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IN DER DIGITALEN INFORMATIONSFLUT<br />

Rezension zum Thema<br />

Wir Informationsüberladenen<br />

Frank Schirrmacher<br />

Payback.<br />

Warum wir im Informationszeitalter<br />

gezwungen sind zu tun, was wir nicht<br />

wollen, und wie wir die Kontrolle über<br />

unser Denken zurückgewinnen<br />

2009, München: Blessing, 239 S.<br />

Miriam Meckel<br />

Das Glück der Unerreichbarkeit.<br />

Wege aus der Kommunikationsfalle<br />

2007, Hamburg: Murmann, 270 S.<br />

Ausgangspunkt dieser gesellschaftskritischen<br />

Analysen des Umgangs mit<br />

digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

ist das eigene Unbehagen,<br />

das beide Autoren angesichts<br />

der Informationsflut und -beschleunigung<br />

je individuell erfahren. Schirrmacher<br />

fühlt sich durch unzählige SMS,<br />

Blog-Einträge, E-Mails, die ihn ständig<br />

erreichen und die er selbst beantworten<br />

muss, unkonzentriert, vergesslich und<br />

abgelenkt. Sein Gehirn komme nicht<br />

mehr mit und er werde aufgefressen, wie<br />

er selbst schreibt. Miriam Meckel reflektiert,<br />

dass sie sich durch die digitalen<br />

Informations- und Kommunikationsmedien<br />

zum Simultanten entwickelt<br />

habe, jemand, der viele Dinge gleich-<br />

zeitig erledige und ständig und überall<br />

erreichbar sei. Die Kommunikationsanforderungen<br />

moderner Technologien,<br />

wie Handy, Internet etc., bestimmten<br />

ihre gesamte Lebensgestaltung, die<br />

keine Zeit für Ruhepausen, zum konzentrierten<br />

Arbeiten und ungestörten Denken<br />

ließe.<br />

Anhand dieser eigenen Erfahrungen<br />

und allerlei zitierter Beispiele aus Pressemedien<br />

und wissenschaftlichen Studien<br />

beschreiben beide Autoren in<br />

einem leicht verständlichen und unterhaltsamen<br />

Sachbuchstil Probleme und<br />

Veränderungen, die die modernen Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien<br />

im Alltäglichen mit sich<br />

bringen.<br />

Schirrmacher bewegt sich mehr auf der<br />

kognitiven Ebene der digitalen Überforderung.<br />

Er will mit seinem Buch zeigen,<br />

dass diese Informationsüberflutung das<br />

Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, die<br />

geistigen Fähigkeiten und das Gehirn<br />

physisch verändern und sich keiner diesem<br />

Wandel entziehen könne. Schirrmacher<br />

beruft sich auf zahlreiche<br />

Studien, die belegen, dass durch die<br />

Menge der neuen Medien und die immer<br />

größer werdende Informationsfülle sich<br />

die kognitiven Strukturen und Fähigkeiten<br />

des menschlichen Gehirns verändern.<br />

So würden beispielsweise<br />

verschiedene Lesefähigkeiten schwinden,<br />

wie die Fähigkeit, komplexere<br />

Texte zu erfassen, zu durchdenken und<br />

zu interpretieren und die Fähigkeit zur<br />

Lesekonzentration über einen längeren<br />

Zeitraum. Die Aufmerksamkeit sei es,<br />

die den Menschen immer und mehr abhanden<br />

komme. Der Geist passe sich immer<br />

mehr an die digitalen Maschinen an,<br />

wie einst der Körper an die Vorgaben des<br />

Taylorismus. Das Charakteristikum dieses<br />

„digitalen Taylorismus“ sei das des<br />

Kontrollverlustes über die Flut von Informationen.<br />

Grundlegende Unterhöhlung<br />

der geistigen Kontrolle vollziehe<br />

sich über das Multitasking, der Tugend<br />

der Informationsgesellschaft, so der Autor.<br />

Gleichzeitigkeit verschiedener Prozesse<br />

bedeute ständige Ablenkungen,<br />

und diese führten zu einer Verlangsamung<br />

des Denkens und dem Verlust der<br />

eigenen Freiheit des Denkens, indem<br />

Denken nach außen in die digitalen<br />

Maschinen wandere. Der Kopf werde<br />

immer überforderter und unselbstständiger.<br />

Leben in einer von Informationsreizen<br />

überfluteten Gesellschaft münde<br />

in „Ich-Erschöpfung“.<br />

Meckel konzentriert sich auf die Folgen<br />

der neuen Kommunikationstechnologien<br />

für die eigene Identität und die sozialen<br />

Kommunikationsbeziehungen,<br />

streift aber weit breitere zeitrelevante<br />

Folgen der Informationsbeschleunigung,<br />

etwa indem sie die digitalen<br />

Medien als digitale Zeitdiebe und Zeitentgrenzer<br />

enttarnt. Mit Dauererreichbarkeit,<br />

Mobilität und Flexibilität<br />

gewinne man letztendlich keine Zeit,<br />

vielmehr ließen diese die zur Verfügung<br />

stehende Zeit immer knapper werden.<br />

Grenzen zwischen dem Beruflichen und<br />

dem Privaten verschwimmen und die<br />

berufliche Arbeit dehne sich in Zeitterritorien<br />

aus, die früher allein dem Privaten<br />

und der Entspannung vorbehalten<br />

waren. Ruhe- und Schutzzonen des Privaten<br />

lösten sich zunehmend auf. Die<br />

extremste Ausdehnungsform der zeitlichen<br />

wie auch der räumlichen Entgrenzung<br />

spiegele sich im „Globalen<br />

Pendler“, dem spätmodernen Arbeitsnomaden,<br />

wider. Für viele Menschen sei<br />

das Handy oder das Smartphone zum<br />

„treuesten Gefährten“ und zum Teil des<br />

eigenen Selbst geworden. Mobile Kommunikationstechnologien<br />

brächten<br />

neue soziale Zeitgewohnheiten und andere<br />

Formen des zwischenmenschlichen<br />

Miteinanders hervor. Partnerschaftliche<br />

Lebensentwürfe würden sich<br />

einer neuen zeitlichen Ordnungsdimension<br />

und einer neuen Kommunikations-<br />

14 ZPM NR. 18, JULI 2011

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