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ZAS MAGAZIN, 303. Ausgabe, Juli 2021

Shitstorm gegen eine Schwalbe: Inszenierte Kampagnen gegen Annalena Baerbock, mit Lautsprechern überall, stellen die Grünen auf die Probe. Eine Kandidatin allein macht noch lange keinen Spätsommer-Sieg. Der Parteitag der Grünen gab Baerbock wieder Rückenwind. Von Michael Zäh

Shitstorm gegen eine Schwalbe: Inszenierte Kampagnen gegen Annalena Baerbock, mit Lautsprechern überall, stellen die Grünen auf die Probe. Eine Kandidatin allein macht noch lange keinen Spätsommer-Sieg. Der Parteitag der Grünen gab Baerbock wieder Rückenwind. Von Michael Zäh

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Vom Sh

Seit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin

Gegenwind ausgesetzt. Experten warnen vor der

um das Thema Klimaschutz. Demokratische Pa

Von Mich

Seit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin

der Grünen nominiert wurde, gibt es jeden

erdenklichen Shitstorm gegen sie. Das reicht von

gefälschten Fotos (teils sogar pornografische),

über rein erfundene Statements der Politikerin bis

hin zu Hohn und Häme wegen tatsächlicher Fehler

wie etwa dem versäumten Melden von Nebeneinkünften

bei der Bundestagsverwaltung. Nicht nur

in sozialen Medien werden also alle Geschütze

gegen Annalena Baerbock aufgefahren, sondern

auch diverse Medien („Bild“ und „Focus“ tun sich

da hervor) versuchen alles, um ein negatives Image

der Kanzlerkandidatin zu erzeugen. Warum ist das

so? Weil Baerbock mit ihrem Griff nach der Macht

die „Todeszone“ der Politik betreten hat, wie es

Joschka Fischer formulierte? Vielleicht besteht

die Logik aber auch darin, dass viel Angst bei den

Angreifern dahinter steckt, weil Baerbock und die

Grünen eine nahezu perfekte Inszenierung ihrer

selbst hingelegt haben. Sie haben jetzt nicht nur

Inhalte zu bieten, sondern auch die Show dazu.

Das war ja früher bei den Grünen nicht so. In

Rockerkluft oder Schlabberpullies lümmelten

sie im Bundestag herum, gerne auch mal mit

den runtergetretenen Turnschuhen (die damals

noch nicht Sneaker hießen) auf den Tischen. Wer

wüsste das besser als Joschka Fischer, der damals

schon dabei war? Der Realo-Grüne verkörperte

ja höchstpersönlich den Wandel – raus aus der

schäbigen Lederjacke und rein in feine Anzüge,

als Außenminister in der rot-grünen Regierung

unter Gerhard Schröder. Und heute sagt er: Sollte

Baerbock wirklich Kanzlerin werden, wäre dies

„ein zukunftsorientiertes und extrem positives

Signal für Veränderung“, so Fischer, denn es

würde zeigen, „dass unser Land bereit ist für eine

neue Generation“. Er fügte an, dass Annalena

Baerbock „die Fähigkeiten habe“, um Kanzlerin

zu sein. „Ich wäre äußerst glücklich, wenn das

passieren sollte. Andererseits wäre das auch eine

gewaltige Herausforderung“, so Fischer. Sprich:

Todeszone, dünne Luft da oben und Gegenwind.

Tja, das sieht man jetzt schon an diversen

Fake-Meldungen über Baerbock, die in den

„sozialen Netzwerken“ ihr Unwesen treiben. Da

wird zum Beispiel behauptet, Baerbock wolle

die Witwenrente ebenso wie auch Hunde und

Katzen als Haustiere abschaffen. Das ist zwar

völliger Blödsinn, aber folgt stets dem Narrativ,

dass die Grünen als „Verbotspartei“ die Freiheit

der Bürger einschränken und uns alle unters

grüne Joch zwingen wollten. Na ja, erkennen

kann man die Fälschungen leicht. Ein Beispiel:

„Wir können alleine durch den Wegfall der

Hunde in Deutschland ca. 19 Millionen Tonnen

Kolenstoffdioxid einsparen. Das entspricht fast

so viel CO2 wie man mit einem Auto bei 10000

Erdumrundungen feisetzen würde – fast 10% des

Straßenverkehrs. Dazu kommen noch Katzen,

Pferde und viele weitere Tiere. Die private Tierhaltung

muss daher ein Ende haben und wenn es

durch eine CO2 Steuer auf Haustiere erfolgt.“,

sagt Annalena Baerbock (39).

Man sieht sofort: Baerbock ist nicht 39 Jahre

alt, sondern 40. Und es fallen direkt mehrere

Rechtschreibfehler auf – dem Wort „Kolenstoffdioxid“

fehlt ein „h“, bei dem Wort „feisetzen“ ein

„r“. Ist ja klar, dass dies nie bei einem offiziellen

Statement von Baerbock passiert wäre (auch weil

da dann doch ein paar PR-Profis daran arbeiten).

Nachfragen haben ergeben, dass dieses Zitat ganz

einfach frei erfunden wurde. Es gibt zahlreiche

solcher Fake-Zitate.

Etwas anderes ist es bei eigenen Fehlern von

Baerbock wie etwa ihr Versäumnis, dem Bundestag

Nebenverdienste zu melden. Doch auch da

wird etwas arg aufgebauscht. Da ging es um rund

25.000 Euro, bezahlt von den Grünen, hauptsächlich

Weihnachtsgeld. Blöd, wenn Baerbock da die

Formalität nicht einhielt, diese Nebeneinkünfte

dem Bundestag zu melden. Aber es ging nicht

um Steuerhinterziehung, wie schnell und falsch

behauptet wurde. Und vor allem hat Baerbock

das Geld von der eigenen Partei bekommen und

nicht von dritter Seite. Und genau darum geht es

bei der Meldepflicht der Nebeneinkünfte: Man

will wissen, ob Abgeordnete von dritter Seite

„gekauft“ worden sind. Dies ist also bei Baerbock

keineswegs der Fall. Völlig absurd war es auch,

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