einem Investitionsvolumen von rund<br />
zwei Millionen Euro Simulationszentren in Erfurt,<br />
Krefeld und Hildesheim aufgebaut. Mehr als 3.000<br />
Ärzte und Pflegekräfte wurden hier seit Anfang 2016<br />
trainiert. Damit führt das Krankenhausunternehmen<br />
die meisten Simulationstrainings für seine Mitarbeiter<br />
in Deutschland durch. Die Überzeugung: Durch<br />
Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />
„<br />
Dr. med. Beate Lenk<br />
Leiterin des Bildungszentrums<br />
und des Simulationszentrums,<br />
Verantwortliche<br />
für den Katastrophenschutz<br />
des Helios Klinikums Erfurt<br />
Bei dieser Katastrophenübung ging es<br />
vor allem um Prozesse. Ein wesentliches<br />
Ergebnis war, dass ein starker Teameffekt<br />
entstanden ist, der auf das gesamte<br />
Haus ausgestrahlt hat. Die Beteiligten<br />
haben sicher für lange Zeit eine bildliche<br />
Erinnerung an das Ereignis und sind<br />
deutlich optimistischer, dass sie solche<br />
Situationen gemeinsam meistern können.<br />
Aber es stehen nach einer solchen<br />
Übung natürlich auch Nachfolgeschritte<br />
an. Wir haben unser Hauskonzept getestet<br />
und können in der Fortbildung nun<br />
im Detail darauf eingehen.<br />
“<br />
>><br />
Simulationstrainings kann die Patientenversorgung<br />
und -sicherheit verbessert werden. Das Simulationszentrum<br />
des Erfurter Klinikums ist für die Helios Kliniken<br />
in den Regionen von Stralsund bis München<br />
zuständig. Dazu finden Trainings für nicht zu Helios<br />
gehörende externe Krankenhäuser und Einzelpersonen<br />
statt.<br />
Ob Notfall oder klinische Routine: Zusammenarbeit durch Einsatz<br />
interaktiver Plattformen gezielt trainieren<br />
Nicht nur im Notfall, sondern auch im klinischen<br />
Alltag ist effiziente und sichere Kommunikation<br />
von höchster Bedeutung. Sie ermöglicht<br />
gute Teamarbeit, ist unerlässlich für interdisziplinäre<br />
und interprofessionelle Koordination<br />
und spielt eine bedeutende Rolle bei Entscheidungsfindungsprozessen.<br />
Umso wichtiger ist<br />
daher das kontinuierliche und gezielte Training<br />
von Kommunikation im geschützten Rahmen.<br />
Am Universitätsklinikum Heidelberg trainieren<br />
Mitarbeiter der Klinik für Anästhesiologie im<br />
eigenen Simulationszentrum, wie Werkzeuge<br />
für sichere Kommunikation optimal eingesetzt<br />
werden können.<br />
„Aber das habe ich doch gesagt“ ist wahrscheinlich<br />
einer der am häufigsten gehörten Sätze in deutschen<br />
Kliniken – doch er fällt immer dann, wenn<br />
die Kommunikation bereits schief gelaufen ist. Die<br />
Bedeutung von Kommunikation im Alltag kann<br />
nicht genug herausgestellt<br />
werden, ist sie doch integraler<br />
Bestandteil jeglicher Zusammenarbeit<br />
in der Patientenversorgung.<br />
Sie betrifft alle<br />
klinischen Bereiche, von der<br />
Organisation der Stationsarbeit<br />
in der Routineversorgung<br />
bis hin zur Koordination einer<br />
komplexen Notfallsituation im<br />
OP. Doch während moderne<br />
Ausbildungskonzepte für Medizinstudenten<br />
und Pflegekräfte<br />
bereits Kommunikation<br />
mit Patienten schulen und<br />
trainieren (meistens durch Einsatz<br />
von Schauspielpatienten),<br />
bleibt die interprofessionelle<br />
und interdisziplinäre Kommunikation<br />
als zentraler Aspekt<br />
erfolgreicher Teamarbeit häufig<br />
„learning by doing“ – und<br />
Foto: privat<br />
Autor<br />
Dr. med. Christopher Neuhaus,<br />
Klinik für Anästhesiologie,<br />
Universitätsklinikum Heidelberg<br />
damit dem Zufall überlassen. Die Resultate sind<br />
vielfältig und nicht selten frustrierend für alle Beteiligten:<br />
Abläufe stocken, Organisation ist redundant<br />
und zeitraubend, die Arbeitsbelastung steigt<br />
und im schlimmsten Fall entstehen Situationen, in<br />
denen die Patienten- oder Mitarbeitersicherheit<br />
gefährdet wird.<br />
Konzepte für sichere<br />
Kommunikation<br />
Der tägliche Umgang mit hohen Risiken und eine<br />
geringe Systemtoleranz für Fehler haben in sog.<br />
„high-consequence industries“ (z. B. Nuklearindustrie,<br />
Luftfahrt, petrochemische Industrie, Schiffahrt,<br />
etc.) zur Entwicklung einer Vielzahl von Werkzeugen<br />
geführt, die bestimmte Bereiche der Kommunikation<br />
optimieren und standardisieren. Ziel dabei ist<br />
jeweils die möglichst verlustfreie Weitergabe von<br />
Informationen bei der Verfolgung eines gemeinsamen<br />
Ziels. Auch die Erstellung einer gemeinschaftlich<br />
geteilten Vorstellung der aktuellen Situation, ein<br />
sogenanntes „mentales Modell“,<br />
wird durch Kommunikation ermöglicht<br />
und angestrebt. Unterschiedliche<br />
Eindrücke, Sachstände<br />
und Ansichten einzelner<br />
Teammitglieder werden durch<br />
Kommunikation angepasst,<br />
harmonisiert und zu einem<br />
kollektiven Verständnis zusammengefügt.<br />
Darüber hinaus<br />
bieten Werkzeuge bestimmte<br />
Formate, die gemeinsame<br />
Konventionen festlegen und<br />
typische Störgrößen wie Emotionalität<br />
und Beziehungen,<br />
aber auch Hierarchie, in den<br />
Hintergrund treten lassen.<br />
In der Medizin immer häufiger<br />
angetroffene Konzepte sind<br />
unter anderem die Zwei-Wege-Kommunikation,<br />
verschiedene<br />
strukturierte Briefings<br />
(z. B. vor Narkoseeinleitung, zur Patientenübergabe,<br />
als interdisziplinäres „Time-Out“ im OP), oder das<br />
„10-for-10“ Prinzip (s. Infokasten 1).<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 68<br />
69<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
>><br />
Anforderungen an die ideale<br />
Trainingsplattform<br />
Um den Trainingsanforderungen des Klinikalltags gerecht<br />
zu werden, muss eine Plattform eine Vielzahl<br />
von Eigenschaften aufweisen. Insbesondere bei<br />
Infokasten 1<br />
Beispiele für Werkzeuge<br />
„sicherer“ Kommunikation<br />
2-Wege-Kommunikation: Dieses häufig auch<br />
als „Sender-Empfänger“-Modell beschriebene<br />
Werkzeug versucht, durch klare Adressierung des<br />
Empfängers durch den Sender und ebenso Rückmeldung<br />
über den Nachrichtenerhalt durch den<br />
Empfänger den Informationsverlust zu minimieren,<br />
insbesondere in dynamischen Situationen mit<br />
vielen Störfaktoren wie Lärm, Ablenkung, Mehrfachbelastung<br />
etc.<br />
„10-for-10“: Dieses Prinzip betont das Sicherstellen<br />
der Aufmerksamkeit aller Teammitglieder<br />
für einen kurzen Zeitraum („10 Sekunden“), um<br />
dann durch gezielte Kommunikation im Team die<br />
Arbeitsabläufe und Handlungen der darauf folgenden<br />
„10 Minuten“ zu koordinieren. Insbesondere<br />
in dynamischen Situationen (z. B. bei der Schockraumversorgung<br />
eines kritisch kranken Patienten)<br />
können Teams auf diese Weise sicherstellen, dass<br />
Prioritäten immer wieder neu gesetzt werden und<br />
das gemeinsame Handeln optimal auf die Anforderungen<br />
der jeweiligen Situation adaptiert werden<br />
kann.<br />
der Konzeption von Schulungen ist ein profundes<br />
Wissen über Möglichkeiten und Limitationen der<br />
unterschiedlichen Systeme notwendig, um mit der<br />
kostbaren Ressource „Trainingszeit“ optimal wirtschaften<br />
und möglichst effektiv trainieren zu können.<br />
Wichtige Charakteristiken sind unter anderem:<br />
¼¼<br />
Hohe, modellierbare Dynamik: Hierdurch<br />
können Kommunikations- und Entscheidungsfindungsprozesse<br />
unter Zeitdruck<br />
und Stress trainiert werden. Variable Dynamik<br />
ermöglicht dabei das schrittweise Heranführen<br />
an reale Arbeitsbedingungen und stellt<br />
den entscheidenden Schritt von reiner Schulung<br />
zu systematischem Training sicher.<br />
¼¼<br />
Niedrige Komplexität für Anwender<br />
und Trainer: Simulatoren und Trainingsplattformen<br />
sollten möglichst leicht zu bedienen<br />
sein. So kann in der zur Verfügung stehenden<br />
Zeit mehr effektiv trainiert werden, da<br />
weniger Zeit für Erklärungen und Einführungen<br />
in das System aufgewandt werden muss.<br />
Gleichzeitig erleichtert dies die Einarbeitung<br />
neuer Trainer und Erweiterung des Instruktorenstammes<br />
für eine höhere Flexibilität in der<br />
Planung.<br />
¼¼<br />
Universelle Einsetzbarkeit: Mobile Trainingsplattformen<br />
ermöglichen die Gestaltung<br />
eines flexiblen und auf den jeweiligen Arbeitskontext<br />
angepassten Trainingsprogramms.<br />
Während z. B. hochkomplexe Patientensimulatoren<br />
mit realistischer Nachbildung einer<br />
Vielzahl von Körperfunktionen (Atmung, Lungenfunktion,<br />
Gefäßsystem, etc., sog. „Full-Scale-Simulatoren)<br />
teilweise hohe Anforderungen<br />
an bauliche Gegebenheiten stellen und daher<br />
ortsgebunden fest installiert sind, können Modelle<br />
mit nur minimal weniger Realitätsgrad<br />
problemlos an jeden beliebigen Trainingsort<br />
transportiert werden. Dies ermöglicht ein Training<br />
in der gewohnten Arbeitsumgebung der<br />
Teilnehmer, wodurch einerseits der Transfer<br />
der Inhalte in den Arbeitsalltag erleichtert und<br />
andererseits die Relevanz und Anwendbarkeit<br />
neuer Kommunikationsstrategien für die Teilnehmer<br />
sichtbar wird.<br />
Abstraktion als<br />
didaktisches Mittel<br />
Für das Erlernen neuer Kommunikationsstrategien<br />
kann es erfolgversprechend sein, unterschiedliche<br />
Abstraktionsniveaus einzusetzen. Die Simulation einer<br />
Reanimationssituation auf Station mit einem Patientensimulator<br />
(Plattform niedriger Abstraktion)<br />
kann optimal dafür eingesetzt werden, den Einsatz<br />
neuer Werkzeuge in der reellen Arbeitsumgebung<br />
unter Zeitdruck und verschiedenen Zielkonflikten<br />
zu trainieren. Hierbei können auch besonders<br />
emergente Phänomene, also nicht vorhersehbare<br />
Resultate von Interaktionen in dynamischen Situationen,<br />
aufgedeckt und Werkzeuge kritisch auf ihre<br />
Anwendbarkeit geprüft werden. Typische Beispiele<br />
hierfür sind Briefings in zeitkritischen Situationen<br />
oder die Integration neuer Checklisten in bestehende<br />
Arbeitsprozesse. Derartige Trainings stellen<br />
aufgrund der inhaltlichen Komplexität jedoch hohe<br />
Anforderungen an die Ausbilder und das zugrunde<br />
liegende Trainingskonzept. Da im selben Kontext<br />
nicht nur kommunikative, sondern auch fachliche<br />
Aspekte trainiert werden können, besteht die Gefahr,<br />
dass diese aufgrund der Vertrautheit mit medizinischen<br />
Inhalten stärker betont werden, und die<br />
Diskussion um „soft skills“ in<br />
den Hintergrund gerät.<br />
Einen radikal anderen Ansatz<br />
stellt daher der vorherige<br />
Einsatz abstrakter Trainingsplattformen<br />
zur Vermittlung<br />
Abstrakte Plattformen<br />
Foto: Fa. InterPersonis GmbH<br />
„<br />
Ein regelmäßiges und<br />
zielgerichtetes Training<br />
von Kommunikation in<br />
Hochrisikobereichen ist<br />
von großer Bedeutung für<br />
die Sicherstellung aller<br />
nachgeschalteten Teamprozesse<br />
in komplexen<br />
„<br />
Arbeitsumgebungen.<br />
kommunikativer Werkzeuge<br />
dar. Hier übernehmen die<br />
Teilnehmer in einem spielerischen<br />
Umfeld ungewohnte,<br />
fachfremde Rollen (wie z.B.<br />
die Steuerung eines Kraftwerkes<br />
oder die Koordination des<br />
Werksverkehrs einer Automobilfabrik).<br />
Hierbei wird gezielt<br />
die Kommunikation in den<br />
Fokus der Simulation gerückt; ein „Abdriften“ in<br />
inhaltlich-fachliche Diskussionen ist für alle Beteiligten<br />
unmöglich. Zusätzlich zu kommunikativen<br />
Inhalten können weitere Aspekte in die Trainings<br />
integriert werden, wie z.B. Entscheidungsfindung<br />
im Team, taktische oder betriebswirtschaftliche<br />
Überlegungen, oder adaptives Handeln bei unerwarteter<br />
Dynamik. Darüber hinaus können Formate<br />
erweiterter Kommunikationsprozesse, wie z.B.<br />
Feedback, losgelöst von fachlichen oder inhaltlichen<br />
Differenzen erlernt werden. Eine derartige<br />
Vermittlung stellt die optimale Grundlage für einen<br />
Transferprozess dar, der sich in weiterführenden<br />
Trainingseinheiten konkreter am Arbeitsumfeld der<br />
Teilnehmer orientiert.<br />
Die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches<br />
Kommunikationstraining ist<br />
neben der Wahl einer geeigneten<br />
Plattform die klare<br />
Definition der zu Grunde<br />
liegenden Lernziele. Nur<br />
die präzise Formulierung<br />
eines Erwartungshorizontes<br />
ermöglicht die Konzeption<br />
passender Szenarien.<br />
Eine wichtige Quelle hierfür<br />
liefern abteilungsinterne<br />
Zwischenfallmeldesysteme<br />
(Critical Incident Reporting<br />
Systems, CIRS), da dort gehäuft<br />
berichtete Problemfelder<br />
in die Trainingskonzeption<br />
mit aufgenommen werden können.<br />
Die Simulationswoche am Universitätsklinikum<br />
Heidelberg<br />
Zur Standardisierung der Trainingsinhalte und Optimierung<br />
von Kommunikation im Team führt die<br />
Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 70<br />
71<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Infokasten 2<br />
>><br />
Mitarbeiterstimmen<br />
„Teilnahme der OÄ absolut wichtig, da diese<br />
ein elementarer Teil der Kommunikationsstruktur<br />
und -kultur sind, sowie die realitätsnahe Rückfallebene<br />
und Expertenrat darstellen.“<br />
„Sehr gut immer im interdisziplinären Team trainieren.“<br />
„Die Teilnahme der Oberärzte macht die<br />
Szenarien realistischer.“<br />
Heidelberg seit 2017 eine „Simulationswoche“<br />
durch. Dieser Rahmen bietet die Möglichkeit, in<br />
einer konzertierten Aktion im Laufe einer Woche<br />
bis zu 200 Mitarbeiter für fünf Stunden einheitlich<br />
in Teamkommunikation zu schulen und dabei<br />
thematische Schwerpunkte zu setzen. Von großer<br />
Bedeutung ist dabei die Interprofessionalität der<br />
Trainings, d.h. ein Zusammenarbeiten zwischen<br />
Pflegekräften und Ärzten wie in der Realität. Auch<br />
reelle hierarchische Strukturen des Klinikalltags<br />
werden in den Trainings abgebildet, damit die<br />
Kommunikation sowohl horizontal als auch vertikal<br />
erlebt, besprochen und trainiert werden kann. So<br />
betreuen Oberärzte mehrere Simulationen parallel<br />
und erleben in geschütztem Rahmen den Umgang<br />
mit Zielkonflikten, Priorisierung, Koordination multipler<br />
Handlungsstränge und den dafür erforderlichen<br />
Kommunikationsformen.<br />
Diese Trainingsform wird von den meisten Teilnehmern<br />
als angenehm empfunden oder sogar<br />
begrüßt, und die Angst davor, sich vor dem Vorge-<br />
Training an Full-scale Simulatoren<br />
Foto: Heidelberger Anästhesie- und Notfallsimulationszentrum<br />
setzten zu blamieren, kann in der Simulation ausgeräumt<br />
werden: 95 Prozent der Mitarbeiter gaben<br />
an, dass die Integration verschiedener Hierarchien<br />
neutral den Alltag widerspiegele oder sich sogar<br />
positiv auf das Teambuilding auswirke. Auch das<br />
gemeinsame Nachbesprechen (Debriefing) in der<br />
Gruppe wird als positiv empfunden.<br />
Konsequenterweise erfolgt die Trainingsplanung<br />
analog zu sonstigen Prozessen des klinischen Alltags.<br />
Die Mitarbeiter werden lediglich statt für einen<br />
normalen OP-Arbeitsplatz an den simulierten<br />
Arbeitsplatz eingeteilt. Jedem Mitarbeiter wird<br />
die Teilnahme freigestellt, dies wurde in der Vergangenheit<br />
jedoch nur vereinzelt in Anspruch genommen.<br />
Die Mitarbeiterstimmen aus anonymen<br />
Feedback-Befragungen zeigen dagegen, wie eindrücklich<br />
derartige Trainingsformen sowohl Kommunikationsprozesse,<br />
als auch Teamarbeit und<br />
soziales Miteinander am Arbeitsplatz beeinflussen<br />
können (s. Infokasten 2).<br />
Fazit<br />
„Ich fand es sehr gut! Ich fand sehr interessant,<br />
wie schnell die Oberärzte die Situation eingeschätzt<br />
haben, ob sie jetzt die Teamführung übernehmen<br />
oder ob sie in anderer Hand bleiben kann.<br />
Aus meiner Sicht ist es eine Bereicherung und ich<br />
denke, dadurch bekommen auch die OÄ Rückmeldung<br />
über Verhalten, was man anders machen<br />
könnte, um ein besseres Miteinander zu schulen.“<br />
Ein regelmäßiges und zielgerichtetes Training von Kommunikation in Hochrisikobereichen ist von großer<br />
Bedeutung für die Sicherstellung aller nachgeschalteten Teamprozesse in komplexen Arbeitsumgebungen.<br />
Der Einsatz verschiedenster Plattformen bietet die Möglichkeit, Konzepte nicht nur theoretisch zu lernen,<br />
sondern deren Wirksamkeit zu erleben und schrittweise auf die Herausforderungen des Alltags anzuwenden.<br />
Derartige Trainingsformen stellen eine wichtige Ergänzung zu bestehenden, medizinisch-fachlichen<br />
Fort- und Weiterbildungsangeboten dar.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 72<br />
73<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
„Dolmetscher der Seele“ - SIM im LVR<br />
Psychiatrische Versorgung unter Einsatz von<br />
Sprachmittler*innen<br />
Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) setzt<br />
sich im Bereich der psychiatrischen Versorgung<br />
bereits seit fast zwei Jahrzehnten für die interkulturelle<br />
Öffnung seiner Regeldienste ein.<br />
Für psychisch erkrankte Migrant*innen, insbesondere<br />
traumatisierte Flüchtlinge, sind eine<br />
unzureichende sprachliche Verständigung und<br />
kulturelle Differenzen die größten Zugangsbarrieren<br />
zu einer bedarfsgerechten Behandlung<br />
und Unterstützung. Durch die Bereitstellung<br />
von Fördergeldern ermöglicht der LVR den Einsatz<br />
von Sprach- und Integrationsmittler*innen<br />
(SIM) in den LVR-Kliniken sowie den Sozialpsychiatrischen<br />
Zentren (SPZ) des Rheinlands.<br />
Im Bereich der psychiatrisch/ psychosomatisch/<br />
psychotherapeutischen Versorgung setzt sich der<br />
LVR bereits seit fast zwei Jahrzehnten für die interkulturelle<br />
Öffnung seiner Regeldienste ein. Bereits<br />
seit Anfang der 2000er Jahre wurde die bedarfsgerechte<br />
Versorgung psychisch erkrankter Menschen<br />
mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte als zentrales<br />
Thema definiert.<br />
Interkulturelle Öffnung im<br />
LVR-Klinikverbund<br />
Die interkulturelle Öffnung bzw. die Kultursensibilität<br />
von Gesundheitseinrichtungen zielt darauf ab,<br />
Menschen unabhängig von ihrer kulturellen oder<br />
religiösen Prägung und trotz bestehender Sprachbarrieren<br />
einen gleichberechtigten Zugang zu den<br />
Versorgungsleistungen der Regeldienste zu ermöglichen<br />
und für eine gleichwertige Qualität in<br />
Behandlung, Beratung und Betreuung zu sorgen<br />
(in Anlehnung an Erim 2009, vgl. auch Schröder &<br />
Joksimovic 2017).<br />
Um in den neun psychiatrischen Kliniken des LVR-<br />
Klinikverbunds (Bedburg-Hau, Bonn, Düren, Düsseldorf,<br />
Essen, Köln, Langenfeld, Mönchengladbach<br />
und Viersen) Zugangsbarrieren abzubauen,<br />
wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. In einem<br />
wesentlichen Schritt wurden 2006 - deutschlandweit<br />
bis heute einzigartig - in allen LVR-Kliniken<br />
Integrationsbeauftragte benannt, die den Prozess<br />
der interkulturellen Öffnung verantwortlich mitgestalten.<br />
Darüber hinaus stellt der LVR-Klinikverbund im<br />
Rahmen des langjährigen Förderprogramms zur<br />
„Verbesserung der migrantensensiblen psychiatrisch-psychotherapeutischen<br />
Versorgung“ für die<br />
Konzeptionalisierung und Umsetzung kultursensibler<br />
Maßnahmen im Bereich der LVR-Kliniken<br />
jährlich Haushaltsmittel zur Verfügung, so dass auf<br />
diese Weise ein Anreiz geschaffen wurde, zielgruppenspezifische<br />
Behandlungs- und Hilfsangebote zu<br />
entwickeln. Vor allem durch die Einrichtung spezieller<br />
Angebote, wie z. B. muttersprachliche Sprechstunden<br />
und inter-/transkulturelle Ambulanzen<br />
bzw. Migrantenambulanzen wird Patient*innen<br />
mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte seither<br />
der Zugang in die Regelversorgung der LVR-Kliniken<br />
erleichtert.<br />
Seit 2008 werden jährlich inhaltliche Themenschwerpunkte<br />
festgelegt, die durch das genannte<br />
Förderprogramm finanziell ausgestattet werden.<br />
Der Einsatz von SIM in den LVR-Kliniken als Möglichkeit<br />
zum Abbau von sprachlichen und kulturellen<br />
Barrieren wurde als ein zentraler Schwerpunkt<br />
bereits 2013 identifiziert und seither durchgehend<br />
gefördert.<br />
Das klinikübergreifend tätige LVR-Kompetenzzentrum<br />
Migration 1 unterstützt und begleitet die<br />
jeweiligen Schwerpunkte durch entsprechende<br />
Fortbildungen, Fachtagungen, Publikationen, Informationsmaterialen<br />
und Handlungshilfen sowie<br />
versorgungsbegleitende Forschungsprojekte und<br />
trägt zur Bewusstseinsbildung, zur Bündelung von<br />
Kompetenzen und zum Wissenstransfer im LVR-<br />
Klinikverbund bei.<br />
Die jährliche Festlegung der Förderschwerpunkte<br />
erfolgt durch die Koordinierungsgruppe des<br />
LVR-Kompetenzzentrums, angepasst an aktuelle<br />
Herausforderungen im Zusammenhang mit der<br />
Versorgung psychisch kranker Migrant*innen. Die<br />
Koordinierungsgruppe trifft sich in der Regel zweimal<br />
pro Jahr und besteht aus den Leiter*innen<br />
und Mitarbeitenden des Kompetenzzentrums, den<br />
Sprecher*innen der Integrationsbeauftragten sowie<br />
Vertreter*innen der LVR-Klinikverbundzentrale.<br />
Zugangsbarrieren in der<br />
Versorgung psychisch kranker<br />
Menschen mit Zuwanderungsund<br />
Fluchtgeschichte<br />
Migrant*innen weisen grundsätzlich höhere<br />
Prävalenzraten für psychische Erkrankungen<br />
auf. Aktuelle Studien<br />
(z. B. Bozorgmehr, Mosenpour et al. 2016;<br />
Schröder, Zok & Faulbaum 2018) zeigen<br />
zudem, dass Traumafolgestörungen bei<br />
geflüchteten Menschen im Vergleich zur einheimischen<br />
Bevölkerung wie auch zu sog. „freiwilligen“<br />
Migrant*innen verstärkt auftreten. Gerade die<br />
Versorgung psychisch kranker, oftmals<br />
traumatisierter Flüchtlinge stellt Einrichtungen<br />
der Regelversorgung vor<br />
besondere Herausforderungen, so<br />
auch die LVR-Kliniken.<br />
Von Seiten des Städte- und Gemeindebunds<br />
(StGB) Nordrhein-Westfalen<br />
sowie vom Deutschen Krankenhausinstitut<br />
(DKI) werden der Umgang mit traumatisierten<br />
Geflüchteten und ihre psychosoziale Betreuung<br />
zunehmend als ein dringliches Problem benannt<br />
(StGB NRW-Mitteilung 3 4/2018 vom 18.06.2018:<br />
„Hohe Belastung durch Flüchtlings-Integration“;<br />
DKI-Psychiatrie-Barometer 2017/2018).<br />
Neben den sprachlichen und kulturellen Differenzen<br />
als stärkste Zugangsbarrieren werden erhöhte<br />
Aufwände (z. B. zeitlicher Aufwand, finanzielle<br />
Mehrbelastungen, Überlastung bzw. stärkere Frequentierung<br />
der Psychiatrischen Instituts- oder<br />
Notfallambulanzen, bürokratisierte Prozesse bei der<br />
Zusammenarbeit mit Behörden sowie ein erhöhtes<br />
Belastungsniveau der Mitarbeitenden (u. a. stärkere<br />
psychische Belastungen) als die zentralen Herausforderungen<br />
beschrieben und - unter anderem - die<br />
Wichtigkeit des Einsatzes sowie die Finanzierung<br />
qualifizierter SIM bzw. Dolmetscher*innen betont.<br />
Einsatz von SIM in der psychiatrischen<br />
Behandlung<br />
Qualifikation von SIM<br />
Dolmetschen im psychiatrischen Versorgungskontext<br />
stellt aus unterschiedlichen Gründen eine Herausforderung<br />
dar. Um hier in den LVR-Kliniken eine<br />
Autorin<br />
Dipl.-Psych. Monika Schröder<br />
Landschaftsverband Rheinland<br />
(LVR) Dezernat 8 -Klinikverbund<br />
und Verbund der Heilpädagogischen<br />
Hilfen Fachbereich 84<br />
-Planung, Qualitäts-und Innovationsmanagement<br />
Abt. 84.20<br />
(Psychiatrische Versorgung)<br />
1<br />
https://klinikverbund.lvr.de/de/nav_main/frfachpublikum/lvr_kompetenzzentrum_migration/lvr_kompetenzzentrum_migration.html<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 74<br />
75<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
möglichst gleichbleibende und gute Qualität zu<br />
erreichen, wurde direkt zu Beginn der Förderung<br />
in 2013 festgelegt, dass in dem sensiblen Arbeitsfeld<br />
der Psychiatrie und Psychosomatik auf entsprechend<br />
qualifizierte Fachleute zurückzugreifen<br />
ist, da nicht nur sprachliche Hürden überwunden<br />
werden müssen, sondern auch kulturelle Aspekte<br />
eine große Rolle spielen können. Die Auszahlung<br />
der Fördergelder an die LVR-Kliniken wurde daher<br />
an den Nachweis des Einsatzes professioneller SIM<br />
gekoppelt.<br />
Der LVR<br />
Der LVR arbeitet als Kommunalverband mit rund<br />
19.000 Beschäftigten für die 9,6 Millionen Menschen<br />
im Rheinland. Die 13 kreisfreien Städte und die zwölf<br />
Kreise im Rheinland sowie die Städte Region Aachen<br />
sind die Mitgliedskörperschaften des LVR.<br />
Mit seinen 41 Schulen, zehn Kliniken, 19 Museen<br />
und Kultureinrichtungen, drei Heilpädagogischen<br />
Netzen, vier Jugendhilfeeinrichtungen und<br />
dem Landesjugendamt erfüllt der LVR Aufgaben,<br />
die rheinlandweit wahrgenommen werden. Er ist<br />
Deutschlands größter Leistungsträger für Menschen<br />
mit Behinderungen und engagiert sich für Inklusion<br />
in allen Lebensbereichen. „Qualität für Menschen“ ist<br />
sein Leitgedanke.<br />
SIM können als eine Art „Brückenbauer“ zwischen<br />
Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte<br />
und Fachpersonal im Gesundheits-, Bildungs-<br />
und Sozialwesen verstanden werden. Ihre<br />
Arbeit zielt auf den Abbau von sprachlichen und<br />
soziokulturellen Verständigungsbarrieren ab und<br />
ermöglicht so eine effektive Zusammenarbeit. SIM<br />
nehmen an einer mindestens zwölf Monate umfassenden<br />
bundeseinheitlichen Qualifizierung teil,<br />
welche nach einer externen Prüfung mit einem<br />
entsprechenden Zertifikat abschließt.<br />
Inhalte der Qualifizierung sind unter anderem<br />
Dolmetschtraining, interkulturelle Kommunikation<br />
und soziokulturelle Sensibilisierung, fachspezifisches<br />
Deutsch, Gesundheitswesen und psychosoziale<br />
Versorgung/Beratung, etc. Neutralität,<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 76<br />
Transparenz, professionelle Distanz und Schweigepflicht<br />
werden als Handlungsleitlinien vermittelt.<br />
Aufgrund der eigenen Migrationserfahrung sind<br />
SIM vertraut mit der Kultur des Herkunftslandes<br />
sowie mit länderspezifischen Unterschieden, z. B.<br />
in der medizinischen und sozialen Versorgung. Bei<br />
Bedarf können sie daher in soziokulturell sensiblen<br />
Fragen vermitteln und Behandler*innen mit<br />
ihrem Wissen zur Verfügung stehen (zum Beispiel<br />
im Umgang mit psychischen Erkrankungen in der<br />
Herkunftskultur, in Bezug auf Geschlechterrollen,<br />
religiöse Aspekte, etc.). Soziokulturell bedingte<br />
Missverständnisse können so leichter vermieden<br />
bzw. aufgeklärt werden, was einen wichtigen Beitrag<br />
zur Verbesserung der Behandlungsqualität<br />
leisten kann.<br />
Beispielhaft sollen mit SprInt Wuppertal und Essen 2 ,<br />
Intermigras Düsseldorf 3 und bikup Köln 4 an dieser<br />
Stelle drei Anbieter von SIM genannt werden, mit<br />
denen aufgrund des steigenden Auftragsvolumens<br />
erstmals im Jahr 2015 durch den LVR-Fachbereich<br />
Zentraler Einkauf eine Rahmenvereinbarung geschlossen<br />
wurde und die die genannten Qualitätskriterien<br />
erfüllen.<br />
Finanzierung des Angebots<br />
Durch die zweckgebundene Bereitstellung von<br />
Fördergeldern aus dem Förderprogramm zur „Verbesserung<br />
der migrantensensiblen psychiatrischpsychotherapeutischen<br />
Versorgung“ ermöglicht<br />
der LVR seit 2013 den flächendeckenden Einsatz<br />
von SIM in seinen psychiatrischen Kliniken.<br />
Speziell für die Behandlung von Flüchtlingen sind<br />
darüber hinaus seit 2015 für den LVR-Klinikverbund<br />
weitere Haushaltsmittel aus den LVR-Flüchtlingshilfen<br />
vorgesehen. Seit 2017 wird gleichermaßen<br />
der Einsatz von SIM im Rahmen der gemeindepsychiatrischen<br />
Versorgung in den Sozialpsychiatrischen<br />
Zentren (SPZ) des Rheinlands 5 gefördert.<br />
Hiermit übernimmt der LVR im Bereich der psychiatrischen<br />
Versorgung Vorreiterfunktion, denn<br />
derzeit werden SIM in Deutschland im Vergleich<br />
zu anderen europäischen Ländern noch deutlich<br />
seltener eingesetzt. Nicht zuletzt ist dies auch<br />
eine Frage der in der Regel ungeklärten Finanzierung:<br />
Die Kosten für Dolmetscher*innen bzw.<br />
SIM werden nur in wenigen Fällen von Sozialamt,<br />
2<br />
https://www.sprachundintegrationsmittler.org/sprach-und-integrationsmittlung/, https://www.sprint-essen.de/<br />
3<br />
https://www.intermigras.de/<br />
4<br />
https://www.bikup.de/bikup-sprachmittlerpool/<br />
5<br />
https://www.lvr.de/de/nav_main/kliniken/verbundzentrale/frderundmodellprojekte/frderprogramme/sim_foerderung_im_spz/<br />
sim_foerderung_im_spz_1.jsp<br />
Jugendamt oder Jobcenter übernommen. Die Beantragung<br />
ist meist langwierig und kompliziert<br />
und überfordert die oft schwer psychisch kranken<br />
Patient*innen.<br />
Das im Juli 2016 verabschiedete Integrationsgesetz<br />
sieht die - im Referentenentwurf noch enthaltene<br />
und von Fachverbänden (z. B. Bundespsychotherapeutenkammer,<br />
Bundesärztekammer)<br />
und Fachleuten ausdrücklich geforderte - Kostenübernahme<br />
für Dolmetschereinsätze durch die<br />
Krankenkassen zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten<br />
medizinischen Versorgung weiterhin<br />
nicht vor. Die Finanzierung von professioneller<br />
Sprachmittlung bleibt also eine große Hürde. Die<br />
beschriebene zweckgebundene Bereitstellung<br />
von Fördermitteln für SIM zur Versorgung psychisch<br />
kranker Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte<br />
durch den LVR bedeutet daher<br />
für die Mitgliedskörperschaften, d.h. Städte und<br />
Kreise im Rheinland sowie die Städteregion Aachen,<br />
eine finanzielle Entlastung.<br />
Fachliche Voraussetzungen für den<br />
Einsatz von SIM<br />
Auch heute noch stehen Behandler*innen in psychiatrischen<br />
und psychosomatischen Arbeitsfeldern<br />
dem Einsatz von SIM bzw. Dolmetscher*innen<br />
zum Teil skeptisch gegenüber. Aufgrund der aktuellen<br />
Versorgungssituation erscheint es jedoch<br />
deutlich zielführender, sich nicht mit dem „ob“,<br />
sondern mit dem „wie“ eines solchen Settings auseinanderzusetzen.<br />
77<br />
sen sowie durch Training bzw. Übung, zudem sollte<br />
die Aufmerksamkeit für typische Fehlerquellen<br />
gegeben sein (vgl. hierzu z. B. Thompson et al.<br />
2013). Behandler*innen müssen nach Hadziabdic,<br />
Albin & Hjelm (2014) zudem dafür sensibilisiert<br />
werden, dass Patient*innen sich häufig „behindert“<br />
fühlen, wenn sie auf SIM angewiesen sind, sie sich<br />
unsicher fühlen, ob richtig übersetzt wird und die<br />
Intimität zum therapeutischen Team als reduziert<br />
erlebt wird. Daher kann - je nach vorliegendem<br />
Störungsbild - nicht allen Patient*innen ein solches<br />
Behandlungssetting ohne weiteres zugemutet<br />
werden.<br />
Um vor dem Hintergrund dieser Studienlage<br />
eine ausreichende Sicherheit für Patient*innen<br />
und Mitarbeitende in diesem speziellen Versorgungskontext<br />
zu gewährleisten, wurden im Jahr<br />
2014 zunächst in allen LVR-Kliniken umfassende<br />
Informationsveranstaltungen zum Einsatz von<br />
SIM durch das LVR-Kompetenzzentrum Migration<br />
angeboten. In den meisten Kliniken erfolgten im<br />
Jahr danach in einem zweiten Schritt vertiefende<br />
„In House“-Schulungen für einzelne Abteilungen<br />
bzw. Teams. Bis zum jetzigen Zeitpunkt besteht<br />
für jede*n Mitarbeiter*in die Möglichkeit, sich bei<br />
allen Fragen rund um den Einsatz von SIM telefonisch<br />
oder per Email an das LVR-Kompetenzzentrum<br />
Migration zu wenden und zeitnah Unterstützung<br />
zu erhalten.<br />
Auf der Homepage des Kompetenzzentrums stehen<br />
zudem etliche Informationsmaterialien und<br />
SIM können als eine Art „Brückenbauer“ zwischen<br />
Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte und<br />
Fachpersonal im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen<br />
verstanden werden. Ihre Arbeit zielt auf den Abbau<br />
von sprachlichen und soziokulturellen Verständigungsbarrieren<br />
ab.<br />
„<br />
„<br />
Studien belegen, dass eine psychotherapeutische<br />
Versorgung von Flüchtlingen unter Hinzuziehung<br />
von SIM keinesfalls als Therapie zweiter Wahl anzusehen<br />
ist (z. B. Brune, Eiroá-Orosa et al. 2011). Allerdings<br />
sollten Fachkräfte für das spezielle Setting<br />
„zu Dritt“ geschult werden. Ebenso wie bei anderen<br />
ärztlichen/ therapeutischen Fertigkeiten erhöhen<br />
sich Sicherheit und Selbstbewusstsein durch<br />
die Vermittlung von spezifischem Handlungswis-<br />
Handlungshilfen zum Download bereit wie Leitfäden,<br />
Flyer oder die sogenannte LVR-“SIM-Karte“<br />
(s. Abb. 1), die bereits in der 5. Auflage erschienen<br />
ist und für mittlerweile zwei Behandlungskontexte<br />
(Kliniken und SPZ) vorliegt. Die LVR-“SIM-Karte“<br />
wird den Mitarbeitenden auch laminiert in einem<br />
praktischen Format für die Kittel- bzw. Hosentasche<br />
zur Verfügung gestellt und informiert über<br />
die wichtigsten Regeln zum Einsatz von SIM im Be-<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
handlungssetting. Beispielhaft aufgeführt: Durchführung<br />
eines Vor- und Nachgesprächs mit den<br />
SIM, Hinweise zur Schweigepflicht, zur Form der<br />
Übersetzung, etc.<br />
Die entsprechenden Flyer enthalten gebündelte<br />
und auf den konkreten Arbeitskontext abgestimmte<br />
Informationen für den Einsatz von SIM, unter anderem<br />
die Beschreibung der jeweils zu berücksichtigenden<br />
Bestell- und Abrechnungsmodalitäten<br />
sowie Informationen zu den SIM-Anbietern, mit<br />
denen aktuell eine Rahmenvereinbarung besteht.<br />
Über die entsprechenden Emailverteiler werden<br />
die Mitarbeitenden der Kliniken durch die Integrationsbeauftragten<br />
und das Kompetenzzentrum Migration<br />
regelmäßig über eigene wie auch externe<br />
Veranstaltungen und relevante Hintergrundinformationen<br />
auf dem Laufenden gehalten.<br />
mals im Haushaltsjahr 2017 gemäß Beschluss der<br />
Landschaftsversammlung des LVR vom 21.10.2016:<br />
„...In unseren Kliniken werden auch viele<br />
geflüchtete und zugewanderte Menschen behandelt.<br />
Im Rahmen der Nachsorge bedarf es<br />
intensiver Beratung. Diese wird vornehmlich<br />
von den SPZ durchgeführt. Allerdings kommt<br />
es hierbei immer wieder zu Sprachbarrieren,<br />
die durch die Unterstützung der Beratungen<br />
durch sog. Sprachmittler erheblich reduziert<br />
werden können. Um eine optimale Beratung<br />
der betroffenen Menschen gewährleisten zu<br />
können, sollen bedarfsabhängig jedem Sozialpsychiatrischem<br />
Zentrum/Sozialpsychiatrischen<br />
Kompetenzzentrum Migration (SPZ/<br />
SPKoM) Mittel zur Verfügung gestellt werden,<br />
die eine Finanzierung der Sprachmittler<br />
auf Honorarbasis ermöglicht (max. 8.000<br />
Euro/SPZ)...“<br />
Im Jahr 2017 wurden die Finanzmittel innerhalb der<br />
gemeindepsychiatrischen Versorgung zunächst<br />
und überwiegend für die genannten Schulungsund<br />
Informationsveranstaltungen der SPKoM in<br />
den Versorgungsregionen der SPZ sowie zur Erstellung<br />
von mehrsprachigen Informationsbroschüren<br />
eingesetzt. Im Jahr 2018 konnte ein deutlicher<br />
Anstieg der SIM-Einsätze in den SPZ verzeichnet<br />
werden. In vielen Gesprächen mit Vertreter*innen<br />
der SPZ und SPKoM zeigte sich jedoch, dass durch<br />
den deutlich erhöhten Zulauf nunmehr die Mitarbeitenden<br />
oft an ihre Grenzen gelangen, sei es<br />
aufgrund zeitlicher Ressourcen als auch durch fehlende<br />
interkulturelle (Beratungs-)Kompetenzen.<br />
Daher wurde von Seiten der Klinikverbundzentrale<br />
und den SPKoM für die SPZ ein umfangreiches Unterstützungs-<br />
und Qualifizierungsangebot für dieses<br />
besondere Beratungssetting konzipiert, das ab<br />
Mitte <strong>2019</strong> durchgeführt wird.<br />
Einsatzzahlen: LVR-Klinikverbund und<br />
Gemeindepsychiatrie<br />
Nach nunmehr über fünf Jahren als Förderschwerpunkt<br />
hat sich das Setting in den LVR-Kliniken als<br />
Behandlungsroutine etabliert: Die Möglichkeit, SIM<br />
einzusetzen, ist grundsätzlich bei den LVR-Mitarbeitenden<br />
bekannt und wird zunehmend genutzt.<br />
Abb. 2 zeigt, dass die Anzahl der SIM-Einsätze von<br />
570 im Jahr 2013 ansteigt bis auf etwa 5.300 im Jahr<br />
2018. Die hierfür jährlich verausgabten Haushaltsmittel<br />
wuchsen im gleichen Zeitraum über alle LVR-<br />
Kliniken von etwa 6.500 € auf 490.000 € (Angaben<br />
des LVR-Fachbereichs Zentraler Einkauf ).<br />
Der Einsatz von SIM erfolgt zu ca. 90 % bei<br />
Patient*innen mit Fluchtgeschichte. Nach Auswertung<br />
des LVR-Fachbereichs 84 wurden im gesamten<br />
Jahr 2018 ca. 2.000 Patient*innen mit Fluchtgeschichte<br />
behandelt, davon etwa 600 stationär<br />
und 1.400 ambulant. Die Anzahl der Fälle lag bei<br />
ca. 3.800, davon 800 stationär und 3.000 ambulant<br />
(Auswertung durch den Fachbereich 84).<br />
Anzahl der SIM-Einsätze in den LVR-Kliniken seit 2013<br />
Eigene Auswertung auf Grundlage der Angaben der LVR-Kliniken und<br />
des LVR-Fachbereichs Zentraler Einkauf (Abb. 2)<br />
5.300<br />
3.500<br />
4.200<br />
570<br />
1.100<br />
1.920<br />
LVR-SIM-Karte für die Kitteltasche (Abb.1)<br />
Besonderheiten des SIM-Einsatzes in der<br />
auSSerklinischen Versorgung<br />
Nicht zuletzt aufgrund der positiven Erfahrungen<br />
mit dem Einsatz von SIM in den LVR-Kliniken erfolgte<br />
eine Förderung des Einsatzes von SIM in den<br />
insgesamt 71 SPZ sowie den sieben Sozialpsychiatrischen<br />
Kompetenzzentren Migration (SPKoM) erst-<br />
Wie im Bereich der LVR-Kliniken wurden auch hier<br />
Schulungen für die Mitarbeitenden der SPZ zum<br />
Einsatz von SIM wie auch zur Arbeit mit traumatisierten<br />
Flüchtlingen insgesamt angeboten. Diese<br />
erfolgten durch die SPKoM als Fachstellen für die<br />
interkulturelle Öffnung des gemeindepsychiatrischen<br />
Versorgungsbereichs in Kooperation mit<br />
dem LVR-Kompetenzzentrum Migration.<br />
2013<br />
2014<br />
2015<br />
2016<br />
2017<br />
Quelle: Angaben auf Grundlagen von Angaben der LVR-Kliniken und des LVR-Fachbereichs zentraler Einkauf<br />
„<br />
Die weiterhin grundsätzlich fehlende Refinanzierungsmöglichkeit<br />
von SIM-Kosten muss an dieser Stelle ausdrücklich als<br />
eines der größten Probleme bei der Versorgung von psychisch<br />
erkrankten Menschen mit Zuwanderungs-<br />
„<br />
und Fluchtgeschichte<br />
genannt werden.<br />
2018<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 78<br />
79<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
PATIENTENSICHERHEIT<br />
PATIENTENSICHERHEIT<br />
Anzahl der Klient*innen in den SPZ, bei denen ein SIM-Einsatz<br />
erfolgte (nach Herkunftsland bzw. Sprache im Jahresvergleich<br />
2017/2018, eigene Auswertung LVR-FB 84) (Abb. 3)<br />
Herkunftsländer/Sprachen<br />
Syrien 27 27 53 44<br />
Afghanistan 7 5 33 29<br />
Irak 9 8 17 15<br />
Iran 5 4 15 13<br />
Türkei 5 2 11 5<br />
GUS-Staaten (russische Föderation) 10 9 16 9<br />
EX-Jugoslawien (Kroatien, Serbien,<br />
Slowenien, Bosnien, Kosovo, Mazedonien)<br />
1 1 18 16<br />
Albanien 6 6 15 14<br />
Polen 1 0 1 0<br />
Aserbeidschan 2 2 2 2<br />
Armenien 0 0 7 6<br />
Maghreb-Staaten (Tunesien, Algerien,<br />
Marokko)<br />
Ostafrika (Eritrea, Äthiopien, Dschibuti,<br />
Somalia, Kenia, Tansania)<br />
Anzahl Klient*innen<br />
2017* 2018<br />
davon<br />
F Status<br />
3 1 10 7<br />
3 2 18 16<br />
Westafrika (Guinea, Ghana etc.) 3 1 7 7<br />
Bangladesch 1 1 2 1<br />
Pakistan 1 0 2 2<br />
Französisch 1 1 5 2<br />
Kurdisch 0 0 1 1<br />
Sonstige 0 0 17 11<br />
* 3. und 4. Quartal 2017 Gesamt: 85 70 250 200<br />
F-Status = Flüchtlingsstatus bzw. (langfristig) ungesicherter Aufenthaltsstatus<br />
davon<br />
F Status<br />
Auch in der gemeindepsychiatrischen<br />
Versorgung der SPZ<br />
des Rheinlands sind die Einsatzzahlen<br />
seit dem Beginn<br />
der Förderung Anfang 2017<br />
deutlich gestiegen. Insgesamt<br />
wurden für Schulungsmaßnahmen<br />
einschließlich SIM-<br />
Einsätze in den SPZ bis Ende<br />
2017 ca. 17.000 Euro abgerufen.<br />
Die Anzahl der Einsätze<br />
stieg von 137 im Jahr 2017 auf<br />
730 im Jahr 2018, hierfür wurden<br />
ca. 76.000 Euro benötigt.<br />
Es wurden 250 Personen (ca.<br />
80% mit Flüchtlingsstatus) beraten.<br />
35% aller Personen, die<br />
unter Zuhilfenahme eines SIM<br />
in den SPZ versorgt wurden,<br />
kamen aus Syrien oder Afghanistan<br />
(s. Abb. 3).<br />
„<br />
Von Seiten des Städteund<br />
Gemeindebunds<br />
(StGB) Nordrhein-Westfalen<br />
sowie vom Deutschen<br />
Krankenhausinstitut<br />
(DKI) werden der Umgang<br />
mit traumatisierten<br />
Geflüchteten und ihre<br />
psychosoziale Betreuung<br />
zunehmend als ein dringliches<br />
Problem<br />
„<br />
benannt.<br />
Auch nach wochenlanger stationär-psychiatrischer<br />
Behandlung von Patient*innen mit Zuwanderungsund<br />
Fluchtgeschichte kann es vorkommen, dass in<br />
Bezug auf die biographische Anamnese wie auch<br />
das Störungsbild von Behandlerseite angemerkt<br />
wird, dass die Erhebung der entsprechenden Informationen<br />
„aufgrund von Sprachbarrieren nicht<br />
möglich gewesen sei“. Zum Dolmetschen werden<br />
Bekannte, Ehepartner und sogar minderjährige<br />
Kinder hinzugezogen; auch der situationsbedingte<br />
Einsatz von Küchen- oder Reinigungspersonal ist<br />
weiterhin keine Seltenheit.<br />
Der LVR-Klinikverbund hat sich - nicht zuletzt aus<br />
Gründen der Patientensicherheit - bereits vor sechs<br />
Jahren entschieden, das kultursensible Dolmetschen<br />
im psychiatrischen Versorgungskontext zu<br />
professionalisieren und entsprechend finanziell zu<br />
fördern, aber auch durch notwendige Schulungen<br />
und Unterstützungsstrukturen zu begleiten. Der<br />
Einsatz von SIM in der Behandlung wird im LVR-<br />
Klinikverbund, aber auch in der gemeindepsychiatrischen<br />
Versorgung mittlerweile als eine wichtige<br />
Möglichkeit gesehen, sprachliche und kulturelle<br />
Barrieren abzubauen.<br />
Bozorgmehr K., Mohsenpour A., et al.<br />
(2016). Systematische Übersicht und „Mapping“<br />
empirischer Studien des Gesundheitszustands<br />
und der medizinischen Versorgung<br />
von Flüchtlingen und Asylsuchenden in<br />
Deutschland (1990–2014). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz,<br />
59(5), 599-620<br />
Brune, M., Eiroá-Orosa, F.J., Fischer-Ortman,<br />
J., Delijaj, B. und Haasen, C. (2011) Intermediated<br />
communication by interpreters<br />
in psychotherapy with traumatized refugees<br />
International Journal of Culture and Mental<br />
Health, Volume 4, Issue 2, p. 144-151<br />
Fazit<br />
Literatur<br />
Erim, Y. , Hrsg. (2009). Klinische Interkulturelle<br />
Psychotherapie. Ein Lehr- und Praxisbuch.Verlag<br />
W. Kohlhammer, Stuttgart<br />
Hadziabdic, E., Albin, B. & Hjelm, K. (2014).<br />
Arabic-speaking migrants´ attitudes, opinions,<br />
preferences and past experiences concerning<br />
the use of interpreters in healthcare:<br />
a postal cross-sectional survey. BMC Research<br />
Notes, 7-71.<br />
Schröder, H., Zok, K. & Faulbaum, F. (2018).<br />
Gesundheit von Geflüchteten in Deutschland<br />
- Ergebnisse einer Befragung von Schutzsuchenden<br />
aus Syrien, Irak und Afghanistan.<br />
WIdo Monitor 15:1, 1-20.<br />
Die SIM-Einsatzzahlen zeigen, dass die „Behandlung<br />
zu Dritt“ nach anfänglicher Skepsis mittlerweile<br />
etabliert ist - mit entsprechend positiven Rückmeldungen<br />
aus dem Kreis der Mitarbeitenden. Weitere<br />
Möglichkeiten, die Verständigung mit Patient*innen<br />
zu gewährleisten, werden im LVR-Klinikverbund in<br />
der gezielten Nutzung vorhandener muttersprachlicher<br />
und fremdsprachiger Kompetenzen gesehen.<br />
In Ausnahmefällen kann auf Mitarbeitende zurückgegriffen<br />
werden, die sich im Rahmen klinikinterner<br />
Fremdsprachenlisten für Ad-hoc-Dolmetschen<br />
zur Verfügung stellen. Allerdings konnte durch die<br />
Aufnahme eines Anbieters für telefonisches Dolmetschen<br />
in den SIM-Pool des LVR im Jahr 2017 das<br />
bisherige Angebot um einen wichtigen Baustein<br />
erweitert werden: die rasche Verfügbarkeit eines<br />
professionellen Dienstleisters ohne Wartezeit für<br />
akute psychiatrische Notfallsituationen. Darüber hinaus<br />
werden die technischen Umsetzungsmöglichkeiten<br />
für das Videodolmetschen als weitere sinnvolle<br />
Ergänzung der Angebotspalette von LVR-Seite<br />
zurzeit geprüft.<br />
Die weiterhin grundsätzlich fehlende Refinanzierungsmöglichkeit<br />
von SIM-Kosten muss an dieser<br />
Stelle ausdrücklich als eines der größten Probleme<br />
bei der Versorgung von psychisch erkrankten Menschen<br />
mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte<br />
genannt werden.<br />
Schröder, M. & Joksimovic, L. (2017). Institutionelle<br />
Einflüsse auf die psychotherapeutische<br />
Arbeit mit geflohenen Menschen. In<br />
M. Borsca, C. Nikendei (Hrsg.), Psychotherapie<br />
nach Flucht und Vertreibung: Eine praxisorientierte<br />
und interprofessionelle Perspektive<br />
auf die Hilfe für Flüchtlinge (S. 65-72 pp). Georg<br />
Thieme Verlag.<br />
Thompson, D. A., Hernandez, R. G., Cowden,<br />
J. D., Sisson, St. D., Moon, M. (2013).<br />
Caring for Patients With Limited English<br />
Proficiency: Are Residents Prepared to Use<br />
Medical Interpreters? Academic Medicine<br />
Oct;88(10):1485-1492<br />
>><br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 80<br />
81<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
30 SEPTEMBER - 2 OCTOBER 2020<br />
2 9 T H<br />
E A H M<br />
C O N G<br />
R E S S<br />
B U D A P E S T , H U N G A R Y<br />
S A V E T H E D A T E !<br />
Der 29. Kongress der Europäischen Vereinigung der<br />
Krankenhausmanager wird vom 30. September bis<br />
2. Oktober 2020 in Budapest, Ungarn, stattfi nden.<br />
HAUPTTHEMEN:<br />
• lnnovative, Virtual, Smart – Future Technologies<br />
• Hospitals Go Green<br />
• Doctor Who – New Roles in Health Care<br />
Der Kongress wird im Budapest Marriott Hotel ausgerichtet.<br />
Weitere Informationen fi nden Sie unter:<br />
www.eahm.eu.org<br />
VERANSTALTER<br />
Association of Economic Managers of Health<br />
Institutions (EGVE)<br />
E-Mail: egve@egve.hu<br />
Web: www.egve.hu<br />
Der <strong>VKD</strong> ist auch dabei!<br />
Wir freuen uns, Sie im Jahr 2020 in Budapest begrüßen zu dürfen!
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
bereits im 13. Projektzyklus<br />
Wichtige Zukunftsthemen für die stationäre und vernetzte<br />
Gesundheitsversorgung<br />
Mit fünf neuen Digitalisierungsprojekten hat<br />
Anfang Februar in Düsseldorf der diesjährige<br />
Zyklus der ENTSCHEIDERFABRIK für Unternehmenserfolg<br />
durch optimalen IT-Einsatz begonnen.<br />
Bereits zum 13. Mal wurden im Rahmen des<br />
Entscheider-Events in Düsseldorf aus zwölf Projektvorschlägen<br />
von den Teilnehmern aus den<br />
Führungsebenen der Krankenhäuser die fünf Digitalisierungsthemen<br />
des Jahres ausgewählt. Vorangegangen<br />
war, wie in jedem Entscheiderevent,<br />
die Vorstellung der Ergebnisse aus den fünf Schlüsselthemen<br />
des vorigen Jahres.<br />
Die in Düsseldorf zur Bearbeitung in diesem Jahr<br />
ausgewählten Projekte sind wieder hoch aktuell.<br />
Das Format ENTSCHEIDERFABRIK zeigt erneut, wie<br />
etabliert es in der Krankenhauslandschaft und der<br />
IT-Welt ist. Auch in diesem Jahr wurden wieder<br />
wichtige Zukunftsthemen aufgegriffen, die für die<br />
stationäre und vernetzte Gesundheitsversorgung<br />
sowie für die Patienten eine große Rolle spielen.<br />
Inzwischen haben die Projektgruppen aus 19 Krankenhäusern,<br />
IT-Firmen und Beratern gemeinsam an<br />
den als besonders wichtig für die Krankenhäuser<br />
erachteten Themen gearbeitet.<br />
Die 12 Finalisten <strong>2019</strong><br />
Optimierung des krankenhausweiten<br />
Patientendurchlaufs mittels künstlicher<br />
Intelligenz<br />
01 02<br />
Industrie: Dr. R. Gross, Founding Partner<br />
& Chief Scientists, Blue Panda<br />
Klinik: PD Dr. C. Strey, Chefarzt der Klinik<br />
für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie,<br />
DIAKOVERE Friederikenstift<br />
Digitalisierung<br />
im MDK-Prozess<br />
Industrie: C. Nemtut, Vertrieb, OINK<br />
03<br />
Wie intelligente Anrufassistenten das<br />
Serviceerlebnis des Patienten wandeln<br />
und den Einsatz von Kundendienst-<br />
Ressourcen im Gesundheitswesen<br />
optimieren<br />
Industrie: S. Elsner, Sales Manager<br />
DACH, Audiocodes<br />
Klinik: L. Zimmermann, SAP Projektmanagerin,<br />
Universitätsklinikum Düsseldorf<br />
04<br />
Digitalisierung der Pathologie – vollumfänglicher<br />
elektronischer Workflow<br />
mit allen fallrelevanten histologischen<br />
Objektträgern zur digitalen und damit<br />
ortsunabhängigen Befundung<br />
Industrie: J. Dettmann,<br />
Account Manager DACH, SECTRA<br />
Klinik: Uni.-Prof. Dr. R. Büttner,<br />
Geschäftsführender Direktor<br />
Pathologie, Universitätsklinikum Köln<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 84<br />
85<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
KI Marktplatz<br />
05 06<br />
Industrie: M. Kremers, Business Development,<br />
VISUS<br />
Klinik: PD Dr. F. Nensa, Oberarzt Radiologie,<br />
Universitätsklinikum Essen<br />
Archivar 4.0<br />
07 08<br />
Industrie: H. Zehrer, Produktmanagement<br />
Archivar 4.0, DMI<br />
Next Generation Kommunikation am<br />
Krankenbett<br />
Industrie: P. Schmelter, Geschäftsführer,<br />
BEWATEC<br />
Klinik: G. Woditsch, GB IT, Leiter Klinische<br />
Systeme<br />
Themen-Pate: Dr. C. Hoppenheit, stellv.<br />
Vorstandsvorsitzender, Universitätsklinikum<br />
Münster<br />
09 10<br />
SAP Digital Boardroom für Krankenhäuser<br />
– wie Entscheider komplexe<br />
Zusammenhänge agil und intuitiv<br />
analysieren können<br />
Industrie: D. Litfin, Key Account Manager,<br />
SAP Deutschland<br />
Industrie: Dr. A. Orth, Vorsitzender-<br />
Geschäftsführer, PlanOrg Informatik<br />
GmbH<br />
Klinik: A. Schultze, Leiter Kaufmännisches<br />
Controlling, Universitätsklinikum<br />
Bonn<br />
11 12<br />
Fallakte Plus: Auf zu neuen Welten –<br />
Aktive Einbeziehung<br />
der Pflege in die<br />
Gesundheitstelematik<br />
Industrie: C. Fehlen, Vice President, CGM<br />
Klinik: A.-C. Weiergräber, Projektmanagerin<br />
IT<br />
Themen-Pate: P. Asché, Kaufm. Vorstand,<br />
Uniklinik der RWTH Aachen<br />
Predictive Analytics für den<br />
Behandlungspfad<br />
Industrie: Dr. P. Glößner, Senior Manager,<br />
d-fine<br />
Klinik: Dr. V. Saßmann, Oberarzt und<br />
Facharzt für Anästhesiologie,<br />
St. Marien-Krankenhaus, Siegen<br />
Konzeption und Aufbau sowie sicherer<br />
Betrieb, Prüfung und Mitwachsen der<br />
unterbrechungsfreien Stromversorgung<br />
für Rechenzentren, IT-Strukturen und<br />
komplexe Netze im Krankenhaus<br />
Industrie: C. Brüning, Geschäftsführer,<br />
CoSolvia Krankenhaustechnik<br />
Klinik: T. Dehne, Geschäftsbereichsleiter IT<br />
Themen-Pate: H. Jeguschke, Vorstand/<br />
Kfm. Direktor, Universitätsmedizin Rostock<br />
Kommunikation mit Mehrwert ohne<br />
WhatsApp-Dilemma, Freiraum für selbstbestimmte<br />
Interaktion, eingebunden in<br />
den klinischen Alltag, gesetzeskonform,<br />
praktikabel, sicher, vollständig<br />
Industrie: F. Obermayer, Regional Vice<br />
President Europe, Infinite Convergence<br />
Solutions<br />
Industrie: M. Schmitz, Vertriebsdirektor<br />
AgemoMed<br />
Klinik: S. Wiesner, Bereichsleiter IT,<br />
St. Augustinus Kliniken<br />
Themen-Pate: M. Richter, Geschäftsführer,<br />
St. Augustinus Kliniken<br />
Die<br />
5<br />
Die<br />
Digitalisierungsthemen<br />
<strong>2019</strong><br />
1. Kommunikation mit Mehrwert ohne Whats-<br />
App Dilemma, Freiraum für selbstbestimmte<br />
Interaktion, eingebunden in den klinischen Alltag,<br />
gesetzeskonform, praktikabel, sicher, vollständig<br />
2. SAP Digital Boardroom für Krankenhäuser –<br />
wie Entscheider komplexe Zusammenhänge<br />
agil und intuitiv analysieren können<br />
3. Digitalisierung der Pathologie – vollumfänglicher,<br />
elektronischer Workflow mit allen fallrelevanten<br />
histologischen Objektträgern zur digitalen<br />
und damit ortsunabhängigen Befundung<br />
4. Konzeption und Aufbau sowie sicherer Betrieb,<br />
Prüfung und Mitwachsen der unterbrechungsfreien<br />
Stromversorgung für Rechenzentren,<br />
IT-Strukturen und komplexe Netze im Krankenhaus<br />
5. Archivar 4.0 und die Unterstützung des digitalen<br />
Wandels durch interoperable Archivierung<br />
intelligenter Patienten-Akten<br />
ENTSCHEIDERFABRIK –<br />
ein Win-Win-Projekt<br />
Die ENTSCHEIDERFABRIK überzeugt in den Krankenhäusern<br />
durch die Möglichkeit, Digitalisierungsprojekte<br />
kostenlos zu erproben. Die beteiligten Firmen<br />
wiederum können ihre Lösungen in der Praxis<br />
gemeinsam mit künftigen Nutzern testen und weiter<br />
verbessern. Eine optimale Win-Win-Situation.<br />
Auch nicht beteiligte Kliniken profitieren, weil der<br />
strukturierte Erprobungsprozess sehr transparent<br />
gestaltet wird und die Ergebnisse in Workshops<br />
und Seminaren sowie im Rahmen des Deutschen<br />
Krankenhaustages im November in Düsseldorf ausführlich<br />
dargestellt werden.<br />
Gemeinsam erproben Krankenhäuser, Firmen und<br />
Beratungsunternehmen im Rahmen der jährlichen<br />
IT-Schlüsselthemen neue Lösungen, Konzepte, Systeme.<br />
Alle haben den Nutzen davon. In den Kliniken<br />
erfolgt der Praxistest, die Firmen erkennen Verbesserungsnotwendigkeiten.<br />
Berater bringen ihr<br />
Projekt-Knowhow ein. Auch nicht direkt beteiligte<br />
Kliniken profitieren davon. Erfahrungsaustausch<br />
sieht der <strong>VKD</strong> als wichtige Verbandsaufgabe.<br />
Die Zusammenführung aller Partner im Rahmen<br />
der ENTSCHEIDERFABRIK gelingt durch das Konzept<br />
des Entscheider-Zyklus aus Entscheider-Event,<br />
Sommer-Camp und Ergebnis-Veranstaltung sowie<br />
inzwischen zahlreicher weiterer Veranstaltungen<br />
und Workshops, die sich über das Jahr mit den Projektthemen<br />
beschäftigen.<br />
Die Entscheiderfabrik führt inzwischen 33 fördernde<br />
Verbände und von diesen gewählte Berater,<br />
mehr als 800 Klinikstandorte sowie mehr als 100<br />
Industrie-Unternehmen zusammen.<br />
>><br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 86<br />
87<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Projekt 1<br />
Kommunikation mit Mehrwert, ohne<br />
“WhatsApp-Dilemma“<br />
Die sichere Chat-Plattform NetSfere unterstützt Krankenhäuser<br />
bei Kommunikationsanforderungen im Zuge der Digitalisierung<br />
Vorgestellt: Neue Ideen,<br />
Weiterentwicklungen und Innovationen<br />
Viele Projekte wurden für den Wettbewerb <strong>2019</strong><br />
eingereicht, 12 kamen in die Endrunde, fünf wurden<br />
ausgewählt. Hinzu kamen drei Projekte aus<br />
dem Wettbewerb um den Start Up und Young<br />
Professional Preis.<br />
Fünf Projekte – drei der fünf Digitalisierungsprojekte<br />
<strong>2019</strong> sowie zwei der Start Ups - werden im<br />
Folgenden ausführlicher vorgestellt.<br />
Die Digitalisierung und Mobilisierung von Prozessen<br />
im Gesundheitswesen ist in aller Munde.<br />
Bei der notwendigen Vernetzung von Systemen<br />
untereinander sowie von Mensch zu Mensch<br />
und Mensch zu Maschine wird die Komponente<br />
der mobilen Kommunikation immer wichtiger.<br />
Traditionelle Kommunikationsformen<br />
wie Email stoßen dabei an ihre Grenzen, aber<br />
Lösungen wie WhatsApp passen nicht in die<br />
Unternehmensstruktur. Benötigt wird für die<br />
neuen Anforderungen eine moderne Kommunikationsplattform,<br />
die nicht nur Menschen,<br />
sondern auch Applikationen in sichere und<br />
richtlinienkonforme Kommunikation einbindet,<br />
um sektorenübergreifend Mehrwerte zu<br />
generieren.<br />
Die Mitglieder der ENTSCHEIDERFABRIK mit ihren<br />
über 800 Klinik-Standorten bekräftigen den<br />
Bedarf nach mehrwertstiftender Kommunikation<br />
und haben dazu die Chat-Plattform NetSfere<br />
auf Platz 1 der „Digitalisierungsthemen der Gesundheitswirtschaft<br />
<strong>2019</strong>“gewählt.<br />
Bereits 2018 ist NetSfere zusammen mit zahlreichen<br />
Klinikpartnern angetreten, um erfolgreich das sogenannte<br />
WhatsApp-Dilemma zu beseitigen.<br />
Das doppelte Dilemma<br />
Es ging darum, die Verwendung von unsicheren<br />
Chat-Apps wie WhatsApp im dienstlichen Einsatz<br />
zu ersetzen. <strong>2019</strong> wird diese Integration der Kommunikationsplattform<br />
mit den klinischen Systemen<br />
fortgeführt. Außerdem haben sich weitere Kliniken<br />
dem Projekt angeschlossen, um hiervon zu profitieren<br />
und auch das Risiko von Datenverlusten und<br />
Verstößen gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung<br />
sowie den damit verbundenen empfindlichen<br />
Strafen zu vermeiden.<br />
Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die<br />
Kommunikation im Zuge der Digitalisierung besteht<br />
noch ein weiteres Dilemma: Krankenhäuser<br />
benötigen eine Chat-Plattform, die mit klinischen<br />
und nicht-klinischen Systemen verbunden werden<br />
kann, um Workflows zu verbessern und zu<br />
beschleunigen. Weder vorhandene Email-Systeme<br />
noch WhatsApp & Co können dies liefern.<br />
Somit bringt der Einsatz von WhatsApp im dienstlichen<br />
Gebrauch nicht nur Risiken beim Datenschutz,<br />
sondern verhindert auch noch die Chancen, die<br />
sich durch intelligente Kommunikationsvernetzung<br />
im Zuge der Digitalisierung ergeben.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 88<br />
89<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Kommunikation mit Mehrwert<br />
über NetSfere<br />
Foto: Digital Boardroom Team<br />
Projekt 2<br />
>><br />
Um das beschriebene doppelte Dilemma zu beseitigen,<br />
also Risiken zu minimieren und Chancen zu<br />
nutzen, sollten Krankenhaus-Verantwortliche eine<br />
zentrale, sichere Kommunikationsplattform einführen,<br />
die sektorenübergreifend ist, bei Bedarf Patienten<br />
einbindet und über Schnittstellen zu Systemen<br />
im klinischen Umfeld verfügt. Bereits im Entscheiderzyklus<br />
2018 wurde die sichere Kommunikation<br />
unter Mitarbeitern von Kliniken per Netsfere eingeführt.<br />
Zum weiteren Ausbau der Lösung haben sich<br />
die Beteiligten für <strong>2019</strong> eine stärkere Einbindung in<br />
die pflegerischen und medizinischen Prozesse vorgenommen.<br />
Zudem versprechen sich Kliniken mit<br />
einer Sektoren- und Applikations-unabhängigen<br />
Chat-Plattform Produktivitätszuwächse, da man<br />
Kommunikationsstränge an den Klinik-Prozessen<br />
ausrichten und ausgetauschte Daten ereignisbezogen<br />
archivieren kann.<br />
Mehrwerte generiert NetSfere auch durch Bildung<br />
von Technologiepartnerschaften und Kopplung<br />
von Lösungen über die NetSfere API. In diesem<br />
Zuge wird derzeit eine Reihe von Applikationen an<br />
Die Infinite Convergence<br />
Solutions<br />
Infinite Convergence Solutions bietet Messagingund<br />
Mobilitätslösungen der nächsten Generation<br />
für öffentliche Einrichtungen und Unternehmen,<br />
darunter eine Enterprise Messaging Services-Suite,<br />
eine sichere mobile Kommunikationslösung über<br />
den eigenständigen Dienst NetSfere, sowie SMS-,<br />
MMS- und RCS-Lösungen. Die Technologie des Unternehmens<br />
unterstützt 400 Millionen Anwender<br />
weltweit und übermittelt jährlich über eine Billion<br />
Nachrichten. Infinite Convergence Solutions beschäftigt<br />
ca. 200 Mitarbeiter verteilt auf Niederlassungen<br />
in den USA, Deutschland, Indien und Singapur.<br />
Autor<br />
Franz Obermayer<br />
Vice President Europe<br />
NetSfere /Infinite Convergence Solutions<br />
Email: franz.obermayer@infinite.com<br />
NetSfere angeschlossen, zum Beispiel aus den Bereichen<br />
Connected Care, klinische Dokumentation<br />
und klinische Archive, Alarmierung, Diktat und medizinische<br />
Spracherkennung. Zudem bietet NetSfere<br />
Administratoren die Möglichkeit, klinikspezifische<br />
Applikationen in Eigenregie zu integrieren, um<br />
darüber zum Beispiel Schichtpläne oder Intranetinhalte<br />
zu verteilen.<br />
Wiederwahl zum “Digitalisierungsthema<br />
der Gesundheitswirtschaft<br />
<strong>2019</strong>“<br />
Nach der Wahl zum “Digitalisierungsthema der Gesundheitswirtschaft<br />
im Jahr 2018“ wurde NetSfere<br />
im Februar <strong>2019</strong> wieder auf Platz 1 gewählt. Diese<br />
Wiederwahl zeigt, welch großes Potenzial in der<br />
neutralen Chat-Plattform NetSfere liegt.<br />
Im Rahmen der Entscheiderfabrik beteiligen sich<br />
folgende acht Krankenhäuser am Projekt, um klinikspezifische<br />
Anwendungsfälle zu realisieren: Vestische<br />
Caritas-Kliniken, Westpfalz-Klinikum, Kliniken<br />
Nordoberpfalz, Ategris, Elisabeth-Krankenhaus Essen,<br />
Kinderheilanstalt Auf Der Bult, Unfallkrankenhaus<br />
Berlin, St. Augustinus-Kliniken.<br />
Unterstützt wird das Projekt durch Beratung von Dr.<br />
Andreas Zimolong von Synagon und von den Technologiepartnern<br />
Bewatec und agemomed.<br />
Den Fortschritt präsentiert das Projektteam auf dem<br />
Deutschen Krankenhaustag am 19. November <strong>2019</strong><br />
und auf dem Entscheiderevent am 12. Februar 2020.<br />
www.netsfere.de<br />
Quelle NetSfere<br />
Digital Boardroom für Krankenhäuser<br />
Wie Entscheider in Krankenhäusern komplexe Zusammenhänge<br />
agil und intuitiv analysieren können<br />
Die grundsätzliche Idee des SAP-Digital<br />
Boardrooms – auf deutsch digitaler Konferenzraum<br />
– ist es, essentielle Entscheidungshilfen<br />
mit nur wenigen Klicks und optimal aufbereitet<br />
zur Verfügung zu stellen.<br />
In „der Industrie“ sind das etwa Unternehmenskennzahlen<br />
wie Umsatz, Gewinn, Pipeline, kombiniert<br />
mit aktuellen Marktdaten und Trendinformationen.<br />
Gewünscht wird hier von den Entscheidern in<br />
Unternehmen, dass sich mithilfe von Analyse- und<br />
Simulationswerkzeugen historische Daten in jeder<br />
gewünschten Detailtiefe umfassend auswerten<br />
lassen, aber auch, dass sich unterschiedliche Zukunftsszenarien<br />
und deren Auswirkungen einfach<br />
verproben lassen. So wird der Digital Boardroom als<br />
Entscheidungs-Cockpit für Fachbereiche und Führungskräfte<br />
genutzt.<br />
Neben Daten aus den unterschiedlichsten unternehmens-internen<br />
Systemen, sollen auch allgemeine<br />
Informationen über den Wettbewerb oder das<br />
Marktumfeld, etwa Währungskurse oder Rohstoffpreise<br />
aus unternehmens-externen Datenquellen,<br />
hinzugezogen werden. In den Entscheider-Konferenzen,<br />
wie beispielsweise Vorstandssitzungen,<br />
wird der Digital Boardroom so quasi als eine Art<br />
360°-Sicht auf alle Bereiche des Unternehmens genutzt.<br />
Vom Berichten zum Analysieren<br />
und Entscheiden<br />
Der Chief Controlling Officer eines Dax-Konzernes<br />
formulierte das so: „Der SAP Digital Boardroom dient<br />
uns als zentrales Medium für unsere Vorstands- und<br />
Aufsichtsratsmeetings, um Analysen direkt und in<br />
Echtzeit aus dem System zu erstellen. Anhand seiner<br />
funktionalen Komponenten konnten wir den<br />
statischen Zustand des bisher gelebten Berichtswesens<br />
überwinden. Durch die Verbindung von Vergangenheitswerten,<br />
aktuellen Ist- und Plan-Zahlen<br />
sowie externen Datenquellen stellen wir eine vorausschauende<br />
Unternehmenssteuerung sicher.“<br />
Besonders hervorgehoben werden soll an dieser<br />
Stelle der genannte „statische Zustand des bisher<br />
gelebten Berichtswesens“.<br />
Die Entscheider am innovativen Universitätsklinikum<br />
Bonn haben sofort erkannt, dass die Chancen<br />
und Möglichkeiten des Digital Boardrooms nicht<br />
nur „in Industrie-Unternehmen“ nutzenstiftend<br />
zum Einsatz kommen können, sondern dass auch<br />
Organisationen in der Gesundheitsversorgung; wie<br />
Kliniken und Krankenhäuser, in den Meetings ihrer<br />
Entscheider-Gremien von den Funktionalitäten profitieren<br />
können. Insbesondere in den heutigen Zei-<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 90<br />
91<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Foto: Digital Boardroom Team<br />
Projekt 3<br />
Die Komponenten für die<br />
Digitalisierung in der Pathologie<br />
(Abb. 1)<br />
Digitalisierung der Pathologie<br />
Im digitalen Konferenzraum<br />
Es müssen unterschiedliche Systeme konventioneller wie auch<br />
digitaler Art miteinander verbunden werden<br />
ten von „Big Data“ (gerade in Kliniken sind Volumen,<br />
Geschwindigkeit und Vielfalt von Daten extrem<br />
hoch) und im Zuge der Digitalisierung sind knackige<br />
und effiziente Managementsysteme gefragt.<br />
Die erwähnte Vielfalt der Daten spiegelt auch die<br />
Vielfalt der Entscheider mit ihren unterschiedlichen<br />
Schwerpunkten und Bewertungskriterien in den<br />
Kliniken wieder. In einem Klinikum, wie dem Bonner<br />
Universitätsklinikum, sind hier neben den kaufmännischen<br />
Entscheidern besonders die Fachbereiche,<br />
das heißt die Klinik- und Institutsleitungen sowie<br />
die Pflegedienstleitung, in den Konferenzen und<br />
Meetings damit befasst, das gesamte Unternehmen<br />
optimal, zielgerichtet und zukunftsorientiert<br />
zu steuern.<br />
Damit scheint gerade im Bereich der Kliniken die<br />
von der Industrie erhobene Forderung, vom statischen<br />
Zustand des bisher gelebten Berichtswesens<br />
mithilfe moderner Analyse- und Simulationswerkzeuge<br />
zu einem agilen und interaktiven Entscheidungscockpit<br />
zu kommen, noch deutlich stärker<br />
nachvollziehbar.<br />
In einem Pilot-Projekt wird aktuell unter Berücksichtigung<br />
der Daten-Vielfalt und der Besonderheiten<br />
im Klinikums-Umfeld beleuchtet, welche Fragestellungen<br />
(zum Beispiel auf Basis von Daten-Korrelationen)<br />
mit welchen Werkzeugen agil beantwortet<br />
werden können. Es wird auch erwartet, dass die<br />
neuen Möglichkeiten von den Entscheidern genutzt<br />
werden, um innerhalb der Sitzungen neue,<br />
weitreichendere analytische und hypothetische<br />
Überlegungen ad hoc zu verproben. Auch dieser<br />
Aspekt soll im Projekt besonders berücksichtigt<br />
werden.<br />
Digital Boardroom Team<br />
Die Digitalisierung in der Pathologie steht in<br />
Deutschland – im Vergleich zu anderen europäischen<br />
Ländern - noch am Anfang. An vielen pathologischen<br />
Instituten wächst aber der Druck,<br />
bei steigenden Fallzahlen und somit höherem<br />
Probenaufkommen, diese mit hoher Qualität<br />
und geringer Fehlerrate zu bearbeiten, und die<br />
Zeit bis zur Befunderstellung möglichst kurz zu<br />
halten.<br />
Die Anwendung digitaler Verfahren wirft sowohl<br />
technische wie rechtliche Fragen auf und bedingt<br />
eine Umstrukturierung des Arbeitsablaufes und<br />
eine Optimierung der Arbeitsprozesse. Es können<br />
nicht alle Arbeitsschritte automatisiert werden, somit<br />
sind Medienbrüche im Workflow (konventionell<br />
/ digital) noch nicht vermeidbar, sollten aber minimiert<br />
werden.<br />
In Abb. 1 sind schematisch die Komponenten für<br />
die Digitalisierung in der Pathologie dargestellt.<br />
Dabei müssen unterschiedliche Systeme konventioneller<br />
wie auch digitaler Art miteinander verbunden<br />
werden. Dies lässt sich in diesem komplexen<br />
Umfeld nur durch Mindestanforderungen an die<br />
Systeme und Hersteller und durch Standardisierung<br />
sowie Interoperabilität umsetzen.<br />
Dafür müssen in jeder Klinik diverse Voraussetzungen<br />
geschaffen werden, wie z. B.:<br />
1. Einführung eines Pathologie-Informationssystems<br />
zur Verwaltung der Patientendaten,<br />
Proben und Objektträger sowie Erstellung der<br />
Befunde<br />
2. Digitalisierung der Objektträger über einen<br />
eindeutigen Barcode durch hoch performante<br />
Präparate-Scanner<br />
3. Einführung von digitalen Arbeitsplätzen für virtuelle<br />
Mikroskope mit Schnittstelle zum Pathologie-Informationssystem<br />
4. Archivierung der digitalen Objektträger für<br />
mindestens zehn Jahre unter Berücksichtigung<br />
der extrem hohen Bildmengen und möglicher<br />
Kompressionen<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 92<br />
93<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Junge Unternehmen mit<br />
interessanten Geschäftsideen<br />
Erneut fand im Rahmen der ENTSCHEIDERFABRIK im vorigen Jahr ein Wettbewerb um den Start Up und<br />
Young Professional Preis statt. Dabei geht es um junge Unternehmen, die relativ neu am Markt sind und<br />
interessante Geschäftsideen für Kliniken und Pflegeheime entwickelt haben. Ziel dieses Wettbewerbs ist<br />
es, innovativen Start Up Unternehmen und Young Professionals den Zugang zum Erfolgskonzept der ENT-<br />
SCHEIDERFABRIK zu erleichtern. Das Querdenken gerade junger, innovativer Unternehmen wird auch – so<br />
die Hoffnung - die Kreativität von am Markt bereits etablierten Firmen anregen. Es geht um Austausch,<br />
Networking und den Nutzen, den alle Beteiligten daraus ziehen können.<br />
Erstes Treffen der Projektteilnehmer bei Sectra in Köln.<br />
Die Gewinner des Start Up und Digitalisierungspreises 2018. Die Jury, bestehend aus Persönlichkeiten von<br />
Kliniken, Industrie und Beratung, wählte aus den Protagonisten die besten drei Ideen/Projekte.<br />
>><br />
>><br />
Die Teilnehmer im Projekt sind sich einig, dass die<br />
Digitalisierung durch Mindestkriterien und durch<br />
standardisierte Verfahren erreichbar ist. Dazu gehören<br />
z. B.:<br />
Die Bilderstellung und -speicherung sowie die befund-<br />
und textbasierte Speicherung von Dokumenten<br />
hat zwingend nach dem DICOM-Standard zu<br />
erfolgen<br />
Die Interoperabilität der unterschiedlichen Systeme<br />
im Prozess ist durch ein spezielles IHE-Profil zu gewährleisten<br />
(IHE = Integrating the Healthcare Enterprise)<br />
Es ist im Projekt zu diskutieren, ob Präparate-Scanner<br />
und virtuelle Mikroskope (Viewer) als in-vitro-<br />
Diagnostika im Sinne des Medizinproduktegesetzes<br />
(MPG) betrachtet werden müssen.<br />
Die Zielsetzung<br />
Die Teilnehmer planen, die Digitalisierung mit den<br />
beteiligten Firmen in ihrer Klinik im Rahmen definierter<br />
Use Cases umzusetzen.<br />
Autoren<br />
Prof. M. Andrulis,<br />
Pathologie Klinikum Ludwigshafen,<br />
B. Binder,<br />
IT Med. Applikationen, Universitätsklinikum<br />
Köln,<br />
J. Dettmann,<br />
Sectra Medical Systems GmbH Köln<br />
K. de Fries,<br />
Sectra Medical Systems GmbH Köln<br />
G. Günyak,<br />
IT Klinikum Ludwigshafen<br />
A. Henkel,<br />
IT Klinikum rechts der Isar der TU München<br />
S. Klein,<br />
Pathologie, Universitätsklinikum Köln<br />
E. Klopp,<br />
Hamamatsu Photonics München<br />
M. Mollenhauer,<br />
Pathologie Technische Universitätsklinikum<br />
München<br />
>><br />
Foto Entscheiderfabrik<br />
v.l.n.r. M. Schindzielorz, I. Horak, D. Heinrichs, J. Nast-Kolb, Dr. C. Dujat und Dr.<br />
P.-M. Meier<br />
Die Projekte:<br />
1. Mit Data Science das Entlassmanagement<br />
und die Pflege vernetzen:<br />
Sturzprävention powered by<br />
AI; D. Heinrichs, CEO, Lindera<br />
2. Vivy - Deine Gesundheitsassistentin.<br />
Die digitale Revolution im<br />
Gesundheitswesen geht vom Patienten<br />
aus; I. Horak, Chief Market<br />
Access Officer, Vivy<br />
3. Entlastung der Pflege im Krankenhausalltag<br />
durch digitale<br />
Kommunikation; J. Nast-Kolb,<br />
CEO, Cliniserve<br />
K. Steiger,<br />
Pathologie Technische Universität<br />
München<br />
F. Tröster,<br />
IT Klinikum rechts der Isar der TU München<br />
C. Vosseler,<br />
Vosseler Consulting-Coaching-Training<br />
Mönchengladbach<br />
Foto Medica<br />
Areal der ENTSCHEIDERFABRIK auf<br />
der MEDICA 2018 in Düsseldorf<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 94<br />
95<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Projekt 4<br />
Mobilitätsanalyse: Stürzen vorbeugen mit<br />
künstlicher Intelligenz<br />
Individuelle Sturzprävention und Entlastung der Fachkräfte<br />
durch 3D-Gangbildanalysen per Handy-Kamera<br />
Stürze sind ein gesellschaftliches Tabuthema.<br />
Dabei stürzt etwa jeder dritte ältere Mensch<br />
über 65 einmal im Jahr, bei den über 80-Jährigen<br />
ist es sogar jeder zweite. Das ist nicht nur<br />
ein großes Risiko für die Gesundheit der Senioren<br />
und eine Herausforderung für die Angehörigen,<br />
sondern auch für Pflegeeinrichtungen.<br />
Digitale Lösungen wie die Lindera Mobilitätsanalyse<br />
schaffen Abhilfe, indem sie die Prävention<br />
von Stürzen unterstützen und Pflegefachkräfte<br />
entlasten. Lindera ist Gewinnerin des<br />
Start-Up-Wettbewerbs 2018.<br />
Wer mit einer Fraktur im Krankenhaus liegt, hinterlässt<br />
in seiner Pflegeeinrichtung ein leeres Bett<br />
ohne Kostenerstattung, zusätzlichen Dokumentationsaufwand<br />
und Kostenforderungen von Krankenkassen.<br />
Folgen von Stürzen bei Senioren sowie<br />
die Aufwände für Reha- und Physiotherapien sind<br />
einer der größten Kostenblöcke für Versicherungen.<br />
Sturzprävention kann mehr als 50 Prozent der Folgekosten<br />
senken – dennoch beruhte sie bisher auf<br />
einer analogen, rein subjektiven Einschätzung.<br />
Digitale geriatrische Assessments:<br />
drei einfache Schritte<br />
zur präzisen Gangbildanalyse<br />
Wir haben Lindera im Januar 2017 gegründet,<br />
um mittels moderner Technologie das individuelle<br />
Sturzrisiko älterer und in ihrer Mobilität eingeschränkter<br />
Personen zu reduzieren – gemäß Expertenstandard<br />
und Strukturmodell. Das Resultat<br />
ist der Lindera Mobilitätstest, ein CE-zertifiziertes<br />
Medizinprodukt der Klasse I. Mit ihm wird es zum<br />
ersten Mal möglich, die 3D-Gangbewegung mit einer<br />
einfachen Handy-Kamera aufzunehmen und zu<br />
analysieren: 30-sekündiges Video vom gehenden<br />
Menschen aufnehmen, einen psycho-sozialen Test<br />
in der Lindera-App ausfüllen, Analyse und Vorschläge<br />
für Präventionsmaßnahmen erhalten – fertig.<br />
So können Pflegefachkräfte präzise, objektive Bewegungsanalysen<br />
ganz einfach mit einem Handy<br />
durchführen – an Ort und Stelle.<br />
Zukunftstechnologien für die<br />
Pflege – und weitere<br />
medizinische Bereiche<br />
Was für den Nutzer sehr einfach ist, basiert im Hintergrund<br />
auf künstlicher Intelligenz: Wir nutzen<br />
Machine Learning, um das diagnostische Auge<br />
des Arztes und der Pflegefachkraft digital zu übersetzen.<br />
Nach 40 Jahren analogen geriatrischen Assessments<br />
ist es uns mit diesen Technologien gelungen,<br />
eine Gangbildanalyse via Handy-Kamera<br />
vorzunehmen und das geballte Wissen der Geriatrie<br />
anzuwenden. Davon profitieren nicht nur Senioren<br />
und ihre Familien, sondern auch Pflegekräfte und<br />
Versicherungen: Wir helfen, Stürzen vorzubeugen,<br />
systematisieren die Dokumentation der Pflege, verringern<br />
Kosten und entlasten Angehörige wie Fachkräfte.<br />
Neben der Pflege bietet Lindera 3D-Motion-Tracking-Technologie<br />
auch für andere medizinische<br />
Anwendungsfelder großes Potenzial. Wir möchten<br />
damit weltweite Standards für die Sturzprävention,<br />
orthopädische Assessments und für die Begleitung<br />
von Reha- und Physiotherapien setzen – im Sinne<br />
von Patienten, Angehörigen<br />
und Fachkräften.<br />
Autorin<br />
Diana Heinrichs<br />
CEO und Gründerin<br />
von Lindera<br />
Eine präzise, objektive<br />
Bewegungsanalysen an Ort und Stelle.<br />
Foto: Lindera<br />
Foto: Lindera<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 96<br />
97<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
Projekt 5<br />
Cliniserve GmbH<br />
Gegründet am Center for Digital Technology & Management<br />
(CDTM) im Herzen Münchens, ist die Cliniserve<br />
GmbH mit seiner Lösung Cliniserve System<br />
in der ganzen DACH-Region im Einsatz. Im Jahr 2017<br />
gestartet, wurde das erste Produkt 2018 marktreif.<br />
Inzwischen ist es in 12 Kliniken in Deutschland und<br />
Österreich im Einsatz. Aktuell wird der Markteintritt<br />
in die Schweiz und nach Finnland vorbereitet.<br />
>><br />
https://cliniserve.de<br />
Systemgrafik (Abb. 2) // Abbildung: Cliniserve GmbH<br />
Cliniserve bietet ein System zur Entlastung der<br />
Pflege im Alltag. Ziel ist, dass Pflegende sich nur<br />
noch um die eigentliche Pflege kümmern und<br />
alles andere durch Software automatisiert oder<br />
an andere Personalgruppen delegiert wird.<br />
Entlastung der Pflege<br />
Notfallknopf bleibt nur noch für wirkliche Notfälle<br />
Fachpflegepersonal ist auf dem Arbeitsmarkt nur<br />
noch schwer zu finden. Umso ärgerlicher ist es,<br />
dass Pflegekräfte laut einer Studie nur noch 15<br />
Prozent ihrer Zeit für die Pflege des Patienten aufwenden<br />
können (s. Abb. 1). Stattdessen verbringen<br />
sie viel Zeit mit Tätigkeiten, die durch digitale Prozesse<br />
automatisiert oder<br />
von anderen Mitarbeitern<br />
übernommen werden<br />
könnten.<br />
Einer der Gründe hierfür<br />
ist die „Klingel“, die vom<br />
Patienten als einziger<br />
Kommunikationskanal zur<br />
Pflege überwiegend für<br />
nicht-dringliche Anfragen<br />
Studie 1 : Wofür wenden Pflegekräfte<br />
ihre Arbeitszeit auf?<br />
[Fiedler, K. M., Weir, P. L., van<br />
Wyk, P. M., & Andrews, D.<br />
M. (2012). Analyzing what<br />
nurses do during work in a<br />
hospital setting: a feasibility<br />
study using video. Work, 43,<br />
515–523.] – Grafische Aufbereitung<br />
-> Cliniserve GmbH<br />
(Abb. 1)<br />
verwendet wird. Sie ist Umfragen zu Folge einer der<br />
Hauptstressfaktoren für die Pflegenden.<br />
Grundidee des Einstiegsprodukts von Cliniserve<br />
ist es daher, Patienten die Möglichkeit zu geben<br />
ergänzend zur Lichtrufanlage mit dem eigenen<br />
Smartphone Anfragen an die Pflege zu schicken.<br />
Dadurch kann das Pflegepersonal Anfragen priorisieren,<br />
kann gleich das eventuell benötigte Material<br />
beim Gang ins Patientenzimmer mitnehmen und<br />
spart sich so auch doppelte Laufwege. Eine zusätzliche<br />
Entlastung ist, dass nicht pflegerelevante Anfragen<br />
automatisch an das Servicepersonal delegiert<br />
werden können.<br />
In einzelnen Kliniken stellt Cliniserve bereits Signale<br />
der Lichtrufanlage digital in der Pflege-App dar<br />
und bietet so einen mobilen Pflege-Assistenten für<br />
alle Patientenanfragen. Der digitale Assistent unterstützt<br />
die Mitarbeiter auch intern, indem Logistikprozesse<br />
und interne Kommunikationsstränge<br />
mobil, vom Point-of-Care aus, angestoßen werden<br />
können. Das vermeidet unnötige Kommunikationszeiten<br />
über das Telefon sowie Laufwege zum<br />
Stations-PC.<br />
Das System (s. Abb. 2) ist inzwischen in zwölf Kliniken<br />
in Deutschland und Österreich im Einsatz.<br />
Eine Untersuchung im Rahmen eines kommerziellen<br />
Einsatzes zeigte, dass Cliniserve 20 Minuten pro<br />
Pflegemitarbeiter und Tag spart - Zeit die für den<br />
direkten Patientenkontakt oder auch dringend benötigte<br />
Pausen genutzt werden kann. Im Rahmen<br />
einer Studie mit der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München (LMU) wurde zudem wissenschaftlich<br />
belegt, dass Patienten und Pflegekräfte diese Art<br />
der Kommunikation sehr schätzen.<br />
Autor<br />
Julian Nast-Kolb<br />
Geschäftsführer<br />
Cliniserve GmbH<br />
Das System kann ohne Risiko getestet werden, da<br />
der Nutzungsvertrag monatlich kündbar und lediglich<br />
eine Lizenzgebühr zu zahlen ist.<br />
Ein besonderer Vorteil: Das System verarbeitet keine<br />
personenbezogenen Daten und muss daher im<br />
ersten Schritt nicht in die Bestands-IT integrieren.<br />
Da auch die vier bis fünf Smartphones pro Station<br />
für die Pflegekräfte von Cliniserve gemietet werden<br />
können, ist ein Start ohne Belastung der IT jederzeit<br />
möglich.<br />
Der digitale Assistent von Cliniserve bietet eine einfach<br />
umzusetzende Möglichkeit, die Stationsarbeit<br />
zukunftsfähig zu machen und die Mitarbeiter vom<br />
ersten Tag an zu entlasten.<br />
Copyright: Cliniserve GmbH<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 98<br />
99<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
ENTSCHEIDERFABRIK<br />
<strong>VKD</strong> fordert einen Masterplan<br />
Digitalisierung<br />
Leistungserbringer, Patienten und Industrie müssen beteiligt und<br />
die Finanzierung muss abgesichert werden<br />
Der Verband der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands (<strong>VKD</strong>) gehört zu den Gründern<br />
der ENTSCHEIDERFABRIK und begleitet das Zukunftsprojekt<br />
seitdem aktiv. Er engagiert sich<br />
seit vielen Jahren für das Thema Digitalisierung<br />
und hat sich explizit dazu auch in der gesundheitspolitischen<br />
Diskussion geäußert.<br />
Der <strong>VKD</strong> plädiert bereits seit längerem für einen<br />
Masterplan Digitalisierung des Gesundheitswesens,<br />
der zeitliche Umsetzungsschritte definiert, Leistungserbringer,<br />
Patienten, aber auch die Industrie<br />
beteiligt, die Prozesse transparent gestaltet und mit<br />
der notwendigen Finanzierung absichert. Das wäre<br />
eine in ihrer Gesamtheit stimmige Lösung.<br />
„In den Krankenhäusern weiß man, welchen Nutzen<br />
eine flächendeckende Digitalisierung in vielerlei<br />
Hinsicht bringen würde“, sagte Peter Asché, Vizepräsident<br />
des Verbandes der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands und zuständig für das Thema IT, zum<br />
Digitale Versorgung-Gesetz, das sich vorrangig auf<br />
den niedergelassenen Versorgungsbereich bezieht.<br />
Berücksichtigt werden müsse, dass die Einführung<br />
einer digitalen Patientenakte für die Krankenhäuser<br />
– im Koalitionsvertrag ebenfalls bis 2021 vorgesehen<br />
– deutlich komplexer und umfangreicher sei,<br />
als die Anbindung der Krankenhäuser an die elektronische<br />
Patientenakte im niedergelassenen Bereich.<br />
Dr. Josef Düllings,<br />
Präsident des Verbandes<br />
der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands <strong>VKD</strong><br />
Während für die elektronische Patientenakte im ambulanten<br />
Bereich vom Ministerium Kosten in Millionenhöhe<br />
veranschlagt werden – zu zahlen von<br />
den Krankenkassen – geht es für die Krankenhäuser<br />
um deutlich höhere finanzielle Belastungen. Woher<br />
dieses Geld kommen soll, ist angesichts völlig unzureichend<br />
von den Bundesländern bereitgestellten<br />
Investitionsfördermitteln überhaupt nicht klar.<br />
Der <strong>VKD</strong> verweist auf internationale Erfahrungen,<br />
etwa aus den USA, die zeigen, dass dafür in<br />
Deutschland etwa 10 Milliarden Euro, verteilt über<br />
fünf Jahre, aufgebracht werden müssten. Nur so<br />
wird der stationäre Bereich zügig Anschluss auch<br />
an internationale Entwicklungen finden.<br />
Auch beim Entscheiderevent in Düsseldorf betonte<br />
<strong>VKD</strong>-Präsident Dr. Josef Düllings, wie wichtig die<br />
Digitalisierung der Krankenhäuser zur Bewältigung<br />
der aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitsbranche<br />
ist. Dazu gehöre auch die Gestaltung<br />
des notwendigen Strukturwandels ebenso wie die<br />
Peter Asché,<br />
Vizepräsident des Verbandes<br />
der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands <strong>VKD</strong><br />
Sicherung einer flächendeckenden ambulanten<br />
Versorgung, die ohne Verlagerung der Zuständigkeiten<br />
für die ambulante Notfallversorgung und<br />
die fachärztliche Versorgung auf die Krankenhäuser<br />
nicht möglich sein werde.<br />
Dr. Düllings: „Wir brauchen eine Digitalisierung zum<br />
Smart Hospital. Die treibende Kraft der Digitalisierung<br />
in der Gesellschaft ist das Individuum. Dies<br />
wirkt sich auch innerhalb des Krankenhauses auf<br />
die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander<br />
und auf die Kommunikation mit dem Patienten<br />
aus. Im Außenverhältnis meint Smart Hospital den<br />
vom Patienten jeweils individuell freigegebenen<br />
Datenfluss zwischen Krankenhaus, Arztpraxen, Pflegediensten,<br />
Pflegeeinrichtungen, Apotheken und<br />
weiteren Gesundheitsdienstleistern.“<br />
Die Digitalisierung zum Smart Hospital und der Aufbau<br />
eines digitalen Netzes in einer Region ist nach<br />
Überzeugung des <strong>VKD</strong> eine Infrastrukturmaßnahme<br />
vergleichbar mit dem Ausbau des Straßennetzes.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT<br />
100 101<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT
IMPRESSUM<br />
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER<br />
Verband der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands e.V.<br />
Geschäftsstelle<br />
Oranienburger Straße 17<br />
D-10178 Berlin<br />
www.vkd-online.de<br />
NEUE HERAUSFORDERUNGEN BRAUCHEN NEUE LÖSUNGEN:<br />
DIE HEALTH CARE PROGRAMME DER SMBS<br />
Redaktion<br />
Angelika Volk<br />
Redaktionsbüro Wirtschaft<br />
und Wissenschaft<br />
Bad Harzburg<br />
kontakt@angelika-volk.de<br />
SATZ/Layout<br />
3MAL1 GmbH<br />
Ehrlichstraße 7<br />
10318 Berlin<br />
www.3-mal-1.de<br />
info@3-mal-1.de<br />
ANZEIGENGESTALTUNG<br />
Christin Holldack<br />
<strong>VKD</strong>-Geschäftsstelle<br />
DRUCK UND VERARBEITUNG<br />
Vesterdruck GmbH<br />
D-47167 Duisburg<br />
www.vesterdruck.de<br />
AUFLAGE:<br />
3.000<br />
SCHUTZGEBÜHR<br />
14,90 €<br />
ISBN: 978-3-00-063659-2<br />
Der Bereich des Health Care Managements<br />
entwickelt sich so dynamisch wie kaum ein anderer.<br />
Das sind die Mega-Trends der kommenden Jahre:<br />
• Internet und Digitalisierung fördern die<br />
Mündigkeit der Patienten, die nun aktiv<br />
zwischen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen<br />
auswählen.<br />
• Reforminitiativen und Kostenziele führen zur<br />
Zusammenlegung und auch Neustrukturierung<br />
von Gesundheitseinrichtungen. Prozesse sind<br />
zu optimieren und neu zu gestalten. Das Wettbewerbsumfeld<br />
ändert sich radikal. Die Unternehmen<br />
müssen sich hier neu positionieren.<br />
• Der demografische Wandel ist eine Herausforderung,<br />
der sich das Gesundheitsmanagement<br />
mit neuen Ideen und innovativen Ansätzen für<br />
die Versorgung der zunehmenden Anzahl älterer,<br />
oft pflegebedürftiger Menschen stellen<br />
muss. Die Strategie der einzelnen Unternehmen<br />
ist daran anzupassen.<br />
Die SMBS – die Business School der Universität<br />
Salzburg – bietet basierend auf diesen Trends sowie<br />
dem generellen Anspruch, die strategische<br />
Sichtweise im Gesundheitsbereich zu stärken, berufsbegleitende,<br />
universitäre Ausbildungen an:<br />
• den universitären Lehrgang für Health Care<br />
Management, der in zwei Semestern alle wichtigen<br />
Inhalte zu Ökonomie, Controlling in Gesundheitsbetrieben,<br />
Health Care Marketing<br />
und auch Qualitätsmanagement vermittelt,<br />
• das MBA Studium, das über diese Inhalte hinaus<br />
auch noch die betriebswirtschaftlichen und<br />
führungsspezifi schen Kompetenzen der Studierenden<br />
nachhaltig stärkt.<br />
Inhalte der Module<br />
• General Management<br />
• Strategisches und operatives Management<br />
• Gesundheitswesen und Sozialversicherung<br />
• Gesundheitsökonomie und Finanzierung<br />
• Qualiätsmanagement und Ethik<br />
• Organisationslehre<br />
• Projektmanagement<br />
• Krisenkommunikationsmanagement<br />
• Rechtliche Grundlagen<br />
• Die Rechtsstellung der Führungskraft<br />
• Rechnungswesen<br />
• Controlling<br />
• Finanzierung<br />
• Personalmangement u. Employer Branding<br />
• Prozessmanagement<br />
• Marketing<br />
• Leadership<br />
• Soziale Kompetenzen<br />
Anmeldung und Organisation:<br />
Susanne Matzat<br />
LVR-Klinik Langenfeld<br />
Tel-Nr.: +49 (0)2173 102-1001<br />
E-Mail: susanne.matzat@lvr.de<br />
SEMESTERSTART: SEPTEMBER 2020<br />
Teilnehmer, die sich über den <strong>VKD</strong> bei den<br />
Universitätslehrgängen anmelden, erhalten eine<br />
Ermäßigung in Höhe von 10 % auf den Lehrgangspreis.<br />
<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 102<br />
www.smbs.at | www.vkd-online.de/weiterbildung
116 Jahre<br />
... und kein bisschen leise!<br />
Gründungstag: 5. Juli 1903<br />
Gündungsort: Dresden<br />
Verband der Krankenhausdirektoren<br />
Deutschlands e.V.<br />
Oranienburger Straße 17<br />
10178 Berlin<br />
www.vkd-online.de<br />
ISBN: 978-3-00-063659-2