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Über Trainer Tim Gibson u.a.

"MEINE ECKE" erscheint in jeder Ergebnisausgabe der SPORT-WELT - Geschichten aus guten alten Zeiten des Galoppsports und Kritik an vielen Dingen, die in unserem Sport falsch läuft.

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Kolumne Seite 10<br />

<br />

Ahmet Refii Dener<br />

Meine Ecke – Galopper-Geschichten und mehr<br />

Neue Sandbahn – worauf wartet ihr?<br />

Herzblut für Vollblut“, den Spruch habe<br />

ich immer toll gefunden. Dass ich,<br />

wenn ich für eine Sache bin, mit Herzblut<br />

dabei bin, wird mittlerweile bei der Leserschaft<br />

„Meine Ecke“ mittlerweile angekommen<br />

sein. Am Wochenende waren es gerade<br />

mal sechs Rennen in Dortmund. Klar, PMU<br />

finanziert, kann man solche Renntage bei<br />

Mini-Dotierungen jederzeit und überall veranstalten,<br />

nur, wem ist damit gedient? Wo bleiben<br />

die Aktiven, die <strong>Trainer</strong> und die Besitzer,<br />

die davon überleben bzw. den Unterhalt ihrer<br />

Pferde finanzieren müssen? Klar, nicht alle<br />

sind auf Renngewinne angewiesen, aber dennoch.<br />

Wir freuen uns mittlerweile, wenn die<br />

Rennvereine, über Winter wird es bekanntlich<br />

nur Dortmund sein, noch gut dabei wegkommen.<br />

Dank der 3% Provision der PMU-Umsätze,<br />

die in einem Rennen alleine so hoch sind<br />

wie manchmal 2 – 2,5 Renntage in Dortmund,<br />

funktioniert das Ganze. Patrick (Bücheler) hat<br />

auf die Situation der Sandbahn hingewiesen.<br />

Es ist so leicht zu entscheiden, die Bahn mit<br />

neuem Sand und Belag auszustatten. Schließlich<br />

gibt es ja noch den Betrag in der Kasse von<br />

Deutscher Galopp und<br />

das Geld ist<br />

ja auch nicht<br />

rausgeschmissen<br />

und schafft<br />

Mehrwert. So<br />

kann man einen<br />

Teil des Betrages,<br />

was noch da ist<br />

vom Verkauf der<br />

RaceBets-Anteile,<br />

statt bei den Konkurrenten,<br />

den<br />

Buchmachern, zu<br />

investieren, bei sich<br />

selbst lohnend einsetzen.<br />

Das wäre<br />

dann eine Investition<br />

in die Zukunft,<br />

von Leuten, die von<br />

Herzblut für Vollblut<br />

reden, aber nicht entsprechend<br />

handeln.<br />

<strong>Tim</strong> <strong>Gibson</strong> im<br />

Sattel von Fairness<br />

Fotos: Archiv<br />

Ein Pferdemann von leisester Sorte<br />

Jetzt, wo wir so viel vom Herzen gelesen,<br />

geschrieben und gesprochen haben, möchte<br />

ich an einen lieben Menschen erinnern, der<br />

leider viel zu früh, mit nur 43 Jahren, nach<br />

schwerer Krankheit, in 2007 von uns gegangen<br />

ist. Die Rede ist von <strong>Tim</strong> <strong>Gibson</strong>, dem<br />

Vater von Jockey Patrick <strong>Gibson</strong>, dem Kleinen,<br />

wie ich ihn wegen seiner Größe nenne.<br />

<strong>Tim</strong> wurde in Bolton geboren. In Deutschland<br />

würde man sagen, im Landkreis Manchester.<br />

Er hatte zwei Schwestern. Seine Eltern hatten<br />

mit den Pferden nichts zu tun. Er fing mit<br />

Ponyreiten an und landete beim Springsport.<br />

Dort lernte er die Schwester von John Francome<br />

kennen. John war nicht irgendwer. Er<br />

ist hinter Tony McCoy und Peter Scudamore<br />

der National Hunt Jockey mit den meisten<br />

Championaten (7). Schnell war der Kontakt<br />

zu John geknüpft, der mit 16 Jahren die<br />

Lehre bei Fred Winter angefangen hatte. So<br />

fing auch <strong>Tim</strong> seine Lehre dort an, wie auch<br />

Johny Little, den man in Deutschland ebenfalls<br />

kennt.<br />

Bevor ich mit <strong>Tim</strong> weitermache… John<br />

Francome wurde nach seiner Karriere Moderator<br />

für Pferderennen und Bestsellerautor. Als<br />

er auch damit aufhörte, soll er gesagt haben:<br />

„Jetzt ist genug, ich kann mir keine weiteren<br />

Möglichkeiten vorstellen, jemanden zu töten.“<br />

Der Lehrherr von <strong>Tim</strong>, Fred Winter, war<br />

ebenfalls eine Legende des National Hunt<br />

Sports. Er war viermal als Jockey und achtmal<br />

als <strong>Trainer</strong> Champion geworden auf der Insel.<br />

Er ist der Einzige, der sowohl als Jockey als<br />

auch als <strong>Trainer</strong> den Cheltenham Gold Cup,<br />

den Champion Hurdle und den Grand National<br />

(je 2x als Jockey und <strong>Trainer</strong>) gewonnen<br />

hat. Sein Ritt auf Mandarin in der<br />

Grande Steeplechase de Paris in Auteuil<br />

wurde 2006 unter Racing Post-Lesern zum<br />

besten Ritt aller Zeiten gekürt, denn Frank<br />

Winter hatte eine fiebrige Erkältung, hatte<br />

einen gebrochenen Kiefer und erlitt vor<br />

dem Rennen einen Schwächeanfall.<br />

<strong>Tim</strong> kam 1984 durch Reinhard Ording<br />

in den Sommermonaten nach Deutschland<br />

und ritt am Stall von Friedel Willenbrock<br />

in Bremen. Wie das Leben so ist, mit vollen<br />

Zufällen. Reinhard Ording war damals bei<br />

Bruno Schütz beschäftigt<br />

und hatte sich einen Arm<br />

gebrochen. Während dieser Zeit hatte<br />

John Francome einen Ritt in Deutschland.<br />

Die beiden sprachen miteinander.<br />

John schlug ihm vor, den Winter<br />

über im Stall von Fred Winter<br />

zu arbeiten. Damals muss es leichter<br />

gewesen sein mit der Personalvermittlung<br />

im Galoppsport, denn<br />

Reinhard fand einen Ersatz für<br />

sich und bekam von Bruno Schütz<br />

die Erlaubnis, zu Fred Winter zu<br />

gehen. Dort begegnete er <strong>Tim</strong><br />

<strong>Gibson</strong>, der unter den Lehrlingen<br />

am Stall zwar Ritte bekam und<br />

auch Rennen gewann, aber doch<br />

nicht so viele, dass er damit zufrieden<br />

sein konnte. Reinhard schlug ihm vor, es doch<br />

in Deutschland zu versuchen. Seinen ersten<br />

Ritt in Deutschland führte er am 19.05.1984 in<br />

Hannover auf Mobbyfels aus und eben mit diesem<br />

gewann er dann 8 Tage später in Schwanewede<br />

(die Rennbahn gibt es nicht mehr)<br />

sein erstes Rennen. An dem Tag gewann er<br />

sogar noch ein Halbblutrennen. Da er nicht zu<br />

schwer war, ritt er parallel auch Flachrennen.<br />

Zwei Jahre später, 1986, kam er dann endgültig<br />

nach Deutschland. Die erste Station war Saarbrücken.<br />

Anschließend ging er 1988 als Stall-<br />

jockey zum großen Uwe Stoltefuß nach Dortmund.<br />

Seine größten Siege als Jockey waren die<br />

mit Fairness, im Besitz vom Stall Margarethe,<br />

trainiert von Uwe Stoltefuß, im Markgraf-Berthold-Jagdrennen<br />

und Prix de L’Adour in Enghien<br />

(1989). Sein Vorbild als Jockey war John<br />

Francome, wer auch sonst.<br />

1990 dann stürzte er schwer und musste<br />

mit dem Reiten aufhören. 1991 machte er<br />

Unvergessen – <strong>Tim</strong> <strong>Gibson</strong><br />

<br />

Foto: marcruehl.com<br />

die <strong>Trainer</strong>prüfung<br />

und arbeitete als Assistenztrainer bei<br />

Uwe Stoltefuß, wechselte anschließend zu<br />

Fredy Scheffer und übernahm den Stall nach<br />

dessen Tod. Seine ersten Besitzer als <strong>Trainer</strong><br />

waren der Stall Mabrouk, später folgten dann<br />

Reg und Brenda Inman (Stall Kingsland), das<br />

Gestüt Sommerberg, Stall Renaissance (Near<br />

Honor), Stall Fichtengrund und der Stall Gary<br />

von Manfred Gier. Near Honor war mit 94,5<br />

GAG sein bestes Pferd. Nur ein Jahr nach dem<br />

Wechsel nach Bremen verstarb er nach schwe-<br />

rer Krankheit, im Januar 2007.<br />

Ruhe in Frieden lieber <strong>Tim</strong>. Du warst ein<br />

ruhiger Zeitgenosse, vielleicht zu ruhig, um<br />

letztendlich an die Klassepferde zu kommen.<br />

Die Besitzer mussten schon auf Dich zukommen,<br />

damit Du für sie trainierst. Alle, die ich<br />

über Dich befragte, sagten in etwa das, was<br />

ich schon wusste: „Er war ein ruhiger, aber ein<br />

Pferdemann durch und durch.“<br />

Als ich Patrick fragte, ob er Ratschläge<br />

von seinem Vater bekommen hätte<br />

in Sachen Pferd, sagte er, dass er<br />

schon zu krank war, als er zu reiten<br />

anfing. Patrick wollte Fußballer<br />

werden und interessierte sich erst<br />

mit 14 Jahren für die Pferde und<br />

fing zu reiten an. Der erste schnelle<br />

Galopp und er war infiziert. Ab da<br />

wollte er nur noch Jockey werden<br />

und sonst nichts. Eigentlich wollte<br />

er später nicht den Beruf des <strong>Trainer</strong>s<br />

ansteuern, aber nach Lage der<br />

Dinge, weil seine Lebensgefährtin<br />

das doch möchte, könnte es anders<br />

kommen als gedacht. Er hofft, dass<br />

er die Gene seines Vaters, den er,<br />

weil er zu jung war, nicht als <strong>Trainer</strong><br />

bewusst erleben konnte, geerbt<br />

hat.<br />

Traurig stimmt es ihn, dass sein<br />

Vater ihn nicht hat reiten sehen<br />

können. Oft sagt er, sitzt er im Auto,<br />

während er zu den Rennen fährt, wo<br />

er sich wünscht, sein Vater könnte<br />

neben ihm sitzen und die beiden<br />

würden über Pferde und die Rennen<br />

reden können. <strong>Tim</strong>, der 365 Tage im<br />

<strong>Tim</strong> <strong>Gibson</strong> in Hamburg, links<br />

<strong>Trainer</strong> Uwe Stoltefuß Fotos: Archiv<br />

Stall weilte, sieht er natürlich als<br />

sein großes Vorbild. Einen ganz, ganz<br />

großen Traum hat er, und ich meine,<br />

dass er das mit seinem Gewicht<br />

auch schaffen kann. <strong>Tim</strong> hat daran<br />

genagt, dass<br />

er kein Gruppe<br />

I-Rennen<br />

gewinnen konnte.<br />

Patrick möchte<br />

das als Jockey<br />

für ihn nachholen.<br />

Das beste Beispiel<br />

dafür ist bei<br />

Dir um die Ecke.<br />

Rene Piechulek aus<br />

München setzt sich<br />

auf ein von einem<br />

niederländischen<br />

Züchter gezüchtetes<br />

Pferd aus Mülheim<br />

an der Ruhr drauf<br />

und gewinnt das<br />

größte Rennen überhaupt,<br />

in Paris.<br />

Nun gut, da ist<br />

auch der Besitzer<br />

gefragt, der so wie ich<br />

mit Nibelungentreue<br />

an Norman Richter festhielt,<br />

dir den Ritt gibt. Somit platziere ich hier<br />

die Anzeige: „Talentierter Reiter nimmt Ritte<br />

für sieglose Pferde bis Gruppe I an.“<br />

Ich wünsche allen ein Frohes Weihnachtsfest,<br />

Hals und Beinbruch, Wettglück und alles<br />

Positive halt. Deutscher Galopp wünsche ich<br />

die Kraft, endlich schnell gute Entscheidungen<br />

zu treffen, die den Spruch „Herzblut für Vollblut“<br />

mit Leben füllen. <br />

Euer ARD

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