Ein Wirtshaus wie ein Zuhause
Quelle: Land & Berge 2/2022 Autorin: Franziska Lipp
Quelle: Land & Berge 2/2022
Autorin: Franziska Lipp
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Ein Wirtshaus
wie ein Zuhause
Döllerers Genusswelten in Golling nahe Salzburg zählen zu den besten Kulinarikadressen
im Alpenraum. Uns berichtet Sternekoch Andreas Döllerer, warum sein
Herz an der traditionellen Wirtshausküche hängt, erzählt, was er sich selbst
zum Geburtstag kocht, und verrät uns Rezepte aus seinem neuen Kochbuch
Das Bluntautal in Golling ist
nicht nur ein echter Kraftort,
sondern bringt auch köstliche
Fische wie Forelle oder
Saibling hervor, die wiederum
beim Döllerer auf der
Karte stehen
Das Geheimnis köstlicher
Krautfleckerl? Die Fleckerl
werden aus Hartweizengrieß
selbst zubereitet, und
Zucker sorgt für eine feine
Karamellnote des Krauts
(Rezept Seite 61)
„Ein guter Wirt ist
nichts ohne eine gute
Wirtin“, sagt Andreas
Döllerer und meint
damit natürlich seine
Frau Christl
Fotos: Brandstätter Verlag/Joerg Lehmann (2), picture alliance/Zoonar/Patrick Daxenbichler, Döllerers Genusswelten
Andreas Döllerer gehört zu den besten Köchen
Österreichs. Trotz all der ihm verliehenen Sterne,
Hauben und Auszeichnungen ist es vor allem die
traditionelle Küche seiner Heimat, die einen besonders
großen Platz in seinem Herzen für sich behaupten darf.
Diese wurde dem 42-Jährigen von seinen Vorfahren in die
Wiege – oder besser: in den Kochtopf – gelegt. Andreas
Döllerer bringt ihr eine außergewöhnlich hohe Wertschätzung
entgegen. In seinem Heimatort Golling, rund
30 Kilometer südlich der Stadt Salzburg, verwöhnt der
Spitzenkoch in seinem Genießerrestaurant Gourmets aus
der ganzen Welt nach den Prinzipien der Alpine Cuisine
– auf Meeresfische oder exotische Früchte etwa wird dabei
konsequent verzichtet. Serviert werden ausschließlich
Gerichte, die mit heimischen Zutaten zubereitet und von
lokalen Produzenten und Bauern bezogen werden.
Auch die Gäste des Wirthauses kommen in den Genuss
von Andreas Döllerers Kochkünsten und seinen Prinzipien:
Hier nimmt Platz, wer Bodenständigkeit liebt und
Traditionen schätzt. Im Wirtshaus, so erzählt Andreas
Döllerer, gibt es viele Stammgäste. Manche kommen an
fünf Tagen in der Woche, andere reisen gar aus Wien an.
Wir haben ihn zu einem Gespräch getroffen und wollten
von ihm wissen, warum es die Wirtshausküche wert
ist, dass er ihr gleich ein ganzes Kochbuch widmet.
Den Döllerer gibt es laut Familienchronik seit 1909.
Fühlen Sie sich als Spitzenkoch oder als Wirt in vierter
Generation?
1909 kauften meine Urgroßeltern Anton und Else
Döllerer den Gasthof „Goldener Stern“ in Golling. Zum
Wirtshaus gehörten auch eine Metzgerei und eine Selcherei,
wie das damals üblich war. Das Wirtshaus ist unser
Ursprung, unsere DNA, wenn man so will. Das Spitzenrestaurant
kam erst in den 1980er-Jahren hinzu. Um die
Frage also zu beantworten: Ich bin der Wirt und gleichzeitig
der Küchenchef. In dieser Rolle fühle ich mich wohl,
wobei ein guter Wirt nichts ohne eine gute Wirtin ist.
Sie haben für Ihr Genießerrestaurant den Begriff
Alpine Cuisine geprägt. Spielt dieser Begriff auch in
Bitte umblättern
Mitten im Ortszentrum
von Golling verbergen
sich hinter geraniengeschmückten
Fassaden
Döllerers Genusswelten
mit Wirtshaus, Genießerrestaurant
und Hotel
58 | Land & Berge
Land & Berge | 59
Krautfleckerl (Foto Seite 58)
Die ältesten Teile des Hauses
stammen aus dem Jahr 1404:
Bevor dieses um 1700 ein
Wirtshaus wurde, waren
hier eine Postkutschenstation
und ein Pfleggericht
(Landgericht) untergebracht
Fleckerl sind eine österreichische Nudelspezialität, quadratisch
bis rautenförmig, die Andreas Döllerer natürlich
selbst macht. Wollte man sie fertig kaufen, kämen Farfalle
den Fleckerl wohl am nächsten. Kraut und Fleckerl werden
in etwa gleich große Stücke geschnitten.
Zutaten für 4 Personen
Für die Fleckerl:
330 g Hartweizengrieß, 10 Eigelb, Salz
Für das Kraut:
50 g Kristallzucker, 1 klein gewürfelte Zwiebel,
600 g geschnittenes Spitzkraut (ungefähr so große Stücke
wie die Fleckerl), 80 g hochwertiger Essig (Andreas Döllerer
bevorzugt Riesling-Auslese-Essig), 150 ml trockener Weißwein,
80 g Butter, 1/2 TL Kümmel, 1 Msp. gemahlener
Kümmel, 300 g Rindssuppe, Salz, 1 EL gehackte Petersilie
Zubereitung
1. Für die Fleckerl die Hälfte des Hartweizengrießes mit
den Eigelben verrühren. Wenn die Mischung ein glatter,
fester Teig geworden ist, nach und nach den restlichen
Grieß einarbeiten (am besten geht das mit einer Rührmaschine,
weil dieser Nudelteig sehr fest ist).
2. Teig etwa 2 mm dick ausrollen und mit einem Teigrad
in gleichmäßige Rauten schneiden.
3. Für das Kraut den Zucker karamellisieren, Zwiebelwürfel
und geschnittenen Spitzkohl zugeben und mit
Essig und Weißwein ablöschen. Butter und Kümmel
beigeben, mit Rindssuppe auffüllen und etwa 10 Minuten
köcheln lassen. Die Flüssigkeit sollte fast vollständig
eingekocht sein, sodass das Kraut eine sämige Konsistenz
erhält. Mit den Gewürzen abschmecken.
4. Fleckerl in gut gesalzenem Wasser bissfest kochen,
unter das Kraut mischen und nochmals abschmecken.
Am Ende die gehackte Petersilie dazugeben.
der Wirtshausküche eine Rolle?
Alpine Cuisine steht dafür, dass wir im Restaurant
ausschließlich mit heimischen Zutaten von uns
bekannten Lieferanten, Bauern und Produzenten
kochen. Für die Spitzengastronomie ist das außergewöhnlich,
für die Wirtshausküche hingegen sehe
ich es eher als Voraussetzung, denn sie muss ehrlich
und authentisch sein.
Was macht ein gutes Wirtshaus aus?
Vor allem die echte, gute Kulinarik, die – im Idealfall
– aus regionalen Zutaten besteht. Für das Wirtshaus
wird bei uns mit der gleich großen Sorgfalt und
Liebe gearbeitet wie für die Küche des Genießerrestaurants,
das versuche ich auch unseren jungen
Köchen begreiflich zu machen. Grundsätzlich denke
ich, sollte ein Wirtshaus immer mit der Zeit gehen
und sich kulinarisch zwischen Tradition und Moderne
bewegen. Aber auch die Seele eines Hauses trägt
zum Wohlfühlfaktor bei. Die Geschichte des Hauses
und der Familie prägen den Ort.
Welche Gerichte stehen auf Ihrer Wirtshausspeisekarte?
Die Metzgerei bestimmt bis heute die Küchenphilosophie:
So sind wir etwa für unsere Innereiengerichte
bekannt. Den Kalbsnierenbraten, wie wir
ihn auf der Karte haben, bekommt man so gut wie
nirgends mehr in einem Wirtshaus. Bei uns gibt es
ihn – und es gibt Gäste, die extra deswegen viele
Hundert Kilometer anreisen. Den Braten koche ich
mir im Übrigen auch selbst zum Geburtstag. Unser
Schnitzel wurde kürzlich zum besten in Salzburg
gewählt, und ein Sommer ohne Schwarzbeernocken
wäre undenkbar. Unsere Wirtshausküche setzt sich
aus klassischen Wirthausgerichten und Speisen der
traditionell bäuerlichen Küche zusammen. Was sie
verbindet, sind ihre Wurzeln im Salzburger Land.
Hinzu kommen noch Familiengerichte wie etwa die
Erdäpfelgnocchi mit Pesto aus heimischen Kräutern:
Sie zählen zu den Lieblingsgerichten unserer Gäste.
Wie hat sich die Wirtshausküche in den letzten
Jahrzehnten gewandelt?
Früher waren es vor allem teure Produkte und
Lebensmittel, die die Wirtshausküche ausmachten:
Man ging nur zu bestimmten Anlässen ins Wirtshaus
und hat sich etwas Besonderes geleistet. Heute ist es
umgekehrt: Wir können uns so gut wie alle Lebensmittel
leisten, doch was uns fehlt, ist die Zeit für die
Zubereitung aufwendiger Speisen. Und vielen fehlt
auch das Können: Die Wirtshausküche per se ist
keine einfache Küche. Die österreichischen Klassiker
wie Beuschel oder Rindsroulade sind relativ aufwendig
in der Zubereitung, erfordern Zeit und handwerkliches
Können. Damit ist die Wirtshausküche
auch heute wieder so etwas wie eine Luxusküche.
Gibt es beim Döllerer noch einen Stammtisch?
Nicht im klassischen Sinne, eher einen Familien-
tisch, zentral in der Halle. Dieser Tisch kann nicht
gebucht werden: Hier treffen sich den ganzen Vormittag
Leute auf einen Kaffee, zum Ratschen. Am
Nachmittag findet sich die Familie zum Essen ein.
Welche Rolle spielt das klassische Wirtshaus?
Das Wirtshaus ist immer ein Ort des sozialen
Treffpunkts: Die Wirtsleute übernehmen oft die
Funktion des Psychiaters. Hier wird den ganzen Tag
über alles Mögliche philosophiert und diskutiert.
Die Tür ist von frühmorgens bis spätnachts geöffnet.
Es geht los mit dem Frühschoppen über das Mittagessen
bis zum Abendessen. So ist auch das neue
Kochbuch aufgebaut.
Warum haben Sie Ihr neues Buch der Wirtshausküche
gewidmet?
Das Wirtshaus im Allgemeinen hat es in Zeiten
wie diesen nicht leicht. Allerorts werden Wirtshäuser
zugesperrt, und in den Ortschaften gehen diese
wichtigen Treffpunkte verloren: eine gefährliche
Entwicklung. Für uns als Familie ist das Wirtshaus
wichtig, weil es den Grundstein für alles Darauffolgende
bildete. Mittlerweile führen wir den Betrieb
in vierter Generation, und aktuell sind elf Familienmitglieder
hier beschäftigt. Damit ist es eigentlich
nur logisch, dem Wirtshaus ein eigenes Kochbuch
zu widmen.
Interview: Franziska Lipp
Familie, Freunde,
Stammgäste: Beim
Döllerer wird seit
über 100 Jahren gut
und gern gefeiert
Beim Döllerer gibt
es ihn noch, den
Kalbsnierenbraten im
Ganzen. Oder wie
man in der französischen
Küchensprache
sagt: das
„Grand Piece“
Fotos: Döllerers Genusswelten (2), Brandstätter Verlag/Joerg Lehmann
60 | Land & Berge Land & Berge | 61
TIPP
Genuss & Kultur im Tennengau
Essigwurst
l Jeden Sonntag gönnen sich Andreas und Christl
Döllerer mit ihren drei Söhnen eine Auszeit. Am
liebsten verbringt die Familie das Wochenende
beim Golfen oder Wandern, etwa auf den Jochalmen
in Golling. Auch der nahegelegene Trattberg
in der Osterhorngruppe ist ein sehr beliebtes
Naherholungsgebiet. www.tennengau.com
l Im Sommer finden – auch dank Familie
Döllerer – die „Kunst & Kulinarik Festspiele Burg
Golling“ statt. 2022 werden sie am 5. Juli eröffnet.
Infos unter www.festspielegolling.at
l In seinem „Atelier“ bietet Andreas Döllerer
auch Kochkurse an. Nächster Termin „Die Wirtshausküche“
am 29.4.2022. www.doellerer.at
1909 übernahmen
Anton und Else
Döllerer das Wirtshaus
in Golling,
heute führt es die
Familie in vierter
Generation
Noch mehr Rezepte, schöne
Bilder und kleine Geschichten
Schon das erste Rezept in Andreas Döllerers
neuem Kochbuch offenbart, wie im
Wirtshaus der perfekte Start in den Tag
aussieht: Ein feines Rieslingsbeuscherl aus
Kalbsinnereien wird zum Frühschoppen
serviert, darauf folgen geschmorte Lammhaxerl
zu Mittag und Essigwurst als Jause,
bevor man mit Topfenpalatschinken süß in
den Abend gleitet. Dabei legt Andreas Döllerer
immer höchsten Wert auf Qualität
und Regionalität – eine Empfehlung, die er
auch für zu Hause nahelegt. Wer die Feinheiten
der echten Salzburger Wirtshausküche
erkunden möchte, ist mit diesem
Buch bestens beraten (Brandstätter Verlag,
240 Seiten, 35 Euro). www.doellerer.at
Fotos: Brandstätter Verlag/Joerg Lehmann (4), Agrargemeinschaft Trattenberg
Der österreichische
Hesperidenessig
gibt der Essigwurst
den angemessenen
Säurekick. Die
Wurst sind beste
Speckknacker!
Zutaten für 4 Personen
Für die Marinade:
250 ml Wasser, 50 ml Hesperidenessig (in Österreich viel verwendeter
Essig aus Weinessig und Apfelsaftkonzentrat, www.mautner.at),
50 ml Weinessig, Salz, 1 TL Zucker, Pfeffer, 1 EL Dijonsenf,
60 ml Pflanzenöl
Weitere Zutaten:
6 geschälte und in 5 mm dicke Scheiben geschnittene Speckwürste
(das sind Brühwürste mit gewürfeltem Speck in der Füllung),
etwas Blattsalat, 4 frisch gekochte wachsweiche Eier (6–7 Minuten),
4 in Spalten geschnittene kleine reife Tomaten,
8 dünn geschnittene Radieschen, 1 dünn geschnittene rote Zwiebel,
Schnittlauch, 4 Handsemmerl (Brötchen)
Zubereitung
1. Für die Marinade alle Zutaten gut verrühren, aber nicht mixen.
Etwas ziehen lassen.
2. Speckwurst auf einem tiefen Teller ringförmig auflegen und pfeffern.
Mit einem Teil der Marinade übergießen.
3. Etwas Blattsalat ebenfalls leicht marinieren und in der Tellermitte
platzieren, die Eier halbieren und jeweils zwei Hälften auf der marinierten
Wurst anrichten. Mit Tomaten, Radieschen, roter Zwiebel
und Schnittlauch garnieren, mit Handsemmerln servieren.
Gerstlsuppe
Zutaten für 4 Personen
4 halbierte gesurte Schweinswangerl (gepökelte Schweinebäckchen),
1 EL Pflanzenöl, 2 klein geschnittene Knoblauchzehen,
1 klein geschnittene Zwiebel, 100 g gewürfelter Bauchspeck,
50 ml Weißwein, 100 g über Nacht in Wasser ein geweichte weiße Bohnen,
100 g über Nacht in Wasser eingeweichte Rollgerste, 1,2 l Rindssuppe,
gemahlener Kümmel, Pfeffer, 3 Lorbeerblätter, 120 g Wurzelgemüsewürfel,
Salz, eventuell etwas Maisstärke, 1 TL fein geschnittener Liebstöckel,
gehackter Schnittlauch, frisch geriebener Kren (Meerrettich)
Zubereitung
1. Schweinswangerl im Öl auf allen Seiten braten und aus dem Topf nehmen.
Knoblauch, Zwiebeln und Speck im Topf anschwitzen. Mit Weißwein ablöschen,
Bohnen und Gerstl dazugeben, mit Suppe auffüllen. Wangerl wieder in den Topf
geben, alles mit Kümmel und Pfeffer würzen und die Lorbeerblätter dazugeben.
2. Wangerl ca. 30 Minuten dünsten, dann das Wurzelgemüse beigeben und
nochmals 40 Minuten dünsten, bis die Wangerl, Bohnen und Gerste weich sind.
Zum Schluss mit Salz abschmecken. Eventuell mit Maisstärke leicht binden.
Fein geschnittenen Liebstöckel untermischen.
3. Mit Schnittlauch und frisch geriebenem Kren servieren.
Die Gerstlsuppe ist
Christl Döllerers
absolute Lieblingssuppe.
Abgeschmeckt wird sie
mit Weißwein, Kren
und Liebstöckel
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