Leseprobe Kathrin Tordasi: Nachtschattenwald
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Finn packte ihn an den Schultern, drehte ihn herum und<br />
erstarrte.<br />
Der Dieb war ein Mädchen. Aber das war es nicht, was<br />
ihn überraschte. Sie war ein Mitglied der Elstern, die<br />
schwarzweiß bemalte Holzfeder an ihrem Kragen ließ<br />
dar an keinen Zweifel. Auf ihrem Kopf trug sie jedoch eine<br />
Pandabärenmütze: Eine Mütze aus weißem Kunstpelz, mit<br />
schwarzen Ohren, schwarzer Schnauze und Kulleraugen<br />
aus Perlen. Genauso eine Mütze hatte Finns Schwester in<br />
der Nacht getragen, als sie verschwunden war.<br />
Nein, es war nicht genauso eine Mütze. Es war dieselbe<br />
Mütze. Auf der rechten Wange des Pandas prangte immer<br />
noch das kleine rosafarbene Herz, das Hannah dorthin<br />
genäht hatte.<br />
Finn starrte das fremde Mädchen an, und sie starrte mit<br />
dunklen, wütenden Augen zurück. Bevor er irgendetwas<br />
tun oder sagen konnte, bevor er überhaupt seinen Schock<br />
überwinden konnte, flammten zwei Flutlichter über ihren<br />
Köpfen auf. Gleißend weißes Licht blendete Finn, und er<br />
hob schützend den Arm vor seine Augen. Das Mädchen<br />
nutzte ihre Chance und stieß ihn mit beiden Händen<br />
von sich. Finn stürzte auf den Rücken, und das Mädchen<br />
kletterte flink wie ein Eichhörnchen die Leiter hinauf. Er<br />
sah gerade noch, wie die schwarzweiße Mütze hinter der<br />
Mauer abtauchte, dann war sie verschwunden.<br />
Mit pochendem Herzen starrte Finn ihr nach. Gedanken<br />
wirbelten wie ein Blättersturm in seinem Kopf, aber<br />
dazwischen leuchtete immer wieder das weiße Kunstfell<br />
der Pandamütze auf.<br />
Noch einen Herzschlag länger zögerte Finn, dann<br />
sprang er auf und kletterte dem Mädchen hinterher.<br />
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