Leseprobe Kathrin Tordasi: Nachtschattenwald
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Finn stand wie angewurzelt da. Es wird dunkel, warnte<br />
eine Stimme in ihm. Es wird schon richtig dunkel. Vor ihm<br />
lag der schattengraue Garten, und er hörte genau, wie immer<br />
mehr Eindringlinge mit verräterischem Rascheln zur<br />
Rückseite des Grundstücks flohen. Er sah zum Himmel<br />
hoch, auf den schmalen Streifen aus Sonnenlicht über den<br />
Baumkronen. Die Nacht war nur noch wenige Minuten<br />
entfernt, und keiner von ihnen sollte jetzt noch hier draußen<br />
sein.<br />
Aber Samira war hier irgendwo im Garten, und wenn<br />
sie so richtig wütend war, dann würde sie die Elstern wer<br />
weiß wohin verfolgen. Finns Herz pochte dumpf in seiner<br />
Brust, und eine Angst, die er sehr gut kannte, kroch<br />
seinen Rücken herauf. Er dachte an eine Lichtung, an<br />
Schmetterlinge, die in der Dunkelheit verschwanden, und<br />
an krachendes Holz …<br />
Nein, er durfte sich jetzt nicht von seiner Angst besiegen<br />
lassen. Er biss die Zähne zusammen, packte den<br />
erstbesten Gegenstand – eine Gießkanne aus Blech – und<br />
rannte Samira hinterher.<br />
Hinter dem Gewächshaus sah er sich um. Von Samira<br />
fehlte jede Spur, aber da, am Bohnengatter bewegten sich<br />
die Blätter.<br />
»Ich seh dich, du Dieb!« Er hatte es kaum gerufen, da<br />
sprang eine Gestalt hinter dem Gatter auf und floh in<br />
Richtung Gartenmauer. Wut kochte in Finn hoch. Er<br />
packte die Gießkanne fester und nahm die Verfolgung auf.<br />
Das war der dritte Überfall in diesem Sommer. Und jetzt<br />
war Samira wegen diesen Mistkerlen in die aufziehende<br />
Nacht gerannt.<br />
»Bleib stehen!«<br />
Der Eindringling, der vor ihm davonlief, war gerade<br />
mal so groß wie er – und nicht viel schneller. Trotzdem<br />
sah es danach aus, als würde er entkommen. Die Gartenmauer<br />
ragte vor ihnen auf, und im letzten Zwielicht sah<br />
Finn die Strickleiter, die die Elstern über die Backsteine<br />
geworfen hatten. Die Gestalt war fast dort.<br />
Mit einem wütenden Aufschrei warf Finn die Gießkanne.<br />
Sie traf den Dieb an der Schulter und er strauchelte,<br />
packte dann aber doch die Leiter und begann, an ihr hinauf<br />
zuklettern. Da hatte Finn ihn allerdings eingeholt und<br />
packte ihn am Knöchel.<br />
Ein wütendes Knurren entfuhr dem Einbrecher. Finn<br />
packte das Hosenbein des Kerls mit der anderen Hand<br />
und zerrte ihn mit einem Ruck von der Leiter herunter. Er<br />
stürzte mit einem spitzen Aufschrei zurück auf den Boden.<br />
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