Gebete und Unterricht Oktober 2010 Tischrei/Cheschwan 5771
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ist ihre Aufgabe? Die Vuvuzela soll<br />
Lärm machen, sie soll zeigen: We are<br />
here! We want to show it!<br />
Wer einmal die originale afrikanische<br />
Vuvuzela gesehen, oder einen<br />
einzelnen kräftigen Ton dieses<br />
Instruments gehört hat, wird sich<br />
unweigerlich an das erinnert fühlen,<br />
was uns im Monat Elul schon jeden<br />
Tag begleitet. Und zum Neuen Jahr,<br />
Rosch Haschana, erklingt es überall<br />
auf der Welt: das Schofar.<br />
Was aber ist die Aufgabe eines<br />
Schofars? Soll dieses Widderhorn<br />
auch nur Lärm machen? Soll es auch<br />
nur zeigen: We are here? Ist das<br />
Schofar eine jüdische Vuvuzela?<br />
Der Baal Schem Tov, der große Lehrer<br />
<strong>und</strong> Begründer des Chassidismus,<br />
erzählt dazu folgende Geschichte:<br />
Ein König, der vor langer Zeit lebte,<br />
hatte einen Sohn, einen Prinzen.<br />
Diesem gab er all seine Reichtümer,<br />
alles, was er wollte, das Beste der<br />
Welt, wovon man nur träumen<br />
konnte. Aber konnte der Junge das<br />
alles richtig schätzen? War er dankbar<br />
dafür? – Nein, alles schien ihm<br />
selbstverständlich <strong>und</strong> das machte<br />
den König traurig. Denn wenn sein<br />
Sohn, der Prinz, sich keine Mühe<br />
gibt, diese Dinge zu schätzen, so<br />
würde er auch alle anderen Dinge im<br />
Leben nie schätzen können. Und so<br />
entschied der König, seinen Sohn für<br />
ein Jahr unter das einfache Volk zu<br />
schicken, damit er mit den einfachen<br />
Menschen wohnen <strong>und</strong> deren Leben<br />
beobachten sollte. Denn dann würde<br />
er das königliche Leben am Palast<br />
wieder zu schätzen wissen.<br />
Also sandte der König seinen Sohn<br />
fort, <strong>und</strong> der Prinz gewöhnte sich<br />
langsam an die neue Umgebung <strong>und</strong><br />
das neue Leben. Und was passierte?<br />
Langsam vergaß er, woher er kam<br />
<strong>und</strong> er begann, ein einfaches Leben<br />
wie das Volk zu leben. Er arbeitete,<br />
aß, trank <strong>und</strong> schlief wie die einfachen<br />
Menschen.<br />
Eines Tages fiel ihm plötzlich wieder<br />
ein, dass er eigentlich ein Prinz<br />
2 | Jüdisches | Nr. 27<br />
u Fortsetzung von Seite 1<br />
sei, der zukünftige König. Und er<br />
bekam Sehnsucht nach seinem Vater<br />
<strong>und</strong> dem königlichen Leben. Er<br />
reiste zurück zum Palast <strong>und</strong> kam<br />
an das Tor. Der Wärter fragte ihn,<br />
was er wolle. Er erwiderte, er wolle<br />
in sein Haus zurück, schließlich sei<br />
er der Prinz. Und der Wärter dachte<br />
bei sich: Wieder so ein Verrückter,<br />
der glaubt, der vorgibt, der Sohn<br />
des Königs zu sein. Der junge Mann<br />
sah auch wirklich nicht aus wie ein<br />
Prinz, eher wie ein Hippie mit langen<br />
Haaren, einem Ring im Ohr <strong>und</strong><br />
abgewetzten Jeans. Er sah nicht aus<br />
wie einer aus königlichem Hause,<br />
sondern wie jemand von der Straße.<br />
Obwohl er bettelte <strong>und</strong> bat, wurde er<br />
nicht in den Palast hineingelassen.<br />
Was sollte er jetzt tun? Er erinnerte<br />
sich, dass sein Vater jeden Tag<br />
am Nachmittag zur gleichen Uhrzeit<br />
einen Spaziergang machte. Und am<br />
nächsten Tag ging er genau um diese<br />
Zeit zum Rosengarten, wo sein<br />
Vater zu spazieren pflegte. Er stand<br />
am Zaun <strong>und</strong> rief: "Vater! Vater!" Der<br />
König hörte die Stimme, erkannte sie<br />
<strong>und</strong> holte seinen Sohn zurück in den<br />
Palast.<br />
Genau so, sagt de Baal Schem Tov,<br />
verhält es sich mit uns. Das ganze<br />
Jahr sind wir von unserem Vater,<br />
dem König der Welt, von G-tt, getrennt.<br />
Aber dann kommt der große<br />
Tag von Rosch Haschana, der Tag der<br />
Beurteilung, an dem wir zu G-tt zurückkehren<br />
wollen. Aber die Engel<br />
lassen uns nicht vor. Sie fragen, wer<br />
wir seien <strong>und</strong> sagen uns: "Du hast<br />
das ganze Jahr nicht die Mitzvot befolgt<br />
<strong>und</strong> die Traditionen gepflegt."<br />
Deshalb nehmen wir das Schofar,<br />
<strong>und</strong> der reine, einfache Ton des<br />
Schofars erreicht in uns die inneren<br />
Kräfte, so dass die tiefen Wurzeln<br />
unseres Herzens rufen: "Vater! Vater!<br />
Wir sind nach Hause zurückgekommen!"<br />
Das Schofar soll uns in den letzten<br />
Tagen des alten Jahres aufwecken. Es<br />
soll uns zum Beginn des neuen Jahres<br />
daran erinnern, zu unserem König<br />
zurückzukehren.<br />
Das ist der Unterschied zwischen<br />
der Vuvuzela <strong>und</strong> dem Schofar. Während<br />
die Vuvuzela nur Lärm macht,<br />
ist das Schofar dazu da, uns aufzuwecken.<br />
Aufzuwecken aus dem<br />
Schlaf, in dem wir uns befinden.<br />
Wenn wir dieses Jahr am Donnerstag,<br />
den 9. September <strong>und</strong> Freitag,<br />
den 10. September das Schofar in der<br />
Synagoge hören, bedeutet das für<br />
uns den Segen für das Neue Jahr, die<br />
Hoffnung auf die ges<strong>und</strong>e Rückkehr<br />
von Gilad Shalit, <strong>und</strong> auf ein gutes<br />
<strong>und</strong> süßes neues Jahr.<br />
Der Lärm der Vuvuzela ist vorbei,<br />
die Töne des Schofars wirken. Der<br />
Lärm der Vuvuzela war gestern, die<br />
Töne des Schofars sind heute <strong>und</strong><br />
morgen.<br />
Ich möchte mit einem ganz persönlichen<br />
Gruß meiner Frau Leah<br />
<strong>und</strong> mir schließen: Wir wünschen jedem<br />
einzelnen Menschen ein Gutes,<br />
Ges<strong>und</strong>es <strong>und</strong> Süßes Neues Jahr voll<br />
Segen, Freude, Erfolg <strong>und</strong> Frieden!<br />
Ein Jahr, in dem wir alle endlich gemeinsam<br />
mit Moschiach nach Jerusalem<br />
gehen!