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TW57_92

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traVeLLer’s<br />

märz - Juni 2022<br />

d 8,- € / a 9,- € / i 10,- € / L 9,50 € / e 10,- € / Ch 15,50 sfr<br />

travellersworld.de<br />

Vrooom? Mmmmh!<br />

Im Oldtimer zu den<br />

Sternen der Schweiz<br />

into the Wilderness<br />

Lodges wie Logen<br />

in Botswana<br />

in Good we trust<br />

Blaue Stunden<br />

Neue Traumquartiere<br />

an der Côte d’Azur<br />

D r i e n<br />

draußen?<br />

oder<br />

Neue Insel-Paläste auf<br />

Mauritius, in Kroatien<br />

und in Venedig


Cyan Magenta Yellow Black


Cyan Magenta Yellow Black


check in<br />

Geht es Ihnen auch so? Können Sie all<br />

die schlechten Nachrichten auch nicht mehr<br />

hören? Wir erlebten kürzlich eine wunderbare<br />

Ablenkung. In Botswana, genauer den<br />

unendlichen Weiten des Okavango-Deltas,<br />

war das Einzige, das an unsere Ohren drang,<br />

Vogelgezwitscher, das Trompeten der Elefanten<br />

und des Nächtens hin und wieder Hippo-<br />

Gebrüll (ab Seite 38). Das ließ uns die „Tagesschau“ für eine Weile vergessen.<br />

Keine Once-in-a-Lifetime-Erfahrung, aber doch immer wieder ein Glücksgefühl<br />

empfinden wir an der Côte d’Azur. Sie brauchen ein Argument für die nächste Reise<br />

dorthin? Wir haben vier neue wunderbare Bleiben entdeckt, die jede für sich Grund<br />

genug wären für den nächsten Trip an die Blaue Küste (ab Seite 62). Und weil wir<br />

schon in Frankreich sind: Arles, die (Kultur)Hauptstadt der Camargue galt, trotz ihres<br />

berühmtesten Besuchers, Vincent van Gogh, bisher als Geheimtipp. Ein glitzernder<br />

Museumsturm und eine Schweizer Milliardärin sollen dies nun ändern (ab Seite 24).<br />

Apropos Kunst: Rechtzeitig zur Biennale (23. April bis 27. November) eröffnete in einem<br />

ehemaligen Kloster nur wenige Minuten von den Ausstellungen Venedigs jüngste Fünf-<br />

Sterne-Herberge (ab Seite <strong>92</strong>).<br />

Frühling ist Cabrio-Zeit. Auch wir haben unseren Oldtimer aus der Garage geholt für<br />

eine Grand Tour Deluxe zu den schönsten Landschaften und den besten Raststätten der<br />

Westschweiz (ab Seite 52). Zur Nachahmung wärmstens empfohlen!<br />

Und noch ein Hinweis auf unsere Aktivitäten in der virtuellen Welt: Während der<br />

Pandemie haben wir die Zeit gut genutzt und unsere neue Website aufpoliert: Sie geht auf<br />

travellersworld.de im April online und bietet künftig auch tagesaktuelle Nachrichten aus<br />

der Welt des Reisens. Mein Tipp: Unbedingt ansehen!<br />

Ich freue mich, wenn Sie die eine oder andere Anregung nützlich finden.<br />

Ihr<br />

Reinhard Modritz<br />

rm@travellersworld.de<br />

Ein Nachtrag: Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der legendäre Florentiner<br />

Gastronom Fabio Picchi, den wir auf Seite 102 vorstellen, im Alter von 67 verstorben. Statt<br />

eines Portraits jetzt also ein Nachruf.<br />

PS: Aktuelle News und die besten Storys aus vergangenen Ausgaben<br />

finden Sie auf unserer Website. Schauen Sie doch mal rein.<br />

Traveller‘s World<br />

13


inside<br />

shorts<br />

38 Botswana<br />

24 City-Guide<br />

Valencia, World Design<br />

Capital 2022<br />

Travel<br />

26 L’art pour arLes<br />

Eine Schweizer Milliardärin<br />

bereichert die Hauptstadt der<br />

Camargue mit Kunst und<br />

lebensfroher hospitality<br />

36 daLi, daLi<br />

Für die Tea Horse Road, den<br />

alten Handelsweg zwischen<br />

China und Tibet, sollte man sich<br />

Zeit nehmen<br />

38 miLd at heart<br />

Die Pirschfahrten im Okavango<br />

Delta und Linyanti Wildlife<br />

Reserve sind Once-in-a-lifetime-<br />

Wunder. Die Lodges aber auch<br />

52 swiss deLuxe<br />

Was ist schöner? Fahren durch<br />

herrliche Landschaften oder<br />

schnabulieren in besternten Raststätten?<br />

Unbedingt beides<br />

62 La Vie en bLeu<br />

Sie brauchen ein Argument für<br />

die nächste Reise an die Côte<br />

d’Azur? Wir haben vier<br />

Standards<br />

11 check in<br />

14 impressum<br />

122 check out<br />

Matthew Broderick und Sarah<br />

Jessica Parker in „Plaza Suite“<br />

im Netz travellersworld.de<br />

14 Traveller‘s World


52 Schweiz<br />

26 Arles<br />

stay<br />

70 C’est ChiC, boutique<br />

Im Norden von Mauritius,<br />

dort wo Strandcafés, Bars und<br />

Kunsthandwerk blühen,<br />

gibt es einen neuen Hotspot<br />

76 heimat, GefühLe<br />

Gut Steinbach in Reit im<br />

Winkl gönnt sich ein wunderbares<br />

Wellnessrefugium<br />

78 das bLaue wunder<br />

Die K.-u.-k.-Monarchie hat<br />

die Adria-Insel Lošinj einst<br />

entdeckt. Jetzt lockt sie<br />

wieder mit großer Pracht<br />

84 how suite it is<br />

Die große Isabelle Huppert<br />

bekam in Cannes ein glanzvolles<br />

Pied-à-terre eingerichtet.<br />

Gäste sind willkommen<br />

88 Cora Cora, non Labora<br />

Mitarbeiter des neuen Malediven-Resorts<br />

verstehen sich<br />

als „Freedom Fighters“. Das<br />

meinen sie wörtlich<br />

Fotos: Dana Allen/Wilderness Safaris, Stanislas Fautre/Le Figaro Magazine/laif, Michael Hannwacker, Tom Fallon/Lux Collection, Studio Ignatov<br />

112 Südtirol<br />

70 Mauritius<br />

<strong>92</strong> der KunstpaLast<br />

Rechtzeitig zur Biennale<br />

eröffnete in einem ehemaligen<br />

Kloster Venedigs jüngste<br />

Fünf-Sterne-Herberge<br />

98 renaissanCe bis ins bad<br />

Zwischen Via de’ Tornabuoni<br />

und Piazza della Repubblica<br />

erfand sich Florenz’<br />

ältestes Luxushotel neu<br />

taste<br />

102 erb-anLaGen<br />

Am Arno sind die Restaurants<br />

von Fabio Picchi eine<br />

Institution. Jetzt soll sein<br />

Sohn das Imperium sichern<br />

108 frisCh aufGezäumt<br />

Schnell hin, schnell wieder<br />

weg? Im richtigen Auto<br />

schon. Aber zwischendurch<br />

feiern Sie Ferraris Ex-Kantine<br />

112 wieder die natur<br />

In Südtirol wird gekocht,<br />

was die Berge und die Täler<br />

hergeben. Und erfreulich oft<br />

auf höchstem Niveau<br />

Traveller‘s World<br />

15


traVeLLer’s<br />

travellersworld.de<br />

Chefredakteur/<br />

Stv. Chefredakteur/<br />

Art Director/<br />

Reinhard Modritz<br />

Dr. Michael Hannwacker<br />

Willi Marcel Müller<br />

Autoren/<br />

Fotografen/<br />

Claudia Bette-Wenngatz, Patricia Bröhm, Patricia Engelhorn, Kristina Erhard, R.G. Falkner, Mathias Forster,<br />

Michael Hannwacker, Reinhard Modritz, Christine von Pahlen<br />

Dana Allen, Teagan Cunniffe, Tom Fallon, Stanislas Fautre, Michel Figuet, Mela Gruber, Michael Hannwacker,<br />

Studio Ignatov, Annie Leibovitz, Eric Martin, Franck Prignet, Danilo Scarpati, Thomas Vollaire<br />

Grafik/ Antje Bachmaier<br />

Bildredaktion/ Sirka Henning<br />

Schlussredaktion/ Achim Klede<br />

Postproduction/ Tini Van Ghemen, Lothar Hellmuth<br />

Travellersworld.de/ Reinhold Zwiebler, Kristina Erhard<br />

Bildbearbeitung und Litho/ High-End dtp-Service Hellmuth<br />

Sales und Marketing/ Insa R. Bell<br />

Verlag/ TRAVELLER’S WORLD Verlag GmbH<br />

Adelgundenstraße 21<br />

80538 München<br />

Tel. +49.89.23 68-40 50<br />

Fax +49.89.23 68-40 60<br />

info@travellersworld.de<br />

www.travellersworld.de<br />

Anzeigenleitung/ Siehe Verlag, Anzeigenpreisliste Nr. 14 vom 1. Januar 2019<br />

Anzeigen/ NIELSEN I, IIIb, IV, V, VI, VII: Anzeigenleitung Tel. 089.2368-4050 daten@travellersworld.de<br />

NIELSEN II: Medien.Service Ernst-Werner Hofmann Tel. 0211.66 20 50 hofmann_duesseldorf@t-online.de<br />

NIELSEN IIIa: Hofer Verlagsvertretungen Ingolf Hofer Tel. 069.78 70 26 79 ihofer@t-online.de<br />

Vertrieb/ IPS Pressevertrieb GmbH, Postfach 12 11, 53334 Meckenheim, ips-pressevertrieb.de<br />

Einzelpreis/ D: 8,- Euro, A: 9,- Euro, L: 9,50 Euro, I: 10,- Euro, E: 10,- Euro, CH: 15,50 SFR<br />

Abo-Bestellung beim Verlag, unter abo@travellersworld.de und www.travellersworld.de<br />

Druck/<br />

Mayr Miesbach GmbH<br />

V. i. S. d. P./ Reinhard Modritz<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Nachdruck,<br />

auch auszugsweise, bedarf der Zustimmung des Verlags.<br />

Cover: Tom Fallon/LUX Collection<br />

TRAVELLER’S WORLD<br />

finden Sie an folgenden<br />

exklusiven Plätzen:<br />

aN boRD<br />

lUFTHaNsa First & Business<br />

lUFTHaNsa Private Jet / Frankfurt<br />

Ms europa 2<br />

sWIss / Zürich<br />

TUrKIsH Business<br />

louNgES<br />

Ba / Berlin, München<br />

eMIraTes / DUS / FRA / MUC<br />

NeTJeT / MUC<br />

sWIss / Zürich<br />

vIP loUNGe / MUC / FRA / DUS<br />

SToRES - MÜNCHEN<br />

BUCHerer<br />

erMeNeGIldo ZeGNa<br />

FeINKosT KÄFer<br />

KIToN<br />

HoTElS - DEuTSCHlaND<br />

adloN KeMPINsKI, Berlin<br />

alTHoFF ColleCTIoN<br />

BaYerIsCHer HoF, München<br />

BreIdeNBaCHer, Düsseldorf<br />

BreNNers ParK-HoTel & sPa,<br />

Baden-Baden<br />

BÜloW PalaIs, Dresden<br />

HoTel de roMe, Berlin<br />

HoTel PalaCe, München<br />

KeMPINsKI aTlaNTIC, Hamburg<br />

KeMPINsKI BerCHTesGadeN<br />

KeMPINsKI TasCHeNBerG<br />

PalaIs, Dresden<br />

laNserHoF, Tegernsee<br />

MaNdarIN orIeNTal, München<br />

ParK HIlToN, München<br />

ParK-HoTel eGeNer HÖFe,<br />

Tegernsee<br />

GUT sTeINBaCH, Reit im Winkl<br />

soFITel, München<br />

THe CHarles, München<br />

vIlla KeNNedY, Frankfurt<br />

WeIsseNHaUs GraNd<br />

vIllaGe resorT & sPa, Ostsee<br />

HoTElS INTERNaTIoNal<br />

BaUr aU laC, Zürich<br />

CasTell soN ClareT, Mallorca<br />

GraNd HoTel KroNeNHoF,<br />

Pontresina<br />

FINCa CorTesIN, Marbella<br />

GraNd HoTel des BaINs<br />

KeMPINsKI, St. Moritz<br />

KaMeHa GraNd, Zürich<br />

KeMPINsKI HoTel das TIrol,<br />

Jochberg<br />

KeMPINsKI PalaIs HaNseN, Wien<br />

KUlM HoTel, St. Moritz<br />

laNserHoF, Tirol<br />

THe dolder GraNd, Zürich<br />

vIlla d’esTe, Lago di Como<br />

DIvERS<br />

rIsToraNTe Gallo Nero,<br />

Hamburg<br />

16 Traveller‘s World


shorts<br />

BOYS TOYS<br />

Von Onassis bis Jeff Bezos – Yachten, die die Grenzen<br />

von Technologie und Dekadenz sprengen, sind die Spielzeuge<br />

der oberen null Komma eins Prozent. Sie gehören<br />

nicht dazu? Dann lässt Sie YACHTS: THE IMPOSSIBLE<br />

COLLEC TION wenigstens träumen. Achtung, wiegt 9,3<br />

Kilo; Preis pro Kilo: 88,13 Euro. assouline.com<br />

Abheben und abtauchen<br />

Adlerjäger in der Mongolei, Wüstenelefanten in Namibia oder mit der Expeditionsyacht<br />

zu den Inuit Grönlands – Mitglieder von VIstAJEt, dem führenden Anbieter von Reisen<br />

im Privatflugzeug, können dank der Partnerschaft mit weltweit führenden Reiseexperten<br />

exklusive Abenteuer erleben. Jüngster Coup: ein U-Boot-tauchgang in der Karibik, in die<br />

tiefen der Great Bahama Bank. Any passengers? vistajet.com, pelorusx.com<br />

Hoch-Zeit in New York<br />

Simon George of Cornwall, auf Brautwerbung befindlicher<br />

englischer Landadeliger, ist nur einer der Stars der Blockbuster-Ausstellung<br />

hoLBein: CApturinG ChArACter<br />

in der Morgan Library. Bis 15. Mai, themorgan.org<br />

Analog digital<br />

Das ist eine Ansage. Eine Automatikuhr,<br />

die die Zeit digital anzeigt.<br />

Die in eine firmeneigene<br />

Goldlegierung gefasste Zeitwerk<br />

Honeygold Lumen von<br />

A. Lange & Söhne lässt durch<br />

das Zifferblatt aus getöntem<br />

Saphirglas ausreichend Licht auf<br />

die auf drei Scheiben laufenden<br />

Zahlen fallen, dass diese beim<br />

Erscheinen in den Sichtfenstern<br />

gut sichtbar leuchten. Limitiert<br />

auf 200 Stück, 114 000 Euro,<br />

alange-soehne.com<br />

Fotos: U-Boat Worx, ASSOULINE Ultimate Collection, Städel Museum, Lange Uhren GmbH<br />

18 Traveller‘s World


shorts<br />

Messers<br />

Spitze<br />

Ein Präzisionsinstrument aus der<br />

Uhrenstadt Biel gibt sich zeitlos<br />

im Schweizer Städtchen Biel verstehen sie sich auf Genauigkeit.<br />

Rolex unterhält hier einen Produktionsbetrieb, Omega-Uhren<br />

entstehen in der zehntgrößten Schweizer Gemeinde, Swatch hat hier<br />

seinen Sitz. Aber es geht längst nicht nur ums Zeitmessen in Biel; ein<br />

kleines hier ansässiges Unternehmen steht auf des Messers Schneide. Snife<br />

heißt es, kurz für Swiss Knife, Schweizer Messer, eine Ware, die alle Welt eigentlich<br />

mit einem rot gewandeten Alltagsgegenstand identifiziert. Snife jedoch<br />

schmiedet ausschließlich High-End-Ware, die insbesondere Spitzengastronomen<br />

begeistert. Jüngstes Werk ist ein nur zehn Zentimeter großes Sammlerstück, ein<br />

Taschenmesser aus 1600 Lagen Damaszenerstahl. Hält ewig. Um 1999 Euro, sknife.com<br />

SCHNEIDEN FÜR STERNE<br />

die weltbesten Köche stehen auf<br />

die Messer von snife; diese hier<br />

decken (von oben nach unten)<br />

Mauro Colagreco, Franck Giovannini,<br />

Joan und Jordi roca sowie<br />

Grant achatz ein<br />

Fotos: Motorworld Group, Amy Gwatkin/Victoria and Albert Museum/London, Fashioning Masculinities in partnership with Gucci, Trevor Cole/Travel Photographer of the Year<br />

20 Traveller‘s World


Parkplatz<br />

Als Ruheort in einem mobilen Lebensraum hat sich das AMERON<br />

MÜNCHEN MOTORWORLD bereits etabliert. Jüngste Attraktion ist<br />

das Ameron Carthago Studio, ein Premium-Wohnmobil mit fast 20<br />

qm inklusive Dusche. ameroncollection.com/de/muenchen-motorworld<br />

Blickfang<br />

Jetzt, wo wir allmählich wieder Nahziele mit dem Cabrio ansteuern<br />

möchten, haben wir Augen für den RED CB DRIVING GoGGLE<br />

eines britischen traditionsherstellers. connollyengland.com<br />

Männer und Mode<br />

Tragbar? Eher nicht.<br />

Craig Greens Entwurf<br />

für die Sommerkollektion<br />

’21 war wohl auch<br />

nur ein Gedankenspiel.<br />

Und ist als solches<br />

eines von rund 100<br />

Statements dazu, was<br />

Männer tragen oder<br />

tragen könnten, in einer<br />

aufregenden Ausstellung<br />

des Victoria<br />

and Albert Museum<br />

in London. Warnung:<br />

„Fashioning Masculinities:<br />

The Art of<br />

Menswear“ weist über<br />

Loafers und Tweed<br />

Jackets weit hinaus. Bis<br />

6. November,<br />

vam.ac.uk<br />

Black and right<br />

Mit dem portrait eines hirten im Sudan, der<br />

sich die haare mit Büffelurin färbt, gewann<br />

der ire trevor Cole gerade den Best Single<br />

image Award beim Wettbewerb travel photographer<br />

of the Year. tpoty.com<br />

Traveller‘s World<br />

21


shorts<br />

Play Leichtes and FlySpiel<br />

Olorestrum sectur, etur, eventiis nos<br />

eostiis eum veliquid quam eicabores<br />

et quassin totatur, qui tem duciae poreproreris<br />

Sie eum kennen quae poresequo den New tenda York<br />

eiciis ut Stewart essi to della International sa consequunto Airport<br />

ommolores noch doluptur? nicht? Wird Et elliquos aber Zeit. maximus<br />

ciligen Denn tionsendi ab Juni fliegt dis qui die omni- isländische<br />

Budget-Linie PLAY<br />

über Reykjavík die Landebahn<br />

im Hudson Valley an.<br />

Kenner bleiben gleich dort,<br />

andere nehmen den Zug zum<br />

Grand Central. flyplay.com<br />

Das ist die Zukunft<br />

Die Expo 2020 ist (fast) vorbei, da eröffnet im Financial District von<br />

Dubai der nächste Eyecatcher: das MUsEUM oF thE FUtURE<br />

des einheimischen Büros Killa Design. museumofthefuture.ae/en<br />

Auf den Spuren<br />

der Bounty<br />

Um die Schönheiten unseres<br />

Planeten zu entdecken,<br />

braucht es nicht zwingend die<br />

Panorama-Suite auf einem<br />

Luxusliner. Reizvoll wäre<br />

auch eine Cruise von Tahiti<br />

aus zwischen den Gesellschaftsinseln<br />

(Bora<br />

Bora, Moorea) und dem<br />

entlegenen Tuamoto-<br />

Archipel mit maximal<br />

48 Gleichgesinnten<br />

auf dem Motorsegler<br />

MS Panorama II.<br />

Das Angebot von<br />

Variety Cruises<br />

(ab 2180 Euro p. P.<br />

für eine siebentägige Kreuzfahrt)<br />

toppt der Herrschinger Tour<br />

Operator Trauminsel Reisen auf Wunsch mit<br />

The Brando, dem exklusivsten Resort Französisch-<br />

Polynesiens. Preise auf Anfrage. trauminselreisen.de<br />

Fotos:<br />

Fotos: picture alliance/REUTERS, Joshua Howey/Unsplash, Tim McKenna/The Brando, Variety Cruises<br />

22 Traveller‘s World


weekend<br />

Valencia Spaniens Stadt der Künste trumpft als Weltdesign-Kapitale auf<br />

Sleep<br />

Caro Hotel In einem ruhigen Teil der<br />

Altstadt überrascht der gotische Adelspalast<br />

mit 26 hypermodern eingerichteten Zimmern<br />

und Suiten in Braun- und Beigetönen. Das<br />

minimalistische Fine-Dining-Restaurant „Alma<br />

del Temple” serviert ambitionierte Mittelmeerküche,<br />

die „Meta Bar” kreative Cocktails.<br />

Ab 185 Euro, Calle del Almirante, 14,<br />

carohotel.com<br />

Shop eat Watch eat Drink<br />

Studio Vintage Vicente<br />

Serrano trägt Designschätze<br />

aus ganz Spanien zusammen,<br />

mit Fokus auf die<br />

1930er- bis 1970er-Jahre.<br />

Von Murano-Vasen bis zu<br />

Ball Chairs von Eero Aarnio.<br />

Purisima, 8,<br />

studiovintage.es<br />

la Pepica Das beliebte<br />

Fischlokal an der Uferpromenade<br />

von Malvarrosa<br />

ist seit über 100 Jahren im<br />

Besitz der gleichen Familie.<br />

Hemingway liebte die Paella<br />

mit Meeresfrüchten.<br />

Avenida Neptuno, 6,<br />

T. +34.963.71 03 66<br />

Veles e Vents David<br />

Chipperfield hat das futuristische<br />

Gebäude im Yachthafen<br />

2007 zum America’s<br />

Cup entworfen. Zwei<br />

Restaurants ergänzen den<br />

Varadero-Club mit Terrasse<br />

und Konzert-Location.<br />

veleseventsvalencia.es<br />

World Design Capital 2022 Verkündet in der<br />

Ciutat de les Arts i les Ciències, dem einzigartigen<br />

Kulturkomplex des spanischen Stararchitekten<br />

Santiago Calatrava, feiert Valencia in diesem<br />

Jahr seine Rolle als Welthauptstadt des Designs.<br />

Zur „World Design Experience“ treffen sich<br />

Top-Gestalter im Juni zu Workshops, für „The<br />

World Design Street Festival“ im September<br />

sind kulinarische Hotspots, Design-Routen,<br />

Ausstellungen und Open-Air-Partys geplant,<br />

und beim „World Design Cities Meeting“ am 4.<br />

November soll das Bild einer Stadt der Zukunft<br />

entworfen werden. wdcvalencia2022.com<br />

la Salita Küchenchefin<br />

Begona Rodrigo hat sich<br />

mit ihrer meeresorientierten<br />

Küche einen Stern erkocht.<br />

Auch ihr vegetarisches<br />

Menü ist glänzend. Wie ein<br />

Vier-Gang-Menü für Kinder.<br />

Carrer de Pere III el Gran, 11,<br />

anarkiagroup.com<br />

Café Madrid Die Bar im<br />

ersten Stock des Boutique-<br />

Hotels Marqués House gilt<br />

als bester Ort für kreative<br />

Cocktails & Tapas – von<br />

klassischen Kroketten bis<br />

zu Austern.<br />

Carrer de l’Abadia de Sant<br />

Martí 10, myrhotels.com<br />

Fotos: Jurre Houtkamp/Unsplash, Fernando Alda, mauritius images, Daniel Duart, Arnakiagroup<br />

24 Traveller‘s World


travel<br />

mild at heart<br />

Drei neue Lodges<br />

vereinen Wildlife und<br />

Lifestyle in Botswana<br />

hast und rast<br />

Mit dem Oldtimer von<br />

Tisch zu Tisch – quer<br />

durch die Schweiz<br />

Foto: Franck Prignet/Le Figaro Magazine/laif<br />

THE bEauTy & THE bEaCH<br />

alles wie immer an der Côte d’azur?<br />

Mitnichten. es gibt vier sehr aufregende<br />

neue Hotels. ab Seite 62<br />

Traveller‘s World<br />

25


arles<br />

L’art<br />

pour<br />

Arles<br />

26 Traveller‘s World<br />

ZwISCHEN 1. uND 21. JaHRHuNDERT<br />

das römische amphitheater im Zentrum von arles wird heute<br />

für die Course Camarguaise, den südfranzösischen, unblutigen<br />

stierkampf, aber auch für Theater- und musikalische aufführungen<br />

genutzt. der glitzernde Museumsturm von stararchitekt Frank<br />

Gehry ist dagegen brandneu


Die Eröffnung eines spektakulären<br />

Kulturkomplexes<br />

verbindet das romantische<br />

Arles mit der Avantgarde.<br />

Gerechnet wird mit einem<br />

Bilbao-Effekt unter südfranzösischer<br />

Sonne<br />

Text PaTricia EngElhorn<br />

Traveller‘s World<br />

27


arles<br />

Dass sich Arles<br />

gerade ändert,<br />

ist vor allem ihr<br />

zu verdanken<br />

DIE MäZENIN<br />

Maja Hoffmann stellt im luma arbeiten von<br />

Künstlern wie Franz West (sofa), arthur Jafa<br />

(skulptur) oder rirkrit Tiravanija (Collage) aus.<br />

die Wendeltreppe „Take Your Time” ist eine<br />

Installation von Ólafur elíasson. das große<br />

Treppenhaus im jüngst eröffneten Museon<br />

arlaten ziert ein mehrere etagen hohes Fresko<br />

nach einem entwurf von Christian lacroix<br />

28<br />

Traveller‘s World


Traveller‘s World<br />

29


arles<br />

30 Traveller‘s World<br />

EN FaMIllE<br />

die Fondation van Gogh wurde von lukas<br />

Hoffmann finanziert, seine Tochter Maja<br />

beauftragte den kubanischen Künstler<br />

Jorge Pardo mit der Gestaltung des neuen<br />

luxushotels l’arlatan. das Hotel le Clôitre<br />

mit dem netten Terrassenrestaurant gehört<br />

ebenfalls zu ihrem Imperium


Nur einheimische und sehr mutige<br />

Autofahrer trauen sich die schmale<br />

Rue du Cloître hinauf, etwa um<br />

jemanden aus dem Hotel Le Cloître<br />

abzuholen oder um die eigenen<br />

Koffer dort abzustellen. Die Gasse<br />

ist eng, verwinkelt, uneben und<br />

unübersichtlich, sie führt an<br />

verwahrlosten Stadtpalästen mit zerbrochenen Fensterscheiben<br />

und bröckelnden Fassaden vorbei. Allerdings<br />

auch an der Kathedrale Saint-Trophime mit ihrem<br />

großartigen romanischen Kreuzgang, an den Überresten<br />

des Amphitheaters, das Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr.<br />

errichtet wurde, und an der malerischen „Épicerie du<br />

Cloître“, deren wenige Tische auf der leicht abfallenden<br />

Terrasse gerade mal so Halt finden.<br />

Die Gäste sitzen bei Gazpacho, Artischocken-Bruschetta<br />

und eisgekühltem Rosé auf bunt geflochtenen<br />

Stühlen von India Mahdavi unter einer gigantischen<br />

Paulownia, die sich jedes Frühjahr in ein blauviolettes<br />

Blütendach verwandelt. Egal, zu welcher Tageszeit man<br />

hier vorbeikommt – es ist still, friedlich, dörflich und<br />

unglaublich schick.<br />

Das Szenario überrascht, denn Arles zählte nie zu den<br />

mondänen Hotspots der Provence. Während Saint-Rémy,<br />

Aix oder der Luberon vom späten Frühjahr bis tief in den<br />

Herbst hinein von Touristen überrannt werden, bleiben<br />

die Arlésiens weitestgehend unter sich – nur im Hochsommer<br />

machen ihnen die über 100000 Besucher des renommierten<br />

Fotofestivals Les Rencontres d’Arles Parkplätze,<br />

Arena-Konzertkarten und die Tische vor der Torero-Bar<br />

„Le Tambourin“ an der Place du Forum streitig. Doch peu<br />

à peu zieht es inzwischen auch kreative Pariser in das<br />

55000-Einwohner-Städtchen – angelockt von der Nähe<br />

zum Meer, dem südländischen Lebensstil, der Kultur und<br />

der morbiden Schönheit einer noch nicht übermäßig renovierten<br />

Altstadt mit kleinen Läden, netten Cafés und<br />

einem grandiosen Samstagmorgen-Markt.<br />

Trotzdem: „Arles ist mehr oder weniger gleich<br />

geblieben – im Sommer offen und lebhaft, im Winter eher<br />

verschlafen“, sagt die in der Camargue aufgewachsene<br />

Hoffmann-La-Roche-Erbin Maja Hoffmann. Dass sich das<br />

gerade ändert, ist vor allem der Schweizer Kunstsammlerin<br />

zu verdanken. 2013 gründete sie Luma Arles, ein<br />

Zentrum für Kunstausstellungen, Forschung, Bildung<br />

und Freizeit. Es bespielt das Gelände eines ehemaligen<br />

Reparaturwerks der französischen Eisenbahn direkt<br />

neben den Gleisen der Bahnstrecke Paris–Marseille<br />

inklusive mehrerer imposanter, von der deutschen<br />

Architektin Annabelle Selldorf umgebauter Industriehallen<br />

aus dem 19. Jahrhundert. Bereits vor Fertigstellung des<br />

Gesamtprojekts wurden sie für große Ausstellungen etwa<br />

von Annie Leibovitz oder Gilbert & George genutzt.<br />

Das gesamte Areal eröffnete im vergangenen Juni mit<br />

dem spektakulären, 56 Meter hohen und mit über 11 000<br />

glitzernden Edelstahl-Paneelen verkleideten Turm, den<br />

der <strong>92</strong>-jährige amerikanische Stararchitekt Frank Gehry<br />

entworfen hat und dessen kristalliner Look in scharfem<br />

Kontrast zu den mittelalterlichen Kirchtürmen der<br />

historischen Römerstadt steht. Luma Arles gilt als eines<br />

der größten privaten Kunstprojekte Europas und soll auch<br />

Menschen anziehen, die selten oder nie ein Museum<br />

betreten – etwa durch kostenlos zugängliche Spaß-Kunstwerke<br />

wie die phosphoreszierende Skatebahn der<br />

koreanischen Künstlerin Koo Jeong A, die doppelte<br />

Rohrrutsche von Carsten Höller, den Drehspiegel von<br />

Ólafur Elíasson oder die weitläufige Gartenanlage des<br />

belgischen Landschaftsarchitekten Bas Smets.<br />

Damit nicht genug: Maja Hoffmann steht auch hinter<br />

dem neuen Luxushotel L’Arlatan in Arles’ historischem<br />

Stadtkern, für dessen Gestaltung sie den aus Havanna<br />

stammenden Künstler Jorge Pardo gewann und das<br />

entsprechend extravagant, exotisch und kaleidoskopischbunt<br />

geworden ist. Und sie ist Präsidentin der Fondation<br />

van Gogh, in deren 2014 eröffnetes, lichtdurchflutetes<br />

Museum ihr Vater Lukas Hoffman rund elf Millionen Euro<br />

investierte.<br />

Kurioserweise besitzt die Stadt kein einziges Van-<br />

Gogh-Gemälde, obwohl der Künstler fast 15 Monate lang<br />

dort gelebt hat und dort rund 300 Werke produzierte.<br />

Dank des Museums wird dieser Missstand wenigstens<br />

teilweise behoben: Jedes Jahr kehren einige Bilder des<br />

Niederländers als Leihgaben nach Arles zurück und<br />

werden neben Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern<br />

ausgestellt. Noch bis Anfang Mai ist eine Sammelausstellung<br />

mit Werken von rund 20 Künstlern unter dem an<br />

einen Van-Gogh-Spruch angelehnten Titel „Souffler de<br />

son souffle“ zu sehen.<br />

Für Van-Gogh-Liebhaber ist ein Besuch in Arles<br />

ohnehin ein Genuss. Es gibt einen locker gestalteten<br />

Parcours, der kreuz und quer durch die verkehrsberuhigte<br />

Altstadt zu den Orten führt, an denen der Künstler das<br />

Licht und den Sternenhimmel des Südens gemalt hat –<br />

unter anderem sein Lieblingscafé an der Place du Forum,<br />

den Rhône-Quai bei Nacht, das gelbe Haus, in dem er<br />

wohnte und sein linkes Ohr verlor, sowie natürlich auch<br />

das Oval des berühmten antiken Amphitheaters, in der<br />

früher Gladiatoren vor bis zu 21 000 Zuschauern auftraten<br />

und bis heute Stiere um ihr Leben kämpfen.<br />

Unweit des Amphitheaters befindet sich die<br />

unscheinbare Rue Lucien Clergue, benannt nach dem<br />

Gründer des 1970 gestarteten Fotofestivals, der hier mit<br />

seiner Familie wohnte und arbeitete. Lucien Clergue war<br />

selber Fotograf, seine ikonischen Schwarz-Weiß-Akte sind<br />

nach wie vor begehrt. Seine Tochter Anne Clergue hat<br />

mehrere große internationale Ausstellungen über ihren<br />

Traveller‘s World<br />

31


arles<br />

lE SHoppINg<br />

Im Concept store Moustique gibt es Geschirr<br />

mit Mücken-Motiv, in der librairie du<br />

Palais Bücher und Fotografien, in der Christian-lacroix-Boutique<br />

seltene vintage-objekte<br />

des designers und in der Parfumerie<br />

arlésienne einzigartige duftkreationen<br />

Traveller‘s World


Vater kuratiert und betreibt gleich hinter dem prächtigen<br />

Rathaus eine Galerie, in der sie die Arbeiten junger<br />

Fotografen zeigt. „Arles hat eine großartige künstlerische<br />

Vergangenheit“, erklärt sie, „das erklärt wohl auch den<br />

Sog, den die Stadt auf Kreative jeder Art ausübt.“ Tatsächlich<br />

zeigte Gucci vor ein paar Jahren seine Cruise Collection<br />

in Arles’ römischer Nekropole Alyscamps, der<br />

japanische Architekt Tadao Ando baut gerade ein denkmalgeschütztes<br />

500-jähriges Patrizierhaus für die<br />

Kunststiftung des Koreaners Lee Ufan um, und die<br />

Galerien-Dichte in Arles ist ebenso hoch wie die Anzahl<br />

von Designer-, Keramik- und Schmuck-Ateliers.<br />

Es lohnt sich, die idyllischen Straßen<br />

und die hübschen Läden zu erkunden.<br />

In der Parfumerie Arlésienne verkauft<br />

Fabienne Brando ihre eleganten,<br />

einzigartigen Parfums, Duftkerzen<br />

und Raumstäbchen, die es nur hier gibt<br />

und ein wunderbares olfaktorisches<br />

Andenken an Arles, die Provence und<br />

die Camargue sind. Im kleinen Atelier Sophie Lassagne<br />

stehen zauberhafte, vor Ort produzierte Keramikschalen,<br />

Platten und Vasen in den Regalen, und im Concept Store<br />

Moustique gibt es bunte Bast-Schläppchen, schöne<br />

Strandtaschen, ausgefallenen Schmuck, Hausaccessoires<br />

und teilweise eigens für den Laden hergestelltes Tischporzellan<br />

mit Mücken-Motiv.<br />

Was dagegen fehlt, sind die großen globalen Luxus-<br />

Brands. Einzig der Couturier Christian Lacroix ist mit<br />

einer Boutique präsent – er stammt aus Arles und darf das.<br />

Der kleine Laden an der Rue de la République entpuppt<br />

sich als Fundgrube für Liebhaber von Lacroix’ extravagantem<br />

Modeschmuck, seltenen Vintage-Modellen sowie<br />

Taschen, Sonnenbrillen und Seidentüchern aus den<br />

neuesten Kollektionen. Ladeninhaberin Michèle Audema<br />

kennt jedes Stück und die Geschichte dazu sowie natürlich<br />

auch den Modedesigner selbst, der zwar in Paris lebt,<br />

aber keine Gelegenheit auslässt, seine Geburtsstadt zu<br />

besuchen: „Arles inspiriert mich. Die Farben, die Traditionen,<br />

der Stil.“<br />

Nicht nur ihn. Modedesigner Eric Bergère, der für<br />

Lanvin, Inès de la Fressange und Tod’s gearbeitet hat,<br />

kreiert jetzt in Arles seine eigene Kaftan-Kollektion, die<br />

sich perfekt für den südfranzösischen Sommer eignet und<br />

in der kleinen Boutique Dou Bochi verkauft wird. Sattler<br />

Christophe Berti hat bei Hermès gelernt und produziert in<br />

seinem Atelier am Stadtrand die komplizierten, aus vielen<br />

Einzelteilen bestehenden Sättel für die berittenen Stierhüter<br />

und Rinderhirten der Camargue sowie wunderschöne<br />

Taschen, Gürtel und Hundehalsbänder.<br />

Zum Aperitif nach dem Shopping bietet sich der<br />

lebhafte Place du Forum an. Wer keinen Tisch in der<br />

Schon van Gogh wollte in<br />

Arles eine Künstlerkolonie<br />

gründen, und genau das<br />

geschieht jetzt<br />

angesagten, von einem ehemaligen Stierkämpfer<br />

geführ ten Bar „Le Tambourin“ findet, setzt sich auf die<br />

Terrasse des traditionsreichen Hotels Nord-Pinus oder<br />

vor die Tür der lässigen „Mon Bar“. Gleich um die Ecke<br />

eröffneten Quentin und Océana Lepillet im vergangenen<br />

Frühsommer das hübsche Restaurant „L’Oriel“, auf dessen<br />

weiß gedeckten Pergola-Tischen kreative französische<br />

Gerichte wie gebratener Lauch mit Granatapfelkernen<br />

und knusprigem Speck, zartes Steinbuttfilet und Kartoffeln<br />

an einem Muschel-Miso-Sud und köstliche frische<br />

Feigen auf einer Honig-Mandel-Creme serviert werden.<br />

Beschaulicher und deutlich schlichter geht es im<br />

hippen Stadtteil La Roquette zwischen Zentrum und<br />

Rhône zu. Anwohner sitzen schon morgens beim ersten<br />

„petit crème“ mit Croissant auf den sonnenblumengelben<br />

Stühlen des „Café de la Roquette“ an der idyllischen Place<br />

Paul Doumer, mittags trifft man sich schräg gegenüber im<br />

„L’Épicier Moderne“ oder geht zu Brigitte Cazalas ins „Le<br />

Gibolin“ und bestellt provenzalische Artischocken „à la<br />

barigoule“, geschmorte Lammkutteln „à la marseillaise“<br />

oder Kalbsleber mit „persillade“. Bevor sie das betont<br />

schmucklose „Gibolin“ eröffnete, war Brigitte Cazalas 30<br />

Jahre lang Sommelière in Paris – was sowohl die exzellente<br />

Weinauswahl als auch den manchmal leicht rüden<br />

Ton erklärt.<br />

Ebenfalls aus Paris ins La-Roquette-Viertel kamen der<br />

Pariser Kurator, Architekt und Visionär Philippe Schiepan<br />

und seine Frau Anne-Laurence. 2012 kauften sie eine<br />

ehemalige Kirche aus dem 18. Jahrhundert und verwandelten<br />

sie in ein durchgestyltes Chambre d’Hôte: Le<br />

Collatéral verfügt über vier großzügige Zimmer, eine<br />

Dachterrasse mit Aussicht und unendlich viel Platz für<br />

Kunst und Begegnungen. Neben der Beherbergung von<br />

Gästen finden hier Ausstellungen, Workshops und<br />

Artist-in-Residence-Programme statt. „Schon van Gogh<br />

wollte in Arles eine Künstlerkolonie gründen, und genau<br />

das geschieht hier jetzt“, sagt der Hausherr.<br />

Allerdings hat das, was in Arles gerade entsteht, eine<br />

sehr viel größere Dimension, als van Gogh es sich je hätte<br />

ausmalen können. Gut möglich also, dass die stillen Tage<br />

in der Rue du Cloître und anderswo bald Vergangenheit<br />

sind. Und dass sich die Arlésiens daran gewöhnen<br />

müssen, ihr Städtchen rund ums Jahr mit Kunstfreunden<br />

und Genießern aus aller Welt zu teilen.<br />

TW<br />

Traveller‘s World 33


arles<br />

34 Traveller‘s World<br />

GRAND HôTEL NORD-PINUS


Annäherung an Arles<br />

WoHNEN<br />

LE CLOîTRE Charmantes 19-Zimmer-Hotel in einem historischen Stadthaus, das die Pariser Designerin<br />

India Mahdavi in ihrer unverwechselbaren Handschrift einrichtete. Kühne Farbkombinationen, ein verspieltes<br />

Nebeneinander von maßgefertigten Möbeln und schönen Vintage-Stücken, sehr nettes Personal und<br />

die entzückende Terrasse vor der Tür machen es zu einer Lieblingsadresse.<br />

DZ ab 99 Euro, lecloitre.com<br />

L’HôTEL PARTICULIER Ein aristokratisches Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert wurde in ein unaufgeregt-elegantes<br />

Luxushotel mit 13 weiß getünchten Zimmern, Spa, Pool und einem von Platanen<br />

beschatteten Innenhof verwandelt. Das Frühstück im Garten ist ein Hochgenuss!<br />

DZ ab 370 Euro, hotel-particulier.com<br />

L’ARLATAN Das neue 35-Zimmer-und-Suiten-Hotel im Stadtzentrum ist ein Muss für Designliebhaber!<br />

Es entstand in einem historischen Stadtpalast und wurde vom Künstler Jorge Pardo in ein kühnes,<br />

farbenprächtiges Gesamtkunstwerk verwandelt. Der kleine Garten mit Pool ist den Gästen vorbehalten,<br />

Innenhof-Bar und Gourmet-Restaurant sind für alle zugänglich.<br />

DZ ab 150 Euro, arlatan.com<br />

MAISON FRAGONARD Direkt über der Boutique des berühmten Duft-Herstellers hat das Unternehmen<br />

ein Chambre d’Hôte mit sechs in schönem Vintage-Stil gestalteten Zimmern und Suiten eingerichtet. Die<br />

drei Zimmer sind klein (aber günstig), während die Suiten mit großen Bädern, ländlichen Küchen und in<br />

einem Fall sogar mit einer Dachterrasse ausgestattet sind.<br />

DZ ab 80 Euro, fragonard.com/fr-int/maison-fragonard-arles<br />

GRAND HôTEL NORD-PINUS In diesem legendären Hotel schliefen schon Picasso, Hemingway, Churchill<br />

und viele berühmte Stierkämpfer. Der alte Glamour ist noch zu spüren, obwohl das Haus neu gestaltet<br />

wurde – in den 26 Zimmern und Suiten wechseln sich modernes Design mit geschichtsträchtigen Details<br />

ab. Nach wie vor beliebt: die Bar in schönstem Retro-Look.<br />

DZ ab 180 Euro, nord-pinus.com<br />

HôTEL JULES CÉSAR Couturier Christian Lacroix gestaltete das Interieur eines ehemaligen Karmeliterklosters<br />

aus dem 17. Jahrhundert mit gewohnter Farbenpracht, falschen römischen Säulen und<br />

Stierkampfmotiven. Dazu: 52 unterschiedliche Zimmer und Suiten, Spa und idyllischer Garten mit Pool.<br />

DZ ab 130 Euro, hotel-julescesar.fr<br />

LE COLLATÉRAL Eine ehemalige Kirche, deren Fundamente aus dem 6. Jahrhundert stammen, beherbergt<br />

ein höchst unkonventionelles Bed & Breakfast. Auf 600 Quadratmetern gibt es vier Gästezimmer<br />

sowie viel Platz für Kunst, stille Mußestunden und gesellige Begegnungen. Im Loft unter dem Dach<br />

wohnen die Besitzer selbst, zum Apéro trifft man sich auf der Dachterrasse.<br />

DZ ab 210 Euro, lecollateral.com<br />

ESSEN<br />

RESTAURANT CHARDON Hippes Lokal mit Pop-up-Konzept, eröffnet von einem jungen Trio aus Paris.<br />

Am Herd stehen regelmäßig wechselnde Küchenchefs aus aller Welt, das Dekor ist betont schlicht, die<br />

Gerichte ambitioniert und innovativ, aber auch regional und nachhaltig.<br />

Menü ab 39 Euro, T. +33.9.72 86 72 04, hellochardon.com<br />

LE GALOUBET Vintage-Dekor, gute Musik und eine verdammt leckere Mittelmeerküche haben Franck<br />

Arribarts freundliches Altstadtlokal zur Lieblingsadresse von Arlésiens und Besuchern gemacht. Bei<br />

schönem Wetter sitzt man auf der romantischen, weingedeckten Terrasse vor der Tür.<br />

Menü ab 30 Euro, 18 Rue du Docteur Fanton, T. +33.4.90 93 18 11<br />

LE GIBOLIN Papiertischdecken und einfaches Bistro-Mobiliar – Brigitte Cazalas und ihr Partner Luc Desrousseaux<br />

sind Meister der Untertreibung. Denn obwohl die Gerichte ihrer Speisekarte schlicht klingen,<br />

sind sie perfekt zubereitet, lokaltypisch und köstlich. Dazu gibt es sensationell gute Weine.<br />

Menü ab 35 Euro, 13 Rue des Porcelets, T. +33.4.88 65 43 14<br />

CUISINE DE COMPTOIR Das hübsche Lokal mit ein paar Tischen vor der Tür ist immer gut besucht. Kein<br />

Wunder: Jeden Tag wird eine Auswahl an Tartines auf geröstetem Poîlane-Brot frisch zubereitet – die mit<br />

feinstem Roastbeef und hausgemachter Mayo bestellen die Stammgäste im Voraus.<br />

Gerichte ab 10 Euro, T. +33.4.90 96 86 28, cuisinedecomptoir.com<br />

L’ORIEL Der Erfolg des neu eröffneten Gourmetrestaurants lässt sich leicht mit der kreativen Küche<br />

von Quentin Lepillet erklären, der wenige Produkte so kühn wie geschmackssicher kombiniert und<br />

ansprechend präsentiert. Seine Frau Océana kann jedes Gericht erklären und den passenden Wein dazu<br />

empfehlen.<br />

Menü ab 68 Euro, T. +33.4.90 49 49 21, restaurantoriel.com<br />

ÉPICERIE DU CLOîTRE Wer kein großes Menü, sondern nur ein paar leckere Kleinigkeiten essen möchte,<br />

ist in diesem idyllischen Lokal richtig. Man sitzt unter einer ausladenden Paulownia und kann zwischen in<br />

Öl eingelegten Sardinen, lecker belegten Bruschette, Käseplatten und dem einen oder anderen warmen<br />

Gericht wählen.<br />

T. +33.4.65 88 33 10, lecloitre.com<br />

LA CHASSAGNETTE 20 Autominuten außerhalb von Arles steht ein ehemaliges Jagdhaus mit großem<br />

Gemüsegarten. Es ist das Reich von Amand Arnal, der sich mit seiner Farm-to-Table-Küche einen<br />

Michelin-Stern erkocht hat. Man sitzt zwischen Olivenhainen unter einer wunderbar begrünten Pergola<br />

mit Blick auf den Sonnenuntergang.<br />

Menü ab 85 Euro, T. +33.4.90 97 26 96, chassagnette.fr<br />

ANSCHAUEN<br />

RUINEN Die römische Geschichte von Arles reicht bis ins Jahr 46 v. Chr. zurück, als Julius Cäsar hier<br />

eine Kolonie gründete. Zu den zahlreichen antiken Ruinen zählen ein römisches Theater, die Konstantinsthermen<br />

und eine unterirdische Gewölbegalerie. Das bekannteste Beispiel römischer Architektur ist<br />

das beeindruckende Amphitheater, das seit dem 19. Jahrhundert für die Feria d’Arles (Stierkämpfe nach<br />

provenzalischer Art), Theatervorstellungen und Pop-Konzerte genutzt wird.<br />

LES RENCONTRES D’ARLES Das 1969 von Fotografen und Fotobegeisterten wie Lucien Clergue, Jean-<br />

Maurice Rouquette und Michel Tournier ins Leben gerufene Festival macht Arles jedes Jahr im Sommer<br />

zur Hauptstadt der internationalen Fotografiekunst.<br />

rencontres-arles.com<br />

MUSEON ARLATEN Das 1899 gegründete Museum wurde nach einer zwölfjährigen Renovierung kürzlich<br />

wieder eröffnet. Zu sehen sind Kostüme, Möbel, Arbeitsgeräte und Kultgegenstände, die das provenzalische<br />

Leben im 19. Jahrhundert illustrieren – in spektakulärer Inszenierung und mit gut umgesetzten<br />

technologischen und pädagogischen Prozessen.<br />

museonarlaten.fr<br />

MARKT AM BOULEVARD DES LICES Ob Reis aus der Camargue, fangfrische Meeresfrüchte, duftende<br />

Estragonbündel oder frischer Ziegenkäse: Dies und noch viel mehr wird auf dem lebhaften Regionalmarkt<br />

verkauft, der sich jeden Samstagmorgen über anderthalb Kilometer im Stadtzentrum erstreckt und als<br />

einer der schönsten und größten der Provence gilt.<br />

VAN-GOGH-PARCOURS Vincent van Gogh kommt an einem Februarabend 1888 eher zufällig nach Arles<br />

und bleibt fast 15 Monate. Es wird eine der produktivsten Phasen seines Lebens, in der über 300 Werke<br />

entstehen. Wo genau, zeigt ein Rundgang, der zu den Orten führt, die van Gogh gemalt hat. Jeder davon<br />

ist mit einer Erklärungstafel und dem dazugehörenden Gemälde versehen.<br />

arlestourisme.com/fr/sur-les-pas-de-van-gogh.html<br />

HôTEL JULES CÉSAR<br />

Traveller‘s World<br />

35<br />

Fotos: Iwan Baan, Marc Domage, Annie Leibovitz/alle LUMA Arles, Lucas Miguel/Unsplash, Stanislas Fautre/Le Figaro Magazine/laif (6), Gunnar Meier, Joana Luz, Patricia Engelhorn


china<br />

tag 1<br />

Zwischen wasser und BerGen<br />

Erster Stopp: das LUX Boutique Hotel nahe der Altstadt von<br />

Dali in der Provinz Yunnan. Inspiriert von lokaler Architektur<br />

und akzentuiert von zeitgemäß klarem Naturholz-Design,<br />

schaut es durch bodentiefe Fenster auf den Erhai-See und die<br />

schneebedeckten Gipfel des Cangshan-Gebirges. Wir<br />

genießen eine traditionelle Pu’er Tea-Time und die ebenfalls<br />

vom Tee angeregten Treatments im Spa.<br />

tag 6<br />

Mystik trifft auf GeGenwart<br />

Shangri-La in der Provinz Yunnan, der einst sagenumwobene<br />

„Ort der Sehnsucht“, ist heute als Hauptort der<br />

autonomen Präfektur Kernland der tibetischen Kultur. Er<br />

bietet Ausflüge hinauf in die Bergwelt und hinab in spektakuläre<br />

Schluchten. Wir haben „Das Land der Heiligkeit<br />

und des Friedens, wo die Sonne und der Mond das<br />

Herz berühren“, LUX-uriös erlebt.<br />

tag 5<br />

Lux-us in shanGri-La<br />

Hinter die Kulissen des größten tibetischen Klosters<br />

schauen? Bei einer traditionellen Tee-Zeremonie mit<br />

den Mönchen plaudern? Ausgangspunkt ist, dreieinhalb<br />

Stunden von Lijiang entfernt, das LUX Shangri-La. Das<br />

18-Zimmer-Boutique-Hotel liegt auf 3160 Meter Höhe<br />

und verbindet den Charme eines alten Stadthauses mit<br />

modernen Designelementen und neuester Technik.<br />

36 Traveller‘s World


tag 2<br />

PaGoden und seen<br />

Wir umrunden den Erhai-See mit dem Fahrrad,<br />

besichtigen die aufs 12. Jahrhundert zurückgehende<br />

Altstadt und besuchen die berühmten, 1800 Jahre<br />

alten Drei Pagoden des Klosters Chongsheng. Das<br />

sind spektakuläre Naturerlebnisse in Verbindung mit<br />

Einblicken in die traditionsreiche Kunst und Kultur<br />

des alten Volkes der Bai.<br />

tag 3<br />

Von kLein-VenediG in den schnee<br />

An Romantik ist Lijiang, die „Stadt am schönen Fluss“, nicht zu überbieten.<br />

Das Townhouse des LUX Lijiang mit Anklängen an die Fachwerk-<br />

Architektur der Naxi liegt im Herzen von Chinas Klein-Venedig. Nur<br />

einen Tages-Trip entfernt: der Yulong Snow Mountain mit bis zu 5596<br />

Metern hohen, weißen Gipfeln.<br />

dali, dali<br />

nehmen sie sich<br />

zeit für einen trip<br />

auf der tea horse<br />

road, dem alten<br />

handelsweg<br />

zwischen China<br />

und tibet<br />

tag 4<br />

das herZ der naxi-kuLtur<br />

Wir nehmen uns Zeit für Lijiang, im 14. Jahrhundert<br />

Handelsknotenpunkt und eine der bedeutendsten<br />

Stationen auf der Tea Horse Road, ebenso wie das<br />

antike Baisha, die früheste Siedlung der Naxi mit<br />

ihren einzigartigen Wandmalereien. Unbedingt probieren:<br />

Hot Pots mit Hühnchen und wildem Trüffel<br />

und scharfer „Fünf-Pfeffer-Fisch“.<br />

Infos unter: luxresorts.com/en/china-lux-tea-horse-road/<br />

teahorseroad/journeys/bai-naxi-and-tibetan-culture-trip<br />

Fotos: Justin Chan/RHEA IMAGE STUDIO (2)<br />

Traveller‘s World<br />

37


otswana<br />

38 Traveller‘s World


ALLES IM FLUSS Selbst die Weiten des Linyanti River können die<br />

Elefanten auf ihrem Marsch in Richtung Norden nicht aufhalten. Sie sind<br />

ausgezeichnete und unermüdliche Schwimmer. Geschätzte 45.000<br />

davon leben hier im Chobe-Nationalpark – die größte Population der Welt<br />

Into the WIld<br />

Wenn die Wassermassen des Okavango in sein Delta fließen,<br />

ist Botswanas Tierwelt im Glück. Jeder, der das Spektakel<br />

miterleben darf, aber auch. Notizen einer unvergesslichen Safari


otswana<br />

40 Traveller‘s World


JUST SITTING BY THE RIVERSIDE Die Schönheit der Osprey-Lagune ist beinahe<br />

unwirklich. Die wenigen Gäste im Duma Tau Camp von Wilderness Safaris<br />

genießen dabei tagsüber einen Logenplatz. Und versammeln sich des Abends<br />

zum Sundowner am offenen Feuer auf dem schwimmenden Steg<br />

An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Also<br />

lauscht er dem nächt lichen Konzert, das er an<br />

der afrikanischen Wildnis so liebt<br />

Traveller‘s World<br />

41


otswana<br />

WIE POOL IST DAS Weil das alte Camp den<br />

gestiegenen Ansprüchen der Gäste kaum mehr<br />

genügte, wurde Duma Tau an gleicher Stelle<br />

komplett neu gestaltet. Größer, schöner, schicker.<br />

Jetzt gibt es sogar einen Infinity-Pool, der<br />

weit in den Fluss hineinragt. Was für ein Luxus<br />

er muss an die Worte von Rogers,<br />

seinem Guide, denken. „tagsüber sind<br />

es die elefanten und nachts die<br />

Flusspferde, die zwischen den Zelten<br />

zum Wasser des linyanti trampeln“<br />

42 Traveller‘s World


Text ReinhaRd ModRiTz Fotos Mela GRubeR, WildeRness saFaRis<br />

Was um himmels willen war das? Ein lautes<br />

Grunzen hat ihn aus dem Schlaf gerissen, gefühlt<br />

direkt neben seinem Bett. Er nimmt allen<br />

Mut zusammen, rafft sich auf, um sich umzuschauen.<br />

Und entdeckt ein mächtiges Hippo<br />

friedlich im Mondlicht grasend, jenseits von Moskitonetz und Zeltwand.<br />

Recht wohl ist ihm dennoch nicht, auch wenn ein schützender Holzzaun<br />

zwischen ihm und dem Flusspferd liegt. Er erinnert sich an die Worte<br />

von Rogers, seinem persönlichen Guide, der ihm vorhin auf der Veranda<br />

einen Sundowner mixte: „Tagsüber sind es die Elefanten, die mitten<br />

durchs Camp zum Wasser des Linyanti ziehen. Und nachts die Hippos.“<br />

Was, wenn sich zu dem gerade sehr vernehmlich Gras fressenden Koloss<br />

vor seinem Zelt ein zweiter gesellte oder gar mehrere?<br />

Zelt ist die Untertreibung des Jahres, findet er. Das Duma Tau<br />

Camp an den Ufern des Flusses, der diesem Grenzgebiet zu Namibia seinen<br />

Namen gibt, wäre ein perfektes Filmset, findet er. Unruhig läuft er<br />

im großen Living Room auf und ab, umkreist das riesige Bett (in dem<br />

auch ein Hippo ausreichend Platz fände) mit seinem Moskitonetz und<br />

entscheidet sich dann für einen Platz auf seiner Veranda. An Schlaf ist ohnehin<br />

nicht mehr zu denken. Also lauscht er dem Geräusch-Teppich, der<br />

sich über die Nacht im afrikanischen Busch legt. Bis Rogers ihn, pünktlich<br />

um halb sechs, zum Early Morning Game Drive abholt.<br />

Rogers verbringt die meiste Zeit des Tages mit dem ihm anvertrauten<br />

Gast, ist Guide, Spurenleser und wandelndes Nachschlagewerk auf einmal.<br />

Als der Junge aus Maun nach einem naturkundlichen Studium praktische<br />

Erfahrungen sammeln sollte, sei seine Wahl schnell auf Wilderness<br />

Safaris gefallen. „Wer dort einmal als Guide gearbeitet hat, dem stehen<br />

alle Camps des Landes offen.“ Zur Ausbildung gehöre auch die Praxis als<br />

Barmann und als Kellner. Damit er auf Fragen nach dem passenden Wein<br />

Antwort geben könne. Und zum Sonnenuntergang irgendwo im Busch<br />

einen ordentlichen Sundowner mixen. Rogers lernte in der Werkstatt des<br />

Camps, wie man einen Land Rover repariert. Und wie man ein Mokoro<br />

steuert, die schlanken Einbäume der Stämme im Okavango-Delta.<br />

So einen einbaum würde er auch gerne mal durch die schmalen<br />

Kanäle lenken. Aber vorher muss er unbedingt noch die Ebenen links und<br />

rechts des Linyanti erkunden. Duma Tau bedeutet in der Landessprache<br />

zwar „Löwengebrüll“, aber das riesige Gebiet im Nordosten von Botswana<br />

ist vielmehr berühmt für seine Elefanten. Hier und im benachbarten<br />

Chobe-Reservat sind weltweit die meisten ihrer Art zu Hause – geschätzte<br />

45.000. Der Linyanti trennt Botswana zwar von seinem nördlichen<br />

Nachbarn Namibia, die Elefantenherden kann der breite Fluss aber nicht<br />

von ihren Wanderungen über die von Menschen gezogenen Grenzen abhalten.<br />

„Elefanten sind ausgezeichnete Schwimmer“, hat Rogers erzählt.<br />

Jetzt sitzen die beiden in seinem Boot, nicht viel größer als eine Nussschale,<br />

kein Lüftchen kräuselt das Wasser. Und sehen aus sicherer Entfernung<br />

zu, wie eine Elefantenfamilie nach der anderen im wahrsten Sinn des<br />

Wortes baden geht. „Stille Wasser sind eben tief“, flüstert er. Mittendrin<br />

strampelt ein Baby, es kann kaum mehr als ein paar Jahre alt sein. Immer<br />

wieder ragt nur mehr die Spitze seines<br />

Rüssels aus dem Wasser. Dann endlich<br />

fasst es Fuß im weichen Ufergrund – ein<br />

herzerwärmender Anblick.<br />

Mit ein paar Schweizern, die ebenfalls<br />

vom Afrika-Virus befallen sind, sitzt<br />

er abends ums Feuer, das fleißige Hände<br />

immer wieder schüren. Die Boma hat<br />

Tradition im südlichen Afrika. In Duma<br />

Tau ist die große Feuerschüssel Zentrum<br />

einer Plattform, die im Linyanti floatet<br />

– eine der vielen guten Ideen, mit denen<br />

das alte Camp im vergangenen Jahr<br />

nicht nur upgegradet, sondern an nahezu<br />

gleicher Stelle komplett neu gebaut<br />

wurde, größer, eleganter, schicker. Aus<br />

gutem Grund zählt Duma Tau als Premier<br />

Camp nun zu den besten unter den<br />

knapp zwei Dutzend Camps von Wilderness<br />

Safaris in Botswana. Es bekam<br />

einen Infinity-Pool, der tief in die Lagune<br />

hineinragt, ein kleines, bestens ausgestattetes<br />

Gym und ein Spa. Hier klopft<br />

die resolute Tebby seine Muskeln weich,<br />

die nach vier morgendlichen Stunden<br />

Buschfahrten steif geworden sind.<br />

ein Kudu-Steak, zart wie Butter,<br />

ist heute sein Dinner auf der Terrasse<br />

über dem Fluss. Ganz wohl ist ihm nicht<br />

dabei, hat er diese Antilopen doch eben<br />

erst in freier Wildbahn bewundert. Doch<br />

Rogers kann ihn beruhigen. Kudus werden<br />

hierzulande in Farmen gezüchtet<br />

wie Kühe in der Heimat des Gastes.<br />

die kleine einmotorige der Wilderness<br />

Air startet am nächsten Tag in<br />

die südöstlichen Ausläufer des Okavango-Deltas.<br />

Über die weiten Ebenen unter<br />

ihm ziehen Büffel, grasen Herden von<br />

Zebras und ein halbes Dutzend Antilopenarten<br />

friedlich nebeneinander. Dann<br />

glänzen die ersten Wasserläufe und Seen<br />

wie Silber im Sonnenlicht und kündigen<br />

das grandiose Naturschauspiel an, das<br />

es nur in Botswana gibt. „Delta Airlines“,<br />

schießt es ihm durch den Kopf,<br />

als sich die Cessna Grand Caravan im<br />

Wasser spiegelt.<br />

Traveller‘s World<br />

43


otswana<br />

44 Traveller‘s World


Chitabe Camp, 18 Uhr, G&t-time. er nimmt<br />

einen kräftigen Schluck – gegen die Mücken –<br />

und lässt seinen Blick über die weite ebene<br />

schweifen. Verdammt schön hier, denkt er<br />

DA IST WAS IM BUSCH Direkt vor der Camp-Tür breitet sich das<br />

berühmte Moremi-Wildreservat aus, ein Mosaik aus Wäldern,<br />

Sümpfen und Grasland – und damit ein Eldorado für die Tierwelt<br />

Traveller‘s World<br />

45


otswana<br />

einen Augenblick lang überlegt er, ob das noch das<br />

wahre Afrika ist bei so viel luxus. Aber dann fällt<br />

sein Blick auf die grasenden Büffel unter seiner<br />

Zelt-Suite, die Impalas und die tsessebe-Antilopen<br />

INSEL DER SELIGEN Zum vielleicht schönsten Camp Botswanas gelangt<br />

man nur über einen schmalen Steg. Jao, das ist der perfekte Mix<br />

aus Nach haltigkeit und Design vom Feinsten. Hier stimmt einfach alles. Als<br />

echter Hingucker erweist sich das Skelett einer Giraffe in der Bibliothek.<br />

Chitabe bedeutet in der Landessprache<br />

Setswana zwar „Wo die Zebras<br />

hausen“, die heimlichen Stars aber sind<br />

die seltenen und vom Aussterben bedrohten<br />

Afrikanischen Wildhunde. Dave<br />

Hamman, Besitzer des von Wilderness<br />

Safaris geführten Camps, hat sich kompromisslos<br />

ihrem Schutz verschrieben.<br />

Deshalb ziert auch ein Wildhund den<br />

Land Rover, der ihn jetzt ins berühmte Moremi-Wildreservat karrt, dessen<br />

Fläche ein Drittel des gesamten Deltas ausmacht. Auf der Pirschfahrt<br />

stören sie eine Löwenfamilie beim Nachmittagsschläfchen, spüren einen<br />

Leoparden auf, der seine Beute, ein Impala, auf einen Baum vor allzu gefräßigen<br />

Neidern in Sicherheit gebracht hatte, und werden von einer Horde<br />

Paviane mit ohrenbetäubendem Lärm empfangen. Aber die scheuen<br />

Wildhunde lassen sich nicht blicken. Schade. Aber für einen solchen Fall<br />

hat Dave Hamman vorgesorgt. Allenthalben zieren die grandiosen Fotos<br />

46 Traveller‘s World


dieses ist ganz nach dem Geschmack<br />

des Safari-Gastes. Ihm fehlt<br />

der Luxus von Duma Tau nicht wirklich,<br />

stellt er erstaunt fest.<br />

Dafür empfindet er das<br />

wesentlich schlichtere<br />

Chitabe als besonders authentisch.<br />

Erinnerungen<br />

blitzen auf an seine ersten<br />

Safaris vor vierzig Jahren<br />

mit Zelt und einem alten<br />

Land Rover, die trotz<br />

schmalem Geldbeutel zu<br />

seinen schönsten Erinnerungen<br />

gehören. Damals<br />

hatte er sein Herz ans südliche<br />

Afrika verloren. Daran<br />

muss er jetzt denken.<br />

Er nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Gin Tonic – gegen<br />

die Mücken – und lässt seinen Blick über die Weiten des Moremi<br />

Reserve schweifen. Was er sieht, zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht.<br />

Verdammt schön hier, denkt er.<br />

Kein Besuch des deltas ohne eine Tour mit dem Mokoro,<br />

dem Einbaum der Stämme des Okavango. Lucius heißt sein Gondoliere<br />

der Sümpfe, er manövriert den wackeligen Kahn elegant durch<br />

die schmalen Kanäle zwischen hohem Schilf und einem Meer von<br />

Seerosen. Alles wirkt so unendlich friedlich und still, nur gelegentliches<br />

Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Bis aus dem Schilf ein Krokodil<br />

die Idylle durchbricht. Unwillkürlich zieht er die Arme eng an<br />

seinen Körper. Und spürt, wie Lucius hinter ihm ein Grinsen nicht<br />

verbergen kann. Touristen!<br />

Wie ein überdimensionales Adlernest klammert sich das<br />

Haupthaus des Jao Camps, der letzten Station seiner Reise, an die<br />

Baumkronen zweier mächtiger Mongongo-Riesen; schon von Weitem<br />

ein beeindruckender Anblick. Oben angekommen, verschlägt<br />

es ihm erst mal die Sprache – und das liegt nicht nur am Empfangskomitee<br />

in Form der überaus hübschen Camp-Managerin mit dem<br />

nicht minder hübschen Namen Charity.<br />

des leidenschaftlichen Tierfotografen<br />

die Wände des Haupthauses und der<br />

acht geräumigen Zelte des Camps.<br />

Jao präsentiert sich als ein skulpturales Wunderwerk aus<br />

Stahl, Holz und Glas, Räume hoch wie eine Kathedrale, die das Licht<br />

und die Geräusche des Deltas einfangen. „Ist das jetzt Botswanas<br />

schönstes Camp?“, schießt es ihm durch den Kopf. Die Antwort<br />

kommt spätestens, als er seine Zelt-Suite betritt.<br />

Wo hat er so viel Stil, solch stimmiges Ambiente schon mal<br />

gesehen? Richtig, auf der Seychellen-Insel North Island war’s, die lange<br />

Jahre ebenfalls zum Portfolio von Wilderness Safaris gehörte. Der Architekt<br />

damals wie heute, Silvio Rech, berühmt für seinen unnachahmlichen<br />

Mix aus bahnbrechendem Design und der Verwendung von natürlichen<br />

und recycelten Materialien.<br />

Traveller‘s World<br />

47


otswana<br />

48 Traveller‘s World


das war’s. letzte Station<br />

einer emotionalen Reise. dieses<br />

unbeschreibliche Glücks -<br />

gefühl, das weiß er, würde<br />

ihn noch lange begleiten<br />

VERGISS VENEDIG Die Bewohner des Deltas<br />

sind wahre Meister mit ihren Mokoros. Nur mit<br />

diesen Einbäumen können sie in den schmalen<br />

Kanälen des Okavango manövrieren<br />

einen Augenblick überlegt er. Ist das<br />

noch das wahre Afrika bei so viel ihn<br />

umgebenden Luxus? Aber dann fällt sein<br />

Blick auf die grasenden Büffel unter seiner<br />

Zelt-Suite, die Impalas und die Tsessebe-<br />

Antilopen, auf eine Giraffe in der Ferne.<br />

Ein unbeschreibliches Glückgefühl durchströmt<br />

ihn. Ja, das ist sein Afrika.<br />

Fotos: Teagan Cunniffe 6), Caroline Culbert, Dana Allen (4), Dave Hamman, Crookes And Jackson/alle Wilderness Safaris, Mela Gruber (5)<br />

Zu hause angekommen, packt er seine<br />

Erinnerungsstücke aus: die Wasserflasche<br />

aus Duma Tau, die Fotografie, die ihm<br />

Dave Hamman aus dem Chitabe Camp<br />

verehrt hat, und das Wilderness-Crew-<br />

Shirt, das ihm Charity zum Abschied mitgegeben<br />

hat. Das erste Mal seit seiner aufregenden<br />

Safari schläft er sofort ein. Und<br />

träumt von schwimmenden Elefanten. TW<br />

Into the WIld<br />

Koordinaten: 22° 19’ S, 24° 41’ o<br />

Duma Tau Premier Camp von Wilderness Safaris.<br />

Spektakuläre Lage am Linyanti River an der Grenze<br />

zu Namibia, acht Zelte in Duma Tau, vier Zelte in<br />

Little Duma Tau, schwimmende Plattform im Fluss.<br />

ChiTabe Classic Camp auf einer insel in Pfahlbauweise,<br />

acht geräumige Zelte im meru-Stil, das<br />

gesamte Camp wurde auf erhöhten Plattformen<br />

gebaut, Tor zum berühmten moreni-Reservat.<br />

Jao Stilvolle Luxus-Lodge für Ästheten und Design-<br />

Liebhaber im 60.000 hektar Jao Reserve. Fokus<br />

auf Nachhaltigkeit. Fünf super-luxuriöse Zelt-Suiten<br />

mit großer Veranda und Plunge Pool in luftiger<br />

höhe, zwei Two-bedroom Villas mit privatem Koch,<br />

butler und persönlichem Guide.<br />

Kontakt: wilderness-safaris.com,<br />

enquiry@wilderness.co.za<br />

Die hier beschriebene Fly-in-Safari (6 Tage, jeweils<br />

2 Nächte in Duma Tau, Chitabe und Jao, Flüge ab/<br />

bis maun und von Camp zu Camp, inklusive buschfahrten<br />

und Vollpension) bietet der herrschinger<br />

Tour operator Trauminsel Reisen ab 8.650 euro pro<br />

Person an. alternativ 3 Tage pro Camp ab 12.600<br />

euro. trauminselreisen.de<br />

Traveller‘s World<br />

49


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DELUXE<br />

SWISS<br />

Ein bewegungsfreudiger Oldtimer,<br />

heroische Landschaften und ein paar<br />

der besten Betten und Tische des Landes<br />

– wenn das kein Plan ist<br />

am Steuer rEinharD MoDriTZ Fahrtenbuch und Streckenfotos MichaEl hannwackEr<br />

Vrooom? Mmmmh! Das haben wir<br />

uns vorgenommen: mit einem alten 911er<br />

(für Porsche-Fans: das letzte G-Modell) drei<br />

Tage ab Graubünden auf den schönsten<br />

Strecken die Kantone St. Gallen, Glarus,<br />

Schwyz, Luzern, Zug und Zürich durchqueren.<br />

Dass das Wetter himmlisch sein würde,<br />

war Fügung. Dass an den Pitstops große<br />

Küche wartet, dagegen fest eingeplant<br />

52 Traveller‘s World


Traveller‘s World<br />

53


oad genusstour trip<br />

Raststätte Rheinaufwärts und schließlich entlang<br />

des Hinterrheins blubbern wir auf wie mit der Hand<br />

gefegten Landstraßen dem winzigen Weiler Fürstenau<br />

entgegen. Der auf der Karte der Genussmenschen<br />

eine Metropole ist. Denn hier steht Schloss<br />

Schauenstein, einst für ein (längst ausgestorbenes)<br />

Rittergeschlecht gebaut und seit 2003 Residenz des<br />

schönen Andreas Caminada. Im Erdgeschoss hat der<br />

kulinarische König der Eidgenossen eines seiner zwei<br />

Drei-Sterne-Restaurants eingerichtet, darüber zehn<br />

wunderbare Zimmer und Suiten mit dem gerade richtigen<br />

Anflug von Patina für die Zeit nach dem Mahl.<br />

DZ ab 370 Franken, schauenstein.ch<br />

Geben wir es ruhig zu: Die Schweiz<br />

macht selig. Erst recht, wenn man nach<br />

allen Seiten offen ist für das idealtypische<br />

Beieinander von Bergen und Seen<br />

54 Traveller‘s World


Magier am Werk Timo Fritsche hat als Küchenchef im inzwischen zugesperrten Drei-<br />

Sterne-Restaurant „La Vie“ in Osnabrück gezaubert, jetzt tut er es im „Oz“, der ehemaligen<br />

Remise des Schlosses. Und zwar, indem er in der Früh eine Runde im Garten dreht, aussucht,<br />

was gerade voller Saft und Kraft steckt, und daraus ein tagesfrisches Menü komponiert (Oz<br />

ist rätoromanisch und heißt „heute“). Wir nehmen am Chef’s Table Platz, ein eigens aus Bergahorn<br />

gezimmerter Tresen, der die Küche umstellt, und staunen, wie Fritsche eine Aubergine<br />

zu einer Köstlichkeit in Safransud mit fermentiertem Knoblauch verhext.<br />

Neun-Gänge-Menü 196 Franken, oz-restaurant.com<br />

Voll im Saft Unversehens geraten wir auf dem Weg zum nächsten<br />

Ziel in die Bündner Herrschaft. Die großartigen Weine, die hier gedeihen,<br />

sind jenseits der Grenzen nahezu unbekannt. Kein Wunder, die Schweizer<br />

trinken sie lieber selbst<br />

Traveller‘s World<br />

55


oad genusstour movie<br />

56 Traveller‘s World<br />

Glücksquellen Oder<br />

sie servieren die heimischen<br />

Tropfen in ihren besten Hotels.<br />

Das Grand Resort Bad<br />

Ragaz genießt einen unschlagbaren<br />

Ruf, was Wellness und<br />

Medical Health anbelangt. Der<br />

Komfort im vom Schweizer<br />

Hoteldesigner Claudio Carbone<br />

gestalteten Quellenhof ist<br />

ebenfalls kaum zu überbieten.<br />

Und nichts spricht gegen einen<br />

entschlossenen Sprung in den<br />

quellenreinen Pool vor dem<br />

palastähnlichen Prachtbau.<br />

Aber wir haben das Resort<br />

eigentlich nur wegen eines<br />

Mannes angesteuert: Sven<br />

Wassmer, der mit seinen<br />

Restaurants „Memories“ und<br />

„Verve by Sven“ dem Guide<br />

Michelin zusammen drei<br />

Sterne wert ist.<br />

DZ ab 990 Franken,<br />

resortragaz.ch<br />

Menü ab 229 Franken,<br />

memories.ch


Augenschmaus Ein kluges<br />

Resort nährt nicht allein Stoffwechsel<br />

und Zellen, sondern bietet auch geistige<br />

Nahrung. Als wir uns nach dem<br />

Frühstück und vor der Weiterfahrt<br />

noch ein wenig im weitläufigen Park<br />

im Zentrum des Kurortes ergehen,<br />

gerät unser Spaziergang zu einem<br />

Kunst-Parcours. Bei der Triennale Bad<br />

RagARTz (die nächste ist für 2024<br />

geplant) stellen internationale Bildhauer<br />

wie der Italiener Stefano Bombardieri<br />

aus, dessen monumentale<br />

Bronzeskulptur „Marta e l’Elefante“<br />

zum Publikumsliebling avancierte<br />

Wall-Fahrten Weil wir auch die nächste Etappe offen angehen können, haben wir freien<br />

Blick auf Sant Jöüri, die älteste romanische Kapelle der Ostschweiz. Eine halbe Stunde später<br />

genießen wir das grandiose Panorama am Südufer des Walensees und haben nachmittags Muße<br />

für einen Besuch im Kloster Einsiedeln<br />

Traveller‘s World<br />

57


genusstour<br />

Göttliche Dämmerung Die Sonne<br />

ist bereits auf dem Rückzug, als wir den<br />

Porsche in die Auffahrt des Park Hotel<br />

Vitznau am Vierwaldstätter See lenken.<br />

Der Blick aus der Halle auf die im Licht<br />

der Dämmerung silbern schimmernde<br />

Wasseroberfläche ist derart fesselnd, dass<br />

wir fast vergessen einzuchecken. Das wäre<br />

schade gewesen, denn jede der 39 Suiten<br />

ist eine Etüde in individuellem Charme,<br />

am begehrenswertesten natürlich die,<br />

die auf den möglicherweise schönsten<br />

aller Seen schauen. Wir wollen aber vor<br />

dem Abendessen auch noch einen Blick<br />

in den Keller werfen. Denn dort herrscht<br />

Star-Sommelier Sven Uzat, gerade mal<br />

30 Jahre jung, über 32 000 beste und<br />

allerbeste Flaschen. Sein aktueller Lieblingswein?<br />

Er empfiehlt den 2015 Saumur<br />

AOC Brézé, einen Chenin Blanc von der<br />

Domaine Romain Guiberteau, und zwar<br />

besonders zum Kabeljau, den Zwei-Sterne-Chef<br />

Patrick Mahler in seinem „focus<br />

Atelier“ mit Muschel, Walnuss und Beurre<br />

blanc zum Höchstgenuss komponiert. Das<br />

Gourmet-Glashaus kontrastiert stark mit<br />

der schlossähnlichen Seeufer-Residenz,<br />

die der österreichische Milliardär Peter<br />

Pühringer vor 13 Jahren den Oetker-<br />

Erben abgekauft und für kolportiert 270<br />

Millionen Franken aufgemöbelt hat. Und<br />

zwar so, dass wir am liebsten 911 Nächte<br />

in diesem Swiss Deluxe Hotel blieben.<br />

DZ ab 850 Franken, Menü ab 225 Franken,<br />

parkhotel-vitznau.ch<br />

58 Traveller‘s World


Seensucht Wir haben es ja geahnt. Von der Aussicht auf Wasser und Berge<br />

möchte man ewig kosten. Und man fragt sich, ob man es hier oben nicht sogar besser<br />

hat als die Stand-up-Paddler da unten oder die Passagiere der Ausflugsboote, die<br />

mit hoher Frequenz vorbeischippern. Irgendwann aber treibt uns der Appetit (ja, der<br />

kommt erstaunlicherweise immer wieder) hinunter auf die zum Frühstück gedeckte<br />

Terrasse. Und was seen wir von dort? Na eben<br />

Immer weiter Auch die schönste<br />

Genuss tour bereitet Schmerzen. Die<br />

der Trennung. Dürfen wir auf ein großes<br />

Finale hoffen?<br />

59


genusstour<br />

Am Ufer des Zürichsees lassen wir uns<br />

gern in die Reserve locken. Denn dieses<br />

Belle-Époque-Palais setzt die i-Tüpfelchen<br />

auf Swiss Deluxe<br />

60 Traveller‘s World


Starckes Stück Ja, wir dürfen. Denn bald nach unserer Ankunft in Zürich spiegelt sich in<br />

der Motorhaube des 911ers die neobarocke Fassade des La Réserve Eden au Lac. Drinnen<br />

erleben wir das schmucke 40-Zimmer-Haus als lifestylige, aber extrem ausgeschlafene Ansage an<br />

die Grandes Dames von Zürich – ein ebenso hippes wie selbstbewusstes Mitglied der elitären<br />

Gruppe der Swiss Deluxe Hotels. Stardesigner Philippe Starck hat es, nur durch den Utoquai vom<br />

See getrennt, als imaginären Yachtclub gedacht – mit zwei erstklassigen Kombüsen. Im „La Muña“<br />

unterm Dach (deren holzstrotzendes Chalet-Ambiente mit Karawanserei-Teppichen und einer<br />

Horror-Vacui-Täfelung mit See- und Segelmotiven selbst den unbegleiteten Gast einen Abend<br />

lang ausreichend unterhalten würde) serviert Executive Chef Marco Ortolani peruanisch-japanische<br />

Fusion in Perfektion. In der clubähnlichen „Eden Kitchen & Bar,“ dem lässigen, lichtdurchfluteten<br />

Restaurant im Parterre, verwirklicht der Ducasse-Schüler eine Cinemascope-Version<br />

italienisch-schweizer Weltküche. Wie gesagt: eine grande finale unserer petite tour de Suisse.<br />

DZ ab 500 Franken, Ceviche ab 39 Franken, Hauptgerichte ab 62 Franken, lareserve-zurich.com<br />

Traveller‘s World<br />

61


côte d’azur<br />

La vie en bleu<br />

Mit spannenden neuen Hotels<br />

zwischen Roquebrune-Cap-<br />

Martin und Saint-Tropez<br />

rüstet sich die Côte d’Azur<br />

für den Sommer<br />

62 Traveller‘s World


SpiTz Auf CôTe Nadelgleich weist das<br />

neue Hotel der britischen Maybourne-<br />

Gruppe auf die Riviera Richtung Menton.<br />

Der Samstagsmarkt in St. Tropez liegt<br />

in entgegengesetzter Richtung. Aber nah<br />

genug für spontane einkäufe<br />

Traveller‘s World<br />

63


côte d’azur<br />

Text Charlotte Mann<br />

Man sollte schwindelfrei sein, wenn<br />

man in den Pool taucht. Oder auf der<br />

Terrasse frühstückt. Das Ende letzten<br />

Jahres eröffnete Hotel THE MaybOurnE<br />

riviEra thront wie ein adlerhorst oberhalb des<br />

malerischen Dorfes roquebrune-Cap-Martin in der spektakulären<br />

Felsenlandschaft der Grande Corniche, einer unter<br />

napoleon erbauten bergstraße, die sich knapp 500 Meter<br />

über dem Meeresspiegel windet. Die aussicht von dort oben<br />

ist großartig: Der blick reicht die vielen Schlangenlinien der<br />

Küste entlang bis nach italien, über Monte-Carlo und Saint-<br />

Jean-Cap-Ferrat, über Pinien, Strände und das unendliche<br />

blau des Mittelmeers.<br />

Das einsam auf einem Felsen errichtete und modernistischen<br />

Prinzipien folgende Hotel wurde vom französischen<br />

architekten Jean-Michel Wilmotte in ein schillerndes Konstrukt<br />

aus weißen Linien und raumhohem Glas verwandelt,<br />

das schon von Weitem sichtbar ist und in der Dunkelheit<br />

leuchtet. Die 69 Zimmer und Suiten bieten mal umlaufende<br />

balkons, mal Terrassen mit Privatpools, dazu attraktive Details<br />

wie blaue Kristallarmaturen in den bädern oder Keramikarbeiten<br />

aus lokalen ateliers.<br />

aufzüge, die mit einer Handbewegung bedient werden<br />

können, führen hinab in die antiken Gärten mit ummauerten<br />

Wegen, Zitrusplantagen und Kräutergarten. Dort wurden<br />

der außenpool und ein Spa von Weltklasse untergebracht,<br />

Hotelgäste haben zudem exklusiven Zugang zum stilvollschicken<br />

Maybourne riviera beach Club.<br />

Zu den außergewöhnlichkeiten addieren sich die<br />

vielen über das Hotel verteilten Kunstwerke – allen<br />

voran die Skulptur eines ineinander verschlungenen<br />

Paares von Louise bourgeois in der gigantischen Lobby<br />

– und die hochkarätige Gastronomie: in der „Pool<br />

bar“ lässt Jean-Georges vongerichten Trüffelpizza und<br />

Hummerröllchen auffahren, die Sushi-bar wird vom<br />

japanischen Starchef Hiro Sato geleitet, und die Panoramaterrasse<br />

im obersten Stockwerk bespielt Drei-<br />

Sterne-Koch Mauro Colagreco mit seinem Mittelmeerrestaurant<br />

„Ceto“.<br />

noch mehr Splendid isolation soll das noch nicht<br />

ganz fertiggestellte uLTiMa CannES LE GranD<br />

JarDin bieten: Das jüngste Projekt der luxuriösen<br />

ultima-Gruppe eröffnet im Sommer auf der male rischen<br />

insel Sainte-Marguerite in der bucht vor Cannes<br />

und wird mit einer an der Côte d’azur nur schwer<br />

erreichbaren Privatsphäre punkten.<br />

Das Le Grand Jardin ist ein ummauertes anwesen,<br />

dessen älteste Teile aus dem 13. Jahrhundert stammen. Es besteht aus insgesamt elf Zimmern<br />

und Suiten, die sich auf das Haus des Gouverneurs, den Wachturm mit Dachterrasse und ein<br />

Gästehaus verteilen. Mehrere Essbereiche im Freien werden es Gästen ermöglichen, das verlässlich<br />

schöne Wetter der region und die kulinarischen Kreationen der talentierten ultima-Köche<br />

zu genießen. Zusätzliche abwechslung sollen ein Open-air-Kino und ein Spa bieten. Die für ihre<br />

64 Traveller‘s World


Die für ihre unberührte<br />

Schönheit bekannte Insel<br />

im Lérins-Archipel hat einst<br />

Künstler wie Pablo Picasso<br />

oder Francis Picabia<br />

angezogen<br />

boNNeS ADReSSeS Louise-bourgeois-Skulptur im<br />

Maybourne Riviera (oben links, weiter im uhrzeigersinn),<br />

Simone Duckstein, La-ponche-ikone,<br />

bad im Maybourne, Außenansicht und ein Schlafzimmer<br />

im ultima Cannes Le Grand Jardin<br />

Traveller‘s World<br />

65


côte d’azur<br />

unberührte Schönheit bekannte insel ist mit einer Länge von rund drei Kilometern<br />

die größte des Lérins-archipels und hat in der vergangenheit Künstler und Fotografen<br />

wie Pablo Picasso, Francis Picabia und Lee Miller angezogen. Sainte-Marguerite<br />

ist nur per boot oder Hubschrauber<br />

zu erreichen und von wenigen Menschen bewohnt.<br />

Das ultima Cannes wird also das einzige<br />

Privatanwesen sein, in dem Gäste übernachten<br />

können – störungsfrei und entspannt,<br />

aber mit dem Service eines Luxushotels.<br />

Mitten im Trubel von Saint-Tropez und<br />

gleich hinter der pittoresken Place des Lices<br />

wohnt dagegen, wer sich für die viLLa<br />

EuCLéia entscheidet, die in dieser Saison<br />

erste Gäste empfangen wird. Trotz der zentralen<br />

Lage steht dieses typisch provenzalische<br />

Landhaus inmitten von Weingärten und in<br />

idyllischer ländlicher ruhe. Ein butler, ein<br />

Hausmeister und ein privater Küchenchef<br />

kümmern sich um das Wohlergehen der Gäs te,<br />

die sich für eine Woche, einen Monat oder länger eingemietet<br />

haben. Zur verfügung stehen fünf geräumige Doppelzimmer<br />

und zwei Suiten, alle mit eigenem bad, ein modern gestaltetes<br />

Wohn-Esszimmer mit offener, perfekt ausgestatteter Küche,<br />

ein Hauskino, ein Gym und eine schöne Terrasse mit Pool und<br />

blick auf die Weinreben.<br />

Diane und Frédéric Saveuse, die Eigentümer der villa,<br />

betreiben auch das benachbarte Fünf-Sterne-Hotel villa<br />

Cosy, dessen Einrichtungen und Serviceleistungen den<br />

villa-bewohnern selbstverständlich zur verfügung stehen.<br />

in diesem Jahr kommen Gäste zudem in den Genuss<br />

der ersten Wein-Cuvée, die aus den eigenen reben gewonnen<br />

und in Saint-Tropez gekeltert wurde, und des<br />

Olivenöls aus den Früchten, die an den knorrigen alten<br />

bäumen im Garten wachsen.<br />

Ebenfalls in der altstadt von Saint-Tropez<br />

wurde im vergangenen Sommer nach<br />

acht Monaten rundum-renovierung das<br />

HôTEL La POnCHE neu eröffnet. Das<br />

legendäre Etablissement entstand 1938 als einfaches bistrot, frequentiert vor allem von lokalen<br />

Fischern, die ihre boote am gleich davorliegenden Steg vertäuten. Erst in den 50er-Jahren,<br />

als das Dorf sich zum Künstlertreffpunkt entwickelte, kamen ein paar Zimmer dazu, die zur<br />

bevorzugten Herberge von brigitte bardot, romy Schneider, Michel Piccoli und Jean-Paul<br />

Sartre wurden.<br />

als Simone Duckstein, Tochter der Gründer und langjährige besitzerin des Hotels,<br />

sich aus altersgründen zurückzog, war die Trauer in Saint-Tropez groß. Erfreulicherweise<br />

setzten die neuen besitzer auf Kontinuität. Sie beauftragten interior Designer Fabrizio<br />

Casiraghi, der mit viel respekt vor der vergangenheit und einem souveränen blick in die<br />

Zukunft die 21 Zimmer und Suiten – alle nach einer berühmten besucherin oder einem legendären<br />

Gast benannt – in hellen naturweiß-Tönen und mit gekonnt eingesetzten sommerlichprovenzialischen<br />

akzenten dekorierte.<br />

Das restaurant mit bester regionalküche und einer blumengeschmückten Terrasse mit<br />

Meerblick ist auch bei Einheimischen beliebt, in der bar werden Drinks wie „La Piscine“ mit<br />

66 Traveller‘s World


CôTe uND SpieLe Glaskunst in der Villa eucléia<br />

(links, weiter im uhrzeigersinn), das Meer, dessen<br />

farbe der Küste ihren Namen gab, boule-Spiel auf<br />

der place des Lices in Saint-Tropez; neidloser blick<br />

auf Monaco von The Maybourne Riviera<br />

Das Restaurant serviert beste Regionalküche,<br />

habitués bestellen Drinks wie „La Piscine“<br />

Fotos: Sabine Braun/laif (2), Richard Haughton (4),<br />

Adobe Stock, Franck Prignet/Le Figaro Magazine/laif<br />

Champagner, Holunder, Lime und Gurken-Sirup serviert. nach wie vor sieht man Hotelgäste in<br />

ein Handtuch gehüllt zum kleinen La-Ponche-Strand laufen. Der Steg, an dem einst Fischerboote<br />

anlegten, ist nun ihr Sonnendeck geworden.<br />

The Maybourne Riviera: maybourneriviera.com, DZ ab 850 Euro. Ultima Cannes Le Grand Jardin:<br />

ultimacollection.com, Preis auf Anfrage. Villa Eucléia: villacosy.com/en/villaeucleia, Villa ab 100 000<br />

Euro/Woche all inclusive. La Ponche: laponche.com, DZ ab 480 Euro<br />

Traveller‘s World<br />

67


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68 Traveller‘s World


stay<br />

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An der Grand Baie im<br />

Norden von Mauritius gibt<br />

es ein neues Lieblingsresort<br />

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Die Insel Lošinj etabliert sich<br />

als neue Perle an der Adria<br />

Foto: Michael Hannwacker<br />

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69


stay<br />

C’est chic, boutique<br />

Wie ein stolzer Windjammer hat das jüngste LUX Resort an<br />

der Grand Baie im Norden von Mauritius festgemacht. Ist<br />

das Boutique-Hotel jetzt die Nummer eins auf der Insel?<br />

Text rEinharD MoDriTZ<br />

70 Traveller‘s World


DaS SCHauKElN wIR SCHoN<br />

rooftop, einmal anders. Im Infinity-Pool mit<br />

Blick auf die lagune meint man, über dem<br />

Indischen ozean zu schweben. der Bereich<br />

mit einem restaurant im Wasser, Cabanas<br />

und daybeds wurde so gestaltet, dass man<br />

bis zum spektakulären sonnenuntergang den<br />

ganzen Tag faulenzen möchte<br />

Traveller‘s World<br />

71


stay<br />

Von irgendwo weht der Wind die Klänge eines Saxophons herüber.<br />

Auf Daybeds, Sofas, in Cabanas zelebriert ein illustres<br />

Völkchen den spektakulären Sonnenuntergang. Ganz ausgelassene<br />

Gäste schwingen sogar auf Schaukeln über dem Wasser.<br />

Andere haben an kleinen Tischen im 30 Meter langen Infinity-Pool<br />

Platz genommen und naschen Tapas von schwimmenden Tabletts. Wenn<br />

die Nacht über die Szene hereinbricht, verwandelt sie sich in eine Lounge-Bar, in<br />

der die Beats eines eingeflogenen DJs eine ziemlich schicke Gästeschar unterhalten.<br />

Das allein wäre schon bemerkenswert genug. Doch was wir bisher verschwiegen<br />

haben: Die Bar, das Restaurant „Bisou“ und der nierenförmige Pool befinden sich<br />

hoch oben auf dem Dach des neuen LUX Grand Baie. Kategorie: atemberaubend.<br />

Das allabendliche Schauspiel ist ein Highlight des Boutique-Hotels im Norden<br />

der Insel Mauritius, und es bleibt nicht das einzige. Seit das Resort Ende des<br />

letzten Jahres die ersten Gäste empfing, ist Grand Baie das Maß aller Dinge. Schon<br />

72 Traveller‘s World


wER HaT’S ERFuNDEN?<br />

KElly HoppEN waR’S<br />

Jede suite, jede villa, jede<br />

residenz und jedes Penthouse<br />

wurden mit großer stilsicherheit<br />

eingerichtet – eine symbiose aus<br />

luxus und Komfort, die dem Gast<br />

das schöne Gefühl schenkt, sich<br />

im eigenen designer-Ferienhaus in<br />

den Tropen zu befinden<br />

der Name ist Programm: Es gibt ja kaum eine schönere Bucht für ein Luxushotel.<br />

Und Jean-François Adam nutzte sie für eine spektakuläre Inszenierung. Der aus<br />

Mauritius stammende Architekt hatte bereits als Kind an ebendiesem Strand gespielt<br />

und sehnsüchtige Blicke auf die eleganten Segelyachten geworfen, die in der<br />

Bucht vor Anker lagen. Jahrzehnte später inspirierten sie ihn beim Entwurf für das<br />

Hotel: Wie Segel unter einer steifen Brise blähen sich die Fronten des lang gestreckten<br />

Gebäudes, als ob sie gleich in See stechen wollten. „Wohl noch nie hatte der<br />

Begriff Flaggschiff mehr Berechtigung als hier im LUX Grand Baie“, sagt der Architekt.<br />

Für die Verkleidung der Segel wählte Adam den Rohstoff, dem die Insel seit<br />

Jahrhunderten ihren Wohlstand verdankt: Zuckerrohr.<br />

Großartig ist nicht allein der Anblick von außen. Auch die zum Indischen<br />

Ozean offene vierstöckige Lobby ist ein Statement des guten Geschmacks. Hier ist<br />

alles groß gedacht, auch die sechs Meter langen Sofas, auf denen Neuankömmlinge<br />

ihren Welcome-Drink nehmen. „Als ich gebeten wurde, ein Konzept für das LUX<br />

Grand Baie zu entwerfen“, erklärt die britische Interior-Designerin Kelly Hoppen,<br />

die schon einige Herbergen für die Gruppe gestaltet hat, „wollte ich etwas schaffen,<br />

das es auf Mauritius noch nicht gab, eine ganz neue Erfahrung, eine ganz neue Ästhetik.“<br />

Das eklektische Innendesign und die neutrale Farbpalette der 116 Suiten,<br />

Villen und Residenzen verstehen sich ebenso gut mit Jean-François Adams dramatischer<br />

Architektur wie mit der türkisfarbenen Lagune, den üppigen Gärten und<br />

dem puderweißen Strand.<br />

Apropos Strand: höchste Zeit, das Umfeld des Resorts zu erkunden. Beginnen<br />

wir beim „Beach Rouge“. Erfahrenen LUX-Gästen ist das charakteristische<br />

Traveller‘s World<br />

73


stay<br />

Strandclub-Konzept aus anderen Häusern vertraut. Im Grand Baie jedoch ist<br />

alles noch großzügiger, schöner, eleganter. Die typischen roten Schirme säumen<br />

den überdimensionierten Pool mit der Bar am Kopfende. Das Beach-Res taurant<br />

versorgt die Sonnenanbeter tagsüber mit Snacks, des Abends lockt „Beach<br />

Rouge“ Dinnergäste mit einer höchst kreativen Küche und Nachteulen mit<br />

einem anregenden Musik-Mix.<br />

Mag das „Beach Rouge“ – im besten Sinne – noch als Hotelrestaurant<br />

gelten, so ist das „Ai Kisu“ nicht von dieser<br />

LUX-Welt. Der asiatische Fine-Dining-Tempel agiert auf<br />

dem (hohen!) Niveau internationaler Hotspots wie dem<br />

„Zuma“. Glänzend schwarze Wände, die verspiegelte<br />

Decke und offene Warayaki-Feuerstellen (Ai Kisu bedeutet „Flamme“ auf Japanisch)<br />

vermitteln cooles Großstadtflair, die ellenlange Bar offeriert die größte<br />

Sake-Auswahl im Indischen Ozean. Dies ist das Reich von Judah Tan aus Singapur,<br />

der jedem seiner Gäste das Gefühl gibt, ein ganz besonderer zu sein. Die<br />

begehrten Plätze (in Kürze kommt noch ein Chef’s Table dazu) teilen sich die<br />

Hotelgäste mit der nobel gewandeten Hautevolee der Insel. Die hat es meist<br />

nicht weit ins Grand Baie, die schönsten und luxuriösesten Villen liegen schließlich<br />

gleich um die Ecke am Cap Malheureux.<br />

Der zum Restaurant gehörende Privatclub glänzt mit elegantem Interieur,<br />

Pop-up-Dinner-Partys und Auftritten internationaler DJs und lokaler<br />

Musiker. Und erinnert ein wenig an die Hoch-Zeiten von Night Clubs wie dem<br />

„Régine“ in Paris oder dem „Byblos“ in Saint-Tropez. „LUX Grand Baie möchte<br />

guTEN abEND,<br />

DIE HERRSCHaFTEN<br />

Gibt es einen schöneren Platz für<br />

einen gepflegten drink? Ja, vielleicht,<br />

an der Bar des „ai Kisu” mit Blick auf<br />

die showküche des Gourmet-Tempels.<br />

oder vielleicht im „Maison lUX”, den<br />

Indischen ozean im Fokus<br />

74 Traveller‘s World


Überraschungen auf Schritt und Tritt bieten – von dem Moment, an dem die Gäste<br />

die Lobby betreten“, bekräftigt General Manager Ashish Modak seinen Anspruch.<br />

Und findet es „besonders erfreulich, dass unser Haus schon nach so kurzer Zeit zum<br />

Besten gehört, was Mauritius zu bieten hat“.<br />

Wer abends mit Grandezza feiert, will vielleicht am nächsten Tag ebenso<br />

stilvoll relaxen. Auch im ME Spa & Fitness gilt die Devise „Mehr ist mehr“. Die<br />

Wellness-Oase nimmt ganze vier Stockwerke ein und versteht sich auf einen einfühlsamen<br />

Mix aus modernster Technologie und uralten Weisheiten aus Ost und<br />

West, indoor wie outdoor, ein veritables türkisches Hamam und einen Kneipp-Garten.<br />

Besonders stolz ist man aber auf die eigene Kosmetiklinie und eine Dependance<br />

von Bastien Gonzalez, dem besten Füße-Verwöhner der Welt. Der Meister selbst ist<br />

so gefragt, dass manche Kunden ihn mit dem Privatjet einfliegen lassen. Das ist jetzt<br />

für die Gäste des LUX Grand Baie nicht mehr nötig.<br />

TW<br />

Ab 442 Euro in der Junior Suite. luxresorts.com<br />

Fotos: Tom Fallon (10), Michael Freeman (2)/beide Lux Collection<br />

Traveller‘s World<br />

75


stay<br />

heimat, Gefühle<br />

Das neue Heimat & Natur Spa auf Gut Steinbach<br />

verbindet die Schönheit Oberbayerns mit stilvoller<br />

Ruhe und maximaler Gelassenheit<br />

waRM uMS HERZ<br />

schöner wohnen auf 2000 Quadratmetern. Im neuen Heimat &<br />

Natur spa auf Gut steinbach findet der Gast eine Wellness-<br />

Bibliothek, Kaminzimmer, Bars und einen Pool der extraklasse<br />

76 Traveller‘s World


NaHElIEgEND<br />

entsprechend größtmöglicher<br />

Nachhaltigkeit wurden die<br />

meisten der verbauten Hölzer<br />

in der region geschlagen. Und<br />

die Geweihe für die kühne<br />

lampenkonstruktion über<br />

die zwei spa-etagen hat das<br />

eigene rotwild abgeworfen<br />

ReIT IM WINkl – Gründe für einen<br />

Ausflug nach Gut Steinbach gibt<br />

es eigentlich genug. Wir nennen etwa<br />

die exklusiven Chalets, um die Graf<br />

von Moltke das Relais & Châteaux-<br />

Haus ergänzt hat. Oder das Restaurant<br />

„Heimat“, dessen nachhaltige Regionalküche,<br />

omen est nomen, dem Guide<br />

Michelin einen grünen Stern wert war.<br />

Die neue stilvolle Panorama-Lounge,<br />

liebevoll „Salettl“ genannt. Und die<br />

traumhafte Lage auf einem der sonnigsten<br />

Hochplateaus in den Chiemgauer<br />

Alpen haben wir noch gar nicht<br />

erwähnt.<br />

Und doch gibt es nun noch einen<br />

Grund mehr: ein lichtdurchflutetes,<br />

2000 Quadratmeter großes und sich<br />

über zwei Etagen erstreckendes Wellnessrefugium<br />

namens Heimat & Natur<br />

SPA. Der Name ist Programm. Denn<br />

die – dezidiert zeitgeistige – Architektur<br />

des spektakulären Anbaus zitiert<br />

traditionell-bayerische und an alpine<br />

Höfe angelehnte Elemente und öffnet<br />

mit großen Glasfronten den Blick hinaus<br />

auf das nahe Reit im Winkl und die<br />

umliegenden Berge.<br />

Die meisten der verwendeten<br />

Hölzer stammen aus nachwachsenden<br />

Wäldern der direkten Umgebung oder<br />

aus dem gutseigenen Wald. Und schon<br />

im Eingangsbereich des Spa findet sich<br />

ein unmissverständlicher Hinweis auf<br />

die Heimatverbundenheit: ein über<br />

zwei Stockwerke reichender Leuchter,<br />

der einheimisches Holz mit abgeworfenen<br />

Geweihen des Rotwildes aus<br />

dem gräflichen Gehege kombiniert.<br />

Edel präsentiert sich auch das übrige<br />

Interieur. In der verspiegelten Decke<br />

zeigt sich das Ebenbild des eindrucksvollen<br />

18-Meter-Indoor-Pools, in den<br />

stilvollen und großzügig bemessenen<br />

Ruheräumen wird auch das Auge<br />

verwöhnt, der offene Kamin in der<br />

Wellness-Bibliothek verbreitet wohlige<br />

Wärme und vermittelt Gemütlichkeit.<br />

Sogar eine gute Stube gibt es, zwei<br />

Bars spenden Tee und Mineralwasser,<br />

und im Gym können sich Fitnessbewusste<br />

auf der neuesten Generation<br />

von Peloton und Precor abstrampeln.<br />

Im Sommer wartet ein großzügig angelegter<br />

Außenbereich mit Schatten<br />

spendenden, heimischen Obstbäumen<br />

sowie einer Yogawiese.<br />

Kurzum, eigentlich will man die<br />

Wohlfühloase gar nicht mehr verlassen.<br />

Was aber schade wäre, schon wegen<br />

der exzellenten Küche, siehe oben.<br />

DZ ab 240 Euro, Heimat & Natur Spa<br />

inklusive, gutsteinbach.de<br />

Fotos: Luca Guadagnini/Lineematiche (5)<br />

Traveller‘s World<br />

77


stay<br />

78<br />

Traveller‘s World


Das<br />

blaue Wunder<br />

Die kroatische Adria-Insel Lošinj empfahl sich<br />

vor über 100 Jahren schon einmal als Traumziel.<br />

Nach einem langen Dornröschenschlaf feiert sie<br />

jetzt ihr Comeback Text r. g. FalknEr<br />

aquamarin an der adria<br />

Mit der abenddämmerung kehrt in die Bars,<br />

restaurants und Cafés der Inselhauptstadt<br />

Mali losinj fast ein bisschen Urbanität ein<br />

Traveller‘s World


stay<br />

Traveller‘s World


Ist sie nicht märchenhaft?“, fragt Peter Schoch. Doch das ist eher rhetorisch.<br />

Schließlich weiß der Schweizer, dass eine Aussicht wie die vom<br />

Monte Baston, dem Hausberg des Hafenstädtchens Mali Lošinj, sonst<br />

eigentlich nur in der Fantasie zu haben ist. Wir schauen auf die Uvala<br />

Cikat, die „Zikadenbucht“ – und können uns nicht sattsehen: umkränzt von einem Pinienwald,<br />

umspült vom lupenreinen Aquamarin der Adria, erfüllt vom Singen der namengebenden<br />

Zikaden und illuminiert von den Lichtern glamouröser Ausnahme-Hotels: dem<br />

Alhambra, dem Bellevue und den schmucken Art-nouveau-Villen Hortensia und Mirasol.<br />

Und warum sieht Peter Schoch so stolz aus? Ganz einfach. Er führt die Regie über die Lošinj<br />

Hotels & Villas.<br />

Die vier Small Luxury Hotels haben die Bay exklusiv, was die Uvala Cikat zu einer 20-Sterne-Bucht<br />

macht. Genau gerechnet, sind es sogar 21, denn sie hat die Form eines Sterns – an dem<br />

praktischerweise eine Zacke fehlt – andernfalls gäbe es keinen Zugang zur offenen See. Wie<br />

exklusiv der Standort ist, illustriert der Rundblick vom Gipfel: Ringsumher ragen karge Eilande<br />

aus der kroatischen Adria, nur Lošinj badet geradezu im Grün. „Auf der Insel gedeihen über<br />

200 Baumarten“, schwärmt unser Gastgeber, „wie Kiefern, Pinien, Palmen, Tamarisken und<br />

Zypressen.“ Und warum dies? „Lošinj ist privilegiert mit seinen Quellen, guten Böden und der<br />

geschützten Lage. Und hat als einzige Insel der Adria ein subtropisches Mikroklima.“<br />

Das sind gute Voraussetzungen für eine märchenhafte Karriere. Sie startete zu einer Zeit, als<br />

Österreich, im Verbund mit Ungarn, noch ein Riesenreich war und über eine ellenlange Küste<br />

verfügte, die von Triest bis hinunter nach Kotor reichte. Und während das Gros von Europas<br />

Hoch- und Geldadel an die französische Riviera strebte, gingen die Habsburger daran, die Adria<br />

mondän zu prägen. Lošinj, damals: Lötzing, sollte das Vorzeigeprojekt werden.<br />

buntes Treiben<br />

die farbenfrohen Häuser rund um den kleinen Hafen<br />

haben veli losinj den Beinamen Klein-Portofino eingebracht.<br />

verwandte Töne sieht man an den Prachtbauten<br />

in der Zikadenbucht, deren Gäste einen logenplatz am<br />

kristallklaren Meer bekommen<br />

Traveller‘s World<br />

81


stay<br />

Zunächst ließ Kaiser Franz Joseph I. für seine Sisi die Villa Karolina errichten. Heimlich<br />

nutzte er sie aber mit seiner Geliebten, der Schauspielerin Katharina Schratt, weshalb der<br />

Volksmund dem Liebesnest den Namen „Villa Gspusi“ verlieh. 1912 folgte gleich nebenan das<br />

Alhambra, erbaut vom Wiener Architekten Alfred Keller – dem späteren Namenspaten des<br />

Hotelrestaurants.<br />

Leider endete das Märchen 1914, als rund 500 Kilometer östlich von hier der österreichische<br />

Thronfolger ermordet wurde. Seither lag die Bucht in einem 100-jährigen Dornröschenschlaf.<br />

Aber wie die meisten Märchen endet auch dieses gut. Davon zeugt vor allen anderen<br />

das Boutique-Hotel Alhambra & Villa Augusta. Der (arabische) Name, deutsch: „rote<br />

Festung“, erklärt sich angesichts der weinroten Jugendstil-Fassade von selbst. Im grundrenovierten<br />

Interieur dominieren warme, neutrale Pastellfarben, die das satte Grün und Blau<br />

der Natur von den Balkonen und Terrassen ihrer 51 Zimmer und Suiten umso prächtiger<br />

leuchten lassen. Jüngster Zugang unter den Prachtbauten in der Bucht ist die versteckt<br />

liegende Captain’s Villa Rouge, die samt Pool und üppigem Park nur als Ganzes gebucht<br />

werden kann.<br />

Das Sunset Dinner genießen wir auf der Terrasse des „Alfred Keller“. Das Restaurant wäre<br />

für Gourmets Grund genug für einen Ausflug nach Lošinj. Zur atmosphärischen Einstimmung<br />

wird ätherischer Duft der Pinien geboten und ein Ufer, das den abendlichen Glanz des<br />

Alhambra widerspiegelt. Das Restaurant hat letztes Jahr unter der Leitung des Schweizer<br />

Zwei-Sterne-Kochs Christian Kuchler mit dem jungen österreichischen Küchenchef Michael<br />

Gollenz seinen ersten Michelin-Stern erobert – ein Meilenstein für die gesamte Region.<br />

Frische Kräuter erntet der aufstrebende Jungstar im hoteleigenen<br />

Garten, Fleisch bezieht er aus zertifizierten Bio-Betrieben, Fisch<br />

bestellt er täglich frisch bei Goran, Ex-Weltmeister im Speerfischen,<br />

der ihm jeden Morgen seinen Fang per Foto schickt. Das Ergebnis:<br />

Wow! Dazu gesellen sich erlesene Tropfen aus dem „Alfred Keller“-Keller, in dem über 400<br />

Top-Labels aus allen Alten und Neuen Welten lagern, darunter seltene Bouteillen aus dem<br />

Vorzeige-Weingut Frescobaldi. „Der Michael will noch hoch hinaus“, ahnt Schoch, „mit dem<br />

einen Stern ist er erst auf den Geschmack gekommen.“<br />

Am nächsten Vormittag steht die Sonne gelb und warm am Himmel, in der Bucht dümpeln<br />

stolze Yachten, das Wogen der Wälder mischt sich mit dem sanften Rauschen des Meeres, die<br />

Luft ist von betörender Würze. Zeit, die Insel zu erkunden. Etwa so groß wie Sylt, bietet sie<br />

Dutzende Buchten mit verträumten Stränden, an denen sich die Gäste der Luxushotels einträchtig<br />

neben den Locals aalen. Für uns aber ist erst mal Kultur angesagt. Die gibt es reichlich in Mali<br />

Lošinj. Die stolze Marina kündet von ruhmreichen Zeiten lange vor den Habsburgern, als<br />

„Klein-Lötzing“ eine regionale Seemacht und gleich nach Triest der größte Hafen an der Adria<br />

war. Restaurants reihen sich an Bars und Cafés, das Treiben in den Gassen ist bunt. Jüngster Stolz<br />

der Hafenstadt aber ist ein zwei Jahrtausende alter, spektakulärer Fund.<br />

Eine antike Schiffscrew muss die fast zwei Meter große Bronzestatue des Apoxyomenos<br />

im ersten Jahrhundert nach Christus während eines Sturms vor der Insel Lošinj ins Meer<br />

geworfen haben, um ihr Schiff zu retten – so besagt die Legende. 1996, nach fast 2000 Jahren<br />

auf dem 45 Meter tiefen Meeresgrund, wurde die Skulptur des griechischen Wettkämpfers<br />

zufällig bei einem Tauchgang entdeckt. Nach ihrer Restaurierung in Florenz und einer<br />

Tournee durch ein paar der wichtigsten Museen der Welt zog die komplett erhaltene Figur in<br />

ein eigens in Mali eingerichtetes Museum.<br />

Zum Abschied verordnet uns Peter Schoch einen Abstecher in das malerische Fischerdorf<br />

Veli Lošinj (Groß-Lošinj, das originellerweise viel kleiner als Mali ist), „für die schönste<br />

Attraktion der Fünf-Sterne-Bucht“. Dazu müssen wir erst mal ein abenteuerlich aussehendes<br />

schwimmendes Etwas besteigen und weit ins Meer hinausfahren. Und dann kommen sie<br />

angeschossen, die blau-grauen Rücken mit den eleganten Flossen, nah bis ans Boot, sodass<br />

man sie beinahe tätscheln kann. „Es gibt rund 120 Delfine hier“, sagt Ivan, der Bootsführer,<br />

„wir betreuen sie im Teamwork mit dem Blue World Institute. Sie haben alle einen Namen und<br />

eine ID-Card.“ Gerade vollführt eines der Tiere einen Luftsprung. „Wie heißt denn der hier?“,<br />

fragen wir. „Ich glaube, das ist Cikat 54“, sagt Ivan und lächelt spitzbübisch dabei.<br />

TW<br />

DZ ab 420 Euro, Alhambra & Villa Augusta, T. +385.51.26 07 00,<br />

losinj-hotels.com<br />

Fotos: Eric Martin/Le Figaro Magazine/laif (3), Günther Standl/Jadranka (2), Sandro Tariba<br />

82 Traveller‘s World


luxus auf losinj<br />

der jüngste Zuwachs der losinj Hotels & villas, die<br />

villa rouge, garantiert: Was hinter dem schmiedeeisernen<br />

Tor geschieht, bleibt hinter dem schmiedeeisernen<br />

Tor (weiter im Uhrzeigersinn). das einstige<br />

Fischerdorf veli losinj ist auch vom Wasser aus ein<br />

bezaubernder anblick. Boutique-Hotel alhambra, hundert<br />

Jahre und kein bisschen alt. Feste feiern, wie sie<br />

fallen. sternenglanz über der adria: Michael Gollenz,<br />

links, und Christian Kuchler


style stay<br />

how suIte It Is<br />

Ihre schönste<br />

rolle<br />

Isabelle Huppert,<br />

Grande Dame des<br />

französischen Films, in<br />

ihrer Penthouse-Suite<br />

im Hôtel Martinez.<br />

Wenn Sie mögen,<br />

können Sie hier Ihre<br />

Starallüren ausleben<br />

Das Kino hat es schon immer geschafft, das Leben ein wenig<br />

aufregender zu insze nieren. Hotels versuchen das auch.<br />

In Cannes – wo sonst in Europa? – kommt beides zusammen<br />

Text CLARA SILBERSTEIN<br />

84 Traveller‘s World


stay<br />

Die gigantische terrasse mit ihrem cinemascope-Blick<br />

war schon immer schauplatz glamouröser Partys<br />

Der DIskrete charme Der BourgeoIsIe<br />

Festival-Chef Thierry Frémaux bekam ein männliches Boudoir mit Lichtspielhaus-Flair;<br />

die Huppert einen sanften Traum in Cremetönen<br />

86 Traveller‘s World


Fotos: Thomas Vollaire (2), Michel Figuet (4)<br />

rihanna, Bruce Willis, Susan Sarandon, Leonardo DiCaprio,<br />

Eva Longoria … die Liste der prominenten Gäste des<br />

Hôtel Martinez ist lang. Vor allem während des Festival<br />

de Cannes flüchten sie vor dem Trubel auf der Croisette<br />

hierher und halten Hof in ihren Suiten. Auch Frankreichs<br />

Filmdiva Isabelle Huppert zählt zu den Freundinnen des<br />

Hauses – als Stammgast bei den Festspielen. Sie wird jetzt wohl noch öfter<br />

zu Besuch kommen – sie kann neuerdings in einer fantastischen Penthouse-<br />

Suite übernachten, die ihren Namen trägt. Auch Thierry Frémaux, Generaldirektor<br />

des internationalen Festival de Cannes, ist eine Suite gewidmet. Beide<br />

natürlich auf der obersten, der siebten Etage, deren gigantische Terrasse mit<br />

Cinemascope-Blick schon immer Schauplatz glamouröser Partys war.<br />

„Beim Betreten ihres Appartements werden beide Namensgeber ein bisschen<br />

von sich selbst finden“, glaubt Interior-Designer Pierre-Yves Rochon, der<br />

die 1250 Quadratmeter der Suiten gestaltete. „Aber es wird sehr diskret sein.“<br />

Zunächst einmal gelang ihm das Kunststück, die ehemals eher kleinen Fenster<br />

durch deckenhohe Glasflächen zu ersetzen, sodass sich das Breitwandpanorama<br />

nun auch vom Sofa aus eröffnet. Bei der Einrichtung fühlte er sich in den<br />

Geschmack der beiden Namensgeber ein. Isabelle Hupperts Suite ist sanft und<br />

weiblich in Weißschattierungen, Cremetönen und Gold gehalten: „Die Räume<br />

sind großzügig, entspannend, auf eine gewisse<br />

Weise auch schlicht“, findet die Schauspielerin,<br />

„sie sind spektakulär, aber keineswegs aufdringlich<br />

oder erdrückend.“ Für Thierry Frémaux wurde<br />

ein männliches Boudoir mit stromlinienförmigen<br />

Mobiliar und Lichtspielhaus-Flair entworfen. Das<br />

Badezimmer ähnelt einer Garderobe, der markante<br />

schwarz-weiße Boden erinnert an alte Filme, im<br />

marineblauen Salon hat man leicht das Gefühl, in<br />

einem Kino zu sitzen. „Es ist fast ein Arbeitszimmer<br />

für mich“, amüsiert sich der Festival-Chef.<br />

Die persönliche Aura ist also allgegenwärtig.<br />

Beide waren sogar an der Kreation des exklusiven<br />

Raumdufts ihres Appartements und des eigens dafür<br />

angefertigten Porzellans beteiligt. Sie wählten<br />

die Bilder und Bücher aus, die in den Räumen verteilt<br />

wurden, sowie die Musik der Playlist und die<br />

Gerichte der speziellen Menükarte des Room Services<br />

– Isabelle Huppert wünschte sich ihre Lieblingsspeise<br />

Rühreier, Thierry Frémaux ein Pilzfrikassee.<br />

Très gourmet ist das beides nicht, aber wer<br />

sagt, dass Celebrities sich nur von Kaviar ernähren?<br />

Die Suiten sollen Gästen ermöglichen, für ein paar<br />

Nächte in das Leben eines Stars einzutauchen – gerne<br />

stilvoll und luxuriös, aber ohne falsche Klischees.<br />

„Bienvenu dans mon appartement, je vous<br />

souhaite un merveilleux séjour, willkommen in<br />

meinem Appartement, ich wünsche Ihnen einen<br />

wunderbaren Aufenthalt, Isabelle“, steht auf einer<br />

handgeschriebenen Karte, die jeder, der die Huppert-Suite<br />

gebucht hat, bei der Ankunft vorfindet.<br />

Die wird wohl niemand achtlos liegen lassen. TW<br />

Preis auf Anfrage, hyatt.com<br />

Traveller‘s World<br />

87


stay<br />

Cora Cora,<br />

non labora<br />

Ein neues<br />

Resort auf den Malediven zelebriert<br />

die Leichtigkeit des Seins<br />

Text kriSTina ErharD<br />

wenn das kein Zeichen ist: Nach 45 Minuten<br />

im Wasserflugzeug von Malé brechen die<br />

Wolken auf. Sie machen der Sonne Platz,<br />

um die Lagune ins rechte Licht zu rücken,<br />

die halbmondförmig die kleine Insel Maamigili im Raa-Atoll umgibt. Das<br />

Cora Cora Maldives Resort gilt als eines der spannendsten Openings der<br />

ostindischen Inselkette. Zunächst bedient es die Erwartungen: eine Insel,<br />

die sich in 15 Minuten umrunden lässt, auf weichem, weißem Sand, darüber<br />

Palmen, die sich sanft im Wind biegen. Davor eine Lagunenlandschaft<br />

mit tausend blauen und weißen Farbtönen. Das Honeymoon-Feeling de<br />

luxe oder zumindest ein Ort zum Träumen.<br />

Auch die zeitgeistigen Overwater- und Beachvillen, der riesige<br />

Infinity-Pool, das erstklassige Spa, das PADI-Wassersportzentrum und die<br />

strohgedeckten<br />

Restaurants, die<br />

kulinarisch rund<br />

um die Welt führen,<br />

gehören zu den Qualitäten, die ein High-End-Resort auf den Malediven<br />

ausmachen. Das Interieur orientiert sich an pastelligen Farbversionen<br />

des Regenbogens, es wirkt alles leicht und luftig.<br />

Weißer Strand, himmlische Villen – die Insel bedient<br />

die freiheit.<br />

Den Unterschied markiert das Motto des Resorts: „It’s freedom<br />

time“. Es rückt die individuelle Reise eines jeden Gastes in den Fokus. Die<br />

Mitarbeiter von Cora Cora verstehen sich als „Freedom Fighters“, sogar<br />

ein „Freedom & Transformation Coach“ lässt sich während des Aufenthalts<br />

konsultieren. Dazu passt, dass das „Moksha Spa & Wellbeing Centre“<br />

auf klassische Gesichtsbehandlungen oder Maniküren verzichtet und<br />

seinen Gästen lieber die Möglichkeit bietet, den Geist zu entspannen und<br />

Herz und Seele in Einklang zu bringen.<br />

loSlaSSEN<br />

das Freiheitsgefühl stellt sich bereits<br />

bei der anreise mit dem Wasserflugzeug<br />

ein und setzt sich mit dem<br />

Interieur der 100 großzügig bemessenen<br />

Beach und overwater villas<br />

fort. das resorteigene Museum sorgt<br />

für Weiterbildung, der Infinity-Pool für<br />

entspannung. die duplex lagoon villa<br />

zählt schon wegen der Wasserrutsche<br />

zu den Favoriten bei den Gästen<br />

88<br />

Traveller‘s World


Erwartungen. Und überrascht mit großer Lässigkeit<br />

Traveller‘s World<br />

89


stay<br />

Auf Cora Cora wird mehr auf das Sein als auf den Schein<br />

90 Traveller‘s World


all-INCluSIvE<br />

Uneingeschränktes Wohlbefinden<br />

versprechen die weichen Betten der<br />

lagoon-villen und die Treatments im<br />

„Moksha spa & Wellbeing Centre”. Zu<br />

den stillen vergnügen zählen Barfußspaziergänge<br />

im weichen sand und<br />

die reflexionen des abendhimmels<br />

im riesenpool. Und im türkisblauen<br />

Wasser rund um das raa-atoll warten<br />

wahre abenteuer<br />

das erlebnis.<br />

Auch das Ethnographische Museum von Raa Maamigili hebt das<br />

Resort ab von der Konkurrenz. Es verfügt über die umfangreichste Sammlung<br />

maledivischer Artefakte außerhalb der Hauptstadt. Chinesisches Porzellan<br />

oder Relikte der Niederländischen Ostindien-Kompanie erinnern<br />

daran, dass die Malediven, lange bevor sie zum Resortparadies aufstiegen,<br />

an einer belebten Ost-West-Handelsroute lagen. Nebenan zeigt die kleine<br />

archäologische Stätte im Zentrum der Insel jahrhundertealte Gemeinschaftsbäder,<br />

traditionelle Häuser mit geschnitzten Holzläden und den<br />

Boden einer<br />

alten Moschee.<br />

Es ist das Reich<br />

von Wifag, dem<br />

Ausgrabungsbeauftragten der Insel, dessen Wissen über sein Heimatland<br />

ein ganzes Buch füllen könnte (und sollte!).<br />

Ein weiteres Highlight ist ein Besuch auf „Ghost Island“. Die Nachbarinsel,<br />

mit einem Dhoni in knapp 30 Minuten erreicht und nicht mal<br />

einen Kilometer breit, hatte mehr als 3000 Einwohner, bevor sie 2004 vom<br />

Tsunami verwüstet wurde. Zurück blieb eine verfallene Stadtlandschaft.<br />

In der Schule fällt das Licht auf verblassende Mottos an den Wänden der<br />

Klassenzimmer. Eines davon: „Lachen ist die beste Medizin.“<br />

gesetzt – und zwar das auf der Sonnenseite des Lebens<br />

der Genuss.<br />

Auch nicht ganz ungesund: im Beach Club – auf dem von einer aus<br />

Johannesburg stammenden DJane ausgelegten Soundteppich – an einem<br />

Cocktail zu nippen und den Sonnenuntergang zu genießen. Von dort sind<br />

es nur ein paar Schritte zum „Acquapazza“, der kulinarischen Heimat<br />

von Küchenchef Umberto Piccolini. Dabei bedienen er und seine 80 (!)<br />

Mitarbeiter in den vier Restaurants des Resorts (fast) alle Geschmäcker der<br />

Welt. Das Streetfood-Restaurant „Ginger Moon“ zaubert in seiner offenen<br />

Schauküche authentische südostasiatische Spezialitäten auf den Teller.<br />

Das „Tazäa“ entführt auf die ehemalige Gewürzroute, beachtet aber mit<br />

Gerichten wie dem Barabo Riha, einem würzigen Kürbiscurry mit Kokosnussmilch,<br />

auch maledivische Traditionen. Die drei Säulen der japanischen<br />

Küche, Teppanyaki, Sushi und Kushiyaki, stehen bei Ahmed, einem einheimischen<br />

Koch, im „Teien“ auf festem Sockel. Wie ein Dompteur steht<br />

er am Teppanyaki-Grill, sein Werkzeug sind die Spatel, Fleisch, Fisch und<br />

Gemüse auf der Gussplatte seine Manege.<br />

Und nach dem Dinner? Reicht es, noch einen Drink zu nehmen, die<br />

Sterne zu beobachten und leichtfüßig über den Sand oder den Steg zu seiner<br />

Villa zu spazieren. Und die Leichtigkeit des Seins zu spüren. TW<br />

Ab 700 Euro all-inclusive, coracoraresorts.com<br />

Fotos: Ismail Niyaz<br />

Traveller‘s World<br />

91


stay<br />

Der Kunstpalast<br />

Einem guten Zweck diente<br />

sie schon immer. Und jetzt<br />

ist die CA’ DI DIO unser<br />

neues Lieblings refugium<br />

in der Lagune<br />

parole e immagini MICHAEL HANNWACKER<br />

ART HOUSE<br />

venedigs jüngstes Fünf-sterne-Hotel liegt nächstmöglich zum arsenale und den Giardini, den schauplätzen<br />

der 59. Kunst-Biennale, die am 23. april beginnt. dann werden sich in der aus der Hochrenaissance<br />

stammenden Kapelle, die Patricia Urquiola zur lobby umgedeutet hat, die Kunstfreunde drängen<br />

<strong>92</strong><br />

Traveller‘s World


Traveller‘s World<br />

93


stay<br />

KURzE wEgE<br />

Hochzeitsgäste könnten direkt<br />

vor dem Hotel anlegen. Zu Fuß<br />

ist das ehemalige Pilgerheim und<br />

Kloster über den Ponte de la Ca’<br />

di dio zu erreichen. Im Finedining-restaurant<br />

„vero” sind<br />

die wichtigsten Ingredienzien –<br />

Gemüse aus der region – an die<br />

decke projiziert. doch vor dem<br />

Mahl am abend wäre ein Besuch<br />

in der Hotelbar „alchemia” angezeigt.<br />

Mundgeblasenes Glas aus<br />

Murano ist allgegenwärtig<br />

die Fahrt dauert nicht mal eine halbe Minute. Man hat sich vom Vaporetto an der Station San Giorgio<br />

Maggiore aussetzen lassen, durchschreitet Palladios wunderbar austarierte Kirche, wendet sich<br />

links vom Chorraum in einen Gang, der zum Kirchturm führt. Und nein, man muss sich keine enge,<br />

womöglich nicht ganz vertrauenswürdige Treppe hinaufquälen. Es gibt einen Fahrstuhl! Keine 20,<br />

30 Sekunden später ist man – wenn man Glück hat, mit nicht allzu vielen anderen Menschen – am<br />

allerschönsten Aussichtspunkt der ganzen Lagune angelangt.<br />

Nach Süden schaut man über die Lagune und den Lido bis zur Adria, im Westen auf die<br />

Giudecca, die gerade eingerüstete Santa Maria della Salute und im Hintergrund leider auch Mestre,<br />

Venedigs hässliche Schwester. Im Osten breitet sich der sestiere Castello aus, in dem die Venezianer noch halbwegs unter<br />

sich sind. Richtung Norden wandert der Blick vom Dogenpalast die Riva degli Schiavoni entlang und entdeckt plötzlich<br />

etwas Neues. Oder zumindest etwas sehr frisch Gestrichenes. Die Ca’ di Dio.<br />

Die heißt so, weil hier im Mittelalter, genauer von 1272 bis 1340, Pilger Station machten, bevor sie die gefährliche<br />

Reise ins Heilige Land antraten. Mitte des 16. Jahrhunderts baute Jacopo Sansovino, Architekt zum Beispiel der schönen<br />

Loggetta des Campanile von San Marco, den Komplex zu einem Kloster aus, in dem fortan verlassene und verstoßene<br />

Frauen unterkamen. Zuletzt diente die Ca’ di Dio als casa di riposo per anziani – als Altersheim.<br />

Seit vergangenem Herbst aber ist das Haus eine himmlische Herberge für anspruchsvolle Pilger nach Venedig. Das<br />

jüngste Mitglied der kleinen Gruppe der VRetreats (zwei weitere Hotels stehen in Taormina, Sizilien, ein drittes in Rom)<br />

strahlt in einem cremeweißen Anstrich, der bei so vielen anderen venezianischen Palästen unterschiedlichen Zuständen<br />

der Verwitterung gewichen ist. Die makellose Fassade duldet nicht mal einen Hinweis auf das Geschäft, das dahinter<br />

betrieben wird (die dezente Plakette der Small Luxury Hotels gewahren nur mit dem Wassertaxi anreisende Gäste, das<br />

am Seiteneingang am Rio de la Ca’ en Duo anlegt).<br />

Die Lage ist exquisit. Vom Trubel um den Markusplatz entrückt, aber nur fünf Brücken von ihm entfernt, ruht die<br />

Ca’ di Dio an dem breiten Kai, der vom Dogenpalast zu den Giardini führt. Es ist ein fast exklusiver Abschnitt der Uferstraße,<br />

auf dem, im Gegensatz zu den meisten anderen Plätzen auf dem Weg nach San Marco, kein Straßenhandel<br />

erlaubt ist. Vor dem Hotel schaukelt der pontile arsenale, also die Vaporetto-Haltestelle „Arsenale“, auf den Wellen der<br />

Lagune. Das ist insofern praktisch, als hier auch der Shuttle vom Flughafen San Marco anlegt. Zudem sind es nur wenige<br />

Schritte zu der riesigen, schon von Dante besungenen Werft, die seit 1999 als Abspielfläche für die Kunst- und Architektur-Biennale<br />

dient.<br />

Die schlichte Bausubstanz der Ca’ di Dio hat die Mailänder Designerin Patricia Urquiola nun zu einem dankenswerten<br />

Statement wider die schwere grandezza genutzt, die einen in Venedigs traditionellen Hotelpalästen zu erdrücken<br />

94 Traveller‘s World


Traveller‘s World<br />

95


stay<br />

RiAlTO-ROmAnzE<br />

liebespaare mögen sich von<br />

venedigs berühmtester Brücke<br />

angezogen fühlen. Intimer und<br />

keineswegs weniger romantisch<br />

wäre es in der Blibliothekslounge<br />

der Ca’ di dio mit<br />

ihrem verträumten Blick auf<br />

san Giorgio Maggiore. Klösterliche<br />

ruhe herrscht selbst<br />

morgens im großen Innenhof,<br />

wenn das Frühstück für die<br />

Hotelbewohner serviert wird,<br />

die zuvor in den von stardesignerin<br />

Patricia Urquiola mit<br />

üppiger strenge eingerichteten<br />

Quartieren erwacht sind. In den<br />

Bädern feiert die in Mailand<br />

lebende spanierin wieder das<br />

Kunsthandwerk aus Murano<br />

droht. Nicht dass sie auf Minimalismus gesetzt hätte, der allzu oft die falsche Gegenreaktion auf zu viel Plüsch und<br />

Pomp darstellt. Ganz im Gegenteil. Von der Decke der Lobby hängt ein beeindruckender Leuchter aus 14 000 (!) mundgeblasenen<br />

Muranoglasscherben, darunter stehen zwei fast barock geschwungene Sofas, auf die sich niederzulassen<br />

Gäste für den Check-in gebeten werden.<br />

die 66 Zimmer und Suiten – sie folgen dem ursprünglichen Grundriss der Zellen – gruppieren sich<br />

um drei wunderbar ruhige Innenhöfe (das Frühstück im ersten, größten könnte man, würde<br />

nicht Venedig – und zusätzlich die Biennale* – warten, gern auf mehrere Mußestunden ausdehnen).<br />

Die Wände sind mit blau-grünen (die Farben der Lagune nachahmenden) Stoffbahnen<br />

bespannt, roter Marmor dominiert die gloriosen Badezimmer, alle Leuchten sind ebenfalls in<br />

Murano gefertigt. Erste Wahl sind zwei Gemächer unter den Dächern der beiden Klosterflügel.<br />

Sie verfügen über exklusive, auf Stelzen balanciernde Altane mit einem unbezahlbaren 360°-<br />

Blick über Venedig.<br />

Zwei Einschränkungen. Erstens: Manche Zimmer auf der dritten Etage haben wegen der Dachschrägen Fenster in<br />

Bauchnabelhöhe, für einen Blick nach draußen eher mühsam. Zweitens: Bei einem nächsten Besuch würden wir fragen,<br />

ob auf der anderen Seite des schmalen Kanals noch immer gebaut wird, und in diesem Fall um Unterbringung in einem<br />

anderen Trakt des Hauses bitten.<br />

Wenn Petrus es zulässt, nutzen die todschicke „Alchemia“-Bar und das nicht minder ambitionierte Restaurant<br />

„VeRo“ (kurz für Venetian Roots) die breite Uferstraße als Terrasse. Auf bequemen Sesseln an einem Negroni nippend<br />

oder vom Safranrisotto mit lokalem Tintenfisch kostend, genießen die Gäste die Bilderbuchsicht auf das Treiben auf<br />

dem Wasser. Und auf San Giorgio Maggiore mit seinem Kirchturm.<br />

TW<br />

DZ ab 280 Euro, vretreats.com/ca-di-dio/<br />

* BIENNALE ARTE 2022<br />

Es dürfte, neben der documenta in Kassel, das wichtigste Ereignis der zeitgenössischen Kunst in diesem<br />

Jahr werden. Leiterin der 59. Esposizione Internazionale d’Arte ist zum ersten Mal eine Italienerin,<br />

die in New York wirkende Kuratorin CECILIA ALEMANI (links). Ihr Programm ist nicht eben bequem,<br />

aber hoch spannend: Frauen und „nicht geschlechtskonforme” Künstler sollen die dominierende Rolle<br />

der Männer in der Gesellschaft herausfordern und die Beziehungen zwischen Menschen, Technologie<br />

und verschiedenen Lebensformen auf der Erde untersuchen. Neben der Ausstellung im Zentralen<br />

Pavillon in den Giardini und im Arsenale sind 80 Länder mit ihren nationalen Pavillons vertreten.<br />

23. April bis 27. November, labiennale.org/en/art/2022<br />

96 Traveller‘s World


Traveller‘s World<br />

97


stay<br />

BENVENUTI<br />

seit dem späten 19. Jahrhundert<br />

empfängt das<br />

Helvetia & Bristol internationale<br />

Gäste. da wurde<br />

es Zeit, die alte dame<br />

etwas zu verjüngen<br />

98 Traveller‘s World


Renaissance bis ins Badezimmer<br />

Das älteste Luxushotel am Arno eröffnet nach einer<br />

sorgfältigen Renovierung mit neuen Zimmern und Suiten,<br />

einem weiteren Flügel und einem kulinarischen Füllhorn<br />

Florenz – Helvetia & Bristol, das klingt nach alter Pracht. Nach gelebter<br />

Geschichte, gewachsener tradition, selbstverständlicher Grandezza. Genau so<br />

präsentiert sich der 1885 eröffnete Hotelpalast, der in bester Florentiner altstadtlage<br />

zwischen via de’ tornabuoni, Piazza della repubblica, Dom und arno steht:<br />

mit stuck und säulen, hohen Decken und samtigem Parkett, wertvollen antiquitäten,<br />

großen Murano-Kronleuchtern und Marmor-Bädern. Das gefiel illustren<br />

Gästen wie eleonora Duse, igor strawinsky und Giorgio de Chirico, aber auch<br />

späteren Florenz-Besuchern, die das Gefühl, ein Haus mit Historie zu betreten,<br />

nicht missen wollten. Die renaissance sollte bis ins Badezimmer spürbar sein –<br />

wenn auch nicht gerade unter der Dusche.<br />

2016 kam das damals fast vergessene luxushotel zum Portfolio der starhotels<br />

Collezione und somit in die Hände von elisabetta Fabri, tochter des Gründers<br />

sowie Präsidentin und Ceo der Gruppe. als gebürtige Florentinerin hat sie<br />

die traditions-DNa im Blut, doch auch ihre Jahre in New York haben spuren<br />

hinterlassen. Jedenfalls entschied sie, bei der totalrenovierung des Hotels, die<br />

gleichzeitig eine erweiterung ist, zweigleisig zu fahren.<br />

Wer heute durch das doppelte eingangsportal die lobby betritt, steht vor<br />

einem großen kreisförmigen sofa aus schimmerndem grauem samt, der die Farbe<br />

der mächtigen sandsteinsäulen ringsum aufnimmt. in der sofamitte leuchtet<br />

ein korallenroter runder samttisch mit dem antiken terracotta-Boden um die<br />

Wette. Der look ist zeitgeistorientiert und sehr schick – trotz oder gerade wegen<br />

des altehrwürdigen rahmens. Der Kontrast zwischen sehr alt und ganz neu zieht<br />

sich durch das ganze Haus. Das „alte“ Helvetia & Bristol – jetzt Helvetia-Flügel –<br />

wurde sechs Monate lang sorgfältig renoviert und empfängt<br />

nun mit eleganten vertäfelungen, nach originalmotiven<br />

handgearbeiteten tapeten, handgeschliffenen eichenholzböden,<br />

opulenten seidendamaststoffen, kostbaren taftvorhängen<br />

und penibel aufgearbeiteten antiquitäten.<br />

vollkommen neu ist dagegen der Bristol-Flügel, der<br />

durch die angliederung eines prachtvollen, gleich nebenan<br />

stehenden Palazzos entstand. Wo früher die Hauptverwaltung<br />

des Banco di Roma residierte, befinden sich jetzt 25<br />

Zimmer und suiten, gestaltet von anouska Hempel. Die londoner<br />

Designerin schuf ungewöhnliche, überraschende und<br />

faszinierende räume, die eine moderne Handschrift tragen,<br />

ohne den intimen, privaten und florentinischen Wohnstil des<br />

Hauses zu verraten. Die neutrale Farbpalette in unterschiedlichen<br />

Grauschattierungen passt perfekt zu den verspiegelten<br />

Möbeln, schmiedeeisernen Himmelbetten mit bestickten,<br />

feinen Baumwolllaken und den großen Badezimmern aus<br />

weiß-schwarzem Carrara-Marmor. „ich komme gerne nach<br />

Florenz, elisabetta Fabris Konzept der zeitgenössischen Gastfreundschaft deckt<br />

sich perfekt mit meinen vorstellungen“, bekennt die britische Designerin. „Wenn<br />

ich das Helvetia & Bristol betrete, ist es, als wäre ich schon immer da gewesen.“<br />

in beiden teilen des Hotels kamen die Fertigkeiten lokaler Kunsthandwerker<br />

zum einsatz. antonio Casciani, inhaber einer historischen Werkstatt und ehemaliger<br />

Mitarbeiter der Uffizien und des New Yorker Metropolitan Museum of<br />

Traveller‘s World<br />

99


stay<br />

art, wurde mit der restaurierung von<br />

fast 200 Möbelstücken betraut – Kommoden,<br />

tische, schränke und stühle<br />

erstrahlen in ihrer ursprünglichen<br />

schönheit. Die bekannte Moleria locchi<br />

lieferte exquisite Glasobjekte, das<br />

historische Antico Setificio Fiorentino<br />

herrliche samt- und seidenstoffe,<br />

die Messing- und Bronze-Werkstatt<br />

il Bronzetto handgefertigte lampen,<br />

Konsolen und türgriffe.<br />

ein paar besondere trouvaillen<br />

kamen während der Bauarbeiten am<br />

gerade knapp 1000 Quadratmeter<br />

großen spa zum vorschein. es ist<br />

unterirdisch und befindet sich im<br />

ehemaligen tresorraum der Bank –<br />

zufälligerweise aber auch auf dem Gelände<br />

der ehemaligen kapitolinischen<br />

Bäder der römischen Florentia, also<br />

genau dort, wo schon die alten römer<br />

zu baden pflegten. Teile der antiken<br />

Gemäuer sowie ein tonnenschwerer<br />

Brunnen konnten gerettet und in die<br />

jetzige struktur integriert werden.<br />

Urban und durchgestylt geben sich die kulinarischen<br />

Neuzugänge des Hotels: Der eröffnung des<br />

„Cibrèo Caffè“ folgte die des lässig-eleganten „Cibrèo<br />

ristorante“ mit Cocktailbar. Zuletzt richtete<br />

der weltweit bekannte Meisterkonditor iginio Massari<br />

eine Patisserie im Gebäude ein. einheimische<br />

Gourmets stehen hier für delikate Mini-törtchen<br />

schlange oder trinken den cremigsten aller Cappuccinos an der Bar. Hotelgäste<br />

dürfen sich auf ein spezielles Frühstück mit Massari-Gebäck freuen oder auf ein<br />

tellerchen Kekse zum Nachmittagstee. echte insider haben noch einen anderen<br />

tipp: sie reservieren die verborgene Dachterrasse des Hotels, lassen sich aus der<br />

„Cibrèo“-Bar ein paar Cocktails bringen und bewundern von hier aus die Domkuppel,<br />

die Dächer des stadtzentrums und den sonnenuntergang. P. E.<br />

Via dei Pescioni, 2, 50123 Florenz, T. +39.055.266 51,<br />

starhotelscollezione.com, DZ ab 600 Euro<br />

VorhaNg aUf das Helvetia & Bristol ist eine<br />

Bühne für kultivierte Hedonisten, ob in der „Presidential<br />

suite” des Bristol­Flügels, im Wintergarten<br />

oder in der Bar des neuen „Cibrèo”­restaurants<br />

Fotos: Helvetia&Bristol / Francesca Anichini (1), Stefano Scatà (3), Ph. Lapo Baraldi (1)<br />

100 Traveller‘s World


taste<br />

einmal auftanken<br />

Über Ferraris Ex-Kantine<br />

wacht jetzt ein Drei-Sterne-<br />

Chef. Es schmeckt: rasend gut<br />

wachwechsel<br />

Im Medici-Clan der<br />

Florentiner Gastronomie<br />

übergibt der padrone<br />

an seinen filio<br />

Foto: Annette Sandner/Hotel Castel<br />

abSCHluSSFEIER<br />

Im „Castel Fine dining” bei Meran<br />

krönt das Finale einen grandiosen<br />

auftritt. ab Seite 112<br />

Traveller‘s World 101


taste<br />

Erb-Anlagen<br />

Der Florentiner Kult-Gastronom Fabio Picchi übergibt die<br />

Geschäfte an seinen Sohn. Eigentlich eine Lokalnachricht.<br />

Weil er aber das Imperium ausbaut, auch eine für uns<br />

Text PaTricia EngElhorn<br />

Die Eröffnung des neuen<br />

Ristorante „Cibrèo“ im<br />

vergangenen November<br />

war das schönste Fest seit<br />

Langem. Wer dabei war – und,<br />

Pandemie hin oder her, es waren<br />

viele –, schwärmt noch Monate<br />

später von diesem Abend, von der<br />

ausgelassenen Stimmung. Endlich<br />

hatte „tutta Firenze“ mal wieder<br />

etwas zu feiern. „Es war ein sehr<br />

emotionaler Moment“, bestätigt<br />

Gastgeber Giulio Picchi. Unter den<br />

Gästen, von denen die meisten<br />

Freunde sind, verteilte er mit<br />

seinem Vater Fabio Cocktails und<br />

Canapés aus hausgemachter<br />

Geflügelleber-Paté mit hausgemachter<br />

Orangenmarmelade auf<br />

Briochebrot aus der eigenen<br />

Bäckerei.<br />

In der Florentiner Gastroszene<br />

sind die Picchis eine Institution.<br />

Das erste 1979 eröffnete Restaurant<br />

„Cibrèo“ steht in jedem Reiseführer<br />

und ist nichtsdestotrotz auf<br />

wundersame Weise ein ruhiges,<br />

buoNa pRoSpETTIva<br />

Gehört zu Florenz wie Giottos Campanile<br />

und hat genauso viele ecken<br />

und Kanten: Fabio Picchi ist der wohl<br />

bekannteste Gastronom der stadt. es<br />

würde nicht wundern, wenn er weiter<br />

über sein erbe wacht<br />

gediegenes Insider-Lokal geblieben. Giorgio Armani zählt ebenso zu den<br />

Gästen wie Elton John, Vivienne Westwood und alle großen Florentiner<br />

Familien – die Ferragamos, Antinoris, Frescobaldis, Mazzeis, mittlerweile<br />

auch in zweiter oder dritter Generation. Prinz Charles und Herzogin<br />

Camilla haben hier gegessen, Ex-Bürgermeister Matteo Renzi bewirtete als<br />

Ministerpräsident Italiens Staatsbesucher aus aller Welt an weiß gedeckten<br />

Tischen zwischen honiggelben Wänden und unter Lampen mit Palmenmuster<br />

mit erstklassiger toskanischer Hausmannskost.<br />

Dabei gibt es in Florenz sicher bessere Restaurants. Elegantere, zeitgemäßere,<br />

hippere. Doch keines ist charismatischer als das „Cibrèo“, was auch<br />

am Gründer und langjährigen Patron liegt. Fabio Picchi hat nicht nur als Koch<br />

und Gastronom auf sich aufmerksam gemacht, sondern auch durch regelmäßige<br />

Fernsehauftritte, durch eine stets deutlich zum Ausdruck gebrachte,<br />

meist unkonventionelle Meinung. Er kennt alle, und jeder kennt ihn.<br />

Das erklärt zum Teil, wie er nach und nach ein kleines Imperium um<br />

sein Ristorante erschaffen konnte: Der Kleiderladen an der Ecke gibt auf?<br />

Fabio übernimmt und macht eine Trattoria daraus. Aus der Schreinerwerkstatt<br />

gegenüber wird Fabios Café, aus einer kleinen Knopffabrik<br />

nebenan Fabios asiatischer Imbiss, aus einer stillgelegten Lagerhalle Fabios<br />

102<br />

Traveller‘s World


taste<br />

SEIEN wIR RuHIg pICCHI<br />

auf den lorbeeren ausruhen, kommt<br />

nicht infrage. Zu „Cibrèo Caffè” (oben<br />

links, weiter im Uhrzeigersinn) und<br />

„Cibrèo ristorante” im szene-viertel<br />

sant’ambrogio gesellen sich das neue<br />

„Cibrèo ristorante” und „Caffè” im Hotel<br />

Helvetia & Bristol gleich um die ecke der<br />

shoppingmeile via de’ Tornabuoni. Und<br />

die Picchis haben noch viel vor<br />

104 Traveller‘s World


Kulturclub und aus einer bankrottgegangenen Kooperative Fabios fantastischer<br />

Biomarkt. Fabio Picchi hat sich zwei Stände in der nahen Markthalle<br />

gesichert und in den Räumen hinter seinem Biomarkt eine Bäckerei aufgezogen.<br />

Er ist ein Hansdampf in allen Gassen, lustig, lebhaft, laut, liebenswürdig,<br />

launisch – und inzwischen auch etwas älter geworden. Vor zwei Jahren<br />

übergab er die Leitung der Cibrèo-Gruppe an Sohn Giulio. Der kann nun<br />

sehen, wie er mit der Erblast des prominenten Vaters zurechtkommt.<br />

Um es gleich zu sagen: Er schlägt sich gut, hat ein wenig aufgeräumt<br />

und die Lokale im Griff. Dabei hilft, dass sie größtenteils in<br />

Rufweite voneinander entfernt beim großen Sant’Ambrogio-<br />

Markt stehen, dem das Viertel nicht nur seinen Namen verdankt, sondern<br />

auch sein authentisches Flair. „Niemand behauptet, dass dies der schönste<br />

Teil von Florenz ist“, sagt Giulio Picchi. „Es gibt keine bekannten Sehenswürdigkeiten,<br />

keine teuren Geschäfte. Dafür hat Sant’Ambrogio seine Identität<br />

bewahrt.“ In den Straßen um den Markt überlebten Handwerker mit ihren<br />

Werkstätten, sie fertigen Rahmen, Messer oder Holzmöbel, arbeiten mit<br />

Papier, Edelsteinen oder Tee. Doch man täusche sich nicht – das Viertel ist<br />

längst nicht mehr so einfach und günstig wie noch vor 20 Jahren.<br />

Ersichtlich wird das bei einem Besuch im C.BIO (steht für: „Cibo Buono<br />

Italiano e Onesto“, gutes und ehrliches italienisches Essen), Fabio Picchis<br />

Biomarkt, den er seinem Sohn vorenthalten hat und weiterhin selber leitet.<br />

Dort kaufen elegante Signore und coole junge Mütter nachhaltig angebaute<br />

sizilianische Avocados und Mangold mit bunten Stielen von einem bioaktiven<br />

Gemüsegarten am Stadtrand von Florenz. Der Joghurt ist ebenso<br />

hausgemacht wie sämtliche Marmeladen, der Russische Salat und die<br />

vorgekochten, gewürzten und eingeschweißten Bratkartoffeln, die man<br />

nur noch erhitzen muss. Als Bestseller gelten die Tomatensauce nach dem<br />

Rezept von Oma Picchi, das seit 40 Jahren unveränderte Fleisch-Ragù aus<br />

dem Ristorante „Cibrèo“ und das Paté – eine verfeinerte Version des eher<br />

bäuerlichen „crostino toscano“ auf Hähnchenleber-Basis. Fabio Picchi hat<br />

auch für eine Picknick-Möglichkeit gesorgt: Auf der großen Dachterrasse<br />

stehen zwischen Rosmarin, Radieschen und Rosen verteilte Tische, Stühle<br />

und Liegen, die man benutzen darf.<br />

„Mein Vater ist ein Visionär“, erklärt Giulio Picchi, „er sieht Dinge, die<br />

sich andere nicht vorstellen können, und setzt Pläne um, die eigentlich<br />

unmöglich sind.“ Ein wenig scheint sich das vererbt zu haben. Längst schaut<br />

der Junior über die Grenzen von Florenz hinaus: „Ich möchte weitere<br />

,Cibrèo‘-Lokale eröffnen. Erst mal in Mailand, dann auch in Berlin, London<br />

und anderen Städten der Welt.“ Die Pandemie macht ihm vorerst einen<br />

Strich durch die Rechnung.<br />

Dafür gab es jüngst eine zumindest für Florenz spektakuläre Neueröffnung:<br />

Im Zuge der Zusammenarbeit mit dem Luxushotel Helvetia & Bristol,<br />

das im vergangenen Frühjahr einen Ableger des „Cibrèo Caffè” in seine<br />

Salons integrierte und damit auch Florentiner Gäste ins Haus lockte, ging im<br />

November letzten Jahres die Einweihungsparty des neuen – zweiten – Ristorante<br />

„Cibrèo” über die Bühne. Es befindet sich im gleichen Häuserblock wie<br />

das Hotel, ist aber unabhängig und schon von außen durch die deckenhohen<br />

Fenster ein Hingucker: Zwischen mächtigen Steinsäulen und unter wagenradgroßen,<br />

handgeschnitzten Holzleuchtern stehen korallenrote Samtsofas<br />

und Sessel auf einem grau-weißen Marmorboden. Der Bartresen der Cocktailbar<br />

nimmt eine ganze Wandbreite ein, hinter den Flaschen leuchtet eine<br />

ockergelbe Vertäfelung aus seltenem „Giallo di Siena“-Stein.<br />

Neu ist fast alles: die zentrale<br />

Lage gleich um die Ecke der<br />

Edel-Shoppingmeile Via de’<br />

Tornabuoni. Der urbane, lässigschicke<br />

Look. Das Konzept, das<br />

flexible Essenszeiten, kleine Snacks,<br />

mehrgängige Menüs vorsieht, sowie<br />

die Möglichkeit, nur einen Drink an<br />

der Bar einzunehmen. Die Küche<br />

mit einer gelungenen Mischung aus<br />

„Cibrèo”-Bestsellern und neuen<br />

Gerichten. Natürlich gibt es hier<br />

Fabio Picchis berühmtes Paté, und<br />

auch die mit Stockfischpüree<br />

gefüllten Croissants werden<br />

Habitués bekannt vorkommen.<br />

Doch der Salat aus blanchierten<br />

Seppioline, grünen Bohnen und<br />

einem Hauch Tintenfisch-Tintenpulver<br />

ist eine Erfindung von Küchenchef<br />

Oscar Severini – ebenso wie die<br />

Miniatur-Crespelle mit weißem<br />

Fleisch-Ragù oder die gegrillten, an<br />

süßsaurer Sauce servierten Lammrippchen.<br />

Wo immer möglich,<br />

werden Bio-Zutaten und Saisonprodukte<br />

verwendet („ich bin der beste<br />

Kunde meines Vaters“, amüsiert<br />

sich Giulio Picchi), die Garzeiten<br />

kurz gehalten, die Portionen zum<br />

Teilen angerichtet. Zeitgeist? „Ja,<br />

sicher“, sagt Giulio Picchi, „aber vor<br />

allem soll es schmecken.“<br />

Cibrèo war übrigens die<br />

Lieblingsspeise von<br />

Caterina de’ Medici,<br />

Adelsdame aus Florenz und Königin<br />

von Frankreich, es ist eine Art<br />

Frikassee aus Hahnenkämmen und<br />

Hühnerinnereien. Im „alten“ Ristorante<br />

„Cibrèo“ kann man das 500<br />

Jahre alte Gericht auf Vorbestellung<br />

bekommen. Buon appetito! TW<br />

cibreo.com, teatrodelsale.com,<br />

cbio.it<br />

Fotos: James O‘Mara, Stefano Scatà, Lapo Baraldi, Patrizia Engelhorn, Lapo Baraldi<br />

Traveller‘s World<br />

105


taste<br />

america’s first<br />

lONDON – Für einen Ausschank, der seit annähernd 130<br />

Jahren als American Bar Genusstrinker ins Hotel Savoy<br />

lockt, wurde es allmählich Zeit: Shannon Tebay aus New Mexico<br />

ist die erste Amerikanerin als Chefin hinter dem geschichtsträchtigen<br />

Tresen. Und die zweite Frau, nach der legendären<br />

Ada „Coley” Coleman, die an dieser Stelle den „Hanky Panky”<br />

erfand. Wir sind gespannt, was Tebay mit ihrem in New York geprägten<br />

Stil, den sie „Dynamic minimalism” nennt, daraus macht.<br />

thesavoylondon.com/restaurant/american-bar/<br />

ist er nicht süß?<br />

lONDON – Wenn Cédric Grolet auf instagram vormacht, wie er ein<br />

paris-Brest in Form einer rose kreiert, dann sehen über zwei Millionen<br />

Follower gebannt zu. Der pariser Kult-pâtissier, hauptamtlich für die<br />

Desserts in Alain Ducasses pariser Zwei-Sterne-restaurant „Le Meu rice“<br />

zuständig, sorgt vor seinen beiden pâtisserie-Shops an der Seine schon<br />

frühmorgens für lange Schlangen. Jetzt sind seine süßen Kunstwerke, allen<br />

voran die legendären „falschen Früchte“, auch an der themse zu haben: im<br />

hotel The Berkeley eröffnete er seinen ersten Laden außerhalb Frankreichs.<br />

the-berkeley.co.uk/restaurants-bars/cedric-grolet-at-the-berkeley/<br />

wüstenschliff<br />

DUBAI – Anerkennung für ihre von<br />

Celebrity-Chefs aus aller Welt geförderte<br />

Kulinarik-Szene haben sie sich<br />

schon lange gewünscht. Jetzt haben<br />

die Emirate sie einfach eingekauft: Das<br />

Restaurant-Ranking „World’s 50 Best”<br />

präsentierte soeben seine erste Selektion<br />

für den Nahen Osten und Nordafrika<br />

bei einer großen Gala in Abu Dhabi. Ein<br />

bisher international nicht beachtetes,<br />

asiatisch inspiriertes Restaurant, das<br />

„3Fils” in Dubai, das kreative Sushi-<br />

Variationen oder Wagyu-Trüffel-Burger<br />

serviert, darf sich mit dem Titel „Best<br />

Restaurant in Middle East & North Africa”<br />

schmücken. Auf Platz 2 und 3 folgen<br />

das japanische Zuma im DIFC Dubai<br />

(rechts) und das „OCD Restaurant” in Tel<br />

Aviv. theworlds50best.com<br />

106 Traveller‘s World


der neue<br />

Kapitän<br />

VeNeDIG – Man muss<br />

ihn um seine tägliche<br />

Anfahrt fast beneiden. Mit<br />

dem Vaporetto über die<br />

Lagune erreicht riccardo<br />

Canella, ab sofort Chefkoch<br />

im Gourmetrestaurant<br />

Oro, seinen Arbeitsplatz<br />

im Belmond hotel<br />

Cipriani auf der insel<br />

Giudecca. Die Feinschmecker<br />

dürften ihm folgen<br />

wollen. Denn nach Stationen bei den italienischen Drei-Sterne-Stars<br />

Gualtiero Marchesi und Massimiliano Alajmo fungierte der paduaner<br />

die letzten sieben Jahre als Sous-Chef des dänischen Meisters der new<br />

nordic Cuisine, rené redzepi. und will nun „meiner Art zu kochen in<br />

meinem heimatland eine Stimme verleihen“. belmond.com<br />

solo für hartwig<br />

MÜNCHeN– Die selbstbewusste Namensgebung<br />

für sein erstes eigenes Restaurant ist ein<br />

Statement: Schlicht Jan soll die jüngste Gourmet-<br />

Adresse an der Isar heißen, für die derzeit in der<br />

Luisenstraße die Räumlichkeiten entstehen. Bis es im<br />

Sommer so weit ist, dürfte der Run auf die wenigen<br />

Plätze in Jan Hartwigs gleichnamigem Pop-up in der<br />

Nymphenburger Porzellanmanufaktur groß sein. Bereits<br />

hier will der 39-Jährige, der im Bayerischen Hof in<br />

Rekordzeit drei Sterne erkochte, bevor er im Sommer<br />

2021 überraschend das Haus verließ, „Spitzengastronomie<br />

so gestalten, wie ich mir das vorstelle: locker,<br />

lebendig, aber mit hohem kulinarischem Anspruch”. Für<br />

die Selbstständigkeit verzichtet Hartwig sogar (sicher<br />

nur vorübergehend) auf die Höchstauszeichnung des<br />

Michelin: „Ich habe meine Komfortzone verlassen, um<br />

mich noch mal neu zu erfinden.”<br />

nymphenburg.com/pages/restaurant-jan<br />

Vom olymp<br />

in die berge<br />

TIROl – Der Name Johannes Nuding sagt Ihnen<br />

nichts? Das dürfte sich bald ändern. Schon<br />

jetzt kann sich der gebürtige Tiroler rühmen,<br />

als einziger Österreicher weltweit in den letzten<br />

Jahren drei Michelin-Sterne erkocht zu haben.<br />

Allerdings nicht unter eigenem Namen, sondern<br />

für Pierre Gagnaire, in dessen Londoner „Sketch<br />

– Lecture Room & Library“ er die begehrte Auszeichnung<br />

erkochte. Jetzt kehrte er in seinen<br />

Heimatort Hall bei Innsbruck zurück und eröffnet<br />

mit Unterstützung seiner Familie ein eigenes<br />

Restaurant. Das ehemalige Gasthaus Schwarzer<br />

Adler, stolze 400 Jahre alt, wird derzeit umgebaut,<br />

das Opening ist für Mitte des Jahres angekündigt.<br />

One to watch! noch keine Website<br />

Fotos: Calvin Courjon (2), Will Stanley, Tastil M. Gonzalez Moure, Federico Ciamei, Instagram@johannes_nuding, Kathrin Koschitzki/Nymphenburg<br />

Traveller‘s World 107


taste<br />

108 Traveller‘s World


Frisch aufgezäumt<br />

Das Ferrari-Restaurant<br />

in Maranello ist jetzt viel<br />

mehr als nur Kantine:<br />

Der Look ist kühn, die<br />

Küche köstlich<br />

Text PaTricia EngElhorn<br />

RoSSo CoRSa<br />

auf dem eigens vom<br />

Florentiner Traditionsunternehmen<br />

Ginori 1735<br />

angefertigten Teller dominiert<br />

die typische Ferrari-<br />

Farbe: rindfleisch-Tatar<br />

mit sauce béarnaise<br />

unter einem Puder aus<br />

roten Früchten<br />

Auf den ersten Blick macht das Menü nicht viel<br />

her: Gnocco fritto, Tortellini in Kapaunbrühe<br />

und Tagliatelle al ragù hat jede zweite Trattoria<br />

in Bologna, Modena oder Parma auf der<br />

Karte. Aber Caramel-Crème mit Zwiebeln und<br />

Parmesan? Schweinerohwurst Rossini? Aal mit Taubenfüllung? „Wir<br />

machen in der Küche genau das Gleiche, was Ferrari in der Werkshalle<br />

macht“, erklärt Massimo Bottura. „Wir nehmen das Beste aus der<br />

Vergangenheit, betrachten es kritisch und führen es in die Zukunft.“<br />

Moment mal. Fährt der Super-Chef aus Modena nicht Maserati?<br />

Und wenn schon. Warum sollte er deshalb zögern, beim wohl bekanntesten<br />

Autobauer der Emilia die Tische zu decken – einer Region übrigens,<br />

die nicht nur als Italiens Schlaraffenland gilt, sondern auch als<br />

Eldorado aller motoristi. Zu den Attraktionen der kleinen Gemeinde Maranello<br />

gehören jetzt nicht nur die hypermoderne Ferrari-Produktionsanlage,<br />

das Geburtshaus von Enzo Ferrari und das futuristische Ferrari-<br />

Museum. Sondern auch das Ristorante „Cavallino“, früher Werkskantine,<br />

heute ein von India Mahdavi durchgestyltes Gartenlokal mit Massimo<br />

Botturas jüngster Interpretation der lokalen Traditionsküche.<br />

Es heißt, Enzo Ferrari habe jeden Tag mit Mitarbeitern, Kunden und<br />

Freunden im „Cavallino“ gegessen. Die Mensa, untergebracht in einem<br />

1942 erworbenen Bauernhaus am Rande des Ferrari-Geländes, diente<br />

Traveller‘s World 109


taste<br />

zunächst auch als Umkleide und Ausbildungsstätte für<br />

Arbeitskräfte. Erst Jahre später wurde daraus das Ristorante<br />

„Cavallino“, eine gutbürgerliche Trattoria und ein<br />

Ort der Geselligkeit, deren Betreiber genauso viel Wert auf<br />

gute Küche wie auf gute Laune legten. Ein Schwarz-Weiß-<br />

Foto aus den 50er-Jahren zeigt den Hausherrn bei einem<br />

fröhlichen Gelage mit prominenten Gästen – an seinem<br />

Tisch saßen im Laufe der Jahre so illustre Persönlichkeiten<br />

wie Prinz Bernhard von Holland, Prinzessin Lilian de<br />

Réthy von Belgien, Grand-Prix-Sieger und Weltmeister<br />

wie Jackie Stewart, Jacky Ickx, Niki Lauda, Gerhard Berger<br />

und natürlich Michael Schumacher.<br />

Käme einer von ihnen heute vorbei, würde er sich<br />

erstaunt die Augen reiben. Die in Paris lebende Designerin<br />

India Mahdavi tauchte die Fassade des ehemaligen<br />

Bauernhauses in tiefes Ferrari-Rot, im Speisesaal leuchten<br />

mit gelbem Leder bezogene Bänke, die Terrakottaböden<br />

in Rot und Elfenbein erinnern an altmodisch karierte<br />

Trattoria-Tischdecken. Eichenholz-Vertäfelungen an den<br />

Wänden und Strohsitze auf den Stühlen spielen mit dem<br />

traditionellen Dekorationsvokabular italienischer Landgasthöfe,<br />

wirken hier jedoch urban, modern, kühn und<br />

verspielt.Die gigantische Küche ist das<br />

Reich von Riccardo Forapani.<br />

Nach 13 Jahren an Massimo<br />

Botturas Seite in der „Osteria<br />

Francescana“ wurde er als<br />

Chefkoch ins „Cavallino“ berufen. Das gemeinsam<br />

entwickelte und häufig wechselnde Menü verbirgt diese<br />

Herkunft nicht: Serviert werden traditionelle Gerichte<br />

aus Modena und der Emilia-Romagna – aber in einer<br />

aufgefrischten, zeitgeistorientierten Version. So wurde<br />

aus einem rustikalen Zwiebel-Parmesan-Omelett eine<br />

samtig-salzige Crème Caramel mit dunkler Zwiebelglasur<br />

und aus einer bäuerlichen, typisch emilianischen<br />

Kochwurst ein Cotechino alla Rossini, serviert mit<br />

Gänseleber auf Brioche-Brot und an einer fruchtigen<br />

Sauce aus regionalen Vignola-Kirschen.<br />

Spaß macht auch ein zierliches, rundes Teigdöschen,<br />

gefüllt mit winzigen Tortellini auf einem zarten Zungen-<br />

Ragù. Der Brisée-Teig ist mit Parmesan aromatisiert, den<br />

lose aufliegenden Deckel ziert ein schwarz-goldenes<br />

Muster, das ein Motiv vom Portal des Doms von Modena<br />

aufnimmt. „Zu unseren Traditionsgerichten gehört der<br />

Timballo Ferrarese, eine große gedeckte Torte mit einer<br />

gehaltvollen Füllung aus Nudeln, Ragù und Béchamelsauce“,<br />

erklärt Riccardo Forapani, „dies ist unsere verfeinerte<br />

Interpretation davon.“<br />

Und die Maccheroncini della Lina? Das wiederum ist<br />

eine Hommage an Enzo Ferraris Ehefrau, die sonntags zu<br />

Hause ihre Pasta mit einer Sauce aus Schinkenresten,<br />

Parmesan und Tomaten servierte. Im „Cavallino“<br />

kommen hochwertige Maccheroncini von Felicetti, drei<br />

verschiedene Tomatensorten und die klassische Bottura-<br />

Parmesancreme zum Einsatz. Auf den angerichteten<br />

Nudeln thronen eine leicht angebratene Schältomate und<br />

eine hauchfeine, im Ofen ausgebackene Schinkenscheibe.<br />

„Jedes Gericht hat eine Geschichte, die mal mit Ferrari,<br />

mal mit Bottura oder mit der Region verwoben ist“, sagt<br />

der Küchenchef, „aber die Hinweise sind nur angedeutet.<br />

Wir wollen zwar mit der Tradition verwurzelt, aber<br />

keinesfalls nostalgisch sein.“<br />

Das Risiko besteht nicht – zu fröhlich der Rahmen, zu<br />

innovativ, was auf den Tellern liegt. Als Bestseller unter<br />

den Desserts gilt der Paciugo (wörtlich übersetzt: Schmiererei),<br />

bestehend aus einer säuberlich angerichteten<br />

Mascarpone-Kaffee-Creme, die süchtig macht. Das Gleiche<br />

gilt für den perlenden Lambrusco vom Weingut<br />

Cantina della Volta, das nur ein paar Kilometer entfernt in<br />

den Hügeln nördlich von Modena steht. Der gut gekühlte<br />

Rotwein überrascht mit frischer Säure und einem sensationellen,<br />

glamourösen Pink-Ton. Er sorgt dafür, dass die<br />

gute Laune von früher erhalten bleibt. Die Küche aber hat<br />

sich verändert – sie ist eindeutig besser geworden. TW<br />

Menü 65 Euro, Weinbegleitung 45 Euro<br />

Via Abetone Inferiore, 1, Maranello, T. +39.0536.94 48 77,<br />

ferrari.com/it-DE/ristorante-cavallino<br />

110 Traveller‘s World


gEMISCHTES DoppEl<br />

der farbenfröhliche look des<br />

neuen ristorante „Cavallino”<br />

stammt von India Mahdavi, das<br />

innovative Food-Konzept von<br />

Massimo Bottura. den Cotechino<br />

alla rossini (oben links) lässt<br />

er mit Gänseleber, Kirsch sauce<br />

und lokalen Trüffeln servieren<br />

Fotos: Danilo Scarpati<br />

Traveller‘s World 111


taste<br />

Wieder<br />

die<br />

Natur<br />

Südtirols Köche setzten lange auf<br />

eine Verbindung von Mezzogiorno<br />

und Dolomiten. Jetzt hebt eine<br />

neue Generation die vergessenen<br />

kulinarischen Schätze<br />

der Gebirgstäler<br />

Text PaTricia bröhM<br />

gaNZ obEN aNgEKoMMEN<br />

Wie von der Kanzel predigt Norbert<br />

Niederkofler, hier auf der Terrasse seines<br />

restaurants „alpiNN”, den regionalismus<br />

112<br />

Traveller‘s World


Traveller‘s World


taste<br />

„Der Mezzogiorno ist<br />

uns so nah wie<br />

die Alpentäler“ (Gerhard Wieser)<br />

Traveller‘s World


alpINER aNTagoNISMuS<br />

Gerhard Wiesers „Castel Fine<br />

dining” (links oben) und Norbert<br />

Niederkoflers „st. Hubertus”<br />

sind die besten adressen in<br />

südtirol – doch die beiden Chefs<br />

verfolgen ganz unterschiedliche<br />

Konzepte. Wieser öffnet seine<br />

speisekammer den besten<br />

Produkten Italiens bis hinunter<br />

nach sizilien, Niederkofler setzt<br />

auf konsequent alpine Küche –<br />

sein latschenkiefer-Marshmallow<br />

wird im Hotel rosa alpina in<br />

st. Kassian am Tisch vor den<br />

augen der Gäste mit Holzkohle<br />

geflämmt (links)<br />

fast scheint es, als schwebe der Tisch über dem Tal. Hoch<br />

über Meran in den Weinbergen speisend, reicht der Blick<br />

über das Etschtal bis zu den schroff gezackten Gipfeln der<br />

Dolomiten. Holztäfelung, Herrgottswinkel und Jodelbarock?<br />

Vorbei! Die neue Südtiroler Gastronomie umgibt sich,<br />

wie das „Castel Fine Dining“, lieber mit ultramodernen<br />

Glas- und Stahlkonstruktionen. Die Panoramafenster lassen<br />

sich bei schönem Wetter so weit hochfahren, dass sich der<br />

Logenplatz in einen Freisitz, begrenzt auf fünf Tische, verwandelt. Es ist der<br />

atemberaubende Rahmen für Gerhard Wiesers kreative Küche, die Alpenraum<br />

und Mittelmeer zu einer delikaten Allianz verbündet.<br />

Kastanien-Tortellini werden mit Almkäse und großzügig gehobeltem<br />

Alba-Trüffel serviert; und zur sekundenkurz gebratenen Garnele mit<br />

Topinambur, Shiitake-Pilzen und Nussbutterschaum gibt es eine Olive, die<br />

es in sich hat: Sie ist gefüllt mit Garnelentatar auf Limetten-Mayonnaise.<br />

Meeresfrüchte roh servieren, das geht nur mit einem ultrafrischen Produkt:<br />

„Die Rote Garnele kommt aus Sizilien“, erzählt der Zwei-Sterne-Koch, „wir<br />

bekommen sie über Chioggia.“ Der legendäre Fischmarkt im Süden der<br />

Lagune von Venedig liegt gerade mal drei Autostunden entfernt, das macht<br />

die sizilianische Garnele ebenso verfügbar wie den Saibling aus einer Zucht<br />

im nahen Passeiertal. Dessen Kaviar serviert der Chef auf einer Tartelette<br />

mit Büffelricotta zum Aperitif. „Der Mezzogiorno ist uns genauso nah wie<br />

die Alpentäler“, sagt Wieser. „Unsere Küche ist inspiriert von allen kulinarischen<br />

Schätzen Italiens.“<br />

Doch nicht alle Köche zwischen Sterzing und Salurn denken wie der<br />

Meister aus Dorf Tirol. Nach dem Vorbild des konsequenten Regionalismus<br />

der New Nordic Cuisine entstand eine Strömung neo-alpiner Küche, die<br />

strikt auf heimische Erzeugnisse setzt und überlieferte Küchentraditionen<br />

wie das Fermentieren neu interpretiert. Ihr Prophet ist Südtirols einziger<br />

Drei-Sterne-Koch Norbert Niederkofler, der im Restaurant „St. Hubertus“<br />

des Hotels Rosa Alpina im Gadertal den Schlachtruf „Cook the Mountain“<br />

prägte. Was hier auf den Tisch kommt, ist so eigenständig, unverwechselbar<br />

und verblüffend, dass Gourmettouristen gern den Weg bis auf 1537 Meter<br />

in Kauf nehmen. Der Nonkonformist hat alles, was nicht aus der kargen<br />

Alpenwelt stammt, aus seiner Speisekammer verbannt, also auch Meeresfische,<br />

Olivenöl oder Zitrusfrüchte.<br />

Eine bewusste Einschränkung, die, davon ist er überzeugt, umso mehr<br />

Kreativität freisetzt. Bestes Beispiel ist sein Klassiker „Forelle Müllerin“,<br />

ein saftiges Filet des Süßwasserfischs, quadratisch zugeschnitten, das in<br />

einer feinsäuerlichen Glasur auf den Tisch kommt. Die Zitrone aus dem<br />

Ur sprungs rezept ersetzt Niederkofler durch fermentierte Susinen, eine<br />

heimische Pflaumensorte mit besonders hohem Säuregehalt. Das Bekenntnis<br />

zur Region ist für ihn auch eine Frage der Nachhaltigkeit, weil lange<br />

Transportwege vermieden und kleine, handwerklich arbeitende Produzenten<br />

unterstützt werden: „Wir wollen unsere Natur für die kommenden<br />

Generationen erhalten.“<br />

Traveller‘s World 115


taste<br />

„Wir wollen unsere Natur für<br />

die kommenden Generationen<br />

erhalten“ (Norbert Niederkofler)ler)<br />

Eine Philosophie, für die exemplarisch die Vorspeise „Tatar von der Renke“ steht: Zum fein<br />

gewürfelten Fisch wird am Tisch Terlaner Weißweinsauce gegeben, die ihre knallgrüne Farbe einem<br />

Schuss Dillöl verdankt, der Fond wurde aus den Karkassen und dem Kopf des Fischs gekocht. Im<br />

Tatar ist etwas grüner Apfel für die Frische, obenauf Holunderkapern und die leicht frittierten<br />

Fischschuppen für den Crunch.<br />

die spektakulärste Begegnung mit Niederkoflers radikaler Bergküche bietet sein<br />

jüngstes Restaurant: „AlpiNN Food Space“ thront auf 2275 Metern am Gipfel des<br />

Kronplatzes. Es ist Teil des Lumen Museums für Bergfotografie, ein ambitionierter Bau<br />

an der Bergstation der Seilbahn mit atemberaubendem Rundumblick in die Bergwelt.<br />

Die schneebedeckten Gipfel stellen die Kulisse für Niederkoflers naturnahe Küche, die<br />

hier in einer unkomplizierten Version auf den Tisch kommt. Auch dafür werden nur reine, unverfälschte<br />

Zutaten aus den Bergen verarbeitet, im Sinne des Zero Waste lässt der Chef selbst Küchenabfälle<br />

wie Kartoffelschalen kreativ zweitverwerten. Und im Glas? Reines Quellwasser, um den<br />

Verbrauch von Wasserflaschen zu vermeiden. „Irgendwie“, sagt Niederkofler, „bin ich hier oben jetzt<br />

angekommen.“<br />

Das Vorbild des Spitzenkochs inspiriert immer mehr junge Kollegen. Zum Beispiel Christoph<br />

Huber, der im traditionsreichen Wirtshaus „Blaue Traube“ in Algund mit seinem jungen Team<br />

„radikal lokal“ kocht, von Cappelletti mit Parmesanfonduta und Kalbsbries bis zum Zander mit<br />

Kapern-Sultaninen-Sauce. Oder Heinrich Schneider, dessen Restaurant „Terra“ im Sarntal knapp<br />

unterhalb der Baumgrenze liegt und der jeden Morgen auf den Almwiesen selbst frische Kräuter<br />

sammelt. Eine ganz neue Gourmetadresse ist das Restaurant „Luisa“ im Ende 2021 eröffneten Manna<br />

Resort in Montan. Hier kocht Manuel Astuto, Sohn eines sizilianischen Vaters und einer Vinschgauer<br />

Mutter, eine durchaus italienisch gefärbte Variante der Südtiroler Küche, denn Panna cotta ist ihm<br />

genauso nah wie Kaiserschmarrn.<br />

116 Traveller‘s World


lagE, lagE, lagE<br />

auf dem Gipfel des Kronplatzes<br />

gelegen, mit spektakulärem<br />

rundumblick – nirgendwo<br />

könnte Niederkoflers „Cook<br />

the Mountain”-Motto mehr<br />

sinn machen als im „alpiNN”.<br />

Zum Blick auf die umliegende<br />

Bergwelt wird Käsefondue in<br />

Tannenrinde mit geröstetem<br />

Heubrot serviert


taste<br />

Stephan Zippl vom Restaurant „1908“ wiederum schreibt sich „innovative alpine Küche“ auf die<br />

Fahnen. Er ist Niederkofler-Schüler und bewundert an seinem ehemaligen Chef vor allem „die<br />

Freiheit im Denken“. Nach diesem Motto gestaltet auch er seine Menüs, die ihm Ende 2021 den ersten<br />

Stern brachten. Seine Küche liegt auf 1200 Meter Höhe am Ritten, dem sonnenreichen Hochplateau<br />

oberhalb von Bozen, im traditionsreichen Parkhotel Holzner, das sich viele originale Jugendstil-<br />

Details bewahrt hat. Der 33-Jährige ist selbst gebürtiger Rittener, hier lebt er mit seiner Familie, hier<br />

scoutet er den Großteil seiner Lebensmittel. Sein „Revier-Konzept“ nennt er die Überzeugung, dass<br />

der kürzeste Weg in die Küche immer der beste sei. Dabei profitiert er von der Tatsache, dass der Ritten<br />

schon immer als ausgezeichnetes Terroir für Obst, Gemüse und Kräuter galt.<br />

seine Hauptquelle ist der Aspingerhof. Dort baut Neo-Bauer Harald Gasser sagenhafte<br />

400 alte Gemüsesorten an, darunter auch so seltene wie Knollenziest, Erdmandeln oder<br />

Sauerkleerübchen. Was Gasser morgens erntet, kommt abends bei Zippl auf den Tisch.<br />

Zum Beispiel die Rote Bete, der er alle Erdigkeit nimmt, indem er sie aufschneidet,<br />

aushöhlt und mit Mini-Bete, Frischkäse-Espuma, Hafergrasöl und fermentierten<br />

Erdbeerblättern füllt.<br />

Schon ein Klassiker auf der Karte sind die Kutteln vom Rittener Wagyu, die er in einem aufwendigen<br />

Prozess über Tage blanchiert und gart, bis sie mit überraschender Delikatesse serviert werden,<br />

begleitet von Kartoffelschaum, Waldmeister und Whisky-Korinthen. Wagyu vom Ritten? Ja, richtig<br />

gelesen. Der junge Stefan Rottensteiner, dessen Familie auf dem Ritten seit Generationen den Oberweidacherhof<br />

betreibt, ist bester Beleg für die neue Weltoffenheit Südtiroler Produzenten. Er holte eine<br />

Herde kleiner, zotteliger Wagyu-Kälber auf seinen Hof, wo sie sich fortan von würzigen Almkräutern<br />

ernährten. „Wir wollen uns nicht mit Japan vergleichen“, sagt Rottensteiner. „Sondern etwas Traditionelles<br />

auf zeitgemäße Art mit neuem Leben erfüllen.“<br />

Der Innovationsgeist solcher Erzeuger beflügelt die neue Südtiroler Küche. Luis Haller fördert<br />

schon seit vielen Jahren dieses Engagement, neuerdings hat er sogar einen Bauern aufgetan, der<br />

oberhalb von Nals Safran anbaut. Der Koch, der einst in der legendären „Auberge de l’Ill“ im Elsass<br />

lernte und zu den besten der Region zählt, betreibt heute ein echtes Schmuckstück, den „Schlosswirt“<br />

in Algund bei Meran. Das Gasthaus, dessen erste urkundliche Erwähnung auf das 14. Jahrhundert<br />

zurückgeht, liegt am Ortsrand mit Blick ins Etschtal. Wer auf der lauschigen Terrasse unter einem<br />

mächtigen Blauglockenbaum Platz nimmt, kann das Rauschen des nahen Gebirgsflusses hören.<br />

Was Haller in seiner Küche verarbeitet, stammt fast ausnahmslos von Bauern aus der Umgebung,<br />

sein Netzwerk pflegt er seit vielen Jahren. Gemüse, Salate und Kräuter bezieht er von einer Bio-<br />

Gärtnerin in Meran, die auf abgelegenen Bergbauernhöfen Saatgut von fast vergessenen Sorten<br />

sammelt: „Wenn ich mich mit Elisabeth unterhalte, ist das für mich die pure Weiterbildung“, sagt Luis<br />

Haller.<br />

Tatsächlich sind viele seiner Zutaten echte Raritäten. Vom seltenen Laugenrind bekommt er<br />

gerade mal zwei Filets pro Woche: „Für mich das exklusivste Fleisch der Region.“ Die Tiere der alten<br />

Südtiroler Grauvieh-Rasse sind klein und ausgesprochen geländegängig, eine Eigenschaft, die ihnen<br />

beim Grasen an den steilen<br />

Hängen des Ultentals<br />

zugutekommt. „In den<br />

langen Almsommern sind<br />

die Tiere ständig in Bewegung,<br />

sie fressen nur<br />

Wildkräuter und -blumen“,<br />

„Rib-Eye vom Südtiroler<br />

Laugenrind –<br />

das ist ein zeitgemäßes<br />

Luxusprodukt“ (Luis Haller)<br />

118<br />

Traveller‘s World


RaDIKal loKal<br />

schon seit dem 17. Jahrhundert<br />

ist die „Blaue Traube” in<br />

algund für Gäste da. Neuerdings<br />

verwöhnt sie Christoph<br />

Huber mit hausgemachten<br />

Gnocchi, geräuchertem<br />

Paprikarisotto mit Käsefonduta<br />

oder spargelstrudel<br />

mit schnittlauch-Hollandaise.<br />

auch auf dem ritten kocht im<br />

Parkhotel Holzner ein junger<br />

Chef hinter den historischen<br />

Mauern des restaurants<br />

„1908” (unten rechts); stephan<br />

Zippl ist Niederkofler-schüler,<br />

sein alpenlamm (unten links)<br />

ist schon optisch ein Genuss<br />

Traveller‘s World 119


taste<br />

sagt Luis Haller. „Ihr Fleisch ist anders, es hat Kräuternoten, das Entrecôte ist von einer geschmacklichen<br />

Länge, die kaum zu schlagen ist.“<br />

Er serviert es als delikates Trio, in der Mitte das saftige Rib-Eye, daneben die Brust im Polenta-<br />

Sandwich, dazu eine leicht getrüffelte Topinambur-Schnitte mit Süßkartoffel und süß-sauer eingelegten<br />

Schalotten. Und natürlich reichlich Rinderjus mit Schalotten, denn Haller sagt: „Ohne Sauce<br />

kein Vergnügen!“<br />

Neben dem Gourmetrestaurant „Luisl Stube“, wo man neben einem Kachelofen von 1756 Platz<br />

nimmt, betreibt er auch ein stimmungsvolles Wirtshaus, denn Genuss soll hier nicht elitär sein.<br />

Hallers Herz schlägt auch für die traditionellen Gerichte der Region, einen Quellwasser-Saibling vom<br />

Holzkohlegrill, einen Rinderschmorbraten oder einen guten, handgemachten Spinatknödel, für den<br />

man sich in der Küche Zeit nehmen muss: „Das sind die wahren Luxusprodukte von heute.“ TW<br />

JuNgE MEISTER<br />

stefan rottensteiner vom<br />

oberweidacherhof mit seinem<br />

alpinen Wagyu (links) und<br />

Harald Gasser (rechts), der auf<br />

seinem aspingerhof über 400<br />

alte Gemüsesorten anbaut,<br />

zählen zur jungen, weltoffenen<br />

Generation von südtiroler Produzenten,<br />

die eng mit bestens<br />

ausgebildeten spitzenköchen<br />

wie luis Haller vom „schlosswirt”<br />

in algund (unten)<br />

zusammenarbeiten<br />

120 Traveller‘s World


HiER KoCHT DER BERg<br />

RESTAURANTS<br />

CASTEL FINE DINING<br />

Gerhard Wieser kocht schon lange an der Südtiroler Spitze, im neuen, ultramodernen<br />

Restaurant mit Panoramablick im Hotel Castel über Meran läuft er zur Hochform auf. Seine<br />

Küche verbindet alpine Tradition mit mediterraner Leichtigkeit und internationalen Akzenten.<br />

Menü ab 178 Euro, Keschtngasse 18, Dorf Tirol, T. +39.0473.<strong>92</strong> 36 93, hotel-castel.com<br />

RESTAURANT ST. HUBERTUS<br />

Die Quintessenz Südtiroler Haute Cuisine: Norbert Niederkofler im Hotel Rosa Alpina<br />

verzichtet komplett auf Zutaten, die nicht aus den Alpen stammen. Hier entdeckt man Forelle,<br />

Rote-Bete-Gnocchi oder Kalbsbries auf ganz neue Art. Stilvoll-puristisches Restaurant,<br />

exzellente Weinauswahl, Top-Service.<br />

Menü ab 320 Euro, Strada Micurá de Rü, 20, St. Kassian, T. +39.0471.849 50 00,<br />

st-hubertus.it<br />

RESTAURANT ALPINN FOOD SPACE<br />

Spektakulärer Alpenblick auf 2300 Metern, ultramoderne Architektur und dazu Norbert<br />

Niederkoflers „Cook the Mountain”-Philosophie in einer unkomplizierteren Gasthaus-Variante.<br />

Im Lumen Museum für Bergfotografie am Kronplatz an der Bergstation der Seilbahn.<br />

Menü ab 88 Euro, Kronplatz, Marebbe, T. +39.0474.43 10 72, alpinn.it<br />

SCHLOSSWIRT FORST<br />

Im denkmalgeschützten Anwesen am Ortsrand von Algund sind Gasthaus und Gourmetrestaurant<br />

unter einem Dach; ob Spinatknödel oder Kaisergranat, Luis Hallers Küche ist in<br />

Topform. Drinnen historische, holzgetäfelte Stuben, auf der Terrasse mediterrane Stimmung.<br />

Menü ab 118 Euro, Vinschgauerstraße 4, Algund, T. +39.0473.26 03 50, schlosswirt-forst.it<br />

BLAUE TRAUBE<br />

Wieser-Schüler Christoph Huber krempelte Algunds altes Dorfwirtshaus in eine coolzeitgemäße<br />

Adresse um und kocht „radikal lokal”. Unbedingt probieren: sein „Carbonara”-<br />

Risotto – und zum Dessert ein Kastanien-Soufflé mit Himbeer-Espuma. Auf der Weinkarte<br />

trifft sich die junge Südtiroler Szene.<br />

Hauptgerichte ab 28 Euro, Alte Landstraße 44, Algund, T. +39.0473.44 7103, blauetraube.it<br />

TERRA<br />

Ein Essen bei Heinrich Schneider, der knapp unterhalb der Baumgrenze auf 1622 Metern<br />

überm Sarntal kocht, ist ein Erlebnis: Seine Bergkäse-Gnocchi sind Sphären, die sich<br />

am Gaumen auflösen, die Wildkräuter sammelt er selbst, zum Sauerteigbrot serviert er<br />

Fichtensprossen-Öl – alles hausgemacht.<br />

Menü ab 179 Euro, Auen 21, Sarntal, T. +39.0471.62 30 55, terra.place<br />

RESTAURANT 1908<br />

Auf den Ritten pilgert man wegen der Aussicht – aber immer öfter auch wegen Stephan<br />

Zippls „Revier-Küche” im Parkhotel Holzner, die sich konsequent auf lokale Zutaten<br />

beschränkt. Seine Kreationen sind immer überraschend, vom Raviolo mit Kastanie, Latsche<br />

und fermentierter Birne bis zu Wagyu-Kutteln mit Whisky-Korinthen.<br />

Menü ab 89 Euro, Via Paese, 18, Oberbozen, T. +39.0471.34 52 31, restaurant1908.com<br />

RESTAURANT LUISA<br />

Manuel Astuto kochte viele Jahre im Bozener Hotel Laurin, bevor er seinen neuen Herd im<br />

Manna Resort einweihte. Der Sohn eines Sizilianers und einer Südtirolerin ist kulinarischer<br />

Grenzgänger, mit den Aromen des Südens ebenso vertraut wie mit alpinen Genüssen.<br />

Menü ab 94 Euro, Klammweg 3, Kalditsch, Montan, T. +39.0471.143 00 95, mannaresort.it<br />

HoTElS<br />

HOTEL CASTEL<br />

Kleines, feines Luxusrefugium in Panoramalage hoch über Meran, umgeben von Weinbergen.<br />

Die Besitzer nutzten die Pandemie, um ihr Haus fast komplett rundzuerneuern – bis hin<br />

zum Neubau des Gourmet-Restaurants. Großzügiges Spa, zwei Pools, zeitgemäße Zimmer,<br />

mal modern, mal mit Vintage-Elementen.<br />

Ab 476 Euro inkl. HP, Keschtngasse 18, Dorf Tirol, T. +39.0473.<strong>92</strong> 36 93, hotel-castel.com<br />

ROSA ALPINA<br />

Ein Haus der Extraklasse und Aman-Partnerhotel im Dorfkern von St. Kassian im idyllischen<br />

Alta Badia. Stilvolle Zimmer im noblen Alpin-Stil, in den Suiten kann man es sich am Kamin<br />

gemütlich machen. Weitläufiges Spa mit zwei Pools, Hamam und Yoga-Studio. Exzellenter<br />

Weinkeller.<br />

Ab 595 Euro, Strada Micurá de Rü, 20, St. Kassian, T. +39.0471.849 50 00, rosalpina.it<br />

MANNA RESORT<br />

Die 15 Suiten und drei Chalets des Ende 2021 eröffneten Hauses im Weinort Montan sind<br />

stilistisch inspiriert von der Reiselust der Besitzerin Maria Luisa Manna, ihr Dekor reicht von<br />

thailändisch über arabisch bis französisch. Asiatisch geprägtes Spa.<br />

Ab 560 Euro, Klammweg 3, Kalditsch, Montan, T. +39.0471.143 00 95, mannaresort.it<br />

PARKHOTEL HOLZNER<br />

Das Jugendstil-Haus hoch über Bozen mit weitläufigem Garten und Panoramablick ist eine<br />

Institution, die jüngst einen Facelift erhielt. Viele restaurierte Originalmöbel von 1908, stilvolle<br />

Salons. Mit der benachbarten Seilbahn gelangt man rasch ins Zentrum von Bozen.<br />

Ab 300 Euro, Via Paese, 18, Oberbozen, T. +39.0471.34 52 31, parkhotel-holzner.com<br />

Fotos: Studio Ignatov (2), Ydo Sol, Michael Königshofer (2), Hannes Niederkofler, Hannes Ploner, Instagram@wagyusuedtirol, Alex Filz/Südtirol Marketing<br />

HOTEL CASTEL, DORF TIROL<br />

Traveller‘s World 121


check out<br />

Next in the city<br />

Neil Simons 1968 uraufgeführte Komödie „Plaza Suite“ schildert drei Begegnungen auf Zimmer 719 im gleichnamigen<br />

New Yorker Hotel: den 23. Hochzeitstag eines lang verheirateten Paares aus Mamaroneck, das Wiedersehen eines Hollywood-Produzenten<br />

mit seiner alten Highschool-Liebe und die Auseinandersetzung zweier Eltern, deren Tochter sich im<br />

Badezimmer eingeschlossen hat und nicht heiraten will. Filmstars Sarah Jessica Parker (die gerade eine neue Staffel von<br />

„Sex And The City“ abgedreht hat) und Matthew Broderick, im wirklichen Leben seit 25 Jahren verheiratet und Eltern<br />

dreier Kinder, treffen sich bis 26. Juni fast täglich im Hudson Theatre am Times Square, um die Paare in den drei Einaktern<br />

zu spielen. Wie sagen die New Yorker: ein must-see. thehudsonbroadway.com/whatson/plaza-suite/<br />

Foto: Philip Montgomery/The New York Times/Redux/laif<br />

122 Traveller‘s World

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