Arbeitsstrafrecht im Umbruch - ZAAR - Zentrum für ...
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§ 4 Arbeitnehmer als Mittäter und Mitwisser <strong>im</strong> klassischen<br />
Wirtschaftsstrafrecht<br />
daß durch solche Straftaten der Betriebsfrieden gestört wird, zum Beispiel<br />
weil Mitarbeiter sich gegenseitig verdächtigen. Es ist daher verständlich,<br />
daß Unternehmen sich mit dem Einsatz von Privatdetektiven gegen solche<br />
Straftaten zur Wehr setzen. Wie der rigorose Einsatz von Privatermittlern<br />
bei Aldi und Lidl und die damit einhergehenden Verstöße gegen das Datenschutzgesetz<br />
gezeigt haben, werden dabei aber von den Unternehmen<br />
auch strafbewehrte Grenzen überschritten4 . Nach Presseberichten muß<br />
Lidl bundesweit fast 1,5 Millionen Euro Bußgelder <strong>für</strong> die Mitarbeiter-<br />
Bespitzelung bezahlen5 .<br />
Auffällig ist auch hier, daß Straftaten von Arbeitnehmern relativ selten<br />
von Unternehmen angezeigt werden. Diese Feststellung zum Anzeigenverhalten<br />
von Firmen ist durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt6 .<br />
Neben der bereits erwähnten „sozialen Rücksichtnahme“ sind zum Beispiel<br />
als Gründe anzuführen: Vermeidung von Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit<br />
und Vermeidung von Fehlzeiten durch Zeugenvernehmungen<br />
vor Gericht7 . Das vorrangige Ziel der Unternehmen liegt nicht in der<br />
Strafverfolgung, sondern in der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Mitarbeiterkr<strong>im</strong>inalität<br />
beschäftigt daher vor allem die Arbeitsgerichte, denn<br />
sie ist oft Anlaß <strong>für</strong> fristlose Kündigungen.<br />
Die Delikte der Mitarbeiterkr<strong>im</strong>inalität gehören in der Regel zum Kernstrafrecht<br />
und haben daher keinen Bezug zu den Themen des klassischen<br />
Wirtschaftsstrafrechts. Es gibt allerdings eine Einschränkung: Steuerhinterziehung<br />
und Betrug zum Nachteil von Sozialkassen kommen auch außerhalb<br />
von Wirtschaftsunternehmen vor, wenn auch vielleicht mit „kleinerer<br />
Münze“ begangen. Wenn ich gleich vom Tatort Unternehmen spreche,<br />
dann muß auch der Tatort Sozialstaat miterwähnt werden, wo die<br />
Leistungswilligen durch Schwarzarbeit ihren Unwillen zur Beitragssolidarität<br />
zeigen.<br />
3. Neben den soeben beschriebenen Bereichen gibt es <strong>im</strong> Unternehmen<br />
Straftaten, die sowohl von Arbeitgebern wie auch von Arbeitnehmern begangen<br />
werden. Das Unternehmen ist hier Tatort und es muß erst noch<br />
durch die Strafverfolgungsbehörden geklärt werden, wer an der vermuteten<br />
Straftat beteiligt war.<br />
4 Dazu Oberwetter, Arbeitnehmerrechte bei Lidl, Aldi & Co, NZA 2008, 609 ff.;<br />
allgemein zur Mitarbeiterüberwachung Dann/Gastell, Gehe<strong>im</strong>e Mitarbeiterkontrollen:<br />
Straf- und arbeitsrechtliche Risiken bei unternehmensinterner Aufklärung,<br />
NJW 2008, 2945 ff. und Freckmann/Wahl, Überwachung am Arbeitsplatz,<br />
BB 2008, 1904 ff.<br />
5 Spiegel-Online vom 11.9. 2008.<br />
6 S. Fischer, Betriebe als Opfer, 2001.<br />
7 Zu den weiteren Gründen S. Fischer (Fn. 6), S. 124 ff.