17.06.2021 Aufrufe

VKD-Praxisberichte 2019

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

PraxisBerichte<br />

<strong>2019</strong><br />

Zu aktuellen Fragen des Krankenhausmanagements<br />

Kampf ums<br />

Personal<br />

mehr ab Seite 17<br />

Patientensicherheit<br />

mehr ab Seite 51<br />

Projekte | | Positionen | | Perspektiven


EDITORIAL<br />

Montag,<br />

18.11.<strong>2019</strong><br />

Dienstag,<br />

19.11.<strong>2019</strong><br />

Mittwoch,<br />

20.11.<strong>2019</strong><br />

HINWEISE ZUR REGISTRIERUNG<br />

Um an den Veranstaltungen teilnehmen<br />

zu können, registrieren Sie sich bitte<br />

für den 42. Deutschen Krankenhaustag<br />

kostenfrei online mit Hilfe des Links<br />

www.medica.de/dkt_shop1.<br />

Sie erhalten dann zur Bestätigung ein<br />

E-Ticket, mit dem Sie sich bei jeden Besuch<br />

einer Vortrags-Veranstaltung des<br />

42. Deutschen Krankenhaustages vor Ort<br />

einscannen können.<br />

Dieses E-Ticket dient gleichzeitig als<br />

Tages-Eintrittskarte zur Medica, die durch<br />

das Einscannen vor Ort beim Deutschen<br />

Krankenhaustag freigeschaltet wird.<br />

Auftaktveranstaltung<br />

mit Bundesminister Jens Spahn, MdB<br />

12:00 - 13:30 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />

Abendveranstaltung<br />

„Treffpunkt Krankenhaus“<br />

19:00 Uhr, Haus der Ärzteschaft<br />

Entscheiderfabrik<br />

10:00 - 13:00 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />

103. <strong>VKD</strong>-Mitgliederversammlung<br />

14:00 - 15:00 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />

6. <strong>VKD</strong>-Forum<br />

15:00 - 17:00 Uhr, CCD-Ost, Raum M<br />

Abendveranstaltung „meet IT der Club“<br />

ab 18:00 Uhr, MEDICA, Halle 13<br />

EVKM-Europatag<br />

09:30 - 13:00 Uhr, CCD-Ost, Raum R<br />

UNSERE TERMINE<br />

im Rahmen des<br />

42. Deutschen Krankenhaustages<br />

vom18. bis 21.11.<strong>2019</strong> in Düsseldorf<br />

vkd-online.de | medica.de |<br />

deutscher-Krankenhaustag.de |<br />

entscheiderfabrik.com | eahm.eu.org<br />

Besuchen Sie uns auch an unserem<br />

Stand auf der MEDICA in<br />

Halle 13/ G58 - in der Nähe der<br />

Entscheiderfabrik!<br />

Welche Krankenhäuser können es sich leisten, Abwerbeprämien<br />

in hoher vierstelliger Summe anzubieten?<br />

Vermutlich die wenigsten. Mit bis zu 8.000<br />

Euro werden spezialisierte Pflegekräfte schon gelockt,<br />

den Arbeitgeber zu wechseln. Welche Krankenschwester,<br />

welcher Pfleger mit der erwünschten<br />

Qualifikation kann da nein sagen?<br />

Vermutlich wissen alle Krankenhaus-Führungskräfte,<br />

dass diese Art des Kampfes ums Personal, dieses<br />

gegenseitige Abwerben, keine<br />

Dauerlösung ist. Die Meldungen<br />

in den Medien über<br />

Stationsschließungen, Bettensperrungen,<br />

das Abwandern<br />

ganzer Teams von einem Krankenhaus<br />

ins andere häufen<br />

sich und betreffen im Grunde<br />

Krankenhäuser aller Träger. Personal<br />

fehlt an allen Ecken und<br />

Enden. Das hat Auswirkungen<br />

für die Versorgung der Patienten<br />

und natürlich auch gravierende<br />

wirtschaftliche Folgen<br />

für die Kliniken, die geplante<br />

Leistungen dann nicht erbringen,<br />

wichtige Neubauten nicht<br />

eröffnen können.<br />

Editorial<br />

Personal und Patientensicherheit – zwei Seiten einer Medaille<br />

Dr. Josef Düllings,<br />

Präsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>)<br />

Das Problem, mit dem sich<br />

diese <strong>Praxisberichte</strong> im ersten<br />

Schwerpunkt „Der Kampf ums<br />

Personal“ beschäftigen, ist allerdings<br />

nicht plötzlich vom Himmel gefallen, sondern<br />

hat sich über viele Jahre aufgebaut – worauf der<br />

<strong>VKD</strong> auch bereits seit Jahren immer wieder hingewiesen<br />

hat. Ernstgenommen hat das die Politik erst<br />

jetzt. Bisher war es ja „nur“ ein Kampf des Personals,<br />

das mit größtem Engagement versucht hat, trotz<br />

aller Schwierigkeiten die Versorgung der Patienten<br />

dennoch in bester Qualität zu leisten. Das geht seit<br />

langem so, aber es kann natürlich nicht unendlich<br />

lange gehen.<br />

Was Krankenhäuser tun, um nicht nur kurzfristig,<br />

sondern nachhaltig das Problem anzugehen, wie<br />

verschieden die Lösungsansätze sein können, davon<br />

berichten Autorinnen und Autoren in diesem<br />

Heft. Sie zeigen, dass neue Ideen, stimmige, umfassende<br />

Konzepte und auch eine positive Ausstrahlung<br />

nach innen und außen durchaus Wirkung<br />

haben können.<br />

Was die Politik aus Überzeugung des <strong>VKD</strong> tun kann<br />

und tun muss, wird ebenfalls - wie es unsere Art<br />

ist - deutlich angesprochen. Es hilft nicht weiter,<br />

nur die Anzahl von Pflegekräften festzulegen, die<br />

in dieser oder jener Abteilung<br />

zwingend einzusetzen sind,<br />

wissend, dass die Suche am<br />

Arbeitsmarkt ziemlich erfolglos<br />

sein wird.<br />

Der Fachkräftemangel hat viele,<br />

sattsam bekannte Gründe,<br />

die alle auch gesundheitspolitisch<br />

in den Blick genommen<br />

werden müssen. Die überbordende<br />

und durch immer neue<br />

Regelungen weiter anwachsende<br />

Bürokratie als erheblicher<br />

Zeitfresser für Pflegende<br />

und Mediziner etwa gehört<br />

wesentlich dazu. Politik, Krankenkassen,<br />

Gemeinsamer Bundesausschuss<br />

– sie alle haben<br />

dazu beigetragen und sollten<br />

hier schnellstens den Rückwärtsgang<br />

einlegen. Das ist<br />

eine Frage des Wollens und<br />

vor allem des Vertrauens in die Krankenhäuser. Sie<br />

haben dieses Vertrauen verdient!<br />

Gleichzeitig sind Lösungen zur Bewältigung des<br />

Fachkräftemangels immer auch Beiträge zur Verbesserung<br />

der Patientensicherheit – unserem<br />

zweiten Schwerpunkt in diesen <strong>Praxisberichte</strong>n.<br />

Einen umfassenden Blick auf dieses Thema werfen<br />

hier die Patientenbeauftragte der Bundesregierung,<br />

Prof. Dr. med. Claudia Schmidtke, und die<br />

Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit<br />

(APS), Hedwig François-Kettner. Während<br />

wir bei der Händehygiene in den Kliniken inzwi-


EDITORIAL<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

schen ein gutes Stück weitergekommen sind, ist<br />

bei der Kommunikation mit Patienten, Angehörigen,<br />

aber auch der Berufsgruppen im Krankenhaus<br />

unter- und miteinander durchaus noch Luft nach<br />

oben. Und was Piloten zwingend vorgeschrieben<br />

ist, sollte auch in der Medizin gelten: Vor der Praxis<br />

und auch später immer wieder einmal ins Simulationszentrum.<br />

Fast schwindlig macht uns in den Krankenhäusern,<br />

in welch enger Taktung derzeit Gesetzentwürfe aus<br />

dem Haus von Gesundheitsminister Jens Spahn<br />

vorgelegt werden. Die ersten Auswirkungen zeigen<br />

sich bereits bei den Regelungen zu Pflegepersonal-Untergrenzen<br />

in sensitiven Bereichen. Womit<br />

wir künftig noch rechnen müssen, welche Interaktionen<br />

die ganzen Gesetze auslösen werden, ahnen<br />

wir allenfalls. Angekündigt sind überdies neue<br />

gesetzgeberische Aktivitäten für eine sektorenübergreifende<br />

Versorgung – eines der vermutlich<br />

schwierigsten Themen überhaupt, an denen wir<br />

uns alle schon jahrelang die Zähne ausbeißen. Den<br />

Versuch eines Überblicks macht das aktuelle Interview,<br />

mit dem wir in diesem Heft beginnen.<br />

Und natürlich, wie schon in den vergangenen Jahren,<br />

werden auch wieder Projekte der ENTSCHEI-<br />

DERFABRIK für Unternehmenserfolg durch optimalen<br />

IT-Einsatz vorgestellt. Der <strong>VKD</strong> ist hier nach<br />

wie vor als Mitgründer des Projektes wichtiger<br />

Partner. Die beteiligten Krankenhäuser gehören zu<br />

den Vorreitern beim Thema Digitalisierung. Diese<br />

ist ja ebenfalls essenziell für die Bewältigung des<br />

Fachkräftemangels und für die weitere Verbesserung<br />

der Patientensicherheit.<br />

Mein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle allen<br />

Autorinnen und Autoren, die in ihren Beiträgen<br />

wichtige Erfahrungen weitergeben und so dafür<br />

gesorgt haben, dass die diesjährigen <strong>Praxisberichte</strong><br />

wieder interessant und lesenswert sind.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong><br />

Das aktuelle Interview<br />

09<br />

Gesetze am laufenden Band - was ist<br />

die politische Strategie?<br />

Komplexität ist schwer beherrschbar, Folgenabschätzungen<br />

sind vonnöten und die Wirkung<br />

möglicher Interaktionen ist kaum überschaubar,<br />

Interview mit Dr. Josef Düllings<br />

Der Kampf ums Personal<br />

Ihr<br />

Dr. Josef Düllings<br />

17<br />

Es gibt nicht die eine Lösung | Der<br />

Fachkräftemangel ist eine komplexe strategische<br />

Herausforderung für das Management der<br />

Krankenhäuser, Rehakliniken und Einrichtungen<br />

der Altenpflege, Dr. Jens-Uwe Schreck<br />

29<br />

Unsere Mitarbeiter heute – und<br />

morgen | Strategisches Personalmanagement<br />

– die aktuelle Bewerberlage und die<br />

künftigen Herausforderungen, Redaktion<br />

<strong>Praxisberichte</strong><br />

35<br />

35-Stunden-Woche bei vollem<br />

Gehaltsausgleich | Wie die Frankfurter<br />

Rotkreuz-Kliniken ihre Pflegefachkräfte stärken,<br />

Tina Stanzel<br />

46<br />

24<br />

Der Fachkräftemangel löst sich<br />

nicht von alleine | Ein Plädoyer für die<br />

Ausbildung, Oliver Neuhaus, Christian Busse<br />

31<br />

Gute Köpfe schätzen gute Kommunikation<br />

| Wie sich ein offensives Marketing<br />

auf die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitern<br />

in Zeiten des Fachkräftemangels auswirkt,<br />

Sabine Loh<br />

41<br />

Damit die Integration internationaler<br />

Pflegefachkräfte gelingt | Sektorenübergreifendes<br />

Projekt erarbeitet konkrete,<br />

bedarfsgerechte Lösungen für den Fachkräftemangel<br />

in der Pflege, Prof. Dr. Beate Blättner,<br />

Prof. Dr. Heinrich Bollinger<br />

Im Kampf ums Personal „am Ende<br />

der Kette“ | Wir nutzen alle Möglichkeiten,<br />

aber Angebote müssen von den Mitarbeitern<br />

auch angenommen werden, Franz Hartinger<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 4 5 <strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


INHALTSVERZEICHNIS<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

51<br />

Patientensicherheit als eine gemeinsame<br />

Aufgabe verstehen | Vor allem die<br />

Kommunikation mit Patienten und Angehörigen<br />

ist von zentraler Bedeutung, Prof. Dr. Claudia<br />

Schmidtke<br />

57<br />

Wir sind nicht zum Selbstzweck da|<br />

Wichtigstes Instrument zur Verbesserung der<br />

Patientensicherheit ist das gemeinsame Lernen<br />

aus Fehlern, Interview mit Hedwig François-<br />

Kettner<br />

69<br />

Sichere Kommunikation erleben!|<br />

Ob Notfall oder klinische Routine: Zusammenarbeit<br />

durch Einsatz interaktiver Plattformen<br />

gezielt trainieren, Dr. Christopher Neuhaus<br />

54<br />

Ein Querschnittsthema, das alle<br />

Versorgungsbereiche betrifft | Im<br />

Zentrum des Qualitätsmanagements steht die<br />

Patientensicherheit, Gabriele Kirchner<br />

64<br />

Simulationstrainings sollten obligatorisch<br />

sein | Es geht um Kommunikation,<br />

Koordination und Ressourcenmanagement,<br />

um Vorkommnisse, für die es keine Routinen<br />

gibt, Redaktion<br />

74<br />

„Dolmetscher der Seele“ - SIM im<br />

LVR | Psychiatrische Versorgung unter Einsatz<br />

von Sprachmittler*innen, Monika Schröder<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Das aktuelle Interview<br />

85<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

bereits im 13. Projektzyklus<br />

| Wichtige Zukunftsthemen<br />

für die stationäre und vernetzte<br />

Gesundheitsversorgung<br />

100<br />

<strong>VKD</strong> fordert einen Masterplan<br />

Digitalisierung|<br />

Leistungserbringer, Patienten<br />

und Industrie müssen beteiligt<br />

und die Finanzierung muss abgesichert<br />

werden, Dr. Josef Düllings,<br />

Peter Asché<br />

102<br />

IMPRESSUM<br />

88<br />

Vorgestellt: Neue Ideen, Weiterentwicklungen<br />

und Innovationen<br />

89<br />

91<br />

93<br />

96<br />

98<br />

Kommunikation mit Mehrwert, ohne “Whats-<br />

App-Dilemma“ Die sichere Chat Plattform NetSfere<br />

unterstützt Krankenhäuser bei Kommunikationsanforderungen<br />

im Zuge der Digitalisierung, Franz Obermayer<br />

Digital Boardroom für Krankenhäuser<br />

Wie Entscheider in Krankenhäusern komplexe Zusammenhänge<br />

agil und intuitiv analysieren können, Team<br />

Digitalisierung der Pathologie<br />

Es müssen unterschiedliche Systeme konventioneller<br />

wie auch digitaler Art miteinander verbunden werden,<br />

Autorenkollektiv<br />

Mobilitätsanalyse: Stürzen vorbeugen mit<br />

künstlicher Intelligenz<br />

Individuelle Sturzprävention und Entlastung der Fachkräfte<br />

durch 3D-Gangbildanalysen per Handy-Kamera,<br />

Diana Heinrichs<br />

Entlastung der Pflege<br />

Notfallknopf bleibt nur noch für wirkliche Notfälle,<br />

Julian Nast-Kolb<br />

Gesetze am laufenden Band -<br />

WAS IST DIE POLITISCHE STRATEGIE?<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 6


DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

Gesetze am laufenden Band –<br />

Was ist die politische Strategie?<br />

Komplexität ist schwer beherrschbar, Folgenabschätzungen sind<br />

vonNöten und die Wirkungen möglicher Interaktionen SIND kaum<br />

überschaubar<br />

Seit Amtsantritt von Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn werden in kurzer Taktung neue<br />

Gesetzentwürfe produziert, diskutiert und auch<br />

durchs Parlament gebracht. Während die Beteiligten<br />

und Betroffenen noch versuchen, sich<br />

darauf einzustellen, kündigt das Ministerium<br />

weitere an. Werden sie die Gesundheitsversorgung,<br />

speziell auch die Krankenhausversorgung,<br />

verbessern oder sind sie in ihren Auswirkungen<br />

eher kontraproduktiv? Das Interview<br />

mit <strong>VKD</strong>-Präsident Dr. Josef Düllings zu den Positionen<br />

des Managerverbandes und den Forderungen<br />

aus Sicht der Praxis für eine tatsächlich<br />

zukunftsweisende Perspektive.<br />

Unser Gesprächspartner<br />

Herr Dr. Düllings, wie fühlen Sie sich angesichts des<br />

Gesetze-Tsunami aus der Berliner Friedrichstraße?<br />

Dr. Josef Düllings: Einerseits, andererseits, würde ich<br />

sagen. Erfreulich ist ja, dass der Minister einerseits<br />

ganz offensichtlich Probleme aufgreifen und auch<br />

zur Lösung bringen will. Er kennt die Herausforderungen<br />

nicht nur aus früheren Zeiten als Gesundheitspolitiker,<br />

sondern sucht auch immer wieder<br />

selbst das Gespräch mit Praktikern, geht in Krankenhäuser,<br />

hört zu. Er stellt sich Diskussionen – auch<br />

mit uns, den Führungskräften der Krankenhäuser,<br />

Rehakliniken und Altenpflegeheime. Das schafft<br />

durchaus Vertrauen.<br />

Andererseits ist die Gesundheitsversorgung ein<br />

komplexes Thema. Wer hier Veränderungen in dieser<br />

Geschwindigkeit anstrebt, noch dazu mit solch<br />

einer Fülle neuer Gesetze, Verordnungen, Regelungen,<br />

kann die daraus resultierenden Folgen in der<br />

Praxis und auch die entstehenden Interaktionen<br />

kaum abschätzen – wobei die Folgenabschätzung<br />

von Gesetzentwürfen ohnehin ein Stiefkind der<br />

Gesetzgebung in Deutschland ist. Die Taktung ist<br />

so hoch, dass die Umsetzung ohnehin erst in den<br />

Anfängen steckt, ohne dass auch wir aus unserer<br />

Praxiserfahrung und eigenen Berechnungen heraus<br />

sagen könnten, was das alles für die Krankenhäuser<br />

tatsächlich bedeutet.<br />

Foto.: <strong>VKD</strong><br />

Dr. Josef Düllings,<br />

Präsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren Deutschlands<br />

(<strong>VKD</strong>)<br />

Haben Sie ein konkretes Beispiel parat?<br />

Dr. Josef Düllings: Ja, natürlich. Ganz aktuell und<br />

heftig diskutiert auch bei uns im Verband sind das<br />

Pflegepersonal-Stärkungsgesetz und die darin vorgesehene<br />

Ausgliederung der Pflegekosten aus dem<br />

DRG-System. Ein Eingriff in das hochkomplexe Finanzierungssystem,<br />

dessen Realisierung dem InEK,<br />

wie man hört, jedenfalls nicht so flott gelingen wird,<br />

wie zunächst angenommen, und nicht so schnell<br />

realisiert werden kann, wie man das vielleicht in Berlin<br />

erwartet hätte. Die Deutsche Krankenhausgesell-<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 8 9 <strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

Das Bundesgesundheitsministerium hat den<br />

Krankenhausstrukturfonds für vier Jahre mit insschaft<br />

rechnet damit, dass kaum ein Krankenhaus<br />

zum 1. Januar 2020 ein Pflegebudget vereinbart<br />

haben wird. Insgesamt haben wir es bei diesem Gesetz<br />

gleich mit mehreren Problemen zu tun, die uns<br />

großes Kopfzerbrechen bereiten.<br />

Wir haben mögliche Auswirkungen auf die Krankenhäuser<br />

bereits in unserer Stellungnahme zum Gesetzentwurf<br />

deutlich gemacht. Inzwischen kann in<br />

den Kliniken durchgerechnet<br />

werden, was sie zumindest<br />

die vorgesehene Pauschale<br />

für die Übergangszeit kosten<br />

wird. Da kommt man auf erhebliche<br />

Summen, die von<br />

dem pauschalen Tagessatz<br />

in Höhe von 130 Euro pro Fall<br />

vielfach nicht gedeckt werden<br />

– ich denke da an die Geriatrie, Kinderkliniken,<br />

aber auch Universitätskliniken. Doch nicht nur für<br />

sie wird das schwierig. Es wird vorhersehbar eine<br />

ganze Reihe von Häusern in finanzielle Schwierigkeiten<br />

bringen, wenn diese Pauschale nicht aufgestockt<br />

wird.<br />

Es ist durchaus anzuerkennen, dass die Krankenhäuser<br />

durch eine Begrenzung der Erlösverluste von<br />

zwei Prozent aus der Summe von Gesamtbetrag<br />

und Pflegebudget geschützt werden sollen. Die<br />

Bemessungsgrundlage dafür soll aber das Budget<br />

von <strong>2019</strong> sein. Kosten- und Leistungssteigerungen<br />

werden also für 2020 nicht berücksichtigt.<br />

Was wir schon in unserer Stellungnahme kritisiert<br />

haben, ist die Tatsache, dass Assistenzpersonal, also<br />

die Pflegenden unterstützendes Personal, das in<br />

den letzten Jahren in vielen Krankenhäusern eingestellt<br />

wurde, im Pflegebudget nicht berücksichtigt<br />

ist und damit auch nicht vollständig refinanziert<br />

wird. Das ist ein weiterer Baustein zur Unterfinanzierung<br />

der Krankenhäuser und kontraproduktiv für<br />

die Behebung des Fachkräftemangels in der Pflege.<br />

Wir werden außerdem mit einem weiteren, erheblichen<br />

Aufwuchs an Bürokratie durch die doppelte<br />

Abrechnung von DRGs und Pflegebudget rechnen<br />

müssen.<br />

Im Rahmen der „Konzertierten Aktion Pflege“,<br />

im vorigen Sommer ausgerufen von gleich drei<br />

Bundesministern, wurde jetzt von den geschäftsführenden<br />

Vorständen der Koalitionsfraktionen<br />

beschlossen, dass die Pflege von Bürokratie entlastet<br />

werden soll…<br />

Erfreulich ist ja, dass der<br />

Minister einerseits ganz<br />

offensichtlich Probleme<br />

aufgreifen und auch zur<br />

Lösung bringen will.<br />

„<br />

„<br />

Dr. Josef Düllings: Das ist ja an sich auch erfreulich.<br />

Leider steht dem entgegen, dass zum Beispiel die<br />

PKMS-Kodierung mit akribischer, kleinteiliger Aufzeichnung<br />

pflegerischer Maßnahmen auch 2020<br />

weiterhin vorgegeben wird – und das, obwohl<br />

diese Daten für das Pflegebudget überhaupt nicht<br />

benötigt werden. Der Abbau von Bürokratie ist immer<br />

wieder versprochen worden. Das Gegenteil<br />

geschieht, wie wir jeden Tag in den Krankenhäusern<br />

erleben. Mit jedem Gesetz<br />

und jeder Regelung werden es<br />

mehr Pflichten für Ärzte und<br />

Pflegende – und damit verstärkt<br />

sich natürlich der Personalmangel<br />

weiter.<br />

Immerhin war doch erfreulich,<br />

dass Tarifsteigerungen<br />

für die Pflegekräfte von den Kassen voll refinanziert<br />

werden – das hat der <strong>VKD</strong> immer wieder gefordert.<br />

Dr. Josef Düllings: Ja, wenn es denn tatsächlich so<br />

wäre. Die Vorgaben zur Tarifausgleichsrate verhindern<br />

das bis heute. Das Geld kommt nicht vollständig<br />

in den Krankenhäusern an. Die Krankenkassen<br />

mauern bei den Budgetverhandlungen, wenn es<br />

etwa um Zahlungen für Mitarbeiter aus Zeitarbeitsfirmen<br />

geht, obwohl diese examiniert sind.<br />

Positiv ist dagegen, dass die Vergütungen von<br />

Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, Krankenpflege<br />

und Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr<br />

vollständig von den Kostenträgern<br />

refinanziert werden. Hier gibt es einen Anreiz, mehr<br />

auszubilden.<br />

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisiert,<br />

dass einerseits den Krankenhäusern gegeben<br />

werden soll, ihnen andererseits an verschiedenen<br />

Stellen „genommen“ wird.<br />

Dr. Josef Düllings: Ja, das Spiel kennen wir schon:<br />

linke Tasche, rechte Tasche. Es zeigt erneut, wie wenig<br />

konsequent viele Gesetzesregelungen sind, wie<br />

gleichzeitig auch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss<br />

erarbeiteten Umsetzungsregeln den Willen<br />

des Gesetzgebers oft konterkarieren.<br />

Ein ziemliches Durcheinander…<br />

Dr. Josef Düllings: Ja, so sieht´s aus. Und die Krankenhäuser,<br />

ihre Mitarbeiter und auch die Patienten<br />

baden es am Ende aus. Dazu gehört außerdem das<br />

viel diskutierte Thema Personaluntergrenzen, die<br />

seit Anfang dieses Jahres für vier Bereiche gelten.<br />

Auch hier wieder: Das gesundheitspolitische Ziel<br />

ist das eine, die Umsetzung das andere. Ziel des<br />

Gesetzgebers ist es, durch Personaluntergrenzen<br />

zunächst in diesen vier pflegesensitiven Bereichen<br />

– Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie<br />

- die Versorgung der Patienten und deren<br />

Sicherheit zu verbessern. Das soll dann 2020 auf alle<br />

Abteilungen ausgeweitet werden. Die Ausweitung<br />

halten wir für einen Fehler. Die Nebenwirkungen<br />

sind überhaupt nicht klar.<br />

Was zunächst auch für die Öffentlichkeit gut und<br />

fürsorglich klingt, ist aus Sicht der Praxis realitätsfern.<br />

So wurden die Vorgaben für die Besetzung<br />

von Intensivstationen vollkommen undifferenziert<br />

festgelegt. Sie gehen nicht von einer sinnvollen,<br />

auf die unterschiedlichsten Pflegebedarfe in diesem<br />

Bereich ausgerichteten Besetzung aus, die sich<br />

allein schon zwischen Hochleistungskliniken und<br />

Intensivstationen der Grund- und Regelversorgung<br />

logischer Weise deutlich unterscheiden. Hier wird<br />

bereits bei diesen augenfälligen Unterschieden alles<br />

über einen Kamm geschoren. Gleichzeitig verhindern<br />

sie einen flexiblen Personaleinsatz, der vor<br />

Ort möglich sein muss und effizient gesteuert werden<br />

muss. Diese Vorgaben sind am grünen Tisch<br />

gestrickt und wenig hilfreich. Gesetzgeberischer<br />

Korrekturbedarf ist schon jetzt erkennbar.<br />

Wir haben im vorigen Jahr mehrfach gefordert,<br />

den damaligen Verordnungsentwurf grundsätzlich<br />

zu überarbeiten oder ganz auszusetzen und uns<br />

für ein gut begründetes, wirklich praxistaugliches<br />

Gesamtpaket ausgesprochen, das vor allem dem<br />

Management auch Spielraum für hausindividuelle<br />

Entscheidungen lassen würde. Es gab zudem zahlreiche<br />

Einwände auch von unseren Verbandsmitgliedern,<br />

die deutlich gemacht haben, dass diese<br />

Vorgaben zum Teil nicht umsetzbar sind oder die<br />

Patientenversorgung sogar gefährden. Gewarnt<br />

wurde auch vor Stations- und Bettenschließungen,<br />

wenn die Vorgaben nicht erfüllt werden könnten.<br />

Das ist auch so gekommen – über Stationsschließungen<br />

berichten regionale Medien inzwischen<br />

durchaus häufig.<br />

Dr. Josef Düllings: Jens Spahn hat in diesem Zusammenhang<br />

und auch in unserer Jahrestagung,<br />

mehrfach erklärt, dass er damit nicht unbedingt unzufrieden<br />

ist. Es gehe ja um die Pflegequalität. Das<br />

können wir wirklich nicht nachvollziehen. Regelmäßig<br />

berichten lokale Medien in den Grippezeiten<br />

über Aufnahmestopps von Krankenhäusern. Das ist<br />

nicht die Gesundheitsversorgung, die Bürger sich<br />

wünschen und für die sie als Versicherte ihre Beiträge<br />

gezahlt haben. Angesichts des erheblichen Fachkräftemangels<br />

gerade in Pflegeberufen, der nicht<br />

von heute auf morgen behoben werden kann, hat<br />

nicht nur unser Verband vor einer willkürlichen Verknappung<br />

von Behandlungskapazitäten gewarnt.<br />

Wir haben uns zudem für den von der Deutschen<br />

Krankenhausgesellschaft vorgeschlagenen Ganzhausansatz<br />

ausgesprochen, um mit substanziellen<br />

Datenerhebungen und einem soliden Personalbemessungsinstrument<br />

eine belastbare Grundlage für<br />

solche Festlegungen zu schaffen.<br />

Was offenbar auch von der „Konzertierten Aktion<br />

Pflege“ aufgegriffen wurde.<br />

Dr. Josef Düllings: Anfang Juni wurden die Ergebnisse<br />

der vor einem Jahr ins Leben gerufenen Aktion<br />

gegen den Pflegemangel vorgestellt. Im Grunde<br />

bestehen sie, wenn ich das richtig sehe, erst einmal<br />

vor allem aus Vorhaben und Plänen. Dabei ist auch<br />

vorgesehen, die Pflegepersonaluntergrenzen zu<br />

einem Pflegepersonalbemessungsverfahren weiterzuentwickeln.<br />

Was wir brauchen, ist ein praxisorientiertes<br />

und flexibles System, das nicht einzelne<br />

Abteilungen, sondern die gesamte Personalausstattung<br />

im Blick hat.<br />

Angesichts der vielen Gesetze, Regelungen und Aktionen<br />

zur Behebung des Fachkräftemangels, nicht<br />

nur in der Pflege, wird aber auch deutlich, dass es im<br />

Grunde an einem Gesamtplan fehlt.<br />

Und über all den Anforderungen und Notwendigkeiten<br />

steht immer die Finanznot vieler Kliniken.<br />

Dr. Josef Düllings: Ja. Ich kann mich an kein Jahr<br />

in meinem Berufsleben, speziell als Geschäftsführer<br />

eines Krankenhausunternehmens, erinnern, in<br />

dem das nicht ein beherrschendes Thema gewesen<br />

wäre. Es gab natürlich immer bessere und schlechtere<br />

Zeiten für die Krankenhäuser. Aber eines durchzieht<br />

die Branche wie ein roter Faden, und dies seit<br />

Jahrzenten, nämlich das Drama der Investitionsfinanzierung,<br />

auch wenn es von Bundesland zu Bundesland<br />

Unterschiede gibt. Hier ist der Ansatzpunkt<br />

für viele falsche Entwicklungen in der Branche, auch<br />

im Personalbereich.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 10 11<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

Dass die unterschiedlichen Finanzierungssysteme<br />

nicht kompatibel sind, habe ich bereits gesagt. Wir<br />

plädieren für ein eigenständiges System für diesen<br />

Bereich. Wichtig ist dabei, dass die enorme Unterdegesamt<br />

einer Milliarde Euro pro Jahr fortgesetzt.<br />

Kommt das den Forderungen des <strong>VKD</strong> nicht<br />

doch entgegen? Rund 120 kleine als bedarfsnotwendig<br />

eingestufte Krankenhäuser in Flächenregionen<br />

werden zudem mit je 400.000 Euro unterstützt.<br />

Dr. Josef Düllings: Der Strukturfonds – immerhin<br />

inzwischen nicht nur für die Schließung und Umwandlung<br />

von Krankenhäusern gedacht, sondern<br />

zum Beispiel auch auf Digitalisierungsprojekte erweitert<br />

– ist natürlich besser als nichts. Auch die<br />

Unterstützung bedarfsnotwendiger Häuser – von<br />

den Kassen lange Zeit blockiert – ist natürlich nicht<br />

abzulehnen. Aber angesichts der vor uns liegenden<br />

riesigen Herausforderungen ist dies politische<br />

Kosmetik.<br />

Unsere zentrale Forderung geht in eine andere,<br />

grundsätzliche und nicht nur temporär wirkende<br />

Richtung: Der Bund muss angesichts der mittlerweile<br />

jahrzehntelangen Misere dieser Tatsache<br />

„<br />

Die Gesundheitsversorgung ist ein komplexes<br />

Thema. Wer hier Veränderungen<br />

in dieser Geschwindigkeit anstrebt,<br />

noch dazu mit solch einer Fülle neuer<br />

Gesetze, Verordnungen, Regelungen,<br />

kann die daraus resultierenden Folgen<br />

in der Praxis und auch die entstehenden<br />

Interaktionen kaum abschätzen.<br />

“<br />

endlich ins Auge sehen und sich an der Investitionsförderung<br />

messbar beteiligen. Die Länder<br />

bringen insgesamt nicht einmal die Hälfte der<br />

konservativ als nötig geschätzten mehr als sechs<br />

Milliarden Euro dafür auf. Anfang der 1990er Jahre<br />

lag die Investitionsquote noch bei neun Prozent.<br />

Heute liegt sie bei unter drei Prozent. Wir haben<br />

zudem einen riesigen Investitionsstau. Viele Anlagegüter<br />

der Krankenhäuser sind bereits seit Jahren<br />

vollständig abgeschrieben, Gebäude und auch<br />

technische Anlagen sind nicht selten in einem maroden<br />

Zustand. Kein Mensch scheint sich für diese<br />

tickende Zeitbombe zu interessieren. Ein Ende<br />

der Unterfinanzierung ist nicht absehbar. Auch der<br />

Strukturfonds bedeutet keine Beteiligung des Bundes.<br />

Er finanziert sich zur Hälfte aus Mitteln des Gesundheitsfonds<br />

und zur anderen Hälfte aus Mitteln<br />

der Länder, die hier aktiv werden müssen – oder es<br />

auch lassen können.<br />

Das MDK-Gesetz wurde noch kurz vor der parlamentarischen<br />

Sommerpause vom Kabinett beschlossen.<br />

Damit wurde eine wichtige Forderung<br />

des <strong>VKD</strong> umgesetzt. Sind sie zufrieden?<br />

Dr. Josef Düllings: Ja, im Grundsatz durchaus, auch<br />

wenn die Fassung des Gesetzentwurfs noch verändert<br />

wurde – zugunsten der Krankenkassen, zu<br />

Lasten der Krankenhäuser. Durch die Unabhängigkeit<br />

des Medizinischen Dienstes von den Krankenkassen<br />

erwarten wir aber künftig faire Abrechnungsprüfungen.<br />

Dass die Kassen strittig gestellte<br />

Leistungen künftig nicht mehr gegen unstrittige<br />

aufrechnen dürfen, ist ebenfalls sehr wichtig für die<br />

Krankenhäuser. Der inzwischen erhebliche Anstieg<br />

der Prüfungen wird auf ein normales Maß begrenzt.<br />

Gut so!<br />

Dass die Krankenhäuser mit Strafzahlungen belegt<br />

werden sollen, wenn im Ergebnis der Prüfungen<br />

Rechnungen gekürzt werden, ist dagegen ein Unding<br />

und nirgends sonst in irgendeiner Gebührenordnung,<br />

etwa für Vertragsärzte, so festgelegt. Hier<br />

zeigt es sich wieder, das Misstrauen gegenüber den<br />

Krankenhäusern.<br />

Die neu in den Gesetzentwurf eingefügte Regelung<br />

zur Besetzung der Aufsichtsgremien des Prüfinstituts<br />

durch eine dominierende Anzahl von Kassenvertretern<br />

kratzt erheblich an dessen eigentlich<br />

angestrebter Unabhängigkeit. Das muss noch geändert<br />

und die Krankenhausseite paritätisch eingebunden<br />

werden.<br />

Ein Blick in die nahe Zukunft: Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn hat auf der <strong>VKD</strong>-Jahrestagung<br />

angekündigt, dass im zweiten Halbjahr<br />

die Diskussion um eine sektorenübergreifende<br />

Versorgung erheblich intensiviert wird. Eine<br />

Bund-Länder-Arbeitsgruppe hat dazu bereits den<br />

Arbeitsentwurf für ein Eckpunktepapier veröffentlicht.<br />

Wie sind die Positionen des <strong>VKD</strong> zu diesem<br />

Thema?<br />

Dr. Josef Düllings: Das Thema ist nicht neu – Integrierte<br />

Versorgung, Ambulante Spezialfachärztliche<br />

Versorgung (ASV) sind ja Schritte in diese Richtung.<br />

Der <strong>VKD</strong> war und ist offen für eine sektorenübergreifende<br />

Gesundheitsversorgung. Das haben wir immer<br />

wieder betont.<br />

Dass gerade in ländlichen Regionen die Realität, vor<br />

allem das Fehlen niedergelassener Fachärzte, sektorenübergreifendes<br />

Arbeiten erzwingt, ist uns allen<br />

bewusst. Unser Verband plädiert dafür,<br />

je nach den Bedingungen in einer Region,<br />

sektorenübergreifend Versorgung zu<br />

planen – eine definitive Pflicht der Bundesländer<br />

in Kooperation mit der Selbstverwaltung.<br />

Notwendig ist aus unserer<br />

Sicht dabei aber auch die Konzentration<br />

der Leistungen – ambulant wie stationär<br />

– an den Krankenhäusern als Anker<br />

der Versorgung und die Entwicklung der<br />

Kliniken zu Gesundheitszentren, an die<br />

dann auch Altenpflege und ambulante<br />

Pflege sowie andere Gesundheitsberufe<br />

andocken können.<br />

Die Frage ist aber nicht das Ob, sondern<br />

das Wie. Es geht ja neben der Bedarfsplanung<br />

auch um Zulassungsfragen, um<br />

die Honorierung der Leistungen, aber<br />

auch um die technischen Vernetzungsbedingungen<br />

und die telematische<br />

Infrastruktur. Das sind keine einfachen<br />

Herausforderungen, wie schon bei den<br />

Modellen zur Integrierten Versorgung<br />

sowie bei der von Kontrollwahn getriggerten<br />

Überbürokratie in der ASV erlebt.<br />

Besondere Knackpunkte sind für uns<br />

die Finanzierung und die Qualitätssicherung.<br />

Die Krankenhäuser mit ihrem<br />

komplexen System der Qualitätssicherung<br />

erwarten Vergleichbares auch von<br />

den niedergelassenen Ärzten. Im Grunde<br />

brauchen wir hier eine gemeinsame<br />

Qualitätsstrategie und eben auch sektorenübergreifende<br />

Qualitätsparameter, Prüfungen<br />

und eine gemeinsame Qualitätssicherung. Hier<br />

müssen sich auch die niedergelassenen Ärzte bewegen.<br />

Auch die Krankenkassen müssen natürlich<br />

ins Boot, da nach Entlassung der Patienten deren<br />

weitere Wege für uns eine Black Box sind.<br />

Ebenfalls ein sehr schwieriges Thema wird die Frage<br />

der Finanzierung sein, denn bisher sind Projekte<br />

der Integrierten Versorgung zum Beispiel meist auf<br />

Finanzhilfen angewiesen. Die unterschiedlichen Finanzierungssysteme<br />

ambulant und stationär sind<br />

in sich nicht kompatibel. Wie die Kompatibilität hergestellt<br />

werden könnte, ist eine Frage. Die Lösung<br />

sehe ich derzeit eher noch in weiter Ferne. Ein Test<br />

wäre zunächst für die ASV eine einheitliche Vergütungssystematik<br />

sowie möglicher Weise Hybrid-<br />

DRGs für die sektorenübergreifenden Elemente des<br />

Versorgungssystems.<br />

Der Abbau von Bürokratie ist immer<br />

wieder versprochen worden. Das Gegenteil<br />

geschieht, wie wir jeden Tag in den Krankenhäusern<br />

erleben. Mit jedem Gesetz und<br />

jeder Regelung werden es mehr Pflichten<br />

für Ärzte und Pflegende – und damit verstärkt<br />

sich natürlich der Personalmangel<br />

weiter.<br />

„<br />

“<br />

Inzwischen gibt es konkrete Vorstellungen für ein<br />

Gesetz zur ambulanten Notfallversorgung. Sind<br />

diese eine Blaupause für ein künftiges Gesetz zur<br />

sektorenübergreifenden Versorgung?<br />

Dr. Josef Düllings: Wir haben als Verband immer<br />

wieder betont, dass die Gestaltung der ambulanten<br />

Notfallversorgung ein erster Schritt in sektorenübergreifende<br />

Versorgungsformen sein könnte. Was jetzt<br />

als Vorschlag vorliegt, ist allerdings noch keine Lösung.<br />

Wir begrüßen sehr, dass die Politik hier tätig<br />

wird. Wir müssen als Verband aber auch sehr deutlich<br />

auf Gefahren für die Krankenhäuser hinweisen,<br />

die sich für die Zukunft daraus ergeben können.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 12 13<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DAS AKTUELLE INTERVIEW<br />

ckung aus der bisherigen Vergütung keine Fortsetzung<br />

findet. Außerdem ist es systemwidrig, dass die<br />

Vergütung dreiseitig mit den KVen zu vereinbaren<br />

ist, die über die Jahre eine faire Vergütung für die Kliniken<br />

verhindert haben.<br />

Die Reform der Notfallversorgung darf nicht dazu<br />

führen, dass der Patientenversorgung wertvolle<br />

Ressourcen entzogen werden. Der <strong>VKD</strong> befürchtet,<br />

dass mit der jetzt angestrebten Lösung genau dies<br />

geschieht: Aufbau von Parallelstrukturen und Aufwuchs<br />

von Bürokratie.<br />

Was wir ebenfalls grundsätzlich ablehnen, ist die<br />

Vorstellung, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen<br />

im Rahmen der geplanten Integrierten Notfallzentren<br />

in unseren Häusern mitbestimmen sollen.<br />

Schwierig ist in diesem Zusammenhang auch die<br />

Frage der personellen Ausstattung. Die INZ sollen<br />

eigenständig agieren, das Personal aber wird naturgemäß<br />

vom Krankenhaus gestellt werden. Dass<br />

wir hier große personelle Unterstützung aus dem<br />

KV-Bereich erhalten werden, scheint angesichts der<br />

aktuellen Lage ohnehin eine Illusion zu sein.<br />

Als <strong>VKD</strong> müssen wir uns jedenfalls sehr konkret mit<br />

den möglichen Auswirkungen auf die Krankenhäuser<br />

beschäftigen. Wir werden uns hier nicht von der<br />

Lobby der niedergelassenen Ärzte das Heft aus der<br />

Hand nehmen lassen.<br />

Nicht zu vergessen ist, dass der Ausbau von Versorgungsstrukturen<br />

für die ambulante Notfallversorgung<br />

an Krankenhäusern Investitionen erfordert.<br />

Daher ist aus Sicht des <strong>VKD</strong> eine weitere Aufstockung<br />

des Strukturfonds explizit für diesen Zweck<br />

für alle an der stationären Notfallversorgung teilnehmenden<br />

Krankenhäuser notwendig.<br />

Was zunächst auch für die Öffentlichkeit<br />

gut und fürsorglich klingt, ist aus<br />

Sicht der Praxis realitätsfern. So wurden<br />

die Vorgaben für die Besetzung von<br />

Intensivstationen vollkommen undifferenziert<br />

festgelegt.<br />

„<br />

“<br />

Die Krankenhäuser haben bisher den Versorgungsauftrag<br />

für die ambulante Notfallversorgung<br />

für sich reklamiert…<br />

Dr. Josef Düllings: …weil sie diejenigen sind, die<br />

den größten und einen seit Jahren wachsenden Teil<br />

dieser Arbeit leisten. Um auch künftig eine flächendeckende<br />

Zugangsmöglichkeit für Notfallpatienten<br />

zu gewährleisten, muss allen Krankenhäusern, die<br />

bereits heute an der Notfallversorgung teilnehmen,<br />

der Versorgungsauftrag für die ambulante Notfallversorgung<br />

durch Entscheidung der Länder übertragen<br />

werden.<br />

Wir stehen bei der sektorenübergreifenden Versorgung<br />

vor einem komplexen, sicher auch von vielen<br />

Diskussionen begleiteten Vorhaben, das die Strukturen<br />

der Gesundheitsversorgung grundlegend<br />

verändern und das in der Umsetzung Zeit brauchen<br />

wird. Diese müssen wir dann gemeinsam auch nutzen,<br />

immer wieder Korrekturen und Anpassungen<br />

vorzunehmen. Ich denke nicht, dass wir von Anfang<br />

an ein perfektes Konzept umsetzen können. Die<br />

Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Sektorenübergreifende<br />

Versorgung“ soll bis 2020 ihre Vorschläge veröffentlichen.<br />

Dann sehen wir hoffentlich klarer, was<br />

die Politik will – und können uns damit konstruktiv<br />

auseinandersetzen – wie wir es als Krankenhauspraktiker<br />

gewohnt sind. Was wir wollen ist klar, eine<br />

gute und ambulant-stationär integrierte Patientenversorgung.<br />

Herr Dr. Düllings, vielen Dank für Ihre<br />

ausführlichen Antworten.<br />

Der Kampf ums Personal<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 14


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

?<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

?<br />

?<br />

?<br />

?<br />

Es gibt nicht die eine Lösung<br />

Der Fachkräftemangel ist eine komplexe strategische<br />

Herausforderung für das Management der Krankenhäuser,<br />

Rehakliniken und Einrichtungen der Altenpflege<br />

?<br />

?<br />

?<br />

Pflegenotstand in deutschen<br />

Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen<br />

und Pflegeheimen. Dieses<br />

Problem hat es bis in den<br />

aktuellen Koalitionsvertrag<br />

der Regierungsparteien<br />

geschafft. Der Verband<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands weist seit Jahren<br />

immer wieder auf den<br />

sich stetig verschärfenden<br />

Fachkräftemangel in Pflege<br />

und Medizin der stationären<br />

Gesundheitsversorgung hin.<br />

Die Geschäftsführungen sehen<br />

tagtäglich in ihren Häusern,<br />

was es bedeutet, wenn<br />

oft nur noch mit größter<br />

Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter<br />

die Lücken kompensiert<br />

werden können, die immer wieder neu<br />

durch Krankheit, Fluktuation, anwachsende<br />

Patientenzahlen und insbesondere politische<br />

Entscheidungen, die u.a. über die Jahre auch<br />

zu den enorm zugenommenen Dokumentationspflichten<br />

geführt haben, gerissen werden.<br />

Hinzu kommt der demografische Faktor, der<br />

sowohl Patienten als auch Mitarbeitet betrifft.<br />

Immer wieder finden sich in den Medien Berichte<br />

über katastrophale Zustände in Krankenhäusern.<br />

Pflegende und Ärzte beklagen massive und dauerhafte<br />

Überlastung. Das liest man als Geschäftsführer<br />

eines Krankenhauses auch dann nicht gern, wenn<br />

es nicht um die eigene Einrichtung geht, in der die<br />

Situation solchen Berichten vielleicht weniger oder<br />

vielleicht nur von Zeit zu Zeit entspricht.<br />

Einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung<br />

Roland-Berger zufolge, für die Vorstände und Geschäftsführer<br />

der 400 größten deutschen Krankenhäuser<br />

befragt wurden, ist deren größte Sorge der<br />

Autor<br />

Foto: <strong>VKD</strong><br />

Dr. Jens-Uwe Schreck<br />

Geschäftsführer des Verbandes der<br />

Krankenhausdirektoren Deutschlands<br />

(<strong>VKD</strong>)<br />

sich verschärfende Fachkräftemangel.<br />

Wären die Manager<br />

kleinerer Häuser ebenfalls gefragt<br />

worden, würde das Bild<br />

nicht nennenswert anders,<br />

vielleicht sogar dramatischer<br />

aussehen. In der Pflege, so<br />

konstatiert die Studie, fehlten<br />

deutschlandweit rund<br />

20.000 qualifizierte Kräfte. Im<br />

vorigen Jahr haben allerdings<br />

nur 11.000 Fachkräfte dieser<br />

Berufsgruppe eine Arbeitsstelle<br />

gesucht. Ein leergefegter<br />

Arbeitsmarkt trifft auf stetig<br />

wachsende Anforderungen.<br />

Solche Aussagen kontrastieren<br />

natürlich mit denen der<br />

Krankenkassen, die meinen, es<br />

gebe im Vergleich mit anderen<br />

europäischen Ländern – gern genanntes Beispiel ist<br />

inzwischen Dänemark – viel zu viele Fachkräfte in<br />

Medizin und Pflege. Man müsse nur die Strukturen<br />

ändern, zentralisieren, die Zahl der Krankenhäuser<br />

und Klinikbetten erheblich verringern, weniger<br />

operieren, dann würde es das Fachkräfteproblem<br />

gar nicht geben.<br />

Fakt ist, dass in den letzten Jahren die Zahl der Fachkräfte<br />

in Medizin und Pflege tatsächlich angestiegen<br />

ist. In Deutschland arbeiten so viele Ärzte wie<br />

noch nie, wie die aktuelle Statistik der Bundesärztekammer<br />

für 2018 dokumentiert. Sie schlägt aber<br />

dennoch Alarm und warnt vor Engpässen. Wie der<br />

damalige Präsident der Bundesärztekammer, Prof.<br />

Frank Ulrich Montgomery, erklärte, sei der Zuwachs<br />

von 1,9 Prozent auf 392.402 Ärzte nicht ausreichend<br />

für den künftigen Versorgungsbedarf.<br />

Der Mangel besteht fort und verschärft sich ständig.<br />

Das hat natürlich nicht nur, aber durchaus auch<br />

strukturelle Gründe.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 16 17<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

>><br />

Auch der <strong>VKD</strong> sieht die Notwendigkeit von Strukturveränderungen.<br />

Er fordert aber eine sinnvolle,<br />

alle Sektoren einbindende und moderierte Planung<br />

sowie die Finanzierung solcher aufwändigen Veränderungen<br />

– und den Erhalt einer guten und gut<br />

erreichbaren Versorgung in ländlichen Regionen,<br />

wie sie übrigens im Juli auch Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn für richtig hielt. Angesichts der<br />

beschlossenen Sicherstellungszuschläge für kleine<br />

Krankenhäuser auf dem Lande kommentierte er:<br />

„Ein Krankenhaus vor Ort ist für viele Bürger ein Stück<br />

Heimat. Es gibt ihnen Geborgenheit und Sicherheit.<br />

Gerade in gesundheitlichen Notlagen braucht es<br />

eine schnell erreichbare Versorgung vor Ort.“<br />

Die Vorstellung, man zentralisiert und hat dann automatisch<br />

die Mitarbeiter der geschlossenen Häuser<br />

zur Verfügung, verkennt zudem, dass Menschen<br />

nicht einfach so „verschoben“ werden können.<br />

Wellenbewegungen<br />

Fachkräftemangel und Fachkräfteüberschuss in den<br />

Krankenhäusern wechselten sich seit Anfang der fünfziger<br />

Jahre in Wellenbewegungen ab. So kam es nach dem<br />

Krieg zu einem Boom an jungen Ärzten, der abflaute, als<br />

es andere Niederlassungsmöglichkeiten gab, abgelöst<br />

wiederum durch einen erneuten Anstieg durch Reduzierung<br />

der tariflichen Arbeitszeit. Vielfach waren es auch gesundheitspolitische<br />

Entscheidungen, die zu einem Mangel<br />

an Fachkräften führten – meist verbunden mit zunehmenden<br />

bürokratischen Pflichten, die Ärzte und Pflegende<br />

von ihrer eigentlichen Arbeit abhalten. Aktuell sei auf<br />

die Auswertung der durchschnittlichen Monatswerte im<br />

2. Quartal bei den Pflegepersonaluntergrenzen verwiesen.<br />

Laut DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum in einer Pressemitteilung<br />

erfüllten nur vier Prozent der Krankenhäuser<br />

die Vorgaben nicht. Baum: „800 Krankenhäuser haben für<br />

2.259 Stationen 22.000 Monatsdurchschnittswerte gemeldet,<br />

die auf fast 700.000 Schichten basieren.“ Was für ein<br />

überflüssiger Aufwand an Bürokratie, die unsere Klinikmitarbeiter<br />

leisten müssen!<br />

Wer das anstrebt, ignoriert – dies sei an dieser Stelle<br />

nur kurz angemerkt - im Übrigen aber auch die<br />

enorme wirtschaftliche Bedeutung von Krankenhäusern<br />

für eine Region. Auch dazu gibt es Studien,<br />

die aber von Zentralisierungsbefürwortern offenbar<br />

nicht berücksichtigt werden.<br />

DIE EINFACHE RECHNUNG<br />

FUNKTIONIERT NICHT<br />

Ein Blick auf die aktuelle Situation und die Gründe<br />

dafür zeigt, dass eine so einfache Rechnung unter<br />

den heutigen Bedingungen nicht funktioniert.<br />

Es gibt sie ja auch nicht, überall die gleiche „Lage“. In<br />

ländlichen Regionen sind Pflegekräfte häufig weniger<br />

knapp als in Städten. Hingegen fehlen den Kliniken<br />

auf dem Lande oft die Ärzte.<br />

Da Pflegende in ihrer Mehrzahl Frauen sind, die aus<br />

den verschiedenen Gründen ihren Wohnort, wenn<br />

er in einer ländlichen Region liegt, nicht verlassen<br />

möchten oder können, sind die Belegschaften hier<br />

häufig stabiler als in den Städten, wo Wechsel eher<br />

unkompliziert verlaufen, ohne dass man umziehen<br />

muss, wenn der Arbeitgeber gewechselt wird. Zudem<br />

ist die berufliche Auswahl größer, weil es mehrere<br />

Krankenhäuser sowie erheblich mehr andere<br />

Anbieter von Gesundheitsleistungen gibt als auf<br />

dem Lande.<br />

Das Problem in ländlichen Regionen, zumal in Ostdeutschland,<br />

ist im Pflegebereich eher die Demografie,<br />

denn wenn die gegenwärtig aktiven Mitarbeiter<br />

in die Rente gehen, fehlt der Nachwuchs, der bereits<br />

in den Städten ist. Ein aufgeschobenes Problem, das<br />

sich u.a. auch in den über die letzten Jahre rückläufigen<br />

Anmeldungen für die Pflegeausbildung zeigt.<br />

Ärzte wiederum sind nur schwer zu bewegen, überhaupt<br />

aufs Land zu ziehen. Das ist schon seit vielen<br />

Jahren bekannt und belegt. So befragte die Universität<br />

Trier in einer Studie im Jahr 2010 12.500 Medizinstudenten<br />

nach ihren beruflichen Vorstellungen.<br />

Die neuen Bundesländer standen in der Beliebtheitsskala<br />

ganz am Ende der Attraktivitätsliste. Aber<br />

auch der Westerwald fand wenig Gnade vor den<br />

Augen der angehenden Mediziner. Ländliche Regionen<br />

in der Nähe größerer Städte dagegen waren<br />

vermutlich schon immer beliebter. Das hat sich über<br />

die Jahre nicht geändert. Viele Ärzte, die zum Beispiel<br />

in Krankenhäusern des Berliner Umlands tätig<br />

sind, wohnen in Berlin und pendeln täglich.<br />

Auch die Infrastruktur spielt in diesem Zusammenhang<br />

eine nicht unbedeutende Rolle. Bahn, Bus,<br />

schnelles Internet, Schulen und Kitas, Einkaufsmöglichkeiten,<br />

Restaurants und kulturelle Angebote<br />

sind wichtig und auf dem Lande eben oft nicht<br />

>><br />

verfügbar. Und wenn man die Wahl hat… Für junge<br />

Ärzte sind zudem Kliniken in größeren Städten und<br />

Ballungszentren auch deshalb attraktiver, weil sie<br />

andere Möglichkeiten der Fortbildung sowie mehr<br />

Karriereoptionen bieten.<br />

Die wesentlichen Gründe für den aktuellen<br />

Fachkräftemangel seien hier kurz zusammengefasst:<br />

Mit der verpflichtenden Einführung der<br />

DRGs im Jahr 2004 ging eine Welle von<br />

Dokumentationsaufgaben einher, die sich<br />

danach stetig vergrößerte durch die Notwendigkeit,<br />

nun Qualität umfangreich zu<br />

dokumentieren, die erhebliche Arbeitszeit<br />

von Ärzten und auch Pflegenden bis<br />

heute bindet und damit mehr Personal in<br />

diesen Berufsgruppen erfordert. In letzter<br />

Zeit kamen die exzessiv angestiegenen<br />

Kontrollen der Medizinischen Dienste hinzu,<br />

der im Übrigen selbst rund 2000 Ärzte<br />

beschäftigt, die der Patientenversorgung<br />

verloren gingen.<br />

>> >><br />

Die aus Brüssel kommende Arbeitszeitregelung<br />

von 2003, die auch die Bereitschaftsdienste<br />

in den Krankenhäusern<br />

betraf, hat nach einem zeitverlängernden<br />

Kompromiss der Arbeits- und Sozialminister<br />

der EU im Jahr 2008 fast schlagartig den<br />

Mangel an Ärzten weiter verschärft. Um<br />

die Regelung umzusetzen, mussten viele<br />

zusätzliche Ärzte eingestellt werden.<br />

Die Anzahl der Ärztinnen stieg auf rund<br />

50 Prozent der Mediziner und damit stiegen<br />

nicht nur die Ausfallzeiten wegen Elternzeit,<br />

sondern auch durch den Wunsch<br />

nach Teilzeitbeschäftigung. Hinzu kommen<br />

auch die Regelungen, die einen Einsatz<br />

von Schwangeren in definierten Bereichen<br />

ausschließen.<br />

>><br />

Über die Jahre kamen eine Reihe gesundheitspolitischer<br />

Gesetze sowie in der Folge<br />

Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses<br />

hinzu, die den Einsatz<br />

weiteren Personals quasi erzwangen und<br />

auch künftig weiter erzwingen.<br />

Die Zahl der Medizinstudienplätze wurde<br />

über die Jahre nicht aufgestockt, obwohl<br />

das sowohl Ärzteverbände als auch der<br />

<strong>VKD</strong> immer wieder gefordert haben. Sie<br />

wurde nach dem Beitritt Ostdeutschlands<br />

sogar zusammengestrichen..<br />

Die Aufspaltung der Berufsgruppen in immer<br />

differenziertere Subspezialisierungen<br />

führte dazu, dass viele Fachkräfte nicht<br />

mehr generalistisch und damit flexibel eingesetzt<br />

werden können.<br />

Die bis vor zwei Jahren stetig steigenden<br />

Fallzahlen sowie die immer älter werdenden<br />

Patienten, die aufwändigere Behandlungen<br />

benötigen, waren weitere Gründe.<br />

>> >> >> >><br />

Der Wunsch nach Vereinbarung von Beruf<br />

und Familie nicht nur bei den Frauen, sondern<br />

bei vielen jungen Medizinern, führte<br />

zu weiteren Teilzeitwünschen, so dass<br />

insgesamt die aktive Arbeitszeit deutlich<br />

weniger gestiegen ist als die Zahl der Ärzte<br />

und Pflegenden insgesamt.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 18 19<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Nicht aus dem Auge zu verlieren ist in diesem Zusammenhang<br />

aber auch der Mangel an Haus- und<br />

Fachärzten in ländlichen Regionen, der sich natürlich<br />

in einer erhöhten Inanspruchnahme der Krankenhäuser,<br />

vor allem der Notaufnahmen, niederschlägt.<br />

Auch die im Jahr 2013 für den niedergelassenen Bereich<br />

veränderte Bedarfsplanung hat offensichtlich<br />

keine Wirkung gezeigt. Das Stadt-Land-Gefälle mit<br />

seinen eklatanten Auswirkungen auf den stationären<br />

Bereich auf dem Lande ist geblieben.<br />

Hier haben die Kassenärztlichen Vereinigungen und<br />

die Krankenkassen leider nichts gelernt. Wenn man<br />

sieht, dass deren Planungen nach wie vor vom wirklichen<br />

Bedarf ländlicher Regionen in erheblichem<br />

Maße abweichen, hat das Folgen auch für die personelle<br />

Ausstattung der Krankenhäuser.<br />

Was tut die Politik –<br />

und was vermeidet sie?<br />

Die Politik hat das Problem erkannt und im Koalitionsvertrag<br />

der Regierungsparteien ist es benannt<br />

worden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn<br />

hat mit Gesetzesinitiativen in einer Taktung reagiert,<br />

die schon fast unheimlich ist. Die Versuche, das komplexe<br />

Thema anzugehen, hat allerdings nicht nur<br />

Freude in den Krankenhäusern ausgelöst.<br />

Ein Beispiel, das allen noch zu schaffen machen<br />

wird, wenn hier keine grundsätzlichen Änderungen<br />

erfolgen, ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz mit<br />

der Einführung eines Pflegebudgets. Wie sich dieser<br />

massive Eingriff in das hochkomplexe DRG-System<br />

insgesamt auswirkt, ist bereits absehbar. Es wird – so<br />

wie es jetzt umgesetzt werden soll – zu massiven<br />

Unwuchten innerhalb des Personals insgesamt sowie<br />

für die Wirtschaftlichkeit der Häuser führen.<br />

Die Verordnung zu den Pflegepersonal-Untergrenzen<br />

ist in den Krankenhäusern mehrheitlich von Anfang<br />

an abgelehnt worden. Hier stößt sich eine Regelung<br />

vom grünen Tisch mit den Notwendigkeiten<br />

und Bedingungen in der Krankenhauspraxis.<br />

Wie ein solcher Eingriff ausgehen kann, hat das<br />

Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) in einer Studie<br />

im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft<br />

am Beispiel der Umsetzung pflegerischer Strukturvorgaben<br />

ausgewählter Richtlinien des Gemeinsamen<br />

Bundesausschusses sowie zur allgemeinen<br />

Personalsituation in der Intensivpflege im vorigen<br />

„<br />

Die Vorstellung, man zentralisiert und hat dann<br />

automatisch die Mitarbeiter der geschlossenen Häuser<br />

zur Verfügung, verkennt zudem, dass Menschen nicht<br />

einfach so „verschoben“ werden können.<br />

“<br />

Jahr nachgewiesen. Danach hat im Jahr 2016 fast jedes<br />

dritte Krankenhaus Schwierigkeiten gehabt, offene<br />

Stellen im ärztlichen Dienst der Intensivstation<br />

zu besetzen – hochgerechnet seien das bundesweit<br />

600 arztliche Vollkraftstellen in der Intensivmedizin,<br />

die nicht besetzt waren. Jedes zweite Krankenhaus<br />

mit Intensivbereich (53 Prozent) habe in 2016 Probleme<br />

gehabt, offene Stellen in der Intensivpflege<br />

zu besetzen, so die Studie.<br />

Solche Personal-Untergrenzen auf sämtliche Abteilungen<br />

ausweiten zu wollen, wie es vom Gesetzgeber<br />

vorgesehen ist, gleicht einem Vabanquespiel<br />

mit der Versorgungssicherheit. Dass nun die Politik<br />

zurückrudert und zumindest für die von der Deutschen<br />

Krankenhausgesellschaft vorgeschlagene<br />

„Ganzhauslösung“ offen scheint, ist nur ein schwa-<br />

cher Trost. Wenn die Personaldecke zu kurz ist, wird<br />

es an irgendeiner Stelle immer fehlen.<br />

Die „Konzertierte Aktion Pflege“ gleich dreier Bundesministerien,<br />

gestartet im Sommer 2018, ist vermutlich<br />

gut gemeint, aber verliert sich auch wieder<br />

in Einzelaktionen.<br />

Wie gehen die Krankenhäuser<br />

mit dem Personalmangel um?<br />

Mit wachsendem wirtschaftlichem Druck verschärft<br />

sich das Problem. Fehlendes Fachpersonal bedeutet<br />

angesichts der neuen, stringenteren Regelungen<br />

für den Personaleinsatz in bestimmten Abteilungen<br />

auch die Schließung von Stationen oder Betten<br />

und damit wirtschaftliche Einbußen. Operationen<br />

müssen verschoben werden, Geburten werden<br />

verlagert, neue Bereiche, mit denen geplant wurde,<br />

gehen zum Teil nur verzögert in Betrieb.<br />

Verstärkt wird mit Zeitarbeitskräften gearbeitet, die<br />

nicht nur teuer, sondern die auch nicht immer, zu<br />

jeder Zeit und überall einsetzbar sind. Das Thema<br />

wurde auch in der Diskussion mit Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn in der <strong>VKD</strong>-Jahrestagung<br />

im Mai dieses Jahres in Berlin angesprochen, der es<br />

als Information „mitnehmen“ wollte. Grundsätzlich<br />

sei Zeitarbeit aus seiner Sicht aber sinnvoll. In den<br />

Krankenhäusern wird das nicht nur aus wirtschaftlicher<br />

Sicht anders gesehen. Es bringt durch die<br />

damit einhergehende Ungleichbehandlung auch<br />

Unruhe in die Belegschaften.<br />

Der Pflegedirektor des Universitätsklinikums Münster,<br />

Thomas van den Hooven, berichtete auf dem<br />

Hauptstadtkongress im Juni dieses Jahres in Berlin,<br />

dass in seinem Klinikum zu diesem Zeitpunkt<br />

120 von 2000 Vollzeitstellen nicht besetzt werden<br />

konnten, so dass rund 50 Betten geschlossen werden<br />

mussten und zwölf Prozent der OP-Kapazitäten<br />

nicht genutzt werden konnten. Auch der Vorstandsvorsitzende<br />

des Albertinen-Diakoniewerks aus<br />

Hamburg, Matthias Scheller, berichtete, dass wegen<br />

des Mangels an Pflegekräften Betten geschlossen<br />

und geplante Operationen abgesagt wurden.<br />

„<br />

Der Fachkräftemangel ist nur ein Symptom<br />

für den notwendigen Strukturwandel<br />

in der Gesundheitsversorgung. Bei allen<br />

Möglichkeiten, hier aktuell gegenzusteuern,<br />

kann er doch grundsätzlich nicht<br />

unabhängig von den übrigen Herausforderungen<br />

betrachtet und gelöst werden.<br />

“<br />

Inzwischen bieten manche Klinikunternehmen<br />

Wechselprämien zum Teil in erheblichen Größenordnungen<br />

an, werben also massiv Personal anderer<br />

Krankenhäuser ab. Das schwächt kleine Häuser<br />

zusätzlich. Größere Krankenhausunternehmen mit<br />

mehreren Standorten gehen dazu über, Springerpools<br />

zu bilden, um schnell Personallücken auffüllen<br />

zu können.<br />

Wie Krankenhausunternehmen auf den Fachkräftemangel<br />

reagieren, zeigen auch die folgenden Beiträge<br />

in diesem Themenschwerpunkt.<br />

Um dem Ärztemangel zu begegnen, gründeten<br />

Krankenhäuser in Brandenburg schon vor etlichen<br />

Jahren eine eigene Medizinische Hochschule. Auch<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 20 21<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

die Mühlenkreiskliniken berichten in diesen <strong>Praxisberichte</strong>n<br />

über ihr Engagement für Medizinernachwuchs<br />

im Rahmen einer umfangreichen und komplexen<br />

Personalstrategie.<br />

Die Ausbildungszahlen in der Pflege werden überall<br />

wieder angehoben. Um Rückkehrer in den Beruf<br />

wird geworben. Vielfach werden Mitarbeiter in Teilzeit<br />

angesprochen, ihre Arbeitszeit aufzustocken.<br />

Auch das Thema ausländische Arbeitskräfte spielt<br />

eine Rolle, auch wenn es sehr aufwändig und nicht<br />

in jedem Fall erfolgreich ist.<br />

Wie kommen wir aus dieser Spirale nach unten vor<br />

allem im Pflegebereich wieder heraus? Krankenhäuser<br />

nutzen bereits eine ganze Reihe von Handlungsoptionen.<br />

Es ist wichtig, die Ausbildung sowohl in<br />

Medizin als auch in der Pflege den aktuellen Bedingungen<br />

anzupassen. Ob sich die bereits beschlossene<br />

Generalisierte Pflegeausbildung tatsächlich als<br />

der Stein der Weisen zeigen wird, steht in den Sternen<br />

und wird im <strong>VKD</strong> sowohl von den Fachleuten<br />

aus der Altenpflege als auch der Kinderkrankenpflege<br />

sehr kritisch gesehen.<br />

Mehr Studienplätze sind notwendig, werden aber<br />

allenfalls mittelfristig Entspannung bringen. Es dau-<br />

Fazit<br />

Die Wohnungsmisere in manchen Gegenden, nicht<br />

nur mehr in den Hotspots, sondern auch in Mittelstädten,<br />

führt dazu, dass einige Häuser selbst Wohnungen<br />

schaffen und anbieten, um Personal zu<br />

finden und auch zu binden. So hat das Albertinen-<br />

Diakoniewerk in Hamburg 800 Wohnungen in seinem<br />

Bestand, die Pflegekräften angeboten werden<br />

können, wie ebenfalls auf dem Hauptstadtkongress<br />

berichtet wurde.<br />

„<br />

Auch der <strong>VKD</strong> sieht die Notwendigkeit<br />

von Strukturveränderungen. Er fordert<br />

aber eine sinnvolle, alle Sektoren einbindende<br />

und moderierte Planung sowie die<br />

Finanzierung solcher aufwändigen Veränderungen<br />

– und den Erhalt einer guten und<br />

gut erreichbaren Versorgung in ländlichen<br />

Regionen.<br />

“<br />

Komplexität der Herausforderungen erfordert komplexes,<br />

abgestimmtes Handeln<br />

ert deutlich länger, einen Facharzt auszubilden als<br />

einen Ingenieur. Daher wird kein Weg daran vorbeiführen,<br />

mehr ärztliche Aufgaben an andere Berufsgruppen<br />

zu delegieren, vor allem aber die medizinischen<br />

Berufe von diesem „Bürokratiemonster“ zu<br />

befreien. Das Medizinstudium muss zudem wesentlich<br />

praxisorientierter werden – wie es zum Beispiel<br />

in der Medizinischen Hochschule Brandenburg bereits<br />

erfolgreich vorexerziert wird.<br />

Auch wenn der Personalmangel dies deutlich erschwert<br />

- die Krankenhäuser müssen wieder attraktiver<br />

für ihre Mitarbeiter werden. Das ist eine wichtige<br />

Führungsaufgabe des Managements. Ein wichtiger<br />

Aspekt dabei ist die Unternehmenskultur. Sie zeigt<br />

sich nicht vor allem in Postulaten auf Papier, sondern<br />

im täglichen Umgang der Mitarbeiter untereinander,<br />

mit Patienten, Angehörigen, und dem Bild,<br />

das nach außen wirkt.<br />

Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang ist<br />

Verlässlichkeit. Gilt, was heute gesagt wird, auch<br />

morgen noch? Gilt es auch, wenn ein neuer Geschäftsführer<br />

kommt? Die „Verweildauer“ von Geschäftsführern<br />

deutscher Krankenhäuser ist im<br />

Schnitt kürzer als die von DAX-Vorständen. Man hat<br />

manchmal schon den Eindruck, dass Geschäftsführer<br />

von Trägern schneller ausgewechselt werden als<br />

Fußballtrainer. Das ist keine nachhaltige Entwicklung,<br />

das schafft kein Vertrauen bei den Mitarbeitern.<br />

Es verhindert Engagement und trübt auch für<br />

potenzielle Bewerber das Bild des Krankenhauses.<br />

Attraktivität für Mitarbeiter und Bewerber entsteht<br />

auch durch Chancen für diejenigen, die im Beruf<br />

weiterkommen wollen. „Exzellenz in der Pflege“<br />

– ein gemeinsames Papier des Bundesverbandes<br />

Pflegemanagement, des Verbandes der Pflegedirektorinnen<br />

und Pflegedirektoren der Universitätskliniken<br />

und Medizinischen<br />

Hochschulen sowie des Katholischen<br />

Pflegeverbandes<br />

– veröffentlicht im Juli<br />

dieses Jahres, zeigt einen<br />

Weg, wie gut ausgebildete<br />

und engagierte Mitarbeiter<br />

gewonnen und im Krankenhaus<br />

gehalten werden<br />

können – und damit auch<br />

attraktiver für Patienten<br />

werden: durch Exzellenz in<br />

der Pflege. Es gehe, heißt<br />

es darin, um Professionalität auf der ganzen Linie,<br />

um Exzellenzförderung. Sicher auch dies gerade angesichts<br />

des Fachkräftemangels besonders schwierig,<br />

grundsätzlich aber notwendig.<br />

Die Digitalisierung der Krankenhäuser gehört zum<br />

notwendigen Strukturwandel und wird auch die<br />

Arbeit aller Berufsgruppen verändern. Eine andere<br />

Form des Personaleinsatzes, eine Entlastung der<br />

Pflegenden und der Ärzte von einem Großteil der<br />

bürokratischen Pflichten, besser gestaltete Prozesse<br />

sind die Hoffnungen, die sich damit verbinden. Damit<br />

das möglich wird, ist aber – und das fordert der<br />

<strong>VKD</strong> seit etlichen Jahren ebenfalls – ein Masterplan<br />

Digitalisierung sowie ein gesamtgesellschaftlicher<br />

Kraftakt zu deren Finanzierung notwendig. Allein aus<br />

Bordmitteln kann das den Häusern nicht gelingen.<br />

„<br />

Auch wenn der Personalmangel<br />

dies deutlich erschwert - die Krankenhäuser<br />

müssen wieder attraktiver<br />

für ihre Mitarbeiter werden.<br />

Das ist eine wichtige Führungsaufgabe<br />

des Managements. Ein wichtiger<br />

Aspekt dabei ist die Unternehmenskultur.<br />

“<br />

Gleichzeitig muss auch an die seit Jahren von den<br />

Bundesländern ignorierte Pflicht zu einer auskömmlichen<br />

Investitionsfinanzierung erinnert werden, die<br />

an der Personalmisere ihren erheblichen Anteil hat.<br />

Das Problem des Fachkräftemangels hat sich in Jahren<br />

– ja Jahrzehnten - aufgebaut. Es wird sich nicht<br />

binnen kurzem lösen lassen. Für wirklich nachhaltige<br />

Veränderungen ist im Grunde eine Disruption<br />

des gegenwärtigen Gesundheitssystems notwendig,<br />

die alle Bereiche einbezieht. Diese kann aber<br />

nicht in einer extremen Reduzierung der Krankenhausstandorte<br />

bestehen, wie es im Sommer die<br />

Bertelsmann-Stiftung ganz im Einklang mit den<br />

Krankenkassen forderte. Nicht nur die Versorgung<br />

in ländlichen Regionen würde damit angesichts der<br />

defizitären Zahl an Fachärzten im niedergelassenen<br />

Bereich zur Disposition gestellt. Auch der Mangel an<br />

Fachkräften wäre damit keinesfalls behoben. Abgesehen<br />

davon, dass so die Zahl der Patienten, die versorgt<br />

werden müssen, nicht sinken würde. Werden<br />

die Mitarbeiter der zu schließenden Häuser wirklich<br />

mit fliegenden Fahnen in weiter entfernte Zentren<br />

wechseln? Wohl kaum!<br />

Zu erinnern ist in diesem<br />

Zusammenhang an die Ergebnisse<br />

der Kommission<br />

„Gleichwertige Lebensverhältnisse“,<br />

veröffentlicht<br />

ebenfalls im Juli dieses<br />

Jahres, die auch den Wert<br />

regionaler Gesundheitsangebote<br />

betont – Arztpraxen,<br />

Krankenhäuser,<br />

Pflegeeinrichtungen. Das<br />

unterstützt auch der <strong>VKD</strong>.<br />

Der Fachkräftemangel ist<br />

nur ein Symptom für den notwendigen Strukturwandel<br />

in der Gesundheitsversorgung. Bei allen<br />

Möglichkeiten, hier aktuell gegenzusteuern, kann<br />

er doch grundsätzlich nicht unabhängig von den<br />

übrigen Herausforderungen betrachtet und gelöst<br />

werden. Es ist ja keine neue Erkenntnis: Stationäre<br />

und ambulante Versorgung müssen gemeinsam<br />

gedacht und geplant werden – und dies entsprechend<br />

den regionalen Bedingungen. Ausgebaut<br />

werden müssen Versorgungszentren an Krankenhäusern,<br />

vor allem in den ländlichen Regionen.<br />

Die Kosten dafür sind als gesamtgesellschaftliche<br />

Aufgabe zu sehen, die sich nicht nur auf die Gesundheitsversorgung<br />

an sich bezieht, sondern auf<br />

das gesamte Umfeld. Für all das brauchen wir einen<br />

langen Atem.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 22 23<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Der Fachkräftemangel löst sich<br />

nicht von alleine<br />

Ein Plädoyer für die Ausbildung<br />

Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen. Erst recht nicht im Gesundheitswesen.<br />

Wer Fachkräfte ausbildet, ist im Wettbewerb um die<br />

besten Köpfe im Vorteil. Die Mühlenkreiskliniken sind sich dieses<br />

Zusammenhangs schon lange bewusst – auch zu Zeiten, als Ausbildungsaktivitäten<br />

von Unternehmen eher als nette Investition in<br />

das eigene gesellschaftliche Ansehen denn als notwendige Investition<br />

in die Zukunft gesehen wurden. In der härtesten Sanierungsphase<br />

der Mühlenkreiskliniken wurde 2010 mit der Akademie für<br />

Gesundheitsberufe eine Aus- und Weiterbildungseinrichtung geschaffen,<br />

die immer weit über den eigenen Bedarf hinaus Fachund<br />

Führungskräfte aus- und weitergebildet hat. Als die Landesregierung<br />

NRW mit der Ausweitung des Bochumer Modells den Weg<br />

für die Einrichtung eines Universitätsklinikums in unserer Region<br />

frei gemacht hat, schlugen die Mühlenkreiskliniken beherzt zu.<br />

Seitdem bilden wir jährlich 60 künftige Medizinerinnen und Mediziner<br />

aus – nicht zuletzt für unsere Zukunft.<br />

Der Wettbewerb um Pflegekräfte ist spätestens seit der Festsetzung<br />

von Pflegepersonal-Untergrenzen durch die Bundesregierung in vollem<br />

Gang. Aber auch in vielen anderen Berufen ist die Not groß: Medizinisch-<br />

Technische-Laboratoriumsassistenz, Medizinisch-Technische-Radiologieassistenz,<br />

Operationstechnische Assistenz, Hebammen – um nur einige<br />

zu nennen. Eine ganze Branche – so scheint es – hat den Bedarf an Fachkräften<br />

im Gesundheitswesen falsch eingeschätzt. Nicht zu vergessen<br />

die Ausbildungskapazitäten im ärztlichen Bereich, die Landespolitiker<br />

aller Couleur in den 90ern bundesweit zusammengestrichen haben.<br />

Das Problem hat in verschiedenen Regionen andere Schwerpunkte. Das<br />

Grundproblem aber bleibt: Den Kliniken und Krankenhäusern fehlen die<br />

Fachkräfte – überall. Metropolregionen wie Berlin, Hamburg, Köln oder<br />

München haben insbesondere im Bereich der Pflege Besetzungssorgen,<br />

ländliche Regionen – wie die unsere – kämpfen um jeden Mediziner.<br />

Mehr Werbung ist nur<br />

kurzzeitig erfolgreich<br />

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten mit der Situation umzugehen:<br />

Man macht Werbung in eigener Sache und versucht auf Kosten anderer<br />

Akteure im Gesundheitswesen durch Marketingkampagnen und das<br />

Verteilen von scheinbaren Geschenken seine Schäfchen ins Trockene zu<br />

bringen. Auch wir planen eine solche Imagekampagne. Der Weg ist kurzfristig<br />

vielversprechend und gleichzeitig langfristig wirkungslos. Denn es<br />

werden alle machen. Egal an welchem Ende man an der Decke zieht, am<br />

Ende ist die Decke zu kurz.<br />

Autor<br />

Oliver Neuhaus<br />

Direktor der Akademie für<br />

Gesundheitsberufe der<br />

Mühlenkreiskliniken<br />

Autor<br />

Dipl.-Sozw.<br />

Christian Busse<br />

Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit<br />

und Marketing<br />

sowie Pressesprecher<br />

der Mühlenkreiskliniken<br />

Foto: Sven-Olaf Stange<br />

Foto: privat<br />

>><br />

Ausweitung der Ausbildungskapazitäten<br />

ist die nachhaltige<br />

Lösung<br />

Alternativ sorgt man durch die Stärkung der eigenen<br />

Ausbildungsaktivitäten selbst für den dringend<br />

benötigten Nachwuchs. So sehr man in der aktuellen<br />

Notsituation natürlich auch zur ersten Möglichkeit<br />

greift, so richtig ist auch, dass die dauerhafte<br />

Lösung des Problems einzig und allein durch die<br />

massive Ausweitung der Ausbildungskapazitäten<br />

erreicht wird.<br />

Akademie für Gesundheitsberufe<br />

Foto: Veit Mette<br />

Die Mühlenkreiskliniken<br />

(MKK)<br />

Die Mühlenkreiskliniken AöR sind mit mehr<br />

als 4.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und<br />

200.000 behandelten Patientinnen und Patienten<br />

an fünf Standorten im Jahr der mit Abstand größte<br />

Klinikverbund in OWL. Deutschlandweit sind die<br />

Mühlenkreiskliniken der zwölftgrößte kommunale<br />

Klinikkonzern.<br />

Seit 2016 bilden wir in Kooperation mit dem Klinikum<br />

Herford, dem HDZ NRW und der Ruhr-Universität<br />

Bochum Medizinstudierende am Medizin<br />

Campus OWL aus. Das Johannes Wesling Klinikum in<br />

Minden ist das erste Universitätsklinikum der Akutversorgung<br />

in OWL. Die Mühlenkreiskliniken verbinden<br />

sehr erfolgreich universitäre Spitzenmedizin,<br />

Wissenschaft und Lehre mit regionaler Grund- und<br />

Regelversorgung in einem ländlichen Umfeld.<br />

Aus diesem Grund haben die Mühlenkreiskliniken<br />

mit ihrer konzerneigenen Akademie für Gesundheitsberufe<br />

einen starken Partner für die Aus- und<br />

Weiterbildung aufgebaut. Die Akademie ist in der<br />

größten Krise des kommunalen Klinikkonzerns im<br />

Jahr 2010 gegründet worden. Trotz eines massiven<br />

und zum Teil auch schmerzhaften Spardrucks im<br />

Unternehmen, wurde in die Ausbildung von jungen<br />

Menschen investiert. Heute ist die Bildungseinrichtung<br />

mit mehr als 500 Auszubildenden nach den<br />

öffentlichen Schulen die größte Bildungseinrichtung<br />

im Kreis Minden-Lübbecke. Die meisten für ein<br />

Krankenhaus relevanten Gesundheitsberufe werden<br />

in der Akademie ausgebildet: von der Hebamme<br />

bis zur Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz.<br />

Die Ausbildungskapazitäten wurden seit dem Jahr<br />

2015 um knapp ein Drittel sukzessive erhöht. In<br />

Kooperation mit der Fachhochschule Bielefeld bietet<br />

die Akademie zudem das Duale Studium in der<br />

Gesundheits- und Krankenpflege an. In vier Jahren<br />

können die Studierenden sowohl die klassische<br />

Pflegeausbildung absolvieren als auch den akademischen<br />

Grad Bachelor of Science erwerben.<br />

Viele ausgebildete<br />

Fachkräfte bleiben<br />

Die Erfahrung zeigt: Viele der bei uns ausgebildeten<br />

jungen Fachkräfte wollen nach ihrem Examen erstmal<br />

bei den Mühlenkreiskliniken bleiben. In der Regel<br />

unterbreiten wir heute jedem Absolventen im<br />

Pflegebereich ein Angebot – die meisten nehmen<br />

es an. Wir bieten ihnen ein attraktives Arbeitsumfeld<br />

in einer vertrauten Umgebung, gute Weiterbildungschancen<br />

und ein faires Gehalt nach dem<br />

TVöD. Wir sind unseren Mitarbeitern gegenüber ein<br />

verlässlicher Partner.<br />

Es kommt vor, dass junge Menschen nach einigen<br />

Jahren Berufserfahrung mit der Begründung kündigen,<br />

sie wollen mal etwas anderes sehen. Viele von<br />

diesen Eigengewächsen kommen dann nach einer<br />

unter Umständen mehrjährigen auswärtigen Tätigkeit<br />

mit der Begründung wieder zurück, sie wollten<br />

wieder in IHREM Krankenhaus arbeiten.<br />

Erfahrungen sammeln im<br />

eigenen Unternehmen<br />

Natürlich freut es uns, wenn Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter Erfahrungen sammeln möchten und<br />

über den Tellerrand der eigenen Station oder des<br />

eigenen Bereichs hinausschauen wollen. Doch –<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 24 25<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

so unsere Überlegungen – müssen sie dafür das<br />

Unternehmen verlassen? Wir denken: Nein. Unser<br />

Konzern mit fünf Standorten, knapp 5000 Mitarbeitern<br />

und mehr als<br />

40 Kliniken und<br />

Instituten fast aller<br />

medizinischen<br />

Fachrichtungen<br />

bietet genügend<br />

E n t w i c k l u n g s -<br />

möglichk eiten.<br />

Und so wurden<br />

in Zusammenarbeit<br />

mit den Pflegedirektoren,<br />

der<br />

Personalabteilung<br />

und der Akademie<br />

für Gesundheitsberufe<br />

Förderkonferenzen<br />

und<br />

Traineeprogramme<br />

ins Leben gerufen.<br />

Wir gehen<br />

seitdem aktiv auf<br />

potentielle künftige<br />

Führungskräfte<br />

im eigenen Unternehmen<br />

zu. Wir<br />

diskutieren mit<br />

ihnen Förder- und<br />

Weiterbildungsmöglichkeiten.<br />

Diese Instrumente<br />

sind Teil einer<br />

sehr erfolgreichen<br />

Bindungsstrategie. Die Fluktuationsrate ist dadurch<br />

in den vergangenen Jahren noch einmal gesunken.<br />

Meilenstein Uniklinik<br />

Ein weiterer Meilenstein war die Aufnahme des<br />

Johannes Wesling Klinikums in den Verbund des<br />

Universitätsklinikums der Ruhr-Universität Bochum<br />

(RUB). Die Landesregierung NRW hatte 2014 den<br />

Plan entwickelt, das Bochumer Modell zu erweitern.<br />

Das Bochumer Modell sieht vor, dass die Studierenden<br />

den ersten Teil des Studiums an der Medizinischen<br />

Fakultät an der RUB in Bochum absolvieren<br />

und den zweiten Teil in verschiedenen Krankenhäusern<br />

in NRW, die zusammen das Universitätsklinikum<br />

der Ruhr-Universität Bochum bilden. Die<br />

Mühlenkreiskliniken bewarben sich zusammen mit<br />

dem Klinikum Herford in einem Bieterverfahren<br />

und bekamen den Zuschlag. Seit 2016 studieren<br />

64 Medizinstudierende an den Einrichtungen der<br />

Mühlenkreiskliniken. Seitdem kommen jährlich 60<br />

Studierende hinzu. Der erste Jahrgang ist derzeit im<br />

Medizinerausbildung<br />

Fotos: Sven-Olaf Stange<br />

Praktischen Jahr<br />

und wird Ende<br />

des Jahres als approbierte<br />

Medizinerinnen<br />

und<br />

Mediziner dem<br />

Arbeitsmarkt zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Selbstverständlich<br />

gehen wir nicht<br />

davon aus, dass alle<br />

64 Studierenden<br />

als Assistenzärzte<br />

bei uns anfangen<br />

werden. Doch die<br />

ersten Arbeitsverträge<br />

sind bereits<br />

geschlossen. Der<br />

erwartete Klebeeffekt<br />

beginnt Wirkung<br />

zu zeigen.<br />

Die Übernahme der Ausbildungsverpflichtung<br />

im Bochumer Modell ist eine<br />

nicht zu unterschätzende Leistung aller<br />

im Unternehmen beschäftigter Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter. Insbesondere<br />

die Ärzte und die Fachvertreter<br />

haben mit großem persönlichem Engagement<br />

die Lehrverpflichtungen übernommen.<br />

Hinzu kommen zusätzliche<br />

Forschungsvorhaben, die auch in einem<br />

jungen Universitätsklinikum immer breiteren Raum<br />

einnehmen und sowohl zeitliche als auch finanzielle<br />

und technische Ressourcen benötigen.<br />

Es gibt nur einen Weg, um einen Fachkräftemangel<br />

im eigenen Unternehmen mittel- und langfristig zu<br />

verhindern: Ausbildung und Studium.<br />

Es wird schwieriger –<br />

daher fangen wir früh an<br />

Kritiker unseres Wegs entgegnen uns, dass die Ausweitung<br />

der Ausbildungskapazitäten auch an ihre<br />

Grenzen stoßen wird, da immer mehr Branchen<br />

über einen Fachkräftemangel stöhnen und Ausbildungskapazitäten<br />

erhöhen. Im Grundsatz ist dieser<br />

Einwand berechtigt. Bislang schaffen wir es aber,<br />

unsere Kurse an der Akademie für Gesundheitsberufe<br />

durch Werbung weitestgehend zu besetzen.<br />

Teddy-Docs bei der Arbeit, Foto: Sven-Olaf Stange<br />

Dennoch sehen auch wir, dass es schwieriger wird,<br />

Menschen für einen Beruf im Gesundheitswesen<br />

zu begeistern. Aber auch hier gehen wir nicht den<br />

einfachen Weg einer ausschließlichen werblichen<br />

Aufrüstungsspirale um künftige Auszubildende. Wir<br />

fangen früher an. Viel früher - und zwar im Kindergarten.<br />

Studierende behandeln im<br />

Teddybär-Krankenhaus<br />

Unsere Studierenden bieten mit Unterstützung unseres<br />

Hauses beispielsweise ein Teddybär-Krankenhaus<br />

an. Ganze Kindergartengruppen kommen zu<br />

uns und bringen ihre vermeintlich verletzten Teddys<br />

mit. Die verletzten Teddys durchlaufen zusammen<br />

mit den besorgten Kindern einen liebevoll von<br />

den Teddy-Docs erarbeiteten Behandlungsprozess<br />

– von der Aufnahme, über die Röntgenabteilung<br />

bis hin zum OP. Mit einem Pflaster werden alle Teddys<br />

im Anschluss wieder entlassen. Diese Aktion<br />

soll den Kindern Angst vor einem eigenen Aufenthalt<br />

im Krankenhaus nehmen. Aber ganz häufig<br />

kommen Kinder so auch zum ersten Mal in einen<br />

ungezwungenen Kontakt zu einem (angehenden)<br />

Mediziner. Mehr noch, sie werden Co-Therapeut,<br />

weil sie bei der OP natürlich dabei sind und helfen.<br />

Es ist häufig der erste spielerische Kontakt der Kinder<br />

mit einem Beruf aus dem Gesundheitswesen.<br />

Erzieher haben berichtet, dass im Anschluss an den<br />

Besuch viele Jungen und Mädchen wochenlang<br />

im Kindergarten „Krankenhaus“ gespielt und dabei<br />

unzählige Teddybären behandelt haben.<br />

Vorlesungen an der Kinderuni<br />

Und es geht weiter. Für Grundschulkinder bieten<br />

die Mühlenkreiskliniken die „Kinder Universität<br />

Medizin“ an. Zehnmal im Jahr laden wir Kinder<br />

zwischen 8 und 12 Jahren zu einer einstündigen<br />

Vorlesung zu uns ein. Das Interesse ist überwältigend!<br />

Nach drei Wochen waren alle zehn über das<br />

Jahr verteilten Vorlesungen ausgebucht. Einmal im<br />

Monat treffen sich seitdem zwischen 150 und 200<br />

Kinder, um eine Stunde einen kindgerechten Vortrag<br />

über ein medizinisches Spezialthema zu hören<br />

– mitmachen und ausprobieren inklusive. Wer mindestens<br />

sechs Vorlesungen besucht hat, bekommt<br />

ein „Kinderdiplom“. Ein solches Diplom hängt mittlerweile<br />

in unzähligen Kinderzimmern.<br />

Bewerberfachtage und Tag der<br />

Gesundheitsberufe<br />

Wenn es dann für junge Menschen um die Berufsentscheidung<br />

geht, intensivieren unsere Pflegepädagogen<br />

der Akademie für Gesundheitsberufe<br />

den Kontakt zu den potentiellen Bewerberinnen<br />

und Bewerbern. Wir bieten allgemeinbildenden<br />

Schulen in der Region gezielt Bewerberfachtage<br />

an. Wir gehen in die Schulen. Wir berichten von unseren<br />

Ausbildungsberufen und den Chancen und<br />

Perspektiven, die die Gesundheitsbranche bietet.<br />

Regelmäßig besuchen darüber hinaus zahlreiche<br />

Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Schulformen<br />

die Akademie für Gesundheitsberufe und<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 26 27<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Teddy-Klinik<br />

Foto: Sven-Olaf Stange<br />

Akademie für Gesundheitsberufe<br />

Foto: Veit Mette<br />

Unsere Mitarbeiter heute – und morgen<br />

Strategisches Personalmanagement – die aktuelle Bewerberlage<br />

und die künftigen Herausforderungen<br />

Von einem Fachkräftenotstand könne bis jetzt<br />

in den Krankenhäusern der GLG Gesellschaft für<br />

Leben und Gesundheit nicht gesprochen werden.<br />

Offene Stellen werden in relativ kurzer Zeit<br />

wiederbesetzt. „Wir spüren jedoch, dass dies<br />

schwieriger wird“, sagt Andreas Gericke, Leiter<br />

der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Kommunalunternehmens.<br />

Foto: GLG Werner Forßmann Klinikum<br />

nehmen das Angebot einer ausführlichen Berufsinformation<br />

in Anspruch. Mit der Maßnahme sind<br />

über die Kreisgrenzen hinweg gelebte langjährige<br />

Kooperationen mit unterschiedlichen Schulformen<br />

entstanden. Des Weiteren führt die Akademie für<br />

Gesundheitsberufe neben den Berufsmessen auf<br />

Kreisebene regelmäßig einen „Tag der Gesundheitsberufe“<br />

durch. Mit dem entwickelten Konzept mit<br />

zahlreichen Partnern aus dem Gesundheitswesen<br />

werden berufsspezifische Einblicke vermittelt und<br />

vielfältige Karrierewege und Spezialisierungsmöglichkeiten<br />

in den Gesundheitsberufen aufgezeigt.<br />

Dieses Konzept stößt mit bis zu 500 Teilnehmern<br />

immer wieder auf große Resonanz und kann als sehr<br />

erfolgreich bezeichnet werden. Am Tag der Gesundheitsberufe<br />

bieten wir seit einiger Zeit die Möglichkeit<br />

einer Bewerbung vor Ort mit Sofortzusage an.<br />

Das Konzept ist sehr erfolgreich. Bis zu 50 zum Teil<br />

sehr hochklassige Bewerbungen erreichen uns auf<br />

diesem Wege an einem Tag.<br />

Faszination für Berufe im<br />

Gesundheitswesen wecken<br />

Neben der direkten Berufsinformation gibt es aber<br />

auch den klinischen Kontakt in die Krankenhäuser.<br />

Für Jugendliche gibt es das P.A.R.T.Y-Programm<br />

der Unfallchirurgen zur Unfallverhütung. Auch hier<br />

laden wir Jugendliche gezielt in die Klinik ein und<br />

sprechen mit ihnen über Medizin. Für Abiturienten<br />

bieten wir beispielsweise die Übernahme einer<br />

Patenschaft für eine Gesundheits-AG an. In diesen<br />

Kursen geht es gezielt um mögliche Berufsfelder in<br />

Medizin oder der Pflege. Wir nutzen jede Gelegenheit,<br />

um mit Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen<br />

in Kontakt zu kommen. Wir versuchen,<br />

ihnen die Faszination für einen Beruf im Gesundheitswesen<br />

zu vermitteln. Und der Blick in zum Teil<br />

begeisterte Gesichter nach solchen Veranstaltungen<br />

zeigt, es wirkt.<br />

Diese Aktivitäten sehen wir als zentrale Bausteine<br />

an, um künftig junge Menschen für einen Beruf in<br />

der Gesundheitsbranche zu gewinnen. Arbeiten in<br />

der Pflege, Arbeiten in der Medizin – das muss wieder<br />

„fly“ sein. Nur wenn wir es als Branche schaffen,<br />

die Faszination für Gesundheitsberufe zu vermitteln,<br />

werden wir künftig genügend Fachkräfte ausbilden<br />

und beschäftigen können. An dieser Stelle möge<br />

sich jeder Akteur im Gesundheitswesen selber prüfen,<br />

welches Bild er von der Gesundheitsbranche<br />

als attraktives Arbeitsfeld nach außen vermittelt.<br />

Dabei dürfen alte Kampflinien getrost als überholt<br />

gelten. Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretungen<br />

sitzen bei einer der entscheidenden Zukunftsfragen<br />

im selben Boot. Es scheint leider so, als hätten das<br />

einige noch nicht ganz verstanden.<br />

Dennoch sei, so Gericke, die Bewerberlage in einigen<br />

Berufsgruppen schwierig. „Rein bevölkerungsstatistisch<br />

ist absehbar, dass die heutige Zahl an<br />

Pflegefachkräften in Deutschland in fünf bis zehn<br />

Jahren keinesfalls mehr aufgeboten werden könne.<br />

Viele ältere Fachkräfte erreichten dann das Rentenalter.<br />

Dass Brandenburg zudem Anfang der neunziger<br />

Jahre die weltweit niedrigste Geburtenrate hatte,<br />

habe einen „Knick“ in der Bevölkerungsstruktur verursacht,<br />

der sich ebenfalls auswirke.<br />

Gemischte Erfahrungen<br />

Die GLG ist das Thema Fachkräftegewinnung schon<br />

vor vielen Jahren aktiv angegangen. Damals wurden<br />

35 Krankenschwestern aus dem Baltikum angeworben.<br />

Trotz Betreuungs- und Schulungsprogramm<br />

sind inzwischen aber nur noch wenige im Unternehmen.<br />

Viele kehrten nach Hause zurück, andere<br />

nutzten den Einstieg in den GLG-Krankenhäusern,<br />

um dann weiter nach Westdeutschland zu ziehen.<br />

Alles in allem, so die Erfahrung der vergangenen<br />

Jahre, hätten Anwerbeaktionen ausländischer Pflegefachkräfte<br />

nicht die Erwartungen erfüllt.<br />

Während es im Unternehmen nahe der polnischen<br />

Grenze kaum polnische Pflegekräfte gibt, arbeiten<br />

mehrere polnische Ärzte insbesondere im GLG<br />

Kreiskrankenhaus Prenzlau. Eine enge Kooperation<br />

besteht auch mit dem Universitätsklinikum Stettin<br />

bezüglich der praktischen Ausbildung von Ärzten.<br />

GLG Gesellschaft für Leben und<br />

Gesundheit mbH<br />

Der GLG-Verbund ist der größte Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen<br />

im Nordosten Brandenburgs.<br />

Er umfasst fünf Krankenhäuser und eine Fachklinik für<br />

Rehabilitation, Medizinische Versorgungszentren mit<br />

Arzt- und Facharztpraxen in Eberswalde, Finowfurt, Angermünde<br />

und Prenzlau, ein ambulantes Rehabilitationszentrum,<br />

einen ambulanten Pflegedienst und eine<br />

Medizinservice-GmbH, außerdem Wohnstätten, Tageskliniken<br />

und Beratungsstellen für psychisch erkrankte<br />

Menschen in Angermünde, Bad Freienwalde, Bernau,<br />

Criewen, Eberswalde, Prenzlau, Schwedt und Templin.<br />

Die GLG ist zugleich der größte Arbeitgeber in der Region,<br />

ein wichtiger Investor und Ausbildungsbetrieb.<br />

Gesellschafter der GLG mbH sind die Landkreise Barnim<br />

(71,1 %) und Uckermark (25,1 %) sowie die Stadt Eberswalde<br />

(3,8 %).<br />

Aus der Region für die Region<br />

Als der effektivste Weg hat sich für die GLG bisher erwiesen,<br />

intensiv Pflegefachkräfte aus der Region für<br />

die Region zu werben und darauf die Kräfte zu fokussieren.<br />

Das Unternehmen hat für den Pflegebereich<br />

ein starkes Fachkräfte-Nachwuchsprogramm in der<br />

Region gestartet. Dazu gehören Kooperationsver-<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 28 29<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

träge mit den Schulen, spezielle Praktikumsangebote,<br />

Aktionstage, Hilfe bei der beruflichen Orientierung.<br />

Schon ab der 9. Klasse gibt es Angebote für<br />

Patenschaften.<br />

Im Rahmen einer Führungskräfteklausur berichtete<br />

die Verwaltungsdirektorin des GLG-Martin-Gropius-<br />

Krankenhauses von der Umsetzung eines neuen<br />

Personalentwicklungskonzeptes. Hierbei ging es<br />

zunächst um die Fragen, welche Gründe Mitarbeiter<br />

haben, das Unternehmen zu verlassen, und wie neu<br />

eingestellte Mitarbeiter besser in Empfang genommen<br />

werden können. Das Ergebnis war ein ganzer<br />

Katalog von Ideen, die umgesetzt wurden. So gibt<br />

es nun u.a. die Stelle einer Mentorin für Personalmanagement.<br />

Foto: GLG<br />

GLG Agenda-Diplom Angermünde<br />

Dennoch ist auch das regionale Potenzial an möglichen<br />

Nachwuchskräften begrenzt. Die Qualität der<br />

Bewerbungen sinkt teilweise. Daher hat die GLG<br />

ihre Aktivitäten inzwischen auch auf Berlin erweitert,<br />

nimmt zum Beispiel an Berufsmessen teil und<br />

plant derzeit auch U-Bahn-Werbung. Hier steht das<br />

Unternehmen allerdings im Wettbewerb mit den<br />

hauptstädtischen Krankenhäusern. Es erweist sich<br />

als schwierig, Pflegekräfte aus Berlin zum Pendeln<br />

nach Eberswalde zu bewegen, da diese vor Ort genügend<br />

Angebote finden.<br />

Bei den Ärzten ist die Situation deutlich anders. Im<br />

Klinikum Barnim Werner Forßmann-Krankenhaus<br />

der GLG und im Martin Gropius Krankenhaus, beide<br />

in Eberswalde, arbeiten rund 350 Pendler aus Berlin.<br />

Zeitlich ist das sicher kein Problem, denn Fahrtzeiten<br />

können innerhalb Berlins deutlich länger sein. Vom<br />

Berliner Hauptbahnhof nach Eberswalde braucht<br />

die Bahn 35 Minuten.<br />

Auswirkungen aktueller<br />

Entwicklungen auf die<br />

Fachkräftesituation<br />

Zum vorausschauenden Handeln im Personalbereich<br />

gehört aber zwingend auch, die aktuellen<br />

Entwicklungen sowie die sich daraus ergebende<br />

Strategie des Unternehmens einzubeziehen. Seit<br />

2015 stagnieren bzw. sinken die Fallzahlen<br />

in deutschen Krankenhäusern. Von einer<br />

weiteren Expansion im Gesundheitswesen<br />

auszugehen ist daher der falsche<br />

Weg, so die Bewertung der Führungskräfte<br />

der GLG.<br />

Die Zukunft der Gesundheitsversorgung<br />

werde durch neue Versorgungsmodelle<br />

geprägt sein, durch Zentrenbildung,<br />

Spezialisierung, ambulant-stationäre<br />

Kooperationen, wie sie gerade vom Medizinisch-Sozialen<br />

Zentrum Uckermark<br />

gGmbH und dem GLG-Kreiskrankenhaus<br />

Prenzlau beschritten und vom Strukturfonds<br />

gefördert werden. Ziel ist die Umwandlung<br />

des Krankenhauses in ein Gesundheitszentrum<br />

– auch mit der Folge,<br />

dass weniger Pflegepersonal benötigt<br />

wird. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei<br />

auch die Telemedizin zur Einbindung des<br />

Standortes in die Gesamtversorgung.<br />

Die Digitalisierung wird zudem alle Bereiche der Gesundheitsversorgung<br />

und natürlich auch Berufsbilder<br />

verändern.<br />

Wie viel Personal in welchen Berufen und mit welcher<br />

Qualifikation die GLG künftig benötigen und<br />

entsprechend qualifizieren, für sich gewinnen und<br />

halten muss, ist eine wesentliche strategische Frage,<br />

ohne deren Beantwortung die Zukunft nicht gestaltet<br />

werden kann. Die Weichen werden in der GLG<br />

neu gestellt.<br />

Redaktion <strong>Praxisberichte</strong><br />

Gute Köpfe schätzen gute Kommunikation<br />

Wie sich ein offensives Marketing auf die Gewinnung und Bindung<br />

von Mitarbeitern in Zeiten des Fachkräftemangels auswirkt<br />

Am Anfang stand die kreative Zerstörung und<br />

Neuerfindung des Marketings sowie der Kommunikationsstrategie<br />

an den KEM I Evang. Kliniken<br />

Essen-Mitte. Im Verlauf der Entwicklung<br />

eines neuen CD/CI-Konzeptes bemerkten wir<br />

die positiven Zusatzeffekte in Bezug auf die<br />

Mitarbeiterbindung und –gewinnung. Eine<br />

weitere Lektion: die neuartige und mutige Gestaltung<br />

führt zudem zu einer höheren Identifikation<br />

und sogar zu einer Motivation Bestehendes<br />

zu ändern, neue Ideen einzutragen und<br />

sich als KEM-Botschafter zu begreifen.<br />

Das Marketing an den KEM ist seit vielen Jahren im<br />

Markt etabliert und sogar mehrfach preisgekrönt.<br />

Dennoch haben wir im Jahr 2017, im Rahmen<br />

einer Fusion, entschieden, dass eine<br />

neue Marketing- und Kommunikationsstrategie<br />

wahrnehmungseffektiv und jenseits<br />

des Markendogmas entwickelt werden<br />

sollte. Der selbstgewählte Slogan lautete:<br />

Vergiss die Marke! Erzeuge Aufmerksamkeit!<br />

Und dazu besonders: Erstmals ohne jede<br />

Mitwirkung einer Werbeagentur.<br />

Die Neuerfindung des<br />

Marketings an den KEM I Evang.<br />

Kliniken Essen-Mitte<br />

Innerhalb von nur 14 Monaten haben wir in-house<br />

ein neues Corporate Design & Corporate Identity<br />

(CD & CI)-Konzept aufgesetzt. Das alte Logo haben<br />

wir ins Heute übersetzt, Farbkonzepte und typografische<br />

Vorgaben revidiert sowie sämtliche Printprodukte<br />

und die Homepage mit 22 Fachklinikseiten<br />

neu erfunden. Dieser kreative Zerstörungsprozess<br />

ließ sich nur unter Einbindung aller Chefärzte, vieler<br />

interessierter und engagierter MitarbeiterInnen bewältigen.<br />

Das Klinik-Gesicht haben wir nach<br />

3 Prinzipien neu modelliert:<br />

1 2 3<br />

Bild vor<br />

Text<br />

Kurzer Text vor<br />

Ausführlichkeit<br />

Konsequente<br />

Laienverständlichkeit<br />

Symbolbild tim Mossholder / Pexels<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 30 31<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


*von ca. 2000 Kliniken<br />

Anz185x130_AzubiKnigge_190701.indd 1 01.07.19 12:03<br />

*von ca. 2000 Kliniken<br />

Anz185x130_AzubiKnigge_190701.indd 1 01.07.19 12:03<br />

>><br />

„<br />

Dieser kreative Zerstörungsprozess und die Neuerfindung ließen sich nur<br />

unter Einbindung aller Chefärzte sowie vieler interessierter und<br />

engagierter Mitarbeiter bewältigen.<br />

“<br />

1 2 3<br />

Im Ergebnis blicken wir auf ein zukunftsorientiertes,<br />

bildreiches, farbintensives und frisches Design, das<br />

die Patienten und Mitarbeitenden gleichermaßen<br />

anspricht.<br />

Erste Überraschung -<br />

Mitarbeiter wollen den Dialog<br />

Was uns am meisten überraschte, war die plötzlich<br />

einsetzende Intensität, mit der die Mitarbeiter sich<br />

immer häufiger zu Kampagnen und Veränderungen<br />

des Marketings äußerten. Das war neu und hatte es<br />

bei dem alten Marketing nicht gegeben. 3 Beispiele<br />

aus dem KEM-Alltag:<br />

>><br />

>><br />

Früher hießen wir Kliniken Essen-Mitte. Jetzt<br />

heißen wir KEM. Im Prozess der Neuerfindung<br />

stellten wir nämlich anhand von Interviews fest,<br />

dass intern immer von den KEM gesprochen<br />

wurde. Auch der im letzten Jahr abgeleitete<br />

Claim „KEM – Kompetenz. Exzellenz. Menschlichkeit.“<br />

entsprang dem Gedankenaustausch<br />

mit den Mitarbeitenden.<br />

Das neue Key Visual, die Doppelhelix: Weil die<br />

gen-basierte Krebsmedizin an den KEM eine<br />

übergeordnete Rolle spielt, haben wir uns dafür<br />

entschieden, mit diesem Visual zu werben – wir<br />

gingen von einer externen Verwendung und<br />

Wirkung aus.<br />

Dann fragten uns die ersten Mitarbeitenden plötzlich,<br />

ob sie die Helix als Aufkleber für ihr Auto oder in<br />

der Signatur nutzen dürften. Mitarbeitende schrieben<br />

uns, dass sie ein Helix-Plakat gesehen hätten,<br />

das sie gerne in ihr Büro hängen würden. Daran<br />

merkten wir deutlich, dass die Identifikation mit den<br />

KEM weiter wächst. Es wurde uns klar, dass die Veränderungen<br />

an den KEM, die wir zielgerichtet nach<br />

außen präsentierten – zum Beispiel auf Litfaßsäulen,<br />

Plakatwänden und in der Tageszeitung – auch innen<br />

mit hoher Aufmerksamkeit und Neugier verfolgt<br />

wurden.<br />

>><br />

Mitarbeitende senden uns jede Woche alte Prints<br />

zu – von Terminblöcken über Briefbögen und Klinikbroschüren<br />

bis hin zu alten Flyern und Plakaten<br />

– mit der dringenden Bitte, diese möglichst<br />

schnell in das neue KEM-Design zu verwandeln.<br />

Darüber hinaus gab und gibt es kontinuierlich Anregungen<br />

und den Zuspruch „Weiter so, Marketing!“<br />

Zweite Überraschung –<br />

Noch mehr gute Köpfe aus<br />

allen Richtungen wollen<br />

an die KEM<br />

Wir hatten nicht damit gerechnet, dass die<br />

eigenen Mitarbeiter sich derart austauschen<br />

und einbringen würden. Da überraschte es<br />

uns umso mehr, dass sogar potentielle Bewerber<br />

aus Medizin und Pflege - gerade in Zeiten<br />

des Fachkräftemangels – aktiv mit Bezug auf<br />

das neue Marketing auf uns zukamen, um die<br />

KEM näher kennen zu lernen. Das wiederum<br />

bestärkte uns darin, auch unsere Stellenanzeigen<br />

mutiger und provokanter zu gestalten. Die<br />

Aufmerksamkeit haben wir so also gesteigert.<br />

(s. Abb. 1, Stellenanzeige)<br />

Die neue Erscheinung der Klinik macht darüber hinaus<br />

auch zunehmend Gesundheitsunternehmen,<br />

wie Pharma, MedTech und Dienstleister, in neuer<br />

Weise auf uns aufmerksam. Das führt dazu, dass<br />

Mitarbeiter aus diesen Firmen sich bei uns vorstellen.<br />

War es früher so, dass insbesondere junge, karriereorientierte<br />

Mitarbeiter ungern im „verstaubten“<br />

Kliniksektor arbeiten wollten, so wirkt unser frisches<br />

und außergewöhnliches Auftreten offenbar nun anziehend<br />

auf sie.<br />

Von auSSen nach innen:<br />

Was das Marketing auSSerhalb<br />

der Klinik nach innen bewirkte<br />

Wir entschieden uns früh, dass wir über große Werbeflächen<br />

im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit erzeugen<br />

wollen. Wir werben daher regelmäßig – im<br />

Zuge aktueller Veranstaltungen und Neuerungen<br />

an den KEM – mit ausdrucksstarken und sehr farbintensiven<br />

Plakaten z. B. an Litfaßsäulen, Hauswänden,<br />

im Einkaufszentrum, am Bahnhof, an Cafés oder auf<br />

LKW. Hier übersetzen wir KEM immer wieder neu.<br />

Wir finden gemeinsam mit den Mitarbeitenden weitere<br />

Claims für die KEM, wie zum Beispiel: „KEM - Kreativ.<br />

Engagiert. Mutig.“<br />

Wir bleiben so im Dialog mit den Mitarbeitenden<br />

und eröffnen einen Raum für Identifikation und Kreativität<br />

an den KEM. Mit unserem ungewöhnlichen<br />

Design fallen wir auf – im Übrigen auch den Medienvertretern.<br />

Aufgefallen, weil Ausgefallen:<br />

Medienvertreter nehmen uns<br />

positiv wahr<br />

Mittlerweile konnten wir die Medienarbeit von<br />

regional auf überregional und sogar national ausdehnen.<br />

Haben wir früher hauptsächlich regionale<br />

Berichterstattung initiiert, so arbeiten wir nun vorwiegend<br />

überregional mit Qualitätsmedien, wie<br />

dem WDR, ZDF und der Funke Mediengruppe bis<br />

hin zur Telefonaktion mit der BILD. Neue Kontakte<br />

haben wir auch deshalb geknüpft, weil wir präsenter<br />

sind und dadurch länger in Erinnerung bleiben.<br />

Geballte Kompetenz in 22 Fachkliniken – die Chefärzte der KEM<br />

provided by<br />

Weil smart & digital<br />

alleine nicht reicht.<br />

KEM.<br />

Kreativ<br />

Einfühlsam<br />

Menschlich<br />

in Kooperation mit TELEKOM Healthcare Solutions<br />

kem-med.com<br />

Die KEM I Evang. Kliniken Essen-Mitte gGmbH<br />

Jede Krankheit ist anders – Jeder Mensch auch. Modernste<br />

Medizin und Forschung an den KEM | Evang. Kliniken<br />

Essen-Mitte bedeutet insbesondere auch teamorientierte<br />

und kommunikationsstarke Zusammenarbeit auf<br />

Die Kooperation mit der T-KOM ermöglicht<br />

ein kreatives Spiel mit unterschiedlichen<br />

Corporate Designs und Corporate<br />

Identities, die in den KEM und außerhalb<br />

gleichermaßen Interesse wecken.<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Die Medizin der Zukunft –<br />

schon jetzt an den KEM.<br />

Sei dabei.<br />

Moderne Medizin und Forschung<br />

an den KEM mit 22 Fachkliniken,<br />

2500 KEM-Botschaftern und<br />

einer ausgezeichneten Zusammenarbeit<br />

mit erfahrenen und kreativ<br />

denkenden Teams.<br />

Läuft bei uns an den KEM. Und bei Dir?<br />

laeuft-bei-mir@kem-med.com<br />

Hotline 0201 174-13001<br />

kem-med.com<br />

So kam eine Redakteurin vor Kurzem auf uns zu,<br />

die den auffälligen KEM-Beileger zur genbasierten<br />

Krebsmedizin in der Hand hielt und berichten wollte<br />

(s. Grafik Flyer Gen-Basierte Medizin). Wir merken<br />

deutlich, dass immer dann, wenn wir eine Kampagne<br />

starten, uns mehr Anfragen von außen erreichen.<br />

Die Medien sprechen uns häufiger an, wenn<br />

sie über Themen berichten wollen, die wir explizit<br />

beworben haben.<br />

Unsere Gestaltung, obwohl durchaus provokant<br />

und klinikuntypisch, wird von Medienvertretern<br />

zwar durchaus kritisch hinterfragt, schlussendlich<br />

jedoch als überzeugend und authentisch bewertet.<br />

höchstem Niveau. 2500 engagierte KEM-Mitstreiter an 22<br />

Fachkliniken, mit 1000 Betten, an drei Klinikstandorten versorgen<br />

bis zu 100.000 Patienten im Jahr.<br />

Platz 9<br />

Platz 41*<br />

Die Medizin der Zukunft –<br />

schon jetzt an den KEM.<br />

Sei dabei.<br />

Moderne Medizin und Forschung<br />

an den KEM mit 22 Fachkliniken,<br />

2500 KEM-Botschaftern und<br />

einer ausgezeichneten Zusammenarbeit<br />

mit erfahrenen und kreativ<br />

denkenden Teams.<br />

Läuft bei uns an den KEM. Und bei Dir?<br />

laeuft-bei-mir@kem-med.com<br />

Hotline 0201 174-13001<br />

kem-med.com<br />

Platz 41*<br />

Wir erzeugen Aufmerksamkeit und<br />

Neugier mit offensiver Ansprache und<br />

Gestaltung der Stellenanzeigen. Die<br />

KEM-Anzeigen sehen immer unterschiedlich<br />

aus (Abb. 1).<br />

Platz 9<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 32 33<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


CLP_10Juli_190625_ZW_RZ.indd 1 25.06.19 12:17<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Die genbasierte Krebsmedizin<br />

steht an den KEM im<br />

Fokus. Veranstaltungen mit<br />

internationalen Gästen locken<br />

immer mehr Mitarbeiter,<br />

Ärzte von den KEM und<br />

extern sowie Patienten an.<br />

Unser Ziel war und ist es, durch eine radikale Neugestaltung<br />

– von Print über Online bis hin zu TV & Media<br />

– eine deutliche Steigerung der Aufmerksamkeit,<br />

Marktausschöpfung und Neu-Bindung von Patienten<br />

und Zuweisern zu erreichen. Diese Absichten<br />

kann man im Ergebnis quantifizieren. Zuweiser- und<br />

Patientenstatistiken sind die herkömmlichen Messinstrumente.<br />

Unsere Evaluationen zeigen, dass das<br />

neue Marketing greift.<br />

Bei Mitarbeitenden und der Neugewinnung dieser<br />

stellen wir qualitativ fest, dass sich eine spürbar<br />

höhere Resonanz und ein nachhaltiges Interesse<br />

„<br />

Die neue Erscheinung der Klinik macht darüber hinaus<br />

auch zunehmend Gesundheitsunternehmen, wie<br />

Pharma, MedTech und Dienstleister, in neuer Weise<br />

auf uns aufmerksam. Das führt dazu, dass Mitarbeiter<br />

aus diesen Firmen sich bei uns vorstellen.<br />

“<br />

Fazit<br />

Autorin<br />

Sabine Loh<br />

Unternehmenssprecherin und<br />

Leiterin Marketing-<br />

Unternehmensentwicklung<br />

KEM I Evang. Kliniken<br />

Essen-Mitte gGmbH<br />

an den KEM als Arbeitgeber durch die neue Marketingstrategie<br />

einstellte. Da wir dieses Interesse nun<br />

auch aus anderen Branchen erkennen, ziehen wir<br />

folgendes Zwischen-Fazit:<br />

Gute Köpfe wollen gute Kommunikation, und<br />

arbeiten lieber für ein attraktives Unternehmen,<br />

das das Gewohnte auch gerne mal gegen<br />

den Strich bürstet.<br />

35<br />

Stunden-Woche bei vollem Gehaltsausgleich<br />

Der Erfolg von Kliniken wird<br />

sich in der Zukunft gerade daran<br />

messen, wieviel qualifizierte<br />

Wie die Frankfurter Rotkreuz-KlinIken ihre<br />

Pflegefachkräfte stärken<br />

Fachkräfte zur Verfügung stehen.<br />

Deshalb müssen Krankenhäuser<br />

vielfältige Anreizsysteme<br />

schaffen, um ihre kompetenten<br />

Pflegefachkräfte zu halten sowie<br />

potentielle neue Bewerberinnen<br />

und Bewerber anzusprechen.<br />

Damit gehen Themen der Unternehmenskultur<br />

sowie der Unternehmensorganisation<br />

einher.<br />

Das daraus entstehende Unternehmensprofil<br />

muss sich dann<br />

vor allem durch die kontinuierliche<br />

Einbindung der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter und deren<br />

Wünsche auszeichnen. Diese<br />

Strategie wird in den Frankfurter<br />

Rotkreuz-Kliniken verfolgt, indem<br />

unter anderem die 35-Stunden-Woche für<br />

stationäre Pflegefachkräfte eingeführt wurde.<br />

Seit Januar <strong>2019</strong> hat der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken<br />

e.V. als vermutlich erster deutscher Klinikträger<br />

die 35-Stunden-Woche bei vollem Gehaltsausgleich<br />

Foto: Frankfurter Rotkreuz-Kliniken<br />

Autorin<br />

Tina Stanzel<br />

Referentin Unternehmenskommunikation<br />

& Pressesprecherin<br />

Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V.<br />

Frankfurt am Main<br />

für stationäre Pflegefachkräfte<br />

eingeführt. Wie kam es dazu und<br />

welche positiven Effekte werden<br />

erwartet?<br />

Deutschlandweit stehen Krankenhäuser<br />

gerade im Hinblick auf<br />

gesellschaftliche Erwartungen<br />

und Entwicklungen vor einer Vielzahl<br />

von Herausforderungen: Demografischer<br />

Wandel, Erhöhung<br />

der Patientensicherheit, zunehmende<br />

Regulierung der Krankenhäuser<br />

seitens des Gesetzgebers<br />

und Maßnahmen der Qualitätssicherung-<br />

und erfassung waren<br />

für Kliniken schon immer außerordentlich<br />

wichtige Themen, die<br />

zukünftig noch bedeutsamer<br />

werden.<br />

Das Krankenhausstrukturgesetz und das zu Beginn<br />

des Jahres in Kraft getretene Pflegepersonalstärkungsgesetz<br />

bilden dabei momentan den gesetzlichen<br />

Rahmen. Mit Sicherheit schwingt dabei von<br />

einigen Seiten die Hoffnung mit, dass diese umfassenden<br />

gesetzgeberischen Maßnahmen zu einer<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 34 35<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

zahlreiche Maßnahmen gelingen. Eine Maßnahme<br />

sollte aber sein, für Pflegefachkräfte die bestmöglichen<br />

Arbeitsbedingungen zu schaffen.<br />

Gemeinsame Freude über die 35-Stunden-Woche<br />

Fotos: Rotkreuz-Kliniken Frankfurt am Main<br />

Etwas zu verändern erfordert Mut, aber vor allem<br />

auch Transparenz gegenüber den Angestellten.<br />

Konflikte zwischen Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen<br />

sind nicht immer ausgeschlossen, durch<br />

einen offenen Dialog kann und muss man sich damit<br />

aber auseinandersetzen. In zahlreichen Mitarbeitergesprächen<br />

hat sich herauskristallisiert, dass sich<br />

die meisten Pflegefachkräfte zunehmend mehr freie<br />

Zeit wünschen, um diese vor allem mit ihren Familien<br />

verbringen zu können. Diesem Wunsch wurde<br />

nun nachgegangen, indem die wöchentliche Sollarbeitszeit<br />

von 38,5 Stunden auf 35 Wochenstunden<br />

reduziert wurde – 3,5 Stunden weniger Arbeit - und<br />

das jede Woche. Der Grundlohn bleibt aber trotz der<br />

verkürzten Sollarbeitszeit gleich.<br />

Diese Entscheidung wurde in den Führungsgremien<br />

der Klinik (der Geschäftsführung und dem Vorstand<br />

als Aufsichtsorgan) sowie in Zusammenarbeit mit<br />

dem Betriebsrat erarbeitet und gefällt.<br />

Sabine Strobach sieht in der Einführung der<br />

35-Stunden-Woche ein klares Statement für die Pflege.<br />

„Wir, die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken, tun was für<br />

den Pflegeberuf und setzen mit dieser Neuerung ein<br />

klares Zeichen. Ich denke, dass wir mit der Einführung<br />

der 35-Stunden-Woche unsere Beschäftigten<br />

glücklich machen, und glückliche Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter sind ja die besten Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter. Ich persönlich freue mich sehr auf<br />

die kommende Zeit und sehe die Einführung als<br />

besonderes Highlight in meiner Karriere. Auch hier<br />

wurde deutlich: Solche Änderungen sind nur dann<br />

umsetzbar, wenn alle an einem Strang ziehen und<br />

positiv zusammenarbeiten. Und das zeichnet unsere<br />

Kliniken ja aus!“ Sabine Strobach ist eine der beiden<br />

Pflegedienstleitungen und stellvertretende Geschäftsführerin<br />

Personal, Pflege & Kommunikation<br />

der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken.<br />

Marktbereinigung im Gesundheitswesen führen.<br />

Dies alles erfolgt vor dem Hintergrund eines Fachkräftemangels,<br />

der zur Folge hat, dass es zunehmend<br />

schwieriger wird, bestimmte Fachbereiche<br />

zu besetzen. Schlussendlich steigen auch die Arbeitsanforderungen<br />

an das Pflegepersonal, das sich<br />

neben den immer größer werdenden Fallzahlen<br />

pflegeintensiver Patienten auch vermehrt mit administrativen<br />

und dokumentarischen Tätigkeiten im<br />

Klinikalltag auseinandersetzen muss.<br />

Unter diesen Bedingungen – und es wurden lediglich<br />

einige zentrale Aspekte genannt – gilt es für Kliniken,<br />

sich mit prägnanten Profilen zu positionieren.<br />

Wichtig ist es gerade dann, die Attraktivität des Arbeitgebers<br />

für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

sowie auch für Bewerberinnen und Bewerber zu<br />

steigern. Was immer deutlicher wird: Krankenhäuser<br />

können nur dann erfolgreich bestehen, wenn sie<br />

über ausreichend qualifiziertes Personal verfügen.<br />

Die Pflege weiter stärken<br />

Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken sind inhabergeführt<br />

und stehen unter der Trägerschaft der Frankfurter<br />

Rotkreuz-Schwesternschaften. Deswegen<br />

gehört die Begleitung und Stärkung der Pflegefachkräfte<br />

seit mehr als 150 Jahren zur Unternehmenskultur<br />

und zum Selbstverständnis der Kliniken. Man<br />

ist davon überzeugt, dass die Qualität der Patientenversorgung<br />

vor allem mit der Zufriedenheit und<br />

Ausgeglichenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

zu tun hat. Aus diesem Grund ist die Stärkung<br />

der Pflege ein zentrales Anliegen. Dies kann durch<br />

Oberin Karin Schoppet, Vorstandsvorsitzende<br />

des Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. und Oberin der<br />

beiden Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften,<br />

betont: „Gerade für unser Pflegepersonal ist diese<br />

Neuerung ein absoluter Gewinn. Mit der Einführung<br />

der 35-Stunden-Woche stärken wir erneut unsere<br />

Attraktivität als Arbeitgeber und positionieren uns<br />

noch besser im Rhein-Main-Gebiet. Wir möchten<br />

dadurch nicht nur neue Pflegefachkräfte ansprechen,<br />

sondern auch unseren guten Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern sowie allen Mitgliedern der beiden<br />

Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften etwas zurückgeben.<br />

Dies gibt uns die Möglichkeit, sie durch<br />

die geringere Arbeitszeit körperlich zu entlasten und<br />

ihnen auch mehr Zeit mit ihren Familien zu ermöglichen.<br />

Dieser Aspekt liegt uns als „berufundfamilie“-<br />

zertifizierter Arbeitgeber besonders am Herzen.“<br />

Und auch Gunnar Sevecke, MBA, Geschäftsführer<br />

Finanzen & Strategie der Frankfurter Rotkreuz-<br />

Kliniken, sieht die Neuerung als positive Entwicklung.<br />

„Als inhabergeführte Kliniken durch die beiden<br />

Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften möchten<br />

wir vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 36 37<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Fotos: Rotkreuz-Kliniken Frankfurt am Main<br />

der Pflege für ihren täglichen Einsatz danken und<br />

das auch in wirtschaftlich eher schwierigen Zeiten.<br />

Persönlich freue ich mich besonders darüber, dass<br />

wir, die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken, den unternehmerischen<br />

Mut hatten, als voraussichtlich erste<br />

deutsche Kliniken die 35-Stunden-Woche in der<br />

Pflege einzuführen.“<br />

Jörg Kruppke ist der Meinung, dass die Pflege vor<br />

allem im Hinblick auf Tarifsteigerungen in den letzten<br />

Jahrzehnten meist vernachlässigt wurde. „Wir in<br />

den Frankfurter Rotkreuz-Kliniken wollen nun zeigen:<br />

Es geht auch anders! Ich freue mich über die<br />

abgeschlossene Betriebsvereinbarung und hoffe,<br />

den Kolleginnen und Kollegen geht es genauso wie<br />

mir. Die 35-Stunden-Woche bringt durch die Verkürzung<br />

der Arbeitszeit eine körperliche Entlastung<br />

bei gleichbleibendem Gehalt - es ist also keine Teilzeit.<br />

Wenn das mal kein deutliches Signal ist!“ Jörg<br />

Kruppke ist Betriebsratsvorsitzender der Frankfurter<br />

Rotkreuz-Kliniken.<br />

Und was sagen die Pflegekräfte<br />

zu dieser Neuerung?<br />

Die vorgenommenen Änderungen treffen nicht nur<br />

beim Führungsgremium auf positives Echo, sondern<br />

vor allem auch bei den Fachkräften, die unmittelbar<br />

davon betroffen sind. Die Kliniken beschäftigen insgesamt<br />

rund 300 Pflegemitarbeiterinnen und Pflegemitarbeiter,<br />

von denen nun mehr als die Hälfte<br />

von dieser Neuerung profitiert.<br />

Schwester Katy überlegt, nun wieder frühere<br />

Hobbies aufzugreifen. „Wenn man mich vor zehn<br />

Jahren gefragt hätte, was ich mit der gewonnenen<br />

Zeit mache, da hätte ich gesagt „Ich bin mit Leidenschaft<br />

auch Mutter und die ‚Mehr‘-Zeit gehört<br />

meinen Kindern.“ Nun sind meine Kinder groß und<br />

gehen langsam ihre eigenen Wege. Jetzt gehört die<br />

Zeit wieder mir. Ich habe früher sehr gern gemalt<br />

oder auch fotografiert und möchte damit wieder<br />

beginnen.“ Katy arbeitet seit 25 Jahren als Pflegekraft<br />

in der Klinik Rotes Kreuz und ist die Stationsleitung<br />

der Station 2AD.<br />

Schwester Andrea wird mit der nun gewonnenen<br />

Zeit einen Rundumschlag in ihrer Wohnung<br />

vornehmen. „Zu meinem 40. Geburtstag wollte ich<br />

mein Gästezimmer zu einem begehbaren Kleiderschrank<br />

und einer kleinen Bibliothek mit Leseecke<br />

umbauen. Gerade lese ich sehr gerne Nord- & Ostseekrimis.<br />

Passenderweise werde ich dieses Jahr 40<br />

„<br />

In zahlreichen Mitarbeitergesprächen hat sich herauskristallisiert,<br />

dass sich die meisten Pflegefachkräfte<br />

zunehmend mehr freie Zeit wünschen.<br />

“<br />

und habe nun dank der 35-Stunden-Woche endlich<br />

die Zeit dafür.“ Andrea arbeitet auf der Station 2AD<br />

der Klinik Rotes Kreuz und ist seit 19 Jahren Teil unseres<br />

Teams.<br />

Schwester Sarah plant ihre zusätzliche Zeit vor<br />

allem für Freunde, Familie sowie für ihren Husky-<br />

Mischling „Bruno“ ein. „Ich freue mich schon darauf,<br />

endlich wieder mehr Zeit mit meinen Liebsten zu<br />

verbringen. Außerdem kann ich mich so auch wieder<br />

mehr um Bruno kümmern und mit ihm neue<br />

Felder und Waldwege entdecken. Ach ja, und Zeit<br />

für mich zum Entspannen soll zukünftig auch nicht<br />

mehr zu kurz kommen.“ Sarah ist Pflegefachkraft auf<br />

der Station 1AD in der Klinik Rotes Kreuz und Praxisanleiterin.<br />

Sie ist seit 5 Jahren in unseren Kliniken.<br />

Schwester Amina möchte die gewonnenen<br />

Stunden vor allem für ihre Freunde und sich selbst<br />

nutzen. „Ich freue mich darauf, dass ich nun wieder<br />

mehr Zeit habe, um Yoga zu machen, Bücher von<br />

Paulo Coelho zu lesen oder auch mal ins Kino zu gehen.<br />

Außerdem plane ich nun endlich meinen ersten<br />

Kurztrip nach Berlin, um dort meine Freunde zu<br />

besuchen.“ Amina arbeitet seit 2018 als Pflegekraft<br />

auf der Station 1AD in der Klinik Rotes Kreuz.<br />

Finanzielle Unterstützung<br />

durch den Bund<br />

Krankenhäuser befinden sich aktuell in einem politisch<br />

sehr regulierten Markt, weswegen politische<br />

Entscheidungen von großer Bedeutung für die strategische<br />

Ausrichtung einer Klinik sind.<br />

Die deutsche Bundesregierung reagiert zunehmend<br />

auf den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen<br />

und fördert beispielsweise die Attraktivität und die<br />

Ausbildung des Pflegeberufs. So werden zum Beispiel<br />

die Maßnahmen zum betrieblichen Gesundheitsmanagement<br />

gestärkt sowie die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und Familie gefördert. Außerdem erhalten<br />

Kliniken eine höhere Bezuschussung zur Ausbildung<br />

von Pflegefachkräften. Desweiteren soll die Digitalisierung<br />

in der Pflege und somit die Vereinfachung<br />

von dokumentarischen und administrativen Tätigkeiten<br />

gefördert werden.<br />

Vor allem das <strong>2019</strong> in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz<br />

wird deutsche Krankenhäuser zunehmend<br />

entlasten, da nun jede zusätzliche und jede<br />

aufgestockte Stelle in der Pflege voll und ganz von<br />

der Krankenversicherung finanziert wird. Diese Neuerung<br />

gilt auch für Pflegefachkräfte, die ihre Arbeitszeit<br />

von Teilzeit auf Vollzeit aufstocken möchten.<br />

Die Geschäftsführung der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken<br />

kalkuliert mit rund 550.000 Euro Zusatzkosten<br />

pro Jahr, die durch die Einführung der 35-Stunden-<br />

Woche anfallen. Das entspricht in etwa elf Fachkraftstellen,<br />

die deswegen auch neu geschaffen wurden<br />

und bis auf wenige Ausnahmen bereits besetzt sind.<br />

Die Neuerung ist zunächst auf zwei Jahre befristet.<br />

Die hohen Standards halten<br />

und ausbauen<br />

Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken konnten bereits in<br />

der Vergangenheit eine hohe Arbeitgeberattraktivität<br />

vorweisen, die sich in der hohen Mitarbeiterzufriedenheit<br />

, den wenigen freien Arbeitsstellen sowie<br />

der Zertifizierung „berufundfamilie“ widerspiegelt.<br />

Die Kliniken möchten auch weiterhin die Zufriedenheit<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken.<br />

Damit die Pflegefachkräfte nicht dasselbe Pensum<br />

wie bislang, jedoch nun in kürzerer Zeit absolvieren<br />

müssen, wurden bereits und werden auch zukünftig<br />

weitere Vollzeitkräfte eingestellt.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 38 39<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Außerdem möchten die Kliniken erneut ihre hohe<br />

Arbeitgeberattraktivität stärken. In Bezug auf Employer<br />

Branding gehen die Frankfurter Rotkreuz-<br />

Kliniken schon seit Längerem moderne Wege. Die<br />

letzte Employer-Branding-Kampagne „Teamgeist<br />

erleben“ wurde mit mehreren Awards ausgezeichnet,<br />

eine weitere Arbeitgeber-Kampagne ist gerade<br />

in Planung. Für das Unternehmen ist klar: Die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter machen die Marke. Aus<br />

Beschäftigten werden Fans der eigenen Kliniken,<br />

die ihre Identifikation mit ihrem Arbeitgeber bis in<br />

die sozialen Medien hineintragen sowie sich selbst<br />

in die Planung und Umsetzung der Online-Inhalte<br />

einbringen.<br />

Stetig wird zudem daran gearbeitet, die Qualität der<br />

Patientenversorgung in den beiden Kliniken weiter<br />

zu steigern, was auch durch zahlreiche Institute<br />

überprüft wird. Auch in diesem Bereich können die<br />

Frankfurter Rotkreuz-Kliniken positive Zahlen vorweisen.<br />

Laut der größten Patientenbefragung in<br />

Europa würden rund 89 Prozent der Patientinnen<br />

und Patienten die Klinik Rotes Kreuz und die Klinik<br />

Maingau vom Roten Kreuz weiterempfehlen. Diese<br />

Qualität in der Patientenversorgung entsteht vor<br />

allem durch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />

die in den beiden Kliniken beschäftigt sind.<br />

Rund 98 Prozent der stationären Angestellten sind<br />

examinierte Pflegekräfte, des Weiteren bilden die<br />

>><br />

Frankfurter Rotkreuz-Kliniken in ihrer Krankenpflegeschule<br />

unter anderem auch ihre Nachwuchspflegekräfte<br />

selbst aus.<br />

Ziehen andere Krankenhäuser<br />

nach?<br />

Bereits seit 1970 treten unterschiedliche deutsche<br />

Gewerkschaften für eine 35-Stunden-Woche ein.<br />

Trotz zahlreicher Verhandlungen, Streiks und Proteste<br />

ist die verkürzte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich<br />

bislang nicht weit verbreitet.<br />

Die Frankfurter Rotkreuz-Kliniken sind vermutlich<br />

der erste Klinikträger in Deutschland, der die<br />

35-Stunden-Woche für Stationspflegekräfte eingeführt<br />

hat und so nehmen die beiden im Herzen<br />

von Frankfurt gelegenen Krankenhäuser eine<br />

Pionierrolle ein. Dieser Schritt wurde von Medien<br />

und Politikern sehr begrüßt. Es wird vermutet, dass<br />

andere Krankenhäuser nachziehen werden und<br />

dieses Thema in zukünftige Tarifverhandlungen<br />

mit aufgenommen wird. Die Neuerung verdeutlicht:<br />

Jede Klinik trägt ihre eigene Verantwortung,<br />

so dass stetig neu hinterfragt werden muss, was für<br />

das Unternehmen und vor allem für die Beschäftigten<br />

gut ist.<br />

Der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V.<br />

Der Frankfurter Rotkreuz-Kliniken e.V. mit seinen beiden Betriebsstätten Klinik<br />

Rotes Kreuz und Klinik Maingau vom Roten Kreuz liegt im Herzen der Stadt Frankfurt<br />

am Main und ist aktiver Teil der weltweiten Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung.<br />

Die Kliniken befinden sich in Trägerschaft der beiden Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften<br />

und verfügen über Haupt- und Belegabteilungen, 300 Betten und ca.<br />

17.000 Fallzahlen jährlich sowie rund 600 Beschäftigte. Neben der modernen Ausstattung<br />

der Häuser und der exzellenten Pflege durch hoch qualifizierte Rotkreuzschwestern<br />

und Pflegekräfte, bieten die Häuser über den Schwerpunkt des Belegarztsystems<br />

den Vorteil, dass die Patienten durch niedergelassene, erfahrene Fachärzte ihrer Wahl<br />

behandelt werden, und zwar sowohl ambulant in der Praxis, als auch stationär in der<br />

Klinik. Zudem sind die Standorte seit 2013 berufundfamilie-zertifiziert und gehören<br />

regelmäßig zu den besten Kliniken in Frankfurt am Main.<br />

Fotos: Rotkreuz-Kliniken Frankfurt am Main<br />

Damit die Integration internationaler<br />

Pflegefachkräfte gelingt<br />

Sektorenübergreifendes Projekt erarbeitet konkrete,<br />

bedarfsgerechte Lösungen für den Fachkräftemangel<br />

in der Pflege<br />

Neue Wege bei der Integration internationaler<br />

Pflegekräfte gehen die Hochschule Fulda und<br />

vier Träger von Versorgungseinrichtungen aus<br />

der Kranken- und Altenpflege: das Klinikum Fulda,<br />

das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda, die AWO<br />

Nordhessen und der Caritasverband für die Diözese<br />

Fulda e. V. Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftlern der Hochschule<br />

Fulda erarbeiten die prinzipiell im Wettbewerb<br />

stehenden Träger konkrete Lösungsansätze,<br />

wie die Integration internationaler Pflegekräfte<br />

gelingen und der Fachkräftemangel gelindert<br />

werden kann. Ziel ist es, durch Kooperation Lösungen<br />

zu entwickeln, die sowohl auf die Region<br />

zugeschnitten sind, als auch zur Philosophie<br />

der jeweiligen Einrichtung passen. Für einzelne<br />

Träger ist es oft schwierig, für den Integrationsprozess<br />

wichtige Bausteine eigenständig anbieten<br />

zu können.<br />

Die Gewinnung und Integration internationaler Pflegefachkräfte<br />

ist - neben der Steigerung der Attraktivität<br />

der Pflegeberufe und der Verbesserung der<br />

Arbeitsbedingungen - eine von mehreren notwendigen<br />

Maßnahmen, den Pflegefachkräftemangel zu<br />

Foto: privat Foto: Hochschule Fulda/Groß<br />

Autorin<br />

Prof. Dr.<br />

Beate Blättner<br />

Fachbereich Pflege und<br />

Gesundheit<br />

Hochschule Fulda<br />

Autor<br />

Prof. Dr.<br />

Heinrich Bollinger<br />

ehemals Professor für<br />

Organisationssoziologie in<br />

der Hochschule Fulda, nun<br />

Mitarbeiter im Projekt<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 40 41<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Foto: Hochschule Fulda/Groß<br />

mindern. Dies stellt die<br />

Pflegeeinrichtungen<br />

vor einige Aufgaben.<br />

Die Bedarfsanalyse<br />

in den Einrichtungen<br />

hat gezeigt, dass unterschiedlich<br />

intensive<br />

Vorerfahrungen<br />

vorhanden sind. Die<br />

Schwierigkeiten sind<br />

aber immer die gleichen.<br />

Die Anerkennung<br />

im Ausland erworbener<br />

Berufsabschlüsse,<br />

die Vermittlung von<br />

fremd- und fachsprachlichen<br />

Kenntnissen<br />

und die Bewältigung<br />

von Unterschieden in<br />

Qualifikationsniveaus,<br />

P f l e g e o rganisation<br />

und Pflegeverständnis,<br />

die auch zu Missverständnissen<br />

auf beiden<br />

Seiten führen, stellen<br />

erhebliche Herausforderungen<br />

dar. Die Einarbeitung<br />

internationaler<br />

Pflegefachkräfte ist<br />

eine Zusatzaufgabe für<br />

die bestehenden Pflegeteams,<br />

die ohnehin<br />

unter der angespannten Arbeitssituation leiden.<br />

Beispielsweise ist es bei einer Anwerbung von Pflegekräften<br />

aus Bosnien und Herzegowina eher wahrscheinlich,<br />

dass seitens der anerkennenden Behörde<br />

wesentliche Unterschiede in der Ausbildung<br />

festgestellt werden - es sei denn, die Pflegekräfte<br />

haben mindestens vier Jahre Berufserfahrung auf<br />

internistischen, chirurgischen oder neurologischen<br />

Stationen im Krankenhaus, die nicht länger als zwei<br />

Jahre zurückliegen. In anderen Fällen kann die Dauer<br />

des Anpassungslehrgangs stark variieren und bis<br />

zu 18 Monate betragen, mit praktischen Einsätzen<br />

und theoretischen Abschnitten. Bei einer praktischen<br />

Kenntnisprüfung müssen statt üblicherweise<br />

zwei bis zu vier Patientinnen oder Patienten aus unterschiedlichen<br />

Fachgebieten unter Prüfungsbedingungen<br />

versorgt werden.<br />

Die Hochschule Fulda<br />

Die Hochschule Fulda hat rund 9.500 Studierende<br />

in acht Fachbereichen und über 60 Studiengängen<br />

sowie 680 Beschäftigte, davon etwa<br />

160 Professorinnen und Professoren. Sie zählt<br />

zu den forschungsstarken Hochschulen für Angewandte<br />

Wissenschaften. 2016 erhielt sie als<br />

bundesweit erste Hochschule dieser Art das<br />

eigenständige Promotionsrecht für forschungsstarke<br />

Fachgebiete, darunter Public Health.<br />

Im Rahmen des Förderprogramms Innovative<br />

Hochschule entwickelt sie zurzeit ihre Transfer-<br />

Strategien weiter. Die Aus- und Weiterbildung<br />

von Berufen des Gesundheitswesens in derzeit<br />

11 Studiengängen ist einer der Schwerpunkte<br />

der Hochschule Fulda. Mit über 90 Mitarbeitenden<br />

und zahlreichen Forschungsprojekten ist<br />

der Fachbereich Pflege und Gesundheit eine<br />

tragende Säule der Hochschule.<br />

Länderdossiers, die Auskunft über Pflege und Pflegeausbildung<br />

im Land, über Besonderheiten bei der<br />

Anerkennung des Berufsabschlusses in Deutschland<br />

nach den bisherigen<br />

berufsrechtlichen<br />

Regelungen und über<br />

Erfahrungen mit der<br />

Anwerbung aus dem<br />

jeweiligen Land geben,<br />

sind eine erste Hilfestellung,<br />

die im Projekt sukzessive<br />

erarbeitet und<br />

in Kürze auch auf der<br />

Webseite des Projektes<br />

zugänglich gemacht<br />

werden. Ergänzend wird<br />

derzeit überlegt, inwieweit<br />

die gut ausgestatteten<br />

Simulationslabore<br />

des Pflegestudiums an<br />

der Hochschule auch<br />

dazu genutzt werden<br />

könnten, um fachspezifische<br />

Sprachkenntnisse<br />

praxisnah zu vertiefen.<br />

Alten- und<br />

Krankenpflege<br />

gemeinsam<br />

betrachten<br />

Internationale Pflegefachkräfte<br />

sind in der Regel<br />

in der Krankenpflege<br />

qualifiziert und an Hochschulen ausgebildet. In den<br />

meisten Staaten der Europäischen Union und in sogenannten<br />

Drittstaaten gibt es keine der deutschen<br />

Altenpflegeausbildung vergleichbare fachliche Bildung.<br />

Pflegekräfte übernehmen oft Aufgaben, die<br />

näher an den Tätigkeiten sind, die hier Ärztinnen<br />

und Ärzten vorbehalten sind. In vielen Staaten existieren<br />

zudem Besonderheiten in der Pflege, die in<br />

Deutschland unbekannt sind, etwa die grundpflegerische<br />

Versorgung von Patientinnen und Patienten<br />

durch Angehörige. Grundpflege ist dann weder<br />

Gegenstand der Ausbildung noch gehört sie zum<br />

Selbstverständnis der Pflege. Über das, was Pflegetätigkeit<br />

ausmacht, bestehen folglich ganz unterschiedliche<br />

Vorstellungen. Zu spüren bekommt das<br />

zu allererst die Altenpflege. Nicht selten fühlen sich<br />

die internationalen Kräfte hier nicht entsprechend<br />

sachverständig und in ihren Kompetenzen gewürdigt.<br />

Sie wechseln dann lieber in die Krankenpflege.<br />

Aber auch dort können sie ihr Wissen und Können<br />

nicht ihren Vorstellungen entsprechend einbringen.<br />

Ihr Unverständnis der Situation, die sie in Deutschland<br />

vorfinden, wird oft als sprachliches oder kulturelles<br />

Problem missverstanden.<br />

Einer der kooperierenden Träger der Altenpflege<br />

hat beispielsweise für sich die Konsequenz gezogen,<br />

nicht mehr ausgebildete Fachkräfte aus dem<br />

Ausland anzuwerben, sondern pflegeaffine Personen<br />

in Deutschland selbst auszubilden, um das hier<br />

übliche Pflegeverständnis zu vermitteln und zum<br />

Teil der beruflichen Sozialisation werden zu lassen.<br />

Die Erfahrungen damit lassen sich allerdings noch<br />

nicht abschließend bewerten.<br />

Wir müssen in der Versorgungspraxis zwischen Alten-<br />

und Krankenpflege differenzieren, der Berufsalltag<br />

ist ein anderer. Zugleich ist es wichtig, bei<br />

der Integration internationaler Pflegekräfte beide<br />

Bereiche im Blick zu haben. Nur dann können tragfähige<br />

Lösungen für die jeweiligen Einrichtungen<br />

mit ihren spezifischen Anforderungen und Problemen<br />

erarbeitet werden. Die sektorenübergreifende<br />

Zusammenarbeit der Versorgungseinrichtungen<br />

bildet daher eine wesentliche<br />

Grundlage<br />

für das Projekt und<br />

kann zugleich einen<br />

Beitrag dazu leisten,<br />

mit den Herausforderungen<br />

umzugehen,<br />

die mit der Umsetzung<br />

des neuen<br />

Pflegeberufegesetzes<br />

einhergehen, das<br />

am 1. Januar 2020 in<br />

Kraft treten soll. Eine<br />

engere Zusammenarbeit der kooperierenden Träger<br />

in der generalistischen Ausbildung wäre wohl<br />

zwangsläufig erfolgt; aber unser Projekt hat auch<br />

die Bereitschaft zur Zusammenarbeit insgesamt<br />

verbessert und zeigt damit willkommene Nebeneffekte.<br />

Die generalistische Ausbildung, also die Verbindung<br />

der bisher getrennten Ausbildung von Alten-, Kranken-<br />

und Kinderkrankenpflege, wirft zugleich neue<br />

Fragen auf. Wir erwarten, dass dies die Anerkennung<br />

von Abschlüssen internationaler Pflegefachkräfte<br />

erschweren wird, weil beispielsweise Inhalte<br />

der Altenpflege nicht zwingend Gegenstand internationaler<br />

Pflegeausbildungen sind. Beispielsweise<br />

ist in Brasilien die Pflege im Pflegeheim erst Gegenstand<br />

eines einjährigen Aufbaustudiums nach dem<br />

Bachelorabschluss.<br />

In den Organisationen die nötigen<br />

Voraussetzungen schaffen<br />

Zugleich geht das Projekt von der Grundannahme<br />

aus, dass Integration auch auf Seiten der Versorgungseinrichtungen<br />

Veränderungsbereitschaft erfordert.<br />

Ob die Integration gelingt, hängt wesentlich<br />

von den Gegebenheiten in den jeweiligen Einrichtungen<br />

ab. Integration ist nicht gleichbedeutend<br />

mit Anpassung an die bestehenden Arbeitsverhältnisse.<br />

Vielmehr setzt sie Veränderungen auf beiden<br />

Seiten voraus. Man muss nach Wegen suchen, die<br />

besonderen Kompetenzen der internationalen<br />

Fachkräfte sichtbar zu machen und zu verwerten.<br />

Sonst dominiert immer nur eine häufig an der<br />

Sprachkompetenz festgemachte Defizitperspektive<br />

auf die ausländischen Kolleginnen und Kollegen.<br />

Mit Fallstudien in den einzelnen Einrichtungen wird<br />

die Integration internationaler Pflegekräfte daher<br />

organisationsbezogen in den Blick genommen.<br />

Einzelne Aspekte des<br />

Integrationsgesche-<br />

„<br />

Gelingt die Integration internationaler<br />

Fachkräfte, dann führt dies zu einer<br />

Verbesserung der Arbeitssituation des<br />

gesamten Teams – der Weg dahin ist aber<br />

weit und durchaus steinig. Entlastung<br />

tritt nur dann ein, wenn die Teams bereit<br />

und fähig dazu sind, diese Integrationsleistung<br />

vorweg zu erbringen.<br />

“<br />

hens will das Projekt<br />

mit thematischen<br />

Querschnittsanalysen<br />

erheben und<br />

miteinander vergleichen,<br />

etwa die Form<br />

der Akquisition, die<br />

Art und Reichweite<br />

der Unterstützung<br />

beim Spracherwerb,<br />

die Vorbereitung des<br />

vorhandenen Personals<br />

auf die Integration oder den Umgang der Einrichtung<br />

mit den unterschiedlichen Erfahrungen<br />

der internationalen Kräfte in der Pflege sowie in ihrer<br />

Organisation.<br />

Beispielsweise zeigte sich in den Analysen eines Trägers,<br />

dass Einarbeitungskonzepte für neue Beschäftigte<br />

vorhanden sind und auch genutzt werden,<br />

aber kein systematisches Konzept zur Integration<br />

internationaler Pflegekräfte vorliegt. Ein solches<br />

Konzept wurde beim Träger selbst als notwendig<br />

erachtet, dabei wird darauf Wert gelegt, dass die<br />

Bestandteile eines Integrationskonzepts möglichst<br />

zu dem bewährten Einarbeitungskonzept passen.<br />

Bislang hatten Mitglieder der Belegschaft zudem<br />

in vielen Einzelfällen Aufgaben der sozialen Integration<br />

internationaler Arbeitskräfte übernommen,<br />

zum Beispiel Hilfe bei der Beschaffung von Hausrat,<br />

Stadtführungen, Hinweise auf Behörden oder<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 42 43<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Banken. Diese Hilfestellungen entstanden freiwillig<br />

oder auf Bitten der Leitungen und waren meist adhoc-Reaktionen<br />

auf sichtbar gewordene Bedarfe. In<br />

Einzelfällen war dies mit hohem persönlichem Engagement<br />

verbunden. Handelte es sich aber nicht<br />

mehr um Einzelfälle, nahm das soziale Engagement<br />

von Beschäftigten deutlich ab. Der einzelne Fall erscheint<br />

interessant, stellt eine bewältigbare Herausforderung<br />

dar und mobilisiert die Hilfsbereitschaft<br />

– er hat einen gewissen Eventcharakter. Wird Integration<br />

aber häufiger erforderlich und tendenziell zu<br />

einer Regelaufgabe, dann tritt der damit verbundene<br />

Arbeitscharakter stärker in den Vordergrund.<br />

Pflegeteams in den<br />

Einrichtungen vorbereiten<br />

In allen Fällen, in denen bei den Trägern Erfahrungen<br />

mit der Integration schlecht Deutsch sprechender<br />

Arbeitskräfte bestehen, wird darauf verwiesen,<br />

dass dies für die bestehende Belegschaft mit erheblichen<br />

Belastungen verbunden ist. Bestimmte<br />

Aufgaben, wie zum Beispiel die Dokumentation,<br />

können lange Zeit überhaupt nicht übertragen<br />

werden, Nachtdienste in der Regel nicht übernommen<br />

werden. Die Einarbeitung internationaler Pflegekräfte<br />

dauert insgesamt deutlich länger als die<br />

der hier zulande qualifizierten Kräfte – von ein bis<br />

zwei Jahren ist auszugehen. Der dringend erforderliche<br />

regelmäßige Besuch von Deutschkursen<br />

erfordert die Freistellung und eine entsprechende<br />

„<br />

Für die bestehenden Pflegeteams bedeutet die Integration<br />

internationaler Pflegekräfte stets zusätzlichen<br />

Aufwand. Integration macht Arbeit, und diese Arbeit<br />

muss unter den meist bestehenden Rahmenbedingungen<br />

Personalmangel und Zeitdruck geleistet werden.<br />

Die Teams müssen nach Ansicht der Projektbeteiligten<br />

auf diese Integrationsarbeit systematisch vorbereitet<br />

werden, und diese Zusatzarbeit muss in irgendeiner<br />

Form honoriert werden.<br />

“<br />

Foto: Hochschule Fulda/Groß<br />

Gestaltung von Dienstplänen. Vor allem durch solche<br />

Maßnahmen bedingte Dienstplanänderungen<br />

werden von der bestehenden Belegschaft kritisch<br />

gesehen. Dies alles muss berücksichtigt werden,<br />

und die Belastungen der Teams müssen besser aufgefangen<br />

werden. Demgegenüber wird die sprachliche<br />

und kulturelle Mittler-Funktion internationaler<br />

Fachkräfte bei einem sich internationalisierenden<br />

Klientel oft als hilfreich empfunden.<br />

Für die bestehenden Pflegeteams bedeutet die Integration<br />

internationaler Pflegekräfte also stets zusätzlichen<br />

Aufwand. Integration macht Arbeit, und<br />

diese Arbeit muss unter den meist bestehenden<br />

Rahmenbedingungen Personalmangel und Zeitdruck<br />

geleistet werden. Die Teams müssen nach<br />

Ansicht der Projektbeteiligten auf diese Integrationsarbeit<br />

systematisch vorbereitet werden, und<br />

diese Zusatzarbeit muss in irgendeiner Form honoriert<br />

werden.<br />

Gelingt die Integration internationaler Fachkräfte,<br />

dann führt dies zu einer Verbesserung der Arbeitssituation<br />

des gesamten Teams – der Weg dahin ist<br />

aber weit und durchaus steinig. Entlastung tritt nur<br />

dann ein, wenn die Teams bereit und fähig dazu<br />

sind, diese Integrationsleistung vorweg zu erbringen.<br />

Entscheidend ist hier, dass sowohl der Beitrag<br />

der in den Einrichtungen Beschäftigten als auch die<br />

Leistungen der internationalen Arbeitskräfte gewürdigt<br />

und gegenseitiger Respekt wie gegenseitige<br />

Anerkennung gefördert werden.<br />

Zum Projekt<br />

Das Projekt „Integration Internationaler Pflegekräfte“<br />

ist eines von zehn Umsetzungsprojekten<br />

des „Regionalen Innovationszentrums Gesundheit<br />

und Lebensqualität Fulda“ (RIGL-Fulda). Das<br />

RIGL-Fulda ist das bislang größte Transferprojekt<br />

der Hochschule Fulda, die eine der wenigen „Innovativen<br />

Hochschulen“ in Deutschland ist und<br />

durch die gleichnamige Bund-Länder-Initiative<br />

gefördert wird. Knapp zehn Millionen Euro stehen<br />

dem RIGL-Fulda bis Ende 2022 zur Verfügung.<br />

Mehr Informationen<br />

zum Projekt „Integration<br />

Internationaler Pflegekräfte“:<br />

https://hs-fulda.de/rigl-fulda/intip<br />

Mehr Informationen zum RIGL-Fulda:<br />

https://hs-fulda.de/rigl-fulda<br />

Fachlicher Kontakt:<br />

Prof. Dr. Beate Blättner<br />

Fachbereich Pflege und Gesundheit<br />

Hochschule Fulda<br />

E-Mail: Beate.Blaettner@pg.hs-fulda.de<br />

Prof. Dr. Matthias Klemm<br />

Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften<br />

Hochschule Fulda<br />

E-Mail: Matthias.Klemm@sk.hs-fulda.de<br />

Gemeinsam mit den Kooperationspartnern wird<br />

der Versuch unternommen, einrichtungsspezifische<br />

Lösungen für die Vorbereitung und die<br />

Unterstützung der Pflegeteams und ihrer Integrationsarbeit<br />

zu erarbeiten. „Integration“ hat aus<br />

Sicht des Projekts selbst den Charakter eines Projekts,<br />

das geplant und strukturiert werden muss,<br />

indem Zuständigkeiten definiert und ein Zeitplan<br />

mit Meilensteinen und Evaluierungszeitpunkten<br />

entwickelt werden müssen. Für das einzelne Pro-<br />

jekt muss geklärt werden, welche konkrete Unterstützung<br />

das Integrationsteam erfahren, bzw.<br />

wie eine Entlastung gewährleistet und in welcher<br />

Weise die zusätzliche Integrationsarbeit honoriert<br />

werden kann. Unabdingbar für das Gelingen<br />

des Projekts ist unter anderem die enge Zusammenarbeit<br />

mit den Personalverantwortlichen sowie<br />

der jeweiligen Beschäftigtenvertretung.<br />

Versorgungsmängel nicht<br />

verschieben<br />

Auch ethische Fragestellungen sind dem Projekt<br />

wichtig: Wenn qualifiziertes Pflegepersonal aus<br />

anderen Ländern angeworben wird, besteht das<br />

Risiko, dass Versorgungsmängel nur zwischen<br />

Staaten verschoben werden und die sozial ungleiche<br />

Verteilung von Gesundheitschancen<br />

zwischen Ländern verstärkt wird. Das wäre aus<br />

Public Health Sicht ethisch nicht zu vertreten. Die<br />

Bedingungen der Arbeitskräftevermittlung müssen<br />

ebenso betrachtet werden. Das Spektrum<br />

reicht von seriösen Angeboten bis hin zu Formen<br />

modernen Menschenhandels.<br />

Zeitplan<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Das Projekt hat eine Laufzeit bis Ende 2022. Die<br />

sukzessive erreichten Erkenntnisse werden der<br />

Fachöffentlichkeit in Form von Publikationen<br />

oder Fachtagungen vorgestellt.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 44 45<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

Im Kampf ums Personal<br />

„am Ende der Kette“<br />

Interview mit Franz Hartinger, Vorsitzender<br />

der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe Pflegeeinrichtungen<br />

Wir nutzen alle Möglichkeiten, aber Angebote müssen von den<br />

Mitarbeitern auch angenommen werden<br />

Mehr noch als die Krankenhäuser kämpfen die<br />

Pflegeeinrichtungen mit dem Problem und den<br />

Auswirkungen des Fachkräftemangels. Die Politik<br />

in Bund und Ländern hat dieses Thema nun<br />

aufgegriffen. Mit dem Pflegestärkungsgesetz<br />

werden der Altenpflege u.a. 13.000 neue Stellen<br />

versprochen. Obwohl deutlich mehr Pflegende<br />

fehlen, klingt das schon einmal gut. Die<br />

Mitglieder der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe Pflegeeinrichtungen<br />

sehen zwar den guten Willen der Politik,<br />

ihre Erfahrungen aus der Praxis lassen sie<br />

allerdings deutlich skeptischer auf die schon<br />

sichtbaren sowie vorhersehbaren Auswirkungen<br />

blicken. Das Interview dazu mit Franz Hartinger,<br />

Vorsitzender der <strong>VKD</strong>-Fachgruppe Pflegeeinrichtungen<br />

zum Thema „Der Kampf ums<br />

Personal“ und den Befürchtungen des Managements<br />

für die Zukunft.<br />

Herr Hartinger, die Politik versucht, mit Gesetzen<br />

die Situation im Personalbereich auch der Altenpflege<br />

zu verbessern. Macht Sie das optimistisch?<br />

Franz Hartinger: Natürlich ist das erst einmal zu würdigen.<br />

Gutes Personal ist das Maß aller Dinge. Die<br />

Pflegeheime befinden sich hier sozusagen am Ende<br />

der Kette – und das schon sehr lange. Wir stehen im<br />

Wettbewerb um Personal nicht nur mit den Krankenhäusern,<br />

Pflegetagesstätten und ambulanten<br />

Pflegediensten, sondern zusätzlich mit Rehabilitationseinrichtungen,<br />

die sich inzwischen auch auf die<br />

Versorgung demenziell erkrankter Patienten spezialisiert<br />

haben. Sie alle benötigen qualifizierte Altenpflegekräfte.<br />

Hinzu kommt, dass inzwischen Zeitarbeitsfirmen<br />

massiv in den Pflegemarkt eingestiegen sind. Sie<br />

werben ihrerseits mit Prämien Fachkräfte in den Heimen<br />

ab. Aktuell ist die Situation also alles andere als<br />

rosig.<br />

Wie sieht Ihre Fachgruppe das Sofortprogramm<br />

Pflege von Bundesgesundheitsminister Jens<br />

Spahn?<br />

Franz Hartinger: Einerseits ist es zu begrüßen, dass<br />

sich die Politik endlich des Themas annimmt. Allerdings<br />

ist gut gedacht nicht immer auch gut<br />

gemacht. Unsere Befürchtung ist, dass künftig<br />

Fachkräfte aus den Altenheimen sogar von den<br />

Krankenhäusern abgeworben werden, weil dort<br />

jetzt jede neu eingestellte Pflegekraft voll finanziert<br />

wird. Krankenhäuser werben sich zum Teil mit hohen<br />

Prämien ja auch untereinander Personal ab. Damit<br />

könnte sich im Endeffekt unser Personalmangel<br />

noch weiter verschärfen.<br />

Die 13.000 neuen Stellen für die Altenpflege –<br />

eine Luftnummer?<br />

Franz Hartinger: So krass würde ich das nicht formulieren.<br />

Aber wir wissen alle, dass diese Fachkräfte<br />

einfach nicht vorhanden sind. Natürlich können<br />

wir versuchen, aus Teilzeitstellen Vollstellen zu machen<br />

– das erfordert bei unseren Mitarbeiterinnen<br />

aber schon sehr viel Überzeugungskraft. Die meisten<br />

arbeiten bewusst verkürzt, weil sie Zeit zur eigenen<br />

Regenerierung und für ihre Familien brauchen.<br />

Auch auf allzu viele Rückkehrer in den Beruf können<br />

wir nicht hoffen, so lange die Bedingungen so<br />

schwierig sind. Das wird erst gelingen, wenn sich die<br />

Lage insgesamt verbessert hat.<br />

Hier beißt sich wohl die Katze in den Schwanz?<br />

Franz Hartinger: Meine aktuellen persönlichen Erfahrungen<br />

in der Personalakquise sind bestimmt noch<br />

ausbaufähig, so dass ich inzwischen dazu übergehe,<br />

bereits vorhandene und motivierte Mitarbeiter zu<br />

Pflegefachkräften zu qualifizieren bzw. bereits qualifizierte<br />

ausländische Mitarbeiter ohne entsprechende<br />

Sprachkenntnisse auf Kosten des Unternehmens<br />

sprachlich weiterzubilden, um die erforderliche B 2<br />

Qualifizierung im sprachlichen Bereich vorzuweisen<br />

und dadurch den Fachkraftstatus anerkannt zu bekommen.<br />

Darüber hinaus versuchen wir natürlich, Teilzeitbeschäftigte<br />

zumindest temporär für eine Anhebung<br />

der Arbeitszeit zu gewinnen und auch früheren<br />

Mitarbeitern, die in längeren Erziehungszeiten sind,<br />

Hilfestellungen z. B. für Plätze in Kinderkrippen, -gärten<br />

etc. zu bieten oder Nachmittagsbetreuungsplätze<br />

für jüngere Schulpflichtige zu ermöglichen. Das<br />

alles sind Angebote, die aber auch angenommen<br />

werden müssen. Das Interesse daran ist leider oft<br />

sehr gering.<br />

Das heißt, auch die neuen Zuschüsse für familienfreundliche<br />

Angebote gehen ins Leere?<br />

Franz Hartinger: So gut wie, würde ich sagen. Der<br />

Anteil an Teilzeitarbeit ist sehr hoch, auch weil der<br />

Anteil der Frauen in der Altenpflege rund 85 Prozent<br />

beträgt. Sie organisieren weitgehend das Familienleben<br />

und arbeiten vor allem auch deshalb verkürzt.<br />

Aber natürlich ist das Management gefordert, eine<br />

Arbeitsatmosphäre zu fördern, in der sich die Mitarbeiter<br />

wohl fühlen, ihnen auch berufliche Entwicklungsmöglichkeiten<br />

zu eröffnen, ihnen vor allem<br />

auch planbare Arbeitszeiten zu ermöglichen. Dass<br />

dies nicht immer einfach ist, weiß ich.<br />

In Politik und Medien wird oft auch die schlechte<br />

Bezahlung der Pflegenden in der Altenpflege als<br />

wichtiger Grund für den Personalmangel genannt.<br />

Franz Hartinger: Das kann man sicher als einen<br />

Grund sehen, wobei sich gerade hier in jüngster Zeit<br />

doch einiges verändert hat. Laut Agentur für Arbeit<br />

steigen die Gehälter in der Altenpflege schon seit<br />

2017 sogar schneller als in anderen Branchen. Hinzu<br />

kommt, dass sich die Bezahlung zum Teil deutlich<br />

je Region und Träger unterscheidet. Hier ergibt sich<br />

kein einheitliches Bild.<br />

Angesichts des Mangels an Pflegekräften - deutschlandweit<br />

sind nur 3.000 arbeitslose Altenpflegefachkräfte<br />

bei 14.400 gemeldeten offenen Stellen<br />

registriert – ist das Ende der Fahnenstange bei den<br />

Gehältern aber sicher noch nicht erreicht.<br />

Die Politik strebt eine Allgemeinverbindlichkeit<br />

für die Tarife in allen Pflegeeinrichtungen an in der<br />

Hoffnung auf bundesweite Gehaltssteigerungen.<br />

Franz Hartinger: Das ist umstritten, weil hier auch<br />

Verfassungsrechte und das Tariffreiheitsgesetz tangiert<br />

werden, aber auch die Rechte der Kirchen.<br />

Die privaten Heimbetreiber plädieren dafür, diese<br />

Frage dem Wettbewerb zu überlassen. Wir haben<br />

dieses Thema in unserer Fachgruppe noch nicht<br />

grundsätzlich diskutiert. Inzwischen wurde der gesetzliche<br />

Mindestlohn neu festgelegt. Mit den dabei<br />

festgelegten Beträgen lässt sich erahnen, wie wenig<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 46 47<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


DER KAMPF UMS PERSONAL<br />

für die Leistungen der Altenpflege zumindest in Teilbereichen<br />

bezahlt wird oder wurde.<br />

Kann die Digitalisierung auch in der Altenpflege<br />

ein Beitrag zur Behebung des Fachkräftemangels<br />

sein?<br />

Franz Hartinger: Das kann sie.<br />

Die Altenpflege ist hier sicher<br />

weiter als mancher denkt. In<br />

den Einrichtungen unserer<br />

Kolleginnen und Kollegen der<br />

Fachgruppe wird zwischenzeitlich<br />

durchgehend digital<br />

dokumentiert und in gleicher<br />

Weise die Pflegeplanung<br />

durchgeführt. Ich denke, das<br />

ist auch in den meisten anderen<br />

Pflegeheimen bereits der<br />

Fall. Es sorgt für mehr Transparenz<br />

und Sicherheit. Alle relevanten<br />

Informationen über<br />

den Bewohner stehen allen<br />

am Pflege- und Betreuungsprozess<br />

Beteiligten uneingeschränkt<br />

zur Verfügung.<br />

Unter Beachtung des Datenschutzes<br />

ist diese Strukturierte<br />

Informations-Sammlung<br />

(SIS) auch ein guter Baustein<br />

für eine bessere Zusammenarbeit<br />

der Einrichtungen mit den behandelnden<br />

niedergelassenen Ärzten. Und z. B. mit dem Einsatz<br />

von Telecare sehe ich gute Entlastungsmöglichkeiten<br />

für Pflegekräfte.<br />

…und Robotik?<br />

Franz Hartinger: Grundsätzlich wäre Robotik als Assistenz<br />

und zum Beispiel zur Übernahme von Routinearbeiten,<br />

zur physischen Entlastung der Pflegenden<br />

oder als automatisierte Pflegewagen in der<br />

Altenpflege eine gute Sache. Zumal sich dadurch<br />

vermutlich auch jüngere Menschen angesprochen<br />

fühlen würden, sich für einen Beruf in der Altenpflege<br />

zu interessieren. Hier haben wir aber gerade in<br />

unserer <strong>VKD</strong>-Jahrestagung im Mai in Berlin in einem<br />

Vortrag gehört, dass solche Systeme bisher nur selten<br />

Marktreife erlangt haben und allenfalls – etwa<br />

Pflegewagen – im Modell erprobt wurden. Humanoide<br />

Roboter für bestimmte Tätigkeiten gibt es<br />

natürlich bereits, die in Pflegeeinrichtungen aber<br />

bisher nach meiner Kenntnis nur als Test eingesetzt<br />

wurden, wobei klar sein muss, dass sie die eigentliche<br />

Pflegearbeit und die Zuwendung zu den Bewohnern<br />

nicht ersetzen können und auch nicht ersetzen<br />

dürfen.<br />

Die Pflegeversicherung unterstützt einmalig<br />

eine vierzigprozentige Ko-Finanzierung zur Anschaffung<br />

von digitalen Ausrüstungen mit bis zu<br />

12.000 Euro – insgesamt können 30.000 Euro je<br />

Einrichtung finanziert werden. Bringt das die Digitalisierung<br />

voran?<br />

Franz Hartinger: Es hilft sicher, aber jeder weiß, wie<br />

teuer Hard- und Software sowie die für den Betrieb<br />

notwendige Infrastruktur sind. Insofern: Eher ein<br />

Tropfen auf den heißen Stein. Aber alles hilft ja.<br />

Eine letzte Frage bezieht sich auf die Ankündigung<br />

aus Nordrhein-Westfalen, in Krankenhäusern<br />

auch Kurzzeitpflege anzubieten. Wie bewerten<br />

sie diese Initiative?<br />

Franz Hartinger: Seit Januar 2016 gibt es bereits die<br />

Rechtsvorschrift des § 39 c SGB V. Mit dieser Vorschrift<br />

erhalten Versicherte einen Leistungsanspruch<br />

auf Kurzzeitpflege zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung.<br />

Sie soll den Versicherten dann die<br />

Möglichkeit einer Kurzzeitpflege bieten, wenn eine<br />

Kurzzeitpflege aus der Sozialen Pflegeversicherung<br />

nach dem SGB XI nicht möglich ist, weil z. B. der aktuelle<br />

Hilfebedarf nicht über die Dauer von wenigstens<br />

sechs Monaten hinausgeht und es damit zu<br />

keinem Pflegegrad kommt.<br />

In Bayern ist mir kein Vertrag nach § 132 SGB V zur<br />

Erbringung von Leistungen nach § 39 c SGB V bekannt.<br />

Ob es an fehlenden räumlichen Möglichkeiten<br />

in Krankenhäusern oder am auch dort vorherrschenden<br />

Pflegepersonalmangel liegt, kann ich<br />

nicht beurteilen. Zur Entlastung der Krankenhäuser<br />

wäre die Verlagerung der Kurzzeitpflege in eine stationäre<br />

Pflegeeinrichtung durchaus möglich.<br />

Vielleicht ist es aber auch ein regionales Problem.<br />

Das geforderte Entlassmanagement ist sicher dort<br />

leichter umzusetzen, wo niedergelassene Ärzte und<br />

ambulante Pflegedienste die Möglichkeiten haben,<br />

notwendige Versorgungen zu übernehmen. Fehlen<br />

diese Möglichkeiten oder sind die Patienten zu weit<br />

davon entfernt, wäre eine weit gefasste Regelung<br />

für eine individuelle Versorgung nicht nur wünschenswert,<br />

sondern dringend notwendig.<br />

Herr Hartinger, vielen Dank für das Gespräch.<br />

Patientensicherheit<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 48


PATIENTENSICHERHEIT<br />

Autorin<br />

Prof. Dr. med.<br />

Claudia Schmidtke<br />

MdB, Patientenbeauftragte<br />

der Bundesregierung<br />

„<br />

Meine langjährige Tätigkeit als<br />

Herzchirurgin in leitender Position<br />

hat mich zudem in meiner Auffassung<br />

bestätigt, dass vor allem die<br />

Kommunikation mit Patienten und<br />

deren Angehörigen von zentraler<br />

Bedeutung für die Patientensicherheit<br />

ist.<br />

“<br />

Patientensicherheit als eine gemeinsame<br />

Aufgabe verstehen<br />

Vor allem die Kommunikation mit Patienten und Angehörigen ist<br />

von zentraler Bedeutung<br />

Patientensicherheit ist eine der tragenden Säulen<br />

unserer Gesundheitsversorgung. Patientinnen<br />

und Patienten müssen sich auf die Sicherheit<br />

ihrer Behandlung verlassen können – sei es<br />

im ambulanten oder stationären Bereich. Allerdings:<br />

Fehler geschehen. Auch im Gesundheitswesen.<br />

Das gilt es anzuerkennen und sich bewusst<br />

zu machen, dass im Gesundheitswesen<br />

Fehler zu unerwünschten Ereignissen in der<br />

Behandlung der Patientinnen und Patienten<br />

führen können. Patientensicherheit bedeutet<br />

daher für mich nicht nur den anzustrebenden<br />

Idealzustand der Vermeidung unerwünschter<br />

Behandlungsergebnisse. Patientensicherheit<br />

steht für mich auch für die Fähigkeit beteiligter<br />

Akteure, Fehler offen zu kommunizieren und<br />

kontinuierlich aus ihnen zu lernen, damit Patientinnen<br />

und Patienten sicher versorgt werden.<br />

In den vergangenen Jahren ist in diesem Sinne<br />

für die Patientensicherheit vieles geschehen: OP-<br />

Checklisten, Maßnahmen zur Vermeidung von Patientenverwechslungen<br />

und zur Verbesserung der<br />

Hygiene sind in Krankenhäusern genauso alltäglich<br />

geworden wie ein patientenorientiertes Beschwerdemanagement,<br />

Fehlermeldesysteme oder ein einrichtungsinternes<br />

Qualitätsmanagement – um nur<br />

einige Beispiele zu nennen. Als wichtiger Impulsgeber<br />

hat sich dabei das Aktionsbündnis Patientensicherheit<br />

e. V. (APS) erwiesen, in dem sich seit 2005<br />

eine Vielzahl von Akteuren, unter anderem Vertreter<br />

aller Gesundheitsberufe und -institutionen, Patientenorganisationen,<br />

zu einem gemeinsamen Netzwerk<br />

mit dem Ziel zusammengeschlossen haben,<br />

die Patientensicherheit in Deutschland weiter zu<br />

verbessern.<br />

Mit dem im letzten Jahr vorgelegten Weißbuch „Patientensicherheit“<br />

hat das APS erneut unter Beweis<br />

gestellt, wie wichtig es als Ideengeber im Gesundheitswesen<br />

ist. Insbesondere die von Prof. Matthias<br />

Schrappe vorgestellte Definition Patientensicherheit<br />

geht mit einem erweiterten Begriffsverständnis<br />

neue Wege:<br />

51<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

>><br />

>><br />

>><br />

„Patientensicherheit ist das aus der Perspektive der<br />

Patienten bestimmte Maß, in dem handelnde Personen,<br />

Berufsgruppen, Teams, Organisationen, Verbände<br />

und das Gesundheitssystem<br />

einen Zustand aufweisen, in dem unerwünschte<br />

Ereignisse selten auftreten, Sicherheitsverhalten<br />

gefördert wird und Risiken beherrscht werden,<br />

über die Eigenschaft verfügen, Sicherheit als<br />

erstrebenswertes Ziel zu erkennen und realistische<br />

Optionen zur Verbesserung umzusetzen,<br />

und<br />

in der Lage sind, ihre Innovationskompetenz in<br />

den Dienst der Verwirklichung von Sicherheit<br />

zu stellen.“ (Zitiert nach M. Schrappe, APS-Weißbuch<br />

Patientensicherheit, Berlin 2018, S. 524).<br />

Das Weißbuch geht darüber hinaus noch auf zwei<br />

weitere wesentliche Faktoren ein: Patientensicherheit<br />

kann noch so gut definiert, konkrete Maßnahmen<br />

können noch so gut geplant und erprobt sein;<br />

das praktische Gelingen hängt letztlich immer auch<br />

von der Bereitschaft aller Beteiligten vor Ort ab, das<br />

Konzept der Patientensicherheit mit Leben zu füllen<br />

und dabei auch die Patientinnen und Patienten aktiv<br />

einzubinden. Ich bin davon überzeugt, dass es zu<br />

dieser Sicherheitskultur auf allen Ebenen keine sinnvolle<br />

Alternative gibt. Die Patientensicherheit muss<br />

als eine gemeinsame Aufgabe aller verstanden werden.<br />

Das ist eine tägliche Herausforderung für uns<br />

alle, eine Aufgabe, die Enthusiasmus und Ausdauer<br />

erfordert.<br />

Meine langjährige Tätigkeit als Herzchirurgin in leitender<br />

Position hat mich zudem in meiner Auffassung<br />

bestätigt, dass vor allem die Kommunikation<br />

mit Patienten und deren Angehörigen von zentraler<br />

Bedeutung für die Patientensicherheit ist. Viele<br />

patientensicherheitsrelevante Vorfälle wären durch<br />

gelingende Kommunikation zu vermeiden. Mein<br />

persönlicher Anspruch war es immer,<br />

meine Patienten und ihre Angehören<br />

einzubeziehen und jeden Behandlungsschritt<br />

mit ihnen zu besprechen.<br />

Als Patientenbeauftragte werbe ich<br />

daher für das Modell der partizipativen<br />

Entscheidungsfindung als Form der Kommunikation<br />

auf Augenhöhe zwischen Patient und Arzt sowie<br />

allen anderen Gesundheitsfachkräften. Ziel muss es<br />

sein, den mündigen Patienten als informierten Manager<br />

seiner eigenen Gesundheit wahrzunehmen,<br />

die relevanten Informationen auszutauschen und<br />

gemeinsam über eine angemessene Behandlung zu<br />

diskutieren und zu entscheiden. Dazu gehört auch,<br />

die Patienten und ihre Angehören durch entsprechende<br />

Anleitung und patientenverständliche Informationen<br />

in die Lage zu versetzen, zu ihrer eigenen<br />

Sicherheit beitragen zu können, beispielsweise<br />

durch richtige Verhaltensweisen im Krankenhaus<br />

oder nach der Entlassung.<br />

In diesem Sinne sollte es das Ziel sein, den zukünftigen<br />

Ärztinnen und Ärzten bereits während des<br />

Studiums die notwendigen Kompetenzen mit auf<br />

den Weg zu geben, um sie auf die kommunikativen<br />

Herausforderungen des Arztberufes vorzubereiten.<br />

Ich begrüße daher ausdrücklich, dass sowohl der<br />

Masterplan Medizinstudium 2020 als auch die Empfehlungen<br />

der begleitenden Expertenkommission<br />

eine Weiterentwicklung patientenbezogener Unterrichtsformate,<br />

insbesondere eine stärkere Vermittlung<br />

der ärztlichen Gesprächsführung, empfehlen,<br />

um die Arzt-Patienten-Kommunikation weiter zu<br />

verbessern. Gute Anregungen dafür gibt es bereits:<br />

Die Universität zu Lübeck setzt zum Beispiel im Rahmen<br />

des Medizinstudiums einen Lehrschwerpunkt<br />

im Bereich Kommunikation, um den angehenden<br />

Ärztinnen und Ärzten die notwendigen Kompetenzen<br />

für eine optimale ärztliche Gesprächsführung<br />

zu vermitteln. Auch die Berliner Charité bietet den<br />

Medizinstudierenden das Erlernen der ärztlichen<br />

Gesprächsführung und den Umgang mit schwierigen<br />

Gesprächssituationen in einem Kleingruppenlehrformat<br />

„Kommunikation, Interaktion und<br />

Teamarbeit“ mit Hilfe von Schauspielpatienten und<br />

Rollenspielen an.<br />

Wenn die Patientensicherheit als eine gemeinsame<br />

Aufgabe verstanden werden soll, kommt selbstverständlich<br />

auch der Gesundheitspolitik bei der<br />

Förderung der Patientensicherheit eine besondere<br />

Verantwortung zu. Diese Verantwortung nimmt diese<br />

Bundesregierung ernst. Im Koalitionsvertrag wurde<br />

diese Priorität entsprechend festgehalten:<br />

„Das Patientenwohl ist für uns entscheidender<br />

Maßstab für gesundheitspolitische Entscheidungen,<br />

die Patientenorientierung ist unser Leitbild für<br />

das Gesundheitswesen.“<br />

In den ersten eineinhalb Jahren dieser Bundesregierung<br />

wurde eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt<br />

bzw. angestoßen, die Ausdruck dieser Prioritätensetzung<br />

sind. So hat beispielsweise Bundesgesundheitsminister<br />

Jens Spahn sofort nach Amtsantritt die<br />

Schirmherrschaft über das APS übernommen und<br />

damit ein deutliches Signal gesetzt. Ich möchte hier<br />

einige Maßnahmen beispielhaft herausgreifen, die<br />

zur Stärkung der Patientensicherheit beitragen werden.<br />

Zum 1. Januar <strong>2019</strong> wurden Pflegepersonaluntergrenzen<br />

für diejenigen Krankenhausbereiche eingeführt,<br />

in denen ein Zusammenhang zwischen<br />

der Pflegepersonalausstattung und dem Auftreten<br />

unerwünschter Ereignisse besonders ersichtlich ist.<br />

Krankenhäuser, die dagegen verstoßen, werden<br />

sanktioniert. Die Selbstverwaltung ist gesetzlich beauftragt,<br />

die Pflegepersonaluntergrenzen weiterzuentwickeln<br />

und auf weitere Bereiche auszuweiten.<br />

Im Juni dieses Jahres wurde das Gesetz für mehr Sicherheit<br />

in der Arzneimittelversorgung vom Deutschen<br />

Bundestag verabschiedet. Damit wird unter<br />

anderem das elektronische Rezept vorangetrieben.<br />

Sicherheitsvorgaben für die Qualität von Arzneimitteln<br />

sowie die Test- und Kontrollverfahren werden<br />

verbessert, Möglichkeiten für Regressansprüche<br />

erweitert. Ein weiterer Aspekt – von besonderer<br />

Bedeutung in einem globalisierten Markt – ist, dass<br />

mehr Anreize und Kontrollmöglichkeiten zugunsten<br />

hoher Qualität eingeführt und damit Sicherheitslücken<br />

geschlossen werden. Und dieses Gesetz<br />

ist nur ein Teil eines Pakets für mehr Arzneimittelsicherheit.<br />

Andere Elemente sind unter anderem ein<br />

obligatorischer Medikationsplan für alle gesetzlich<br />

versicherten Patientinnen und Patienten, die drei<br />

oder mehr verschreibungspflichtige Medikamente<br />

einnehmen, und zukünftig eine digitale Version dieses<br />

Medikationsplans.<br />

Mehr Patientensicherheit wird auch das neu zu errichtende<br />

Implantateregister bringen. Wir brauchen<br />

ein solches Register, um Transparenz über die Haltbarkeit,<br />

die Qualität der Produkte und den Versorgungprozess<br />

zu erhalten. Das wird – und davon bin<br />

ich auch als Ärztin überzeugt – die Sicherheit und<br />

Qualität der Implantate und damit auch der medizinischen<br />

Versorgung in den Kliniken verbessern. Das<br />

Register wird uns sagen, wie die Operationsergebnisse<br />

in der Praxis sind, und helfen, Mängel bei den<br />

Produkten oder in der Versorgung frühzeitiger zu<br />

erkennen und zu beseitigen.<br />

Als Patientenbeauftragte werbe ich für<br />

das Modell der partizipativen Entscheidungsfindung<br />

als Form der Kommunikation<br />

auf Augenhöhe zwischen Patient<br />

und Arzt...<br />

„<br />

“<br />

Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn<br />

angekündigte Diskussion über die Qualität im Gesundheitswesen,<br />

bei der auch die Fragen nach einer<br />

Mindestanzahl und Qualität bei bestimmten<br />

Operationen thematisiert werden soll, kann ebenfalls<br />

dazu beitragen, die Sicherheit und die Transparenz<br />

der stationären Versorgung im Sinne der Patientinnen<br />

und Patienten zu verbessern.<br />

Transparenz und Sichtbarkeit ist für die Förderung<br />

der Patientensicherheit elementar. Aus diesem<br />

Grund freue ich mich umso mehr, dass die Weltgesundheitsversammlung<br />

als Beschlussgremium der<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen<br />

hat, den 17. September – das Datum des 2015 vom<br />

APS mit den deutschsprachigen Partnerorganisationen<br />

ins Leben gerufenen Internationalen Tags der<br />

Patientensicherheit – nun auch zum jährlichen Welttag<br />

der Patientensicherheit zu ernennen. Alle Akteure<br />

im Gesundheitswesen sind aufgerufen, sich vor<br />

Ort mit eigenen Aktionen zur Patientensicherheit<br />

zu beteiligen. Der Welttag der Patientensicherheit<br />

soll allen ins Bewusstsein rufen, wie wichtig es ist,<br />

sich täglich für die sichere Versorgung der Patienten<br />

einzusetzen. Von diesem Welttag wird alljährlich<br />

ein starkes Signal ausgehen, dass das Besondere an<br />

Patientensicherheit deutlich macht: Sie betrifft alle<br />

Beschäftigten im Gesundheitswesen, alle Patienten,<br />

alle Staaten.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 52<br />

53<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Patientensicherheit ist ein Querschnittsthema,<br />

das alle Bereiche der Gesundheitsversorgung<br />

betrifft. Wir verfügen hier in Deutschland über<br />

eines der besten Gesundheitssysteme der Welt.<br />

Aber bei allen Anstrengungen, die vor allem<br />

auch in Krankenhäusern für die Sicherheit der<br />

Patienten unternommen werden, gibt es in dieser<br />

Hinsicht noch viel zu tun. Das betrifft die<br />

Gestaltung von Prozessen und Strukturen, die<br />

Einführung moderner Technik, die Digitalisierung<br />

und Vernetzung ebenso wie das Handeln<br />

der hier tätigen Menschen. Vor allem geht es<br />

aber um ein Klima, das die Sicherheit der Patienten<br />

immer und bei allem im Blick hat – und<br />

damit um eine originäre Aufgabe der Führung.<br />

Ein Querschnittsthema, das<br />

alle Versorgungsbereiche<br />

betrifft<br />

Im Zentrum des<br />

Qualitätsmanagements steht<br />

die Patientensicherheit<br />

Foto: <strong>VKD</strong><br />

Autorin<br />

Gabriele Kirchner<br />

bis März <strong>2019</strong> Geschäftsführerin<br />

des Verbandes der<br />

Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>)<br />

Beste Qualität der Behandlung, wie sie von Patienten<br />

in deutschen Krankenhäusern erwartet wird, bedeutet<br />

auch ein hohes Maß an Patientensicherheit.<br />

Sie ist daher Zentrum und Kern aller Bemühungen<br />

im Qualitätsmanagement und bei der Umsetzung<br />

von Maßnahmen zur Qualitätssicherung in den<br />

Krankenhäusern.<br />

Die Krankenhäuser haben in den vergangenen Jahren<br />

eine Fehlerkultur implementiert, die neben dem<br />

wichtigen Risikomanagement zahlreiche Maßnahmen<br />

beinhaltet, wie etwa Critical Incident Reporting<br />

Systeme oder Simulationstrainings, wie sie auch auf<br />

den folgenden Seiten vorgestellt werden. Systematisch<br />

wird an weiteren Verbesserungen gearbeitet.<br />

Seit vielen Jahren stellen sich die Kliniken regelmäßig<br />

der Überprüfung ihrer Qualität - sowohl der<br />

gesetzlich vorgeschriebenen externen Kontrollen<br />

als auch in bestimmten Bereichen durch die medizinischen<br />

Fachgesellschaften. Die Ergebnisse werden<br />

transparent öffentlich dargestellt. Transparenz<br />

schafft Vertrauen.<br />

Personal als ein<br />

wesentlicher Faktor<br />

Ganz entscheidend für die Patientensicherheit ist<br />

der Einsatz gut ausgebildeter Fachkräfte vor allem in<br />

Medizin und Pflege, in Assistenzberufen ebenso wie<br />

in medizintechnischen Berufen, aber auch in sogenannten<br />

patientenfernen Berufen. Es gibt Studien,<br />

die deutlich zeigen, dass die Anzahl der Patienten,<br />

die eine Pflegekraft versorgt, einen wichtigen Unterschied<br />

für die Patientensicherheit macht.<br />

Zeit ist dabei ein wichtiger Faktor, der den Unterschied<br />

zwischen Sicherheit und Unsicherheit macht.<br />

Zeit für Zuwendung und Kommunikation vor allem.<br />

Die Krankenhäuser<br />

werden aus den bekannten<br />

Gründen<br />

nicht von heute auf<br />

morgen mehr Personal<br />

finden. Die Mitarbeiter,<br />

die heute in<br />

den Kliniken arbeiten,<br />

können aber mehr Zeit für ihre eigentliche Arbeit<br />

am Patienten aufbringen, wenn Prozesse besser<br />

gestaltet werden, wenn weniger bürokratische Aufgaben<br />

zu erledigen sind und wenn durch die Digitalisierung<br />

Informationen schneller und sicherer<br />

verfügbar sind, Doppeluntersuchungen wegfallen,<br />

Anamnesen nur einmal stattfinden müssen.<br />

Mehr Sicherheit entsteht auch dadurch, dass die<br />

Patienten verstehen und nachvollziehen können,<br />

was Ärzte ihnen vorschlagen, sich entsprechend<br />

verhalten, ihre Medizin so einnehmen, wie es notwendig<br />

ist, um gesund zu werden. Wichtig ist aber<br />

auch, dass sie sich in unserem Gesundheitssystem<br />

wirklich zurechtfinden, dass sie wissen, wo sie Hilfe<br />

finden.<br />

Realität nicht ausblenden<br />

Kontraproduktiv und der Patientensicherheit leider<br />

nicht förderlich sind allerdings Versuche, unter dem<br />

Deckmantel der Qualitätsverbesserung strukturelle<br />

Bereinigungen und damit Leistungsbeschränkungen<br />

auf kaltem Weg zu erzwingen. Aktuelles Beispiel<br />

ist hier die Krankenhausstudie der Bertelsmann-<br />

Stiftung, der zufolge rund 600 zentral gelegene<br />

Krankenhäuser für die Versorgung ausreichen würden<br />

– mit dem angeblichen Ziel, die Qualität und<br />

die Sicherheit der Patienten zu verbessern. In dieser<br />

Studie wird die Versorgungsrealität, wie sie auch<br />

von der Bevölkerung als Teil der Daseinsvorsorge<br />

des Staates und als Teil der persönlichen Sicherheit<br />

erwartet und gewünscht wird, ausgeblendet. Der<br />

<strong>VKD</strong> lehnt die Intentionen dieser Studie vehement<br />

ab und hat sich eindeutig auch für eine flächendeckende<br />

Krankenhausversorgung in der Zukunft<br />

positioniert. Das ist nicht nur ein wichtiger Aspekt<br />

gleichwertiger Lebensverhältnisse, es ist auch wichtig<br />

für die Sicherheit im Fall einer Grippeepidemie<br />

oder von Katastrophen und Massenunfällen.<br />

Wie überhaupt Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung<br />

nicht im luftleeren Raum umgesetzt werden<br />

können. Die Festlegung von Mindestpersonalbesetzungen<br />

für definierte Abteilungen und Zeiten<br />

durch die Politik führt eben nicht unbedingt<br />

zu einer Verbesserung<br />

„<br />

Zeit ist ein wichtiger Faktor, der den<br />

Unterschied zwischen Sicherheit und<br />

Unsicherheit macht. Zeit für Zuwendung<br />

und Kommunikation vor allem.<br />

“<br />

der Patientensicherheit,<br />

wenn das zusätzlich<br />

benötigte Personal<br />

am Arbeitsmarkt<br />

nicht verfügbar ist. Es<br />

verschlechtert allenfalls<br />

sogar die Versorgungssituation,<br />

wenn dadurch Abteilungen oder<br />

Betten geschlossen werden, weil das Management<br />

den Personaleinsatz nicht mehr flexibel je nach tatsächlicher<br />

Notwendigkeit steuern kann.<br />

Die Festlegung von Mindestmengen für bestimmte<br />

Behandlungen kann unter bestimmten Voraussetzungen<br />

der Patientensicherheit dienen. Das ist auch<br />

für den <strong>VKD</strong> keine strittige Frage. Gerade wenn es<br />

um komplexe Leistungen geht, für die Erfahrung<br />

von Ärzten und Pflegenden ebenso wichtig ist wie<br />

die entsprechende medizintechnische Ausrüstung,<br />

ist in der Regel eine stabil gute Qualität zu erwarten.<br />

Aber auch festgeschriebene Mindestmengen können,<br />

wie wir ebenfalls wissen, ihre Qualitätsgrenzen<br />

haben. Nicht immer ist viel gleich gut und besonders<br />

viel kann in schlecht umschlagen. Willkürlich<br />

gesetzte Grenzen bewirken allenfalls sogar eine Veränderung<br />

des Versorgungsauftrags und gefährden<br />

eventuell das Krankenhaus als Ganzes, reißen damit<br />

ein Loch in das Versorgungsnetz einer Region – mit<br />

negativen Folgen für die Patientensicherheit.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 54<br />

55<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Wir sind nicht zum Selbstzweck da<br />

Wichtigstes Instrument zur Verbesserung der Patientensicherheit<br />

ist das gemeinsame Lernen aus Fehlern<br />

Interview mit Hedwig François-Kettner, Vorsitzende des Aktionsbündnisses<br />

Patientensicherheit (APS)<br />

Was passiert nach der<br />

Entlassung des Patienten?<br />

Patientensicherheit endet nicht an der Krankenhaustür.<br />

Der Gesetzgeber hat den Häusern hier ein<br />

verpflichtendes Entlassungsmanagement auferlegt.<br />

Leider können die Krankenhäuser die Qualität<br />

der Leistungen im niedergelassenen Bereich nicht<br />

wirklich einschätzen – was umgekehrt durchaus<br />

sehr gut möglich ist. Angesichts der demnächst zu<br />

erwartenden Diskussionen um eine sektorenübergreifende<br />

Versorgung muss hier dringend gefordert<br />

werden, dass auch die Vertragsärzte gesetzlich zur<br />

strukturierten Qualitätsberichterstattung verpflichtet<br />

werden.<br />

Leider können die Krankenhäuser die<br />

Qualität der Leistungen im niedergelassenen<br />

Bereich nicht wirklich einschätzen<br />

– was umgekehrt durchaus<br />

sehr gut möglich ist.<br />

„<br />

“<br />

Sektorenübergreifende Qualitätssicherung ist ein<br />

absolutes Muss für eine Versorgungskette, wie Patienten<br />

sie sich wünschen. Sie müssen sich darauf verlassen<br />

können, dass sie beim niedergelassenen Arzt<br />

ebenso wie im Krankenhaus, in der Rehaklinik oder<br />

im Pflegeheim eine Versorgung in vergleichbarer<br />

Qualität erhalten. Diese muss transparent dargestellt<br />

und strukturiert veröffentlicht werden.<br />

Unabdingbar ist zudem eine sektorenübergreifende<br />

digitale Patientenakte – ein Projekt, das auch die Politik<br />

vorantreibt. Damit werden wir auch beim Thema<br />

Arzneimittelsicherheit wirklich weiterkommen<br />

– hier gibt es im Sinne der Patientensicherheit noch<br />

viel zu tun.<br />

Wer sich das Thema Patientensicherheit auf<br />

die Fahne geschrieben hat, braucht einen langen<br />

Atem. Den beweist das Aktionsbündnis<br />

Patientensicherheit (APS) seit 15 Jahren. Viele<br />

Menschen werden es vor allem mit der überaus<br />

erfolgreichen „Aktion Saubere Hände“ verbinden.<br />

Inzwischen wurden aber zahlreiche weitere<br />

Aspekte der Patientensicherheit bearbeitet.<br />

Ein ganzheitlicher Ansatz prägt die Arbeit des<br />

APS und seiner inzwischen zahlreichen Unterstützer.<br />

Das Interview mit Hedwig François-<br />

Kettner, der Vorsitzenden des APS.<br />

Frau François-Kettner, sicher kann man sagen,<br />

dass die Arbeit des APS dem Bohren dicker Bretter<br />

gleichkommt. Rund 15 Jahre Engagement für<br />

die Verbesserung der Patientensicherheit. Wie<br />

erfolgreich war sie?<br />

Hedwig François-Kettner: Unsere Arbeit – getragen<br />

vor allem von freiwilligen Unterstützern aus allen<br />

Berufsgruppen des Gesundheitswesens – war erfolgreich.<br />

Wir haben schon viel erreicht. Wir haben<br />

vor allem erreicht, dass dieses wichtige Thema in<br />

allen Bereichen, in denen Patienten behandelt und<br />

versorgt werden, einen deutlich höheren Stellenwert<br />

erlangt hat. Das lässt sich noch nicht unbedingt<br />

immer an konkreten Zahlen festmachen und<br />

es bleibt noch immer viel zu tun, aber wir sind gut<br />

vorangekommen.<br />

Es begann mit der Aktion zur Händehygiene, die<br />

in vielen Krankenhäusern aufgegriffen wurde.<br />

Hedwig François-Kettner: In Bezug auf die „Aktion<br />

Saubere Hände“ lassen sich die folgenden Erfolge<br />

feiern: Es engagieren sich 900 zahlende, teilnehmende<br />

Krankenhäuser, seit elf Jahren ist es eine der<br />

am längsten laufenden und größten Kampagnen<br />

zur Händedesinfektion im Gesundheitswesen –<br />

und zwar weltweit! Viele Aspekte der Aktion wurden<br />

in den klinischen Alltag und auch in offizielle Empfehlungen,<br />

zum Beispiel der KRINKO, übernommen.<br />

Als Ergebnis gibt es u. a. seit elf Jahren eine kontinuierliche<br />

Steigerung des Verbrauchs an Händedesinfektionsmitteln<br />

auf den Stationen. In 422 Kranken-<br />

Foto: Jens Schneemann<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 56<br />

57<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


„ PATIENTENSICHERHEIT<br />

Man kann sagen, dass die „Aktion Saubere Hände“<br />

bei den Krankenhäusern inzwischen fast allein läuft.<br />

Große Defizite sehen wir allerdings in den ambulanten<br />

Bereichen, auf die wir uns daher jetzt deutlich stärker<br />

konzentrieren.<br />

“<br />

häusern wurden im vorigen Jahr freiwillig auf 1.907<br />

Stationen direkte Beobachtungen zur Umsetzung<br />

der Händedesinfektion im klinischen Alltag als Instrument<br />

zur Verbesserung der Patientensicherheit<br />

durchgeführt.<br />

Man kann sagen, dass die „Aktion Saubere Hände“<br />

bei den Krankenhäusern inzwischen fast allein<br />

läuft. Große Defizite sehen wir allerdings in den<br />

ambulanten Bereichen, auf die wir uns daher jetzt<br />

deutlich stärker konzentrieren.<br />

Immer neue Themen wurden dann angepackt.<br />

Gab es eine Vorstellung, einen Plan dafür, welche<br />

Themen in welcher Reihenfolge angegangen<br />

werden sollten?<br />

Hedwig François-Kettner: Was die Planung der<br />

einzelnen Themen betrifft, die wir intensiver bearbeiten,<br />

so reagieren wir hier intensiv vor allem auf<br />

Hinweise aus der Praxis und den Fachgesellschaften.<br />

Fast alle kommen also von außen und werden<br />

vor der Bearbeitung daraufhin geprüft, ob eine<br />

entsprechende Handlungsempfehlung der Patientensicherheit<br />

dient. Das ist die einzige Zielsetzung.<br />

Bei allen Handlungsempfehlungen prüfen wir die<br />

Relevanz, schauen, ob es Erfahrungswerte gibt,<br />

führen eine seriöse Literaturrecherche durch und<br />

legen Leitlinien zugrunde, wenn es diese gibt.<br />

Auch bei schwierigen Themen – zum Beispiel die<br />

Gruppe ambulant versorgter intensivpflichtiger Patienten<br />

betreffend – sind wir durchaus unerschrocken,<br />

wenn es der Patientensicherheit dient. Dafür<br />

muss eigentlich jedes Mittel recht sein. Wir unternehmen<br />

das, was andere nicht tun.<br />

Die derzeit insgesamt zehn interdisziplinären und<br />

multiprofessionellen Arbeits- und Expertengruppen<br />

unseres Vereins, an denen sich bis zu 250 ehrenamtliche<br />

Akteure beteiligen, beschäftigen sich<br />

mit einer ganzen Reihe von konkreten Projekten<br />

und beteiligen sich auch an Trainings, die wir anbieten.<br />

Sie arbeiten derzeit u.a. an den Themen<br />

Außerklinische Intensivversorgung (AIV), Arzneimitteltherapiesicherheit,<br />

CIRS im ambulanten Sektor,<br />

Digitalisierung und Patientensicherheit, Medizinprodukte<br />

assoziierte Risiken, Sepsis und weiteren.<br />

Das Spektrum ist weit gefächert.<br />

Die Arbeitsgruppen tagen regelmäßig. Ihre Ergebnisse<br />

werden in Form von Handlungsempfehlungen<br />

– das sind Anleitungen zur Umsetzung von<br />

Sicherheitsstrategien – und zusammen mit Begleitdokumenten<br />

wie Infoflyern und Hintergrundbroschüren,<br />

veröffentlicht. Hinzu kommen Patienteninformationen<br />

und weitere Publikationen, die den<br />

Einrichtungen im Gesundheitswesen, den Patienten<br />

und Angehörigen kostenlos zur Verfügung gestellt<br />

werden.<br />

Woher kommt das Geld dafür – und für die Aktivitäten<br />

des APS?<br />

Hedwig François-Kettner: Das APS finanziert seine<br />

Projekte und Aktivitäten zu einem Drittel aus<br />

Mitgliedsbeiträgen, zu einem weiteren Drittel aus<br />

Spenden und zum letzten Drittel aus Projektfinanzierungen<br />

– insgesamt operiert das Aktionsbündnis<br />

vollständig unabhängig. Es gibt einen entsprechenden<br />

Leitfaden für die Arbeitsgruppen. Bei Veröffentlichungen<br />

erhalten wir Unterstützung. So hat das<br />

Bundesgesundheitsministerium die Handlungsempfehlungen<br />

der vergangenen Jahre in englische<br />

Sprache übersetzen lassen.<br />

Auch die Jahreskonferenzen des APS thematisierten<br />

immer ganz bestimmte Aspekte<br />

der Patientensicherheit. In diesem Jahr<br />

ging es aber nicht um ein solches Fachthema<br />

mit allen seinen Facetten, sondern um<br />

einen ganzheitlichen Ansatz. Es ging um<br />

„Sicherheitskultur auf allen Ebenen“. Aus<br />

der Erfahrung heraus, dass sich doch noch<br />

zu wenige Menschen im Gesundheitswesen<br />

mit dem Thema beschäftigen?<br />

Hedwig François-Kettner: Patientensicherheit<br />

muss Anliegen aller sein, muss im klinischen<br />

und pflegerischen Alltag zur Selbstverständlichkeit<br />

werden. Das beginnt natürlich<br />

schon beim Management. Ehrlich gesagt: Auch aus<br />

meiner eigenen Erfahrung heraus weiß ich, dass sie<br />

dort bereits vielfach nicht den Stellenwert hat, der<br />

ihr zukommen müsste. Es geht uns darum, alle Bereiche<br />

– ambulant wie stationär - einzubeziehen,<br />

also tatsächlich auch um eine prägende Kultur, der<br />

sich alle verpflichtet fühlen.<br />

Bisher haben wir in der Praxis eine separate Betrachtung<br />

der eigenen Handlungsfelder - auch in<br />

den Vorständen. Die Vielfalt muss bereits hier abgebildet<br />

werden, damit<br />

die verschiedenen Perspektiven<br />

eingebracht<br />

werden können.<br />

Wir haben vor allem erreicht, dass<br />

dieses wichtige Thema in allen Bereichen,<br />

in denen Patienten<br />

behandelt und versorgt werden,<br />

einen deutlich höheren Stellenwert<br />

erlangt hat.<br />

„<br />

“<br />

Was die Berufsgruppen<br />

betrifft, so agieren sie<br />

noch immer traditionell<br />

eher nebeneinander.<br />

Separiertes Lernen<br />

aber ist nicht sinnvoll – weder im Vorstand noch<br />

innerhalb der einzelnen Berufsfelder. Wir müssen<br />

die Bedeutung von Teamlernen verstehen, in das<br />

jeder seine Kompetenzen einbringt. Dafür gibt es<br />

bereits Modellprojekte, etwa in der Heidelberger<br />

Universitätsklinik.<br />

Das APS fordert zudem einen speziell für die Patientensicherheit<br />

Beauftragten. Wäre das nicht<br />

eigentlich die Aufgabe des Risikomanagers?<br />

Hedwig François-Ketter: Nein. Es geht hier darum,<br />

sämtliche Strukturen in die Betrachtung einzubeziehen.<br />

Patientensicherheit muss zur Chefsache<br />

werden. Daher muss dann auch die für Patientensicherheit<br />

verantwortliche Person im TOP-Management<br />

verankert sein. Sie hat die Aufgabe, Prozesse<br />

innerhalb des Unternehmens zu bewerten und<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

dafür zu sorgen, dass sie kontinuierlich im Sinne<br />

der Patientensicherheit verbessert werden sowie<br />

Transparenz nach innen und außen hergestellt<br />

wird. Eine komplexe Aufgabe also. Die Zahl der vermeidbaren<br />

Patientenschäden ist immer noch groß<br />

– trotz allen Engagements.<br />

Die Zahlen scheinen sich in den vergangenen<br />

Jahren tatsächlich nur wenig verändert zu haben.<br />

Rund 800.000 unerwünschte Ereignisse werden<br />

in jedem Jahr angenommen – wie kommt diese<br />

Zahl zustande – und welche Ereignisse stehen<br />

dabei an vorderer Stelle?<br />

Hedwig François-Kettner: Nach wie vor sind Infektionen,<br />

unerwünschte Arzneimittelereignisse,<br />

diagnostische Fehler, wie zu spät erkannte Sepsis,<br />

Dekubitus, Stürze, prioritär ursächlich. Infektionen<br />

insgesamt gehen nicht zurück, aber bei den Nosokomialen<br />

Infektionen erkennen wir eine durchaus<br />

erfreuliche Entwicklung – auch wenn es natürlich<br />

immer noch besser sein könnte.<br />

Die Validität internationaler und nationaler Studien<br />

sowie systematischer Reviews ist heute im<br />

Vergleich zu 2006/ 2008 gut. Serielle Untersuchungen<br />

in den Niederlanden<br />

wie auch geprüfte<br />

Interventionsstudien<br />

zeigen epidemiologische<br />

Ergebnisse, die für<br />

Deutschland als Näherung<br />

beschrieben werden.<br />

Danach liegen unerwünschte<br />

Ereignisse bei fünf bis zehn Prozent – das<br />

sind 400.000 bis 800.000 Fälle. Vermeidbar sind davon<br />

zwei bis vier Prozent, die Behandlungsfehler<br />

machen ein Prozent aus. Vermeidbare Todesfälle<br />

betrafen 20.000 Patienten oder 0,1 Prozent.<br />

Sehen Sie seit Gründung des APS in 2005 Veränderungen<br />

- nicht nur Aktionen in Kliniken und<br />

bei niedergelassenen Ärzten? Wo sehen Sie generell<br />

Verbesserungen?<br />

Hedwig François-Kettner: Wir erheben keine Zahlen.<br />

Daher sind Verbesserungen schwer nachweisbar.<br />

Erfreulicherweise erkennen wir bei den Krankenhäusern<br />

dennoch positive Entwicklungen. Eine<br />

aktuelle Evaluation unserer Handlungsempfehlungen<br />

dokumentiert hier durchaus Fortschritte. Von<br />

769 befragten Krankenhäusern gaben knapp 90<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 58<br />

59<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Quelle: APS<br />

Prozent an, externe Handlungsempfehlungen zu<br />

nutzen, 80 Prozent gaben an, dass sie die Produkte<br />

des APS kennen. Und es wurden 33 neue Anregungen<br />

für weitere Handlungsempfehlungen gegeben.<br />

Viele Einrichtungen warten auf unsere Empfehlungen,<br />

vor allem, weil sie pragmatisch und praxisbezogen<br />

sind. Was wir sehr gern hätten, wäre ein<br />

jährliches Monitoring. Vielleicht könnten wir das<br />

gemeinsam mit dem <strong>VKD</strong> auf den Weg bringen.<br />

Jahreskonferenz des APS – Hedwig François-Kettner im Gespräch<br />

Das Aktionsbündnis wird seinem Namen sehr<br />

gerecht – es geht im Zusammenhang mit den<br />

Themen immer auch um Aktionen.<br />

Hedwig François-Kettner: In unseren Jahreskonferenzen<br />

– die 14. fand im Mai dieses Jahres statt<br />

– diskutieren wir intensiv wichtige Themen – sowohl<br />

im Plenum als auch in vielen Workshops und<br />

Sessions. Auch dieses Mal haben wir wieder unseren<br />

Preis für Patientensicherheit an Projekte verliehen,<br />

die wir nicht nur interessant und wichtig<br />

finden, sondern von denen wir auch hoffen, dass<br />

sie viele Nachahmer finden. Wir freuen uns auch<br />

sehr darüber, dass die WHO im Mai beschlossen<br />

hat, den von uns initiierten Internationalen Tag<br />

der Patientensicherheit als Welttag der Patientensicherheit<br />

auszurufen – jeweils zum 17. September.<br />

Im letzten Jahr beteiligten sich daran in<br />

Deutschland schon über 600 Institutionen und<br />

Krankenhäuser mit Aktionen, Fortbildungen, Tagen<br />

der offenen Tür.<br />

Welche Kampagnen waren bisher am erfolgreichsten?<br />

Am stärksten präsent scheint in den<br />

Krankenhäusern nach wie vor die „Aktion Saubere<br />

Hände“ zu sein – vielleicht, weil sie alle Bereiche<br />

und Berufe nebst<br />

Patienten und Besucher<br />

betraf.<br />

Foto: APS<br />

Hedwig François-Kettner:<br />

In Deutschland konnte<br />

in den vergangenen Jahren,<br />

wie bereits erwähnt,<br />

ein Erfolg in Bezug auf<br />

die Reduktion nosokomialer<br />

Infektionen erreicht<br />

werden. Im internationalen<br />

Vergleich stehen wir<br />

schon ganz gut da. Wichtig<br />

sind hierbei jedoch<br />

die Maßnahmen, die an<br />

unterschiedlichen „Stellschrauben“<br />

ansetzen, damit<br />

nosokomiale Infektionen<br />

reduzieren und die<br />

Sicherheit der Patienten<br />

verbessern. Die Vielfältigkeit<br />

der eingesetzten<br />

Maßnahmen führt zum<br />

Erfolg.<br />

Wie binden Sie Patienten<br />

in die Arbeit des APS ein?<br />

Hedwig François-Kettner: Wir beziehen Patientenvertreter<br />

obligatorisch in unsere Arbeit mit ein. Im<br />

APS-Vorstand waren sie von Beginn an immer auch<br />

dabei. Wir wollen, dass Patienten souveräner werden.<br />

Deshalb geben wir spezielle Empfehlungen<br />

für sie heraus, die ihnen helfen sollen, eigenes Verhalten<br />

entsprechend einzusetzen.<br />

Einmal im Jahr organisieren wir Patientenworkshops<br />

und bitten zuvor Patienten, die ihnen wichtigen<br />

Themen zu benennen. In diesem Jahr war es<br />

das Entlassmanagement, das leider in vielen Krankenhäusern<br />

nicht gelebt wird. Ich habe schon 1995<br />

am ersten Expertenstandard dazu mitgearbeitet.<br />

Noch immer sind wir hier in der Praxis nicht so weit<br />

gekommen, wie erhofft und wie notwendig wäre.<br />

Es ist allerdings nicht ganz einfach, Patienten einzubinden,<br />

denn diejenigen, die dazu bereit wären,<br />

sind häufig bereits mit ihrem eigenen Krankheitsbild<br />

in Selbsthilfegruppen aktiv. Wir versuchen, ihnen<br />

die ehrenamtliche Arbeit zu erleichtern, indem<br />

wir ihnen z. B. die Reisekosten erstatten, wenn sie<br />

zu unseren Arbeitsgruppen kommen. Wir schicken<br />

unsere Ergebnisse aber auch an entsprechende<br />

Patientengruppen mit der Bitte zu prüfen, ob aus<br />

ihrer Sicht noch andere Aspekte eine Rolle spielen.<br />

Der informierte Patient – von ihm ist immer wieder<br />

die Rede. Gute Kommunikation ist aber ein<br />

schweres Thema, gerade auch für Ärzte. Am Ende<br />

geht es immer auch um Vertrauen. Könnte man<br />

sagen, Patientensicherheit in allen Bereichen, gut<br />

kommuniziert, schafft Vertrauen bei den Patienten<br />

und damit ein Verhältnis auf Augenhöhe?<br />

Hedwig François-Kettner: Vertrauen entsteht durch<br />

Transparenz, durch ein entsprechendes Verhalten<br />

gegenüber Patienten und Angehörigen, durch<br />

eine offene, klare Kommunikation.<br />

In anderen Ländern ist das Verhältnis von Patienten<br />

und Medizinern schon anders als hierzulande.<br />

In der Meo-Klinik in Minnesota zum Beispiel sitzen<br />

Ärzte und Patienten sich nicht gegenüber, sondern<br />

nebeneinander. Schon damit beginnt eine andere<br />

Form des Umgangs, die Vertrauen schafft. In kleinen<br />

Videos werden wichtige Informationen und<br />

Vorgehensweisen erläutert. Die Patienten bekommen<br />

ihre Rechnungen und können diese überprüfen.<br />

Natürlich – wenn jemand schwer krank ist,<br />

müssen andere für ihn handeln. Das muss aber immer<br />

mit Respekt geschehen. Hier können wir bei<br />

uns noch sehr viel tun.<br />

Wir haben im vergangenen Jahr eine neue Broschüre<br />

„Reden ist der richtige Weg“ herausgegeben,<br />

für die Patienten die Gliederung erarbeitet<br />

haben. Wir wollen erreichen, dass Patienten hinterfragen,<br />

was Ärzte und Pflegende sagen und tun,<br />

dass sie selbst Verantwortung übernehmen.<br />

Die Generation, die nach uns kommt, mein Sohn<br />

zum Beispiel, geht schon völlig anders an die Sache<br />

heran, hinterfragt tatsächlich Aussagen von<br />

Ärzten, informiert sich im Internet. Es ist nur eine<br />

Frage der Zeit, dass dies der Normalfall wird.<br />

Das Aktionsbündnis<br />

Patientensicherheit<br />

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. wurde<br />

im April 2005 als gemeinnütziger Verein gegründet.<br />

Es setzt sich für eine sichere Gesundheitsversorgung<br />

ein und widmet sich der Erforschung, Entwicklung und<br />

Verbreitung dazu geeigneter Methoden. Die Grundregeln<br />

der Vereinsarbeit lauten: Glaubwürdigkeit durch<br />

Unabhängigkeit, Bündelung von Fachkompetenzen,<br />

Multidisziplinäre Vernetzung, von der Praxis für die<br />

Praxis. Träger des APS sind Vertreter der Gesundheitsberufe,<br />

ihrer Verbände und der Patientenorganisationen,<br />

deren Ziel es war, eine gemeinsame Plattform zur<br />

Verbesserung der Patientensicherheit in Deutschland<br />

aufzubauen. International besteht Interaktion mit den<br />

Schwesterorganisationen für Patientensicherheit.<br />

Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.,<br />

Am Zirkus 2, 10117 Berlin,<br />

Tel: +49 (0)30 3 64 28 16 0,<br />

Fax: +49 (0)30 3 64 28 16 11,<br />

info@aps-ev.de<br />

Inzwischen arbeiten in den Krankenhäusern<br />

auch Ärzte und Pflegende aus anderen Ländern.<br />

Gleichzeitig kommen Patienten, die nur wenig<br />

oder gar nicht deutsch sprechen. Sie bringen zudem<br />

eine andere Vorstellung von Gesundheitsversorgung<br />

mit. Verständnisschwierigkeiten sind<br />

vorprogrammiert. Ein Thema für das APS?<br />

Hedwig François-Kettner: Unbedingt. Die Kommunikation<br />

mit ausländischen Patienten ist ein Thema<br />

für sich. Sprachbarrieren erschweren oder verhindern<br />

gar eine fehlerfreie Diagnostik, Patienten verstehen<br />

die veranlasste Therapie nicht. Wir haben<br />

das bereits in unserer Jahreskonferenz 2017 be-<br />

>><br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 60<br />

61<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

rücksichtigt. Es ging damals um das wichtige Thema<br />

Kommunikation. Bisher sind die Bemühungen<br />

in Deutschland allerdings noch eher kommerziell<br />

und nicht einheitlich.<br />

In Österreich gibt es zum Beispiel einen zentralen<br />

Dolmetscherpool, eine nationale Plattform,<br />

die Übersetzungen in 70 Sprachen ermöglicht.<br />

Wenn ein ausländischer Patient zum Arzt kommt<br />

und weder er noch der Arzt verstehen ein Wort,<br />

kann innerhalb von fünf bis zehn Minuten ein<br />

Dolmetscher per Video dazugeschaltet werden.<br />

Ein Dolmetscherdienst wie in Österreich, dessen<br />

Das Aktionsbündnis hat 28 Forderungen für<br />

mehr Patientensicherheit aufgestellt und daraus<br />

zunächst sieben in seinem APS-Weißbuch veröffentlicht.<br />

Weitere sollen folgen. In diesem Zusammenhang<br />

stellt sich auch die Frage, ob es immer<br />

gesundheitspolitischer Interventionen bedarf,<br />

die darin u. a. gefordert werden.<br />

Hedwig François-Kettner: Immer ist das sicherlich<br />

nicht notwendig, bei bestimmten Themen aber<br />

dennoch. Unsere zunächst sieben veröffentlichten<br />

Forderungen betreffen die verbindliche Einsetzung<br />

von Beauftragten für Patientensicherheit in den<br />

„<br />

Auch bei schwierigen Themen – zum Beispiel die Gruppe ambulant<br />

versorgter intensivpflichtiger Patienten betreffend – sind wir durchaus<br />

unerschrocken, wenn es der Patientensicherheit dient. Dafür muss eigentlich<br />

jedes Mittel recht sein. Wir unternehmen das, was andere nicht<br />

tun.<br />

“<br />

Dolmetscher auch alle vereidigt sind, wäre auch<br />

für Deutschland eine sehr gute zentrale Lösung.<br />

Das APS meint, Patientensicherheit sei erlernbar.<br />

Das müsste ja schon in der Ausbildung beginnen.<br />

Hedwig François-Kettner: Stimmt. Wir haben deshalb<br />

einen Lernzielkatalog erarbeitet, in dem das<br />

Thema ausführlich beschrieben ist, diesen beim<br />

Medizinischen Fakultätentag (MFT) vorgestellt<br />

und in die zu aktualisierenden Curricula eingebracht.<br />

Unsere Analyse der Ausbildungsinhalte für<br />

die deutschen Gesundheitsfachberufe hatte zuvor<br />

deutliche Defizite in Bezug auf Fragen der Patientensicherheit<br />

ergeben. Das Aktionsbündnis ist<br />

Mitglied beim Institut für medizinische und pharmazeutische<br />

Prüfungsfragen IMPP und u.a. Initialgeber<br />

für Prüfungsfragen.<br />

Das Institut für medizinische und pharmazeutische<br />

Prüfungsfragen (IMPP) hat unsere Prüfungsfragen<br />

zur Kommunikation mit aufgenommen. Die Studiengänge<br />

sind verpflichtet, dazu Seminare abzuhalten,<br />

das freut mich sehr. Auch für die Pflegeausbildung<br />

sollte das Standard werden.<br />

Gemeinsam mit der Kommunikationswissenschaftlerin<br />

Frau Prof. Hannawa haben wir zudem ein Innovationsprojekt<br />

initiiert. Unser Ziel ist es, für die inzwischen<br />

Hunderte Kommunikationsseminare ein<br />

Programm zu geeigneten Kommunikationsformen<br />

aufzulegen, das auch zertifiziert werden kann.<br />

Krankenhäusern, die Verbesserung der Hygiene in<br />

allen Bereichen des Gesundheitswesens, die verpflichtende<br />

Teilnahme an Fehlermeldesystemen,<br />

ein verbindliches Implantate-Register, die Einbeziehung<br />

des Themas Patientensicherheit in die Aus-,<br />

Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe,<br />

die Einbeziehung der Patienten und Angehörigen<br />

als aktive Partner sowie regelmäßige Patienten- und<br />

Angehörigenbefragungen. Bei deren Umsetzung<br />

bauen wir tatsächlich auch auf den Gesetzgeber.<br />

Einige Forderungen sind bereits so gut wie erfüllt.<br />

Die Bundesregierung hat ein verbindliches Implantate-Register<br />

auf den Weg gebracht. Fehlermeldesysteme<br />

gibt es bereits seit etlichen Jahren.<br />

Hedwig François-Kettner: Die Beteiligung daran<br />

ist aber leider bisher nicht sehr gut, weil sie nicht<br />

verpflichtend ist. CIRS könnte besser laufen – aber<br />

auch hier hängt es eben sehr stark von den Vorgesetzten<br />

ab. Das ist eine Sisyphosarbeit, die an der<br />

Spitze oft gar nicht wahrgenommen wird. Die damit<br />

Beauftragten haben oft keine eigenen Ressourcen<br />

für diese Aufgabe. Kaum jemand interessiert<br />

sich dafür. Deshalb brauchen wir die Beauftragten<br />

für Patientensicherheit, damit das Thema im Top-<br />

Management ankommen wird. Es ist auch wichtig,<br />

dass der Aufsichtsrat einmal im Jahr informiert wird.<br />

Erfreulich ist, dass das Land Hessen jetzt den ersten<br />

Beauftragten für Patientensicherheit installiert hat.<br />

Auch bei der TK gibt es ihn inzwischen. Man muss<br />

auch als Konzernchef danach fragen, wie sich die<br />

Infektionsraten und die Zahl der Todesfälle entwickeln,<br />

deren Ursachen unerwünschte Ereignisse<br />

oder Fehler sind.<br />

Patientenbefragungen werden ja vielfach in den<br />

Krankenhäusern schon durchgeführt.<br />

Hedwig François-Kettner: Grundsätzlich ja. Und<br />

das ist natürlich sehr erfreulich. Die Frage ist aber<br />

immer auch, ob das regelmäßig und auch professionell<br />

geschieht. Wir führen alle fünf Jahre gemeinsam<br />

mit dem Institut für Patientensicherheit<br />

in Bonn eine entsprechende Studie durch – suchen<br />

aber auch noch Unterstützung dafür. Die erste Studie<br />

hat die Situation 2010 mit 2015 verglichen. Danach<br />

haben 2015 schon 80 Prozent der Krankenhäuser<br />

angegeben, selbst Patientenbefragungen<br />

durchzuführen – zuvor waren es 40 Prozent. Damit<br />

können wir auch zeigen, was diese Befragungen<br />

bewirken. Wir brauchen aber auch einen Dialog<br />

dazu mit den Häusern.<br />

Sie haben eingangs auch auf den wirtschaftlichen<br />

Effekt der Patientensicherheit<br />

verwiesen. Ist dieser bezifferbar?<br />

Hedwig François-Kettner: Die<br />

OECD hat mehrere Studien<br />

durchgeführt, die deutlich zeigen:<br />

Wenn eine Einrichtung<br />

strategisch Aspekte der Patientensicherheit<br />

einführt,<br />

können 15 Prozent der Kosten<br />

gespart werden, weil<br />

vermeidbare Fehler deutlich<br />

reduziert werden. Das wären<br />

mehr als 50 Milliarden Euro<br />

im Jahr in den deutschen<br />

Krankenhäusern.<br />

Fünfzehn Prozent Budgeteinsparungen<br />

– was braucht das<br />

Management denn eigentlich<br />

noch?! Der wichtigste Gedanke<br />

ist aber immer: Wir sind nicht zum<br />

Selbstzweck da, sondern für die Patienten.<br />

Frau François-Kettner,<br />

herzlichen Dank für das Gespräch.<br />

„<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Patientensicherheit muss zur Chefsache<br />

werden. Daher muss dann auch die für<br />

Patientensicherheit verantwortliche<br />

Person im TOP-Management verankert<br />

sein.<br />

“<br />

Der Tipp:<br />

Das APS-WeiSSbuch Patientensicherheit:<br />

Wegweiser für zentrale Verbesserungen<br />

der Patientenversorgung<br />

Knapp 20 Jahre nach Erscheinen von „To Err Is Human“<br />

hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit mit dem<br />

„Weißbuch“ eine grundlegende Analyse der Situation<br />

und konkrete Forderungen zur Verbesserung der Patientensicherheit<br />

vorgelegt. Der Autor, Prof. Dr. Matthias<br />

Schrappe, war Gründungsvorsitzender des APS und hat<br />

nicht nur die theoretischen Grundlagen, die Erhebungsmethodik,<br />

die Daten zur Häufigkeit und die ökonomischen<br />

Implikationen aufgearbeitet, sondern daraus auch<br />

ein innovatives Konzept entwickelt, das als Basis für die<br />

weitere praktische Entwicklung und die gesundheitspolitische<br />

Bewertung des Themas dienen kann.<br />

„APS-Weißbuch Patientensicherheit: Wegweiser für zentrale<br />

Verbesserungen der Patientenversorgung“, MWV<br />

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Paperback,<br />

ISBN: 978-3-95466-410-8, 64,95 Euro<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 62<br />

63<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Simulationstrainings sollten<br />

obligatorisch sein<br />

Es geht um Kommunikation, Koordination und Ressourcenmanagement,<br />

um Vorkommnisse, für die es keine Routinen gibt<br />

viele dieser Übungen Sinn. Dabei werden sie gefilmt.<br />

Im Anschluss erfolgt eine ausführliche Nachbesprechung.<br />

Das Video hilft dabei, sich an Schlüsselsituationen<br />

genau zu erinnern. Es geht um Kommunikation,<br />

Koordination und Ressourcenmanagement,<br />

um die eigenen Reaktionen in der simulierten Krisensituation.<br />

Sich auf diese Weise auf seltene Vorkommnisse vorzubereiten,<br />

ist in einigen anderen Branchen selbstverständlich.<br />

Piloten, Menschen, die auf Ölplattformen<br />

oder in Atomkraftwerken arbeiten, absolvieren<br />

regelmäßig Simulationstrainings. Ohne daran teilgenommen<br />

zu haben, darf ein Pilot gar nicht ins Cockpit.<br />

Das Helios Klinikum Erfurt<br />

Das Helios Klinikum Erfurt – eines von 86 Krankenhäusern<br />

des Helios-Konzerns Deutschland - ist ein Krankenhaus<br />

der Maximalversorgung mit rund 3.000 Mitarbeitern.<br />

>><br />

Mit knapp 1.300 Betten ist es das größte Krankenhaus<br />

der Region. Jährlich werden etwa 55.000 stationäre Patienten<br />

behandelt. Täglich finden rund 85 Operationen<br />

statt. Mehr als 30 Fachbereiche und Institutionen arbeiten<br />

unter einem Dach zusammen.<br />

Im Simulationszentrum des Helios Klinikums Erfurt<br />

Fotos: Helios Klinikum Erfurt<br />

Zwölf Organzentren unter dem Dach des Onkologischen<br />

Zentrums wurden für ihre ausgezeichnete Arbeit<br />

von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert. Das<br />

Klinikum ist Akademisches Lehrkrankenhaus des Universitätsklinikums<br />

Jena.<br />

Im Simulationszentrum des Helios Klinikums<br />

Erfurt trainieren Teams für den Ernstfall im OP<br />

und für Notfallsituationen. Es geht dabei u.a.<br />

um Reaktion und Verhalten von Teams in Situationen,<br />

die in der klinischen Praxis selten<br />

auftreten, aber schwerwiegende Folgen haben<br />

können, wenn nicht richtig reagiert wird. Es<br />

sind dennoch realitätsnah und schlüssig gestaltete<br />

Ereignisse, in denen es vor allem um<br />

OP-Techniken, Krisenfälle im OP und kritische<br />

Situationen in der Notaufnahme geht.<br />

Bisher sind im Helios Klinikum Erfurt vor allem Ärzte<br />

und Pflegende aus der Intensivmedizin, der Notfallmedizin,<br />

Anästhesie und Gastroenterologie sowie<br />

aus dem Rettungsdienst in die Simulationstrainings<br />

einbezogen. Für Anästhesisten, Anästhesiepflegekräfte<br />

und Intensivmediziner ist ein Training im Jahr<br />

verpflichtend. In der Regel nehmen berufsübergreifende<br />

Teams teil – so, wie sie auch im Klinikalltag<br />

zusammenarbeiten.<br />

Simuliert werden seit dem vorigen Jahr aber auch<br />

Notfälle aus dem Bereich der Geburtshilfe. Für andere<br />

Fächer – etwa die Chirurgie und die Radiologie<br />

– werden zudem auch bestimmte Fertigkeiten<br />

trainiert, etwa für die Gastroskopie. Alle können an<br />

einem Training teilnehmen – es ist ein Angebot, wie<br />

man es so bisher nur selten im Markt bekommen<br />

kann – ein Angebot, das auch Teams aus anderen,<br />

nicht zu Helios gehörenden Krankenhäusern nutzen<br />

können.<br />

Nur gemeinsam macht das<br />

Training Sinn<br />

Die trainierenden Gruppen bestehen in der Regel<br />

aus sechs bis zehn Personen. Ideal sind acht. Eine<br />

Gruppe zur Versorgung von Schwerverletzten, die<br />

aus sehr unterschiedlichen Berufsgruppen besteht,<br />

kann aber auch 16 Personen umfassen.<br />

Die Teams erhalten spezifische Aufgaben und lösen<br />

diese auch im Team, denn nur gemeinsam machen<br />

Die Menschen, die hier im simulierten OP trainieren,<br />

sind selbst Experten im klinischen Alltag. Sie werden<br />

in ihrer Praxis aber auch immer wieder knifflige Entscheidungen<br />

treffen – ausgelöst durch manchmal<br />

anscheinend kleine Dinge - die aber zu gravierenden<br />

Auswirkungen führen können, von denen für einen<br />

Patienten sehr viel abhängt. Wenn das passiert,<br />

kann bei den Beteiligten viel Stress entstehen, mit<br />

allen möglichen ebenfalls negativen Folgen.<br />

Natürlich können solche Ereignisse auch in einem<br />

Seminar theoretisch geschildert und die notwendigen<br />

Entscheidungen und Reaktionen erläutert<br />

werden. Solche Situationen aber selbst trainiert zu<br />

haben, Vorkommnisse, für die es keine Routinen<br />

gibt, mit denen also kaum jemand Erfahrung haben<br />

kann, hat einen vollkommen anderen, nachhaltigeren<br />

Effekt. Hinzu kommt die Nachbesprechung anhand<br />

der soeben gemachten Erfahrung, in der die<br />

Instrukteure auch die Fragen der Teilnehmer beantworten.<br />

Was braucht man für die<br />

Einrichtung eines<br />

Simulationszentrums?<br />

Der Aufwand zur Einrichtung und zum Betrieb eines<br />

Simulationszentrums ist durchaus groß. Bau, Einrichtung,<br />

Equipment, Freistellungen des Personals, das<br />

liegt im siebenstelligen Bereich. Ein nachgestellter<br />

OP-Saal wird mit echtem Equipment eingerichtet.<br />

Die Teams arbeiten mit echten Materialien. Ein elektronisch<br />

steuerbarer „Dummy“ kann in bestimmten<br />

Grenzen Reaktionen eines Patienten simulieren, die<br />

Augen öffnen, der Puls kann gefühlt werden.<br />

Die Trainer sitzen hinter einer Glasscheibe und geben<br />

verschiedene Reaktionen ein. Sie simulieren<br />

zum Beispiel eine Veränderung des Herzschlags.<br />

Für die Personen, die im nachgestellten OP agieren,<br />

wirkt das alles beinahe echt. Das gesamte Training<br />

im OP wird gefilmt.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 64<br />

65<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Die Trainer – ausgewählte<br />

Experten aus dem Klinikum<br />

„Die Trainer im Erfurter Simulationszentrum müssen<br />

über eine besondere fachliche Expertise und viel<br />

Erfahrung verfügen“, betont Dr. Beate Lenk, Leiterin<br />

des Bildungszentrums sowie des dazu gehörenden<br />

Simulationszentrums am Helios Klinikum Erfurt. Es<br />

müsse fachlich aber auch menschlich passen. Ein<br />

Trainer-Team besteht immer aus einem erfahrenen<br />

Fach- oder Oberarzt, einer Pflegekraft und einem<br />

Techniker. Alle haben einen Kommunikationskurs<br />

absolviert. Die Kommunikation mit den Mitarbeitern,<br />

die zum<br />

Training kommen,<br />

müsse klar<br />

und ohne Vorwurf<br />

sein, betont<br />

die Ärztin.<br />

Das Interesse<br />

gerade auch<br />

bei erfahrenen<br />

Mitarbeitern, als<br />

Instrukteur im<br />

Simulationszentrum<br />

ihr Wissen<br />

weiterzugeben,<br />

sei groß. Gleichzeitig<br />

würden<br />

Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />

auch die Trainer selbst sehen, wo überall Fehler entstehen<br />

könnten.<br />

Viele der Mitarbeiter des Kernteams im Simulationszentrum<br />

arbeiten hier mit einem Stellenanteil zwischen<br />

zehn und vierzig Prozent, für den sie in der<br />

Klinik freigestellt werden. So ist Dr. Lenk zum Beispiel<br />

ebenfalls zu 50 Prozent als Anästhesistin tätig.<br />

Welche kritischen Situationen<br />

werden trainiert?<br />

„Eine wichtige Quelle dafür, was trainiert werden<br />

sollte, sind Erfahrungen aus der Aus- und Weiterbildung<br />

von Ärzten und Pflegenden. Außerdem fließen<br />

aus der Abteilung Patientensicherheit und aus<br />

den medizinischen Fachgruppen Anregungen ein.<br />

Probleme, die im CIRS gemeldet werden, können<br />

ebenfalls Anlässe für Trainings sein. Wichtig sei aber<br />

immer auch, die Mitarbeiter zu fragen, wo sie selbst<br />

Bedarf sehen und auf die Wünsche der Abteilungen<br />

einzugehen“, so Dr. Lenk.<br />

Da zu einem sicheren Arbeiten auch Strukturen,<br />

Standards und Material gehören, leistet das Zentrum<br />

hier ebenfalls Beratungsarbeit.<br />

Die Trainings verändern auch<br />

die Kommunikation im Team<br />

Kommunikation ist generell ein wichtiger Aspekt<br />

der Patientensicherheit. Dr. Beate Lenk: „Wir konnten<br />

u.a. feststellen, dass sich die Teamkommunikation<br />

zwischen Pflegenden und Ärzten sowie untereinander<br />

durch die gemeinsamen Trainings komplett<br />

verändert hat.“ Ausländische Studien zeigten zudem,<br />

dass sich Komplikationsraten<br />

und Sterblichkeit<br />

unterscheiden<br />

würden, je nachdem,<br />

ob ein Team regelmäßige<br />

Trainings durchgeführt<br />

hat oder nicht.<br />

In Deutschland sei diese<br />

Art von Fortbildung<br />

im Vergleich zu anderen<br />

Ländern leider<br />

nicht vorgeschrieben.<br />

„Bei uns gibt es bisher<br />

keine Verpflichtung,<br />

bestimmte Handlungen<br />

zunächst zu trainieren und erst dann in der<br />

echten medizinischen Praxis zu arbeiten. Hier muss<br />

aus meiner Überzeugung ein Umdenken stattfinden.<br />

Hilfreich wäre zudem, wenn das Thema Qualität<br />

mit konkreten Themen des Simulationstrainings<br />

generell verknüpft wäre“, so die Leiterin des Erfurter<br />

Simulationszentrums.<br />

Hier wird derzeit auch an neuen Techniken gearbeitet<br />

– an einem Podcast und an videogestützten<br />

Debriefings. Das Zentrum hat auch Expertise, was<br />

Lehrfilme betrifft. Dafür muss dann im „echten“ OP<br />

nicht gestört werden. Als Grundlage für Lehrfilme<br />

können u.a. Empfehlungen der Fachgesellschaften<br />

dienen. Die Inhalte können an den Bedarf des jeweiligen<br />

Auftraggebers angepasst werden. Das muss<br />

nicht OP oder Intensiv sein. Anpassungen sind auch<br />

für Normalstationen oder Ambulanzen möglich.<br />

Redaktion <strong>Praxisberichte</strong><br />

Polytraumatag – jeder Handgriff, jede Aktion wird im Team trainiert<br />

Übung für den Ernstfall<br />

Abläufe und Personal im simulierten Ausnahmezustand<br />

Katastrophenübung Ende September vorigen<br />

Jahres in Erfurt. 24 teils schwerstverletzte Personen<br />

mussten innerhalb einer Nacht im Helios<br />

Klinikum infolge eines Sprengstoffanschlags<br />

versorgt werden. Das Szenario war Teil einer<br />

Übung von Einsatzkräften der Feuerwehr, der<br />

Rettungsdienste und des Katastrophenschutzes<br />

der Landeshauptstadt Erfurt sowie angrenzender<br />

Landkreise am Erfurter Hauptbahnhof.<br />

„Durch das wirklichkeitsnahe Agieren wollten wir<br />

unsere Abläufe und unser Personal im Ausnahmezustand<br />

erproben“, so der Ärztliche Direktor Prof.<br />

Dr. med. Dirk Eßer. Seine erste Einschätzung in den<br />

frühen Morgenstunden: „Wir sind für den Ernstfall<br />

gerüstet und haben viel gelernt.“<br />

In Wellen wurden über die Rettungsdienste insgesamt<br />

drei leicht verletzte, zehn schwer verletzte<br />

und elf akut vital bedrohte Personen ins Klinikum<br />

gebracht. Neben Verbrennungen und Kopfverletzungen<br />

wiesen einige Patientendarsteller auch ein<br />

Polytrauma auf. „Wir wussten zwar, wann die Krankenhausübung<br />

stattfindet, nicht jedoch, was die<br />

Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />

Patienten für Beschwerden aufweisen“, so der Ärztliche<br />

Direktor weiter. „Im Vorfeld haben wir unsere<br />

Abläufe überprüft und unsere Teams allgemein auf<br />

die Gefahrenlage vorbereitet.“<br />

Prof. Eßer: „Wir haben uns bewusst für die maximal<br />

vertretbare Anzahl an Verletzten entschieden, um<br />

unsere Organisation unter Extrembedingungen zu<br />

testen. Im Notfall müssen alle Kräfte mobilisiert werden.“<br />

Zur Normalbesetzung wurden für die Übung<br />

etwa 450 Mitarbeiter des Helios Klinikums Erfurt<br />

alarmiert. Etwa 60 Fachärzte, Pflegekräfte und weitere<br />

Helfer eilten innerhalb der ersten Stunde nach<br />

Auslösung des Alarms ins Klinikum, um zu helfen.<br />

Bei einem Katastrophenfall mit vielen Schwerverletzten<br />

greift ein vorher definierter Alarm- und<br />

Einsatzplan. Aus einigen Fachbereichen werden<br />

so viele Mitarbeiter wie möglich in die Klinik gerufen.<br />

Dazu gehören Ärzte aller operativen Fächer,<br />

Anästhesisten, Intensivmediziner, das Personal der<br />

Notaufnahme, Radiologie und der Operationssäle.<br />

Außerdem müssen in kürzester Zeit Behandlungsplätze<br />

vorbereitet, Liegen und medizinisches Gerät<br />

herbeigeschafft werden.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 66<br />

67<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Sichere Kommunikation erleben!<br />

Prof. Dr. med. Dirk Eßer<br />

Ärztlicher Direktor des<br />

Helios Klinikums Erfurt<br />

>><br />

„<br />

Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />

Die nächtliche Übung, Szenarien im<br />

Simulationszentrum und ein breites<br />

Spektrum an jährlichen Fort- und Weiterbildungen<br />

dienen dazu, das Klinikpersonal<br />

auf Ausnahmesituationen gezielt<br />

vorzubereiten und Mechanismen<br />

einzuspielen. Das Szenario der Stadt war<br />

eine große Chance, unter verschärften<br />

Bedingungen zu trainieren. Wir wollten<br />

sehen, wie die Arbeit in der Notaufnahme<br />

und Überleitung in die einzelnen<br />

Behandlungsteams, insbesondere an<br />

den Schnittstellen Ambulanz, OP und<br />

Radiologie, klappt. Das erste Fazit fällt<br />

positiv aus. Vieles war intuitiv richtig. An<br />

manchen auf dem Papier klar definierten<br />

Abläufen müssen wir weiter arbeiten.<br />

“<br />

Helios: Simulationstrainings<br />

verbessern Patientensicherheit<br />

In den vergangenen drei Jahren hat das Unternehmen<br />

Helios mit einem Investitionsvolumen von rund<br />

zwei Millionen Euro Simulationszentren in Erfurt,<br />

Krefeld und Hildesheim aufgebaut. Mehr als 3.000<br />

Ärzte und Pflegekräfte wurden hier seit Anfang 2016<br />

trainiert. Damit führt das Krankenhausunternehmen<br />

die meisten Simulationstrainings für seine Mitarbeiter<br />

in Deutschland durch. Die Überzeugung: Durch<br />

Foto: Helios Klinikum Erfurt<br />

„<br />

Dr. med. Beate Lenk<br />

Leiterin des Bildungszentrums<br />

und des Simulationszentrums,<br />

Verantwortliche<br />

für den Katastrophenschutz<br />

des Helios Klinikums Erfurt<br />

Bei dieser Katastrophenübung ging es<br />

vor allem um Prozesse. Ein wesentliches<br />

Ergebnis war, dass ein starker Teameffekt<br />

entstanden ist, der auf das gesamte<br />

Haus ausgestrahlt hat. Die Beteiligten<br />

haben sicher für lange Zeit eine bildliche<br />

Erinnerung an das Ereignis und sind<br />

deutlich optimistischer, dass sie solche<br />

Situationen gemeinsam meistern können.<br />

Aber es stehen nach einer solchen<br />

Übung natürlich auch Nachfolgeschritte<br />

an. Wir haben unser Hauskonzept getestet<br />

und können in der Fortbildung nun<br />

im Detail darauf eingehen.<br />

“<br />

>><br />

Simulationstrainings kann die Patientenversorgung<br />

und -sicherheit verbessert werden. Das Simulationszentrum<br />

des Erfurter Klinikums ist für die Helios Kliniken<br />

in den Regionen von Stralsund bis München<br />

zuständig. Dazu finden Trainings für nicht zu Helios<br />

gehörende externe Krankenhäuser und Einzelpersonen<br />

statt.<br />

Ob Notfall oder klinische Routine: Zusammenarbeit durch Einsatz<br />

interaktiver Plattformen gezielt trainieren<br />

Nicht nur im Notfall, sondern auch im klinischen<br />

Alltag ist effiziente und sichere Kommunikation<br />

von höchster Bedeutung. Sie ermöglicht<br />

gute Teamarbeit, ist unerlässlich für interdisziplinäre<br />

und interprofessionelle Koordination<br />

und spielt eine bedeutende Rolle bei Entscheidungsfindungsprozessen.<br />

Umso wichtiger ist<br />

daher das kontinuierliche und gezielte Training<br />

von Kommunikation im geschützten Rahmen.<br />

Am Universitätsklinikum Heidelberg trainieren<br />

Mitarbeiter der Klinik für Anästhesiologie im<br />

eigenen Simulationszentrum, wie Werkzeuge<br />

für sichere Kommunikation optimal eingesetzt<br />

werden können.<br />

„Aber das habe ich doch gesagt“ ist wahrscheinlich<br />

einer der am häufigsten gehörten Sätze in deutschen<br />

Kliniken – doch er fällt immer dann, wenn<br />

die Kommunikation bereits schief gelaufen ist. Die<br />

Bedeutung von Kommunikation im Alltag kann<br />

nicht genug herausgestellt<br />

werden, ist sie doch integraler<br />

Bestandteil jeglicher Zusammenarbeit<br />

in der Patientenversorgung.<br />

Sie betrifft alle<br />

klinischen Bereiche, von der<br />

Organisation der Stationsarbeit<br />

in der Routineversorgung<br />

bis hin zur Koordination einer<br />

komplexen Notfallsituation im<br />

OP. Doch während moderne<br />

Ausbildungskonzepte für Medizinstudenten<br />

und Pflegekräfte<br />

bereits Kommunikation<br />

mit Patienten schulen und<br />

trainieren (meistens durch Einsatz<br />

von Schauspielpatienten),<br />

bleibt die interprofessionelle<br />

und interdisziplinäre Kommunikation<br />

als zentraler Aspekt<br />

erfolgreicher Teamarbeit häufig<br />

„learning by doing“ – und<br />

Foto: privat<br />

Autor<br />

Dr. med. Christopher Neuhaus,<br />

Klinik für Anästhesiologie,<br />

Universitätsklinikum Heidelberg<br />

damit dem Zufall überlassen. Die Resultate sind<br />

vielfältig und nicht selten frustrierend für alle Beteiligten:<br />

Abläufe stocken, Organisation ist redundant<br />

und zeitraubend, die Arbeitsbelastung steigt<br />

und im schlimmsten Fall entstehen Situationen, in<br />

denen die Patienten- oder Mitarbeitersicherheit<br />

gefährdet wird.<br />

Konzepte für sichere<br />

Kommunikation<br />

Der tägliche Umgang mit hohen Risiken und eine<br />

geringe Systemtoleranz für Fehler haben in sog.<br />

„high-consequence industries“ (z. B. Nuklearindustrie,<br />

Luftfahrt, petrochemische Industrie, Schiffahrt,<br />

etc.) zur Entwicklung einer Vielzahl von Werkzeugen<br />

geführt, die bestimmte Bereiche der Kommunikation<br />

optimieren und standardisieren. Ziel dabei ist<br />

jeweils die möglichst verlustfreie Weitergabe von<br />

Informationen bei der Verfolgung eines gemeinsamen<br />

Ziels. Auch die Erstellung einer gemeinschaftlich<br />

geteilten Vorstellung der aktuellen Situation, ein<br />

sogenanntes „mentales Modell“,<br />

wird durch Kommunikation ermöglicht<br />

und angestrebt. Unterschiedliche<br />

Eindrücke, Sachstände<br />

und Ansichten einzelner<br />

Teammitglieder werden durch<br />

Kommunikation angepasst,<br />

harmonisiert und zu einem<br />

kollektiven Verständnis zusammengefügt.<br />

Darüber hinaus<br />

bieten Werkzeuge bestimmte<br />

Formate, die gemeinsame<br />

Konventionen festlegen und<br />

typische Störgrößen wie Emotionalität<br />

und Beziehungen,<br />

aber auch Hierarchie, in den<br />

Hintergrund treten lassen.<br />

In der Medizin immer häufiger<br />

angetroffene Konzepte sind<br />

unter anderem die Zwei-Wege-Kommunikation,<br />

verschiedene<br />

strukturierte Briefings<br />

(z. B. vor Narkoseeinleitung, zur Patientenübergabe,<br />

als interdisziplinäres „Time-Out“ im OP), oder das<br />

„10-for-10“ Prinzip (s. Infokasten 1).<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 68<br />

69<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

>><br />

Anforderungen an die ideale<br />

Trainingsplattform<br />

Um den Trainingsanforderungen des Klinikalltags gerecht<br />

zu werden, muss eine Plattform eine Vielzahl<br />

von Eigenschaften aufweisen. Insbesondere bei<br />

Infokasten 1<br />

Beispiele für Werkzeuge<br />

„sicherer“ Kommunikation<br />

2-Wege-Kommunikation: Dieses häufig auch<br />

als „Sender-Empfänger“-Modell beschriebene<br />

Werkzeug versucht, durch klare Adressierung des<br />

Empfängers durch den Sender und ebenso Rückmeldung<br />

über den Nachrichtenerhalt durch den<br />

Empfänger den Informationsverlust zu minimieren,<br />

insbesondere in dynamischen Situationen mit<br />

vielen Störfaktoren wie Lärm, Ablenkung, Mehrfachbelastung<br />

etc.<br />

„10-for-10“: Dieses Prinzip betont das Sicherstellen<br />

der Aufmerksamkeit aller Teammitglieder<br />

für einen kurzen Zeitraum („10 Sekunden“), um<br />

dann durch gezielte Kommunikation im Team die<br />

Arbeitsabläufe und Handlungen der darauf folgenden<br />

„10 Minuten“ zu koordinieren. Insbesondere<br />

in dynamischen Situationen (z. B. bei der Schockraumversorgung<br />

eines kritisch kranken Patienten)<br />

können Teams auf diese Weise sicherstellen, dass<br />

Prioritäten immer wieder neu gesetzt werden und<br />

das gemeinsame Handeln optimal auf die Anforderungen<br />

der jeweiligen Situation adaptiert werden<br />

kann.<br />

der Konzeption von Schulungen ist ein profundes<br />

Wissen über Möglichkeiten und Limitationen der<br />

unterschiedlichen Systeme notwendig, um mit der<br />

kostbaren Ressource „Trainingszeit“ optimal wirtschaften<br />

und möglichst effektiv trainieren zu können.<br />

Wichtige Charakteristiken sind unter anderem:<br />

¼¼<br />

Hohe, modellierbare Dynamik: Hierdurch<br />

können Kommunikations- und Entscheidungsfindungsprozesse<br />

unter Zeitdruck<br />

und Stress trainiert werden. Variable Dynamik<br />

ermöglicht dabei das schrittweise Heranführen<br />

an reale Arbeitsbedingungen und stellt<br />

den entscheidenden Schritt von reiner Schulung<br />

zu systematischem Training sicher.<br />

¼¼<br />

Niedrige Komplexität für Anwender<br />

und Trainer: Simulatoren und Trainingsplattformen<br />

sollten möglichst leicht zu bedienen<br />

sein. So kann in der zur Verfügung stehenden<br />

Zeit mehr effektiv trainiert werden, da<br />

weniger Zeit für Erklärungen und Einführungen<br />

in das System aufgewandt werden muss.<br />

Gleichzeitig erleichtert dies die Einarbeitung<br />

neuer Trainer und Erweiterung des Instruktorenstammes<br />

für eine höhere Flexibilität in der<br />

Planung.<br />

¼¼<br />

Universelle Einsetzbarkeit: Mobile Trainingsplattformen<br />

ermöglichen die Gestaltung<br />

eines flexiblen und auf den jeweiligen Arbeitskontext<br />

angepassten Trainingsprogramms.<br />

Während z. B. hochkomplexe Patientensimulatoren<br />

mit realistischer Nachbildung einer<br />

Vielzahl von Körperfunktionen (Atmung, Lungenfunktion,<br />

Gefäßsystem, etc., sog. „Full-Scale-Simulatoren)<br />

teilweise hohe Anforderungen<br />

an bauliche Gegebenheiten stellen und daher<br />

ortsgebunden fest installiert sind, können Modelle<br />

mit nur minimal weniger Realitätsgrad<br />

problemlos an jeden beliebigen Trainingsort<br />

transportiert werden. Dies ermöglicht ein Training<br />

in der gewohnten Arbeitsumgebung der<br />

Teilnehmer, wodurch einerseits der Transfer<br />

der Inhalte in den Arbeitsalltag erleichtert und<br />

andererseits die Relevanz und Anwendbarkeit<br />

neuer Kommunikationsstrategien für die Teilnehmer<br />

sichtbar wird.<br />

Abstraktion als<br />

didaktisches Mittel<br />

Für das Erlernen neuer Kommunikationsstrategien<br />

kann es erfolgversprechend sein, unterschiedliche<br />

Abstraktionsniveaus einzusetzen. Die Simulation einer<br />

Reanimationssituation auf Station mit einem Patientensimulator<br />

(Plattform niedriger Abstraktion)<br />

kann optimal dafür eingesetzt werden, den Einsatz<br />

neuer Werkzeuge in der reellen Arbeitsumgebung<br />

unter Zeitdruck und verschiedenen Zielkonflikten<br />

zu trainieren. Hierbei können auch besonders<br />

emergente Phänomene, also nicht vorhersehbare<br />

Resultate von Interaktionen in dynamischen Situationen,<br />

aufgedeckt und Werkzeuge kritisch auf ihre<br />

Anwendbarkeit geprüft werden. Typische Beispiele<br />

hierfür sind Briefings in zeitkritischen Situationen<br />

oder die Integration neuer Checklisten in bestehende<br />

Arbeitsprozesse. Derartige Trainings stellen<br />

aufgrund der inhaltlichen Komplexität jedoch hohe<br />

Anforderungen an die Ausbilder und das zugrunde<br />

liegende Trainingskonzept. Da im selben Kontext<br />

nicht nur kommunikative, sondern auch fachliche<br />

Aspekte trainiert werden können, besteht die Gefahr,<br />

dass diese aufgrund der Vertrautheit mit medizinischen<br />

Inhalten stärker betont werden, und die<br />

Diskussion um „soft skills“ in<br />

den Hintergrund gerät.<br />

Einen radikal anderen Ansatz<br />

stellt daher der vorherige<br />

Einsatz abstrakter Trainingsplattformen<br />

zur Vermittlung<br />

Abstrakte Plattformen<br />

Foto: Fa. InterPersonis GmbH<br />

„<br />

Ein regelmäßiges und<br />

zielgerichtetes Training<br />

von Kommunikation in<br />

Hochrisikobereichen ist<br />

von großer Bedeutung für<br />

die Sicherstellung aller<br />

nachgeschalteten Teamprozesse<br />

in komplexen<br />

„<br />

Arbeitsumgebungen.<br />

kommunikativer Werkzeuge<br />

dar. Hier übernehmen die<br />

Teilnehmer in einem spielerischen<br />

Umfeld ungewohnte,<br />

fachfremde Rollen (wie z.B.<br />

die Steuerung eines Kraftwerkes<br />

oder die Koordination des<br />

Werksverkehrs einer Automobilfabrik).<br />

Hierbei wird gezielt<br />

die Kommunikation in den<br />

Fokus der Simulation gerückt; ein „Abdriften“ in<br />

inhaltlich-fachliche Diskussionen ist für alle Beteiligten<br />

unmöglich. Zusätzlich zu kommunikativen<br />

Inhalten können weitere Aspekte in die Trainings<br />

integriert werden, wie z.B. Entscheidungsfindung<br />

im Team, taktische oder betriebswirtschaftliche<br />

Überlegungen, oder adaptives Handeln bei unerwarteter<br />

Dynamik. Darüber hinaus können Formate<br />

erweiterter Kommunikationsprozesse, wie z.B.<br />

Feedback, losgelöst von fachlichen oder inhaltlichen<br />

Differenzen erlernt werden. Eine derartige<br />

Vermittlung stellt die optimale Grundlage für einen<br />

Transferprozess dar, der sich in weiterführenden<br />

Trainingseinheiten konkreter am Arbeitsumfeld der<br />

Teilnehmer orientiert.<br />

Die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiches<br />

Kommunikationstraining ist<br />

neben der Wahl einer geeigneten<br />

Plattform die klare<br />

Definition der zu Grunde<br />

liegenden Lernziele. Nur<br />

die präzise Formulierung<br />

eines Erwartungshorizontes<br />

ermöglicht die Konzeption<br />

passender Szenarien.<br />

Eine wichtige Quelle hierfür<br />

liefern abteilungsinterne<br />

Zwischenfallmeldesysteme<br />

(Critical Incident Reporting<br />

Systems, CIRS), da dort gehäuft<br />

berichtete Problemfelder<br />

in die Trainingskonzeption<br />

mit aufgenommen werden können.<br />

Die Simulationswoche am Universitätsklinikum<br />

Heidelberg<br />

Zur Standardisierung der Trainingsinhalte und Optimierung<br />

von Kommunikation im Team führt die<br />

Klinik für Anästhesiologie des Universitätsklinikums<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 70<br />

71<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Infokasten 2<br />

>><br />

Mitarbeiterstimmen<br />

„Teilnahme der OÄ absolut wichtig, da diese<br />

ein elementarer Teil der Kommunikationsstruktur<br />

und -kultur sind, sowie die realitätsnahe Rückfallebene<br />

und Expertenrat darstellen.“<br />

„Sehr gut immer im interdisziplinären Team trainieren.“<br />

„Die Teilnahme der Oberärzte macht die<br />

Szenarien realistischer.“<br />

Heidelberg seit 2017 eine „Simulationswoche“<br />

durch. Dieser Rahmen bietet die Möglichkeit, in<br />

einer konzertierten Aktion im Laufe einer Woche<br />

bis zu 200 Mitarbeiter für fünf Stunden einheitlich<br />

in Teamkommunikation zu schulen und dabei<br />

thematische Schwerpunkte zu setzen. Von großer<br />

Bedeutung ist dabei die Interprofessionalität der<br />

Trainings, d.h. ein Zusammenarbeiten zwischen<br />

Pflegekräften und Ärzten wie in der Realität. Auch<br />

reelle hierarchische Strukturen des Klinikalltags<br />

werden in den Trainings abgebildet, damit die<br />

Kommunikation sowohl horizontal als auch vertikal<br />

erlebt, besprochen und trainiert werden kann. So<br />

betreuen Oberärzte mehrere Simulationen parallel<br />

und erleben in geschütztem Rahmen den Umgang<br />

mit Zielkonflikten, Priorisierung, Koordination multipler<br />

Handlungsstränge und den dafür erforderlichen<br />

Kommunikationsformen.<br />

Diese Trainingsform wird von den meisten Teilnehmern<br />

als angenehm empfunden oder sogar<br />

begrüßt, und die Angst davor, sich vor dem Vorge-<br />

Training an Full-scale Simulatoren<br />

Foto: Heidelberger Anästhesie- und Notfallsimulationszentrum<br />

setzten zu blamieren, kann in der Simulation ausgeräumt<br />

werden: 95 Prozent der Mitarbeiter gaben<br />

an, dass die Integration verschiedener Hierarchien<br />

neutral den Alltag widerspiegele oder sich sogar<br />

positiv auf das Teambuilding auswirke. Auch das<br />

gemeinsame Nachbesprechen (Debriefing) in der<br />

Gruppe wird als positiv empfunden.<br />

Konsequenterweise erfolgt die Trainingsplanung<br />

analog zu sonstigen Prozessen des klinischen Alltags.<br />

Die Mitarbeiter werden lediglich statt für einen<br />

normalen OP-Arbeitsplatz an den simulierten<br />

Arbeitsplatz eingeteilt. Jedem Mitarbeiter wird<br />

die Teilnahme freigestellt, dies wurde in der Vergangenheit<br />

jedoch nur vereinzelt in Anspruch genommen.<br />

Die Mitarbeiterstimmen aus anonymen<br />

Feedback-Befragungen zeigen dagegen, wie eindrücklich<br />

derartige Trainingsformen sowohl Kommunikationsprozesse,<br />

als auch Teamarbeit und<br />

soziales Miteinander am Arbeitsplatz beeinflussen<br />

können (s. Infokasten 2).<br />

Fazit<br />

„Ich fand es sehr gut! Ich fand sehr interessant,<br />

wie schnell die Oberärzte die Situation eingeschätzt<br />

haben, ob sie jetzt die Teamführung übernehmen<br />

oder ob sie in anderer Hand bleiben kann.<br />

Aus meiner Sicht ist es eine Bereicherung und ich<br />

denke, dadurch bekommen auch die OÄ Rückmeldung<br />

über Verhalten, was man anders machen<br />

könnte, um ein besseres Miteinander zu schulen.“<br />

Ein regelmäßiges und zielgerichtetes Training von Kommunikation in Hochrisikobereichen ist von großer<br />

Bedeutung für die Sicherstellung aller nachgeschalteten Teamprozesse in komplexen Arbeitsumgebungen.<br />

Der Einsatz verschiedenster Plattformen bietet die Möglichkeit, Konzepte nicht nur theoretisch zu lernen,<br />

sondern deren Wirksamkeit zu erleben und schrittweise auf die Herausforderungen des Alltags anzuwenden.<br />

Derartige Trainingsformen stellen eine wichtige Ergänzung zu bestehenden, medizinisch-fachlichen<br />

Fort- und Weiterbildungsangeboten dar.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 72<br />

73<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

„Dolmetscher der Seele“ - SIM im LVR<br />

Psychiatrische Versorgung unter Einsatz von<br />

Sprachmittler*innen<br />

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) setzt<br />

sich im Bereich der psychiatrischen Versorgung<br />

bereits seit fast zwei Jahrzehnten für die interkulturelle<br />

Öffnung seiner Regeldienste ein.<br />

Für psychisch erkrankte Migrant*innen, insbesondere<br />

traumatisierte Flüchtlinge, sind eine<br />

unzureichende sprachliche Verständigung und<br />

kulturelle Differenzen die größten Zugangsbarrieren<br />

zu einer bedarfsgerechten Behandlung<br />

und Unterstützung. Durch die Bereitstellung<br />

von Fördergeldern ermöglicht der LVR den Einsatz<br />

von Sprach- und Integrationsmittler*innen<br />

(SIM) in den LVR-Kliniken sowie den Sozialpsychiatrischen<br />

Zentren (SPZ) des Rheinlands.<br />

Im Bereich der psychiatrisch/ psychosomatisch/<br />

psychotherapeutischen Versorgung setzt sich der<br />

LVR bereits seit fast zwei Jahrzehnten für die interkulturelle<br />

Öffnung seiner Regeldienste ein. Bereits<br />

seit Anfang der 2000er Jahre wurde die bedarfsgerechte<br />

Versorgung psychisch erkrankter Menschen<br />

mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte als zentrales<br />

Thema definiert.<br />

Interkulturelle Öffnung im<br />

LVR-Klinikverbund<br />

Die interkulturelle Öffnung bzw. die Kultursensibilität<br />

von Gesundheitseinrichtungen zielt darauf ab,<br />

Menschen unabhängig von ihrer kulturellen oder<br />

religiösen Prägung und trotz bestehender Sprachbarrieren<br />

einen gleichberechtigten Zugang zu den<br />

Versorgungsleistungen der Regeldienste zu ermöglichen<br />

und für eine gleichwertige Qualität in<br />

Behandlung, Beratung und Betreuung zu sorgen<br />

(in Anlehnung an Erim 2009, vgl. auch Schröder &<br />

Joksimovic 2017).<br />

Um in den neun psychiatrischen Kliniken des LVR-<br />

Klinikverbunds (Bedburg-Hau, Bonn, Düren, Düsseldorf,<br />

Essen, Köln, Langenfeld, Mönchengladbach<br />

und Viersen) Zugangsbarrieren abzubauen,<br />

wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen. In einem<br />

wesentlichen Schritt wurden 2006 - deutschlandweit<br />

bis heute einzigartig - in allen LVR-Kliniken<br />

Integrationsbeauftragte benannt, die den Prozess<br />

der interkulturellen Öffnung verantwortlich mitgestalten.<br />

Darüber hinaus stellt der LVR-Klinikverbund im<br />

Rahmen des langjährigen Förderprogramms zur<br />

„Verbesserung der migrantensensiblen psychiatrisch-psychotherapeutischen<br />

Versorgung“ für die<br />

Konzeptionalisierung und Umsetzung kultursensibler<br />

Maßnahmen im Bereich der LVR-Kliniken<br />

jährlich Haushaltsmittel zur Verfügung, so dass auf<br />

diese Weise ein Anreiz geschaffen wurde, zielgruppenspezifische<br />

Behandlungs- und Hilfsangebote zu<br />

entwickeln. Vor allem durch die Einrichtung spezieller<br />

Angebote, wie z. B. muttersprachliche Sprechstunden<br />

und inter-/transkulturelle Ambulanzen<br />

bzw. Migrantenambulanzen wird Patient*innen<br />

mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte seither<br />

der Zugang in die Regelversorgung der LVR-Kliniken<br />

erleichtert.<br />

Seit 2008 werden jährlich inhaltliche Themenschwerpunkte<br />

festgelegt, die durch das genannte<br />

Förderprogramm finanziell ausgestattet werden.<br />

Der Einsatz von SIM in den LVR-Kliniken als Möglichkeit<br />

zum Abbau von sprachlichen und kulturellen<br />

Barrieren wurde als ein zentraler Schwerpunkt<br />

bereits 2013 identifiziert und seither durchgehend<br />

gefördert.<br />

Das klinikübergreifend tätige LVR-Kompetenzzentrum<br />

Migration 1 unterstützt und begleitet die<br />

jeweiligen Schwerpunkte durch entsprechende<br />

Fortbildungen, Fachtagungen, Publikationen, Informationsmaterialen<br />

und Handlungshilfen sowie<br />

versorgungsbegleitende Forschungsprojekte und<br />

trägt zur Bewusstseinsbildung, zur Bündelung von<br />

Kompetenzen und zum Wissenstransfer im LVR-<br />

Klinikverbund bei.<br />

Die jährliche Festlegung der Förderschwerpunkte<br />

erfolgt durch die Koordinierungsgruppe des<br />

LVR-Kompetenzzentrums, angepasst an aktuelle<br />

Herausforderungen im Zusammenhang mit der<br />

Versorgung psychisch kranker Migrant*innen. Die<br />

Koordinierungsgruppe trifft sich in der Regel zweimal<br />

pro Jahr und besteht aus den Leiter*innen<br />

und Mitarbeitenden des Kompetenzzentrums, den<br />

Sprecher*innen der Integrationsbeauftragten sowie<br />

Vertreter*innen der LVR-Klinikverbundzentrale.<br />

Zugangsbarrieren in der<br />

Versorgung psychisch kranker<br />

Menschen mit Zuwanderungsund<br />

Fluchtgeschichte<br />

Migrant*innen weisen grundsätzlich höhere<br />

Prävalenzraten für psychische Erkrankungen<br />

auf. Aktuelle Studien<br />

(z. B. Bozorgmehr, Mosenpour et al. 2016;<br />

Schröder, Zok & Faulbaum 2018) zeigen<br />

zudem, dass Traumafolgestörungen bei<br />

geflüchteten Menschen im Vergleich zur einheimischen<br />

Bevölkerung wie auch zu sog. „freiwilligen“<br />

Migrant*innen verstärkt auftreten. Gerade die<br />

Versorgung psychisch kranker, oftmals<br />

traumatisierter Flüchtlinge stellt Einrichtungen<br />

der Regelversorgung vor<br />

besondere Herausforderungen, so<br />

auch die LVR-Kliniken.<br />

Von Seiten des Städte- und Gemeindebunds<br />

(StGB) Nordrhein-Westfalen<br />

sowie vom Deutschen Krankenhausinstitut<br />

(DKI) werden der Umgang mit traumatisierten<br />

Geflüchteten und ihre psychosoziale Betreuung<br />

zunehmend als ein dringliches Problem benannt<br />

(StGB NRW-Mitteilung 3 4/2018 vom 18.06.2018:<br />

„Hohe Belastung durch Flüchtlings-Integration“;<br />

DKI-Psychiatrie-Barometer 2017/2018).<br />

Neben den sprachlichen und kulturellen Differenzen<br />

als stärkste Zugangsbarrieren werden erhöhte<br />

Aufwände (z. B. zeitlicher Aufwand, finanzielle<br />

Mehrbelastungen, Überlastung bzw. stärkere Frequentierung<br />

der Psychiatrischen Instituts- oder<br />

Notfallambulanzen, bürokratisierte Prozesse bei der<br />

Zusammenarbeit mit Behörden sowie ein erhöhtes<br />

Belastungsniveau der Mitarbeitenden (u. a. stärkere<br />

psychische Belastungen) als die zentralen Herausforderungen<br />

beschrieben und - unter anderem - die<br />

Wichtigkeit des Einsatzes sowie die Finanzierung<br />

qualifizierter SIM bzw. Dolmetscher*innen betont.<br />

Einsatz von SIM in der psychiatrischen<br />

Behandlung<br />

Qualifikation von SIM<br />

Dolmetschen im psychiatrischen Versorgungskontext<br />

stellt aus unterschiedlichen Gründen eine Herausforderung<br />

dar. Um hier in den LVR-Kliniken eine<br />

Autorin<br />

Dipl.-Psych. Monika Schröder<br />

Landschaftsverband Rheinland<br />

(LVR) Dezernat 8 -Klinikverbund<br />

und Verbund der Heilpädagogischen<br />

Hilfen Fachbereich 84<br />

-Planung, Qualitäts-und Innovationsmanagement<br />

Abt. 84.20<br />

(Psychiatrische Versorgung)<br />

1<br />

https://klinikverbund.lvr.de/de/nav_main/frfachpublikum/lvr_kompetenzzentrum_migration/lvr_kompetenzzentrum_migration.html<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 74<br />

75<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

möglichst gleichbleibende und gute Qualität zu<br />

erreichen, wurde direkt zu Beginn der Förderung<br />

in 2013 festgelegt, dass in dem sensiblen Arbeitsfeld<br />

der Psychiatrie und Psychosomatik auf entsprechend<br />

qualifizierte Fachleute zurückzugreifen<br />

ist, da nicht nur sprachliche Hürden überwunden<br />

werden müssen, sondern auch kulturelle Aspekte<br />

eine große Rolle spielen können. Die Auszahlung<br />

der Fördergelder an die LVR-Kliniken wurde daher<br />

an den Nachweis des Einsatzes professioneller SIM<br />

gekoppelt.<br />

Der LVR<br />

Der LVR arbeitet als Kommunalverband mit rund<br />

19.000 Beschäftigten für die 9,6 Millionen Menschen<br />

im Rheinland. Die 13 kreisfreien Städte und die zwölf<br />

Kreise im Rheinland sowie die Städte Region Aachen<br />

sind die Mitgliedskörperschaften des LVR.<br />

Mit seinen 41 Schulen, zehn Kliniken, 19 Museen<br />

und Kultureinrichtungen, drei Heilpädagogischen<br />

Netzen, vier Jugendhilfeeinrichtungen und<br />

dem Landesjugendamt erfüllt der LVR Aufgaben,<br />

die rheinlandweit wahrgenommen werden. Er ist<br />

Deutschlands größter Leistungsträger für Menschen<br />

mit Behinderungen und engagiert sich für Inklusion<br />

in allen Lebensbereichen. „Qualität für Menschen“ ist<br />

sein Leitgedanke.<br />

SIM können als eine Art „Brückenbauer“ zwischen<br />

Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte<br />

und Fachpersonal im Gesundheits-, Bildungs-<br />

und Sozialwesen verstanden werden. Ihre<br />

Arbeit zielt auf den Abbau von sprachlichen und<br />

soziokulturellen Verständigungsbarrieren ab und<br />

ermöglicht so eine effektive Zusammenarbeit. SIM<br />

nehmen an einer mindestens zwölf Monate umfassenden<br />

bundeseinheitlichen Qualifizierung teil,<br />

welche nach einer externen Prüfung mit einem<br />

entsprechenden Zertifikat abschließt.<br />

Inhalte der Qualifizierung sind unter anderem<br />

Dolmetschtraining, interkulturelle Kommunikation<br />

und soziokulturelle Sensibilisierung, fachspezifisches<br />

Deutsch, Gesundheitswesen und psychosoziale<br />

Versorgung/Beratung, etc. Neutralität,<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 76<br />

Transparenz, professionelle Distanz und Schweigepflicht<br />

werden als Handlungsleitlinien vermittelt.<br />

Aufgrund der eigenen Migrationserfahrung sind<br />

SIM vertraut mit der Kultur des Herkunftslandes<br />

sowie mit länderspezifischen Unterschieden, z. B.<br />

in der medizinischen und sozialen Versorgung. Bei<br />

Bedarf können sie daher in soziokulturell sensiblen<br />

Fragen vermitteln und Behandler*innen mit<br />

ihrem Wissen zur Verfügung stehen (zum Beispiel<br />

im Umgang mit psychischen Erkrankungen in der<br />

Herkunftskultur, in Bezug auf Geschlechterrollen,<br />

religiöse Aspekte, etc.). Soziokulturell bedingte<br />

Missverständnisse können so leichter vermieden<br />

bzw. aufgeklärt werden, was einen wichtigen Beitrag<br />

zur Verbesserung der Behandlungsqualität<br />

leisten kann.<br />

Beispielhaft sollen mit SprInt Wuppertal und Essen 2 ,<br />

Intermigras Düsseldorf 3 und bikup Köln 4 an dieser<br />

Stelle drei Anbieter von SIM genannt werden, mit<br />

denen aufgrund des steigenden Auftragsvolumens<br />

erstmals im Jahr 2015 durch den LVR-Fachbereich<br />

Zentraler Einkauf eine Rahmenvereinbarung geschlossen<br />

wurde und die die genannten Qualitätskriterien<br />

erfüllen.<br />

Finanzierung des Angebots<br />

Durch die zweckgebundene Bereitstellung von<br />

Fördergeldern aus dem Förderprogramm zur „Verbesserung<br />

der migrantensensiblen psychiatrischpsychotherapeutischen<br />

Versorgung“ ermöglicht<br />

der LVR seit 2013 den flächendeckenden Einsatz<br />

von SIM in seinen psychiatrischen Kliniken.<br />

Speziell für die Behandlung von Flüchtlingen sind<br />

darüber hinaus seit 2015 für den LVR-Klinikverbund<br />

weitere Haushaltsmittel aus den LVR-Flüchtlingshilfen<br />

vorgesehen. Seit 2017 wird gleichermaßen<br />

der Einsatz von SIM im Rahmen der gemeindepsychiatrischen<br />

Versorgung in den Sozialpsychiatrischen<br />

Zentren (SPZ) des Rheinlands 5 gefördert.<br />

Hiermit übernimmt der LVR im Bereich der psychiatrischen<br />

Versorgung Vorreiterfunktion, denn<br />

derzeit werden SIM in Deutschland im Vergleich<br />

zu anderen europäischen Ländern noch deutlich<br />

seltener eingesetzt. Nicht zuletzt ist dies auch<br />

eine Frage der in der Regel ungeklärten Finanzierung:<br />

Die Kosten für Dolmetscher*innen bzw.<br />

SIM werden nur in wenigen Fällen von Sozialamt,<br />

2<br />

https://www.sprachundintegrationsmittler.org/sprach-und-integrationsmittlung/, https://www.sprint-essen.de/<br />

3<br />

https://www.intermigras.de/<br />

4<br />

https://www.bikup.de/bikup-sprachmittlerpool/<br />

5<br />

https://www.lvr.de/de/nav_main/kliniken/verbundzentrale/frderundmodellprojekte/frderprogramme/sim_foerderung_im_spz/<br />

sim_foerderung_im_spz_1.jsp<br />

Jugendamt oder Jobcenter übernommen. Die Beantragung<br />

ist meist langwierig und kompliziert<br />

und überfordert die oft schwer psychisch kranken<br />

Patient*innen.<br />

Das im Juli 2016 verabschiedete Integrationsgesetz<br />

sieht die - im Referentenentwurf noch enthaltene<br />

und von Fachverbänden (z. B. Bundespsychotherapeutenkammer,<br />

Bundesärztekammer)<br />

und Fachleuten ausdrücklich geforderte - Kostenübernahme<br />

für Dolmetschereinsätze durch die<br />

Krankenkassen zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten<br />

medizinischen Versorgung weiterhin<br />

nicht vor. Die Finanzierung von professioneller<br />

Sprachmittlung bleibt also eine große Hürde. Die<br />

beschriebene zweckgebundene Bereitstellung<br />

von Fördermitteln für SIM zur Versorgung psychisch<br />

kranker Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte<br />

durch den LVR bedeutet daher<br />

für die Mitgliedskörperschaften, d.h. Städte und<br />

Kreise im Rheinland sowie die Städteregion Aachen,<br />

eine finanzielle Entlastung.<br />

Fachliche Voraussetzungen für den<br />

Einsatz von SIM<br />

Auch heute noch stehen Behandler*innen in psychiatrischen<br />

und psychosomatischen Arbeitsfeldern<br />

dem Einsatz von SIM bzw. Dolmetscher*innen<br />

zum Teil skeptisch gegenüber. Aufgrund der aktuellen<br />

Versorgungssituation erscheint es jedoch<br />

deutlich zielführender, sich nicht mit dem „ob“,<br />

sondern mit dem „wie“ eines solchen Settings auseinanderzusetzen.<br />

77<br />

sen sowie durch Training bzw. Übung, zudem sollte<br />

die Aufmerksamkeit für typische Fehlerquellen<br />

gegeben sein (vgl. hierzu z. B. Thompson et al.<br />

2013). Behandler*innen müssen nach Hadziabdic,<br />

Albin & Hjelm (2014) zudem dafür sensibilisiert<br />

werden, dass Patient*innen sich häufig „behindert“<br />

fühlen, wenn sie auf SIM angewiesen sind, sie sich<br />

unsicher fühlen, ob richtig übersetzt wird und die<br />

Intimität zum therapeutischen Team als reduziert<br />

erlebt wird. Daher kann - je nach vorliegendem<br />

Störungsbild - nicht allen Patient*innen ein solches<br />

Behandlungssetting ohne weiteres zugemutet<br />

werden.<br />

Um vor dem Hintergrund dieser Studienlage<br />

eine ausreichende Sicherheit für Patient*innen<br />

und Mitarbeitende in diesem speziellen Versorgungskontext<br />

zu gewährleisten, wurden im Jahr<br />

2014 zunächst in allen LVR-Kliniken umfassende<br />

Informationsveranstaltungen zum Einsatz von<br />

SIM durch das LVR-Kompetenzzentrum Migration<br />

angeboten. In den meisten Kliniken erfolgten im<br />

Jahr danach in einem zweiten Schritt vertiefende<br />

„In House“-Schulungen für einzelne Abteilungen<br />

bzw. Teams. Bis zum jetzigen Zeitpunkt besteht<br />

für jede*n Mitarbeiter*in die Möglichkeit, sich bei<br />

allen Fragen rund um den Einsatz von SIM telefonisch<br />

oder per Email an das LVR-Kompetenzzentrum<br />

Migration zu wenden und zeitnah Unterstützung<br />

zu erhalten.<br />

Auf der Homepage des Kompetenzzentrums stehen<br />

zudem etliche Informationsmaterialien und<br />

SIM können als eine Art „Brückenbauer“ zwischen<br />

Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte und<br />

Fachpersonal im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen<br />

verstanden werden. Ihre Arbeit zielt auf den Abbau<br />

von sprachlichen und soziokulturellen Verständigungsbarrieren<br />

ab.<br />

„<br />

„<br />

Studien belegen, dass eine psychotherapeutische<br />

Versorgung von Flüchtlingen unter Hinzuziehung<br />

von SIM keinesfalls als Therapie zweiter Wahl anzusehen<br />

ist (z. B. Brune, Eiroá-Orosa et al. 2011). Allerdings<br />

sollten Fachkräfte für das spezielle Setting<br />

„zu Dritt“ geschult werden. Ebenso wie bei anderen<br />

ärztlichen/ therapeutischen Fertigkeiten erhöhen<br />

sich Sicherheit und Selbstbewusstsein durch<br />

die Vermittlung von spezifischem Handlungswis-<br />

Handlungshilfen zum Download bereit wie Leitfäden,<br />

Flyer oder die sogenannte LVR-“SIM-Karte“<br />

(s. Abb. 1), die bereits in der 5. Auflage erschienen<br />

ist und für mittlerweile zwei Behandlungskontexte<br />

(Kliniken und SPZ) vorliegt. Die LVR-“SIM-Karte“<br />

wird den Mitarbeitenden auch laminiert in einem<br />

praktischen Format für die Kittel- bzw. Hosentasche<br />

zur Verfügung gestellt und informiert über<br />

die wichtigsten Regeln zum Einsatz von SIM im Be-<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

handlungssetting. Beispielhaft aufgeführt: Durchführung<br />

eines Vor- und Nachgesprächs mit den<br />

SIM, Hinweise zur Schweigepflicht, zur Form der<br />

Übersetzung, etc.<br />

Die entsprechenden Flyer enthalten gebündelte<br />

und auf den konkreten Arbeitskontext abgestimmte<br />

Informationen für den Einsatz von SIM, unter anderem<br />

die Beschreibung der jeweils zu berücksichtigenden<br />

Bestell- und Abrechnungsmodalitäten<br />

sowie Informationen zu den SIM-Anbietern, mit<br />

denen aktuell eine Rahmenvereinbarung besteht.<br />

Über die entsprechenden Emailverteiler werden<br />

die Mitarbeitenden der Kliniken durch die Integrationsbeauftragten<br />

und das Kompetenzzentrum Migration<br />

regelmäßig über eigene wie auch externe<br />

Veranstaltungen und relevante Hintergrundinformationen<br />

auf dem Laufenden gehalten.<br />

mals im Haushaltsjahr 2017 gemäß Beschluss der<br />

Landschaftsversammlung des LVR vom 21.10.2016:<br />

„...In unseren Kliniken werden auch viele<br />

geflüchtete und zugewanderte Menschen behandelt.<br />

Im Rahmen der Nachsorge bedarf es<br />

intensiver Beratung. Diese wird vornehmlich<br />

von den SPZ durchgeführt. Allerdings kommt<br />

es hierbei immer wieder zu Sprachbarrieren,<br />

die durch die Unterstützung der Beratungen<br />

durch sog. Sprachmittler erheblich reduziert<br />

werden können. Um eine optimale Beratung<br />

der betroffenen Menschen gewährleisten zu<br />

können, sollen bedarfsabhängig jedem Sozialpsychiatrischem<br />

Zentrum/Sozialpsychiatrischen<br />

Kompetenzzentrum Migration (SPZ/<br />

SPKoM) Mittel zur Verfügung gestellt werden,<br />

die eine Finanzierung der Sprachmittler<br />

auf Honorarbasis ermöglicht (max. 8.000<br />

Euro/SPZ)...“<br />

Im Jahr 2017 wurden die Finanzmittel innerhalb der<br />

gemeindepsychiatrischen Versorgung zunächst<br />

und überwiegend für die genannten Schulungsund<br />

Informationsveranstaltungen der SPKoM in<br />

den Versorgungsregionen der SPZ sowie zur Erstellung<br />

von mehrsprachigen Informationsbroschüren<br />

eingesetzt. Im Jahr 2018 konnte ein deutlicher<br />

Anstieg der SIM-Einsätze in den SPZ verzeichnet<br />

werden. In vielen Gesprächen mit Vertreter*innen<br />

der SPZ und SPKoM zeigte sich jedoch, dass durch<br />

den deutlich erhöhten Zulauf nunmehr die Mitarbeitenden<br />

oft an ihre Grenzen gelangen, sei es<br />

aufgrund zeitlicher Ressourcen als auch durch fehlende<br />

interkulturelle (Beratungs-)Kompetenzen.<br />

Daher wurde von Seiten der Klinikverbundzentrale<br />

und den SPKoM für die SPZ ein umfangreiches Unterstützungs-<br />

und Qualifizierungsangebot für dieses<br />

besondere Beratungssetting konzipiert, das ab<br />

Mitte <strong>2019</strong> durchgeführt wird.<br />

Einsatzzahlen: LVR-Klinikverbund und<br />

Gemeindepsychiatrie<br />

Nach nunmehr über fünf Jahren als Förderschwerpunkt<br />

hat sich das Setting in den LVR-Kliniken als<br />

Behandlungsroutine etabliert: Die Möglichkeit, SIM<br />

einzusetzen, ist grundsätzlich bei den LVR-Mitarbeitenden<br />

bekannt und wird zunehmend genutzt.<br />

Abb. 2 zeigt, dass die Anzahl der SIM-Einsätze von<br />

570 im Jahr 2013 ansteigt bis auf etwa 5.300 im Jahr<br />

2018. Die hierfür jährlich verausgabten Haushaltsmittel<br />

wuchsen im gleichen Zeitraum über alle LVR-<br />

Kliniken von etwa 6.500 € auf 490.000 € (Angaben<br />

des LVR-Fachbereichs Zentraler Einkauf ).<br />

Der Einsatz von SIM erfolgt zu ca. 90 % bei<br />

Patient*innen mit Fluchtgeschichte. Nach Auswertung<br />

des LVR-Fachbereichs 84 wurden im gesamten<br />

Jahr 2018 ca. 2.000 Patient*innen mit Fluchtgeschichte<br />

behandelt, davon etwa 600 stationär<br />

und 1.400 ambulant. Die Anzahl der Fälle lag bei<br />

ca. 3.800, davon 800 stationär und 3.000 ambulant<br />

(Auswertung durch den Fachbereich 84).<br />

Anzahl der SIM-Einsätze in den LVR-Kliniken seit 2013<br />

Eigene Auswertung auf Grundlage der Angaben der LVR-Kliniken und<br />

des LVR-Fachbereichs Zentraler Einkauf (Abb. 2)<br />

5.300<br />

3.500<br />

4.200<br />

570<br />

1.100<br />

1.920<br />

LVR-SIM-Karte für die Kitteltasche (Abb.1)<br />

Besonderheiten des SIM-Einsatzes in der<br />

auSSerklinischen Versorgung<br />

Nicht zuletzt aufgrund der positiven Erfahrungen<br />

mit dem Einsatz von SIM in den LVR-Kliniken erfolgte<br />

eine Förderung des Einsatzes von SIM in den<br />

insgesamt 71 SPZ sowie den sieben Sozialpsychiatrischen<br />

Kompetenzzentren Migration (SPKoM) erst-<br />

Wie im Bereich der LVR-Kliniken wurden auch hier<br />

Schulungen für die Mitarbeitenden der SPZ zum<br />

Einsatz von SIM wie auch zur Arbeit mit traumatisierten<br />

Flüchtlingen insgesamt angeboten. Diese<br />

erfolgten durch die SPKoM als Fachstellen für die<br />

interkulturelle Öffnung des gemeindepsychiatrischen<br />

Versorgungsbereichs in Kooperation mit<br />

dem LVR-Kompetenzzentrum Migration.<br />

2013<br />

2014<br />

2015<br />

2016<br />

2017<br />

Quelle: Angaben auf Grundlagen von Angaben der LVR-Kliniken und des LVR-Fachbereichs zentraler Einkauf<br />

„<br />

Die weiterhin grundsätzlich fehlende Refinanzierungsmöglichkeit<br />

von SIM-Kosten muss an dieser Stelle ausdrücklich als<br />

eines der größten Probleme bei der Versorgung von psychisch<br />

erkrankten Menschen mit Zuwanderungs-<br />

„<br />

und Fluchtgeschichte<br />

genannt werden.<br />

2018<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 78<br />

79<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


PATIENTENSICHERHEIT<br />

PATIENTENSICHERHEIT<br />

Anzahl der Klient*innen in den SPZ, bei denen ein SIM-Einsatz<br />

erfolgte (nach Herkunftsland bzw. Sprache im Jahresvergleich<br />

2017/2018, eigene Auswertung LVR-FB 84) (Abb. 3)<br />

Herkunftsländer/Sprachen<br />

Syrien 27 27 53 44<br />

Afghanistan 7 5 33 29<br />

Irak 9 8 17 15<br />

Iran 5 4 15 13<br />

Türkei 5 2 11 5<br />

GUS-Staaten (russische Föderation) 10 9 16 9<br />

EX-Jugoslawien (Kroatien, Serbien,<br />

Slowenien, Bosnien, Kosovo, Mazedonien)<br />

1 1 18 16<br />

Albanien 6 6 15 14<br />

Polen 1 0 1 0<br />

Aserbeidschan 2 2 2 2<br />

Armenien 0 0 7 6<br />

Maghreb-Staaten (Tunesien, Algerien,<br />

Marokko)<br />

Ostafrika (Eritrea, Äthiopien, Dschibuti,<br />

Somalia, Kenia, Tansania)<br />

Anzahl Klient*innen<br />

2017* 2018<br />

davon<br />

F Status<br />

3 1 10 7<br />

3 2 18 16<br />

Westafrika (Guinea, Ghana etc.) 3 1 7 7<br />

Bangladesch 1 1 2 1<br />

Pakistan 1 0 2 2<br />

Französisch 1 1 5 2<br />

Kurdisch 0 0 1 1<br />

Sonstige 0 0 17 11<br />

* 3. und 4. Quartal 2017 Gesamt: 85 70 250 200<br />

F-Status = Flüchtlingsstatus bzw. (langfristig) ungesicherter Aufenthaltsstatus<br />

davon<br />

F Status<br />

Auch in der gemeindepsychiatrischen<br />

Versorgung der SPZ<br />

des Rheinlands sind die Einsatzzahlen<br />

seit dem Beginn<br />

der Förderung Anfang 2017<br />

deutlich gestiegen. Insgesamt<br />

wurden für Schulungsmaßnahmen<br />

einschließlich SIM-<br />

Einsätze in den SPZ bis Ende<br />

2017 ca. 17.000 Euro abgerufen.<br />

Die Anzahl der Einsätze<br />

stieg von 137 im Jahr 2017 auf<br />

730 im Jahr 2018, hierfür wurden<br />

ca. 76.000 Euro benötigt.<br />

Es wurden 250 Personen (ca.<br />

80% mit Flüchtlingsstatus) beraten.<br />

35% aller Personen, die<br />

unter Zuhilfenahme eines SIM<br />

in den SPZ versorgt wurden,<br />

kamen aus Syrien oder Afghanistan<br />

(s. Abb. 3).<br />

„<br />

Von Seiten des Städteund<br />

Gemeindebunds<br />

(StGB) Nordrhein-Westfalen<br />

sowie vom Deutschen<br />

Krankenhausinstitut<br />

(DKI) werden der Umgang<br />

mit traumatisierten<br />

Geflüchteten und ihre<br />

psychosoziale Betreuung<br />

zunehmend als ein dringliches<br />

Problem<br />

„<br />

benannt.<br />

Auch nach wochenlanger stationär-psychiatrischer<br />

Behandlung von Patient*innen mit Zuwanderungsund<br />

Fluchtgeschichte kann es vorkommen, dass in<br />

Bezug auf die biographische Anamnese wie auch<br />

das Störungsbild von Behandlerseite angemerkt<br />

wird, dass die Erhebung der entsprechenden Informationen<br />

„aufgrund von Sprachbarrieren nicht<br />

möglich gewesen sei“. Zum Dolmetschen werden<br />

Bekannte, Ehepartner und sogar minderjährige<br />

Kinder hinzugezogen; auch der situationsbedingte<br />

Einsatz von Küchen- oder Reinigungspersonal ist<br />

weiterhin keine Seltenheit.<br />

Der LVR-Klinikverbund hat sich - nicht zuletzt aus<br />

Gründen der Patientensicherheit - bereits vor sechs<br />

Jahren entschieden, das kultursensible Dolmetschen<br />

im psychiatrischen Versorgungskontext zu<br />

professionalisieren und entsprechend finanziell zu<br />

fördern, aber auch durch notwendige Schulungen<br />

und Unterstützungsstrukturen zu begleiten. Der<br />

Einsatz von SIM in der Behandlung wird im LVR-<br />

Klinikverbund, aber auch in der gemeindepsychiatrischen<br />

Versorgung mittlerweile als eine wichtige<br />

Möglichkeit gesehen, sprachliche und kulturelle<br />

Barrieren abzubauen.<br />

Bozorgmehr K., Mohsenpour A., et al.<br />

(2016). Systematische Übersicht und „Mapping“<br />

empirischer Studien des Gesundheitszustands<br />

und der medizinischen Versorgung<br />

von Flüchtlingen und Asylsuchenden in<br />

Deutschland (1990–2014). Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz,<br />

59(5), 599-620<br />

Brune, M., Eiroá-Orosa, F.J., Fischer-Ortman,<br />

J., Delijaj, B. und Haasen, C. (2011) Intermediated<br />

communication by interpreters<br />

in psychotherapy with traumatized refugees<br />

International Journal of Culture and Mental<br />

Health, Volume 4, Issue 2, p. 144-151<br />

Fazit<br />

Literatur<br />

Erim, Y. , Hrsg. (2009). Klinische Interkulturelle<br />

Psychotherapie. Ein Lehr- und Praxisbuch.Verlag<br />

W. Kohlhammer, Stuttgart<br />

Hadziabdic, E., Albin, B. & Hjelm, K. (2014).<br />

Arabic-speaking migrants´ attitudes, opinions,<br />

preferences and past experiences concerning<br />

the use of interpreters in healthcare:<br />

a postal cross-sectional survey. BMC Research<br />

Notes, 7-71.<br />

Schröder, H., Zok, K. & Faulbaum, F. (2018).<br />

Gesundheit von Geflüchteten in Deutschland<br />

- Ergebnisse einer Befragung von Schutzsuchenden<br />

aus Syrien, Irak und Afghanistan.<br />

WIdo Monitor 15:1, 1-20.<br />

Die SIM-Einsatzzahlen zeigen, dass die „Behandlung<br />

zu Dritt“ nach anfänglicher Skepsis mittlerweile<br />

etabliert ist - mit entsprechend positiven Rückmeldungen<br />

aus dem Kreis der Mitarbeitenden. Weitere<br />

Möglichkeiten, die Verständigung mit Patient*innen<br />

zu gewährleisten, werden im LVR-Klinikverbund in<br />

der gezielten Nutzung vorhandener muttersprachlicher<br />

und fremdsprachiger Kompetenzen gesehen.<br />

In Ausnahmefällen kann auf Mitarbeitende zurückgegriffen<br />

werden, die sich im Rahmen klinikinterner<br />

Fremdsprachenlisten für Ad-hoc-Dolmetschen<br />

zur Verfügung stellen. Allerdings konnte durch die<br />

Aufnahme eines Anbieters für telefonisches Dolmetschen<br />

in den SIM-Pool des LVR im Jahr 2017 das<br />

bisherige Angebot um einen wichtigen Baustein<br />

erweitert werden: die rasche Verfügbarkeit eines<br />

professionellen Dienstleisters ohne Wartezeit für<br />

akute psychiatrische Notfallsituationen. Darüber hinaus<br />

werden die technischen Umsetzungsmöglichkeiten<br />

für das Videodolmetschen als weitere sinnvolle<br />

Ergänzung der Angebotspalette von LVR-Seite<br />

zurzeit geprüft.<br />

Die weiterhin grundsätzlich fehlende Refinanzierungsmöglichkeit<br />

von SIM-Kosten muss an dieser<br />

Stelle ausdrücklich als eines der größten Probleme<br />

bei der Versorgung von psychisch erkrankten Menschen<br />

mit Zuwanderungs- und Fluchtgeschichte<br />

genannt werden.<br />

Schröder, M. & Joksimovic, L. (2017). Institutionelle<br />

Einflüsse auf die psychotherapeutische<br />

Arbeit mit geflohenen Menschen. In<br />

M. Borsca, C. Nikendei (Hrsg.), Psychotherapie<br />

nach Flucht und Vertreibung: Eine praxisorientierte<br />

und interprofessionelle Perspektive<br />

auf die Hilfe für Flüchtlinge (S. 65-72 pp). Georg<br />

Thieme Verlag.<br />

Thompson, D. A., Hernandez, R. G., Cowden,<br />

J. D., Sisson, St. D., Moon, M. (2013).<br />

Caring for Patients With Limited English<br />

Proficiency: Are Residents Prepared to Use<br />

Medical Interpreters? Academic Medicine<br />

Oct;88(10):1485-1492<br />

>><br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 80<br />

81<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


30 SEPTEMBER - 2 OCTOBER 2020<br />

2 9 T H<br />

E A H M<br />

C O N G<br />

R E S S<br />

B U D A P E S T , H U N G A R Y<br />

S A V E T H E D A T E !<br />

Der 29. Kongress der Europäischen Vereinigung der<br />

Krankenhausmanager wird vom 30. September bis<br />

2. Oktober 2020 in Budapest, Ungarn, stattfi nden.<br />

HAUPTTHEMEN:<br />

• lnnovative, Virtual, Smart – Future Technologies<br />

• Hospitals Go Green<br />

• Doctor Who – New Roles in Health Care<br />

Der Kongress wird im Budapest Marriott Hotel ausgerichtet.<br />

Weitere Informationen fi nden Sie unter:<br />

www.eahm.eu.org<br />

VERANSTALTER<br />

Association of Economic Managers of Health<br />

Institutions (EGVE)<br />

E-Mail: egve@egve.hu<br />

Web: www.egve.hu<br />

Der <strong>VKD</strong> ist auch dabei!<br />

Wir freuen uns, Sie im Jahr 2020 in Budapest begrüßen zu dürfen!


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

bereits im 13. Projektzyklus<br />

Wichtige Zukunftsthemen für die stationäre und vernetzte<br />

Gesundheitsversorgung<br />

Mit fünf neuen Digitalisierungsprojekten hat<br />

Anfang Februar in Düsseldorf der diesjährige<br />

Zyklus der ENTSCHEIDERFABRIK für Unternehmenserfolg<br />

durch optimalen IT-Einsatz begonnen.<br />

Bereits zum 13. Mal wurden im Rahmen des<br />

Entscheider-Events in Düsseldorf aus zwölf Projektvorschlägen<br />

von den Teilnehmern aus den<br />

Führungsebenen der Krankenhäuser die fünf Digitalisierungsthemen<br />

des Jahres ausgewählt. Vorangegangen<br />

war, wie in jedem Entscheiderevent,<br />

die Vorstellung der Ergebnisse aus den fünf Schlüsselthemen<br />

des vorigen Jahres.<br />

Die in Düsseldorf zur Bearbeitung in diesem Jahr<br />

ausgewählten Projekte sind wieder hoch aktuell.<br />

Das Format ENTSCHEIDERFABRIK zeigt erneut, wie<br />

etabliert es in der Krankenhauslandschaft und der<br />

IT-Welt ist. Auch in diesem Jahr wurden wieder<br />

wichtige Zukunftsthemen aufgegriffen, die für die<br />

stationäre und vernetzte Gesundheitsversorgung<br />

sowie für die Patienten eine große Rolle spielen.<br />

Inzwischen haben die Projektgruppen aus 19 Krankenhäusern,<br />

IT-Firmen und Beratern gemeinsam an<br />

den als besonders wichtig für die Krankenhäuser<br />

erachteten Themen gearbeitet.<br />

Die 12 Finalisten <strong>2019</strong><br />

Optimierung des krankenhausweiten<br />

Patientendurchlaufs mittels künstlicher<br />

Intelligenz<br />

01 02<br />

Industrie: Dr. R. Gross, Founding Partner<br />

& Chief Scientists, Blue Panda<br />

Klinik: PD Dr. C. Strey, Chefarzt der Klinik<br />

für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie,<br />

DIAKOVERE Friederikenstift<br />

Digitalisierung<br />

im MDK-Prozess<br />

Industrie: C. Nemtut, Vertrieb, OINK<br />

03<br />

Wie intelligente Anrufassistenten das<br />

Serviceerlebnis des Patienten wandeln<br />

und den Einsatz von Kundendienst-<br />

Ressourcen im Gesundheitswesen<br />

optimieren<br />

Industrie: S. Elsner, Sales Manager<br />

DACH, Audiocodes<br />

Klinik: L. Zimmermann, SAP Projektmanagerin,<br />

Universitätsklinikum Düsseldorf<br />

04<br />

Digitalisierung der Pathologie – vollumfänglicher<br />

elektronischer Workflow<br />

mit allen fallrelevanten histologischen<br />

Objektträgern zur digitalen und damit<br />

ortsunabhängigen Befundung<br />

Industrie: J. Dettmann,<br />

Account Manager DACH, SECTRA<br />

Klinik: Uni.-Prof. Dr. R. Büttner,<br />

Geschäftsführender Direktor<br />

Pathologie, Universitätsklinikum Köln<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 84<br />

85<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

KI Marktplatz<br />

05 06<br />

Industrie: M. Kremers, Business Development,<br />

VISUS<br />

Klinik: PD Dr. F. Nensa, Oberarzt Radiologie,<br />

Universitätsklinikum Essen<br />

Archivar 4.0<br />

07 08<br />

Industrie: H. Zehrer, Produktmanagement<br />

Archivar 4.0, DMI<br />

Next Generation Kommunikation am<br />

Krankenbett<br />

Industrie: P. Schmelter, Geschäftsführer,<br />

BEWATEC<br />

Klinik: G. Woditsch, GB IT, Leiter Klinische<br />

Systeme<br />

Themen-Pate: Dr. C. Hoppenheit, stellv.<br />

Vorstandsvorsitzender, Universitätsklinikum<br />

Münster<br />

09 10<br />

SAP Digital Boardroom für Krankenhäuser<br />

– wie Entscheider komplexe<br />

Zusammenhänge agil und intuitiv<br />

analysieren können<br />

Industrie: D. Litfin, Key Account Manager,<br />

SAP Deutschland<br />

Industrie: Dr. A. Orth, Vorsitzender-<br />

Geschäftsführer, PlanOrg Informatik<br />

GmbH<br />

Klinik: A. Schultze, Leiter Kaufmännisches<br />

Controlling, Universitätsklinikum<br />

Bonn<br />

11 12<br />

Fallakte Plus: Auf zu neuen Welten –<br />

Aktive Einbeziehung<br />

der Pflege in die<br />

Gesundheitstelematik<br />

Industrie: C. Fehlen, Vice President, CGM<br />

Klinik: A.-C. Weiergräber, Projektmanagerin<br />

IT<br />

Themen-Pate: P. Asché, Kaufm. Vorstand,<br />

Uniklinik der RWTH Aachen<br />

Predictive Analytics für den<br />

Behandlungspfad<br />

Industrie: Dr. P. Glößner, Senior Manager,<br />

d-fine<br />

Klinik: Dr. V. Saßmann, Oberarzt und<br />

Facharzt für Anästhesiologie,<br />

St. Marien-Krankenhaus, Siegen<br />

Konzeption und Aufbau sowie sicherer<br />

Betrieb, Prüfung und Mitwachsen der<br />

unterbrechungsfreien Stromversorgung<br />

für Rechenzentren, IT-Strukturen und<br />

komplexe Netze im Krankenhaus<br />

Industrie: C. Brüning, Geschäftsführer,<br />

CoSolvia Krankenhaustechnik<br />

Klinik: T. Dehne, Geschäftsbereichsleiter IT<br />

Themen-Pate: H. Jeguschke, Vorstand/<br />

Kfm. Direktor, Universitätsmedizin Rostock<br />

Kommunikation mit Mehrwert ohne<br />

WhatsApp-Dilemma, Freiraum für selbstbestimmte<br />

Interaktion, eingebunden in<br />

den klinischen Alltag, gesetzeskonform,<br />

praktikabel, sicher, vollständig<br />

Industrie: F. Obermayer, Regional Vice<br />

President Europe, Infinite Convergence<br />

Solutions<br />

Industrie: M. Schmitz, Vertriebsdirektor<br />

AgemoMed<br />

Klinik: S. Wiesner, Bereichsleiter IT,<br />

St. Augustinus Kliniken<br />

Themen-Pate: M. Richter, Geschäftsführer,<br />

St. Augustinus Kliniken<br />

Die<br />

5<br />

Die<br />

Digitalisierungsthemen<br />

<strong>2019</strong><br />

1. Kommunikation mit Mehrwert ohne Whats-<br />

App Dilemma, Freiraum für selbstbestimmte<br />

Interaktion, eingebunden in den klinischen Alltag,<br />

gesetzeskonform, praktikabel, sicher, vollständig<br />

2. SAP Digital Boardroom für Krankenhäuser –<br />

wie Entscheider komplexe Zusammenhänge<br />

agil und intuitiv analysieren können<br />

3. Digitalisierung der Pathologie – vollumfänglicher,<br />

elektronischer Workflow mit allen fallrelevanten<br />

histologischen Objektträgern zur digitalen<br />

und damit ortsunabhängigen Befundung<br />

4. Konzeption und Aufbau sowie sicherer Betrieb,<br />

Prüfung und Mitwachsen der unterbrechungsfreien<br />

Stromversorgung für Rechenzentren,<br />

IT-Strukturen und komplexe Netze im Krankenhaus<br />

5. Archivar 4.0 und die Unterstützung des digitalen<br />

Wandels durch interoperable Archivierung<br />

intelligenter Patienten-Akten<br />

ENTSCHEIDERFABRIK –<br />

ein Win-Win-Projekt<br />

Die ENTSCHEIDERFABRIK überzeugt in den Krankenhäusern<br />

durch die Möglichkeit, Digitalisierungsprojekte<br />

kostenlos zu erproben. Die beteiligten Firmen<br />

wiederum können ihre Lösungen in der Praxis<br />

gemeinsam mit künftigen Nutzern testen und weiter<br />

verbessern. Eine optimale Win-Win-Situation.<br />

Auch nicht beteiligte Kliniken profitieren, weil der<br />

strukturierte Erprobungsprozess sehr transparent<br />

gestaltet wird und die Ergebnisse in Workshops<br />

und Seminaren sowie im Rahmen des Deutschen<br />

Krankenhaustages im November in Düsseldorf ausführlich<br />

dargestellt werden.<br />

Gemeinsam erproben Krankenhäuser, Firmen und<br />

Beratungsunternehmen im Rahmen der jährlichen<br />

IT-Schlüsselthemen neue Lösungen, Konzepte, Systeme.<br />

Alle haben den Nutzen davon. In den Kliniken<br />

erfolgt der Praxistest, die Firmen erkennen Verbesserungsnotwendigkeiten.<br />

Berater bringen ihr<br />

Projekt-Knowhow ein. Auch nicht direkt beteiligte<br />

Kliniken profitieren davon. Erfahrungsaustausch<br />

sieht der <strong>VKD</strong> als wichtige Verbandsaufgabe.<br />

Die Zusammenführung aller Partner im Rahmen<br />

der ENTSCHEIDERFABRIK gelingt durch das Konzept<br />

des Entscheider-Zyklus aus Entscheider-Event,<br />

Sommer-Camp und Ergebnis-Veranstaltung sowie<br />

inzwischen zahlreicher weiterer Veranstaltungen<br />

und Workshops, die sich über das Jahr mit den Projektthemen<br />

beschäftigen.<br />

Die Entscheiderfabrik führt inzwischen 33 fördernde<br />

Verbände und von diesen gewählte Berater,<br />

mehr als 800 Klinikstandorte sowie mehr als 100<br />

Industrie-Unternehmen zusammen.<br />

>><br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 86<br />

87<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Projekt 1<br />

Kommunikation mit Mehrwert, ohne<br />

“WhatsApp-Dilemma“<br />

Die sichere Chat-Plattform NetSfere unterstützt Krankenhäuser<br />

bei Kommunikationsanforderungen im Zuge der Digitalisierung<br />

Vorgestellt: Neue Ideen,<br />

Weiterentwicklungen und Innovationen<br />

Viele Projekte wurden für den Wettbewerb <strong>2019</strong><br />

eingereicht, 12 kamen in die Endrunde, fünf wurden<br />

ausgewählt. Hinzu kamen drei Projekte aus<br />

dem Wettbewerb um den Start Up und Young<br />

Professional Preis.<br />

Fünf Projekte – drei der fünf Digitalisierungsprojekte<br />

<strong>2019</strong> sowie zwei der Start Ups - werden im<br />

Folgenden ausführlicher vorgestellt.<br />

Die Digitalisierung und Mobilisierung von Prozessen<br />

im Gesundheitswesen ist in aller Munde.<br />

Bei der notwendigen Vernetzung von Systemen<br />

untereinander sowie von Mensch zu Mensch<br />

und Mensch zu Maschine wird die Komponente<br />

der mobilen Kommunikation immer wichtiger.<br />

Traditionelle Kommunikationsformen<br />

wie Email stoßen dabei an ihre Grenzen, aber<br />

Lösungen wie WhatsApp passen nicht in die<br />

Unternehmensstruktur. Benötigt wird für die<br />

neuen Anforderungen eine moderne Kommunikationsplattform,<br />

die nicht nur Menschen,<br />

sondern auch Applikationen in sichere und<br />

richtlinienkonforme Kommunikation einbindet,<br />

um sektorenübergreifend Mehrwerte zu<br />

generieren.<br />

Die Mitglieder der ENTSCHEIDERFABRIK mit ihren<br />

über 800 Klinik-Standorten bekräftigen den<br />

Bedarf nach mehrwertstiftender Kommunikation<br />

und haben dazu die Chat-Plattform NetSfere<br />

auf Platz 1 der „Digitalisierungsthemen der Gesundheitswirtschaft<br />

<strong>2019</strong>“gewählt.<br />

Bereits 2018 ist NetSfere zusammen mit zahlreichen<br />

Klinikpartnern angetreten, um erfolgreich das sogenannte<br />

WhatsApp-Dilemma zu beseitigen.<br />

Das doppelte Dilemma<br />

Es ging darum, die Verwendung von unsicheren<br />

Chat-Apps wie WhatsApp im dienstlichen Einsatz<br />

zu ersetzen. <strong>2019</strong> wird diese Integration der Kommunikationsplattform<br />

mit den klinischen Systemen<br />

fortgeführt. Außerdem haben sich weitere Kliniken<br />

dem Projekt angeschlossen, um hiervon zu profitieren<br />

und auch das Risiko von Datenverlusten und<br />

Verstößen gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung<br />

sowie den damit verbundenen empfindlichen<br />

Strafen zu vermeiden.<br />

Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an die<br />

Kommunikation im Zuge der Digitalisierung besteht<br />

noch ein weiteres Dilemma: Krankenhäuser<br />

benötigen eine Chat-Plattform, die mit klinischen<br />

und nicht-klinischen Systemen verbunden werden<br />

kann, um Workflows zu verbessern und zu<br />

beschleunigen. Weder vorhandene Email-Systeme<br />

noch WhatsApp & Co können dies liefern.<br />

Somit bringt der Einsatz von WhatsApp im dienstlichen<br />

Gebrauch nicht nur Risiken beim Datenschutz,<br />

sondern verhindert auch noch die Chancen, die<br />

sich durch intelligente Kommunikationsvernetzung<br />

im Zuge der Digitalisierung ergeben.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 88<br />

89<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Kommunikation mit Mehrwert<br />

über NetSfere<br />

Foto: Digital Boardroom Team<br />

Projekt 2<br />

>><br />

Um das beschriebene doppelte Dilemma zu beseitigen,<br />

also Risiken zu minimieren und Chancen zu<br />

nutzen, sollten Krankenhaus-Verantwortliche eine<br />

zentrale, sichere Kommunikationsplattform einführen,<br />

die sektorenübergreifend ist, bei Bedarf Patienten<br />

einbindet und über Schnittstellen zu Systemen<br />

im klinischen Umfeld verfügt. Bereits im Entscheiderzyklus<br />

2018 wurde die sichere Kommunikation<br />

unter Mitarbeitern von Kliniken per Netsfere eingeführt.<br />

Zum weiteren Ausbau der Lösung haben sich<br />

die Beteiligten für <strong>2019</strong> eine stärkere Einbindung in<br />

die pflegerischen und medizinischen Prozesse vorgenommen.<br />

Zudem versprechen sich Kliniken mit<br />

einer Sektoren- und Applikations-unabhängigen<br />

Chat-Plattform Produktivitätszuwächse, da man<br />

Kommunikationsstränge an den Klinik-Prozessen<br />

ausrichten und ausgetauschte Daten ereignisbezogen<br />

archivieren kann.<br />

Mehrwerte generiert NetSfere auch durch Bildung<br />

von Technologiepartnerschaften und Kopplung<br />

von Lösungen über die NetSfere API. In diesem<br />

Zuge wird derzeit eine Reihe von Applikationen an<br />

Die Infinite Convergence<br />

Solutions<br />

Infinite Convergence Solutions bietet Messagingund<br />

Mobilitätslösungen der nächsten Generation<br />

für öffentliche Einrichtungen und Unternehmen,<br />

darunter eine Enterprise Messaging Services-Suite,<br />

eine sichere mobile Kommunikationslösung über<br />

den eigenständigen Dienst NetSfere, sowie SMS-,<br />

MMS- und RCS-Lösungen. Die Technologie des Unternehmens<br />

unterstützt 400 Millionen Anwender<br />

weltweit und übermittelt jährlich über eine Billion<br />

Nachrichten. Infinite Convergence Solutions beschäftigt<br />

ca. 200 Mitarbeiter verteilt auf Niederlassungen<br />

in den USA, Deutschland, Indien und Singapur.<br />

Autor<br />

Franz Obermayer<br />

Vice President Europe<br />

NetSfere /Infinite Convergence Solutions<br />

Email: franz.obermayer@infinite.com<br />

NetSfere angeschlossen, zum Beispiel aus den Bereichen<br />

Connected Care, klinische Dokumentation<br />

und klinische Archive, Alarmierung, Diktat und medizinische<br />

Spracherkennung. Zudem bietet NetSfere<br />

Administratoren die Möglichkeit, klinikspezifische<br />

Applikationen in Eigenregie zu integrieren, um<br />

darüber zum Beispiel Schichtpläne oder Intranetinhalte<br />

zu verteilen.<br />

Wiederwahl zum “Digitalisierungsthema<br />

der Gesundheitswirtschaft<br />

<strong>2019</strong>“<br />

Nach der Wahl zum “Digitalisierungsthema der Gesundheitswirtschaft<br />

im Jahr 2018“ wurde NetSfere<br />

im Februar <strong>2019</strong> wieder auf Platz 1 gewählt. Diese<br />

Wiederwahl zeigt, welch großes Potenzial in der<br />

neutralen Chat-Plattform NetSfere liegt.<br />

Im Rahmen der Entscheiderfabrik beteiligen sich<br />

folgende acht Krankenhäuser am Projekt, um klinikspezifische<br />

Anwendungsfälle zu realisieren: Vestische<br />

Caritas-Kliniken, Westpfalz-Klinikum, Kliniken<br />

Nordoberpfalz, Ategris, Elisabeth-Krankenhaus Essen,<br />

Kinderheilanstalt Auf Der Bult, Unfallkrankenhaus<br />

Berlin, St. Augustinus-Kliniken.<br />

Unterstützt wird das Projekt durch Beratung von Dr.<br />

Andreas Zimolong von Synagon und von den Technologiepartnern<br />

Bewatec und agemomed.<br />

Den Fortschritt präsentiert das Projektteam auf dem<br />

Deutschen Krankenhaustag am 19. November <strong>2019</strong><br />

und auf dem Entscheiderevent am 12. Februar 2020.<br />

www.netsfere.de<br />

Quelle NetSfere<br />

Digital Boardroom für Krankenhäuser<br />

Wie Entscheider in Krankenhäusern komplexe Zusammenhänge<br />

agil und intuitiv analysieren können<br />

Die grundsätzliche Idee des SAP-Digital<br />

Boardrooms – auf deutsch digitaler Konferenzraum<br />

– ist es, essentielle Entscheidungshilfen<br />

mit nur wenigen Klicks und optimal aufbereitet<br />

zur Verfügung zu stellen.<br />

In „der Industrie“ sind das etwa Unternehmenskennzahlen<br />

wie Umsatz, Gewinn, Pipeline, kombiniert<br />

mit aktuellen Marktdaten und Trendinformationen.<br />

Gewünscht wird hier von den Entscheidern in<br />

Unternehmen, dass sich mithilfe von Analyse- und<br />

Simulationswerkzeugen historische Daten in jeder<br />

gewünschten Detailtiefe umfassend auswerten<br />

lassen, aber auch, dass sich unterschiedliche Zukunftsszenarien<br />

und deren Auswirkungen einfach<br />

verproben lassen. So wird der Digital Boardroom als<br />

Entscheidungs-Cockpit für Fachbereiche und Führungskräfte<br />

genutzt.<br />

Neben Daten aus den unterschiedlichsten unternehmens-internen<br />

Systemen, sollen auch allgemeine<br />

Informationen über den Wettbewerb oder das<br />

Marktumfeld, etwa Währungskurse oder Rohstoffpreise<br />

aus unternehmens-externen Datenquellen,<br />

hinzugezogen werden. In den Entscheider-Konferenzen,<br />

wie beispielsweise Vorstandssitzungen,<br />

wird der Digital Boardroom so quasi als eine Art<br />

360°-Sicht auf alle Bereiche des Unternehmens genutzt.<br />

Vom Berichten zum Analysieren<br />

und Entscheiden<br />

Der Chief Controlling Officer eines Dax-Konzernes<br />

formulierte das so: „Der SAP Digital Boardroom dient<br />

uns als zentrales Medium für unsere Vorstands- und<br />

Aufsichtsratsmeetings, um Analysen direkt und in<br />

Echtzeit aus dem System zu erstellen. Anhand seiner<br />

funktionalen Komponenten konnten wir den<br />

statischen Zustand des bisher gelebten Berichtswesens<br />

überwinden. Durch die Verbindung von Vergangenheitswerten,<br />

aktuellen Ist- und Plan-Zahlen<br />

sowie externen Datenquellen stellen wir eine vorausschauende<br />

Unternehmenssteuerung sicher.“<br />

Besonders hervorgehoben werden soll an dieser<br />

Stelle der genannte „statische Zustand des bisher<br />

gelebten Berichtswesens“.<br />

Die Entscheider am innovativen Universitätsklinikum<br />

Bonn haben sofort erkannt, dass die Chancen<br />

und Möglichkeiten des Digital Boardrooms nicht<br />

nur „in Industrie-Unternehmen“ nutzenstiftend<br />

zum Einsatz kommen können, sondern dass auch<br />

Organisationen in der Gesundheitsversorgung; wie<br />

Kliniken und Krankenhäuser, in den Meetings ihrer<br />

Entscheider-Gremien von den Funktionalitäten profitieren<br />

können. Insbesondere in den heutigen Zei-<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 90<br />

91<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Foto: Digital Boardroom Team<br />

Projekt 3<br />

Die Komponenten für die<br />

Digitalisierung in der Pathologie<br />

(Abb. 1)<br />

Digitalisierung der Pathologie<br />

Im digitalen Konferenzraum<br />

Es müssen unterschiedliche Systeme konventioneller wie auch<br />

digitaler Art miteinander verbunden werden<br />

ten von „Big Data“ (gerade in Kliniken sind Volumen,<br />

Geschwindigkeit und Vielfalt von Daten extrem<br />

hoch) und im Zuge der Digitalisierung sind knackige<br />

und effiziente Managementsysteme gefragt.<br />

Die erwähnte Vielfalt der Daten spiegelt auch die<br />

Vielfalt der Entscheider mit ihren unterschiedlichen<br />

Schwerpunkten und Bewertungskriterien in den<br />

Kliniken wieder. In einem Klinikum, wie dem Bonner<br />

Universitätsklinikum, sind hier neben den kaufmännischen<br />

Entscheidern besonders die Fachbereiche,<br />

das heißt die Klinik- und Institutsleitungen sowie<br />

die Pflegedienstleitung, in den Konferenzen und<br />

Meetings damit befasst, das gesamte Unternehmen<br />

optimal, zielgerichtet und zukunftsorientiert<br />

zu steuern.<br />

Damit scheint gerade im Bereich der Kliniken die<br />

von der Industrie erhobene Forderung, vom statischen<br />

Zustand des bisher gelebten Berichtswesens<br />

mithilfe moderner Analyse- und Simulationswerkzeuge<br />

zu einem agilen und interaktiven Entscheidungscockpit<br />

zu kommen, noch deutlich stärker<br />

nachvollziehbar.<br />

In einem Pilot-Projekt wird aktuell unter Berücksichtigung<br />

der Daten-Vielfalt und der Besonderheiten<br />

im Klinikums-Umfeld beleuchtet, welche Fragestellungen<br />

(zum Beispiel auf Basis von Daten-Korrelationen)<br />

mit welchen Werkzeugen agil beantwortet<br />

werden können. Es wird auch erwartet, dass die<br />

neuen Möglichkeiten von den Entscheidern genutzt<br />

werden, um innerhalb der Sitzungen neue,<br />

weitreichendere analytische und hypothetische<br />

Überlegungen ad hoc zu verproben. Auch dieser<br />

Aspekt soll im Projekt besonders berücksichtigt<br />

werden.<br />

Digital Boardroom Team<br />

Die Digitalisierung in der Pathologie steht in<br />

Deutschland – im Vergleich zu anderen europäischen<br />

Ländern - noch am Anfang. An vielen pathologischen<br />

Instituten wächst aber der Druck,<br />

bei steigenden Fallzahlen und somit höherem<br />

Probenaufkommen, diese mit hoher Qualität<br />

und geringer Fehlerrate zu bearbeiten, und die<br />

Zeit bis zur Befunderstellung möglichst kurz zu<br />

halten.<br />

Die Anwendung digitaler Verfahren wirft sowohl<br />

technische wie rechtliche Fragen auf und bedingt<br />

eine Umstrukturierung des Arbeitsablaufes und<br />

eine Optimierung der Arbeitsprozesse. Es können<br />

nicht alle Arbeitsschritte automatisiert werden, somit<br />

sind Medienbrüche im Workflow (konventionell<br />

/ digital) noch nicht vermeidbar, sollten aber minimiert<br />

werden.<br />

In Abb. 1 sind schematisch die Komponenten für<br />

die Digitalisierung in der Pathologie dargestellt.<br />

Dabei müssen unterschiedliche Systeme konventioneller<br />

wie auch digitaler Art miteinander verbunden<br />

werden. Dies lässt sich in diesem komplexen<br />

Umfeld nur durch Mindestanforderungen an die<br />

Systeme und Hersteller und durch Standardisierung<br />

sowie Interoperabilität umsetzen.<br />

Dafür müssen in jeder Klinik diverse Voraussetzungen<br />

geschaffen werden, wie z. B.:<br />

1. Einführung eines Pathologie-Informationssystems<br />

zur Verwaltung der Patientendaten,<br />

Proben und Objektträger sowie Erstellung der<br />

Befunde<br />

2. Digitalisierung der Objektträger über einen<br />

eindeutigen Barcode durch hoch performante<br />

Präparate-Scanner<br />

3. Einführung von digitalen Arbeitsplätzen für virtuelle<br />

Mikroskope mit Schnittstelle zum Pathologie-Informationssystem<br />

4. Archivierung der digitalen Objektträger für<br />

mindestens zehn Jahre unter Berücksichtigung<br />

der extrem hohen Bildmengen und möglicher<br />

Kompressionen<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 92<br />

93<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Junge Unternehmen mit<br />

interessanten Geschäftsideen<br />

Erneut fand im Rahmen der ENTSCHEIDERFABRIK im vorigen Jahr ein Wettbewerb um den Start Up und<br />

Young Professional Preis statt. Dabei geht es um junge Unternehmen, die relativ neu am Markt sind und<br />

interessante Geschäftsideen für Kliniken und Pflegeheime entwickelt haben. Ziel dieses Wettbewerbs ist<br />

es, innovativen Start Up Unternehmen und Young Professionals den Zugang zum Erfolgskonzept der ENT-<br />

SCHEIDERFABRIK zu erleichtern. Das Querdenken gerade junger, innovativer Unternehmen wird auch – so<br />

die Hoffnung - die Kreativität von am Markt bereits etablierten Firmen anregen. Es geht um Austausch,<br />

Networking und den Nutzen, den alle Beteiligten daraus ziehen können.<br />

Erstes Treffen der Projektteilnehmer bei Sectra in Köln.<br />

Die Gewinner des Start Up und Digitalisierungspreises 2018. Die Jury, bestehend aus Persönlichkeiten von<br />

Kliniken, Industrie und Beratung, wählte aus den Protagonisten die besten drei Ideen/Projekte.<br />

>><br />

>><br />

Die Teilnehmer im Projekt sind sich einig, dass die<br />

Digitalisierung durch Mindestkriterien und durch<br />

standardisierte Verfahren erreichbar ist. Dazu gehören<br />

z. B.:<br />

Die Bilderstellung und -speicherung sowie die befund-<br />

und textbasierte Speicherung von Dokumenten<br />

hat zwingend nach dem DICOM-Standard zu<br />

erfolgen<br />

Die Interoperabilität der unterschiedlichen Systeme<br />

im Prozess ist durch ein spezielles IHE-Profil zu gewährleisten<br />

(IHE = Integrating the Healthcare Enterprise)<br />

Es ist im Projekt zu diskutieren, ob Präparate-Scanner<br />

und virtuelle Mikroskope (Viewer) als in-vitro-<br />

Diagnostika im Sinne des Medizinproduktegesetzes<br />

(MPG) betrachtet werden müssen.<br />

Die Zielsetzung<br />

Die Teilnehmer planen, die Digitalisierung mit den<br />

beteiligten Firmen in ihrer Klinik im Rahmen definierter<br />

Use Cases umzusetzen.<br />

Autoren<br />

Prof. M. Andrulis,<br />

Pathologie Klinikum Ludwigshafen,<br />

B. Binder,<br />

IT Med. Applikationen, Universitätsklinikum<br />

Köln,<br />

J. Dettmann,<br />

Sectra Medical Systems GmbH Köln<br />

K. de Fries,<br />

Sectra Medical Systems GmbH Köln<br />

G. Günyak,<br />

IT Klinikum Ludwigshafen<br />

A. Henkel,<br />

IT Klinikum rechts der Isar der TU München<br />

S. Klein,<br />

Pathologie, Universitätsklinikum Köln<br />

E. Klopp,<br />

Hamamatsu Photonics München<br />

M. Mollenhauer,<br />

Pathologie Technische Universitätsklinikum<br />

München<br />

>><br />

Foto Entscheiderfabrik<br />

v.l.n.r. M. Schindzielorz, I. Horak, D. Heinrichs, J. Nast-Kolb, Dr. C. Dujat und Dr.<br />

P.-M. Meier<br />

Die Projekte:<br />

1. Mit Data Science das Entlassmanagement<br />

und die Pflege vernetzen:<br />

Sturzprävention powered by<br />

AI; D. Heinrichs, CEO, Lindera<br />

2. Vivy - Deine Gesundheitsassistentin.<br />

Die digitale Revolution im<br />

Gesundheitswesen geht vom Patienten<br />

aus; I. Horak, Chief Market<br />

Access Officer, Vivy<br />

3. Entlastung der Pflege im Krankenhausalltag<br />

durch digitale<br />

Kommunikation; J. Nast-Kolb,<br />

CEO, Cliniserve<br />

K. Steiger,<br />

Pathologie Technische Universität<br />

München<br />

F. Tröster,<br />

IT Klinikum rechts der Isar der TU München<br />

C. Vosseler,<br />

Vosseler Consulting-Coaching-Training<br />

Mönchengladbach<br />

Foto Medica<br />

Areal der ENTSCHEIDERFABRIK auf<br />

der MEDICA 2018 in Düsseldorf<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 94<br />

95<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Projekt 4<br />

Mobilitätsanalyse: Stürzen vorbeugen mit<br />

künstlicher Intelligenz<br />

Individuelle Sturzprävention und Entlastung der Fachkräfte<br />

durch 3D-Gangbildanalysen per Handy-Kamera<br />

Stürze sind ein gesellschaftliches Tabuthema.<br />

Dabei stürzt etwa jeder dritte ältere Mensch<br />

über 65 einmal im Jahr, bei den über 80-Jährigen<br />

ist es sogar jeder zweite. Das ist nicht nur<br />

ein großes Risiko für die Gesundheit der Senioren<br />

und eine Herausforderung für die Angehörigen,<br />

sondern auch für Pflegeeinrichtungen.<br />

Digitale Lösungen wie die Lindera Mobilitätsanalyse<br />

schaffen Abhilfe, indem sie die Prävention<br />

von Stürzen unterstützen und Pflegefachkräfte<br />

entlasten. Lindera ist Gewinnerin des<br />

Start-Up-Wettbewerbs 2018.<br />

Wer mit einer Fraktur im Krankenhaus liegt, hinterlässt<br />

in seiner Pflegeeinrichtung ein leeres Bett<br />

ohne Kostenerstattung, zusätzlichen Dokumentationsaufwand<br />

und Kostenforderungen von Krankenkassen.<br />

Folgen von Stürzen bei Senioren sowie<br />

die Aufwände für Reha- und Physiotherapien sind<br />

einer der größten Kostenblöcke für Versicherungen.<br />

Sturzprävention kann mehr als 50 Prozent der Folgekosten<br />

senken – dennoch beruhte sie bisher auf<br />

einer analogen, rein subjektiven Einschätzung.<br />

Digitale geriatrische Assessments:<br />

drei einfache Schritte<br />

zur präzisen Gangbildanalyse<br />

Wir haben Lindera im Januar 2017 gegründet,<br />

um mittels moderner Technologie das individuelle<br />

Sturzrisiko älterer und in ihrer Mobilität eingeschränkter<br />

Personen zu reduzieren – gemäß Expertenstandard<br />

und Strukturmodell. Das Resultat<br />

ist der Lindera Mobilitätstest, ein CE-zertifiziertes<br />

Medizinprodukt der Klasse I. Mit ihm wird es zum<br />

ersten Mal möglich, die 3D-Gangbewegung mit einer<br />

einfachen Handy-Kamera aufzunehmen und zu<br />

analysieren: 30-sekündiges Video vom gehenden<br />

Menschen aufnehmen, einen psycho-sozialen Test<br />

in der Lindera-App ausfüllen, Analyse und Vorschläge<br />

für Präventionsmaßnahmen erhalten – fertig.<br />

So können Pflegefachkräfte präzise, objektive Bewegungsanalysen<br />

ganz einfach mit einem Handy<br />

durchführen – an Ort und Stelle.<br />

Zukunftstechnologien für die<br />

Pflege – und weitere<br />

medizinische Bereiche<br />

Was für den Nutzer sehr einfach ist, basiert im Hintergrund<br />

auf künstlicher Intelligenz: Wir nutzen<br />

Machine Learning, um das diagnostische Auge<br />

des Arztes und der Pflegefachkraft digital zu übersetzen.<br />

Nach 40 Jahren analogen geriatrischen Assessments<br />

ist es uns mit diesen Technologien gelungen,<br />

eine Gangbildanalyse via Handy-Kamera<br />

vorzunehmen und das geballte Wissen der Geriatrie<br />

anzuwenden. Davon profitieren nicht nur Senioren<br />

und ihre Familien, sondern auch Pflegekräfte und<br />

Versicherungen: Wir helfen, Stürzen vorzubeugen,<br />

systematisieren die Dokumentation der Pflege, verringern<br />

Kosten und entlasten Angehörige wie Fachkräfte.<br />

Neben der Pflege bietet Lindera 3D-Motion-Tracking-Technologie<br />

auch für andere medizinische<br />

Anwendungsfelder großes Potenzial. Wir möchten<br />

damit weltweite Standards für die Sturzprävention,<br />

orthopädische Assessments und für die Begleitung<br />

von Reha- und Physiotherapien setzen – im Sinne<br />

von Patienten, Angehörigen<br />

und Fachkräften.<br />

Autorin<br />

Diana Heinrichs<br />

CEO und Gründerin<br />

von Lindera<br />

Eine präzise, objektive<br />

Bewegungsanalysen an Ort und Stelle.<br />

Foto: Lindera<br />

Foto: Lindera<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 96<br />

97<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

Projekt 5<br />

Cliniserve GmbH<br />

Gegründet am Center for Digital Technology & Management<br />

(CDTM) im Herzen Münchens, ist die Cliniserve<br />

GmbH mit seiner Lösung Cliniserve System<br />

in der ganzen DACH-Region im Einsatz. Im Jahr 2017<br />

gestartet, wurde das erste Produkt 2018 marktreif.<br />

Inzwischen ist es in 12 Kliniken in Deutschland und<br />

Österreich im Einsatz. Aktuell wird der Markteintritt<br />

in die Schweiz und nach Finnland vorbereitet.<br />

>><br />

https://cliniserve.de<br />

Systemgrafik (Abb. 2) // Abbildung: Cliniserve GmbH<br />

Cliniserve bietet ein System zur Entlastung der<br />

Pflege im Alltag. Ziel ist, dass Pflegende sich nur<br />

noch um die eigentliche Pflege kümmern und<br />

alles andere durch Software automatisiert oder<br />

an andere Personalgruppen delegiert wird.<br />

Entlastung der Pflege<br />

Notfallknopf bleibt nur noch für wirkliche Notfälle<br />

Fachpflegepersonal ist auf dem Arbeitsmarkt nur<br />

noch schwer zu finden. Umso ärgerlicher ist es,<br />

dass Pflegekräfte laut einer Studie nur noch 15<br />

Prozent ihrer Zeit für die Pflege des Patienten aufwenden<br />

können (s. Abb. 1). Stattdessen verbringen<br />

sie viel Zeit mit Tätigkeiten, die durch digitale Prozesse<br />

automatisiert oder<br />

von anderen Mitarbeitern<br />

übernommen werden<br />

könnten.<br />

Einer der Gründe hierfür<br />

ist die „Klingel“, die vom<br />

Patienten als einziger<br />

Kommunikationskanal zur<br />

Pflege überwiegend für<br />

nicht-dringliche Anfragen<br />

Studie 1 : Wofür wenden Pflegekräfte<br />

ihre Arbeitszeit auf?<br />

[Fiedler, K. M., Weir, P. L., van<br />

Wyk, P. M., & Andrews, D.<br />

M. (2012). Analyzing what<br />

nurses do during work in a<br />

hospital setting: a feasibility<br />

study using video. Work, 43,<br />

515–523.] – Grafische Aufbereitung<br />

-> Cliniserve GmbH<br />

(Abb. 1)<br />

verwendet wird. Sie ist Umfragen zu Folge einer der<br />

Hauptstressfaktoren für die Pflegenden.<br />

Grundidee des Einstiegsprodukts von Cliniserve<br />

ist es daher, Patienten die Möglichkeit zu geben<br />

ergänzend zur Lichtrufanlage mit dem eigenen<br />

Smartphone Anfragen an die Pflege zu schicken.<br />

Dadurch kann das Pflegepersonal Anfragen priorisieren,<br />

kann gleich das eventuell benötigte Material<br />

beim Gang ins Patientenzimmer mitnehmen und<br />

spart sich so auch doppelte Laufwege. Eine zusätzliche<br />

Entlastung ist, dass nicht pflegerelevante Anfragen<br />

automatisch an das Servicepersonal delegiert<br />

werden können.<br />

In einzelnen Kliniken stellt Cliniserve bereits Signale<br />

der Lichtrufanlage digital in der Pflege-App dar<br />

und bietet so einen mobilen Pflege-Assistenten für<br />

alle Patientenanfragen. Der digitale Assistent unterstützt<br />

die Mitarbeiter auch intern, indem Logistikprozesse<br />

und interne Kommunikationsstränge<br />

mobil, vom Point-of-Care aus, angestoßen werden<br />

können. Das vermeidet unnötige Kommunikationszeiten<br />

über das Telefon sowie Laufwege zum<br />

Stations-PC.<br />

Das System (s. Abb. 2) ist inzwischen in zwölf Kliniken<br />

in Deutschland und Österreich im Einsatz.<br />

Eine Untersuchung im Rahmen eines kommerziellen<br />

Einsatzes zeigte, dass Cliniserve 20 Minuten pro<br />

Pflegemitarbeiter und Tag spart - Zeit die für den<br />

direkten Patientenkontakt oder auch dringend benötigte<br />

Pausen genutzt werden kann. Im Rahmen<br />

einer Studie mit der Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München (LMU) wurde zudem wissenschaftlich<br />

belegt, dass Patienten und Pflegekräfte diese Art<br />

der Kommunikation sehr schätzen.<br />

Autor<br />

Julian Nast-Kolb<br />

Geschäftsführer<br />

Cliniserve GmbH<br />

Das System kann ohne Risiko getestet werden, da<br />

der Nutzungsvertrag monatlich kündbar und lediglich<br />

eine Lizenzgebühr zu zahlen ist.<br />

Ein besonderer Vorteil: Das System verarbeitet keine<br />

personenbezogenen Daten und muss daher im<br />

ersten Schritt nicht in die Bestands-IT integrieren.<br />

Da auch die vier bis fünf Smartphones pro Station<br />

für die Pflegekräfte von Cliniserve gemietet werden<br />

können, ist ein Start ohne Belastung der IT jederzeit<br />

möglich.<br />

Der digitale Assistent von Cliniserve bietet eine einfach<br />

umzusetzende Möglichkeit, die Stationsarbeit<br />

zukunftsfähig zu machen und die Mitarbeiter vom<br />

ersten Tag an zu entlasten.<br />

Copyright: Cliniserve GmbH<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 98<br />

99<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


ENTSCHEIDERFABRIK<br />

ENTSCHEIDERFABRIK<br />

<strong>VKD</strong> fordert einen Masterplan<br />

Digitalisierung<br />

Leistungserbringer, Patienten und Industrie müssen beteiligt und<br />

die Finanzierung muss abgesichert werden<br />

Der Verband der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands (<strong>VKD</strong>) gehört zu den Gründern<br />

der ENTSCHEIDERFABRIK und begleitet das Zukunftsprojekt<br />

seitdem aktiv. Er engagiert sich<br />

seit vielen Jahren für das Thema Digitalisierung<br />

und hat sich explizit dazu auch in der gesundheitspolitischen<br />

Diskussion geäußert.<br />

Der <strong>VKD</strong> plädiert bereits seit längerem für einen<br />

Masterplan Digitalisierung des Gesundheitswesens,<br />

der zeitliche Umsetzungsschritte definiert, Leistungserbringer,<br />

Patienten, aber auch die Industrie<br />

beteiligt, die Prozesse transparent gestaltet und mit<br />

der notwendigen Finanzierung absichert. Das wäre<br />

eine in ihrer Gesamtheit stimmige Lösung.<br />

„In den Krankenhäusern weiß man, welchen Nutzen<br />

eine flächendeckende Digitalisierung in vielerlei<br />

Hinsicht bringen würde“, sagte Peter Asché, Vizepräsident<br />

des Verbandes der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands und zuständig für das Thema IT, zum<br />

Digitale Versorgung-Gesetz, das sich vorrangig auf<br />

den niedergelassenen Versorgungsbereich bezieht.<br />

Berücksichtigt werden müsse, dass die Einführung<br />

einer digitalen Patientenakte für die Krankenhäuser<br />

– im Koalitionsvertrag ebenfalls bis 2021 vorgesehen<br />

– deutlich komplexer und umfangreicher sei,<br />

als die Anbindung der Krankenhäuser an die elektronische<br />

Patientenakte im niedergelassenen Bereich.<br />

Dr. Josef Düllings,<br />

Präsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands <strong>VKD</strong><br />

Während für die elektronische Patientenakte im ambulanten<br />

Bereich vom Ministerium Kosten in Millionenhöhe<br />

veranschlagt werden – zu zahlen von<br />

den Krankenkassen – geht es für die Krankenhäuser<br />

um deutlich höhere finanzielle Belastungen. Woher<br />

dieses Geld kommen soll, ist angesichts völlig unzureichend<br />

von den Bundesländern bereitgestellten<br />

Investitionsfördermitteln überhaupt nicht klar.<br />

Der <strong>VKD</strong> verweist auf internationale Erfahrungen,<br />

etwa aus den USA, die zeigen, dass dafür in<br />

Deutschland etwa 10 Milliarden Euro, verteilt über<br />

fünf Jahre, aufgebracht werden müssten. Nur so<br />

wird der stationäre Bereich zügig Anschluss auch<br />

an internationale Entwicklungen finden.<br />

Auch beim Entscheiderevent in Düsseldorf betonte<br />

<strong>VKD</strong>-Präsident Dr. Josef Düllings, wie wichtig die<br />

Digitalisierung der Krankenhäuser zur Bewältigung<br />

der aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitsbranche<br />

ist. Dazu gehöre auch die Gestaltung<br />

des notwendigen Strukturwandels ebenso wie die<br />

Peter Asché,<br />

Vizepräsident des Verbandes<br />

der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands <strong>VKD</strong><br />

Sicherung einer flächendeckenden ambulanten<br />

Versorgung, die ohne Verlagerung der Zuständigkeiten<br />

für die ambulante Notfallversorgung und<br />

die fachärztliche Versorgung auf die Krankenhäuser<br />

nicht möglich sein werde.<br />

Dr. Düllings: „Wir brauchen eine Digitalisierung zum<br />

Smart Hospital. Die treibende Kraft der Digitalisierung<br />

in der Gesellschaft ist das Individuum. Dies<br />

wirkt sich auch innerhalb des Krankenhauses auf<br />

die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander<br />

und auf die Kommunikation mit dem Patienten<br />

aus. Im Außenverhältnis meint Smart Hospital den<br />

vom Patienten jeweils individuell freigegebenen<br />

Datenfluss zwischen Krankenhaus, Arztpraxen, Pflegediensten,<br />

Pflegeeinrichtungen, Apotheken und<br />

weiteren Gesundheitsdienstleistern.“<br />

Die Digitalisierung zum Smart Hospital und der Aufbau<br />

eines digitalen Netzes in einer Region ist nach<br />

Überzeugung des <strong>VKD</strong> eine Infrastrukturmaßnahme<br />

vergleichbar mit dem Ausbau des Straßennetzes.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT<br />

100 101<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT


IMPRESSUM<br />

IMPRESSUM<br />

HERAUSGEBER<br />

Verband der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands e.V.<br />

Geschäftsstelle<br />

Oranienburger Straße 17<br />

D-10178 Berlin<br />

www.vkd-online.de<br />

NEUE HERAUSFORDERUNGEN BRAUCHEN NEUE LÖSUNGEN:<br />

DIE HEALTH CARE PROGRAMME DER SMBS<br />

Redaktion<br />

Angelika Volk<br />

Redaktionsbüro Wirtschaft<br />

und Wissenschaft<br />

Bad Harzburg<br />

kontakt@angelika-volk.de<br />

SATZ/Layout<br />

3MAL1 GmbH<br />

Ehrlichstraße 7<br />

10318 Berlin<br />

www.3-mal-1.de<br />

info@3-mal-1.de<br />

ANZEIGENGESTALTUNG<br />

Christin Holldack<br />

<strong>VKD</strong>-Geschäftsstelle<br />

DRUCK UND VERARBEITUNG<br />

Vesterdruck GmbH<br />

D-47167 Duisburg<br />

www.vesterdruck.de<br />

AUFLAGE:<br />

3.000<br />

SCHUTZGEBÜHR<br />

14,90 €<br />

ISBN: 978-3-00-063659-2<br />

Der Bereich des Health Care Managements<br />

entwickelt sich so dynamisch wie kaum ein anderer.<br />

Das sind die Mega-Trends der kommenden Jahre:<br />

• Internet und Digitalisierung fördern die<br />

Mündigkeit der Patienten, die nun aktiv<br />

zwischen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen<br />

auswählen.<br />

• Reforminitiativen und Kostenziele führen zur<br />

Zusammenlegung und auch Neustrukturierung<br />

von Gesundheitseinrichtungen. Prozesse sind<br />

zu optimieren und neu zu gestalten. Das Wettbewerbsumfeld<br />

ändert sich radikal. Die Unternehmen<br />

müssen sich hier neu positionieren.<br />

• Der demografische Wandel ist eine Herausforderung,<br />

der sich das Gesundheitsmanagement<br />

mit neuen Ideen und innovativen Ansätzen für<br />

die Versorgung der zunehmenden Anzahl älterer,<br />

oft pflegebedürftiger Menschen stellen<br />

muss. Die Strategie der einzelnen Unternehmen<br />

ist daran anzupassen.<br />

Die SMBS – die Business School der Universität<br />

Salzburg – bietet basierend auf diesen Trends sowie<br />

dem generellen Anspruch, die strategische<br />

Sichtweise im Gesundheitsbereich zu stärken, berufsbegleitende,<br />

universitäre Ausbildungen an:<br />

• den universitären Lehrgang für Health Care<br />

Management, der in zwei Semestern alle wichtigen<br />

Inhalte zu Ökonomie, Controlling in Gesundheitsbetrieben,<br />

Health Care Marketing<br />

und auch Qualitätsmanagement vermittelt,<br />

• das MBA Studium, das über diese Inhalte hinaus<br />

auch noch die betriebswirtschaftlichen und<br />

führungsspezifi schen Kompetenzen der Studierenden<br />

nachhaltig stärkt.<br />

Inhalte der Module<br />

• General Management<br />

• Strategisches und operatives Management<br />

• Gesundheitswesen und Sozialversicherung<br />

• Gesundheitsökonomie und Finanzierung<br />

• Qualiätsmanagement und Ethik<br />

• Organisationslehre<br />

• Projektmanagement<br />

• Krisenkommunikationsmanagement<br />

• Rechtliche Grundlagen<br />

• Die Rechtsstellung der Führungskraft<br />

• Rechnungswesen<br />

• Controlling<br />

• Finanzierung<br />

• Personalmangement u. Employer Branding<br />

• Prozessmanagement<br />

• Marketing<br />

• Leadership<br />

• Soziale Kompetenzen<br />

Anmeldung und Organisation:<br />

Susanne Matzat<br />

LVR-Klinik Langenfeld<br />

Tel-Nr.: +49 (0)2173 102-1001<br />

E-Mail: susanne.matzat@lvr.de<br />

SEMESTERSTART: SEPTEMBER 2020<br />

Teilnehmer, die sich über den <strong>VKD</strong> bei den<br />

Universitätslehrgängen anmelden, erhalten eine<br />

Ermäßigung in Höhe von 10 % auf den Lehrgangspreis.<br />

<strong>VKD</strong>-PRAXISBERICHTE <strong>2019</strong> | KAMPF UMS PERSONAL - PATIENTENSICHERHEIT 102<br />

www.smbs.at | www.vkd-online.de/weiterbildung


116 Jahre<br />

... und kein bisschen leise!<br />

Gründungstag: 5. Juli 1903<br />

Gündungsort: Dresden<br />

Verband der Krankenhausdirektoren<br />

Deutschlands e.V.<br />

Oranienburger Straße 17<br />

10178 Berlin<br />

www.vkd-online.de<br />

ISBN: 978-3-00-063659-2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!