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Ein Wirtshaus wie ein Zuhause

Quelle: Land & Berge 2/2022 Autorin: Franziska Lipp

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Krautfleckerl (Foto Seite 58)

Die ältesten Teile des Hauses

stammen aus dem Jahr 1404:

Bevor dieses um 1700 ein

Wirtshaus wurde, waren

hier eine Postkutschenstation

und ein Pfleggericht

(Landgericht) untergebracht

Fleckerl sind eine österreichische Nudelspezialität, quadratisch

bis rautenförmig, die Andreas Döllerer natürlich

selbst macht. Wollte man sie fertig kaufen, kämen Farfalle

den Fleckerl wohl am nächsten. Kraut und Fleckerl werden

in etwa gleich große Stücke geschnitten.

Zutaten für 4 Personen

Für die Fleckerl:

330 g Hartweizengrieß, 10 Eigelb, Salz

Für das Kraut:

50 g Kristallzucker, 1 klein gewürfelte Zwiebel,

600 g geschnittenes Spitzkraut (ungefähr so große Stücke

wie die Fleckerl), 80 g hochwertiger Essig (Andreas Döllerer

bevorzugt Riesling-Auslese-Essig), 150 ml trockener Weißwein,

80 g Butter, 1/2 TL Kümmel, 1 Msp. gemahlener

Kümmel, 300 g Rindssuppe, Salz, 1 EL gehackte Petersilie

Zubereitung

1. Für die Fleckerl die Hälfte des Hartweizengrießes mit

den Eigelben verrühren. Wenn die Mischung ein glatter,

fester Teig geworden ist, nach und nach den restlichen

Grieß einarbeiten (am besten geht das mit einer Rührmaschine,

weil dieser Nudelteig sehr fest ist).

2. Teig etwa 2 mm dick ausrollen und mit einem Teigrad

in gleichmäßige Rauten schneiden.

3. Für das Kraut den Zucker karamellisieren, Zwiebelwürfel

und geschnittenen Spitzkohl zugeben und mit

Essig und Weißwein ablöschen. Butter und Kümmel

beigeben, mit Rindssuppe auffüllen und etwa 10 Minuten

köcheln lassen. Die Flüssigkeit sollte fast vollständig

eingekocht sein, sodass das Kraut eine sämige Konsistenz

erhält. Mit den Gewürzen abschmecken.

4. Fleckerl in gut gesalzenem Wasser bissfest kochen,

unter das Kraut mischen und nochmals abschmecken.

Am Ende die gehackte Petersilie dazugeben.

der Wirtshausküche eine Rolle?

Alpine Cuisine steht dafür, dass wir im Restaurant

ausschließlich mit heimischen Zutaten von uns

bekannten Lieferanten, Bauern und Produzenten

kochen. Für die Spitzengastronomie ist das außergewöhnlich,

für die Wirtshausküche hingegen sehe

ich es eher als Voraussetzung, denn sie muss ehrlich

und authentisch sein.

Was macht ein gutes Wirtshaus aus?

Vor allem die echte, gute Kulinarik, die – im Idealfall

– aus regionalen Zutaten besteht. Für das Wirtshaus

wird bei uns mit der gleich großen Sorgfalt und

Liebe gearbeitet wie für die Küche des Genießerrestaurants,

das versuche ich auch unseren jungen

Köchen begreiflich zu machen. Grundsätzlich denke

ich, sollte ein Wirtshaus immer mit der Zeit gehen

und sich kulinarisch zwischen Tradition und Moderne

bewegen. Aber auch die Seele eines Hauses trägt

zum Wohlfühlfaktor bei. Die Geschichte des Hauses

und der Familie prägen den Ort.

Welche Gerichte stehen auf Ihrer Wirtshausspeisekarte?

Die Metzgerei bestimmt bis heute die Küchenphilosophie:

So sind wir etwa für unsere Innereiengerichte

bekannt. Den Kalbsnierenbraten, wie wir

ihn auf der Karte haben, bekommt man so gut wie

nirgends mehr in einem Wirtshaus. Bei uns gibt es

ihn – und es gibt Gäste, die extra deswegen viele

Hundert Kilometer anreisen. Den Braten koche ich

mir im Übrigen auch selbst zum Geburtstag. Unser

Schnitzel wurde kürzlich zum besten in Salzburg

gewählt, und ein Sommer ohne Schwarzbeernocken

wäre undenkbar. Unsere Wirtshausküche setzt sich

aus klassischen Wirthausgerichten und Speisen der

traditionell bäuerlichen Küche zusammen. Was sie

verbindet, sind ihre Wurzeln im Salzburger Land.

Hinzu kommen noch Familiengerichte wie etwa die

Erdäpfelgnocchi mit Pesto aus heimischen Kräutern:

Sie zählen zu den Lieblingsgerichten unserer Gäste.

Wie hat sich die Wirtshausküche in den letzten

Jahrzehnten gewandelt?

Früher waren es vor allem teure Produkte und

Lebensmittel, die die Wirtshausküche ausmachten:

Man ging nur zu bestimmten Anlässen ins Wirtshaus

und hat sich etwas Besonderes geleistet. Heute ist es

umgekehrt: Wir können uns so gut wie alle Lebensmittel

leisten, doch was uns fehlt, ist die Zeit für die

Zubereitung aufwendiger Speisen. Und vielen fehlt

auch das Können: Die Wirtshausküche per se ist

keine einfache Küche. Die österreichischen Klassiker

wie Beuschel oder Rindsroulade sind relativ aufwendig

in der Zubereitung, erfordern Zeit und handwerkliches

Können. Damit ist die Wirtshausküche

auch heute wieder so etwas wie eine Luxusküche.

Gibt es beim Döllerer noch einen Stammtisch?

Nicht im klassischen Sinne, eher einen Familien-

tisch, zentral in der Halle. Dieser Tisch kann nicht

gebucht werden: Hier treffen sich den ganzen Vormittag

Leute auf einen Kaffee, zum Ratschen. Am

Nachmittag findet sich die Familie zum Essen ein.

Welche Rolle spielt das klassische Wirtshaus?

Das Wirtshaus ist immer ein Ort des sozialen

Treffpunkts: Die Wirtsleute übernehmen oft die

Funktion des Psychiaters. Hier wird den ganzen Tag

über alles Mögliche philosophiert und diskutiert.

Die Tür ist von frühmorgens bis spätnachts geöffnet.

Es geht los mit dem Frühschoppen über das Mittagessen

bis zum Abendessen. So ist auch das neue

Kochbuch aufgebaut.

Warum haben Sie Ihr neues Buch der Wirtshausküche

gewidmet?

Das Wirtshaus im Allgemeinen hat es in Zeiten

wie diesen nicht leicht. Allerorts werden Wirtshäuser

zugesperrt, und in den Ortschaften gehen diese

wichtigen Treffpunkte verloren: eine gefährliche

Entwicklung. Für uns als Familie ist das Wirtshaus

wichtig, weil es den Grundstein für alles Darauffolgende

bildete. Mittlerweile führen wir den Betrieb

in vierter Generation, und aktuell sind elf Familienmitglieder

hier beschäftigt. Damit ist es eigentlich

nur logisch, dem Wirtshaus ein eigenes Kochbuch

zu widmen.

Interview: Franziska Lipp

Familie, Freunde,

Stammgäste: Beim

Döllerer wird seit

über 100 Jahren gut

und gern gefeiert

Beim Döllerer gibt

es ihn noch, den

Kalbsnierenbraten im

Ganzen. Oder wie

man in der französischen

Küchensprache

sagt: das

„Grand Piece“

Fotos: Döllerers Genusswelten (2), Brandstätter Verlag/Joerg Lehmann

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