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traVeLLer’s<br />
märz - Juni 2022<br />
d 8,- € / a 9,- € / i 10,- € / L 9,50 € / e 10,- € / Ch 15,50 sfr<br />
travellersworld.de<br />
Vrooom? Mmmmh!<br />
Im Oldtimer zu den<br />
Sternen der Schweiz<br />
into the Wilderness<br />
Lodges wie Logen<br />
in Botswana<br />
in Good we trust<br />
Blaue Stunden<br />
Neue Traumquartiere<br />
an der Côte d’Azur<br />
D r i e n<br />
draußen?<br />
oder<br />
Neue Insel-Paläste auf<br />
Mauritius, in Kroatien<br />
und in Venedig
Cyan Magenta Yellow Black
Cyan Magenta Yellow Black
check in<br />
Geht es Ihnen auch so? Können Sie all<br />
die schlechten Nachrichten auch nicht mehr<br />
hören? Wir erlebten kürzlich eine wunderbare<br />
Ablenkung. In Botswana, genauer den<br />
unendlichen Weiten des Okavango-Deltas,<br />
war das Einzige, das an unsere Ohren drang,<br />
Vogelgezwitscher, das Trompeten der Elefanten<br />
und des Nächtens hin und wieder Hippo-<br />
Gebrüll (ab Seite 38). Das ließ uns die „Tagesschau“ für eine Weile vergessen.<br />
Keine Once-in-a-Lifetime-Erfahrung, aber doch immer wieder ein Glücksgefühl<br />
empfinden wir an der Côte d’Azur. Sie brauchen ein Argument für die nächste Reise<br />
dorthin? Wir haben vier neue wunderbare Bleiben entdeckt, die jede für sich Grund<br />
genug wären für den nächsten Trip an die Blaue Küste (ab Seite 62). Und weil wir<br />
schon in Frankreich sind: Arles, die (Kultur)Hauptstadt der Camargue galt, trotz ihres<br />
berühmtesten Besuchers, Vincent van Gogh, bisher als Geheimtipp. Ein glitzernder<br />
Museumsturm und eine Schweizer Milliardärin sollen dies nun ändern (ab Seite 24).<br />
Apropos Kunst: Rechtzeitig zur Biennale (23. April bis 27. November) eröffnete in einem<br />
ehemaligen Kloster nur wenige Minuten von den Ausstellungen Venedigs jüngste Fünf-<br />
Sterne-Herberge (ab Seite <strong>92</strong>).<br />
Frühling ist Cabrio-Zeit. Auch wir haben unseren Oldtimer aus der Garage geholt für<br />
eine Grand Tour Deluxe zu den schönsten Landschaften und den besten Raststätten der<br />
Westschweiz (ab Seite 52). Zur Nachahmung wärmstens empfohlen!<br />
Und noch ein Hinweis auf unsere Aktivitäten in der virtuellen Welt: Während der<br />
Pandemie haben wir die Zeit gut genutzt und unsere neue Website aufpoliert: Sie geht auf<br />
travellersworld.de im April online und bietet künftig auch tagesaktuelle Nachrichten aus<br />
der Welt des Reisens. Mein Tipp: Unbedingt ansehen!<br />
Ich freue mich, wenn Sie die eine oder andere Anregung nützlich finden.<br />
Ihr<br />
Reinhard Modritz<br />
rm@travellersworld.de<br />
Ein Nachtrag: Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der legendäre Florentiner<br />
Gastronom Fabio Picchi, den wir auf Seite 102 vorstellen, im Alter von 67 verstorben. Statt<br />
eines Portraits jetzt also ein Nachruf.<br />
PS: Aktuelle News und die besten Storys aus vergangenen Ausgaben<br />
finden Sie auf unserer Website. Schauen Sie doch mal rein.<br />
Traveller‘s World<br />
13
inside<br />
shorts<br />
38 Botswana<br />
24 City-Guide<br />
Valencia, World Design<br />
Capital 2022<br />
Travel<br />
26 L’art pour arLes<br />
Eine Schweizer Milliardärin<br />
bereichert die Hauptstadt der<br />
Camargue mit Kunst und<br />
lebensfroher hospitality<br />
36 daLi, daLi<br />
Für die Tea Horse Road, den<br />
alten Handelsweg zwischen<br />
China und Tibet, sollte man sich<br />
Zeit nehmen<br />
38 miLd at heart<br />
Die Pirschfahrten im Okavango<br />
Delta und Linyanti Wildlife<br />
Reserve sind Once-in-a-lifetime-<br />
Wunder. Die Lodges aber auch<br />
52 swiss deLuxe<br />
Was ist schöner? Fahren durch<br />
herrliche Landschaften oder<br />
schnabulieren in besternten Raststätten?<br />
Unbedingt beides<br />
62 La Vie en bLeu<br />
Sie brauchen ein Argument für<br />
die nächste Reise an die Côte<br />
d’Azur? Wir haben vier<br />
Standards<br />
11 check in<br />
14 impressum<br />
122 check out<br />
Matthew Broderick und Sarah<br />
Jessica Parker in „Plaza Suite“<br />
im Netz travellersworld.de<br />
14 Traveller‘s World
52 Schweiz<br />
26 Arles<br />
stay<br />
70 C’est ChiC, boutique<br />
Im Norden von Mauritius,<br />
dort wo Strandcafés, Bars und<br />
Kunsthandwerk blühen,<br />
gibt es einen neuen Hotspot<br />
76 heimat, GefühLe<br />
Gut Steinbach in Reit im<br />
Winkl gönnt sich ein wunderbares<br />
Wellnessrefugium<br />
78 das bLaue wunder<br />
Die K.-u.-k.-Monarchie hat<br />
die Adria-Insel Lošinj einst<br />
entdeckt. Jetzt lockt sie<br />
wieder mit großer Pracht<br />
84 how suite it is<br />
Die große Isabelle Huppert<br />
bekam in Cannes ein glanzvolles<br />
Pied-à-terre eingerichtet.<br />
Gäste sind willkommen<br />
88 Cora Cora, non Labora<br />
Mitarbeiter des neuen Malediven-Resorts<br />
verstehen sich<br />
als „Freedom Fighters“. Das<br />
meinen sie wörtlich<br />
Fotos: Dana Allen/Wilderness Safaris, Stanislas Fautre/Le Figaro Magazine/laif, Michael Hannwacker, Tom Fallon/Lux Collection, Studio Ignatov<br />
112 Südtirol<br />
70 Mauritius<br />
<strong>92</strong> der KunstpaLast<br />
Rechtzeitig zur Biennale<br />
eröffnete in einem ehemaligen<br />
Kloster Venedigs jüngste<br />
Fünf-Sterne-Herberge<br />
98 renaissanCe bis ins bad<br />
Zwischen Via de’ Tornabuoni<br />
und Piazza della Repubblica<br />
erfand sich Florenz’<br />
ältestes Luxushotel neu<br />
taste<br />
102 erb-anLaGen<br />
Am Arno sind die Restaurants<br />
von Fabio Picchi eine<br />
Institution. Jetzt soll sein<br />
Sohn das Imperium sichern<br />
108 frisCh aufGezäumt<br />
Schnell hin, schnell wieder<br />
weg? Im richtigen Auto<br />
schon. Aber zwischendurch<br />
feiern Sie Ferraris Ex-Kantine<br />
112 wieder die natur<br />
In Südtirol wird gekocht,<br />
was die Berge und die Täler<br />
hergeben. Und erfreulich oft<br />
auf höchstem Niveau<br />
Traveller‘s World<br />
15
traVeLLer’s<br />
travellersworld.de<br />
Chefredakteur/<br />
Stv. Chefredakteur/<br />
Art Director/<br />
Reinhard Modritz<br />
Dr. Michael Hannwacker<br />
Willi Marcel Müller<br />
Autoren/<br />
Fotografen/<br />
Claudia Bette-Wenngatz, Patricia Bröhm, Patricia Engelhorn, Kristina Erhard, R.G. Falkner, Mathias Forster,<br />
Michael Hannwacker, Reinhard Modritz, Christine von Pahlen<br />
Dana Allen, Teagan Cunniffe, Tom Fallon, Stanislas Fautre, Michel Figuet, Mela Gruber, Michael Hannwacker,<br />
Studio Ignatov, Annie Leibovitz, Eric Martin, Franck Prignet, Danilo Scarpati, Thomas Vollaire<br />
Grafik/ Antje Bachmaier<br />
Bildredaktion/ Sirka Henning<br />
Schlussredaktion/ Achim Klede<br />
Postproduction/ Tini Van Ghemen, Lothar Hellmuth<br />
Travellersworld.de/ Reinhold Zwiebler, Kristina Erhard<br />
Bildbearbeitung und Litho/ High-End dtp-Service Hellmuth<br />
Sales und Marketing/ Insa R. Bell<br />
Verlag/ TRAVELLER’S WORLD Verlag GmbH<br />
Adelgundenstraße 21<br />
80538 München<br />
Tel. +49.89.23 68-40 50<br />
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Druck/<br />
Mayr Miesbach GmbH<br />
V. i. S. d. P./ Reinhard Modritz<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die<br />
Meinung der Redaktion wieder. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Nachdruck,<br />
auch auszugsweise, bedarf der Zustimmung des Verlags.<br />
Cover: Tom Fallon/LUX Collection<br />
TRAVELLER’S WORLD<br />
finden Sie an folgenden<br />
exklusiven Plätzen:<br />
aN boRD<br />
lUFTHaNsa First & Business<br />
lUFTHaNsa Private Jet / Frankfurt<br />
Ms europa 2<br />
sWIss / Zürich<br />
TUrKIsH Business<br />
louNgES<br />
Ba / Berlin, München<br />
eMIraTes / DUS / FRA / MUC<br />
NeTJeT / MUC<br />
sWIss / Zürich<br />
vIP loUNGe / MUC / FRA / DUS<br />
SToRES - MÜNCHEN<br />
BUCHerer<br />
erMeNeGIldo ZeGNa<br />
FeINKosT KÄFer<br />
KIToN<br />
HoTElS - DEuTSCHlaND<br />
adloN KeMPINsKI, Berlin<br />
alTHoFF ColleCTIoN<br />
BaYerIsCHer HoF, München<br />
BreIdeNBaCHer, Düsseldorf<br />
BreNNers ParK-HoTel & sPa,<br />
Baden-Baden<br />
BÜloW PalaIs, Dresden<br />
HoTel de roMe, Berlin<br />
HoTel PalaCe, München<br />
KeMPINsKI aTlaNTIC, Hamburg<br />
KeMPINsKI BerCHTesGadeN<br />
KeMPINsKI TasCHeNBerG<br />
PalaIs, Dresden<br />
laNserHoF, Tegernsee<br />
MaNdarIN orIeNTal, München<br />
ParK HIlToN, München<br />
ParK-HoTel eGeNer HÖFe,<br />
Tegernsee<br />
GUT sTeINBaCH, Reit im Winkl<br />
soFITel, München<br />
THe CHarles, München<br />
vIlla KeNNedY, Frankfurt<br />
WeIsseNHaUs GraNd<br />
vIllaGe resorT & sPa, Ostsee<br />
HoTElS INTERNaTIoNal<br />
BaUr aU laC, Zürich<br />
CasTell soN ClareT, Mallorca<br />
GraNd HoTel KroNeNHoF,<br />
Pontresina<br />
FINCa CorTesIN, Marbella<br />
GraNd HoTel des BaINs<br />
KeMPINsKI, St. Moritz<br />
KaMeHa GraNd, Zürich<br />
KeMPINsKI HoTel das TIrol,<br />
Jochberg<br />
KeMPINsKI PalaIs HaNseN, Wien<br />
KUlM HoTel, St. Moritz<br />
laNserHoF, Tirol<br />
THe dolder GraNd, Zürich<br />
vIlla d’esTe, Lago di Como<br />
DIvERS<br />
rIsToraNTe Gallo Nero,<br />
Hamburg<br />
16 Traveller‘s World
shorts<br />
BOYS TOYS<br />
Von Onassis bis Jeff Bezos – Yachten, die die Grenzen<br />
von Technologie und Dekadenz sprengen, sind die Spielzeuge<br />
der oberen null Komma eins Prozent. Sie gehören<br />
nicht dazu? Dann lässt Sie YACHTS: THE IMPOSSIBLE<br />
COLLEC TION wenigstens träumen. Achtung, wiegt 9,3<br />
Kilo; Preis pro Kilo: 88,13 Euro. assouline.com<br />
Abheben und abtauchen<br />
Adlerjäger in der Mongolei, Wüstenelefanten in Namibia oder mit der Expeditionsyacht<br />
zu den Inuit Grönlands – Mitglieder von VIstAJEt, dem führenden Anbieter von Reisen<br />
im Privatflugzeug, können dank der Partnerschaft mit weltweit führenden Reiseexperten<br />
exklusive Abenteuer erleben. Jüngster Coup: ein U-Boot-tauchgang in der Karibik, in die<br />
tiefen der Great Bahama Bank. Any passengers? vistajet.com, pelorusx.com<br />
Hoch-Zeit in New York<br />
Simon George of Cornwall, auf Brautwerbung befindlicher<br />
englischer Landadeliger, ist nur einer der Stars der Blockbuster-Ausstellung<br />
hoLBein: CApturinG ChArACter<br />
in der Morgan Library. Bis 15. Mai, themorgan.org<br />
Analog digital<br />
Das ist eine Ansage. Eine Automatikuhr,<br />
die die Zeit digital anzeigt.<br />
Die in eine firmeneigene<br />
Goldlegierung gefasste Zeitwerk<br />
Honeygold Lumen von<br />
A. Lange & Söhne lässt durch<br />
das Zifferblatt aus getöntem<br />
Saphirglas ausreichend Licht auf<br />
die auf drei Scheiben laufenden<br />
Zahlen fallen, dass diese beim<br />
Erscheinen in den Sichtfenstern<br />
gut sichtbar leuchten. Limitiert<br />
auf 200 Stück, 114 000 Euro,<br />
alange-soehne.com<br />
Fotos: U-Boat Worx, ASSOULINE Ultimate Collection, Städel Museum, Lange Uhren GmbH<br />
18 Traveller‘s World
shorts<br />
Messers<br />
Spitze<br />
Ein Präzisionsinstrument aus der<br />
Uhrenstadt Biel gibt sich zeitlos<br />
im Schweizer Städtchen Biel verstehen sie sich auf Genauigkeit.<br />
Rolex unterhält hier einen Produktionsbetrieb, Omega-Uhren<br />
entstehen in der zehntgrößten Schweizer Gemeinde, Swatch hat hier<br />
seinen Sitz. Aber es geht längst nicht nur ums Zeitmessen in Biel; ein<br />
kleines hier ansässiges Unternehmen steht auf des Messers Schneide. Snife<br />
heißt es, kurz für Swiss Knife, Schweizer Messer, eine Ware, die alle Welt eigentlich<br />
mit einem rot gewandeten Alltagsgegenstand identifiziert. Snife jedoch<br />
schmiedet ausschließlich High-End-Ware, die insbesondere Spitzengastronomen<br />
begeistert. Jüngstes Werk ist ein nur zehn Zentimeter großes Sammlerstück, ein<br />
Taschenmesser aus 1600 Lagen Damaszenerstahl. Hält ewig. Um 1999 Euro, sknife.com<br />
SCHNEIDEN FÜR STERNE<br />
die weltbesten Köche stehen auf<br />
die Messer von snife; diese hier<br />
decken (von oben nach unten)<br />
Mauro Colagreco, Franck Giovannini,<br />
Joan und Jordi roca sowie<br />
Grant achatz ein<br />
Fotos: Motorworld Group, Amy Gwatkin/Victoria and Albert Museum/London, Fashioning Masculinities in partnership with Gucci, Trevor Cole/Travel Photographer of the Year<br />
20 Traveller‘s World
Parkplatz<br />
Als Ruheort in einem mobilen Lebensraum hat sich das AMERON<br />
MÜNCHEN MOTORWORLD bereits etabliert. Jüngste Attraktion ist<br />
das Ameron Carthago Studio, ein Premium-Wohnmobil mit fast 20<br />
qm inklusive Dusche. ameroncollection.com/de/muenchen-motorworld<br />
Blickfang<br />
Jetzt, wo wir allmählich wieder Nahziele mit dem Cabrio ansteuern<br />
möchten, haben wir Augen für den RED CB DRIVING GoGGLE<br />
eines britischen traditionsherstellers. connollyengland.com<br />
Männer und Mode<br />
Tragbar? Eher nicht.<br />
Craig Greens Entwurf<br />
für die Sommerkollektion<br />
’21 war wohl auch<br />
nur ein Gedankenspiel.<br />
Und ist als solches<br />
eines von rund 100<br />
Statements dazu, was<br />
Männer tragen oder<br />
tragen könnten, in einer<br />
aufregenden Ausstellung<br />
des Victoria<br />
and Albert Museum<br />
in London. Warnung:<br />
„Fashioning Masculinities:<br />
The Art of<br />
Menswear“ weist über<br />
Loafers und Tweed<br />
Jackets weit hinaus. Bis<br />
6. November,<br />
vam.ac.uk<br />
Black and right<br />
Mit dem portrait eines hirten im Sudan, der<br />
sich die haare mit Büffelurin färbt, gewann<br />
der ire trevor Cole gerade den Best Single<br />
image Award beim Wettbewerb travel photographer<br />
of the Year. tpoty.com<br />
Traveller‘s World<br />
21
shorts<br />
Play Leichtes and FlySpiel<br />
Olorestrum sectur, etur, eventiis nos<br />
eostiis eum veliquid quam eicabores<br />
et quassin totatur, qui tem duciae poreproreris<br />
Sie eum kennen quae poresequo den New tenda York<br />
eiciis ut Stewart essi to della International sa consequunto Airport<br />
ommolores noch doluptur? nicht? Wird Et elliquos aber Zeit. maximus<br />
ciligen Denn tionsendi ab Juni fliegt dis qui die omni- isländische<br />
Budget-Linie PLAY<br />
über Reykjavík die Landebahn<br />
im Hudson Valley an.<br />
Kenner bleiben gleich dort,<br />
andere nehmen den Zug zum<br />
Grand Central. flyplay.com<br />
Das ist die Zukunft<br />
Die Expo 2020 ist (fast) vorbei, da eröffnet im Financial District von<br />
Dubai der nächste Eyecatcher: das MUsEUM oF thE FUtURE<br />
des einheimischen Büros Killa Design. museumofthefuture.ae/en<br />
Auf den Spuren<br />
der Bounty<br />
Um die Schönheiten unseres<br />
Planeten zu entdecken,<br />
braucht es nicht zwingend die<br />
Panorama-Suite auf einem<br />
Luxusliner. Reizvoll wäre<br />
auch eine Cruise von Tahiti<br />
aus zwischen den Gesellschaftsinseln<br />
(Bora<br />
Bora, Moorea) und dem<br />
entlegenen Tuamoto-<br />
Archipel mit maximal<br />
48 Gleichgesinnten<br />
auf dem Motorsegler<br />
MS Panorama II.<br />
Das Angebot von<br />
Variety Cruises<br />
(ab 2180 Euro p. P.<br />
für eine siebentägige Kreuzfahrt)<br />
toppt der Herrschinger Tour<br />
Operator Trauminsel Reisen auf Wunsch mit<br />
The Brando, dem exklusivsten Resort Französisch-<br />
Polynesiens. Preise auf Anfrage. trauminselreisen.de<br />
Fotos:<br />
Fotos: picture alliance/REUTERS, Joshua Howey/Unsplash, Tim McKenna/The Brando, Variety Cruises<br />
22 Traveller‘s World
weekend<br />
Valencia Spaniens Stadt der Künste trumpft als Weltdesign-Kapitale auf<br />
Sleep<br />
Caro Hotel In einem ruhigen Teil der<br />
Altstadt überrascht der gotische Adelspalast<br />
mit 26 hypermodern eingerichteten Zimmern<br />
und Suiten in Braun- und Beigetönen. Das<br />
minimalistische Fine-Dining-Restaurant „Alma<br />
del Temple” serviert ambitionierte Mittelmeerküche,<br />
die „Meta Bar” kreative Cocktails.<br />
Ab 185 Euro, Calle del Almirante, 14,<br />
carohotel.com<br />
Shop eat Watch eat Drink<br />
Studio Vintage Vicente<br />
Serrano trägt Designschätze<br />
aus ganz Spanien zusammen,<br />
mit Fokus auf die<br />
1930er- bis 1970er-Jahre.<br />
Von Murano-Vasen bis zu<br />
Ball Chairs von Eero Aarnio.<br />
Purisima, 8,<br />
studiovintage.es<br />
la Pepica Das beliebte<br />
Fischlokal an der Uferpromenade<br />
von Malvarrosa<br />
ist seit über 100 Jahren im<br />
Besitz der gleichen Familie.<br />
Hemingway liebte die Paella<br />
mit Meeresfrüchten.<br />
Avenida Neptuno, 6,<br />
T. +34.963.71 03 66<br />
Veles e Vents David<br />
Chipperfield hat das futuristische<br />
Gebäude im Yachthafen<br />
2007 zum America’s<br />
Cup entworfen. Zwei<br />
Restaurants ergänzen den<br />
Varadero-Club mit Terrasse<br />
und Konzert-Location.<br />
veleseventsvalencia.es<br />
World Design Capital 2022 Verkündet in der<br />
Ciutat de les Arts i les Ciències, dem einzigartigen<br />
Kulturkomplex des spanischen Stararchitekten<br />
Santiago Calatrava, feiert Valencia in diesem<br />
Jahr seine Rolle als Welthauptstadt des Designs.<br />
Zur „World Design Experience“ treffen sich<br />
Top-Gestalter im Juni zu Workshops, für „The<br />
World Design Street Festival“ im September<br />
sind kulinarische Hotspots, Design-Routen,<br />
Ausstellungen und Open-Air-Partys geplant,<br />
und beim „World Design Cities Meeting“ am 4.<br />
November soll das Bild einer Stadt der Zukunft<br />
entworfen werden. wdcvalencia2022.com<br />
la Salita Küchenchefin<br />
Begona Rodrigo hat sich<br />
mit ihrer meeresorientierten<br />
Küche einen Stern erkocht.<br />
Auch ihr vegetarisches<br />
Menü ist glänzend. Wie ein<br />
Vier-Gang-Menü für Kinder.<br />
Carrer de Pere III el Gran, 11,<br />
anarkiagroup.com<br />
Café Madrid Die Bar im<br />
ersten Stock des Boutique-<br />
Hotels Marqués House gilt<br />
als bester Ort für kreative<br />
Cocktails & Tapas – von<br />
klassischen Kroketten bis<br />
zu Austern.<br />
Carrer de l’Abadia de Sant<br />
Martí 10, myrhotels.com<br />
Fotos: Jurre Houtkamp/Unsplash, Fernando Alda, mauritius images, Daniel Duart, Arnakiagroup<br />
24 Traveller‘s World
travel<br />
mild at heart<br />
Drei neue Lodges<br />
vereinen Wildlife und<br />
Lifestyle in Botswana<br />
hast und rast<br />
Mit dem Oldtimer von<br />
Tisch zu Tisch – quer<br />
durch die Schweiz<br />
Foto: Franck Prignet/Le Figaro Magazine/laif<br />
THE bEauTy & THE bEaCH<br />
alles wie immer an der Côte d’azur?<br />
Mitnichten. es gibt vier sehr aufregende<br />
neue Hotels. ab Seite 62<br />
Traveller‘s World<br />
25
arles<br />
L’art<br />
pour<br />
Arles<br />
26 Traveller‘s World<br />
ZwISCHEN 1. uND 21. JaHRHuNDERT<br />
das römische amphitheater im Zentrum von arles wird heute<br />
für die Course Camarguaise, den südfranzösischen, unblutigen<br />
stierkampf, aber auch für Theater- und musikalische aufführungen<br />
genutzt. der glitzernde Museumsturm von stararchitekt Frank<br />
Gehry ist dagegen brandneu
Die Eröffnung eines spektakulären<br />
Kulturkomplexes<br />
verbindet das romantische<br />
Arles mit der Avantgarde.<br />
Gerechnet wird mit einem<br />
Bilbao-Effekt unter südfranzösischer<br />
Sonne<br />
Text PaTricia EngElhorn<br />
Traveller‘s World<br />
27
arles<br />
Dass sich Arles<br />
gerade ändert,<br />
ist vor allem ihr<br />
zu verdanken<br />
DIE MäZENIN<br />
Maja Hoffmann stellt im luma arbeiten von<br />
Künstlern wie Franz West (sofa), arthur Jafa<br />
(skulptur) oder rirkrit Tiravanija (Collage) aus.<br />
die Wendeltreppe „Take Your Time” ist eine<br />
Installation von Ólafur elíasson. das große<br />
Treppenhaus im jüngst eröffneten Museon<br />
arlaten ziert ein mehrere etagen hohes Fresko<br />
nach einem entwurf von Christian lacroix<br />
28<br />
Traveller‘s World
Traveller‘s World<br />
29
arles<br />
30 Traveller‘s World<br />
EN FaMIllE<br />
die Fondation van Gogh wurde von lukas<br />
Hoffmann finanziert, seine Tochter Maja<br />
beauftragte den kubanischen Künstler<br />
Jorge Pardo mit der Gestaltung des neuen<br />
luxushotels l’arlatan. das Hotel le Clôitre<br />
mit dem netten Terrassenrestaurant gehört<br />
ebenfalls zu ihrem Imperium
Nur einheimische und sehr mutige<br />
Autofahrer trauen sich die schmale<br />
Rue du Cloître hinauf, etwa um<br />
jemanden aus dem Hotel Le Cloître<br />
abzuholen oder um die eigenen<br />
Koffer dort abzustellen. Die Gasse<br />
ist eng, verwinkelt, uneben und<br />
unübersichtlich, sie führt an<br />
verwahrlosten Stadtpalästen mit zerbrochenen Fensterscheiben<br />
und bröckelnden Fassaden vorbei. Allerdings<br />
auch an der Kathedrale Saint-Trophime mit ihrem<br />
großartigen romanischen Kreuzgang, an den Überresten<br />
des Amphitheaters, das Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr.<br />
errichtet wurde, und an der malerischen „Épicerie du<br />
Cloître“, deren wenige Tische auf der leicht abfallenden<br />
Terrasse gerade mal so Halt finden.<br />
Die Gäste sitzen bei Gazpacho, Artischocken-Bruschetta<br />
und eisgekühltem Rosé auf bunt geflochtenen<br />
Stühlen von India Mahdavi unter einer gigantischen<br />
Paulownia, die sich jedes Frühjahr in ein blauviolettes<br />
Blütendach verwandelt. Egal, zu welcher Tageszeit man<br />
hier vorbeikommt – es ist still, friedlich, dörflich und<br />
unglaublich schick.<br />
Das Szenario überrascht, denn Arles zählte nie zu den<br />
mondänen Hotspots der Provence. Während Saint-Rémy,<br />
Aix oder der Luberon vom späten Frühjahr bis tief in den<br />
Herbst hinein von Touristen überrannt werden, bleiben<br />
die Arlésiens weitestgehend unter sich – nur im Hochsommer<br />
machen ihnen die über 100000 Besucher des renommierten<br />
Fotofestivals Les Rencontres d’Arles Parkplätze,<br />
Arena-Konzertkarten und die Tische vor der Torero-Bar<br />
„Le Tambourin“ an der Place du Forum streitig. Doch peu<br />
à peu zieht es inzwischen auch kreative Pariser in das<br />
55000-Einwohner-Städtchen – angelockt von der Nähe<br />
zum Meer, dem südländischen Lebensstil, der Kultur und<br />
der morbiden Schönheit einer noch nicht übermäßig renovierten<br />
Altstadt mit kleinen Läden, netten Cafés und<br />
einem grandiosen Samstagmorgen-Markt.<br />
Trotzdem: „Arles ist mehr oder weniger gleich<br />
geblieben – im Sommer offen und lebhaft, im Winter eher<br />
verschlafen“, sagt die in der Camargue aufgewachsene<br />
Hoffmann-La-Roche-Erbin Maja Hoffmann. Dass sich das<br />
gerade ändert, ist vor allem der Schweizer Kunstsammlerin<br />
zu verdanken. 2013 gründete sie Luma Arles, ein<br />
Zentrum für Kunstausstellungen, Forschung, Bildung<br />
und Freizeit. Es bespielt das Gelände eines ehemaligen<br />
Reparaturwerks der französischen Eisenbahn direkt<br />
neben den Gleisen der Bahnstrecke Paris–Marseille<br />
inklusive mehrerer imposanter, von der deutschen<br />
Architektin Annabelle Selldorf umgebauter Industriehallen<br />
aus dem 19. Jahrhundert. Bereits vor Fertigstellung des<br />
Gesamtprojekts wurden sie für große Ausstellungen etwa<br />
von Annie Leibovitz oder Gilbert & George genutzt.<br />
Das gesamte Areal eröffnete im vergangenen Juni mit<br />
dem spektakulären, 56 Meter hohen und mit über 11 000<br />
glitzernden Edelstahl-Paneelen verkleideten Turm, den<br />
der <strong>92</strong>-jährige amerikanische Stararchitekt Frank Gehry<br />
entworfen hat und dessen kristalliner Look in scharfem<br />
Kontrast zu den mittelalterlichen Kirchtürmen der<br />
historischen Römerstadt steht. Luma Arles gilt als eines<br />
der größten privaten Kunstprojekte Europas und soll auch<br />
Menschen anziehen, die selten oder nie ein Museum<br />
betreten – etwa durch kostenlos zugängliche Spaß-Kunstwerke<br />
wie die phosphoreszierende Skatebahn der<br />
koreanischen Künstlerin Koo Jeong A, die doppelte<br />
Rohrrutsche von Carsten Höller, den Drehspiegel von<br />
Ólafur Elíasson oder die weitläufige Gartenanlage des<br />
belgischen Landschaftsarchitekten Bas Smets.<br />
Damit nicht genug: Maja Hoffmann steht auch hinter<br />
dem neuen Luxushotel L’Arlatan in Arles’ historischem<br />
Stadtkern, für dessen Gestaltung sie den aus Havanna<br />
stammenden Künstler Jorge Pardo gewann und das<br />
entsprechend extravagant, exotisch und kaleidoskopischbunt<br />
geworden ist. Und sie ist Präsidentin der Fondation<br />
van Gogh, in deren 2014 eröffnetes, lichtdurchflutetes<br />
Museum ihr Vater Lukas Hoffman rund elf Millionen Euro<br />
investierte.<br />
Kurioserweise besitzt die Stadt kein einziges Van-<br />
Gogh-Gemälde, obwohl der Künstler fast 15 Monate lang<br />
dort gelebt hat und dort rund 300 Werke produzierte.<br />
Dank des Museums wird dieser Missstand wenigstens<br />
teilweise behoben: Jedes Jahr kehren einige Bilder des<br />
Niederländers als Leihgaben nach Arles zurück und<br />
werden neben Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern<br />
ausgestellt. Noch bis Anfang Mai ist eine Sammelausstellung<br />
mit Werken von rund 20 Künstlern unter dem an<br />
einen Van-Gogh-Spruch angelehnten Titel „Souffler de<br />
son souffle“ zu sehen.<br />
Für Van-Gogh-Liebhaber ist ein Besuch in Arles<br />
ohnehin ein Genuss. Es gibt einen locker gestalteten<br />
Parcours, der kreuz und quer durch die verkehrsberuhigte<br />
Altstadt zu den Orten führt, an denen der Künstler das<br />
Licht und den Sternenhimmel des Südens gemalt hat –<br />
unter anderem sein Lieblingscafé an der Place du Forum,<br />
den Rhône-Quai bei Nacht, das gelbe Haus, in dem er<br />
wohnte und sein linkes Ohr verlor, sowie natürlich auch<br />
das Oval des berühmten antiken Amphitheaters, in der<br />
früher Gladiatoren vor bis zu 21 000 Zuschauern auftraten<br />
und bis heute Stiere um ihr Leben kämpfen.<br />
Unweit des Amphitheaters befindet sich die<br />
unscheinbare Rue Lucien Clergue, benannt nach dem<br />
Gründer des 1970 gestarteten Fotofestivals, der hier mit<br />
seiner Familie wohnte und arbeitete. Lucien Clergue war<br />
selber Fotograf, seine ikonischen Schwarz-Weiß-Akte sind<br />
nach wie vor begehrt. Seine Tochter Anne Clergue hat<br />
mehrere große internationale Ausstellungen über ihren<br />
Traveller‘s World<br />
31
arles<br />
lE SHoppINg<br />
Im Concept store Moustique gibt es Geschirr<br />
mit Mücken-Motiv, in der librairie du<br />
Palais Bücher und Fotografien, in der Christian-lacroix-Boutique<br />
seltene vintage-objekte<br />
des designers und in der Parfumerie<br />
arlésienne einzigartige duftkreationen<br />
Traveller‘s World
Vater kuratiert und betreibt gleich hinter dem prächtigen<br />
Rathaus eine Galerie, in der sie die Arbeiten junger<br />
Fotografen zeigt. „Arles hat eine großartige künstlerische<br />
Vergangenheit“, erklärt sie, „das erklärt wohl auch den<br />
Sog, den die Stadt auf Kreative jeder Art ausübt.“ Tatsächlich<br />
zeigte Gucci vor ein paar Jahren seine Cruise Collection<br />
in Arles’ römischer Nekropole Alyscamps, der<br />
japanische Architekt Tadao Ando baut gerade ein denkmalgeschütztes<br />
500-jähriges Patrizierhaus für die<br />
Kunststiftung des Koreaners Lee Ufan um, und die<br />
Galerien-Dichte in Arles ist ebenso hoch wie die Anzahl<br />
von Designer-, Keramik- und Schmuck-Ateliers.<br />
Es lohnt sich, die idyllischen Straßen<br />
und die hübschen Läden zu erkunden.<br />
In der Parfumerie Arlésienne verkauft<br />
Fabienne Brando ihre eleganten,<br />
einzigartigen Parfums, Duftkerzen<br />
und Raumstäbchen, die es nur hier gibt<br />
und ein wunderbares olfaktorisches<br />
Andenken an Arles, die Provence und<br />
die Camargue sind. Im kleinen Atelier Sophie Lassagne<br />
stehen zauberhafte, vor Ort produzierte Keramikschalen,<br />
Platten und Vasen in den Regalen, und im Concept Store<br />
Moustique gibt es bunte Bast-Schläppchen, schöne<br />
Strandtaschen, ausgefallenen Schmuck, Hausaccessoires<br />
und teilweise eigens für den Laden hergestelltes Tischporzellan<br />
mit Mücken-Motiv.<br />
Was dagegen fehlt, sind die großen globalen Luxus-<br />
Brands. Einzig der Couturier Christian Lacroix ist mit<br />
einer Boutique präsent – er stammt aus Arles und darf das.<br />
Der kleine Laden an der Rue de la République entpuppt<br />
sich als Fundgrube für Liebhaber von Lacroix’ extravagantem<br />
Modeschmuck, seltenen Vintage-Modellen sowie<br />
Taschen, Sonnenbrillen und Seidentüchern aus den<br />
neuesten Kollektionen. Ladeninhaberin Michèle Audema<br />
kennt jedes Stück und die Geschichte dazu sowie natürlich<br />
auch den Modedesigner selbst, der zwar in Paris lebt,<br />
aber keine Gelegenheit auslässt, seine Geburtsstadt zu<br />
besuchen: „Arles inspiriert mich. Die Farben, die Traditionen,<br />
der Stil.“<br />
Nicht nur ihn. Modedesigner Eric Bergère, der für<br />
Lanvin, Inès de la Fressange und Tod’s gearbeitet hat,<br />
kreiert jetzt in Arles seine eigene Kaftan-Kollektion, die<br />
sich perfekt für den südfranzösischen Sommer eignet und<br />
in der kleinen Boutique Dou Bochi verkauft wird. Sattler<br />
Christophe Berti hat bei Hermès gelernt und produziert in<br />
seinem Atelier am Stadtrand die komplizierten, aus vielen<br />
Einzelteilen bestehenden Sättel für die berittenen Stierhüter<br />
und Rinderhirten der Camargue sowie wunderschöne<br />
Taschen, Gürtel und Hundehalsbänder.<br />
Zum Aperitif nach dem Shopping bietet sich der<br />
lebhafte Place du Forum an. Wer keinen Tisch in der<br />
Schon van Gogh wollte in<br />
Arles eine Künstlerkolonie<br />
gründen, und genau das<br />
geschieht jetzt<br />
angesagten, von einem ehemaligen Stierkämpfer<br />
geführ ten Bar „Le Tambourin“ findet, setzt sich auf die<br />
Terrasse des traditionsreichen Hotels Nord-Pinus oder<br />
vor die Tür der lässigen „Mon Bar“. Gleich um die Ecke<br />
eröffneten Quentin und Océana Lepillet im vergangenen<br />
Frühsommer das hübsche Restaurant „L’Oriel“, auf dessen<br />
weiß gedeckten Pergola-Tischen kreative französische<br />
Gerichte wie gebratener Lauch mit Granatapfelkernen<br />
und knusprigem Speck, zartes Steinbuttfilet und Kartoffeln<br />
an einem Muschel-Miso-Sud und köstliche frische<br />
Feigen auf einer Honig-Mandel-Creme serviert werden.<br />
Beschaulicher und deutlich schlichter geht es im<br />
hippen Stadtteil La Roquette zwischen Zentrum und<br />
Rhône zu. Anwohner sitzen schon morgens beim ersten<br />
„petit crème“ mit Croissant auf den sonnenblumengelben<br />
Stühlen des „Café de la Roquette“ an der idyllischen Place<br />
Paul Doumer, mittags trifft man sich schräg gegenüber im<br />
„L’Épicier Moderne“ oder geht zu Brigitte Cazalas ins „Le<br />
Gibolin“ und bestellt provenzalische Artischocken „à la<br />
barigoule“, geschmorte Lammkutteln „à la marseillaise“<br />
oder Kalbsleber mit „persillade“. Bevor sie das betont<br />
schmucklose „Gibolin“ eröffnete, war Brigitte Cazalas 30<br />
Jahre lang Sommelière in Paris – was sowohl die exzellente<br />
Weinauswahl als auch den manchmal leicht rüden<br />
Ton erklärt.<br />
Ebenfalls aus Paris ins La-Roquette-Viertel kamen der<br />
Pariser Kurator, Architekt und Visionär Philippe Schiepan<br />
und seine Frau Anne-Laurence. 2012 kauften sie eine<br />
ehemalige Kirche aus dem 18. Jahrhundert und verwandelten<br />
sie in ein durchgestyltes Chambre d’Hôte: Le<br />
Collatéral verfügt über vier großzügige Zimmer, eine<br />
Dachterrasse mit Aussicht und unendlich viel Platz für<br />
Kunst und Begegnungen. Neben der Beherbergung von<br />
Gästen finden hier Ausstellungen, Workshops und<br />
Artist-in-Residence-Programme statt. „Schon van Gogh<br />
wollte in Arles eine Künstlerkolonie gründen, und genau<br />
das geschieht hier jetzt“, sagt der Hausherr.<br />
Allerdings hat das, was in Arles gerade entsteht, eine<br />
sehr viel größere Dimension, als van Gogh es sich je hätte<br />
ausmalen können. Gut möglich also, dass die stillen Tage<br />
in der Rue du Cloître und anderswo bald Vergangenheit<br />
sind. Und dass sich die Arlésiens daran gewöhnen<br />
müssen, ihr Städtchen rund ums Jahr mit Kunstfreunden<br />
und Genießern aus aller Welt zu teilen.<br />
TW<br />
Traveller‘s World 33
arles<br />
34 Traveller‘s World<br />
GRAND HôTEL NORD-PINUS
Annäherung an Arles<br />
WoHNEN<br />
LE CLOîTRE Charmantes 19-Zimmer-Hotel in einem historischen Stadthaus, das die Pariser Designerin<br />
India Mahdavi in ihrer unverwechselbaren Handschrift einrichtete. Kühne Farbkombinationen, ein verspieltes<br />
Nebeneinander von maßgefertigten Möbeln und schönen Vintage-Stücken, sehr nettes Personal und<br />
die entzückende Terrasse vor der Tür machen es zu einer Lieblingsadresse.<br />
DZ ab 99 Euro, lecloitre.com<br />
L’HôTEL PARTICULIER Ein aristokratisches Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert wurde in ein unaufgeregt-elegantes<br />
Luxushotel mit 13 weiß getünchten Zimmern, Spa, Pool und einem von Platanen<br />
beschatteten Innenhof verwandelt. Das Frühstück im Garten ist ein Hochgenuss!<br />
DZ ab 370 Euro, hotel-particulier.com<br />
L’ARLATAN Das neue 35-Zimmer-und-Suiten-Hotel im Stadtzentrum ist ein Muss für Designliebhaber!<br />
Es entstand in einem historischen Stadtpalast und wurde vom Künstler Jorge Pardo in ein kühnes,<br />
farbenprächtiges Gesamtkunstwerk verwandelt. Der kleine Garten mit Pool ist den Gästen vorbehalten,<br />
Innenhof-Bar und Gourmet-Restaurant sind für alle zugänglich.<br />
DZ ab 150 Euro, arlatan.com<br />
MAISON FRAGONARD Direkt über der Boutique des berühmten Duft-Herstellers hat das Unternehmen<br />
ein Chambre d’Hôte mit sechs in schönem Vintage-Stil gestalteten Zimmern und Suiten eingerichtet. Die<br />
drei Zimmer sind klein (aber günstig), während die Suiten mit großen Bädern, ländlichen Küchen und in<br />
einem Fall sogar mit einer Dachterrasse ausgestattet sind.<br />
DZ ab 80 Euro, fragonard.com/fr-int/maison-fragonard-arles<br />
GRAND HôTEL NORD-PINUS In diesem legendären Hotel schliefen schon Picasso, Hemingway, Churchill<br />
und viele berühmte Stierkämpfer. Der alte Glamour ist noch zu spüren, obwohl das Haus neu gestaltet<br />
wurde – in den 26 Zimmern und Suiten wechseln sich modernes Design mit geschichtsträchtigen Details<br />
ab. Nach wie vor beliebt: die Bar in schönstem Retro-Look.<br />
DZ ab 180 Euro, nord-pinus.com<br />
HôTEL JULES CÉSAR Couturier Christian Lacroix gestaltete das Interieur eines ehemaligen Karmeliterklosters<br />
aus dem 17. Jahrhundert mit gewohnter Farbenpracht, falschen römischen Säulen und<br />
Stierkampfmotiven. Dazu: 52 unterschiedliche Zimmer und Suiten, Spa und idyllischer Garten mit Pool.<br />
DZ ab 130 Euro, hotel-julescesar.fr<br />
LE COLLATÉRAL Eine ehemalige Kirche, deren Fundamente aus dem 6. Jahrhundert stammen, beherbergt<br />
ein höchst unkonventionelles Bed & Breakfast. Auf 600 Quadratmetern gibt es vier Gästezimmer<br />
sowie viel Platz für Kunst, stille Mußestunden und gesellige Begegnungen. Im Loft unter dem Dach<br />
wohnen die Besitzer selbst, zum Apéro trifft man sich auf der Dachterrasse.<br />
DZ ab 210 Euro, lecollateral.com<br />
ESSEN<br />
RESTAURANT CHARDON Hippes Lokal mit Pop-up-Konzept, eröffnet von einem jungen Trio aus Paris.<br />
Am Herd stehen regelmäßig wechselnde Küchenchefs aus aller Welt, das Dekor ist betont schlicht, die<br />
Gerichte ambitioniert und innovativ, aber auch regional und nachhaltig.<br />
Menü ab 39 Euro, T. +33.9.72 86 72 04, hellochardon.com<br />
LE GALOUBET Vintage-Dekor, gute Musik und eine verdammt leckere Mittelmeerküche haben Franck<br />
Arribarts freundliches Altstadtlokal zur Lieblingsadresse von Arlésiens und Besuchern gemacht. Bei<br />
schönem Wetter sitzt man auf der romantischen, weingedeckten Terrasse vor der Tür.<br />
Menü ab 30 Euro, 18 Rue du Docteur Fanton, T. +33.4.90 93 18 11<br />
LE GIBOLIN Papiertischdecken und einfaches Bistro-Mobiliar – Brigitte Cazalas und ihr Partner Luc Desrousseaux<br />
sind Meister der Untertreibung. Denn obwohl die Gerichte ihrer Speisekarte schlicht klingen,<br />
sind sie perfekt zubereitet, lokaltypisch und köstlich. Dazu gibt es sensationell gute Weine.<br />
Menü ab 35 Euro, 13 Rue des Porcelets, T. +33.4.88 65 43 14<br />
CUISINE DE COMPTOIR Das hübsche Lokal mit ein paar Tischen vor der Tür ist immer gut besucht. Kein<br />
Wunder: Jeden Tag wird eine Auswahl an Tartines auf geröstetem Poîlane-Brot frisch zubereitet – die mit<br />
feinstem Roastbeef und hausgemachter Mayo bestellen die Stammgäste im Voraus.<br />
Gerichte ab 10 Euro, T. +33.4.90 96 86 28, cuisinedecomptoir.com<br />
L’ORIEL Der Erfolg des neu eröffneten Gourmetrestaurants lässt sich leicht mit der kreativen Küche<br />
von Quentin Lepillet erklären, der wenige Produkte so kühn wie geschmackssicher kombiniert und<br />
ansprechend präsentiert. Seine Frau Océana kann jedes Gericht erklären und den passenden Wein dazu<br />
empfehlen.<br />
Menü ab 68 Euro, T. +33.4.90 49 49 21, restaurantoriel.com<br />
ÉPICERIE DU CLOîTRE Wer kein großes Menü, sondern nur ein paar leckere Kleinigkeiten essen möchte,<br />
ist in diesem idyllischen Lokal richtig. Man sitzt unter einer ausladenden Paulownia und kann zwischen in<br />
Öl eingelegten Sardinen, lecker belegten Bruschette, Käseplatten und dem einen oder anderen warmen<br />
Gericht wählen.<br />
T. +33.4.65 88 33 10, lecloitre.com<br />
LA CHASSAGNETTE 20 Autominuten außerhalb von Arles steht ein ehemaliges Jagdhaus mit großem<br />
Gemüsegarten. Es ist das Reich von Amand Arnal, der sich mit seiner Farm-to-Table-Küche einen<br />
Michelin-Stern erkocht hat. Man sitzt zwischen Olivenhainen unter einer wunderbar begrünten Pergola<br />
mit Blick auf den Sonnenuntergang.<br />
Menü ab 85 Euro, T. +33.4.90 97 26 96, chassagnette.fr<br />
ANSCHAUEN<br />
RUINEN Die römische Geschichte von Arles reicht bis ins Jahr 46 v. Chr. zurück, als Julius Cäsar hier<br />
eine Kolonie gründete. Zu den zahlreichen antiken Ruinen zählen ein römisches Theater, die Konstantinsthermen<br />
und eine unterirdische Gewölbegalerie. Das bekannteste Beispiel römischer Architektur ist<br />
das beeindruckende Amphitheater, das seit dem 19. Jahrhundert für die Feria d’Arles (Stierkämpfe nach<br />
provenzalischer Art), Theatervorstellungen und Pop-Konzerte genutzt wird.<br />
LES RENCONTRES D’ARLES Das 1969 von Fotografen und Fotobegeisterten wie Lucien Clergue, Jean-<br />
Maurice Rouquette und Michel Tournier ins Leben gerufene Festival macht Arles jedes Jahr im Sommer<br />
zur Hauptstadt der internationalen Fotografiekunst.<br />
rencontres-arles.com<br />
MUSEON ARLATEN Das 1899 gegründete Museum wurde nach einer zwölfjährigen Renovierung kürzlich<br />
wieder eröffnet. Zu sehen sind Kostüme, Möbel, Arbeitsgeräte und Kultgegenstände, die das provenzalische<br />
Leben im 19. Jahrhundert illustrieren – in spektakulärer Inszenierung und mit gut umgesetzten<br />
technologischen und pädagogischen Prozessen.<br />
museonarlaten.fr<br />
MARKT AM BOULEVARD DES LICES Ob Reis aus der Camargue, fangfrische Meeresfrüchte, duftende<br />
Estragonbündel oder frischer Ziegenkäse: Dies und noch viel mehr wird auf dem lebhaften Regionalmarkt<br />
verkauft, der sich jeden Samstagmorgen über anderthalb Kilometer im Stadtzentrum erstreckt und als<br />
einer der schönsten und größten der Provence gilt.<br />
VAN-GOGH-PARCOURS Vincent van Gogh kommt an einem Februarabend 1888 eher zufällig nach Arles<br />
und bleibt fast 15 Monate. Es wird eine der produktivsten Phasen seines Lebens, in der über 300 Werke<br />
entstehen. Wo genau, zeigt ein Rundgang, der zu den Orten führt, die van Gogh gemalt hat. Jeder davon<br />
ist mit einer Erklärungstafel und dem dazugehörenden Gemälde versehen.<br />
arlestourisme.com/fr/sur-les-pas-de-van-gogh.html<br />
HôTEL JULES CÉSAR<br />
Traveller‘s World<br />
35<br />
Fotos: Iwan Baan, Marc Domage, Annie Leibovitz/alle LUMA Arles, Lucas Miguel/Unsplash, Stanislas Fautre/Le Figaro Magazine/laif (6), Gunnar Meier, Joana Luz, Patricia Engelhorn
china<br />
tag 1<br />
Zwischen wasser und BerGen<br />
Erster Stopp: das LUX Boutique Hotel nahe der Altstadt von<br />
Dali in der Provinz Yunnan. Inspiriert von lokaler Architektur<br />
und akzentuiert von zeitgemäß klarem Naturholz-Design,<br />
schaut es durch bodentiefe Fenster auf den Erhai-See und die<br />
schneebedeckten Gipfel des Cangshan-Gebirges. Wir<br />
genießen eine traditionelle Pu’er Tea-Time und die ebenfalls<br />
vom Tee angeregten Treatments im Spa.<br />
tag 6<br />
Mystik trifft auf GeGenwart<br />
Shangri-La in der Provinz Yunnan, der einst sagenumwobene<br />
„Ort der Sehnsucht“, ist heute als Hauptort der<br />
autonomen Präfektur Kernland der tibetischen Kultur. Er<br />
bietet Ausflüge hinauf in die Bergwelt und hinab in spektakuläre<br />
Schluchten. Wir haben „Das Land der Heiligkeit<br />
und des Friedens, wo die Sonne und der Mond das<br />
Herz berühren“, LUX-uriös erlebt.<br />
tag 5<br />
Lux-us in shanGri-La<br />
Hinter die Kulissen des größten tibetischen Klosters<br />
schauen? Bei einer traditionellen Tee-Zeremonie mit<br />
den Mönchen plaudern? Ausgangspunkt ist, dreieinhalb<br />
Stunden von Lijiang entfernt, das LUX Shangri-La. Das<br />
18-Zimmer-Boutique-Hotel liegt auf 3160 Meter Höhe<br />
und verbindet den Charme eines alten Stadthauses mit<br />
modernen Designelementen und neuester Technik.<br />
36 Traveller‘s World
tag 2<br />
PaGoden und seen<br />
Wir umrunden den Erhai-See mit dem Fahrrad,<br />
besichtigen die aufs 12. Jahrhundert zurückgehende<br />
Altstadt und besuchen die berühmten, 1800 Jahre<br />
alten Drei Pagoden des Klosters Chongsheng. Das<br />
sind spektakuläre Naturerlebnisse in Verbindung mit<br />
Einblicken in die traditionsreiche Kunst und Kultur<br />
des alten Volkes der Bai.<br />
tag 3<br />
Von kLein-VenediG in den schnee<br />
An Romantik ist Lijiang, die „Stadt am schönen Fluss“, nicht zu überbieten.<br />
Das Townhouse des LUX Lijiang mit Anklängen an die Fachwerk-<br />
Architektur der Naxi liegt im Herzen von Chinas Klein-Venedig. Nur<br />
einen Tages-Trip entfernt: der Yulong Snow Mountain mit bis zu 5596<br />
Metern hohen, weißen Gipfeln.<br />
dali, dali<br />
nehmen sie sich<br />
zeit für einen trip<br />
auf der tea horse<br />
road, dem alten<br />
handelsweg<br />
zwischen China<br />
und tibet<br />
tag 4<br />
das herZ der naxi-kuLtur<br />
Wir nehmen uns Zeit für Lijiang, im 14. Jahrhundert<br />
Handelsknotenpunkt und eine der bedeutendsten<br />
Stationen auf der Tea Horse Road, ebenso wie das<br />
antike Baisha, die früheste Siedlung der Naxi mit<br />
ihren einzigartigen Wandmalereien. Unbedingt probieren:<br />
Hot Pots mit Hühnchen und wildem Trüffel<br />
und scharfer „Fünf-Pfeffer-Fisch“.<br />
Infos unter: luxresorts.com/en/china-lux-tea-horse-road/<br />
teahorseroad/journeys/bai-naxi-and-tibetan-culture-trip<br />
Fotos: Justin Chan/RHEA IMAGE STUDIO (2)<br />
Traveller‘s World<br />
37
otswana<br />
38 Traveller‘s World
ALLES IM FLUSS Selbst die Weiten des Linyanti River können die<br />
Elefanten auf ihrem Marsch in Richtung Norden nicht aufhalten. Sie sind<br />
ausgezeichnete und unermüdliche Schwimmer. Geschätzte 45.000<br />
davon leben hier im Chobe-Nationalpark – die größte Population der Welt<br />
Into the WIld<br />
Wenn die Wassermassen des Okavango in sein Delta fließen,<br />
ist Botswanas Tierwelt im Glück. Jeder, der das Spektakel<br />
miterleben darf, aber auch. Notizen einer unvergesslichen Safari
otswana<br />
40 Traveller‘s World
JUST SITTING BY THE RIVERSIDE Die Schönheit der Osprey-Lagune ist beinahe<br />
unwirklich. Die wenigen Gäste im Duma Tau Camp von Wilderness Safaris<br />
genießen dabei tagsüber einen Logenplatz. Und versammeln sich des Abends<br />
zum Sundowner am offenen Feuer auf dem schwimmenden Steg<br />
An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Also<br />
lauscht er dem nächt lichen Konzert, das er an<br />
der afrikanischen Wildnis so liebt<br />
Traveller‘s World<br />
41
otswana<br />
WIE POOL IST DAS Weil das alte Camp den<br />
gestiegenen Ansprüchen der Gäste kaum mehr<br />
genügte, wurde Duma Tau an gleicher Stelle<br />
komplett neu gestaltet. Größer, schöner, schicker.<br />
Jetzt gibt es sogar einen Infinity-Pool, der<br />
weit in den Fluss hineinragt. Was für ein Luxus<br />
er muss an die Worte von Rogers,<br />
seinem Guide, denken. „tagsüber sind<br />
es die elefanten und nachts die<br />
Flusspferde, die zwischen den Zelten<br />
zum Wasser des linyanti trampeln“<br />
42 Traveller‘s World
Text ReinhaRd ModRiTz Fotos Mela GRubeR, WildeRness saFaRis<br />
Was um himmels willen war das? Ein lautes<br />
Grunzen hat ihn aus dem Schlaf gerissen, gefühlt<br />
direkt neben seinem Bett. Er nimmt allen<br />
Mut zusammen, rafft sich auf, um sich umzuschauen.<br />
Und entdeckt ein mächtiges Hippo<br />
friedlich im Mondlicht grasend, jenseits von Moskitonetz und Zeltwand.<br />
Recht wohl ist ihm dennoch nicht, auch wenn ein schützender Holzzaun<br />
zwischen ihm und dem Flusspferd liegt. Er erinnert sich an die Worte<br />
von Rogers, seinem persönlichen Guide, der ihm vorhin auf der Veranda<br />
einen Sundowner mixte: „Tagsüber sind es die Elefanten, die mitten<br />
durchs Camp zum Wasser des Linyanti ziehen. Und nachts die Hippos.“<br />
Was, wenn sich zu dem gerade sehr vernehmlich Gras fressenden Koloss<br />
vor seinem Zelt ein zweiter gesellte oder gar mehrere?<br />
Zelt ist die Untertreibung des Jahres, findet er. Das Duma Tau<br />
Camp an den Ufern des Flusses, der diesem Grenzgebiet zu Namibia seinen<br />
Namen gibt, wäre ein perfektes Filmset, findet er. Unruhig läuft er<br />
im großen Living Room auf und ab, umkreist das riesige Bett (in dem<br />
auch ein Hippo ausreichend Platz fände) mit seinem Moskitonetz und<br />
entscheidet sich dann für einen Platz auf seiner Veranda. An Schlaf ist ohnehin<br />
nicht mehr zu denken. Also lauscht er dem Geräusch-Teppich, der<br />
sich über die Nacht im afrikanischen Busch legt. Bis Rogers ihn, pünktlich<br />
um halb sechs, zum Early Morning Game Drive abholt.<br />
Rogers verbringt die meiste Zeit des Tages mit dem ihm anvertrauten<br />
Gast, ist Guide, Spurenleser und wandelndes Nachschlagewerk auf einmal.<br />
Als der Junge aus Maun nach einem naturkundlichen Studium praktische<br />
Erfahrungen sammeln sollte, sei seine Wahl schnell auf Wilderness<br />
Safaris gefallen. „Wer dort einmal als Guide gearbeitet hat, dem stehen<br />
alle Camps des Landes offen.“ Zur Ausbildung gehöre auch die Praxis als<br />
Barmann und als Kellner. Damit er auf Fragen nach dem passenden Wein<br />
Antwort geben könne. Und zum Sonnenuntergang irgendwo im Busch<br />
einen ordentlichen Sundowner mixen. Rogers lernte in der Werkstatt des<br />
Camps, wie man einen Land Rover repariert. Und wie man ein Mokoro<br />
steuert, die schlanken Einbäume der Stämme im Okavango-Delta.<br />
So einen einbaum würde er auch gerne mal durch die schmalen<br />
Kanäle lenken. Aber vorher muss er unbedingt noch die Ebenen links und<br />
rechts des Linyanti erkunden. Duma Tau bedeutet in der Landessprache<br />
zwar „Löwengebrüll“, aber das riesige Gebiet im Nordosten von Botswana<br />
ist vielmehr berühmt für seine Elefanten. Hier und im benachbarten<br />
Chobe-Reservat sind weltweit die meisten ihrer Art zu Hause – geschätzte<br />
45.000. Der Linyanti trennt Botswana zwar von seinem nördlichen<br />
Nachbarn Namibia, die Elefantenherden kann der breite Fluss aber nicht<br />
von ihren Wanderungen über die von Menschen gezogenen Grenzen abhalten.<br />
„Elefanten sind ausgezeichnete Schwimmer“, hat Rogers erzählt.<br />
Jetzt sitzen die beiden in seinem Boot, nicht viel größer als eine Nussschale,<br />
kein Lüftchen kräuselt das Wasser. Und sehen aus sicherer Entfernung<br />
zu, wie eine Elefantenfamilie nach der anderen im wahrsten Sinn des<br />
Wortes baden geht. „Stille Wasser sind eben tief“, flüstert er. Mittendrin<br />
strampelt ein Baby, es kann kaum mehr als ein paar Jahre alt sein. Immer<br />
wieder ragt nur mehr die Spitze seines<br />
Rüssels aus dem Wasser. Dann endlich<br />
fasst es Fuß im weichen Ufergrund – ein<br />
herzerwärmender Anblick.<br />
Mit ein paar Schweizern, die ebenfalls<br />
vom Afrika-Virus befallen sind, sitzt<br />
er abends ums Feuer, das fleißige Hände<br />
immer wieder schüren. Die Boma hat<br />
Tradition im südlichen Afrika. In Duma<br />
Tau ist die große Feuerschüssel Zentrum<br />
einer Plattform, die im Linyanti floatet<br />
– eine der vielen guten Ideen, mit denen<br />
das alte Camp im vergangenen Jahr<br />
nicht nur upgegradet, sondern an nahezu<br />
gleicher Stelle komplett neu gebaut<br />
wurde, größer, eleganter, schicker. Aus<br />
gutem Grund zählt Duma Tau als Premier<br />
Camp nun zu den besten unter den<br />
knapp zwei Dutzend Camps von Wilderness<br />
Safaris in Botswana. Es bekam<br />
einen Infinity-Pool, der tief in die Lagune<br />
hineinragt, ein kleines, bestens ausgestattetes<br />
Gym und ein Spa. Hier klopft<br />
die resolute Tebby seine Muskeln weich,<br />
die nach vier morgendlichen Stunden<br />
Buschfahrten steif geworden sind.<br />
ein Kudu-Steak, zart wie Butter,<br />
ist heute sein Dinner auf der Terrasse<br />
über dem Fluss. Ganz wohl ist ihm nicht<br />
dabei, hat er diese Antilopen doch eben<br />
erst in freier Wildbahn bewundert. Doch<br />
Rogers kann ihn beruhigen. Kudus werden<br />
hierzulande in Farmen gezüchtet<br />
wie Kühe in der Heimat des Gastes.<br />
die kleine einmotorige der Wilderness<br />
Air startet am nächsten Tag in<br />
die südöstlichen Ausläufer des Okavango-Deltas.<br />
Über die weiten Ebenen unter<br />
ihm ziehen Büffel, grasen Herden von<br />
Zebras und ein halbes Dutzend Antilopenarten<br />
friedlich nebeneinander. Dann<br />
glänzen die ersten Wasserläufe und Seen<br />
wie Silber im Sonnenlicht und kündigen<br />
das grandiose Naturschauspiel an, das<br />
es nur in Botswana gibt. „Delta Airlines“,<br />
schießt es ihm durch den Kopf,<br />
als sich die Cessna Grand Caravan im<br />
Wasser spiegelt.<br />
Traveller‘s World<br />
43
otswana<br />
44 Traveller‘s World
Chitabe Camp, 18 Uhr, G&t-time. er nimmt<br />
einen kräftigen Schluck – gegen die Mücken –<br />
und lässt seinen Blick über die weite ebene<br />
schweifen. Verdammt schön hier, denkt er<br />
DA IST WAS IM BUSCH Direkt vor der Camp-Tür breitet sich das<br />
berühmte Moremi-Wildreservat aus, ein Mosaik aus Wäldern,<br />
Sümpfen und Grasland – und damit ein Eldorado für die Tierwelt<br />
Traveller‘s World<br />
45
otswana<br />
einen Augenblick lang überlegt er, ob das noch das<br />
wahre Afrika ist bei so viel luxus. Aber dann fällt<br />
sein Blick auf die grasenden Büffel unter seiner<br />
Zelt-Suite, die Impalas und die tsessebe-Antilopen<br />
INSEL DER SELIGEN Zum vielleicht schönsten Camp Botswanas gelangt<br />
man nur über einen schmalen Steg. Jao, das ist der perfekte Mix<br />
aus Nach haltigkeit und Design vom Feinsten. Hier stimmt einfach alles. Als<br />
echter Hingucker erweist sich das Skelett einer Giraffe in der Bibliothek.<br />
Chitabe bedeutet in der Landessprache<br />
Setswana zwar „Wo die Zebras<br />
hausen“, die heimlichen Stars aber sind<br />
die seltenen und vom Aussterben bedrohten<br />
Afrikanischen Wildhunde. Dave<br />
Hamman, Besitzer des von Wilderness<br />
Safaris geführten Camps, hat sich kompromisslos<br />
ihrem Schutz verschrieben.<br />
Deshalb ziert auch ein Wildhund den<br />
Land Rover, der ihn jetzt ins berühmte Moremi-Wildreservat karrt, dessen<br />
Fläche ein Drittel des gesamten Deltas ausmacht. Auf der Pirschfahrt<br />
stören sie eine Löwenfamilie beim Nachmittagsschläfchen, spüren einen<br />
Leoparden auf, der seine Beute, ein Impala, auf einen Baum vor allzu gefräßigen<br />
Neidern in Sicherheit gebracht hatte, und werden von einer Horde<br />
Paviane mit ohrenbetäubendem Lärm empfangen. Aber die scheuen<br />
Wildhunde lassen sich nicht blicken. Schade. Aber für einen solchen Fall<br />
hat Dave Hamman vorgesorgt. Allenthalben zieren die grandiosen Fotos<br />
46 Traveller‘s World
dieses ist ganz nach dem Geschmack<br />
des Safari-Gastes. Ihm fehlt<br />
der Luxus von Duma Tau nicht wirklich,<br />
stellt er erstaunt fest.<br />
Dafür empfindet er das<br />
wesentlich schlichtere<br />
Chitabe als besonders authentisch.<br />
Erinnerungen<br />
blitzen auf an seine ersten<br />
Safaris vor vierzig Jahren<br />
mit Zelt und einem alten<br />
Land Rover, die trotz<br />
schmalem Geldbeutel zu<br />
seinen schönsten Erinnerungen<br />
gehören. Damals<br />
hatte er sein Herz ans südliche<br />
Afrika verloren. Daran<br />
muss er jetzt denken.<br />
Er nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem Gin Tonic – gegen<br />
die Mücken – und lässt seinen Blick über die Weiten des Moremi<br />
Reserve schweifen. Was er sieht, zaubert ein Lächeln auf sein Gesicht.<br />
Verdammt schön hier, denkt er.<br />
Kein Besuch des deltas ohne eine Tour mit dem Mokoro,<br />
dem Einbaum der Stämme des Okavango. Lucius heißt sein Gondoliere<br />
der Sümpfe, er manövriert den wackeligen Kahn elegant durch<br />
die schmalen Kanäle zwischen hohem Schilf und einem Meer von<br />
Seerosen. Alles wirkt so unendlich friedlich und still, nur gelegentliches<br />
Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Bis aus dem Schilf ein Krokodil<br />
die Idylle durchbricht. Unwillkürlich zieht er die Arme eng an<br />
seinen Körper. Und spürt, wie Lucius hinter ihm ein Grinsen nicht<br />
verbergen kann. Touristen!<br />
Wie ein überdimensionales Adlernest klammert sich das<br />
Haupthaus des Jao Camps, der letzten Station seiner Reise, an die<br />
Baumkronen zweier mächtiger Mongongo-Riesen; schon von Weitem<br />
ein beeindruckender Anblick. Oben angekommen, verschlägt<br />
es ihm erst mal die Sprache – und das liegt nicht nur am Empfangskomitee<br />
in Form der überaus hübschen Camp-Managerin mit dem<br />
nicht minder hübschen Namen Charity.<br />
des leidenschaftlichen Tierfotografen<br />
die Wände des Haupthauses und der<br />
acht geräumigen Zelte des Camps.<br />
Jao präsentiert sich als ein skulpturales Wunderwerk aus<br />
Stahl, Holz und Glas, Räume hoch wie eine Kathedrale, die das Licht<br />
und die Geräusche des Deltas einfangen. „Ist das jetzt Botswanas<br />
schönstes Camp?“, schießt es ihm durch den Kopf. Die Antwort<br />
kommt spätestens, als er seine Zelt-Suite betritt.<br />
Wo hat er so viel Stil, solch stimmiges Ambiente schon mal<br />
gesehen? Richtig, auf der Seychellen-Insel North Island war’s, die lange<br />
Jahre ebenfalls zum Portfolio von Wilderness Safaris gehörte. Der Architekt<br />
damals wie heute, Silvio Rech, berühmt für seinen unnachahmlichen<br />
Mix aus bahnbrechendem Design und der Verwendung von natürlichen<br />
und recycelten Materialien.<br />
Traveller‘s World<br />
47
otswana<br />
48 Traveller‘s World
das war’s. letzte Station<br />
einer emotionalen Reise. dieses<br />
unbeschreibliche Glücks -<br />
gefühl, das weiß er, würde<br />
ihn noch lange begleiten<br />
VERGISS VENEDIG Die Bewohner des Deltas<br />
sind wahre Meister mit ihren Mokoros. Nur mit<br />
diesen Einbäumen können sie in den schmalen<br />
Kanälen des Okavango manövrieren<br />
einen Augenblick überlegt er. Ist das<br />
noch das wahre Afrika bei so viel ihn<br />
umgebenden Luxus? Aber dann fällt sein<br />
Blick auf die grasenden Büffel unter seiner<br />
Zelt-Suite, die Impalas und die Tsessebe-<br />
Antilopen, auf eine Giraffe in der Ferne.<br />
Ein unbeschreibliches Glückgefühl durchströmt<br />
ihn. Ja, das ist sein Afrika.<br />
Fotos: Teagan Cunniffe 6), Caroline Culbert, Dana Allen (4), Dave Hamman, Crookes And Jackson/alle Wilderness Safaris, Mela Gruber (5)<br />
Zu hause angekommen, packt er seine<br />
Erinnerungsstücke aus: die Wasserflasche<br />
aus Duma Tau, die Fotografie, die ihm<br />
Dave Hamman aus dem Chitabe Camp<br />
verehrt hat, und das Wilderness-Crew-<br />
Shirt, das ihm Charity zum Abschied mitgegeben<br />
hat. Das erste Mal seit seiner aufregenden<br />
Safari schläft er sofort ein. Und<br />
träumt von schwimmenden Elefanten. TW<br />
Into the WIld<br />
Koordinaten: 22° 19’ S, 24° 41’ o<br />
Duma Tau Premier Camp von Wilderness Safaris.<br />
Spektakuläre Lage am Linyanti River an der Grenze<br />
zu Namibia, acht Zelte in Duma Tau, vier Zelte in<br />
Little Duma Tau, schwimmende Plattform im Fluss.<br />
ChiTabe Classic Camp auf einer insel in Pfahlbauweise,<br />
acht geräumige Zelte im meru-Stil, das<br />
gesamte Camp wurde auf erhöhten Plattformen<br />
gebaut, Tor zum berühmten moreni-Reservat.<br />
Jao Stilvolle Luxus-Lodge für Ästheten und Design-<br />
Liebhaber im 60.000 hektar Jao Reserve. Fokus<br />
auf Nachhaltigkeit. Fünf super-luxuriöse Zelt-Suiten<br />
mit großer Veranda und Plunge Pool in luftiger<br />
höhe, zwei Two-bedroom Villas mit privatem Koch,<br />
butler und persönlichem Guide.<br />
Kontakt: wilderness-safaris.com,<br />
enquiry@wilderness.co.za<br />
Die hier beschriebene Fly-in-Safari (6 Tage, jeweils<br />
2 Nächte in Duma Tau, Chitabe und Jao, Flüge ab/<br />
bis maun und von Camp zu Camp, inklusive buschfahrten<br />
und Vollpension) bietet der herrschinger<br />
Tour operator Trauminsel Reisen ab 8.650 euro pro<br />
Person an. alternativ 3 Tage pro Camp ab 12.600<br />
euro. trauminselreisen.de<br />
Traveller‘s World<br />
49
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genusstour<br />
DELUXE<br />
SWISS<br />
Ein bewegungsfreudiger Oldtimer,<br />
heroische Landschaften und ein paar<br />
der besten Betten und Tische des Landes<br />
– wenn das kein Plan ist<br />
am Steuer rEinharD MoDriTZ Fahrtenbuch und Streckenfotos MichaEl hannwackEr<br />
Vrooom? Mmmmh! Das haben wir<br />
uns vorgenommen: mit einem alten 911er<br />
(für Porsche-Fans: das letzte G-Modell) drei<br />
Tage ab Graubünden auf den schönsten<br />
Strecken die Kantone St. Gallen, Glarus,<br />
Schwyz, Luzern, Zug und Zürich durchqueren.<br />
Dass das Wetter himmlisch sein würde,<br />
war Fügung. Dass an den Pitstops große<br />
Küche wartet, dagegen fest eingeplant<br />
52 Traveller‘s World
Traveller‘s World<br />
53
oad genusstour trip<br />
Raststätte Rheinaufwärts und schließlich entlang<br />
des Hinterrheins blubbern wir auf wie mit der Hand<br />
gefegten Landstraßen dem winzigen Weiler Fürstenau<br />
entgegen. Der auf der Karte der Genussmenschen<br />
eine Metropole ist. Denn hier steht Schloss<br />
Schauenstein, einst für ein (längst ausgestorbenes)<br />
Rittergeschlecht gebaut und seit 2003 Residenz des<br />
schönen Andreas Caminada. Im Erdgeschoss hat der<br />
kulinarische König der Eidgenossen eines seiner zwei<br />
Drei-Sterne-Restaurants eingerichtet, darüber zehn<br />
wunderbare Zimmer und Suiten mit dem gerade richtigen<br />
Anflug von Patina für die Zeit nach dem Mahl.<br />
DZ ab 370 Franken, schauenstein.ch<br />
Geben wir es ruhig zu: Die Schweiz<br />
macht selig. Erst recht, wenn man nach<br />
allen Seiten offen ist für das idealtypische<br />
Beieinander von Bergen und Seen<br />
54 Traveller‘s World
Magier am Werk Timo Fritsche hat als Küchenchef im inzwischen zugesperrten Drei-<br />
Sterne-Restaurant „La Vie“ in Osnabrück gezaubert, jetzt tut er es im „Oz“, der ehemaligen<br />
Remise des Schlosses. Und zwar, indem er in der Früh eine Runde im Garten dreht, aussucht,<br />
was gerade voller Saft und Kraft steckt, und daraus ein tagesfrisches Menü komponiert (Oz<br />
ist rätoromanisch und heißt „heute“). Wir nehmen am Chef’s Table Platz, ein eigens aus Bergahorn<br />
gezimmerter Tresen, der die Küche umstellt, und staunen, wie Fritsche eine Aubergine<br />
zu einer Köstlichkeit in Safransud mit fermentiertem Knoblauch verhext.<br />
Neun-Gänge-Menü 196 Franken, oz-restaurant.com<br />
Voll im Saft Unversehens geraten wir auf dem Weg zum nächsten<br />
Ziel in die Bündner Herrschaft. Die großartigen Weine, die hier gedeihen,<br />
sind jenseits der Grenzen nahezu unbekannt. Kein Wunder, die Schweizer<br />
trinken sie lieber selbst<br />
Traveller‘s World<br />
55
oad genusstour movie<br />
56 Traveller‘s World<br />
Glücksquellen Oder<br />
sie servieren die heimischen<br />
Tropfen in ihren besten Hotels.<br />
Das Grand Resort Bad<br />
Ragaz genießt einen unschlagbaren<br />
Ruf, was Wellness und<br />
Medical Health anbelangt. Der<br />
Komfort im vom Schweizer<br />
Hoteldesigner Claudio Carbone<br />
gestalteten Quellenhof ist<br />
ebenfalls kaum zu überbieten.<br />
Und nichts spricht gegen einen<br />
entschlossenen Sprung in den<br />
quellenreinen Pool vor dem<br />
palastähnlichen Prachtbau.<br />
Aber wir haben das Resort<br />
eigentlich nur wegen eines<br />
Mannes angesteuert: Sven<br />
Wassmer, der mit seinen<br />
Restaurants „Memories“ und<br />
„Verve by Sven“ dem Guide<br />
Michelin zusammen drei<br />
Sterne wert ist.<br />
DZ ab 990 Franken,<br />
resortragaz.ch<br />
Menü ab 229 Franken,<br />
memories.ch
Augenschmaus Ein kluges<br />
Resort nährt nicht allein Stoffwechsel<br />
und Zellen, sondern bietet auch geistige<br />
Nahrung. Als wir uns nach dem<br />
Frühstück und vor der Weiterfahrt<br />
noch ein wenig im weitläufigen Park<br />
im Zentrum des Kurortes ergehen,<br />
gerät unser Spaziergang zu einem<br />
Kunst-Parcours. Bei der Triennale Bad<br />
RagARTz (die nächste ist für 2024<br />
geplant) stellen internationale Bildhauer<br />
wie der Italiener Stefano Bombardieri<br />
aus, dessen monumentale<br />
Bronzeskulptur „Marta e l’Elefante“<br />
zum Publikumsliebling avancierte<br />
Wall-Fahrten Weil wir auch die nächste Etappe offen angehen können, haben wir freien<br />
Blick auf Sant Jöüri, die älteste romanische Kapelle der Ostschweiz. Eine halbe Stunde später<br />
genießen wir das grandiose Panorama am Südufer des Walensees und haben nachmittags Muße<br />
für einen Besuch im Kloster Einsiedeln<br />
Traveller‘s World<br />
57
genusstour<br />
Göttliche Dämmerung Die Sonne<br />
ist bereits auf dem Rückzug, als wir den<br />
Porsche in die Auffahrt des Park Hotel<br />
Vitznau am Vierwaldstätter See lenken.<br />
Der Blick aus der Halle auf die im Licht<br />
der Dämmerung silbern schimmernde<br />
Wasseroberfläche ist derart fesselnd, dass<br />
wir fast vergessen einzuchecken. Das wäre<br />
schade gewesen, denn jede der 39 Suiten<br />
ist eine Etüde in individuellem Charme,<br />
am begehrenswertesten natürlich die,<br />
die auf den möglicherweise schönsten<br />
aller Seen schauen. Wir wollen aber vor<br />
dem Abendessen auch noch einen Blick<br />
in den Keller werfen. Denn dort herrscht<br />
Star-Sommelier Sven Uzat, gerade mal<br />
30 Jahre jung, über 32 000 beste und<br />
allerbeste Flaschen. Sein aktueller Lieblingswein?<br />
Er empfiehlt den 2015 Saumur<br />
AOC Brézé, einen Chenin Blanc von der<br />
Domaine Romain Guiberteau, und zwar<br />
besonders zum Kabeljau, den Zwei-Sterne-Chef<br />
Patrick Mahler in seinem „focus<br />
Atelier“ mit Muschel, Walnuss und Beurre<br />
blanc zum Höchstgenuss komponiert. Das<br />
Gourmet-Glashaus kontrastiert stark mit<br />
der schlossähnlichen Seeufer-Residenz,<br />
die der österreichische Milliardär Peter<br />
Pühringer vor 13 Jahren den Oetker-<br />
Erben abgekauft und für kolportiert 270<br />
Millionen Franken aufgemöbelt hat. Und<br />
zwar so, dass wir am liebsten 911 Nächte<br />
in diesem Swiss Deluxe Hotel blieben.<br />
DZ ab 850 Franken, Menü ab 225 Franken,<br />
parkhotel-vitznau.ch<br />
58 Traveller‘s World
Seensucht Wir haben es ja geahnt. Von der Aussicht auf Wasser und Berge<br />
möchte man ewig kosten. Und man fragt sich, ob man es hier oben nicht sogar besser<br />
hat als die Stand-up-Paddler da unten oder die Passagiere der Ausflugsboote, die<br />
mit hoher Frequenz vorbeischippern. Irgendwann aber treibt uns der Appetit (ja, der<br />
kommt erstaunlicherweise immer wieder) hinunter auf die zum Frühstück gedeckte<br />
Terrasse. Und was seen wir von dort? Na eben<br />
Immer weiter Auch die schönste<br />
Genuss tour bereitet Schmerzen. Die<br />
der Trennung. Dürfen wir auf ein großes<br />
Finale hoffen?<br />
59
genusstour<br />
Am Ufer des Zürichsees lassen wir uns<br />
gern in die Reserve locken. Denn dieses<br />
Belle-Époque-Palais setzt die i-Tüpfelchen<br />
auf Swiss Deluxe<br />
60 Traveller‘s World
Starckes Stück Ja, wir dürfen. Denn bald nach unserer Ankunft in Zürich spiegelt sich in<br />
der Motorhaube des 911ers die neobarocke Fassade des La Réserve Eden au Lac. Drinnen<br />
erleben wir das schmucke 40-Zimmer-Haus als lifestylige, aber extrem ausgeschlafene Ansage an<br />
die Grandes Dames von Zürich – ein ebenso hippes wie selbstbewusstes Mitglied der elitären<br />
Gruppe der Swiss Deluxe Hotels. Stardesigner Philippe Starck hat es, nur durch den Utoquai vom<br />
See getrennt, als imaginären Yachtclub gedacht – mit zwei erstklassigen Kombüsen. Im „La Muña“<br />
unterm Dach (deren holzstrotzendes Chalet-Ambiente mit Karawanserei-Teppichen und einer<br />
Horror-Vacui-Täfelung mit See- und Segelmotiven selbst den unbegleiteten Gast einen Abend<br />
lang ausreichend unterhalten würde) serviert Executive Chef Marco Ortolani peruanisch-japanische<br />
Fusion in Perfektion. In der clubähnlichen „Eden Kitchen & Bar,“ dem lässigen, lichtdurchfluteten<br />
Restaurant im Parterre, verwirklicht der Ducasse-Schüler eine Cinemascope-Version<br />
italienisch-schweizer Weltküche. Wie gesagt: eine grande finale unserer petite tour de Suisse.<br />
DZ ab 500 Franken, Ceviche ab 39 Franken, Hauptgerichte ab 62 Franken, lareserve-zurich.com<br />
Traveller‘s World<br />
61
côte d’azur<br />
La vie en bleu<br />
Mit spannenden neuen Hotels<br />
zwischen Roquebrune-Cap-<br />
Martin und Saint-Tropez<br />
rüstet sich die Côte d’Azur<br />
für den Sommer<br />
62 Traveller‘s World
SpiTz Auf CôTe Nadelgleich weist das<br />
neue Hotel der britischen Maybourne-<br />
Gruppe auf die Riviera Richtung Menton.<br />
Der Samstagsmarkt in St. Tropez liegt<br />
in entgegengesetzter Richtung. Aber nah<br />
genug für spontane einkäufe<br />
Traveller‘s World<br />
63
côte d’azur<br />
Text Charlotte Mann<br />
Man sollte schwindelfrei sein, wenn<br />
man in den Pool taucht. Oder auf der<br />
Terrasse frühstückt. Das Ende letzten<br />
Jahres eröffnete Hotel THE MaybOurnE<br />
riviEra thront wie ein adlerhorst oberhalb des<br />
malerischen Dorfes roquebrune-Cap-Martin in der spektakulären<br />
Felsenlandschaft der Grande Corniche, einer unter<br />
napoleon erbauten bergstraße, die sich knapp 500 Meter<br />
über dem Meeresspiegel windet. Die aussicht von dort oben<br />
ist großartig: Der blick reicht die vielen Schlangenlinien der<br />
Küste entlang bis nach italien, über Monte-Carlo und Saint-<br />
Jean-Cap-Ferrat, über Pinien, Strände und das unendliche<br />
blau des Mittelmeers.<br />
Das einsam auf einem Felsen errichtete und modernistischen<br />
Prinzipien folgende Hotel wurde vom französischen<br />
architekten Jean-Michel Wilmotte in ein schillerndes Konstrukt<br />
aus weißen Linien und raumhohem Glas verwandelt,<br />
das schon von Weitem sichtbar ist und in der Dunkelheit<br />
leuchtet. Die 69 Zimmer und Suiten bieten mal umlaufende<br />
balkons, mal Terrassen mit Privatpools, dazu attraktive Details<br />
wie blaue Kristallarmaturen in den bädern oder Keramikarbeiten<br />
aus lokalen ateliers.<br />
aufzüge, die mit einer Handbewegung bedient werden<br />
können, führen hinab in die antiken Gärten mit ummauerten<br />
Wegen, Zitrusplantagen und Kräutergarten. Dort wurden<br />
der außenpool und ein Spa von Weltklasse untergebracht,<br />
Hotelgäste haben zudem exklusiven Zugang zum stilvollschicken<br />
Maybourne riviera beach Club.<br />
Zu den außergewöhnlichkeiten addieren sich die<br />
vielen über das Hotel verteilten Kunstwerke – allen<br />
voran die Skulptur eines ineinander verschlungenen<br />
Paares von Louise bourgeois in der gigantischen Lobby<br />
– und die hochkarätige Gastronomie: in der „Pool<br />
bar“ lässt Jean-Georges vongerichten Trüffelpizza und<br />
Hummerröllchen auffahren, die Sushi-bar wird vom<br />
japanischen Starchef Hiro Sato geleitet, und die Panoramaterrasse<br />
im obersten Stockwerk bespielt Drei-<br />
Sterne-Koch Mauro Colagreco mit seinem Mittelmeerrestaurant<br />
„Ceto“.<br />
noch mehr Splendid isolation soll das noch nicht<br />
ganz fertiggestellte uLTiMa CannES LE GranD<br />
JarDin bieten: Das jüngste Projekt der luxuriösen<br />
ultima-Gruppe eröffnet im Sommer auf der male rischen<br />
insel Sainte-Marguerite in der bucht vor Cannes<br />
und wird mit einer an der Côte d’azur nur schwer<br />
erreichbaren Privatsphäre punkten.<br />
Das Le Grand Jardin ist ein ummauertes anwesen,<br />
dessen älteste Teile aus dem 13. Jahrhundert stammen. Es besteht aus insgesamt elf Zimmern<br />
und Suiten, die sich auf das Haus des Gouverneurs, den Wachturm mit Dachterrasse und ein<br />
Gästehaus verteilen. Mehrere Essbereiche im Freien werden es Gästen ermöglichen, das verlässlich<br />
schöne Wetter der region und die kulinarischen Kreationen der talentierten ultima-Köche<br />
zu genießen. Zusätzliche abwechslung sollen ein Open-air-Kino und ein Spa bieten. Die für ihre<br />
64 Traveller‘s World
Die für ihre unberührte<br />
Schönheit bekannte Insel<br />
im Lérins-Archipel hat einst<br />
Künstler wie Pablo Picasso<br />
oder Francis Picabia<br />
angezogen<br />
boNNeS ADReSSeS Louise-bourgeois-Skulptur im<br />
Maybourne Riviera (oben links, weiter im uhrzeigersinn),<br />
Simone Duckstein, La-ponche-ikone,<br />
bad im Maybourne, Außenansicht und ein Schlafzimmer<br />
im ultima Cannes Le Grand Jardin<br />
Traveller‘s World<br />
65
côte d’azur<br />
unberührte Schönheit bekannte insel ist mit einer Länge von rund drei Kilometern<br />
die größte des Lérins-archipels und hat in der vergangenheit Künstler und Fotografen<br />
wie Pablo Picasso, Francis Picabia und Lee Miller angezogen. Sainte-Marguerite<br />
ist nur per boot oder Hubschrauber<br />
zu erreichen und von wenigen Menschen bewohnt.<br />
Das ultima Cannes wird also das einzige<br />
Privatanwesen sein, in dem Gäste übernachten<br />
können – störungsfrei und entspannt,<br />
aber mit dem Service eines Luxushotels.<br />
Mitten im Trubel von Saint-Tropez und<br />
gleich hinter der pittoresken Place des Lices<br />
wohnt dagegen, wer sich für die viLLa<br />
EuCLéia entscheidet, die in dieser Saison<br />
erste Gäste empfangen wird. Trotz der zentralen<br />
Lage steht dieses typisch provenzalische<br />
Landhaus inmitten von Weingärten und in<br />
idyllischer ländlicher ruhe. Ein butler, ein<br />
Hausmeister und ein privater Küchenchef<br />
kümmern sich um das Wohlergehen der Gäs te,<br />
die sich für eine Woche, einen Monat oder länger eingemietet<br />
haben. Zur verfügung stehen fünf geräumige Doppelzimmer<br />
und zwei Suiten, alle mit eigenem bad, ein modern gestaltetes<br />
Wohn-Esszimmer mit offener, perfekt ausgestatteter Küche,<br />
ein Hauskino, ein Gym und eine schöne Terrasse mit Pool und<br />
blick auf die Weinreben.<br />
Diane und Frédéric Saveuse, die Eigentümer der villa,<br />
betreiben auch das benachbarte Fünf-Sterne-Hotel villa<br />
Cosy, dessen Einrichtungen und Serviceleistungen den<br />
villa-bewohnern selbstverständlich zur verfügung stehen.<br />
in diesem Jahr kommen Gäste zudem in den Genuss<br />
der ersten Wein-Cuvée, die aus den eigenen reben gewonnen<br />
und in Saint-Tropez gekeltert wurde, und des<br />
Olivenöls aus den Früchten, die an den knorrigen alten<br />
bäumen im Garten wachsen.<br />
Ebenfalls in der altstadt von Saint-Tropez<br />
wurde im vergangenen Sommer nach<br />
acht Monaten rundum-renovierung das<br />
HôTEL La POnCHE neu eröffnet. Das<br />
legendäre Etablissement entstand 1938 als einfaches bistrot, frequentiert vor allem von lokalen<br />
Fischern, die ihre boote am gleich davorliegenden Steg vertäuten. Erst in den 50er-Jahren,<br />
als das Dorf sich zum Künstlertreffpunkt entwickelte, kamen ein paar Zimmer dazu, die zur<br />
bevorzugten Herberge von brigitte bardot, romy Schneider, Michel Piccoli und Jean-Paul<br />
Sartre wurden.<br />
als Simone Duckstein, Tochter der Gründer und langjährige besitzerin des Hotels,<br />
sich aus altersgründen zurückzog, war die Trauer in Saint-Tropez groß. Erfreulicherweise<br />
setzten die neuen besitzer auf Kontinuität. Sie beauftragten interior Designer Fabrizio<br />
Casiraghi, der mit viel respekt vor der vergangenheit und einem souveränen blick in die<br />
Zukunft die 21 Zimmer und Suiten – alle nach einer berühmten besucherin oder einem legendären<br />
Gast benannt – in hellen naturweiß-Tönen und mit gekonnt eingesetzten sommerlichprovenzialischen<br />
akzenten dekorierte.<br />
Das restaurant mit bester regionalküche und einer blumengeschmückten Terrasse mit<br />
Meerblick ist auch bei Einheimischen beliebt, in der bar werden Drinks wie „La Piscine“ mit<br />
66 Traveller‘s World
CôTe uND SpieLe Glaskunst in der Villa eucléia<br />
(links, weiter im uhrzeigersinn), das Meer, dessen<br />
farbe der Küste ihren Namen gab, boule-Spiel auf<br />
der place des Lices in Saint-Tropez; neidloser blick<br />
auf Monaco von The Maybourne Riviera<br />
Das Restaurant serviert beste Regionalküche,<br />
habitués bestellen Drinks wie „La Piscine“<br />
Fotos: Sabine Braun/laif (2), Richard Haughton (4),<br />
Adobe Stock, Franck Prignet/Le Figaro Magazine/laif<br />
Champagner, Holunder, Lime und Gurken-Sirup serviert. nach wie vor sieht man Hotelgäste in<br />
ein Handtuch gehüllt zum kleinen La-Ponche-Strand laufen. Der Steg, an dem einst Fischerboote<br />
anlegten, ist nun ihr Sonnendeck geworden.<br />
The Maybourne Riviera: maybourneriviera.com, DZ ab 850 Euro. Ultima Cannes Le Grand Jardin:<br />
ultimacollection.com, Preis auf Anfrage. Villa Eucléia: villacosy.com/en/villaeucleia, Villa ab 100 000<br />
Euro/Woche all inclusive. La Ponche: laponche.com, DZ ab 480 Euro<br />
Traveller‘s World<br />
67
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68 Traveller‘s World
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stay<br />
C’est chic, boutique<br />
Wie ein stolzer Windjammer hat das jüngste LUX Resort an<br />
der Grand Baie im Norden von Mauritius festgemacht. Ist<br />
das Boutique-Hotel jetzt die Nummer eins auf der Insel?<br />
Text rEinharD MoDriTZ<br />
70 Traveller‘s World
DaS SCHauKElN wIR SCHoN<br />
rooftop, einmal anders. Im Infinity-Pool mit<br />
Blick auf die lagune meint man, über dem<br />
Indischen ozean zu schweben. der Bereich<br />
mit einem restaurant im Wasser, Cabanas<br />
und daybeds wurde so gestaltet, dass man<br />
bis zum spektakulären sonnenuntergang den<br />
ganzen Tag faulenzen möchte<br />
Traveller‘s World<br />
71
stay<br />
Von irgendwo weht der Wind die Klänge eines Saxophons herüber.<br />
Auf Daybeds, Sofas, in Cabanas zelebriert ein illustres<br />
Völkchen den spektakulären Sonnenuntergang. Ganz ausgelassene<br />
Gäste schwingen sogar auf Schaukeln über dem Wasser.<br />
Andere haben an kleinen Tischen im 30 Meter langen Infinity-Pool<br />
Platz genommen und naschen Tapas von schwimmenden Tabletts. Wenn<br />
die Nacht über die Szene hereinbricht, verwandelt sie sich in eine Lounge-Bar, in<br />
der die Beats eines eingeflogenen DJs eine ziemlich schicke Gästeschar unterhalten.<br />
Das allein wäre schon bemerkenswert genug. Doch was wir bisher verschwiegen<br />
haben: Die Bar, das Restaurant „Bisou“ und der nierenförmige Pool befinden sich<br />
hoch oben auf dem Dach des neuen LUX Grand Baie. Kategorie: atemberaubend.<br />
Das allabendliche Schauspiel ist ein Highlight des Boutique-Hotels im Norden<br />
der Insel Mauritius, und es bleibt nicht das einzige. Seit das Resort Ende des<br />
letzten Jahres die ersten Gäste empfing, ist Grand Baie das Maß aller Dinge. Schon<br />
72 Traveller‘s World
wER HaT’S ERFuNDEN?<br />
KElly HoppEN waR’S<br />
Jede suite, jede villa, jede<br />
residenz und jedes Penthouse<br />
wurden mit großer stilsicherheit<br />
eingerichtet – eine symbiose aus<br />
luxus und Komfort, die dem Gast<br />
das schöne Gefühl schenkt, sich<br />
im eigenen designer-Ferienhaus in<br />
den Tropen zu befinden<br />
der Name ist Programm: Es gibt ja kaum eine schönere Bucht für ein Luxushotel.<br />
Und Jean-François Adam nutzte sie für eine spektakuläre Inszenierung. Der aus<br />
Mauritius stammende Architekt hatte bereits als Kind an ebendiesem Strand gespielt<br />
und sehnsüchtige Blicke auf die eleganten Segelyachten geworfen, die in der<br />
Bucht vor Anker lagen. Jahrzehnte später inspirierten sie ihn beim Entwurf für das<br />
Hotel: Wie Segel unter einer steifen Brise blähen sich die Fronten des lang gestreckten<br />
Gebäudes, als ob sie gleich in See stechen wollten. „Wohl noch nie hatte der<br />
Begriff Flaggschiff mehr Berechtigung als hier im LUX Grand Baie“, sagt der Architekt.<br />
Für die Verkleidung der Segel wählte Adam den Rohstoff, dem die Insel seit<br />
Jahrhunderten ihren Wohlstand verdankt: Zuckerrohr.<br />
Großartig ist nicht allein der Anblick von außen. Auch die zum Indischen<br />
Ozean offene vierstöckige Lobby ist ein Statement des guten Geschmacks. Hier ist<br />
alles groß gedacht, auch die sechs Meter langen Sofas, auf denen Neuankömmlinge<br />
ihren Welcome-Drink nehmen. „Als ich gebeten wurde, ein Konzept für das LUX<br />
Grand Baie zu entwerfen“, erklärt die britische Interior-Designerin Kelly Hoppen,<br />
die schon einige Herbergen für die Gruppe gestaltet hat, „wollte ich etwas schaffen,<br />
das es auf Mauritius noch nicht gab, eine ganz neue Erfahrung, eine ganz neue Ästhetik.“<br />
Das eklektische Innendesign und die neutrale Farbpalette der 116 Suiten,<br />
Villen und Residenzen verstehen sich ebenso gut mit Jean-François Adams dramatischer<br />
Architektur wie mit der türkisfarbenen Lagune, den üppigen Gärten und<br />
dem puderweißen Strand.<br />
Apropos Strand: höchste Zeit, das Umfeld des Resorts zu erkunden. Beginnen<br />
wir beim „Beach Rouge“. Erfahrenen LUX-Gästen ist das charakteristische<br />
Traveller‘s World<br />
73
stay<br />
Strandclub-Konzept aus anderen Häusern vertraut. Im Grand Baie jedoch ist<br />
alles noch großzügiger, schöner, eleganter. Die typischen roten Schirme säumen<br />
den überdimensionierten Pool mit der Bar am Kopfende. Das Beach-Res taurant<br />
versorgt die Sonnenanbeter tagsüber mit Snacks, des Abends lockt „Beach<br />
Rouge“ Dinnergäste mit einer höchst kreativen Küche und Nachteulen mit<br />
einem anregenden Musik-Mix.<br />
Mag das „Beach Rouge“ – im besten Sinne – noch als Hotelrestaurant<br />
gelten, so ist das „Ai Kisu“ nicht von dieser<br />
LUX-Welt. Der asiatische Fine-Dining-Tempel agiert auf<br />
dem (hohen!) Niveau internationaler Hotspots wie dem<br />
„Zuma“. Glänzend schwarze Wände, die verspiegelte<br />
Decke und offene Warayaki-Feuerstellen (Ai Kisu bedeutet „Flamme“ auf Japanisch)<br />
vermitteln cooles Großstadtflair, die ellenlange Bar offeriert die größte<br />
Sake-Auswahl im Indischen Ozean. Dies ist das Reich von Judah Tan aus Singapur,<br />
der jedem seiner Gäste das Gefühl gibt, ein ganz besonderer zu sein. Die<br />
begehrten Plätze (in Kürze kommt noch ein Chef’s Table dazu) teilen sich die<br />
Hotelgäste mit der nobel gewandeten Hautevolee der Insel. Die hat es meist<br />
nicht weit ins Grand Baie, die schönsten und luxuriösesten Villen liegen schließlich<br />
gleich um die Ecke am Cap Malheureux.<br />
Der zum Restaurant gehörende Privatclub glänzt mit elegantem Interieur,<br />
Pop-up-Dinner-Partys und Auftritten internationaler DJs und lokaler<br />
Musiker. Und erinnert ein wenig an die Hoch-Zeiten von Night Clubs wie dem<br />
„Régine“ in Paris oder dem „Byblos“ in Saint-Tropez. „LUX Grand Baie möchte<br />
guTEN abEND,<br />
DIE HERRSCHaFTEN<br />
Gibt es einen schöneren Platz für<br />
einen gepflegten drink? Ja, vielleicht,<br />
an der Bar des „ai Kisu” mit Blick auf<br />
die showküche des Gourmet-Tempels.<br />
oder vielleicht im „Maison lUX”, den<br />
Indischen ozean im Fokus<br />
74 Traveller‘s World
Überraschungen auf Schritt und Tritt bieten – von dem Moment, an dem die Gäste<br />
die Lobby betreten“, bekräftigt General Manager Ashish Modak seinen Anspruch.<br />
Und findet es „besonders erfreulich, dass unser Haus schon nach so kurzer Zeit zum<br />
Besten gehört, was Mauritius zu bieten hat“.<br />
Wer abends mit Grandezza feiert, will vielleicht am nächsten Tag ebenso<br />
stilvoll relaxen. Auch im ME Spa & Fitness gilt die Devise „Mehr ist mehr“. Die<br />
Wellness-Oase nimmt ganze vier Stockwerke ein und versteht sich auf einen einfühlsamen<br />
Mix aus modernster Technologie und uralten Weisheiten aus Ost und<br />
West, indoor wie outdoor, ein veritables türkisches Hamam und einen Kneipp-Garten.<br />
Besonders stolz ist man aber auf die eigene Kosmetiklinie und eine Dependance<br />
von Bastien Gonzalez, dem besten Füße-Verwöhner der Welt. Der Meister selbst ist<br />
so gefragt, dass manche Kunden ihn mit dem Privatjet einfliegen lassen. Das ist jetzt<br />
für die Gäste des LUX Grand Baie nicht mehr nötig.<br />
TW<br />
Ab 442 Euro in der Junior Suite. luxresorts.com<br />
Fotos: Tom Fallon (10), Michael Freeman (2)/beide Lux Collection<br />
Traveller‘s World<br />
75
stay<br />
heimat, Gefühle<br />
Das neue Heimat & Natur Spa auf Gut Steinbach<br />
verbindet die Schönheit Oberbayerns mit stilvoller<br />
Ruhe und maximaler Gelassenheit<br />
waRM uMS HERZ<br />
schöner wohnen auf 2000 Quadratmetern. Im neuen Heimat &<br />
Natur spa auf Gut steinbach findet der Gast eine Wellness-<br />
Bibliothek, Kaminzimmer, Bars und einen Pool der extraklasse<br />
76 Traveller‘s World
NaHElIEgEND<br />
entsprechend größtmöglicher<br />
Nachhaltigkeit wurden die<br />
meisten der verbauten Hölzer<br />
in der region geschlagen. Und<br />
die Geweihe für die kühne<br />
lampenkonstruktion über<br />
die zwei spa-etagen hat das<br />
eigene rotwild abgeworfen<br />
ReIT IM WINkl – Gründe für einen<br />
Ausflug nach Gut Steinbach gibt<br />
es eigentlich genug. Wir nennen etwa<br />
die exklusiven Chalets, um die Graf<br />
von Moltke das Relais & Châteaux-<br />
Haus ergänzt hat. Oder das Restaurant<br />
„Heimat“, dessen nachhaltige Regionalküche,<br />
omen est nomen, dem Guide<br />
Michelin einen grünen Stern wert war.<br />
Die neue stilvolle Panorama-Lounge,<br />
liebevoll „Salettl“ genannt. Und die<br />
traumhafte Lage auf einem der sonnigsten<br />
Hochplateaus in den Chiemgauer<br />
Alpen haben wir noch gar nicht<br />
erwähnt.<br />
Und doch gibt es nun noch einen<br />
Grund mehr: ein lichtdurchflutetes,<br />
2000 Quadratmeter großes und sich<br />
über zwei Etagen erstreckendes Wellnessrefugium<br />
namens Heimat & Natur<br />
SPA. Der Name ist Programm. Denn<br />
die – dezidiert zeitgeistige – Architektur<br />
des spektakulären Anbaus zitiert<br />
traditionell-bayerische und an alpine<br />
Höfe angelehnte Elemente und öffnet<br />
mit großen Glasfronten den Blick hinaus<br />
auf das nahe Reit im Winkl und die<br />
umliegenden Berge.<br />
Die meisten der verwendeten<br />
Hölzer stammen aus nachwachsenden<br />
Wäldern der direkten Umgebung oder<br />
aus dem gutseigenen Wald. Und schon<br />
im Eingangsbereich des Spa findet sich<br />
ein unmissverständlicher Hinweis auf<br />
die Heimatverbundenheit: ein über<br />
zwei Stockwerke reichender Leuchter,<br />
der einheimisches Holz mit abgeworfenen<br />
Geweihen des Rotwildes aus<br />
dem gräflichen Gehege kombiniert.<br />
Edel präsentiert sich auch das übrige<br />
Interieur. In der verspiegelten Decke<br />
zeigt sich das Ebenbild des eindrucksvollen<br />
18-Meter-Indoor-Pools, in den<br />
stilvollen und großzügig bemessenen<br />
Ruheräumen wird auch das Auge<br />
verwöhnt, der offene Kamin in der<br />
Wellness-Bibliothek verbreitet wohlige<br />
Wärme und vermittelt Gemütlichkeit.<br />
Sogar eine gute Stube gibt es, zwei<br />
Bars spenden Tee und Mineralwasser,<br />
und im Gym können sich Fitnessbewusste<br />
auf der neuesten Generation<br />
von Peloton und Precor abstrampeln.<br />
Im Sommer wartet ein großzügig angelegter<br />
Außenbereich mit Schatten<br />
spendenden, heimischen Obstbäumen<br />
sowie einer Yogawiese.<br />
Kurzum, eigentlich will man die<br />
Wohlfühloase gar nicht mehr verlassen.<br />
Was aber schade wäre, schon wegen<br />
der exzellenten Küche, siehe oben.<br />
DZ ab 240 Euro, Heimat & Natur Spa<br />
inklusive, gutsteinbach.de<br />
Fotos: Luca Guadagnini/Lineematiche (5)<br />
Traveller‘s World<br />
77
stay<br />
78<br />
Traveller‘s World
Das<br />
blaue Wunder<br />
Die kroatische Adria-Insel Lošinj empfahl sich<br />
vor über 100 Jahren schon einmal als Traumziel.<br />
Nach einem langen Dornröschenschlaf feiert sie<br />
jetzt ihr Comeback Text r. g. FalknEr<br />
aquamarin an der adria<br />
Mit der abenddämmerung kehrt in die Bars,<br />
restaurants und Cafés der Inselhauptstadt<br />
Mali losinj fast ein bisschen Urbanität ein<br />
Traveller‘s World
stay<br />
Traveller‘s World
Ist sie nicht märchenhaft?“, fragt Peter Schoch. Doch das ist eher rhetorisch.<br />
Schließlich weiß der Schweizer, dass eine Aussicht wie die vom<br />
Monte Baston, dem Hausberg des Hafenstädtchens Mali Lošinj, sonst<br />
eigentlich nur in der Fantasie zu haben ist. Wir schauen auf die Uvala<br />
Cikat, die „Zikadenbucht“ – und können uns nicht sattsehen: umkränzt von einem Pinienwald,<br />
umspült vom lupenreinen Aquamarin der Adria, erfüllt vom Singen der namengebenden<br />
Zikaden und illuminiert von den Lichtern glamouröser Ausnahme-Hotels: dem<br />
Alhambra, dem Bellevue und den schmucken Art-nouveau-Villen Hortensia und Mirasol.<br />
Und warum sieht Peter Schoch so stolz aus? Ganz einfach. Er führt die Regie über die Lošinj<br />
Hotels & Villas.<br />
Die vier Small Luxury Hotels haben die Bay exklusiv, was die Uvala Cikat zu einer 20-Sterne-Bucht<br />
macht. Genau gerechnet, sind es sogar 21, denn sie hat die Form eines Sterns – an dem<br />
praktischerweise eine Zacke fehlt – andernfalls gäbe es keinen Zugang zur offenen See. Wie<br />
exklusiv der Standort ist, illustriert der Rundblick vom Gipfel: Ringsumher ragen karge Eilande<br />
aus der kroatischen Adria, nur Lošinj badet geradezu im Grün. „Auf der Insel gedeihen über<br />
200 Baumarten“, schwärmt unser Gastgeber, „wie Kiefern, Pinien, Palmen, Tamarisken und<br />
Zypressen.“ Und warum dies? „Lošinj ist privilegiert mit seinen Quellen, guten Böden und der<br />
geschützten Lage. Und hat als einzige Insel der Adria ein subtropisches Mikroklima.“<br />
Das sind gute Voraussetzungen für eine märchenhafte Karriere. Sie startete zu einer Zeit, als<br />
Österreich, im Verbund mit Ungarn, noch ein Riesenreich war und über eine ellenlange Küste<br />
verfügte, die von Triest bis hinunter nach Kotor reichte. Und während das Gros von Europas<br />
Hoch- und Geldadel an die französische Riviera strebte, gingen die Habsburger daran, die Adria<br />
mondän zu prägen. Lošinj, damals: Lötzing, sollte das Vorzeigeprojekt werden.<br />
buntes Treiben<br />
die farbenfrohen Häuser rund um den kleinen Hafen<br />
haben veli losinj den Beinamen Klein-Portofino eingebracht.<br />
verwandte Töne sieht man an den Prachtbauten<br />
in der Zikadenbucht, deren Gäste einen logenplatz am<br />
kristallklaren Meer bekommen<br />
Traveller‘s World<br />
81
stay<br />
Zunächst ließ Kaiser Franz Joseph I. für seine Sisi die Villa Karolina errichten. Heimlich<br />
nutzte er sie aber mit seiner Geliebten, der Schauspielerin Katharina Schratt, weshalb der<br />
Volksmund dem Liebesnest den Namen „Villa Gspusi“ verlieh. 1912 folgte gleich nebenan das<br />
Alhambra, erbaut vom Wiener Architekten Alfred Keller – dem späteren Namenspaten des<br />
Hotelrestaurants.<br />
Leider endete das Märchen 1914, als rund 500 Kilometer östlich von hier der österreichische<br />
Thronfolger ermordet wurde. Seither lag die Bucht in einem 100-jährigen Dornröschenschlaf.<br />
Aber wie die meisten Märchen endet auch dieses gut. Davon zeugt vor allen anderen<br />
das Boutique-Hotel Alhambra & Villa Augusta. Der (arabische) Name, deutsch: „rote<br />
Festung“, erklärt sich angesichts der weinroten Jugendstil-Fassade von selbst. Im grundrenovierten<br />
Interieur dominieren warme, neutrale Pastellfarben, die das satte Grün und Blau<br />
der Natur von den Balkonen und Terrassen ihrer 51 Zimmer und Suiten umso prächtiger<br />
leuchten lassen. Jüngster Zugang unter den Prachtbauten in der Bucht ist die versteckt<br />
liegende Captain’s Villa Rouge, die samt Pool und üppigem Park nur als Ganzes gebucht<br />
werden kann.<br />
Das Sunset Dinner genießen wir auf der Terrasse des „Alfred Keller“. Das Restaurant wäre<br />
für Gourmets Grund genug für einen Ausflug nach Lošinj. Zur atmosphärischen Einstimmung<br />
wird ätherischer Duft der Pinien geboten und ein Ufer, das den abendlichen Glanz des<br />
Alhambra widerspiegelt. Das Restaurant hat letztes Jahr unter der Leitung des Schweizer<br />
Zwei-Sterne-Kochs Christian Kuchler mit dem jungen österreichischen Küchenchef Michael<br />
Gollenz seinen ersten Michelin-Stern erobert – ein Meilenstein für die gesamte Region.<br />
Frische Kräuter erntet der aufstrebende Jungstar im hoteleigenen<br />
Garten, Fleisch bezieht er aus zertifizierten Bio-Betrieben, Fisch<br />
bestellt er täglich frisch bei Goran, Ex-Weltmeister im Speerfischen,<br />
der ihm jeden Morgen seinen Fang per Foto schickt. Das Ergebnis:<br />
Wow! Dazu gesellen sich erlesene Tropfen aus dem „Alfred Keller“-Keller, in dem über 400<br />
Top-Labels aus allen Alten und Neuen Welten lagern, darunter seltene Bouteillen aus dem<br />
Vorzeige-Weingut Frescobaldi. „Der Michael will noch hoch hinaus“, ahnt Schoch, „mit dem<br />
einen Stern ist er erst auf den Geschmack gekommen.“<br />
Am nächsten Vormittag steht die Sonne gelb und warm am Himmel, in der Bucht dümpeln<br />
stolze Yachten, das Wogen der Wälder mischt sich mit dem sanften Rauschen des Meeres, die<br />
Luft ist von betörender Würze. Zeit, die Insel zu erkunden. Etwa so groß wie Sylt, bietet sie<br />
Dutzende Buchten mit verträumten Stränden, an denen sich die Gäste der Luxushotels einträchtig<br />
neben den Locals aalen. Für uns aber ist erst mal Kultur angesagt. Die gibt es reichlich in Mali<br />
Lošinj. Die stolze Marina kündet von ruhmreichen Zeiten lange vor den Habsburgern, als<br />
„Klein-Lötzing“ eine regionale Seemacht und gleich nach Triest der größte Hafen an der Adria<br />
war. Restaurants reihen sich an Bars und Cafés, das Treiben in den Gassen ist bunt. Jüngster Stolz<br />
der Hafenstadt aber ist ein zwei Jahrtausende alter, spektakulärer Fund.<br />
Eine antike Schiffscrew muss die fast zwei Meter große Bronzestatue des Apoxyomenos<br />
im ersten Jahrhundert nach Christus während eines Sturms vor der Insel Lošinj ins Meer<br />
geworfen haben, um ihr Schiff zu retten – so besagt die Legende. 1996, nach fast 2000 Jahren<br />
auf dem 45 Meter tiefen Meeresgrund, wurde die Skulptur des griechischen Wettkämpfers<br />
zufällig bei einem Tauchgang entdeckt. Nach ihrer Restaurierung in Florenz und einer<br />
Tournee durch ein paar der wichtigsten Museen der Welt zog die komplett erhaltene Figur in<br />
ein eigens in Mali eingerichtetes Museum.<br />
Zum Abschied verordnet uns Peter Schoch einen Abstecher in das malerische Fischerdorf<br />
Veli Lošinj (Groß-Lošinj, das originellerweise viel kleiner als Mali ist), „für die schönste<br />
Attraktion der Fünf-Sterne-Bucht“. Dazu müssen wir erst mal ein abenteuerlich aussehendes<br />
schwimmendes Etwas besteigen und weit ins Meer hinausfahren. Und dann kommen sie<br />
angeschossen, die blau-grauen Rücken mit den eleganten Flossen, nah bis ans Boot, sodass<br />
man sie beinahe tätscheln kann. „Es gibt rund 120 Delfine hier“, sagt Ivan, der Bootsführer,<br />
„wir betreuen sie im Teamwork mit dem Blue World Institute. Sie haben alle einen Namen und<br />
eine ID-Card.“ Gerade vollführt eines der Tiere einen Luftsprung. „Wie heißt denn der hier?“,<br />
fragen wir. „Ich glaube, das ist Cikat 54“, sagt Ivan und lächelt spitzbübisch dabei.<br />
TW<br />
DZ ab 420 Euro, Alhambra & Villa Augusta, T. +385.51.26 07 00,<br />
losinj-hotels.com<br />
Fotos: Eric Martin/Le Figaro Magazine/laif (3), Günther Standl/Jadranka (2), Sandro Tariba<br />
82 Traveller‘s World
luxus auf losinj<br />
der jüngste Zuwachs der losinj Hotels & villas, die<br />
villa rouge, garantiert: Was hinter dem schmiedeeisernen<br />
Tor geschieht, bleibt hinter dem schmiedeeisernen<br />
Tor (weiter im Uhrzeigersinn). das einstige<br />
Fischerdorf veli losinj ist auch vom Wasser aus ein<br />
bezaubernder anblick. Boutique-Hotel alhambra, hundert<br />
Jahre und kein bisschen alt. Feste feiern, wie sie<br />
fallen. sternenglanz über der adria: Michael Gollenz,<br />
links, und Christian Kuchler
style stay<br />
how suIte It Is<br />
Ihre schönste<br />
rolle<br />
Isabelle Huppert,<br />
Grande Dame des<br />
französischen Films, in<br />
ihrer Penthouse-Suite<br />
im Hôtel Martinez.<br />
Wenn Sie mögen,<br />
können Sie hier Ihre<br />
Starallüren ausleben<br />
Das Kino hat es schon immer geschafft, das Leben ein wenig<br />
aufregender zu insze nieren. Hotels versuchen das auch.<br />
In Cannes – wo sonst in Europa? – kommt beides zusammen<br />
Text CLARA SILBERSTEIN<br />
84 Traveller‘s World
stay<br />
Die gigantische terrasse mit ihrem cinemascope-Blick<br />
war schon immer schauplatz glamouröser Partys<br />
Der DIskrete charme Der BourgeoIsIe<br />
Festival-Chef Thierry Frémaux bekam ein männliches Boudoir mit Lichtspielhaus-Flair;<br />
die Huppert einen sanften Traum in Cremetönen<br />
86 Traveller‘s World
Fotos: Thomas Vollaire (2), Michel Figuet (4)<br />
rihanna, Bruce Willis, Susan Sarandon, Leonardo DiCaprio,<br />
Eva Longoria … die Liste der prominenten Gäste des<br />
Hôtel Martinez ist lang. Vor allem während des Festival<br />
de Cannes flüchten sie vor dem Trubel auf der Croisette<br />
hierher und halten Hof in ihren Suiten. Auch Frankreichs<br />
Filmdiva Isabelle Huppert zählt zu den Freundinnen des<br />
Hauses – als Stammgast bei den Festspielen. Sie wird jetzt wohl noch öfter<br />
zu Besuch kommen – sie kann neuerdings in einer fantastischen Penthouse-<br />
Suite übernachten, die ihren Namen trägt. Auch Thierry Frémaux, Generaldirektor<br />
des internationalen Festival de Cannes, ist eine Suite gewidmet. Beide<br />
natürlich auf der obersten, der siebten Etage, deren gigantische Terrasse mit<br />
Cinemascope-Blick schon immer Schauplatz glamouröser Partys war.<br />
„Beim Betreten ihres Appartements werden beide Namensgeber ein bisschen<br />
von sich selbst finden“, glaubt Interior-Designer Pierre-Yves Rochon, der<br />
die 1250 Quadratmeter der Suiten gestaltete. „Aber es wird sehr diskret sein.“<br />
Zunächst einmal gelang ihm das Kunststück, die ehemals eher kleinen Fenster<br />
durch deckenhohe Glasflächen zu ersetzen, sodass sich das Breitwandpanorama<br />
nun auch vom Sofa aus eröffnet. Bei der Einrichtung fühlte er sich in den<br />
Geschmack der beiden Namensgeber ein. Isabelle Hupperts Suite ist sanft und<br />
weiblich in Weißschattierungen, Cremetönen und Gold gehalten: „Die Räume<br />
sind großzügig, entspannend, auf eine gewisse<br />
Weise auch schlicht“, findet die Schauspielerin,<br />
„sie sind spektakulär, aber keineswegs aufdringlich<br />
oder erdrückend.“ Für Thierry Frémaux wurde<br />
ein männliches Boudoir mit stromlinienförmigen<br />
Mobiliar und Lichtspielhaus-Flair entworfen. Das<br />
Badezimmer ähnelt einer Garderobe, der markante<br />
schwarz-weiße Boden erinnert an alte Filme, im<br />
marineblauen Salon hat man leicht das Gefühl, in<br />
einem Kino zu sitzen. „Es ist fast ein Arbeitszimmer<br />
für mich“, amüsiert sich der Festival-Chef.<br />
Die persönliche Aura ist also allgegenwärtig.<br />
Beide waren sogar an der Kreation des exklusiven<br />
Raumdufts ihres Appartements und des eigens dafür<br />
angefertigten Porzellans beteiligt. Sie wählten<br />
die Bilder und Bücher aus, die in den Räumen verteilt<br />
wurden, sowie die Musik der Playlist und die<br />
Gerichte der speziellen Menükarte des Room Services<br />
– Isabelle Huppert wünschte sich ihre Lieblingsspeise<br />
Rühreier, Thierry Frémaux ein Pilzfrikassee.<br />
Très gourmet ist das beides nicht, aber wer<br />
sagt, dass Celebrities sich nur von Kaviar ernähren?<br />
Die Suiten sollen Gästen ermöglichen, für ein paar<br />
Nächte in das Leben eines Stars einzutauchen – gerne<br />
stilvoll und luxuriös, aber ohne falsche Klischees.<br />
„Bienvenu dans mon appartement, je vous<br />
souhaite un merveilleux séjour, willkommen in<br />
meinem Appartement, ich wünsche Ihnen einen<br />
wunderbaren Aufenthalt, Isabelle“, steht auf einer<br />
handgeschriebenen Karte, die jeder, der die Huppert-Suite<br />
gebucht hat, bei der Ankunft vorfindet.<br />
Die wird wohl niemand achtlos liegen lassen. TW<br />
Preis auf Anfrage, hyatt.com<br />
Traveller‘s World<br />
87
stay<br />
Cora Cora,<br />
non labora<br />
Ein neues<br />
Resort auf den Malediven zelebriert<br />
die Leichtigkeit des Seins<br />
Text kriSTina ErharD<br />
wenn das kein Zeichen ist: Nach 45 Minuten<br />
im Wasserflugzeug von Malé brechen die<br />
Wolken auf. Sie machen der Sonne Platz,<br />
um die Lagune ins rechte Licht zu rücken,<br />
die halbmondförmig die kleine Insel Maamigili im Raa-Atoll umgibt. Das<br />
Cora Cora Maldives Resort gilt als eines der spannendsten Openings der<br />
ostindischen Inselkette. Zunächst bedient es die Erwartungen: eine Insel,<br />
die sich in 15 Minuten umrunden lässt, auf weichem, weißem Sand, darüber<br />
Palmen, die sich sanft im Wind biegen. Davor eine Lagunenlandschaft<br />
mit tausend blauen und weißen Farbtönen. Das Honeymoon-Feeling de<br />
luxe oder zumindest ein Ort zum Träumen.<br />
Auch die zeitgeistigen Overwater- und Beachvillen, der riesige<br />
Infinity-Pool, das erstklassige Spa, das PADI-Wassersportzentrum und die<br />
strohgedeckten<br />
Restaurants, die<br />
kulinarisch rund<br />
um die Welt führen,<br />
gehören zu den Qualitäten, die ein High-End-Resort auf den Malediven<br />
ausmachen. Das Interieur orientiert sich an pastelligen Farbversionen<br />
des Regenbogens, es wirkt alles leicht und luftig.<br />
Weißer Strand, himmlische Villen – die Insel bedient<br />
die freiheit.<br />
Den Unterschied markiert das Motto des Resorts: „It’s freedom<br />
time“. Es rückt die individuelle Reise eines jeden Gastes in den Fokus. Die<br />
Mitarbeiter von Cora Cora verstehen sich als „Freedom Fighters“, sogar<br />
ein „Freedom & Transformation Coach“ lässt sich während des Aufenthalts<br />
konsultieren. Dazu passt, dass das „Moksha Spa & Wellbeing Centre“<br />
auf klassische Gesichtsbehandlungen oder Maniküren verzichtet und<br />
seinen Gästen lieber die Möglichkeit bietet, den Geist zu entspannen und<br />
Herz und Seele in Einklang zu bringen.<br />
loSlaSSEN<br />
das Freiheitsgefühl stellt sich bereits<br />
bei der anreise mit dem Wasserflugzeug<br />
ein und setzt sich mit dem<br />
Interieur der 100 großzügig bemessenen<br />
Beach und overwater villas<br />
fort. das resorteigene Museum sorgt<br />
für Weiterbildung, der Infinity-Pool für<br />
entspannung. die duplex lagoon villa<br />
zählt schon wegen der Wasserrutsche<br />
zu den Favoriten bei den Gästen<br />
88<br />
Traveller‘s World
Erwartungen. Und überrascht mit großer Lässigkeit<br />
Traveller‘s World<br />
89
stay<br />
Auf Cora Cora wird mehr auf das Sein als auf den Schein<br />
90 Traveller‘s World
all-INCluSIvE<br />
Uneingeschränktes Wohlbefinden<br />
versprechen die weichen Betten der<br />
lagoon-villen und die Treatments im<br />
„Moksha spa & Wellbeing Centre”. Zu<br />
den stillen vergnügen zählen Barfußspaziergänge<br />
im weichen sand und<br />
die reflexionen des abendhimmels<br />
im riesenpool. Und im türkisblauen<br />
Wasser rund um das raa-atoll warten<br />
wahre abenteuer<br />
das erlebnis.<br />
Auch das Ethnographische Museum von Raa Maamigili hebt das<br />
Resort ab von der Konkurrenz. Es verfügt über die umfangreichste Sammlung<br />
maledivischer Artefakte außerhalb der Hauptstadt. Chinesisches Porzellan<br />
oder Relikte der Niederländischen Ostindien-Kompanie erinnern<br />
daran, dass die Malediven, lange bevor sie zum Resortparadies aufstiegen,<br />
an einer belebten Ost-West-Handelsroute lagen. Nebenan zeigt die kleine<br />
archäologische Stätte im Zentrum der Insel jahrhundertealte Gemeinschaftsbäder,<br />
traditionelle Häuser mit geschnitzten Holzläden und den<br />
Boden einer<br />
alten Moschee.<br />
Es ist das Reich<br />
von Wifag, dem<br />
Ausgrabungsbeauftragten der Insel, dessen Wissen über sein Heimatland<br />
ein ganzes Buch füllen könnte (und sollte!).<br />
Ein weiteres Highlight ist ein Besuch auf „Ghost Island“. Die Nachbarinsel,<br />
mit einem Dhoni in knapp 30 Minuten erreicht und nicht mal<br />
einen Kilometer breit, hatte mehr als 3000 Einwohner, bevor sie 2004 vom<br />
Tsunami verwüstet wurde. Zurück blieb eine verfallene Stadtlandschaft.<br />
In der Schule fällt das Licht auf verblassende Mottos an den Wänden der<br />
Klassenzimmer. Eines davon: „Lachen ist die beste Medizin.“<br />
gesetzt – und zwar das auf der Sonnenseite des Lebens<br />
der Genuss.<br />
Auch nicht ganz ungesund: im Beach Club – auf dem von einer aus<br />
Johannesburg stammenden DJane ausgelegten Soundteppich – an einem<br />
Cocktail zu nippen und den Sonnenuntergang zu genießen. Von dort sind<br />
es nur ein paar Schritte zum „Acquapazza“, der kulinarischen Heimat<br />
von Küchenchef Umberto Piccolini. Dabei bedienen er und seine 80 (!)<br />
Mitarbeiter in den vier Restaurants des Resorts (fast) alle Geschmäcker der<br />
Welt. Das Streetfood-Restaurant „Ginger Moon“ zaubert in seiner offenen<br />
Schauküche authentische südostasiatische Spezialitäten auf den Teller.<br />
Das „Tazäa“ entführt auf die ehemalige Gewürzroute, beachtet aber mit<br />
Gerichten wie dem Barabo Riha, einem würzigen Kürbiscurry mit Kokosnussmilch,<br />
auch maledivische Traditionen. Die drei Säulen der japanischen<br />
Küche, Teppanyaki, Sushi und Kushiyaki, stehen bei Ahmed, einem einheimischen<br />
Koch, im „Teien“ auf festem Sockel. Wie ein Dompteur steht<br />
er am Teppanyaki-Grill, sein Werkzeug sind die Spatel, Fleisch, Fisch und<br />
Gemüse auf der Gussplatte seine Manege.<br />
Und nach dem Dinner? Reicht es, noch einen Drink zu nehmen, die<br />
Sterne zu beobachten und leichtfüßig über den Sand oder den Steg zu seiner<br />
Villa zu spazieren. Und die Leichtigkeit des Seins zu spüren. TW<br />
Ab 700 Euro all-inclusive, coracoraresorts.com<br />
Fotos: Ismail Niyaz<br />
Traveller‘s World<br />
91
stay<br />
Der Kunstpalast<br />
Einem guten Zweck diente<br />
sie schon immer. Und jetzt<br />
ist die CA’ DI DIO unser<br />
neues Lieblings refugium<br />
in der Lagune<br />
parole e immagini MICHAEL HANNWACKER<br />
ART HOUSE<br />
venedigs jüngstes Fünf-sterne-Hotel liegt nächstmöglich zum arsenale und den Giardini, den schauplätzen<br />
der 59. Kunst-Biennale, die am 23. april beginnt. dann werden sich in der aus der Hochrenaissance<br />
stammenden Kapelle, die Patricia Urquiola zur lobby umgedeutet hat, die Kunstfreunde drängen<br />
<strong>92</strong><br />
Traveller‘s World
Traveller‘s World<br />
93
stay<br />
KURzE wEgE<br />
Hochzeitsgäste könnten direkt<br />
vor dem Hotel anlegen. Zu Fuß<br />
ist das ehemalige Pilgerheim und<br />
Kloster über den Ponte de la Ca’<br />
di dio zu erreichen. Im Finedining-restaurant<br />
„vero” sind<br />
die wichtigsten Ingredienzien –<br />
Gemüse aus der region – an die<br />
decke projiziert. doch vor dem<br />
Mahl am abend wäre ein Besuch<br />
in der Hotelbar „alchemia” angezeigt.<br />
Mundgeblasenes Glas aus<br />
Murano ist allgegenwärtig<br />
die Fahrt dauert nicht mal eine halbe Minute. Man hat sich vom Vaporetto an der Station San Giorgio<br />
Maggiore aussetzen lassen, durchschreitet Palladios wunderbar austarierte Kirche, wendet sich<br />
links vom Chorraum in einen Gang, der zum Kirchturm führt. Und nein, man muss sich keine enge,<br />
womöglich nicht ganz vertrauenswürdige Treppe hinaufquälen. Es gibt einen Fahrstuhl! Keine 20,<br />
30 Sekunden später ist man – wenn man Glück hat, mit nicht allzu vielen anderen Menschen – am<br />
allerschönsten Aussichtspunkt der ganzen Lagune angelangt.<br />
Nach Süden schaut man über die Lagune und den Lido bis zur Adria, im Westen auf die<br />
Giudecca, die gerade eingerüstete Santa Maria della Salute und im Hintergrund leider auch Mestre,<br />
Venedigs hässliche Schwester. Im Osten breitet sich der sestiere Castello aus, in dem die Venezianer noch halbwegs unter<br />
sich sind. Richtung Norden wandert der Blick vom Dogenpalast die Riva degli Schiavoni entlang und entdeckt plötzlich<br />
etwas Neues. Oder zumindest etwas sehr frisch Gestrichenes. Die Ca’ di Dio.<br />
Die heißt so, weil hier im Mittelalter, genauer von 1272 bis 1340, Pilger Station machten, bevor sie die gefährliche<br />
Reise ins Heilige Land antraten. Mitte des 16. Jahrhunderts baute Jacopo Sansovino, Architekt zum Beispiel der schönen<br />
Loggetta des Campanile von San Marco, den Komplex zu einem Kloster aus, in dem fortan verlassene und verstoßene<br />
Frauen unterkamen. Zuletzt diente die Ca’ di Dio als casa di riposo per anziani – als Altersheim.<br />
Seit vergangenem Herbst aber ist das Haus eine himmlische Herberge für anspruchsvolle Pilger nach Venedig. Das<br />
jüngste Mitglied der kleinen Gruppe der VRetreats (zwei weitere Hotels stehen in Taormina, Sizilien, ein drittes in Rom)<br />
strahlt in einem cremeweißen Anstrich, der bei so vielen anderen venezianischen Palästen unterschiedlichen Zuständen<br />
der Verwitterung gewichen ist. Die makellose Fassade duldet nicht mal einen Hinweis auf das Geschäft, das dahinter<br />
betrieben wird (die dezente Plakette der Small Luxury Hotels gewahren nur mit dem Wassertaxi anreisende Gäste, das<br />
am Seiteneingang am Rio de la Ca’ en Duo anlegt).<br />
Die Lage ist exquisit. Vom Trubel um den Markusplatz entrückt, aber nur fünf Brücken von ihm entfernt, ruht die<br />
Ca’ di Dio an dem breiten Kai, der vom Dogenpalast zu den Giardini führt. Es ist ein fast exklusiver Abschnitt der Uferstraße,<br />
auf dem, im Gegensatz zu den meisten anderen Plätzen auf dem Weg nach San Marco, kein Straßenhandel<br />
erlaubt ist. Vor dem Hotel schaukelt der pontile arsenale, also die Vaporetto-Haltestelle „Arsenale“, auf den Wellen der<br />
Lagune. Das ist insofern praktisch, als hier auch der Shuttle vom Flughafen San Marco anlegt. Zudem sind es nur wenige<br />
Schritte zu der riesigen, schon von Dante besungenen Werft, die seit 1999 als Abspielfläche für die Kunst- und Architektur-Biennale<br />
dient.<br />
Die schlichte Bausubstanz der Ca’ di Dio hat die Mailänder Designerin Patricia Urquiola nun zu einem dankenswerten<br />
Statement wider die schwere grandezza genutzt, die einen in Venedigs traditionellen Hotelpalästen zu erdrücken<br />
94 Traveller‘s World
Traveller‘s World<br />
95
stay<br />
RiAlTO-ROmAnzE<br />
liebespaare mögen sich von<br />
venedigs berühmtester Brücke<br />
angezogen fühlen. Intimer und<br />
keineswegs weniger romantisch<br />
wäre es in der Blibliothekslounge<br />
der Ca’ di dio mit<br />
ihrem verträumten Blick auf<br />
san Giorgio Maggiore. Klösterliche<br />
ruhe herrscht selbst<br />
morgens im großen Innenhof,<br />
wenn das Frühstück für die<br />
Hotelbewohner serviert wird,<br />
die zuvor in den von stardesignerin<br />
Patricia Urquiola mit<br />
üppiger strenge eingerichteten<br />
Quartieren erwacht sind. In den<br />
Bädern feiert die in Mailand<br />
lebende spanierin wieder das<br />
Kunsthandwerk aus Murano<br />
droht. Nicht dass sie auf Minimalismus gesetzt hätte, der allzu oft die falsche Gegenreaktion auf zu viel Plüsch und<br />
Pomp darstellt. Ganz im Gegenteil. Von der Decke der Lobby hängt ein beeindruckender Leuchter aus 14 000 (!) mundgeblasenen<br />
Muranoglasscherben, darunter stehen zwei fast barock geschwungene Sofas, auf die sich niederzulassen<br />
Gäste für den Check-in gebeten werden.<br />
die 66 Zimmer und Suiten – sie folgen dem ursprünglichen Grundriss der Zellen – gruppieren sich<br />
um drei wunderbar ruhige Innenhöfe (das Frühstück im ersten, größten könnte man, würde<br />
nicht Venedig – und zusätzlich die Biennale* – warten, gern auf mehrere Mußestunden ausdehnen).<br />
Die Wände sind mit blau-grünen (die Farben der Lagune nachahmenden) Stoffbahnen<br />
bespannt, roter Marmor dominiert die gloriosen Badezimmer, alle Leuchten sind ebenfalls in<br />
Murano gefertigt. Erste Wahl sind zwei Gemächer unter den Dächern der beiden Klosterflügel.<br />
Sie verfügen über exklusive, auf Stelzen balanciernde Altane mit einem unbezahlbaren 360°-<br />
Blick über Venedig.<br />
Zwei Einschränkungen. Erstens: Manche Zimmer auf der dritten Etage haben wegen der Dachschrägen Fenster in<br />
Bauchnabelhöhe, für einen Blick nach draußen eher mühsam. Zweitens: Bei einem nächsten Besuch würden wir fragen,<br />
ob auf der anderen Seite des schmalen Kanals noch immer gebaut wird, und in diesem Fall um Unterbringung in einem<br />
anderen Trakt des Hauses bitten.<br />
Wenn Petrus es zulässt, nutzen die todschicke „Alchemia“-Bar und das nicht minder ambitionierte Restaurant<br />
„VeRo“ (kurz für Venetian Roots) die breite Uferstraße als Terrasse. Auf bequemen Sesseln an einem Negroni nippend<br />
oder vom Safranrisotto mit lokalem Tintenfisch kostend, genießen die Gäste die Bilderbuchsicht auf das Treiben auf<br />
dem Wasser. Und auf San Giorgio Maggiore mit seinem Kirchturm.<br />
TW<br />
DZ ab 280 Euro, vretreats.com/ca-di-dio/<br />
* BIENNALE ARTE 2022<br />
Es dürfte, neben der documenta in Kassel, das wichtigste Ereignis der zeitgenössischen Kunst in diesem<br />
Jahr werden. Leiterin der 59. Esposizione Internazionale d’Arte ist zum ersten Mal eine Italienerin,<br />
die in New York wirkende Kuratorin CECILIA ALEMANI (links). Ihr Programm ist nicht eben bequem,<br />
aber hoch spannend: Frauen und „nicht geschlechtskonforme” Künstler sollen die dominierende Rolle<br />
der Männer in der Gesellschaft herausfordern und die Beziehungen zwischen Menschen, Technologie<br />
und verschiedenen Lebensformen auf der Erde untersuchen. Neben der Ausstellung im Zentralen<br />
Pavillon in den Giardini und im Arsenale sind 80 Länder mit ihren nationalen Pavillons vertreten.<br />
23. April bis 27. November, labiennale.org/en/art/2022<br />
96 Traveller‘s World
Traveller‘s World<br />
97
stay<br />
BENVENUTI<br />
seit dem späten 19. Jahrhundert<br />
empfängt das<br />
Helvetia & Bristol internationale<br />
Gäste. da wurde<br />
es Zeit, die alte dame<br />
etwas zu verjüngen<br />
98 Traveller‘s World
Renaissance bis ins Badezimmer<br />
Das älteste Luxushotel am Arno eröffnet nach einer<br />
sorgfältigen Renovierung mit neuen Zimmern und Suiten,<br />
einem weiteren Flügel und einem kulinarischen Füllhorn<br />
Florenz – Helvetia & Bristol, das klingt nach alter Pracht. Nach gelebter<br />
Geschichte, gewachsener tradition, selbstverständlicher Grandezza. Genau so<br />
präsentiert sich der 1885 eröffnete Hotelpalast, der in bester Florentiner altstadtlage<br />
zwischen via de’ tornabuoni, Piazza della repubblica, Dom und arno steht:<br />
mit stuck und säulen, hohen Decken und samtigem Parkett, wertvollen antiquitäten,<br />
großen Murano-Kronleuchtern und Marmor-Bädern. Das gefiel illustren<br />
Gästen wie eleonora Duse, igor strawinsky und Giorgio de Chirico, aber auch<br />
späteren Florenz-Besuchern, die das Gefühl, ein Haus mit Historie zu betreten,<br />
nicht missen wollten. Die renaissance sollte bis ins Badezimmer spürbar sein –<br />
wenn auch nicht gerade unter der Dusche.<br />
2016 kam das damals fast vergessene luxushotel zum Portfolio der starhotels<br />
Collezione und somit in die Hände von elisabetta Fabri, tochter des Gründers<br />
sowie Präsidentin und Ceo der Gruppe. als gebürtige Florentinerin hat sie<br />
die traditions-DNa im Blut, doch auch ihre Jahre in New York haben spuren<br />
hinterlassen. Jedenfalls entschied sie, bei der totalrenovierung des Hotels, die<br />
gleichzeitig eine erweiterung ist, zweigleisig zu fahren.<br />
Wer heute durch das doppelte eingangsportal die lobby betritt, steht vor<br />
einem großen kreisförmigen sofa aus schimmerndem grauem samt, der die Farbe<br />
der mächtigen sandsteinsäulen ringsum aufnimmt. in der sofamitte leuchtet<br />
ein korallenroter runder samttisch mit dem antiken terracotta-Boden um die<br />
Wette. Der look ist zeitgeistorientiert und sehr schick – trotz oder gerade wegen<br />
des altehrwürdigen rahmens. Der Kontrast zwischen sehr alt und ganz neu zieht<br />
sich durch das ganze Haus. Das „alte“ Helvetia & Bristol – jetzt Helvetia-Flügel –<br />
wurde sechs Monate lang sorgfältig renoviert und empfängt<br />
nun mit eleganten vertäfelungen, nach originalmotiven<br />
handgearbeiteten tapeten, handgeschliffenen eichenholzböden,<br />
opulenten seidendamaststoffen, kostbaren taftvorhängen<br />
und penibel aufgearbeiteten antiquitäten.<br />
vollkommen neu ist dagegen der Bristol-Flügel, der<br />
durch die angliederung eines prachtvollen, gleich nebenan<br />
stehenden Palazzos entstand. Wo früher die Hauptverwaltung<br />
des Banco di Roma residierte, befinden sich jetzt 25<br />
Zimmer und suiten, gestaltet von anouska Hempel. Die londoner<br />
Designerin schuf ungewöhnliche, überraschende und<br />
faszinierende räume, die eine moderne Handschrift tragen,<br />
ohne den intimen, privaten und florentinischen Wohnstil des<br />
Hauses zu verraten. Die neutrale Farbpalette in unterschiedlichen<br />
Grauschattierungen passt perfekt zu den verspiegelten<br />
Möbeln, schmiedeeisernen Himmelbetten mit bestickten,<br />
feinen Baumwolllaken und den großen Badezimmern aus<br />
weiß-schwarzem Carrara-Marmor. „ich komme gerne nach<br />
Florenz, elisabetta Fabris Konzept der zeitgenössischen Gastfreundschaft deckt<br />
sich perfekt mit meinen vorstellungen“, bekennt die britische Designerin. „Wenn<br />
ich das Helvetia & Bristol betrete, ist es, als wäre ich schon immer da gewesen.“<br />
in beiden teilen des Hotels kamen die Fertigkeiten lokaler Kunsthandwerker<br />
zum einsatz. antonio Casciani, inhaber einer historischen Werkstatt und ehemaliger<br />
Mitarbeiter der Uffizien und des New Yorker Metropolitan Museum of<br />
Traveller‘s World<br />
99
stay<br />
art, wurde mit der restaurierung von<br />
fast 200 Möbelstücken betraut – Kommoden,<br />
tische, schränke und stühle<br />
erstrahlen in ihrer ursprünglichen<br />
schönheit. Die bekannte Moleria locchi<br />
lieferte exquisite Glasobjekte, das<br />
historische Antico Setificio Fiorentino<br />
herrliche samt- und seidenstoffe,<br />
die Messing- und Bronze-Werkstatt<br />
il Bronzetto handgefertigte lampen,<br />
Konsolen und türgriffe.<br />
ein paar besondere trouvaillen<br />
kamen während der Bauarbeiten am<br />
gerade knapp 1000 Quadratmeter<br />
großen spa zum vorschein. es ist<br />
unterirdisch und befindet sich im<br />
ehemaligen tresorraum der Bank –<br />
zufälligerweise aber auch auf dem Gelände<br />
der ehemaligen kapitolinischen<br />
Bäder der römischen Florentia, also<br />
genau dort, wo schon die alten römer<br />
zu baden pflegten. Teile der antiken<br />
Gemäuer sowie ein tonnenschwerer<br />
Brunnen konnten gerettet und in die<br />
jetzige struktur integriert werden.<br />
Urban und durchgestylt geben sich die kulinarischen<br />
Neuzugänge des Hotels: Der eröffnung des<br />
„Cibrèo Caffè“ folgte die des lässig-eleganten „Cibrèo<br />
ristorante“ mit Cocktailbar. Zuletzt richtete<br />
der weltweit bekannte Meisterkonditor iginio Massari<br />
eine Patisserie im Gebäude ein. einheimische<br />
Gourmets stehen hier für delikate Mini-törtchen<br />
schlange oder trinken den cremigsten aller Cappuccinos an der Bar. Hotelgäste<br />
dürfen sich auf ein spezielles Frühstück mit Massari-Gebäck freuen oder auf ein<br />
tellerchen Kekse zum Nachmittagstee. echte insider haben noch einen anderen<br />
tipp: sie reservieren die verborgene Dachterrasse des Hotels, lassen sich aus der<br />
„Cibrèo“-Bar ein paar Cocktails bringen und bewundern von hier aus die Domkuppel,<br />
die Dächer des stadtzentrums und den sonnenuntergang. P. E.<br />
Via dei Pescioni, 2, 50123 Florenz, T. +39.055.266 51,<br />
starhotelscollezione.com, DZ ab 600 Euro<br />
VorhaNg aUf das Helvetia & Bristol ist eine<br />
Bühne für kultivierte Hedonisten, ob in der „Presidential<br />
suite” des BristolFlügels, im Wintergarten<br />
oder in der Bar des neuen „Cibrèo”restaurants<br />
Fotos: Helvetia&Bristol / Francesca Anichini (1), Stefano Scatà (3), Ph. Lapo Baraldi (1)<br />
100 Traveller‘s World
taste<br />
einmal auftanken<br />
Über Ferraris Ex-Kantine<br />
wacht jetzt ein Drei-Sterne-<br />
Chef. Es schmeckt: rasend gut<br />
wachwechsel<br />
Im Medici-Clan der<br />
Florentiner Gastronomie<br />
übergibt der padrone<br />
an seinen filio<br />
Foto: Annette Sandner/Hotel Castel<br />
abSCHluSSFEIER<br />
Im „Castel Fine dining” bei Meran<br />
krönt das Finale einen grandiosen<br />
auftritt. ab Seite 112<br />
Traveller‘s World 101
taste<br />
Erb-Anlagen<br />
Der Florentiner Kult-Gastronom Fabio Picchi übergibt die<br />
Geschäfte an seinen Sohn. Eigentlich eine Lokalnachricht.<br />
Weil er aber das Imperium ausbaut, auch eine für uns<br />
Text PaTricia EngElhorn<br />
Die Eröffnung des neuen<br />
Ristorante „Cibrèo“ im<br />
vergangenen November<br />
war das schönste Fest seit<br />
Langem. Wer dabei war – und,<br />
Pandemie hin oder her, es waren<br />
viele –, schwärmt noch Monate<br />
später von diesem Abend, von der<br />
ausgelassenen Stimmung. Endlich<br />
hatte „tutta Firenze“ mal wieder<br />
etwas zu feiern. „Es war ein sehr<br />
emotionaler Moment“, bestätigt<br />
Gastgeber Giulio Picchi. Unter den<br />
Gästen, von denen die meisten<br />
Freunde sind, verteilte er mit<br />
seinem Vater Fabio Cocktails und<br />
Canapés aus hausgemachter<br />
Geflügelleber-Paté mit hausgemachter<br />
Orangenmarmelade auf<br />
Briochebrot aus der eigenen<br />
Bäckerei.<br />
In der Florentiner Gastroszene<br />
sind die Picchis eine Institution.<br />
Das erste 1979 eröffnete Restaurant<br />
„Cibrèo“ steht in jedem Reiseführer<br />
und ist nichtsdestotrotz auf<br />
wundersame Weise ein ruhiges,<br />
buoNa pRoSpETTIva<br />
Gehört zu Florenz wie Giottos Campanile<br />
und hat genauso viele ecken<br />
und Kanten: Fabio Picchi ist der wohl<br />
bekannteste Gastronom der stadt. es<br />
würde nicht wundern, wenn er weiter<br />
über sein erbe wacht<br />
gediegenes Insider-Lokal geblieben. Giorgio Armani zählt ebenso zu den<br />
Gästen wie Elton John, Vivienne Westwood und alle großen Florentiner<br />
Familien – die Ferragamos, Antinoris, Frescobaldis, Mazzeis, mittlerweile<br />
auch in zweiter oder dritter Generation. Prinz Charles und Herzogin<br />
Camilla haben hier gegessen, Ex-Bürgermeister Matteo Renzi bewirtete als<br />
Ministerpräsident Italiens Staatsbesucher aus aller Welt an weiß gedeckten<br />
Tischen zwischen honiggelben Wänden und unter Lampen mit Palmenmuster<br />
mit erstklassiger toskanischer Hausmannskost.<br />
Dabei gibt es in Florenz sicher bessere Restaurants. Elegantere, zeitgemäßere,<br />
hippere. Doch keines ist charismatischer als das „Cibrèo“, was auch<br />
am Gründer und langjährigen Patron liegt. Fabio Picchi hat nicht nur als Koch<br />
und Gastronom auf sich aufmerksam gemacht, sondern auch durch regelmäßige<br />
Fernsehauftritte, durch eine stets deutlich zum Ausdruck gebrachte,<br />
meist unkonventionelle Meinung. Er kennt alle, und jeder kennt ihn.<br />
Das erklärt zum Teil, wie er nach und nach ein kleines Imperium um<br />
sein Ristorante erschaffen konnte: Der Kleiderladen an der Ecke gibt auf?<br />
Fabio übernimmt und macht eine Trattoria daraus. Aus der Schreinerwerkstatt<br />
gegenüber wird Fabios Café, aus einer kleinen Knopffabrik<br />
nebenan Fabios asiatischer Imbiss, aus einer stillgelegten Lagerhalle Fabios<br />
102<br />
Traveller‘s World
taste<br />
SEIEN wIR RuHIg pICCHI<br />
auf den lorbeeren ausruhen, kommt<br />
nicht infrage. Zu „Cibrèo Caffè” (oben<br />
links, weiter im Uhrzeigersinn) und<br />
„Cibrèo ristorante” im szene-viertel<br />
sant’ambrogio gesellen sich das neue<br />
„Cibrèo ristorante” und „Caffè” im Hotel<br />
Helvetia & Bristol gleich um die ecke der<br />
shoppingmeile via de’ Tornabuoni. Und<br />
die Picchis haben noch viel vor<br />
104 Traveller‘s World
Kulturclub und aus einer bankrottgegangenen Kooperative Fabios fantastischer<br />
Biomarkt. Fabio Picchi hat sich zwei Stände in der nahen Markthalle<br />
gesichert und in den Räumen hinter seinem Biomarkt eine Bäckerei aufgezogen.<br />
Er ist ein Hansdampf in allen Gassen, lustig, lebhaft, laut, liebenswürdig,<br />
launisch – und inzwischen auch etwas älter geworden. Vor zwei Jahren<br />
übergab er die Leitung der Cibrèo-Gruppe an Sohn Giulio. Der kann nun<br />
sehen, wie er mit der Erblast des prominenten Vaters zurechtkommt.<br />
Um es gleich zu sagen: Er schlägt sich gut, hat ein wenig aufgeräumt<br />
und die Lokale im Griff. Dabei hilft, dass sie größtenteils in<br />
Rufweite voneinander entfernt beim großen Sant’Ambrogio-<br />
Markt stehen, dem das Viertel nicht nur seinen Namen verdankt, sondern<br />
auch sein authentisches Flair. „Niemand behauptet, dass dies der schönste<br />
Teil von Florenz ist“, sagt Giulio Picchi. „Es gibt keine bekannten Sehenswürdigkeiten,<br />
keine teuren Geschäfte. Dafür hat Sant’Ambrogio seine Identität<br />
bewahrt.“ In den Straßen um den Markt überlebten Handwerker mit ihren<br />
Werkstätten, sie fertigen Rahmen, Messer oder Holzmöbel, arbeiten mit<br />
Papier, Edelsteinen oder Tee. Doch man täusche sich nicht – das Viertel ist<br />
längst nicht mehr so einfach und günstig wie noch vor 20 Jahren.<br />
Ersichtlich wird das bei einem Besuch im C.BIO (steht für: „Cibo Buono<br />
Italiano e Onesto“, gutes und ehrliches italienisches Essen), Fabio Picchis<br />
Biomarkt, den er seinem Sohn vorenthalten hat und weiterhin selber leitet.<br />
Dort kaufen elegante Signore und coole junge Mütter nachhaltig angebaute<br />
sizilianische Avocados und Mangold mit bunten Stielen von einem bioaktiven<br />
Gemüsegarten am Stadtrand von Florenz. Der Joghurt ist ebenso<br />
hausgemacht wie sämtliche Marmeladen, der Russische Salat und die<br />
vorgekochten, gewürzten und eingeschweißten Bratkartoffeln, die man<br />
nur noch erhitzen muss. Als Bestseller gelten die Tomatensauce nach dem<br />
Rezept von Oma Picchi, das seit 40 Jahren unveränderte Fleisch-Ragù aus<br />
dem Ristorante „Cibrèo“ und das Paté – eine verfeinerte Version des eher<br />
bäuerlichen „crostino toscano“ auf Hähnchenleber-Basis. Fabio Picchi hat<br />
auch für eine Picknick-Möglichkeit gesorgt: Auf der großen Dachterrasse<br />
stehen zwischen Rosmarin, Radieschen und Rosen verteilte Tische, Stühle<br />
und Liegen, die man benutzen darf.<br />
„Mein Vater ist ein Visionär“, erklärt Giulio Picchi, „er sieht Dinge, die<br />
sich andere nicht vorstellen können, und setzt Pläne um, die eigentlich<br />
unmöglich sind.“ Ein wenig scheint sich das vererbt zu haben. Längst schaut<br />
der Junior über die Grenzen von Florenz hinaus: „Ich möchte weitere<br />
,Cibrèo‘-Lokale eröffnen. Erst mal in Mailand, dann auch in Berlin, London<br />
und anderen Städten der Welt.“ Die Pandemie macht ihm vorerst einen<br />
Strich durch die Rechnung.<br />
Dafür gab es jüngst eine zumindest für Florenz spektakuläre Neueröffnung:<br />
Im Zuge der Zusammenarbeit mit dem Luxushotel Helvetia & Bristol,<br />
das im vergangenen Frühjahr einen Ableger des „Cibrèo Caffè” in seine<br />
Salons integrierte und damit auch Florentiner Gäste ins Haus lockte, ging im<br />
November letzten Jahres die Einweihungsparty des neuen – zweiten – Ristorante<br />
„Cibrèo” über die Bühne. Es befindet sich im gleichen Häuserblock wie<br />
das Hotel, ist aber unabhängig und schon von außen durch die deckenhohen<br />
Fenster ein Hingucker: Zwischen mächtigen Steinsäulen und unter wagenradgroßen,<br />
handgeschnitzten Holzleuchtern stehen korallenrote Samtsofas<br />
und Sessel auf einem grau-weißen Marmorboden. Der Bartresen der Cocktailbar<br />
nimmt eine ganze Wandbreite ein, hinter den Flaschen leuchtet eine<br />
ockergelbe Vertäfelung aus seltenem „Giallo di Siena“-Stein.<br />
Neu ist fast alles: die zentrale<br />
Lage gleich um die Ecke der<br />
Edel-Shoppingmeile Via de’<br />
Tornabuoni. Der urbane, lässigschicke<br />
Look. Das Konzept, das<br />
flexible Essenszeiten, kleine Snacks,<br />
mehrgängige Menüs vorsieht, sowie<br />
die Möglichkeit, nur einen Drink an<br />
der Bar einzunehmen. Die Küche<br />
mit einer gelungenen Mischung aus<br />
„Cibrèo”-Bestsellern und neuen<br />
Gerichten. Natürlich gibt es hier<br />
Fabio Picchis berühmtes Paté, und<br />
auch die mit Stockfischpüree<br />
gefüllten Croissants werden<br />
Habitués bekannt vorkommen.<br />
Doch der Salat aus blanchierten<br />
Seppioline, grünen Bohnen und<br />
einem Hauch Tintenfisch-Tintenpulver<br />
ist eine Erfindung von Küchenchef<br />
Oscar Severini – ebenso wie die<br />
Miniatur-Crespelle mit weißem<br />
Fleisch-Ragù oder die gegrillten, an<br />
süßsaurer Sauce servierten Lammrippchen.<br />
Wo immer möglich,<br />
werden Bio-Zutaten und Saisonprodukte<br />
verwendet („ich bin der beste<br />
Kunde meines Vaters“, amüsiert<br />
sich Giulio Picchi), die Garzeiten<br />
kurz gehalten, die Portionen zum<br />
Teilen angerichtet. Zeitgeist? „Ja,<br />
sicher“, sagt Giulio Picchi, „aber vor<br />
allem soll es schmecken.“<br />
Cibrèo war übrigens die<br />
Lieblingsspeise von<br />
Caterina de’ Medici,<br />
Adelsdame aus Florenz und Königin<br />
von Frankreich, es ist eine Art<br />
Frikassee aus Hahnenkämmen und<br />
Hühnerinnereien. Im „alten“ Ristorante<br />
„Cibrèo“ kann man das 500<br />
Jahre alte Gericht auf Vorbestellung<br />
bekommen. Buon appetito! TW<br />
cibreo.com, teatrodelsale.com,<br />
cbio.it<br />
Fotos: James O‘Mara, Stefano Scatà, Lapo Baraldi, Patrizia Engelhorn, Lapo Baraldi<br />
Traveller‘s World<br />
105
taste<br />
america’s first<br />
lONDON – Für einen Ausschank, der seit annähernd 130<br />
Jahren als American Bar Genusstrinker ins Hotel Savoy<br />
lockt, wurde es allmählich Zeit: Shannon Tebay aus New Mexico<br />
ist die erste Amerikanerin als Chefin hinter dem geschichtsträchtigen<br />
Tresen. Und die zweite Frau, nach der legendären<br />
Ada „Coley” Coleman, die an dieser Stelle den „Hanky Panky”<br />
erfand. Wir sind gespannt, was Tebay mit ihrem in New York geprägten<br />
Stil, den sie „Dynamic minimalism” nennt, daraus macht.<br />
thesavoylondon.com/restaurant/american-bar/<br />
ist er nicht süß?<br />
lONDON – Wenn Cédric Grolet auf instagram vormacht, wie er ein<br />
paris-Brest in Form einer rose kreiert, dann sehen über zwei Millionen<br />
Follower gebannt zu. Der pariser Kult-pâtissier, hauptamtlich für die<br />
Desserts in Alain Ducasses pariser Zwei-Sterne-restaurant „Le Meu rice“<br />
zuständig, sorgt vor seinen beiden pâtisserie-Shops an der Seine schon<br />
frühmorgens für lange Schlangen. Jetzt sind seine süßen Kunstwerke, allen<br />
voran die legendären „falschen Früchte“, auch an der themse zu haben: im<br />
hotel The Berkeley eröffnete er seinen ersten Laden außerhalb Frankreichs.<br />
the-berkeley.co.uk/restaurants-bars/cedric-grolet-at-the-berkeley/<br />
wüstenschliff<br />
DUBAI – Anerkennung für ihre von<br />
Celebrity-Chefs aus aller Welt geförderte<br />
Kulinarik-Szene haben sie sich<br />
schon lange gewünscht. Jetzt haben<br />
die Emirate sie einfach eingekauft: Das<br />
Restaurant-Ranking „World’s 50 Best”<br />
präsentierte soeben seine erste Selektion<br />
für den Nahen Osten und Nordafrika<br />
bei einer großen Gala in Abu Dhabi. Ein<br />
bisher international nicht beachtetes,<br />
asiatisch inspiriertes Restaurant, das<br />
„3Fils” in Dubai, das kreative Sushi-<br />
Variationen oder Wagyu-Trüffel-Burger<br />
serviert, darf sich mit dem Titel „Best<br />
Restaurant in Middle East & North Africa”<br />
schmücken. Auf Platz 2 und 3 folgen<br />
das japanische Zuma im DIFC Dubai<br />
(rechts) und das „OCD Restaurant” in Tel<br />
Aviv. theworlds50best.com<br />
106 Traveller‘s World
der neue<br />
Kapitän<br />
VeNeDIG – Man muss<br />
ihn um seine tägliche<br />
Anfahrt fast beneiden. Mit<br />
dem Vaporetto über die<br />
Lagune erreicht riccardo<br />
Canella, ab sofort Chefkoch<br />
im Gourmetrestaurant<br />
Oro, seinen Arbeitsplatz<br />
im Belmond hotel<br />
Cipriani auf der insel<br />
Giudecca. Die Feinschmecker<br />
dürften ihm folgen<br />
wollen. Denn nach Stationen bei den italienischen Drei-Sterne-Stars<br />
Gualtiero Marchesi und Massimiliano Alajmo fungierte der paduaner<br />
die letzten sieben Jahre als Sous-Chef des dänischen Meisters der new<br />
nordic Cuisine, rené redzepi. und will nun „meiner Art zu kochen in<br />
meinem heimatland eine Stimme verleihen“. belmond.com<br />
solo für hartwig<br />
MÜNCHeN– Die selbstbewusste Namensgebung<br />
für sein erstes eigenes Restaurant ist ein<br />
Statement: Schlicht Jan soll die jüngste Gourmet-<br />
Adresse an der Isar heißen, für die derzeit in der<br />
Luisenstraße die Räumlichkeiten entstehen. Bis es im<br />
Sommer so weit ist, dürfte der Run auf die wenigen<br />
Plätze in Jan Hartwigs gleichnamigem Pop-up in der<br />
Nymphenburger Porzellanmanufaktur groß sein. Bereits<br />
hier will der 39-Jährige, der im Bayerischen Hof in<br />
Rekordzeit drei Sterne erkochte, bevor er im Sommer<br />
2021 überraschend das Haus verließ, „Spitzengastronomie<br />
so gestalten, wie ich mir das vorstelle: locker,<br />
lebendig, aber mit hohem kulinarischem Anspruch”. Für<br />
die Selbstständigkeit verzichtet Hartwig sogar (sicher<br />
nur vorübergehend) auf die Höchstauszeichnung des<br />
Michelin: „Ich habe meine Komfortzone verlassen, um<br />
mich noch mal neu zu erfinden.”<br />
nymphenburg.com/pages/restaurant-jan<br />
Vom olymp<br />
in die berge<br />
TIROl – Der Name Johannes Nuding sagt Ihnen<br />
nichts? Das dürfte sich bald ändern. Schon<br />
jetzt kann sich der gebürtige Tiroler rühmen,<br />
als einziger Österreicher weltweit in den letzten<br />
Jahren drei Michelin-Sterne erkocht zu haben.<br />
Allerdings nicht unter eigenem Namen, sondern<br />
für Pierre Gagnaire, in dessen Londoner „Sketch<br />
– Lecture Room & Library“ er die begehrte Auszeichnung<br />
erkochte. Jetzt kehrte er in seinen<br />
Heimatort Hall bei Innsbruck zurück und eröffnet<br />
mit Unterstützung seiner Familie ein eigenes<br />
Restaurant. Das ehemalige Gasthaus Schwarzer<br />
Adler, stolze 400 Jahre alt, wird derzeit umgebaut,<br />
das Opening ist für Mitte des Jahres angekündigt.<br />
One to watch! noch keine Website<br />
Fotos: Calvin Courjon (2), Will Stanley, Tastil M. Gonzalez Moure, Federico Ciamei, Instagram@johannes_nuding, Kathrin Koschitzki/Nymphenburg<br />
Traveller‘s World 107
taste<br />
108 Traveller‘s World
Frisch aufgezäumt<br />
Das Ferrari-Restaurant<br />
in Maranello ist jetzt viel<br />
mehr als nur Kantine:<br />
Der Look ist kühn, die<br />
Küche köstlich<br />
Text PaTricia EngElhorn<br />
RoSSo CoRSa<br />
auf dem eigens vom<br />
Florentiner Traditionsunternehmen<br />
Ginori 1735<br />
angefertigten Teller dominiert<br />
die typische Ferrari-<br />
Farbe: rindfleisch-Tatar<br />
mit sauce béarnaise<br />
unter einem Puder aus<br />
roten Früchten<br />
Auf den ersten Blick macht das Menü nicht viel<br />
her: Gnocco fritto, Tortellini in Kapaunbrühe<br />
und Tagliatelle al ragù hat jede zweite Trattoria<br />
in Bologna, Modena oder Parma auf der<br />
Karte. Aber Caramel-Crème mit Zwiebeln und<br />
Parmesan? Schweinerohwurst Rossini? Aal mit Taubenfüllung? „Wir<br />
machen in der Küche genau das Gleiche, was Ferrari in der Werkshalle<br />
macht“, erklärt Massimo Bottura. „Wir nehmen das Beste aus der<br />
Vergangenheit, betrachten es kritisch und führen es in die Zukunft.“<br />
Moment mal. Fährt der Super-Chef aus Modena nicht Maserati?<br />
Und wenn schon. Warum sollte er deshalb zögern, beim wohl bekanntesten<br />
Autobauer der Emilia die Tische zu decken – einer Region übrigens,<br />
die nicht nur als Italiens Schlaraffenland gilt, sondern auch als<br />
Eldorado aller motoristi. Zu den Attraktionen der kleinen Gemeinde Maranello<br />
gehören jetzt nicht nur die hypermoderne Ferrari-Produktionsanlage,<br />
das Geburtshaus von Enzo Ferrari und das futuristische Ferrari-<br />
Museum. Sondern auch das Ristorante „Cavallino“, früher Werkskantine,<br />
heute ein von India Mahdavi durchgestyltes Gartenlokal mit Massimo<br />
Botturas jüngster Interpretation der lokalen Traditionsküche.<br />
Es heißt, Enzo Ferrari habe jeden Tag mit Mitarbeitern, Kunden und<br />
Freunden im „Cavallino“ gegessen. Die Mensa, untergebracht in einem<br />
1942 erworbenen Bauernhaus am Rande des Ferrari-Geländes, diente<br />
Traveller‘s World 109
taste<br />
zunächst auch als Umkleide und Ausbildungsstätte für<br />
Arbeitskräfte. Erst Jahre später wurde daraus das Ristorante<br />
„Cavallino“, eine gutbürgerliche Trattoria und ein<br />
Ort der Geselligkeit, deren Betreiber genauso viel Wert auf<br />
gute Küche wie auf gute Laune legten. Ein Schwarz-Weiß-<br />
Foto aus den 50er-Jahren zeigt den Hausherrn bei einem<br />
fröhlichen Gelage mit prominenten Gästen – an seinem<br />
Tisch saßen im Laufe der Jahre so illustre Persönlichkeiten<br />
wie Prinz Bernhard von Holland, Prinzessin Lilian de<br />
Réthy von Belgien, Grand-Prix-Sieger und Weltmeister<br />
wie Jackie Stewart, Jacky Ickx, Niki Lauda, Gerhard Berger<br />
und natürlich Michael Schumacher.<br />
Käme einer von ihnen heute vorbei, würde er sich<br />
erstaunt die Augen reiben. Die in Paris lebende Designerin<br />
India Mahdavi tauchte die Fassade des ehemaligen<br />
Bauernhauses in tiefes Ferrari-Rot, im Speisesaal leuchten<br />
mit gelbem Leder bezogene Bänke, die Terrakottaböden<br />
in Rot und Elfenbein erinnern an altmodisch karierte<br />
Trattoria-Tischdecken. Eichenholz-Vertäfelungen an den<br />
Wänden und Strohsitze auf den Stühlen spielen mit dem<br />
traditionellen Dekorationsvokabular italienischer Landgasthöfe,<br />
wirken hier jedoch urban, modern, kühn und<br />
verspielt.Die gigantische Küche ist das<br />
Reich von Riccardo Forapani.<br />
Nach 13 Jahren an Massimo<br />
Botturas Seite in der „Osteria<br />
Francescana“ wurde er als<br />
Chefkoch ins „Cavallino“ berufen. Das gemeinsam<br />
entwickelte und häufig wechselnde Menü verbirgt diese<br />
Herkunft nicht: Serviert werden traditionelle Gerichte<br />
aus Modena und der Emilia-Romagna – aber in einer<br />
aufgefrischten, zeitgeistorientierten Version. So wurde<br />
aus einem rustikalen Zwiebel-Parmesan-Omelett eine<br />
samtig-salzige Crème Caramel mit dunkler Zwiebelglasur<br />
und aus einer bäuerlichen, typisch emilianischen<br />
Kochwurst ein Cotechino alla Rossini, serviert mit<br />
Gänseleber auf Brioche-Brot und an einer fruchtigen<br />
Sauce aus regionalen Vignola-Kirschen.<br />
Spaß macht auch ein zierliches, rundes Teigdöschen,<br />
gefüllt mit winzigen Tortellini auf einem zarten Zungen-<br />
Ragù. Der Brisée-Teig ist mit Parmesan aromatisiert, den<br />
lose aufliegenden Deckel ziert ein schwarz-goldenes<br />
Muster, das ein Motiv vom Portal des Doms von Modena<br />
aufnimmt. „Zu unseren Traditionsgerichten gehört der<br />
Timballo Ferrarese, eine große gedeckte Torte mit einer<br />
gehaltvollen Füllung aus Nudeln, Ragù und Béchamelsauce“,<br />
erklärt Riccardo Forapani, „dies ist unsere verfeinerte<br />
Interpretation davon.“<br />
Und die Maccheroncini della Lina? Das wiederum ist<br />
eine Hommage an Enzo Ferraris Ehefrau, die sonntags zu<br />
Hause ihre Pasta mit einer Sauce aus Schinkenresten,<br />
Parmesan und Tomaten servierte. Im „Cavallino“<br />
kommen hochwertige Maccheroncini von Felicetti, drei<br />
verschiedene Tomatensorten und die klassische Bottura-<br />
Parmesancreme zum Einsatz. Auf den angerichteten<br />
Nudeln thronen eine leicht angebratene Schältomate und<br />
eine hauchfeine, im Ofen ausgebackene Schinkenscheibe.<br />
„Jedes Gericht hat eine Geschichte, die mal mit Ferrari,<br />
mal mit Bottura oder mit der Region verwoben ist“, sagt<br />
der Küchenchef, „aber die Hinweise sind nur angedeutet.<br />
Wir wollen zwar mit der Tradition verwurzelt, aber<br />
keinesfalls nostalgisch sein.“<br />
Das Risiko besteht nicht – zu fröhlich der Rahmen, zu<br />
innovativ, was auf den Tellern liegt. Als Bestseller unter<br />
den Desserts gilt der Paciugo (wörtlich übersetzt: Schmiererei),<br />
bestehend aus einer säuberlich angerichteten<br />
Mascarpone-Kaffee-Creme, die süchtig macht. Das Gleiche<br />
gilt für den perlenden Lambrusco vom Weingut<br />
Cantina della Volta, das nur ein paar Kilometer entfernt in<br />
den Hügeln nördlich von Modena steht. Der gut gekühlte<br />
Rotwein überrascht mit frischer Säure und einem sensationellen,<br />
glamourösen Pink-Ton. Er sorgt dafür, dass die<br />
gute Laune von früher erhalten bleibt. Die Küche aber hat<br />
sich verändert – sie ist eindeutig besser geworden. TW<br />
Menü 65 Euro, Weinbegleitung 45 Euro<br />
Via Abetone Inferiore, 1, Maranello, T. +39.0536.94 48 77,<br />
ferrari.com/it-DE/ristorante-cavallino<br />
110 Traveller‘s World
gEMISCHTES DoppEl<br />
der farbenfröhliche look des<br />
neuen ristorante „Cavallino”<br />
stammt von India Mahdavi, das<br />
innovative Food-Konzept von<br />
Massimo Bottura. den Cotechino<br />
alla rossini (oben links) lässt<br />
er mit Gänseleber, Kirsch sauce<br />
und lokalen Trüffeln servieren<br />
Fotos: Danilo Scarpati<br />
Traveller‘s World 111
taste<br />
Wieder<br />
die<br />
Natur<br />
Südtirols Köche setzten lange auf<br />
eine Verbindung von Mezzogiorno<br />
und Dolomiten. Jetzt hebt eine<br />
neue Generation die vergessenen<br />
kulinarischen Schätze<br />
der Gebirgstäler<br />
Text PaTricia bröhM<br />
gaNZ obEN aNgEKoMMEN<br />
Wie von der Kanzel predigt Norbert<br />
Niederkofler, hier auf der Terrasse seines<br />
restaurants „alpiNN”, den regionalismus<br />
112<br />
Traveller‘s World
Traveller‘s World
taste<br />
„Der Mezzogiorno ist<br />
uns so nah wie<br />
die Alpentäler“ (Gerhard Wieser)<br />
Traveller‘s World
alpINER aNTagoNISMuS<br />
Gerhard Wiesers „Castel Fine<br />
dining” (links oben) und Norbert<br />
Niederkoflers „st. Hubertus”<br />
sind die besten adressen in<br />
südtirol – doch die beiden Chefs<br />
verfolgen ganz unterschiedliche<br />
Konzepte. Wieser öffnet seine<br />
speisekammer den besten<br />
Produkten Italiens bis hinunter<br />
nach sizilien, Niederkofler setzt<br />
auf konsequent alpine Küche –<br />
sein latschenkiefer-Marshmallow<br />
wird im Hotel rosa alpina in<br />
st. Kassian am Tisch vor den<br />
augen der Gäste mit Holzkohle<br />
geflämmt (links)<br />
fast scheint es, als schwebe der Tisch über dem Tal. Hoch<br />
über Meran in den Weinbergen speisend, reicht der Blick<br />
über das Etschtal bis zu den schroff gezackten Gipfeln der<br />
Dolomiten. Holztäfelung, Herrgottswinkel und Jodelbarock?<br />
Vorbei! Die neue Südtiroler Gastronomie umgibt sich,<br />
wie das „Castel Fine Dining“, lieber mit ultramodernen<br />
Glas- und Stahlkonstruktionen. Die Panoramafenster lassen<br />
sich bei schönem Wetter so weit hochfahren, dass sich der<br />
Logenplatz in einen Freisitz, begrenzt auf fünf Tische, verwandelt. Es ist der<br />
atemberaubende Rahmen für Gerhard Wiesers kreative Küche, die Alpenraum<br />
und Mittelmeer zu einer delikaten Allianz verbündet.<br />
Kastanien-Tortellini werden mit Almkäse und großzügig gehobeltem<br />
Alba-Trüffel serviert; und zur sekundenkurz gebratenen Garnele mit<br />
Topinambur, Shiitake-Pilzen und Nussbutterschaum gibt es eine Olive, die<br />
es in sich hat: Sie ist gefüllt mit Garnelentatar auf Limetten-Mayonnaise.<br />
Meeresfrüchte roh servieren, das geht nur mit einem ultrafrischen Produkt:<br />
„Die Rote Garnele kommt aus Sizilien“, erzählt der Zwei-Sterne-Koch, „wir<br />
bekommen sie über Chioggia.“ Der legendäre Fischmarkt im Süden der<br />
Lagune von Venedig liegt gerade mal drei Autostunden entfernt, das macht<br />
die sizilianische Garnele ebenso verfügbar wie den Saibling aus einer Zucht<br />
im nahen Passeiertal. Dessen Kaviar serviert der Chef auf einer Tartelette<br />
mit Büffelricotta zum Aperitif. „Der Mezzogiorno ist uns genauso nah wie<br />
die Alpentäler“, sagt Wieser. „Unsere Küche ist inspiriert von allen kulinarischen<br />
Schätzen Italiens.“<br />
Doch nicht alle Köche zwischen Sterzing und Salurn denken wie der<br />
Meister aus Dorf Tirol. Nach dem Vorbild des konsequenten Regionalismus<br />
der New Nordic Cuisine entstand eine Strömung neo-alpiner Küche, die<br />
strikt auf heimische Erzeugnisse setzt und überlieferte Küchentraditionen<br />
wie das Fermentieren neu interpretiert. Ihr Prophet ist Südtirols einziger<br />
Drei-Sterne-Koch Norbert Niederkofler, der im Restaurant „St. Hubertus“<br />
des Hotels Rosa Alpina im Gadertal den Schlachtruf „Cook the Mountain“<br />
prägte. Was hier auf den Tisch kommt, ist so eigenständig, unverwechselbar<br />
und verblüffend, dass Gourmettouristen gern den Weg bis auf 1537 Meter<br />
in Kauf nehmen. Der Nonkonformist hat alles, was nicht aus der kargen<br />
Alpenwelt stammt, aus seiner Speisekammer verbannt, also auch Meeresfische,<br />
Olivenöl oder Zitrusfrüchte.<br />
Eine bewusste Einschränkung, die, davon ist er überzeugt, umso mehr<br />
Kreativität freisetzt. Bestes Beispiel ist sein Klassiker „Forelle Müllerin“,<br />
ein saftiges Filet des Süßwasserfischs, quadratisch zugeschnitten, das in<br />
einer feinsäuerlichen Glasur auf den Tisch kommt. Die Zitrone aus dem<br />
Ur sprungs rezept ersetzt Niederkofler durch fermentierte Susinen, eine<br />
heimische Pflaumensorte mit besonders hohem Säuregehalt. Das Bekenntnis<br />
zur Region ist für ihn auch eine Frage der Nachhaltigkeit, weil lange<br />
Transportwege vermieden und kleine, handwerklich arbeitende Produzenten<br />
unterstützt werden: „Wir wollen unsere Natur für die kommenden<br />
Generationen erhalten.“<br />
Traveller‘s World 115
taste<br />
„Wir wollen unsere Natur für<br />
die kommenden Generationen<br />
erhalten“ (Norbert Niederkofler)ler)<br />
Eine Philosophie, für die exemplarisch die Vorspeise „Tatar von der Renke“ steht: Zum fein<br />
gewürfelten Fisch wird am Tisch Terlaner Weißweinsauce gegeben, die ihre knallgrüne Farbe einem<br />
Schuss Dillöl verdankt, der Fond wurde aus den Karkassen und dem Kopf des Fischs gekocht. Im<br />
Tatar ist etwas grüner Apfel für die Frische, obenauf Holunderkapern und die leicht frittierten<br />
Fischschuppen für den Crunch.<br />
die spektakulärste Begegnung mit Niederkoflers radikaler Bergküche bietet sein<br />
jüngstes Restaurant: „AlpiNN Food Space“ thront auf 2275 Metern am Gipfel des<br />
Kronplatzes. Es ist Teil des Lumen Museums für Bergfotografie, ein ambitionierter Bau<br />
an der Bergstation der Seilbahn mit atemberaubendem Rundumblick in die Bergwelt.<br />
Die schneebedeckten Gipfel stellen die Kulisse für Niederkoflers naturnahe Küche, die<br />
hier in einer unkomplizierten Version auf den Tisch kommt. Auch dafür werden nur reine, unverfälschte<br />
Zutaten aus den Bergen verarbeitet, im Sinne des Zero Waste lässt der Chef selbst Küchenabfälle<br />
wie Kartoffelschalen kreativ zweitverwerten. Und im Glas? Reines Quellwasser, um den<br />
Verbrauch von Wasserflaschen zu vermeiden. „Irgendwie“, sagt Niederkofler, „bin ich hier oben jetzt<br />
angekommen.“<br />
Das Vorbild des Spitzenkochs inspiriert immer mehr junge Kollegen. Zum Beispiel Christoph<br />
Huber, der im traditionsreichen Wirtshaus „Blaue Traube“ in Algund mit seinem jungen Team<br />
„radikal lokal“ kocht, von Cappelletti mit Parmesanfonduta und Kalbsbries bis zum Zander mit<br />
Kapern-Sultaninen-Sauce. Oder Heinrich Schneider, dessen Restaurant „Terra“ im Sarntal knapp<br />
unterhalb der Baumgrenze liegt und der jeden Morgen auf den Almwiesen selbst frische Kräuter<br />
sammelt. Eine ganz neue Gourmetadresse ist das Restaurant „Luisa“ im Ende 2021 eröffneten Manna<br />
Resort in Montan. Hier kocht Manuel Astuto, Sohn eines sizilianischen Vaters und einer Vinschgauer<br />
Mutter, eine durchaus italienisch gefärbte Variante der Südtiroler Küche, denn Panna cotta ist ihm<br />
genauso nah wie Kaiserschmarrn.<br />
116 Traveller‘s World
lagE, lagE, lagE<br />
auf dem Gipfel des Kronplatzes<br />
gelegen, mit spektakulärem<br />
rundumblick – nirgendwo<br />
könnte Niederkoflers „Cook<br />
the Mountain”-Motto mehr<br />
sinn machen als im „alpiNN”.<br />
Zum Blick auf die umliegende<br />
Bergwelt wird Käsefondue in<br />
Tannenrinde mit geröstetem<br />
Heubrot serviert
taste<br />
Stephan Zippl vom Restaurant „1908“ wiederum schreibt sich „innovative alpine Küche“ auf die<br />
Fahnen. Er ist Niederkofler-Schüler und bewundert an seinem ehemaligen Chef vor allem „die<br />
Freiheit im Denken“. Nach diesem Motto gestaltet auch er seine Menüs, die ihm Ende 2021 den ersten<br />
Stern brachten. Seine Küche liegt auf 1200 Meter Höhe am Ritten, dem sonnenreichen Hochplateau<br />
oberhalb von Bozen, im traditionsreichen Parkhotel Holzner, das sich viele originale Jugendstil-<br />
Details bewahrt hat. Der 33-Jährige ist selbst gebürtiger Rittener, hier lebt er mit seiner Familie, hier<br />
scoutet er den Großteil seiner Lebensmittel. Sein „Revier-Konzept“ nennt er die Überzeugung, dass<br />
der kürzeste Weg in die Küche immer der beste sei. Dabei profitiert er von der Tatsache, dass der Ritten<br />
schon immer als ausgezeichnetes Terroir für Obst, Gemüse und Kräuter galt.<br />
seine Hauptquelle ist der Aspingerhof. Dort baut Neo-Bauer Harald Gasser sagenhafte<br />
400 alte Gemüsesorten an, darunter auch so seltene wie Knollenziest, Erdmandeln oder<br />
Sauerkleerübchen. Was Gasser morgens erntet, kommt abends bei Zippl auf den Tisch.<br />
Zum Beispiel die Rote Bete, der er alle Erdigkeit nimmt, indem er sie aufschneidet,<br />
aushöhlt und mit Mini-Bete, Frischkäse-Espuma, Hafergrasöl und fermentierten<br />
Erdbeerblättern füllt.<br />
Schon ein Klassiker auf der Karte sind die Kutteln vom Rittener Wagyu, die er in einem aufwendigen<br />
Prozess über Tage blanchiert und gart, bis sie mit überraschender Delikatesse serviert werden,<br />
begleitet von Kartoffelschaum, Waldmeister und Whisky-Korinthen. Wagyu vom Ritten? Ja, richtig<br />
gelesen. Der junge Stefan Rottensteiner, dessen Familie auf dem Ritten seit Generationen den Oberweidacherhof<br />
betreibt, ist bester Beleg für die neue Weltoffenheit Südtiroler Produzenten. Er holte eine<br />
Herde kleiner, zotteliger Wagyu-Kälber auf seinen Hof, wo sie sich fortan von würzigen Almkräutern<br />
ernährten. „Wir wollen uns nicht mit Japan vergleichen“, sagt Rottensteiner. „Sondern etwas Traditionelles<br />
auf zeitgemäße Art mit neuem Leben erfüllen.“<br />
Der Innovationsgeist solcher Erzeuger beflügelt die neue Südtiroler Küche. Luis Haller fördert<br />
schon seit vielen Jahren dieses Engagement, neuerdings hat er sogar einen Bauern aufgetan, der<br />
oberhalb von Nals Safran anbaut. Der Koch, der einst in der legendären „Auberge de l’Ill“ im Elsass<br />
lernte und zu den besten der Region zählt, betreibt heute ein echtes Schmuckstück, den „Schlosswirt“<br />
in Algund bei Meran. Das Gasthaus, dessen erste urkundliche Erwähnung auf das 14. Jahrhundert<br />
zurückgeht, liegt am Ortsrand mit Blick ins Etschtal. Wer auf der lauschigen Terrasse unter einem<br />
mächtigen Blauglockenbaum Platz nimmt, kann das Rauschen des nahen Gebirgsflusses hören.<br />
Was Haller in seiner Küche verarbeitet, stammt fast ausnahmslos von Bauern aus der Umgebung,<br />
sein Netzwerk pflegt er seit vielen Jahren. Gemüse, Salate und Kräuter bezieht er von einer Bio-<br />
Gärtnerin in Meran, die auf abgelegenen Bergbauernhöfen Saatgut von fast vergessenen Sorten<br />
sammelt: „Wenn ich mich mit Elisabeth unterhalte, ist das für mich die pure Weiterbildung“, sagt Luis<br />
Haller.<br />
Tatsächlich sind viele seiner Zutaten echte Raritäten. Vom seltenen Laugenrind bekommt er<br />
gerade mal zwei Filets pro Woche: „Für mich das exklusivste Fleisch der Region.“ Die Tiere der alten<br />
Südtiroler Grauvieh-Rasse sind klein und ausgesprochen geländegängig, eine Eigenschaft, die ihnen<br />
beim Grasen an den steilen<br />
Hängen des Ultentals<br />
zugutekommt. „In den<br />
langen Almsommern sind<br />
die Tiere ständig in Bewegung,<br />
sie fressen nur<br />
Wildkräuter und -blumen“,<br />
„Rib-Eye vom Südtiroler<br />
Laugenrind –<br />
das ist ein zeitgemäßes<br />
Luxusprodukt“ (Luis Haller)<br />
118<br />
Traveller‘s World
RaDIKal loKal<br />
schon seit dem 17. Jahrhundert<br />
ist die „Blaue Traube” in<br />
algund für Gäste da. Neuerdings<br />
verwöhnt sie Christoph<br />
Huber mit hausgemachten<br />
Gnocchi, geräuchertem<br />
Paprikarisotto mit Käsefonduta<br />
oder spargelstrudel<br />
mit schnittlauch-Hollandaise.<br />
auch auf dem ritten kocht im<br />
Parkhotel Holzner ein junger<br />
Chef hinter den historischen<br />
Mauern des restaurants<br />
„1908” (unten rechts); stephan<br />
Zippl ist Niederkofler-schüler,<br />
sein alpenlamm (unten links)<br />
ist schon optisch ein Genuss<br />
Traveller‘s World 119
taste<br />
sagt Luis Haller. „Ihr Fleisch ist anders, es hat Kräuternoten, das Entrecôte ist von einer geschmacklichen<br />
Länge, die kaum zu schlagen ist.“<br />
Er serviert es als delikates Trio, in der Mitte das saftige Rib-Eye, daneben die Brust im Polenta-<br />
Sandwich, dazu eine leicht getrüffelte Topinambur-Schnitte mit Süßkartoffel und süß-sauer eingelegten<br />
Schalotten. Und natürlich reichlich Rinderjus mit Schalotten, denn Haller sagt: „Ohne Sauce<br />
kein Vergnügen!“<br />
Neben dem Gourmetrestaurant „Luisl Stube“, wo man neben einem Kachelofen von 1756 Platz<br />
nimmt, betreibt er auch ein stimmungsvolles Wirtshaus, denn Genuss soll hier nicht elitär sein.<br />
Hallers Herz schlägt auch für die traditionellen Gerichte der Region, einen Quellwasser-Saibling vom<br />
Holzkohlegrill, einen Rinderschmorbraten oder einen guten, handgemachten Spinatknödel, für den<br />
man sich in der Küche Zeit nehmen muss: „Das sind die wahren Luxusprodukte von heute.“ TW<br />
JuNgE MEISTER<br />
stefan rottensteiner vom<br />
oberweidacherhof mit seinem<br />
alpinen Wagyu (links) und<br />
Harald Gasser (rechts), der auf<br />
seinem aspingerhof über 400<br />
alte Gemüsesorten anbaut,<br />
zählen zur jungen, weltoffenen<br />
Generation von südtiroler Produzenten,<br />
die eng mit bestens<br />
ausgebildeten spitzenköchen<br />
wie luis Haller vom „schlosswirt”<br />
in algund (unten)<br />
zusammenarbeiten<br />
120 Traveller‘s World
HiER KoCHT DER BERg<br />
RESTAURANTS<br />
CASTEL FINE DINING<br />
Gerhard Wieser kocht schon lange an der Südtiroler Spitze, im neuen, ultramodernen<br />
Restaurant mit Panoramablick im Hotel Castel über Meran läuft er zur Hochform auf. Seine<br />
Küche verbindet alpine Tradition mit mediterraner Leichtigkeit und internationalen Akzenten.<br />
Menü ab 178 Euro, Keschtngasse 18, Dorf Tirol, T. +39.0473.<strong>92</strong> 36 93, hotel-castel.com<br />
RESTAURANT ST. HUBERTUS<br />
Die Quintessenz Südtiroler Haute Cuisine: Norbert Niederkofler im Hotel Rosa Alpina<br />
verzichtet komplett auf Zutaten, die nicht aus den Alpen stammen. Hier entdeckt man Forelle,<br />
Rote-Bete-Gnocchi oder Kalbsbries auf ganz neue Art. Stilvoll-puristisches Restaurant,<br />
exzellente Weinauswahl, Top-Service.<br />
Menü ab 320 Euro, Strada Micurá de Rü, 20, St. Kassian, T. +39.0471.849 50 00,<br />
st-hubertus.it<br />
RESTAURANT ALPINN FOOD SPACE<br />
Spektakulärer Alpenblick auf 2300 Metern, ultramoderne Architektur und dazu Norbert<br />
Niederkoflers „Cook the Mountain”-Philosophie in einer unkomplizierteren Gasthaus-Variante.<br />
Im Lumen Museum für Bergfotografie am Kronplatz an der Bergstation der Seilbahn.<br />
Menü ab 88 Euro, Kronplatz, Marebbe, T. +39.0474.43 10 72, alpinn.it<br />
SCHLOSSWIRT FORST<br />
Im denkmalgeschützten Anwesen am Ortsrand von Algund sind Gasthaus und Gourmetrestaurant<br />
unter einem Dach; ob Spinatknödel oder Kaisergranat, Luis Hallers Küche ist in<br />
Topform. Drinnen historische, holzgetäfelte Stuben, auf der Terrasse mediterrane Stimmung.<br />
Menü ab 118 Euro, Vinschgauerstraße 4, Algund, T. +39.0473.26 03 50, schlosswirt-forst.it<br />
BLAUE TRAUBE<br />
Wieser-Schüler Christoph Huber krempelte Algunds altes Dorfwirtshaus in eine coolzeitgemäße<br />
Adresse um und kocht „radikal lokal”. Unbedingt probieren: sein „Carbonara”-<br />
Risotto – und zum Dessert ein Kastanien-Soufflé mit Himbeer-Espuma. Auf der Weinkarte<br />
trifft sich die junge Südtiroler Szene.<br />
Hauptgerichte ab 28 Euro, Alte Landstraße 44, Algund, T. +39.0473.44 7103, blauetraube.it<br />
TERRA<br />
Ein Essen bei Heinrich Schneider, der knapp unterhalb der Baumgrenze auf 1622 Metern<br />
überm Sarntal kocht, ist ein Erlebnis: Seine Bergkäse-Gnocchi sind Sphären, die sich<br />
am Gaumen auflösen, die Wildkräuter sammelt er selbst, zum Sauerteigbrot serviert er<br />
Fichtensprossen-Öl – alles hausgemacht.<br />
Menü ab 179 Euro, Auen 21, Sarntal, T. +39.0471.62 30 55, terra.place<br />
RESTAURANT 1908<br />
Auf den Ritten pilgert man wegen der Aussicht – aber immer öfter auch wegen Stephan<br />
Zippls „Revier-Küche” im Parkhotel Holzner, die sich konsequent auf lokale Zutaten<br />
beschränkt. Seine Kreationen sind immer überraschend, vom Raviolo mit Kastanie, Latsche<br />
und fermentierter Birne bis zu Wagyu-Kutteln mit Whisky-Korinthen.<br />
Menü ab 89 Euro, Via Paese, 18, Oberbozen, T. +39.0471.34 52 31, restaurant1908.com<br />
RESTAURANT LUISA<br />
Manuel Astuto kochte viele Jahre im Bozener Hotel Laurin, bevor er seinen neuen Herd im<br />
Manna Resort einweihte. Der Sohn eines Sizilianers und einer Südtirolerin ist kulinarischer<br />
Grenzgänger, mit den Aromen des Südens ebenso vertraut wie mit alpinen Genüssen.<br />
Menü ab 94 Euro, Klammweg 3, Kalditsch, Montan, T. +39.0471.143 00 95, mannaresort.it<br />
HoTElS<br />
HOTEL CASTEL<br />
Kleines, feines Luxusrefugium in Panoramalage hoch über Meran, umgeben von Weinbergen.<br />
Die Besitzer nutzten die Pandemie, um ihr Haus fast komplett rundzuerneuern – bis hin<br />
zum Neubau des Gourmet-Restaurants. Großzügiges Spa, zwei Pools, zeitgemäße Zimmer,<br />
mal modern, mal mit Vintage-Elementen.<br />
Ab 476 Euro inkl. HP, Keschtngasse 18, Dorf Tirol, T. +39.0473.<strong>92</strong> 36 93, hotel-castel.com<br />
ROSA ALPINA<br />
Ein Haus der Extraklasse und Aman-Partnerhotel im Dorfkern von St. Kassian im idyllischen<br />
Alta Badia. Stilvolle Zimmer im noblen Alpin-Stil, in den Suiten kann man es sich am Kamin<br />
gemütlich machen. Weitläufiges Spa mit zwei Pools, Hamam und Yoga-Studio. Exzellenter<br />
Weinkeller.<br />
Ab 595 Euro, Strada Micurá de Rü, 20, St. Kassian, T. +39.0471.849 50 00, rosalpina.it<br />
MANNA RESORT<br />
Die 15 Suiten und drei Chalets des Ende 2021 eröffneten Hauses im Weinort Montan sind<br />
stilistisch inspiriert von der Reiselust der Besitzerin Maria Luisa Manna, ihr Dekor reicht von<br />
thailändisch über arabisch bis französisch. Asiatisch geprägtes Spa.<br />
Ab 560 Euro, Klammweg 3, Kalditsch, Montan, T. +39.0471.143 00 95, mannaresort.it<br />
PARKHOTEL HOLZNER<br />
Das Jugendstil-Haus hoch über Bozen mit weitläufigem Garten und Panoramablick ist eine<br />
Institution, die jüngst einen Facelift erhielt. Viele restaurierte Originalmöbel von 1908, stilvolle<br />
Salons. Mit der benachbarten Seilbahn gelangt man rasch ins Zentrum von Bozen.<br />
Ab 300 Euro, Via Paese, 18, Oberbozen, T. +39.0471.34 52 31, parkhotel-holzner.com<br />
Fotos: Studio Ignatov (2), Ydo Sol, Michael Königshofer (2), Hannes Niederkofler, Hannes Ploner, Instagram@wagyusuedtirol, Alex Filz/Südtirol Marketing<br />
HOTEL CASTEL, DORF TIROL<br />
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Neil Simons 1968 uraufgeführte Komödie „Plaza Suite“ schildert drei Begegnungen auf Zimmer 719 im gleichnamigen<br />
New Yorker Hotel: den 23. Hochzeitstag eines lang verheirateten Paares aus Mamaroneck, das Wiedersehen eines Hollywood-Produzenten<br />
mit seiner alten Highschool-Liebe und die Auseinandersetzung zweier Eltern, deren Tochter sich im<br />
Badezimmer eingeschlossen hat und nicht heiraten will. Filmstars Sarah Jessica Parker (die gerade eine neue Staffel von<br />
„Sex And The City“ abgedreht hat) und Matthew Broderick, im wirklichen Leben seit 25 Jahren verheiratet und Eltern<br />
dreier Kinder, treffen sich bis 26. Juni fast täglich im Hudson Theatre am Times Square, um die Paare in den drei Einaktern<br />
zu spielen. Wie sagen die New Yorker: ein must-see. thehudsonbroadway.com/whatson/plaza-suite/<br />
Foto: Philip Montgomery/The New York Times/Redux/laif<br />
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