Chance 2021
Selbsthilfezeitung Chance
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CHANCE JENA
Was bedeutet mir Selbsthilfe?
Im Allgemeinen ist Selbsthilfe noch immer sehr stigmatisiert. Woran viele
bei dem Thema noch denken ist: Alle sitzen im Stuhlkreis, aber es ist
natürlich auf keinen Fall so, sondern eine sehr lockere Runde. Wir sind
viel im Park, gehen auch zusammen essen. Wir versuchen, die Treffen
möglichst nicht so steif zu machen, wie eine lockere Runde unter Freunden,
aber immer mit dem Hintergrund, dass dies der Raum ist, über sein
Leben zu sprechen, sich auch mal darüber zu beschweren, besonders,
wenn man eine psychische Krankheit hat, ohne das Gefühl zu haben,
jemandem zur Last zu fallen. Und eine Erfahrung, die ich in der Selbsthilfe
gemacht habe, ist, dass, wenn ich etwas erzähle, dass es oft vorkommt,
dass mehrere in der Gruppe die gleiche Erfahrung gemacht haben und
man Leidensgenossen hat, die man fragen kann.
Mir geht es mit der Selbsthilfegruppe einfach besser. Natürlich habe ich
noch immer meine Probleme, aber ich fühle mich gut, dass ich auch anderen
helfen kann, die ähnliches erlebt haben. Und, dass ich so in irgendeiner
Form etwas weitergeben und ich es dadurch jemandem einfacher
machen kann. Ich bin froh, Hilfestellung und Tipps geben zu können.
Dann fühlen sich die anderen nicht so allein, wie ich es vor der Selbsthilfegruppe
war.
Lena Jesse
Kontakt:
jsh-jena@web.de
Untrennbare Verbundenheit
Da braucht es manchmal
gar nicht vieler Worte…
Heimatgebend
Die Essies, Menschen mit Essstörungen
Mein Name ist David Rätzer, und ich leite seit ungefähr zehn Jahren
verschiedene Selbsthilfegruppen. Für mich war damals die Selbstbetroffenheit
der Anlass, mir eine Selbsthilfegruppe zum Thema Essstörungen
zu suchen. Ich habe mich dann dazu entschieden, eine Gruppe zu gründen.
Die Gruppe heißt „Die Essies“ und gibt Menschen mit Essstörungen,
Anorexie, Bulimie und Binge-Eating eine Heimat. Das mache ich nun seit
knapp 15 Jahren und habe vor neun Jahren eine zweite Gruppe übernommen,
die sich mit den Krankheitsbildern Panik, Angst und Depressionen
befasst. Auch da war ich selbst betroffen. Für mich war es immer wichtig,
wenn ich mich als Gruppenleiter mit diesen Themen befasse, dass ich
natürlich auch selbst betroffen bin, dass ich weiß, wie mein Gegenüber
fühlt. Natürlich sind fachliche Gespräche auch immer sehr wichtig, mit
dem Psychologen z. B., aber nur die Betroffenen untereinander wissen,
wie wir fühlen und wie wir denken. Da braucht es manchmal gar nicht
vieler Worte. Es ist so entstanden, dass es mir von professioneller Seite
angeraten wurde und auf der anderen Seite habe ich gemerkt, wie wichtig
es in den Kliniken für mich war, mit anderen Personen in Kontakt zu
kommen.
Unser Überleben auf diesem Planeten wird
davon abhängen, wie schnell es uns gelingt,
ein neues Welt- und Selbstbild zu entwickeln.
Und dieses neue Bild von uns selbst und von
unserer Welt kann nur eines zum Ausdruck
bringen:
unsere untrennbare Verbundenheit miteinander
und unsere unübersehbare Eingebundenheit
in die Welt, in der wir leben.
Wir sitzen alle im gleichen Boot.
Es wird nur langsam Zeit, dass wir das nicht nur
erkennen, sondern uns auch dazu bekennen.
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Gerald Hüther und Christa Spannbauer
aus: Verbundenheit. Warum wir ein neues Weltbild brauchen,
Hogrefe Verlag, 2018
Quelle: natur & heilen, 01/22, S. 7