24.01.2022 Aufrufe

Chance 2021

Selbsthilfezeitung Chance

Selbsthilfezeitung Chance

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

CHANCE JENA

Gedichte als Gesprächsangebot …

Jan Schäf ist 50 Jahre alt und lebt in Jena. Er geht regelmäßig in die

Selbsthilfegruppe des Blauen Kreuzes.

Gestrandet

Buchvorstellung

„Ich habe keine Seele, um mit ihr

zu reden, oder mich von ihr trösten

zu lassen. Aber Gott schickte durch

wunderbare Fügung das Schiff so

nahe ans Land, daß ich so viele Dinge

daraus holen konnte, die zur Befriedigung

meiner Nothdurft selbst dienen

oder mir die Mittel zur Befriedigung

derselben an die Hand geben werden,

so lange ich lebe.“ Diese Zeilen

stellt der Autor Jan Schäf seinem Gedichtband

„Große Reise“ voran. Sie

stammen aus der Gut- und Böseliste

in „Robinson Crusoe“. Daniel Defoe

lässt sie seinen Helden in der Situation

aufschreiben, in der ihm bewusst

wird, dass er allein auf einer Insel

Autor Jan Schäf

strandet und Rettung unsicher ist. Mit „Seele“ ist in der Übersetzung von

Carl Altmüller von 1868 natürlich das Gegenüber, schlicht ein Gesprächspartner

gemeint. Robinson wird auf seiner Insel übrigens sagenhafte 28

Jahre verbringen. Mit Freitag, einem Eingeborenen, bekommt er später

immerhin seine „Seele“. Robinsons Aussage zeigt den Menschen als ein

Wesen, dessen Überleben von zwei Dingen abhängt: die Befriedigung der

„Nothdurft“, also der Dinge des alltäglichen Bedarfs und die Kommunikation

mit anderen Menschen. Ist sie nicht gegeben, geht der Mensch

zugrunde, genauso, als wenn er nichts zu essen hätte.

Doch was hat das alles mit den Gedichten von Jan Schäf zu tun? Nun, wie

er selbst sagt, sehr viel. Denn zwar ersetzt das Schreiben eines Gedichtes

nicht die Kommunikation mit einer anderen Person, doch hilft es, sich mit

dem eigenen, inneren Gespräch auseinanderzusetzen. Wie auch Robinson

seine Liste verfasst, um sich zu vergegenwärtigen, dass noch nicht

alles verloren ist. In „Große Reise“ ist dies in Verse verpackt. Doch nicht

nur als Selbstgespräch, sondern, um sich auch mit anderen darüber auszutauschen.

Ein Gesprächsangebot, wenn einem Gefühle nicht so leicht

über die Lippen kommen. Zumal der Dichter im Prozess des Schreibens

ja immer ein einsamer ist. Ein Inselbewohner. Und Inseln kommen in den

Gedichten von „Große Reise“ nicht selten vor. Seelische Inseln und reale.

Und da Gedichte auch immer zu einer ganz persönlichen Sache des

Lesers werden, kann er sich getrost während des Lesens auf eine solche

zurückziehen. Und sei es auch nur seine eigene, seelische Insel. Und wenn

er zurückkehrt, hat er vielleicht sogar etwas zu erzählen.

28

Große Reise: Gedichte

von Jan Schäf

BoD – Books on Demand;

1. Edition

(1. Oktober 2021),

200 Seiten

ISBN-13 : 978-3754333877

Abendruhe

Vom silbrigen Himmelsrand

übers kupferne Sonnenband

vor stummen Baumkronen

und menschlichen Komfortzonen

lag schweigend der Abend.

Wir kamen den Hohlweg entlang

erfrischt und vom Alltag befreit

und wie immer nach solchen Tagen

sah uns von Ferne Vergangenheit

im Walde ruhten die Riesen.

Am Zifferblatt welkte ganz frische Zeit

während die Zwerge ihre Minen verließen

und hinter Fenstern einladende Lichter

am Brunnen tropfte es leise dahin

müde und rotbäckig die Kindergesichter.

Rauschen vergangener Stürme

verwehend zwischen dämmernden Gassen

wir dabei schwatzend über Nähe und Ferne

ging interessiert der Abend mit uns - ein Stück

und die Falter im Licht der Laterne.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!