KulturNachrichten Dezember 2021
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KULTURSZENE<br />
Die Buschtrommel<br />
„Die Satirische (Weih-)Nacht“ im halbNeun Theater<br />
Zufällig ist am Tag der Besche-<br />
kerlitz zieht sich eine Line, Opa<br />
rung wieder Jesus‘ Geburtstag<br />
feiert Weihnacht 1933 und Mutter<br />
– sein <strong>2021</strong>er. Im Himmel trägt<br />
Caroline bekehrt Flüchtling Mah-<br />
die Heilige Familie zur Feier<br />
mut liebevoll zum christlichen Fest<br />
selbstverständlich Maske mit<br />
nach dem Motto: Bescherung statt<br />
schönen Krippenmotiven und<br />
Beschneidung. Man isst genüsslich<br />
Kreuzigungsszenen. Allerdings<br />
Pandemiestollen und Donauwelle,<br />
ist Gott seit der Pandemie so<br />
Stand heute mit drei Wellen. Unter<br />
überarbeitet, dass er seinen La-<br />
dem Baum liegen Hörbücher mit<br />
den an AMAZON verkauft hat<br />
den<br />
schönsten Verschwörungs-<br />
und für die läuft es dort oben<br />
theorien vom Wendler und Nach-<br />
nun einfach himmlisch.<br />
bar Nobbi und man freut sich über<br />
fantastische Geschenke!<br />
Auf Google-Earth freut sich die<br />
Endlich agieren Britta von Anklang<br />
betuchte, rechtsdrehende Familie<br />
und Andreas Breiing wieder ge-<br />
Kinkerlitz auf das Fest der Liebe:<br />
wohnt satirisch und so optimis-<br />
satirisch, feierlich und pandemisch,<br />
halbNeun Theater<br />
Der Weihnachtsbaum wird mit Co-<br />
tisch-schwungvoll wie die Impf-<br />
plus gediegenem Gesang – eine<br />
Sandstraße 32, Darmstadt<br />
rona-Kugeln aus England und Süd-<br />
kampagne! (Läuft die eigentlich<br />
heilige Nacht, die in keinem Fall still<br />
Sonntag 19. <strong>Dezember</strong>, 19.30 Uhr<br />
afrika geschmückt und die Spitze<br />
noch?) Zu Weihnachten können<br />
wird. Hosianna!<br />
Vorverkauf 21,90 Euro incl. Ge-<br />
ziert ‘ne Spritze. Sohnemann Kin-<br />
sie aber auch mal anders: Nämlich<br />
www.die-buschtrommel.de<br />
bühren, Abendkasse 23,- Euro<br />
BUCHTIPP<br />
„aus der stimmhaft“ von Iris Welker-Sturm<br />
Eine Rezension von Britta Röder<br />
„aus der stimmhaft“ heißt die fast 300 Seiten starke in Romanform<br />
erschienene Biografie, die Iris Welker-Sturm der Darmstädter<br />
Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Luise Büchner gewidmet hat.<br />
Rechtzeitig zum 200-ten Todestag der Schwester Georg Büchners<br />
ist das Buch im Frankfurter Axel-Dielmann-Verlag erschienen.<br />
Im Mittelpunkt steht die Lebensgeschichte<br />
Luise Büchners. Als<br />
Tochter eines angesehenen Darmstädter<br />
Arztes erfährt sie zwar gute<br />
Bildung und profitiert bereits in<br />
jungen Jahren von den intellektuellen<br />
Kontakten ihrer Brüder, eine<br />
eigene Karriere als Schriftstellerin<br />
oder Gelehrte, oder auch nur der<br />
Zugang zu einer Berufsausbildung,<br />
um den eigenen Lebensunterhalt<br />
Luise Büchners und der damaligen<br />
Darmstädter Gesellschaft sondern<br />
auch einen sehr genauen historischen<br />
Abriss über die mit Luise<br />
verbundene Frauenbewegung in<br />
Deutschland.<br />
Ein Leben lang kämpfte Luise<br />
Büchner darum, als Autorin wahrgenommen<br />
zu werden, sogar dann<br />
noch, als sie längst in angesehenen<br />
Zeitschriften publizierte. Problem:<br />
zu bestreiten, ist ihr wie allen Frauen<br />
Von Frauen verfasste Beiträge<br />
der damaligen Zeit verwehrt.<br />
Jahrelang hat Welker-Sturm für ihr<br />
Buch Recherche betrieben. Mit ihrem<br />
Roman legt sie uns ein faktenreiches<br />
Resultat vor. Wir erhalten<br />
nicht nur ein ausführliches Porträt<br />
wurden meistens anonym oder nur<br />
mit den Initialen gekennzeichnet<br />
veröffentlicht, weil man befürchtete,<br />
die Leser könnten die Texte<br />
sonst nicht ernst nehmen.<br />
Luise Büchner machte es sich zur<br />
Lebensaufgabe, für die Rechte<br />
von Frauen einzutreten, die für sie<br />
nichts weniger als Menschenrechte<br />
waren. Als sie 1877 mit nur 56<br />
Jahren starb, hatte sie tatsächlich<br />
bemerkenswerte große Fortschritte<br />
erzielt.<br />
„aus der stimmhaft“ liest sich insgesamt<br />
mehr wie ein Sachbuch<br />
als wie ein Roman. Das liegt an der<br />
wissenschaftlichen Vorgehensweise<br />
Welker-Sturms. Die zahlreichen<br />
kleinen Szenen, die die Autorin<br />
entworfen hat, bilden einen eher<br />
schmalen Rahmen für die eigentliche<br />
historische Darstellung.<br />
Die Autorin orientiert sich fest an<br />
den historisch-belegten Fakten.<br />
Welker-Sturm entwirft keine eigene<br />
Handlung, sie entwickelt keinen<br />
zusätzlichen Spannungsbogen, um<br />
ihr Erzählen gefälliger zu machen.<br />
Auch ist ihre Luise keine idealisierte<br />
Romanfigur. Welker-Sturm zeichnet<br />
ein sehr distanziertes Bild von<br />
ihrer Protagonistin, deren Ansichten<br />
uns aus heutiger Sicht vielleicht<br />
sogar „rückständig“ erscheinen<br />
würden.<br />
Das Anliegen der Autorin, die herausragende<br />
Leistung Luise Büchners<br />
vor dem Spiegel ihrer Epoche<br />
und in Relation mit der ihr zur Verfügung<br />
stehenden Mittel darzustellen,<br />
ist sehr gelungen. Welker-<br />
Sturm vermittelt ihren Leser*innen<br />
ein authentisches Bild der historischen<br />
Figur Luise Büchner.<br />
Unbedingter Lesetipp für alle geschichtsinteressierten<br />
Leser*innen,<br />
die ein umfassendes Bild<br />
der frühen Frauenrechtsbewegung<br />
gewinnen wollen sowie für<br />
Fans der Büchner-Familie und<br />
ihrer Zeit.<br />
KULTURNACHRICHTEN 12|<strong>2021</strong> 9