Ihr persönliches Gesetzbuch – über Nacht ... - Fachbuch-Journal
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Mittwoch<br />
BUchMesse 2009<br />
1 „Bibliothek 2020 <strong>–</strong><br />
Zwischen Vergangenheit und Zukunft“<br />
Unter der Moderation von Tom Becker von der Stadtbibliothek Mannheim diskutierten am Mittwoch, den 14.10.2009<br />
Monika Ziller, Bibliotheksleiterin der Stadtbibliothek Heilbronn; Anne Bein, Geschäftsleitung Swets, Frankfurt;<br />
Christoph Deeg, Leiter Projekt Zukunftswerkstatt, Berlin; Christian Hasiewicz, Bibliothekarischer Direktor DiViBib,<br />
Wiesbaden und Wolfgang Ratzek, Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart.<br />
Mit Mut agieren, statt reagieren<br />
Zwischen der Vision für die Bibliothek 2020 und der Realität<br />
im Alltag deutscher Bibliotheken 2009 klafft eine riesige<br />
Lücke. Wie groß sie ist, machte die Diskussionsrunde<br />
am Messemittwoch deutlich. Während Monika Ziller von der<br />
Stadtbibliothek Heilbronn eine Lanze für die Bibliotheken<br />
brach, die im Tagesgeschäft mit den aus der Digitalisierung<br />
entstehenden zusätzlichen Aufgaben ohne Personalaufstockung<br />
zurechtkommen müssen und zwischen Technik, neuer<br />
Kundenorientierung und Budgetknappheit ohnehin schon<br />
mehr als gefordert seien, wurde Christoph Deeg von der Zukunftswerkstatt<br />
nicht müde, Flexibilität und Veränderungen<br />
von Bibliotheken respektive den dort arbeitenden Bibliothekarinnen<br />
und Bibliothekaren einzufordern. Unterstützt wurde er<br />
<strong>–</strong> wenn auch deutlich gemäßigter <strong>–</strong> von allen weiteren Mitdiskutanten;<br />
Anne Bein von Swets und Christian Hasiewicz von<br />
DiViBib als Vertreter von Bibliotheksdienstleistern, und Wolfgang<br />
Ratzek, als Professor an der Hochschule der Medien in<br />
Stuttgart Fachmann für die Ausbildung und ihre Anpassung<br />
an die Herausforderungen der Zeit. Tom Becker, der als Leiter<br />
der Zentralbibliothek im Stadthaus N1 in Mannheim von<br />
den Veränderungen selbst nicht nur betroffen, sondern auch<br />
verantwortlich für ihr Vorantreiben ist, hielt sich entsprechend<br />
seiner Moderatorenrolle zwar weitgehend zurück, doch fiel es<br />
ihm streckenweise sichtlich schwer. In Sätzen wie „Wir können<br />
uns Mut zum Experiment leisten“, die er in die Moderation<br />
einflocht, und seiner Aufforderung, Bibliotheken sollten<br />
mit Mut agieren statt reagieren, blitzte auch bei ihm immer<br />
wieder durch, dass der 35jährige einer neuen Generation von<br />
Bibliotheksleitern angehört <strong>–</strong> einer Generation, die sich allen<br />
Budgetzwängen zum Trotz voll und ganz dem Aufbruch ins<br />
digitale Informationszeitalter stellt. Wie sie das anpacken will<br />
und welche Aktivitäten sie zum Erreichen ihrer Ziele plant,<br />
kam bei der Diskussion nicht oder nur sehr oberflächlich zur<br />
Sprache.<br />
22 6 I 2009<br />
Die Vision der Bibliothek 2020<br />
Stellen Sie sich bitte eine Bibliothek vor,<br />
• in der die Bibliotheksangestellten mit Ihnen den Inhalt eines<br />
Computerspiels diskutieren und Ihnen auch gleich noch die<br />
praktische Einführung in das Spiel anbieten;<br />
• in der die Frage nach einem Buch, das gerade ausgeliehen<br />
ist, mit dem Hinweis beantwortet wird, es sei bei Amazon<br />
lieferbar und Bibliotheksmitarbeiter könnten bei der Bestellung<br />
helfen;<br />
• in der Bibliothekarinnen und Bibliothekare ihren Kunden<br />
beim Finden von Publikationen helfen, die noch nie im Bestand<br />
der Bibliothek waren und es auch nie sein werden;<br />
• die den Service „Mieten Sie einen Bibliothekar“ als Dienstleistung<br />
für Unternehmen und Privatpersonen bereitstellt,<br />
z.B. zur zeitlich befristeten Unterstützung einer Forschungsarbeit<br />
oder einer Dissertation;<br />
• die stolz darauf ist, einen Teil ihrer Kosten durch den Verkauf<br />
von Aus- und Weiterbildungsangeboten sowie kreativer<br />
Webservices zu finanzieren;<br />
• die zum Einwerben von Spenden und Stiftungen zugunsten<br />
der Bibliothek einen eigenen „Fundraiser“ beschäftigt und<br />
• die politische Lobbyarbeit in das Tagesgeschäft der Bibliotheksleitung<br />
integriert hat.<br />
Unvorstellbar? Für Christoph Deeg, der den größten Teil dieses<br />
Bildes der Bibliothek 2020 zeichnete und von Bibliotheken<br />
verlangt, sich dieser Wirklichkeit zu stellen, ist eine solche<br />
Bibliothek nicht nur vorstellbar, sondern notwendig: „Web<br />
2.0 ist eine eigene Kultur. Wir müssen uns auf eine digitale<br />
Kultur vorbereiten. Das einzige, was zählt, ist, was der Nutzer<br />
möchte.“ Deeg ist fest <strong>über</strong>zeugt, dass die Bibliotheken eine<br />
wichtige Rolle in diesem Prozess haben werden. „Bibliotheken<br />
werden Wissen vermitteln <strong>über</strong> Literatur und Publikationen,<br />
die <strong>über</strong>haupt nicht in der Bibliothek sind“, so der Zukunftsforscher.