Übung II im Bürgerlichen Recht
Übung II im Bürgerlichen Recht
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<strong>Übung</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> <strong>Bürgerlichen</strong> <strong>Recht</strong><br />
Fall 1 - Das Ferienhaus (16. April 2010)<br />
Hanna Bayer ist <strong>im</strong> März 2003 zur <strong>Recht</strong>lichen Betreuerin ihres altersdementen Vaters Johannes<br />
Bayer bestellt worden. Dessen Vermögen bestand - bis zu seinem Tod <strong>im</strong> Januar 2006 - aus<br />
etlichen Immobilien <strong>im</strong> Gesamtwert von ca. € 750.000 sowie Kapitalanlagen <strong>im</strong> Gesamtwert von<br />
ca. € 450.000. Zum Vermögen des Johannes Bayer gehörte außerdem ein Ferienhaus in der<br />
Rhön. Dieses Ferienhaus belastete das Vermögen des Johannes Bayer mit jährlichen<br />
Erhaltungskosten von € 8.000. Genutzt wurde es schon seit Mitte der 80er-Jahre nicht mehr, da<br />
Johannes Bayer selbst dazu nicht in der Lage war und die mit einer Vermietung allenfalls<br />
erzielbaren Einnahmen den Aufwand nicht lohnten.<br />
Im Sommer 2004 ließ Hanna Bayer das Haus von einem Sachverständigen schätzen, der<br />
den Wert auf € 120.000 bezifferte. In der Folgezeit versuchte sie durch Annoncen und die<br />
Einschaltung mehrerer Makler einen Käufer zu finden, der bereit war, diese Summe für das Haus<br />
zu zahlen. Dies gelang ihr jedoch erst <strong>im</strong> April des Jahres 2006, als Johannes Bayer schon<br />
verstorben war.<br />
Johannes Bayer, der ohne Hinterlassung eines Testamentes starb, hinterließ außer Hanna<br />
Bayer noch deren Geschwister Waltraud Fischer und Bruno Bayer sowie die beiden Enkelkinder<br />
Eva und Fritzchen Moll - Kinder einer weiteren, vorverstorbenen Schwester von Hanna Bayer.<br />
Hanna Bayer hielt den Verkauf des Ferienhauses noch <strong>im</strong>mer für mehr als sinnvoll und forderte<br />
die übrigen Verwandten auf, dabei mitzuwirken. Während die anderen dazu bereit waren,<br />
weigerten sich Bruno Bayer und Eva Moll kategorisch. Der Verkauf kam deshalb nicht zustande.<br />
Schließlich wurde das Ferienhaus <strong>im</strong> April 2009 - auf Betreiben der Hanna Bayer - vom<br />
Vollstreckungsgericht zwangsversteigert. Der Erlös betrug - abzüglich der Verfahrenskosten -<br />
€ 97.000.<br />
Hanna Bayer fühlt sich durch die aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Weigerung von Bruno<br />
Bayer und Eva Moll geschädigt und überlegt, ob und in welcher Höhe sie sie auf Schadensersatz<br />
in Anspruch nehmen kann.<br />
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Lösung zu Fall Nr. 1<br />
Anspruchsgrund<br />
In Frage kommt ein Anspruch entsprechend § 280 I 1 BGB aus Pflichtverletzung <strong>im</strong> Rahmen<br />
einer Sonderbeziehung in Frage. Ein Schuldverhältnis besteht zwischen Hanna Bayer, Bruno<br />
Bayer und Eva Moll zwar nicht, doch enthält § 280 I BGB die Kodifikation des allgemeinen<br />
<strong>Recht</strong>sgedankens der Haftung für Pflichtverletzungen in rechtlichen Sonderbeziehungen und ist<br />
daher auch außerhalb schuldrechtlicher Beziehungen analog anwendbar.<br />
Als Sonderbeziehung kommt hier zunächst die Verwandtschaft in Frage. Nach § 1618a BGB<br />
schulden aber nur Eltern und Kinder einer „Beistand und Rücksicht“. Hinzu kommt, daß sich<br />
diese Pflicht nur ganz ausnahmsweise zu konkreten vermögensrechtlichen Ansprüchen<br />
verdichten kann. Die Voraussetzungen dafür liegen hier erkennbar nicht vor.<br />
Als Sonderbeziehung kommt ferner das Innenverhältnis einer einer Erbengemeinschaft (§§ 2032<br />
ff. BGB) in Frage. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob eine solche Erbengemeinschaft zwischen<br />
Hanna Bayer, Bruno Bayer und Eva Moll bestand. Dazu müßten sie gemeinsam Erben nach<br />
Otto-Bayer geworden sein.<br />
Da Otto Bayer nicht testamentarisch über seinen Nachlaß verfügt hat, ist gesetzliche<br />
Erbfolge eingetreten. Er ist nach § 1924 I BGB von seinen Kindern zu gleichen Teilen beerbt<br />
worden. Hierzu gehören Hanna und Bruno Bayer. Nach § 1924 <strong>II</strong>I BGB ist Eva Moll an Stelle<br />
ihres vorverstorbenen Vaters Miterbin geworden. Eine Erbengemeinschaft zwischen Hanna<br />
Bayer, Bruno Bayer und Eva Moll bestand demnach.<br />
Pflichtverletzung<br />
Bruno Bayer und Eva Moll müßten eine Pflicht verletzt haben, die sich aus ihrer Mitgliedschaft<br />
in der Erbengemeinschaft Hanna Bayer gegenüber ergab.<br />
Als eine solche Pflicht kommt die Mitwirkungspflicht aus § 2038 I 2 Hs. 1 BGB in Frage.<br />
Danach ist jeder Miterbe verpflichtet, an den erforderlichen Verwaltungshandlungen<br />
mitzuwirken.<br />
Diese Pflicht haben sie verletzt, wenn die Veräußerung des Ferienhauses eine<br />
erforderliche Verwaltungsmaßregel hinsichtlich des Nachlasses war.<br />
Das Ferienhaus gehörte zum Nachlaß. Die Einordnung einer Veräußerung von<br />
Grundbesitz als Maßregel der Verwaltung ist vom Wortlaut her denkbar. Bedenken könnten sich<br />
daraus insofern ergeben, als durch die Veräußerung von Grundbesitz der Nachlaß grundlegend<br />
umgestaltet wird. Das war hier aber nicht der Fall, denn es handelte sich ja nur um einen kleinen<br />
Teil der zum Nachlaß gehörenden Immobilien. Durch die Veräußerung des Ferienhauses wurde<br />
die Aufteilung des Gesamtvermögens in Immobilien- und sonstiges Kapitalvermögen nicht<br />
wesentlich verändert.<br />
Ferner müßte die Veräußerung des Hauses „erforderlich“ gewesen sein. Erforderlich zur<br />
Gefahrenabwehr war sie sicher nicht. Aus § 2038 I 2 Hs. 2 BGB folgt allerdings, daß der Begriff<br />
des „Erforderlichen“ weiter sein muß als der des „Notwendigen“, folglich einer großzügigeren<br />
Auslegung bedarf. Der Bezug zur „ordnungsgemäßen“ Nachlaßverwaltung gibt dabei einen<br />
Auslegungshinweis. Er legt den Ansatz nahe, auf das abzustellen, was ein „vernünftig und<br />
wirtschaftlich denkender Beobachter“ nicht unterlassen würde. Erforderlich ist dann eine<br />
Verwaltungsmaßnahme, deren Unterlassen aus Sicht eines solchen Beobachters unvernünftig ist,
weil sie wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt, die nicht durch anderweitige Vorteile<br />
aufgewogen werden.<br />
Hier sprach wenig gegen den Erhalt des Ferienhauses <strong>im</strong> Nachlaß. Das Haus war<br />
ungenutzt, verursachte erheblichen Erhaltungsaufwand und keiner der Miterben hatte ein<br />
Übernahmeangebot gemacht. Hinzu kommt, daß es das Kaufangebot zum Schätzpreis nur unter<br />
großen Schwierigkeiten überhaupt hatte erlangt werden können, so daß bei einem späteren<br />
Verkauf das Entstehen eines Verlustes naheliegend war. Unter Abwägung all dieser Umstände<br />
dürfte der Verkauf an den Interessenten für € 120.000 zur ordnungsgemäßen Nachlaßverwaltung<br />
erforderlich gewesen sein.<br />
3. Schaden<br />
Der Nachlaß wäre bei einem Verkauf <strong>im</strong> April 2006 um den Mehrerlös von € 23.000<br />
werthaltiger gewesen. Hinzu kommt, daß die Erbengemeinschaft auch die Erhaltungskosten für<br />
weitere drei Jahre (insgesamt € 24.000) eingespart hätte.<br />
Hanna Bayers Schaden besteht darin, daß sie bei der Erbteilung entsprechend weniger<br />
erhalten wird, ihr Schaden beläuft sich daher auf ihre Erbquote an diesen € 57.000. Da sie als<br />
eines von vier Kindern des Erblassers Miterbin ist, ist sie Miterbin zu ¼. Ihr Schaden beläuft sich<br />
daher auf € 14.250.<br />
4. Kausalität<br />
Die Weigerung von Bruno Bayer und Eva Moll, an der Veräußerung mitzuwirken, muß für den<br />
Schaden ferner kausal gewesen sein.<br />
Nach § 2040 I BGB setzt die Verfügung über ein Grundstück die Mitwirkung aller<br />
Miterben voraus. Hätten sich beide nicht geweigert, wären Verkauf und Veräußerung folglich<br />
zustandegekommen. Das ist allerdings nicht der Fall, wenn man jeweils nur die Weigerung eines<br />
von ihnen hinwegdenkt. Dann hätte die Zust<strong>im</strong>mung nur des anderen auch noch nichts bewirkt.<br />
Es ist jedoch anerkannt, daß für solche Fälle der sog. alternativen Kausalität eine<br />
Ausnahme von der klassischen conditio-sine-qua-non-Formel zu machen ist: Wenn von zwei<br />
Ereignissen zwar jedes für sich hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfällt, nicht<br />
aber beide zugleich, sind sie beide als für den Erfolg kausal zu betrachten.<br />
5. Vertretenmüssen<br />
Bruno Bayer und Eva Moll würden gemäß § 280 I 2 BGB nicht haften, wenn sie die<br />
Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätten. Ob ihnen Fahrlässigkeit oder Vorsatz zur Last fällt,<br />
ist dem Sachverhalt nicht eindeutig zu entnehmen. Da die Beweislast für fehlendes Verschulden<br />
bei ihnen liegt, ist das Vertretenmüssen zu unterstellen.<br />
6. Verhältnis der Ansprüche<br />
Hanna Bayer hat gegen Bruno Bayer und Eva Moll also jeweils Anspruch auf Schadensersatz in<br />
Höhe von € 14.250 aus § 280 I 1 BGB. Sie haften aus dem gleichen <strong>Recht</strong>sverhältnis und<br />
folglich als Gesamtschuldner.
<strong>Übung</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> <strong>Bürgerlichen</strong> <strong>Recht</strong><br />
Fall 2 - Eine hohe Telefonrechnung (23. April 2010)<br />
Die Teleaktiv GmbH (Teleaktiv) ist ein Verbindungsnetzbetreiber <strong>im</strong><br />
Telekommunikationswesen. Ihr Geschäft ist die Herstellung von Verbindungen zwischen<br />
Teilnehmernetzen und anderen Telekommunikationsnetzen. Unter anderem betreibt sie eine<br />
Diensteplattform für Telekommunikationsmehrwertdienste (0900er-Nummern). Dies bedeutet,<br />
daß sie über Teilnehmernetze eingehende Anrufe für Mehrwertdienste an diese weiterleitet. Mit<br />
der Deutschen Telekom AG (Telekom) hat sie einen Vertrag abgeschlossen, durch den sie sich<br />
u.a. verpflichtet, die von den Teilnehmern des Telekom-Festnetzes für die an ihre Plattform<br />
angeschlossenen Mehrwertdienste eingehenden Anrufe an den jeweiligen Mehrwertdienst<br />
weiterzuleiten. Die Telekom wiederum hat nach diesem Vertrag dem Kunden den Anruf unter<br />
Angabe der Teleaktiv als Gläubiger zu berechnen und eingehende Beträge an Teleaktiv<br />
weiterzuleiten.<br />
Manfred Krug ist Telefon-Kunde der Telekom. Für den Monat Mai 2008 erhält er eine<br />
Telefonrechnung über insgesamt € 1.798. Darin enthalten sind € 1.702, die die Telekom auf der<br />
Rechnung unter:<br />
„Forderungen von Fremdanbietern / Verbindung zu Mehrwertdiensten / Fa. Teleaktiv<br />
GmbH“<br />
- inklusive der Nummer des angewählten Dienstes - auflistet. Manfred Krug ist sich zunächst<br />
sicher, daß weder er noch sonst jemand von seinem Anschluß aus einen solchen Mehrwertdienst<br />
angewählt hat. Er zahlt daher nur € 96 und schreibt einen Brief an die Telekom. Von dort erhält<br />
er die Antwort, daß die Nichtzahlung des Restbetrages der Teleaktiv unter Angabe der von ihm<br />
genannten Gründe weitergemeldet werde. Am 29. Juni 2008 erhält er einen Brief der Teleaktiv,<br />
in dem diese - unter Beifügung von einigen Urteilen - darauf hinweist, der Kläger trage die<br />
Beweislast dafür, nicht telefoniert zu haben und wenn er nicht zahle, werde ein Inkassobüro<br />
eingeschaltet. Darauf überweist er weitere € 1.702 an die Telekom mit dem Vermerk:<br />
„Zahlung für Teleaktiv - Rückforderung bleibt vorbehalten“.<br />
Die Telekom leitet den Betrag an Teleaktiv weiter.<br />
Mittlerweile hat Manfred Krug die starke Vermutung, daß die Verbindung zu dem<br />
Mehrwertdienst über einen sog. „Dialer“ zustandegekommen ist, ein Programm, das sich vom<br />
Rechner des Manfred Krug - automatisch und he<strong>im</strong>lich - über das Modem des Computers zu<br />
dem Mehrwertedienst durchwählt. Er teilt dies der Teleaktiv mit und verlangt sein Geld zurück.<br />
Die Teleaktiv erwidert, daß sie dies nach wie vor bestreite. Außerdem habe sie das Geld nicht<br />
mehr, sondern es schon <strong>im</strong> Juli 2008 an den Mehrwertdiensteanbieter weitergeleitet. Das<br />
wiederum sei die Fa. Kurz & Schmerzlos GmbH gewesen, die inzwischen wegen<br />
Vermögenslosigkeit <strong>im</strong> Handelsregister gelöscht worden sei.<br />
Kann Manfred Krug von Teleaktiv Rückzahlung der € 1.702 verlangen? Kommt es darauf an, ob<br />
er seine Vermutung mit dem Dialer beweisen kann?
Lösung zu Fall Nr. 2<br />
Nach der Fragestellung zu prüfen: Anspruch des M.K. gegen Teleaktiv auf Zahlung von € 1.702.<br />
Anspruchsgrundlage: § 812 I 1 Alt. 1 BGB<br />
1. etwas erlangt<br />
Teleaktiv hat € 1.702 erhalten.<br />
2. durch Leistung<br />
Eine Leistung des M.K. liegt vor. Kritisch: Leistung des M.K. an Teleaktiv. Mögliche<br />
Alternative: Leistungsdreieck (M.K. an Telekom, Telekom an Teleaktiv)<br />
entscheidend: Leistungszweck, den M.K. verfolgt hat (wessen Vermögen wollte er<br />
mehren), zu beurteilen nach obj. Empfängerhorizont<br />
Anders gestellt lautet die Frage: Ist die Telekom nach den von M.K. und der Telekom<br />
verfolgten Intentionen Zahlstelle oder Zwischenempfänger gewesen?<br />
Formulierung der Rechnung („Forderungen von Fremdanbietern“) spricht - ebenso wie<br />
die des Leistungszweckes („Zahlung für Teleaktiv“) - für Zahlstellenfunktion.<br />
weiteres Argument: M.K. hat vorher nur mit Teleaktiv über die Berechtigung der<br />
Forderung verhandelt.<br />
Empfängerhorizont (Teleaktiv): Leistung von M.K., nicht von der Telekom - aus<br />
denselben Gründen.<br />
Ergebnis: Teleaktiv hat durch Leistung des M.K. € 1.702 erlangt<br />
3. ohne <strong>Recht</strong>sgrund<br />
möglicher <strong>Recht</strong>sgrund: Vertrag über eine Telekommunikationsdienstleistung (§ 611 BGB)<br />
notwendig: Antrag und Annahme (letzteres wäre nicht weiter problematisch)<br />
Antrag des A auf Abschluß eines solchen Vertrags evtl. <strong>im</strong> Anwählen der von K & S<br />
gebuchten Nummer (konkludentes Handeln)<br />
Antrag ist Willenserklärung, daher müßte A Erklärungsbewußtsein gehabt haben. Wenn -<br />
wie M.K. behauptet - ein Dialer ohne seine Kenntnis gewählt hat, hatte A kein<br />
Erklärungsbewußtsein. Wer den Eindruck erweckt, mit Erklärungsbewußtsein gehandelt<br />
zu haben, muß sich von einem gutgläubigen Empfänger der Erklärung so behandeln<br />
lassen, als habe er es gehabt. Fraglich ist freilich, ob M.K. überhaupt gehandelt hat, wenn<br />
sich ein Dialer ohne sein Wissen he<strong>im</strong>lich eingewählt hat.<br />
Die Behauptung mit dem Dialer ist allerdings streitig. Fraglich daher, wen die Beweislast<br />
trifft.<br />
Eigentlich M.K., denn „ohne <strong>Recht</strong>sgrund“ ist TB-Merkmal des § 812 I 1, auf den<br />
er sich stützt<br />
Anders aber bei „Zahlung unter Vorbehalt“, da darin nicht - wie in normaler<br />
Zahlung - ein deklaratorisches Anerkenntnis des <strong>Recht</strong>sgrundes liegt.<br />
Aber: Bei Telefonverbindungen wird - bei einwandfrei funktionierender Technik -<br />
die Einwahl durch den Anschlußinhaber vermutet (Erfahrungssatz = tatsächliche<br />
Vermutung), daher Beweislast i.E. doch bei M.K.
Antrag muß an Teleaktiv gerichtet sein. Festzustellen durch Auslegung der<br />
(unterstellten) Erklärung des M.K. anhand des verobjektivierten Empfängerhorizonts.<br />
Da Teleaktiv dem Endkunden gegenüber nirgends in Erscheinung tritt, kann M.K. die<br />
Anwahl auch nicht als an sie gerichtetes Angebot verstehen<br />
Angebot war demnach - wenn überhaupt vorhanden - an K & S gerichtet, ein Vertrag<br />
mit Teleaktiv ist nicht zustandegekommen.<br />
M.K. hat daher ohne <strong>Recht</strong>sgrund an Telaktiv geleistet.<br />
Einwand: Wegfall der Bereicherung (§ 818 <strong>II</strong>I BGB)<br />
Kommt nur in Betracht, wenn M.K. nicht nach §§ 818 IV, 819 f. verschärft haftet. Hier nur<br />
denkbar: Anfängliche Ungewißheit über den Leistungszweck (§ 820 I 1 BGB)<br />
I. eigentlich Zweck klar: Erfüllung<br />
<strong>II</strong>. Erfolgseintritt „nach dem Inhalt des Geschäfts“ (= für beide Seiten!) insofern<br />
ungewiß, als der Bestand der Forderung streitig war<br />
<strong>II</strong>I. In Zahlung steckt für gewöhnlich ein (deklaratorisches) Schuldanerkenntnis, das die<br />
Ungewißheit beseitigt - hier ist das aber wegen des Rückforderungsvorbehalts anders<br />
Ergebnis: Die Anwendung von § 818 I - <strong>II</strong>I ist durch § 820 I 1 BGB ausgeschlossen,<br />
Entreicherung folglich irrelevant.
<strong>Übung</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> <strong>Bürgerlichen</strong> <strong>Recht</strong><br />
Fall 5 - Eine teure Wohnung (14. Mai 2010)<br />
Anfang des Jahres 2007 hat die Südwestfalen-Treubau KG (SW-Treubau) in einem Vorort von Köln<br />
eine Wohnanlage mit 120 Wohnungen und - auf einem anderen Grundstück - 70 Garagen errichtet.<br />
Anfangs beabsichtigte sie, die Wohnungen selbst zu vermarkten und suchte Mieter. Als einer der<br />
ersten Mieter zog Franz Möbius in die Wohnanlage ein. Er mietete die Wohnung Nr. 12 samt der<br />
Garage Nr. 7 zum Gesamtmietpreis von € 740 <strong>im</strong> Monat, wobei der Mietvertrag als Einzelpreise € 660<br />
für die Wohnung und € 80 für die Garage ausweist.<br />
Kurze Zeit später beschloß die SW-Treubau, die Wohnungen in Eigentumswohnungen<br />
umzuwandeln und dann en bloc an eine Vermarktungsgesellschaft zu verkaufen. Die Umwandlung<br />
wurde zum 15. August 2007 wirksam. Zu dieser Zeit waren 60 Wohnungen vermietet, die anderen 60<br />
noch nicht. Das Garagengrundstück verkaufte die SW-Treubau nicht.<br />
Durch notariellen Kaufvertrag vom 18. Oktober 2007 verkaufte die SW-Treubau alle 120<br />
Wohnungen zu einem Gesamtpreis von € 30.000.000 an die Allbau Nordrhein-Westfalen AG (Allbau-<br />
NW). Der Vertrag weist für jede der Wohnungen einen Einzelpreis aus, für die Wohnung Nr. 12 einen<br />
Einzelpreis von € 420.000. Der tatsächliche Verkehrswert der Wohnung liegt zu diesem Zeitpunkt bei<br />
nur € 300.000. Mit 85 m² liegt die Wohnung Nr. 12 von der Größe her genau <strong>im</strong> Durchschnitt der<br />
Wohnanlage. Die Gesamtwohnfläche der Anlage beträgt 10.200 m². Der Kaufvertrag enthält unter<br />
anderem die Klausel:<br />
„Sollte eine oder sollten mehrere in diesem Vertrag enthaltene Best<strong>im</strong>mungen unwirksam<br />
sein, gilt der Vertrag mit dem übrigen Inhalt weiter. Die unwirksame Best<strong>im</strong>mung ist durch<br />
diejenige zu ersetzen, die die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit gekannt<br />
hätten.“<br />
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 unterrichtet die SW-Treubau den Franz Möbius schriftlich über<br />
den mit der Allbau-NW geschlossenen Kaufvertrag und weist ihn auf sein gesetzliches Vorkaufsrecht<br />
aus § 577 Abs. 1 BGB hin. Die Mitteilung enthält nur den Hinweis auf den Kaufpreis von € 420.000<br />
für die Wohnung Nr. 12. Zum Kaufpreis für die übrigen Wohnungen und zum Gesamtpreis verhält<br />
sich die Mitteilung nicht. Franz Möbius bittet um Einsichtnahme in den kompletten Kaufvertrag, die<br />
ihm am 8. Dezember 2005 schließlich auch gewährt wird. Er stellt hierbei fest, daß die Summe der<br />
Einzelpreise für die 60 Wohnungen, die schon vor dem 15. August 2007 vermietet waren, bei<br />
€ 25.000.000, die Summe der Wohnflächen 5.000 m² betrug. Für die anderen 60 Wohnungen betrug<br />
die Summer der Einzelpreise nur € 5.000.000 bei einer Gesamtwohnfläche von 5.200 m². Daraufhin<br />
teilt Franz Möbius der SW-Treubau am 10. Dezember 2005 schriftlich mit, daß er sein Vorkaufsrecht<br />
ausübe.<br />
Am 17. Dezember 2007 teilt die SW-Treubau mit, die Wohnungen seien nunmehr wirksam an<br />
die Allbau-NW übereignet und er habe seine Miete künftig dorthin zu überweisen. Seinem Wunsch,<br />
die Wohnung zu erwerben, könne man leider nicht mehr nachkommen. Franz Möbius überweist die<br />
komplette Miete ab Januar 2008 an die Allbau-NW.<br />
Aufgabe 1: Kann Franz Möbius von SW-Treubau Schadensersatz verlangen? Wenn ja, in<br />
welcher Höhe?<br />
Im Januar 2010 fällt der SW-Traubau auf, daß sie seit zwei Jahren für die Garage Nr. 7 auf<br />
dem ihr <strong>im</strong>mer noch gehörenden Garagengrundstück keinerlei Einnahmen mehr verzeichnet.<br />
Aufgabe 2: Welche Ansprüche hat die SW-Treubau wegen der Garage gegen Franz<br />
Möbius und die Allbau-NW?
Lösungsskizze – Fall 5<br />
Aufgabe 1<br />
Franz Möbius (F.M.) kann gegen die SW-Treubau (SW) einen Anspruch auf Schadensersatz<br />
statt der Leistung nach §§ 280 I, 281, 283 BGB haben.<br />
Vertrag<br />
Hierzu ist zunächst ein Vertrag zwischen F.M. und SW erforderlich. In Frage kommt ein<br />
Kaufvertrag, der durch Ausübung des Vorkaufsrechts durch F.M. zustandegekommen ist<br />
(§ 464 <strong>II</strong> BGB).<br />
Ein Vorkaufsrecht stand F.M. nach § 577 I 1 BGB kraft Gesetzes zu. SW hat nach<br />
Übergabe der Wohnung Wohnungseigentum begründet und die Wohnung danach an die<br />
Allbau-NW (Allbau) verkauft.<br />
Das Vorkaufsrecht müßte auch form- und fristgerecht ausgeübt worden sein. Für die<br />
Ausübung des Vorkaufsrechts sieht § 577 <strong>II</strong>I BGB die Schriftform vor, die nach dem<br />
Sachverhalt gewahrt wurde. Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt nach<br />
§ 469 <strong>II</strong> 1 Alt. 1 BGB zwei Monate ab Empfang der Mitteilung des Verkäufers über den mit<br />
dem Dritten geschlossenen Vertrag. Die Mitteilung ist am 24. Oktober 2007 erfolgt, das<br />
Vorkaufsrecht wurde am 10. Dezember 2007, damit rechtzeitig ausgeübt.<br />
Zwischen F.M. und SW ist folglich ein Kaufvertrag über die Eigentumswohnung<br />
zustandegekommen.<br />
Pflichtverletzung<br />
Aus dem Kaufvertrag war SW verpflichtet, F.M. das Eigentum an der Wohnung zu<br />
verschaffen (§ 433 I 1 BGB). Diese Pflicht kann er nicht mehr ohne weiteres erfüllen,<br />
nachdem er das Eigentum bereits wirksam auf Allbau übertragen hat. Die<br />
Eigentumsübertragung auf die Allbau muß deshalb als Pflichtverletzung angesehen werden.<br />
Besondere Voraussetzungen für Schadensersatz statt der Leistung<br />
Für das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung genügt eine Pflichtverletzung nicht.<br />
Es müssen vielmehr die Voraussetzungen einer der Normen vorliegen, die diese Art des<br />
Schadensersatzes besonders vorsehen. Hier kommt § 283 S. 1 BGB in Frage. Der setzt<br />
voraus, daß SW wegen Unmöglichkeit nach § 275 BGB nicht mehr zu leisten braucht.<br />
Ob SW schon nach § 275 I BGB von der Leistungspflicht freigeworden ist, kann man<br />
anhand des Sachverhalts nicht entscheiden. Dieser gibt keine Auskunft darüber, ob Allbau zu<br />
einer Rückübereignung an SW zu bewegen wäre.<br />
Zur Verweigerung der Leistung ist SW nach § 275 <strong>II</strong> BGB nur berechtigt, wenn ihr ein<br />
Rückerwerb der Wohnung von der Allbau nicht zugemutet werden könnte. Auch das kann<br />
anhand des Sachverhalts nicht abschließend entschieden werden.<br />
Der Sachverhalt läßt demnach keinen sicheren Schluß auf das Vorliegen der<br />
Voraussetzungen des § 283 S. 1 BGB zu.<br />
Jedenfalls aber hat SW sich ernsthaft und endgültig geweigert, den Vertrag zu erfüllen. Wenn<br />
sie dazu nicht berechtigt gewesen sein sollte, kann F.M. daher nach § 281 <strong>II</strong> BGB<br />
Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Ob § 275 BGB greift, braucht deshalb <strong>im</strong><br />
Ergebnis nicht entschieden zu werden.<br />
Schaden<br />
Zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 280 I BGB gehört es, daß F.M. aus der<br />
Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Das ist der Fall, wenn er wirtschaftlich<br />
schlechter steht als er stünde, wenn der Kaufvertrag beiderseits vollständig erfüllt worden
wäre. Seine bestehende Vermögenslage muß daher mit der (fiktiven) Vermögenslage bei<br />
Erfüllung des Kaufvertrages verglichen werden.<br />
Hätte SW den Vertrag erfüllt, hätte F.M. eine Eigentumswohnung <strong>im</strong> Wert von € 300.000<br />
erworben.<br />
F.M. hätte allerdings auch den Kaufpreis dafür zahlen müssen. Nach § 464 <strong>II</strong> BGB hat<br />
der Kaufvertrag den Inhalt, den der Kaufvertrag mit dem Dritten (Allbau) auch hat. Dort war<br />
für die Wohnung des F.M. ein Preis von € 420.000 vereinbart, deutlich über dem<br />
Verkehrswert. Hätte F.M. den zahlen müssen, wäre das Geschäft für ihn nachteilig gewesen,<br />
die Nichterfüllung stellte dann keinen Schaden dar.<br />
Fraglich ist allerdings, ob diese Vereinbarung Bestand haben kann. Sie könnte wegen<br />
Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 I BGB nichtig sein.<br />
Gegen die guten Sitten verstößt ein <strong>Recht</strong>sgeschäft unter anderem dann, wenn es<br />
ausschließlich zu dem Zweck vorgenommen wird, einen Dritten zu benachteiligen<br />
(Fallgruppe: Vertrag zu Lasten Dritter). Die Best<strong>im</strong>mung der Einzelpreise für die Wohnungen<br />
orientiert sich hier anstatt an der Wohnfläche erkennbar daran, ob die Wohnungen mit einem<br />
gesetzlichen Vorkaufsrecht belastet waren oder nicht. Im Verhältnis zwischen SW und Allbau<br />
müßte eine solche Belastung eigentlich - wegen der damit verbundenen Unsicherheiten - zu<br />
einem niedrigeren Kaufpreis führen. Tatsächlich liegt der Preis für die belasteten Wohnungen<br />
aber viel höher als für die unbelasteten, nämlich - relativ gesehen - mit 5.000 €/m² gegenüber<br />
960 €/m² über fünfmal so hoch. Hierfür gibt es (bei einem ja feststehenden Gesamtpreis) kein<br />
erkennbares Interesse der Beteiligten außer dem, die Mieter an der Ausübung ihres<br />
Vorkaufsrechts zu hindern.<br />
Die Preisvereinbarung verstößt, was die Einzelpreise betrifft, daher gegen die guten<br />
Sitten und ist nach § 138 I BGB nichtig.<br />
Dies würde F.M. nichts nutzen, wenn es nach § 139 BGB die Nichtigkeit des<br />
gesamten Vertrages zur Folge hätte. Indessen haben SW und Allbau die Geltung des<br />
§ 139 BGB abbedungen („salvatorische Klausel“). Die Teilnichtigkeit führt daher nicht zur<br />
Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Der Kaufvertrag bleibt wirksam, nur die Vereinbarung über<br />
die Einzelpreise ist nichtig.<br />
Nach § 467 S. 1 BGB schuldete F.M. daher der SW für die Wohnung einen<br />
„verhältnismäßigen Anteil“ des vereinbarten Gesamtpreises von € 30.000.000. Geht man<br />
davon aus, daß sich eine „verhältnismäßige“ Aufteilung bei Eigentumswohnungen am ehesten<br />
anhand der Wohnfläche durchführen läßt, vereinbarten SW und Allbau 2.940 €/m². Auf die<br />
85 m² des F.M. entfielen demnach € 249.900.<br />
Bei beiderseitiger Vertragserfüllung wäre der Gesamtwert des Vermögens des F.M. folglich<br />
um € 50.100 höher gewesen.<br />
Ergebnis<br />
F.M. kann von SW aus §§ 280 I, 281 <strong>II</strong> BGB oder §§ 280 I, 275, 283 S. 1 BGB Zahlung von<br />
€ 50.100 verlangen.<br />
Aufgabe 2<br />
Ansprüche gegen Frank Möbius<br />
SW kann gegen F.M. Anspruch auf Zahlung der Garagenmiete aus dem mit ihm<br />
abgeschlossenen Mietvertrag (§ 535 <strong>II</strong> BGB) haben.<br />
Einen Mietvertrag haben die Parteien geschlossen. Fraglich ist aber, ob SW noch Vermieterin<br />
ist. Sie könnte die Vermieterstellung durch Veräußerung der Wohnung an Allbau verloren
haben (§ 566 I BGB). Indessen hat Allbau lediglich das Eigentum an der Wohnung, nicht<br />
auch an der mitvermieteten Garage erworben. Ob sie dennoch alleinige Vermieterin geworden<br />
ist, ist durch Auslegung von § 566 I BGB zu ermitteln. Der Wortlaut der Norm regelt dies<br />
nicht. Der Zweck der Norm ist es, den Mieter davor schützen, aufgrund von<br />
Eigentumsänderungen aufgrund seines nur relativen <strong>Recht</strong>es zum Besitz die Wohnung zu<br />
verlieren. Vor diesem Hintergrund sind die in Betracht kommenden Alternativen zu prüfen.<br />
Es sind drei Auslegungen denkbar, nämlich<br />
I. der Übergang des kompletten Vertrages auf den Erwerber der eigentlichen<br />
Wohnräume als Hauptsache, was allerdings für den Mieter bedeuten würde, daß er die<br />
Garage an den bisherigen Vermieter - mit dem er nun keinen Vertrag mehr hat -<br />
herausgeben müßte;<br />
<strong>II</strong>. die Aufspaltung des einheitlichen Mietvertrags in Einzelverträge, was aber für den<br />
Mieter bedeuten würde, daß er ggf. auch mit einer getrennten Beendigung der<br />
Verträge rechnen müßte und dann entweder mit Wohnung und ohne Garage oder mit<br />
Garage, aber ohne Wohnung dastehen könnte;<br />
<strong>II</strong>I. der teilweise Eintritt des Erwerbers in den – weiterhin einheitlichen – Mietvertrag; mit<br />
der Folge des Entstehens einer Gemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) zwischen Veräußerer<br />
und Erwerber. Für den Mieter würde sich nichts wesentliches ändern, der Vertrag<br />
bliebe ein einheitlicher und er bliebe beiden Gemeinschaftern gegenüber zum Besitz<br />
sowohl der Wohnung als auch der Garage berechtigt.<br />
Die dritte Variante ist demnach die für den Mieter günstigste. Die Nachteile für den<br />
bisherigen Vermieter und den Erwerber eines Teils der Räume halten sich in Grenzen, können<br />
von diesen ja außerdem auch leicht vermieden werden. Daher entspricht es dem<br />
Gesetzeszweck am besten, § 566 I BGB in diesem Sinne auszulegen.<br />
SW ist daher seit dem 17. Dezember 2007 nur noch gemeinsam mit Allbau<br />
Vermieterin der Wohnung. Nach § 744 I BGB können daher auch nur Allbau und SW<br />
gemeinsam die Miete von F.M. verlangen. SW alleine hat gegen ihn keine Ansprüche.<br />
Ansprüche gegen Allbau-NW<br />
SW kann gegen Allbau einen Anspruch auf Mitwirkung bei der Einziehung der Garagenmiete<br />
aus § 745 <strong>II</strong> BGB haben.<br />
Voraussetzung dafür ist, daß die Einziehung der Miete dem billigen Interesse der<br />
Teilhaber entspricht. Das ist wiederum nur der Fall, wenn F.M. nicht schon durch die Zahlung<br />
der Miete an Allbau auch der Gemeinschaft gegenüber freigeworden ist. Dies ist nach § 566e<br />
I BGB der Fall, denn SW hat (als bisheriger Vermieter) den F.M. angewiesen, die Miete ab<br />
1.1.2008 an Allbau zu zahlen. SW konnte dies nur so verstehen, daß er die ganze Miete an<br />
Allbau zu zahlen habe. Er ist durch diese Zahlungen daher auch der Gemeinschaft gegenüber<br />
freigeworden.<br />
Ein Anspruch von SW gegen Allbau kann außerdem aus § 743 I BGB folgen. Danach kann<br />
jeder Teilhaber eine seinem Anteil entsprechende Beteiligung an den Früchten des<br />
gemeinsamen Gegenstandes verlangen. Gemeinsamer Gegenstand sind die <strong>Recht</strong>e aus dem<br />
Mietvertrag mit F.M. Der Mietzins gehört zu den <strong>Recht</strong>sfrüchten i.S.v. § 99 <strong>II</strong>I BGB.<br />
Zu klären bleibt noch, wie hoch der Anteil der SW ist. Nach § 742 BGB sind<br />
Gemeinschafter <strong>im</strong> Zweifel zu gleichen Teilen berechtigt. Hier ergibt sich aber eine andere<br />
Verteilung aus dem Verhältnis der vereinbarten Mietzinsen zueinander, denn das Verhältnis<br />
der Mieten entspricht dem von den Mietvertragsparteien vorausgesetzten Wertverhältnis der<br />
Gegenleistungen zueinander. SW ist daher Teilhaberin zu 4/37. Sie kann nach § 743 I BGB<br />
von Allbau 4/37 der <strong>im</strong> Zeitraum vom 1.1.2008 bis 31.12.2009 vereinnahmten Mieten<br />
verlangen, das entspricht exakt 24 x der Garagenmiete, also € 1.920.
Ergebnis<br />
SW kann von Allbau aus § 743 I BGB Zahlung von € 1.920 verlangen.
<strong>Übung</strong>en <strong>II</strong> <strong>im</strong> <strong>Bürgerlichen</strong> <strong>Recht</strong><br />
Fall 7 - Sorgen eines Landwirts (11. Juni 2010)<br />
Teil 1<br />
Hilmar Steiner ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Hofes mit umfangreichen Ländereien <strong>im</strong><br />
Schwarzwald. In der Nähe des Bauernhofes befindet sich das Landschulhe<strong>im</strong> Glottertal, in<br />
dem sich <strong>im</strong> September 2008 der Lehrer Winfried Scheiffele mit einer 6. Klasse der von ihm<br />
betriebenen Privatschule aufhält. Der fragt bei Bauer Steiner an, ob es wohl möglich sei, die<br />
Schüler einmal auf dem Heuwagen über die Felder fahren zu lassen. Das habe er schon öfter<br />
in Schullandhe<strong>im</strong>en gemacht und es sei bisher <strong>im</strong>mer ein „Heidenspaß“ gewesen.<br />
Als gutmütiger Mensch ist Bauer Steiner einverstanden. Er stellt dem Lehrer<br />
Scheiffele deshalb am 24. September 2008 einen Traktor mit Heuwagen-Anhänger zur<br />
Verfügung und weist seinen Knecht Albert an, den Lehrer mit seinen Schülern nach näheren<br />
Anweisungen des Lehrers ein wenig über die eigenen Felder zu kutschieren, wobei er ihm<br />
einschärft, auf keinen Fall auf öffentlichen Straßen zu fahren, weil das Mitfahren auf<br />
Anhängern <strong>im</strong> öffentlichen Straßenverkehr verboten sei.<br />
Nach drei Runden auf der Kuhweide wird es Lehrer Scheiffele langweilig. Er fragt<br />
Albert, ob er nicht noch eine kurze Tour durch das Waldstück jenseits der Kreisstraße 4212<br />
unternehmen könne. Da der Wald ebenfalls Bauer Steiner gehört und man die Kreisstraße ja<br />
nur kurz überqueren und nicht auf ihr fahren muß, überwindet Albert seine anfänglichen<br />
Bedenken und gibt dem Wunsch nach. Leider kommt gerade in diesem Moment ein Pkw<br />
angefahren und rammt den Heuwagen-Anhänger. Zwei Schüler fallen herunter und ziehen<br />
sich erhebliche Verletzungen zu. Am Anhänger entsteht ein Schaden von € 2.000. Als Bauer<br />
Steiner das abends hört, ist er stinksauer, denkt aber noch nicht an irgendwelche Weiterungen<br />
und will das ganze auf sich beruhen lassen.<br />
Da Albert völlig mittellos ist, wenden sich die Eltern der verletzten Schüler allerdings<br />
inzwischen wegen ihrer Ansprüche an Bauer Steiner. Der ist nun wütend und überlegt sich, ob<br />
er sich nicht seinerseits an den Lehrer Scheiffele halten kann.<br />
Frage 1: Können die verletzten Schüler von Bauer Steiner ein Schmerzensgeld<br />
verlangen?<br />
Frage 2: Welche Ansprüche hat Bauer Steiner gegen Lehrer Scheiffele?<br />
Teil 2<br />
Bauer Steiner gehört eine Obstwiese. Ein vor Jahren von ihm mit seinem Nachbarn Willi<br />
Berthold abgeschlossener Vertrag besagt, daß dieser bis zu seinem Lebensende das <strong>Recht</strong> hat,<br />
jedes Jahr - kostenlos - zwölf der Bäume auf dieser Wiese abzuernten, was ihm einen Ertrag<br />
von etwa € 300 pro Jahr einbringt. Nun ist die Wiese überraschend zu Bauland geworden.<br />
Bauer Steiner will sie parzellieren und verkaufen, doch Willi Berthold ist nicht freiwillig<br />
bereit, auf die Äpfel zu verzichten.<br />
Frage 3: Wie ist die <strong>Recht</strong>slage?
Lösung zum Fall 7<br />
Frage 1<br />
Die verletzten Kinder könnten gegen Bauer Steiner einen Anspruch auf Schmerzensgeld unter<br />
dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes neben der Leistung bei einem Vertrag mit<br />
Schutzwirkung für Dritte (§§ 280 I, 241 <strong>II</strong>, 328 I, 253 <strong>II</strong> BGB) haben.<br />
Voraussetzung hierfür wäre zunächst das Bestehen eines vertraglichen<br />
Schuldverhältnisses, aus dem sich für Bauer Steiner Schutz- und Fürsorgepflichten zugunsten<br />
der verletzten Kinder ergaben.<br />
In Frage kommt hierfür allein die Vereinbarung mit Lehrer Scheiffele über die<br />
Nutzung des landwirtschaftlichen Gespannes mit Fahrer. Ein vertragliches Schuldverhältnis<br />
ist hierdurch allerdings nur entstanden, wenn sowohl Bauer Steiner als auch Lehrer Scheiffele<br />
bei Abschluß der Vereinbarung den Willen hatten, sich rechtlich zu binden. An eindeutigen<br />
Hinweisen <strong>im</strong> Sachverhalt hierauf fehlt es. Es ist daher auf allgemeine Erfahrungssätze<br />
zurückzugreifen. Danach ist ein <strong>Recht</strong>sbindungswille umso eher anzunehmen, je geringer die<br />
persönliche Bindung zwischen den Beteiligten ist und je bedeutender die von der<br />
Vereinbarung betroffenen <strong>Recht</strong>sgüter sind. Die Beteiligten kannten sich hier überhaupt nicht.<br />
Hier waren auf beiden Seiten <strong>Recht</strong>sgüter von bedeutendem Wert betroffen, nämlich<br />
einerseits die Sicherheit der Kinder, andererseits das Traktorengespann, das eine Sache von<br />
nicht unbedeutendem Wert darstellt. Das spricht alles deutlich für die Annahme eines<br />
<strong>Recht</strong>sbindungswillens.<br />
Als nächstes ist zu prüfen, ob die beförderten Kinder in die sich aus § 241 <strong>II</strong> BGB<br />
ergebenden Schutz- und Fürsorgepflichten dergestalt eingebunden waren, daß sie hieraus -<br />
entsprechend § 328 I BGB - unmittelbar eigene <strong>Recht</strong>e herleiten konnten. Das wird<br />
allgemeine angenommen, wenn ein für den Verpflichteten überschaubarer Personenkreis in<br />
erkennbarer Weise mit den aus dem Vertragsgegenstand folgenden spezifischen Gefahren in<br />
gleicher oder ähnlicher Weise wie der Vertragspartner selbst in Berührung kommt. Das war<br />
hier ersichtlich der Fall. Der Beförderungsvertrag war sogar ausdrücklich zu dem Zweck<br />
abgeschlossen worden, die Kinder zu befördern.<br />
Dritte Voraussetzung ist, daß Bauer Steiner eine aus diesem Vertrag folgende<br />
Sorgfaltspflicht verletzt hat. Dabei kann dahinstehen, ob es generell eine gute Idee ist, Kinder<br />
auf einem landwirtschaftlichen Anhänger zu befördern. Kausal geworden wäre eine solche -<br />
dann schon <strong>im</strong> Vertragschluß selbst liegende - Pflichtverletzung jedenfalls nicht. Der Unfall<br />
ist vielmehr auf das Überqueren der Kreisstraße zurückzuführen, das Bauer Steiner seinem<br />
Knecht Albert ausdrücklich verboten hatte. Unter diesen Umständen ist nicht erkennbar,<br />
welche Sorgfaltspflicht Bauer Steiner selbst verletzt haben soll.<br />
Möglicherweise ist aber ein pflichtwidriges Verhalten des Knechtes Albert Bauer<br />
Steiner nach § 278 I 1 BGB zuzurechnen. Das ist der Fall, wenn sich Bauer Steiner seines<br />
Knechtes zur Erfüllung der ihm obliegenden Obhuts- und Sorgfaltspflichten bedient hat. Das<br />
kann man nur beantworten, wenn man die durch den Vertrag begründeten Pflichten näher<br />
qualifiziert:<br />
Bauer Steiner verpflichtete sich durch den Vertrag, eine Sache (das Gespann) samt<br />
Bedienungspersonal unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dieser Vertrag enthält sowohl<br />
Elemente der Leihe als unentgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Sache als auch des<br />
unentgeltlichen Diensteüberlassungsvertrages (eine Sonderform des Auftrags). Die nähere<br />
Definition der vertraglichen Pflichten erfordert daher die Prüfung, auf welcher der Pflichten<br />
der Schwerpunkt des Interesses der Vertragsparteien lag. Das dürfte hier die<br />
Gebrauchsüberlassung sein, vor allem weil Lehrer Scheiffele von dem Gespann ja - mit der<br />
Beschränkung auf die Grundstücke des Bauern - nach seinem Belieben Gebrauch machen<br />
können sollte. Den Knecht mußte Bauer Steiner nur „mitverleihen“, weil Lehrer Scheiffele
den Traktor nicht selbst hätte bedienen können. Wenn der Schwerpunkt des Vertrages in der<br />
Gebrauchsüberlassung lag, schuldete Bauer Steiner aber auch nur die Überlassung technisch<br />
einwandfreien Geräts mit in der Bedienung ausreichend erfahrenem und zuverlässigem<br />
Personal. Knecht Albert ist, als er die Straße überquerte, nicht in Erfüllung dieser Pflichten<br />
tätig gewesen, so daß sein Verhalten Bauer Steiner nicht nach § 278 I 1 BGB zugerechnet<br />
werden kann.<br />
Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch besteht nicht.<br />
§ 823 I BGB scheidet als Anspruchsgrundlage jedenfalls deshalb aus, weil Bauer Steiner kein<br />
eigenes Verschulden an dem Unfall vorgeworfen werden kann, da ja Knecht Albert die Straße<br />
gegen seine ausdrückliche Weisung überquerte. Aus dem Sachverhalt ergeben sich keine<br />
Anhaltspunkte dafür, daß Bauer Steiner das hätte vorhersehen können.<br />
Es kommt weiter ein Anspruch aus §§ 831, 253 <strong>II</strong> BGB in Frage. Fest steht, daß Knecht<br />
Albert die Kinder durch schuldhaftes Verhalten verletzt hat. Wer von einem Grundstück auf<br />
die Straße einfährt, muß sich dabei so verhalten, daß jede Gefährdung anderer<br />
Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dieser Vorgabe hat Knecht Albert jedenfalls nicht<br />
genügt.<br />
Bauer Steiner muß hierfür haften, wenn Knecht Albert be<strong>im</strong> Überqueren der Straße als<br />
sein Verrichtungsgehilfe gehandelt hat. Verrichtungsgehilfe ist, wer eine Handlung für einen<br />
anderen nach dessen Weisung vorn<strong>im</strong>mt. Entscheidendes Kriterium ist die<br />
Weisungsunterworfenheit des Gehilfen bei der konkreten Tätigkeit. An und für sich ist<br />
Knecht Albert als dessen Arbeitnehmer den Weisungen von Bauer Steiner unterworfen. Das<br />
ändert sich aber, wenn der Arbeitnehmer einem Dritten dergestalt überlassen wird, daß<br />
nunmehr dieser ihm Weisungen erteilen darf. In diesem Moment überträgt der Arbeitgeber<br />
sein Weisungsrecht auf den Dritten. Das ist hier geschehen, als Bauer Steiner seinen Knecht<br />
anwies, das Gespann (mit der Begrenzung auf die eigenen Grundstücke) nach den Weisungen<br />
von Lehrer Scheiffele zu lenken. Der Zeitraum der Überlassung der Dienste war auch noch<br />
nicht abgelaufen. Demzufolge war Knecht Albert kein Verrichtungsgehilfe von Bauer Steiner.<br />
Eine Haftung aus § 831 BGB scheidet aus.<br />
Schließlich kommt eine Haftung aus §§ 7 I, 11 S. 2 StVG in Frage.<br />
Die Kinder sind be<strong>im</strong> Betrieb eines Kraftfahrzeuges - des Traktors - am Körper<br />
verletzt worden. Bauer Steiner ist Halter des Traktors. Höhere Gewalt nach § 7 <strong>II</strong> StVG liegt<br />
nicht vor. Ein Ausschlußgrund nach § 7 <strong>II</strong>I 1 StVG besteht jedenfalls wegen § 7 <strong>II</strong>I 2 StVG<br />
nicht. Verwirkung des Anspruchs nach § 15 S. 1 StVG ist nicht eingetreten, da Bauer Steiner<br />
von dem Unfall wußte (§ 15 S. 3 StVG). Nach § 11 S. 2 StVG umfaßt der Schadensersatz bei<br />
Körperverletzung auch den <strong>im</strong>materiellen Schaden - also ein Schmerzensgeld.<br />
Ergebnis: Bauer Steiner schuldet den Kindern unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der<br />
Fahrzeughalterhaftung ein angemessenes Schmerzensgeld.<br />
Frage 2<br />
Schaden am Anhänger<br />
In Frage kommt ein Anspruch auf Zahlung von € 2.000 aus § 280 I BGB auf Schadensersatz<br />
neben der Leistung.<br />
Ein vertragliches Schuldverhältnis zwischen Bauer Steiner und Lehrer Scheiffele in<br />
Gestalt eines Leihvertrages ist oben schon bejaht worden.<br />
Lehrer Scheiffele müßte eine Nebenpflicht aus dem Leihverhältnis verletzt werden. In<br />
Frage kommt die in § 603 S. 1 BGB geregelte Pflicht, von der geliehenen Sache nur den<br />
vertraglich vereinbarten Gebrauch zu machen. Vereinbart war die Benutzung des
Heuwagengespannes ausschließlich auf den privaten Grundstücken des Bauern Steiner. Als<br />
Lehrer Scheiffele den Knecht Albert anwies, die Kreisstraße zu überqueren - und damit diese<br />
Grundstücke zu verlassen - machte er von dem Gespann somit einen vertragswidrigen<br />
Gebrauch.<br />
Hierdurch ist der Anhänger - in vorhersehbarer Weise - beschädigt worden, Bauer<br />
Steiner demnach ein Schaden entstanden.<br />
Die erteilte Weisung war zumindest fahrlässig. Lehrer Scheiffele mußte damit<br />
rechnen, daß das Gespann auf öffentlichen Straßen nicht sicher verwendet werden konnte,<br />
zumal ihm nach dem Gespräch auch klar war, daß das in dieser Form verboten war.<br />
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 I BGB besteht demnach. Möglicherweise kann<br />
sich Lehrer Scheiffele aber auf Verjährung berufen und die Leistung deshalb verweigern.<br />
Der Unfall geschah am 24. September 2008. Am selben Tag hat Bauer Steiner sein<br />
beschädigtes Gespann zurückerhalten. Ansprüche des Verleihers gegen den Entleiher wegen<br />
Verschlechterung der geliehenen Sache verjähren gemäß §§ 606, 548 I 2 BGB in sechs<br />
Monaten, gerechnet ab der Rückgabe der Sache. Mit Ablauf des 24. März 2009 ist demnach<br />
Verjährung eingetreten.<br />
Lehrer Scheiffele braucht keinen vertraglichen Schadensersatz zu leisten, wenn er sich<br />
auf die Verjährung des Anspruchs beruft.<br />
Da Lehrer Scheiffele durch den vertragswidrigen Gebrauch der Leihsache Bauer Steiner<br />
schuldhaft in dessen Eigentum an ihr verletzt hat, wäre eigentlich auch ein Anspruch aus<br />
§ 823 I BGB gegeben. Das ist indessen bei Beschädigung einer geliehenen Sache regelmäßig<br />
so. Soll § 606 BGB nicht weitgehend leerlaufen, muß er daher auch die sich aus der<br />
Verschlechterung der Leihsache ergebenden parallelen deliktischen Schadensersatzansprüche<br />
erfassen.<br />
Auch eventuellen Ansprüchen aus Delikt steht daher die Einrede der Verjährung<br />
entgegen.<br />
Schmerzensgeldanspruch der Kinder<br />
In Frage kommt schließlich ein Anspruch des Bauern Steiner aus § 280 I BGB auf<br />
Freistellung von den Schmerzensgeldansprüchen der verletzten Kinder.<br />
Bauer Steiner hat - wie oben schon geprüft - dem Grunde nach Anspruch darauf, daß<br />
Lehrer Scheiffele ihm den Schaden ersetzt, der ihm durch das Unfallereignis vom<br />
24. September entstanden ist. Da ein Schaden in jeder Minderung des Vermögens liegt, kann<br />
er auch darin gesehen werden, daß der Geschädigte mit einer Verbindlichkeit - hier: den<br />
Schmerzensgeldansprüchen der Kinder aus §§ 7, 11 StVG - belastet ist. Sein Anspruch auf<br />
Naturalresitution (§ 249 S. 1 BGB) geht dann dahin, daß der Schädiger ihn von der Forderung<br />
des Dritten freistellt.<br />
Auch diesem Anspruch könnte indessen der Einwand der Verjährung (§§ 606, 548 I<br />
2 BGB) entgegenstehen. Zwar handelt es sich um Schadenspositionen, die nicht unmittelbar<br />
mit der Verschlechterung der geliehenen Sache zu tun haben. Sinn der kurzen Verjährung ist<br />
hier jedoch, daß der Entleiher nicht länger als sechs Monate damit zu rechnen braucht, wegen<br />
der Art und Weise, in der er die Leihsache genutzt hat, zur Rechenschaft gezogen zu werden.<br />
Dieser Sinn würde verfehlt, wenn die kurze Verjährung nur den eigentlichen Sachschaden<br />
erfassen würde und nicht auch die aus einer pflichtwidrigen Nutzung der Sache herrührenden<br />
Vermögensschäden.<br />
Auch dem Freistellungsanspruch steht daher die Einrede der Verjährung entgegen.<br />
Dasselbe gilt - aus den nämlichen Erwägungen - für einen eventuellen Freistellungsanspruch<br />
aus § 426 I BGB oder §§ 426 <strong>II</strong>, 823 I BGB bzw. §§ 426 <strong>II</strong>, 280 I, 241 <strong>II</strong> BGB, falls die<br />
Studierenden auf so etwas kommen sollten.
Frage 3<br />
Bauer Steiner möchte das Fruchtziehungsrecht nicht weiter gewähren. Das bräuchte er nicht,<br />
wenn er den Vertrag über das Fruchtziehungsrecht kündigen könnte.<br />
Der Vertrag gewährt Willi Berthold das unentgeltliche <strong>Recht</strong> zur Nutzung eines<br />
fremden Grundstücks. Ein solcher Vertrag ist <strong>im</strong> Schuldrecht nicht näher geregelt. Daß es ein<br />
schuldrechtlich begründetes Fruchtziehungsrecht geben kann, folgt allerdings schon aus<br />
§ 101 BGB.<br />
Der BGH hat einen solchen Vertrag einmal als Schenkung eines (abstrakten)<br />
obligatorischen Fruchtziehungsrechtes interpretiert. Dafür besteht indes kein Anlaß. Der<br />
Vertrag kann auch als einheitlicher Schuldvertrag Bestand haben. Er ist dann ein<br />
Dauerschuldverhältnis sui generis, der dem Leihvertrag ähnelt und sich von ihm nur darin<br />
unterscheidet, daß nicht die Gebrauchsüberlassung einer Sache, sondern die Fruchtziehung<br />
geschuldet ist, die ebenfalls zu den Nutzungen gehört. Mit Beachtung diesen Unterschiedes<br />
dürften die Vorschriften über die Leihe (§§ 598 ff. BGB) auf den Vertrag am ehesten passen.<br />
Da der Vertrag auf best<strong>im</strong>mte Zeit (nämlich: Lebenszeit) geschlossen ist, gilt für die<br />
Kündigung des Vertrages demnach § 605 BGB. In Frage kommt hier allenfalls eine<br />
Kündigung nach § 605 Nr. 1 BGB. Es ist daher zu prüfen, ob die Umwandlung in Bauland ein<br />
„unverhergesehener Umstand“ ist, aufgrunddessen Bauer Steiner nunmehr seiner Wiese<br />
(durch das Fruchtziehungsrecht unbelastet) „bedarf“. Die Umwandlung in Bauland hat weder<br />
Bauer Steiner noch Willi Berthold tatsächlich vorhergesehen. Es ist aber nicht zu sehen, daß<br />
Bauer Steiner der Wiese (ohne die Belastung mit dem Fruchtziehungsrecht) deswegen auch<br />
„bedarf“. Nur weil sie Bauland geworden ist, besteht für ihn kein zwingender Grund, sie zu<br />
verkaufen oder einer anderen Nutzung zuzuführen.<br />
Eine Kündigung nach § 314 BGB scheitert daran, daß § 605 BGB hierzu lex specialis ist.<br />
Bauer Steiner könnte gegen Willi Berthold jedoch einen Anspruch auf Anpassung des<br />
Vertrages aus § 313 I BGB haben.<br />
Dazu ist zunächst festzustellen, ob eine Störung der gemeinsamen Geschäftsgrundlage<br />
vorliegt (reales Element). Bei der Gewährung des Fruchtziehungsrechtes sind beide<br />
Vertragschließenden davon ausgegangen, daß die Nutzung des Grundstücks als Obstwiese<br />
auch weiterhin sinnvoll ist. Das ist sie nun - wirtschaftlich gesehen - nicht mehr, denn die -<br />
überraschenderweise mögliche - Vermarktung als Bauland ist ja bei weitem ertragreicher.<br />
Es ist zweitens zu fragen, ob Bauer Steiner den Vertrag so abgeschlossen hätte, wenn<br />
er die Umwandlung in Bauland vorhergesehen hätte (hypothetisches Element). Das kann man<br />
mit Sicherheit verneinen.<br />
Es ist schließlich festzustellen, ob Willi Berthold sich schon bei Vertragschluß<br />
redlicherweise hätte darauf einlassen müssen, eine Regelung für den Fall zu treffen, daß<br />
dergleichen geschieht (wertendes Element). Das wird man - vor allem auch auf dem<br />
Hintergrund der Unentgeltlichkeit des Vertrages - bejahen können. Auf die Blockade einer<br />
Umwandlung in Bauland für einen Ertrag von nur € 300 <strong>im</strong> Jahr hätte er redlicherweise nicht<br />
bestanden.<br />
Bauer Steiner hat daher Anspruch auf Anpassung des Vertrages, vernünftigerweise<br />
wohl dahin, daß das Fruchtziehungsrecht in ein Leibrentenversprechen (§ 759 BGB) von<br />
€ 300 pro Jahr umgewandelt wird.<br />
Da eine Vertragsanpassung möglich ist, kommt eine Kündigung nach § 313 Abs. 3 Satz 2<br />
BGB nicht in Frage.
<strong>Übung</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> <strong>Bürgerlichen</strong> <strong>Recht</strong><br />
Fall 9 - Familienzwist (9. Juli 2010)<br />
Fall<br />
Im August 2005 erwarben die Eheleute Franz und Bruni Maier von der Mutter der Ehefrau,<br />
Mathilde Köhler, aufgrund eines notariellen Kaufvertrages gemeinsam das Eigentum an dem<br />
Hausgrundstück Wilhelmstr. 37 in Georgenstadt. Sie wurden – entsprechend der Auflassung<br />
und Eintragungsbewilligung – als Miteigentümer zu je ½ ins Grundbuch eingetragen.<br />
Dem Vertrag ging die Absprache voraus, daß das Haus aufgrund der familiären<br />
Verbundenheit der Vertragsparteien zu ¾ des Verkehrswertes verkauft werden sollte. Franz<br />
Maier legte seiner Schwiegermutter ein angebliches Verkehrswertgutachten des<br />
Grundstückssachverständigen Theodor Schübel vor, das zu dem Ergebnis kam, daß das<br />
Grundstück einen Verkehrswert von € 400.000 habe. Tatsächlich war das Grundstück<br />
wesentlich mehr wert. Das Wertgutachten hatte Franz Maier selbst erstellt und Stempel samt<br />
Unterschrift des Sachverständigen gefälscht. Sowohl Mathilde Köhler als auch Bruni Maier<br />
wußten dies nicht, hätten es aber bei Aufbietung der <strong>im</strong> Verkehr erforderlichen Sorgfalt<br />
erkennen können.<br />
Im September 2007 schlossen die Eheleute Franz und Bruni Maier einen mit<br />
„Scheidungsfolgenvereinbarung“ überschriebenen notariellen Vertrag, indem Franz Maier<br />
„zur Abgeltung aller bestehenden Ansprüche auf Zugewinnausgleich“ seinen hälftigen<br />
Miteigentumsanteil an der Wilhelmstr. 37 auf Bruni Maier übertrug. Bruni Maier wurde<br />
aufgrunddessen als Alleineigentümerin des Grundstücks <strong>im</strong> Grundbuch eingetragen.<br />
Im Januar 2009 erfuhr Mathilde Köhler, daß das Wertgutachten gefälscht war. Da sie<br />
sich inzwischen sowohl mit ihrem Schwiegersohn als auch mit ihrer Tochter überworfen<br />
hatte, beauftragte sie einen <strong>Recht</strong>sanwalt mit der Geltendmachung ihrer <strong>Recht</strong>e. Dieser focht<br />
– nach einigen vergeblichen Versuchen zur gütlichen Einigung – am 3. November 2009 mit<br />
einem an beide Eheleute gerichteten Schreiben sowohl den Kauftrag als auch die dingliche<br />
Einigung über den Erwerb des Grundstücks vom August 2005 an.<br />
Mit notariellem Vertrag vom Februar 2010 schenkte und übereignete Bruni Maier die<br />
Wilhelmstr. 37 ihrer 12jährigen Tochter Luise Maier, die hierbei selbst handelte. Luise Maier<br />
wurde <strong>im</strong> Mai 2010 als Eigentümerin eingetragen.<br />
Frage<br />
Welche Ansprüche stehen Mathilde Köhler gegen Luise Maier zu?
Lösungsskizze<br />
Anspruch auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB)<br />
In Frage kommt zunächst ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der<br />
Eintragung von Luise Maier als Eigentümerin gemäß § 894 BGB. Dazu müßte das Grundbuch<br />
in diesem Punkt zuungunsten von Mathilde Köhler unrichtig sein, da sie in Wirklichkeit selbst<br />
Eigentümerin ist.<br />
Ursprünglich war Mathilde Köhler Eigentümerin des Grundstücks. Sie kann das Eigentum<br />
durch Übereignung nach § 873 BGB <strong>im</strong> August 2005 an Franz und Bruni Maier verloren<br />
haben. Das setzt Einigung und Eintragung ins Grundbuch voraus. Die Eintragung ins<br />
Grundbuch ist erfolgt. Eine dingliche Einigung in der durch § 925 BGB vorgeschriebenen<br />
Form hat laut Sachverhalt ebenfalls stattgefunden.<br />
Die Einigung könnte aber durch Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang<br />
an nichtig zu behandeln sein.<br />
Wegen der von Franz Maier erworbenen Hälfte kann Mathilde Köhler ein<br />
Anfechtungsrecht aus § 123 Abs. 1 BGB zugestanden haben. Sie müßte dazu zur Übertragung<br />
des Eigentums durch arglistige Täuschung best<strong>im</strong>mt worden sein. Die Vorlage eines<br />
gefälschten Verkehrswertgutachtens stellt eine Täuschung dar. Arglist, was hier nur Vorsatz<br />
bedeutet, lag bei Franz Maier ebenfalls vor. Fest steht auch, daß Mathilde Köhler das<br />
Grundstück zu diesem Preis nicht verkauft und dann folglich auch nicht übereignet hätte,<br />
wäre sie nicht getäuscht worden. Ob sie es dann womöglich zu einem anderen Preis doch<br />
übereignet hätte, ist hier nicht relevant, da das als nur hypothetische Reserveursache die<br />
Kausalität nicht ausschließt.<br />
Wegen der an Bruni Maier veräußerten Hälfte kommt es darauf an, ob ihr die<br />
Täuschung des Franz Maier zugerechnet werden kann. Das ist <strong>im</strong> Umkehrschluß aus § 123<br />
Abs. 2 BGB ohne weiteres anzunehmen, wenn sie keine „Dritte“ <strong>im</strong> Sinne von § 123 Abs. 2<br />
BGB ist. Unter einem „Dritten“ versteht man jemanden, der an dem fraglichen Geschäft nicht<br />
beteiligt ist. Da Bruni Maier aber auf der gleichen Seite wie der Täuschende – nämlich der<br />
Käuferseite – an dem dem Eigentumserwerb zugrundeliegenden Kausalgeschäft beteiligt war,<br />
wird man sie hier nicht als Dritte betrachten können. Die Täuschung des Franz Maier ist ihr<br />
daher ohne weiteres zuzurechnen. (Auch wer das nicht so sieht, muß über § 123 Abs. 2 Satz 1<br />
BGB zum selben Ergebnis kommen, da sie laut Sachverhalt die Täuschung des Franz Maier<br />
nur aufgrund von Fahrlässigkeit nicht kannte.)<br />
Eine Anfechtungserklärung ist gegenüber beiden Erwerbern erfolgt. Die Frist des §<br />
124 Abs. 1 BGB ist gewahrt worden.<br />
Mathilde Köhler hat das Eigentum daher nicht durch die Vereinbarung vom August<br />
2005 verloren.<br />
Mathilde Köhler könnte jedoch das Eigentum an einem halben Miteigentumsanteil dadurch<br />
verloren haben, daß Bruni Maier diesen <strong>im</strong> November 2007 von Franz Maier als<br />
Nichtberechtigtem gutgläubig gemäß §§ 873, 892 Abs. 1 Satz 1 BGB erwarb.<br />
Franz und Bruni Maier haben sich in der nach § 925 BGB vorgeschriebenen Form über den<br />
Eigentumsübergang geeinigt und Bruni Maier ist auch als Erwerberin ins Grundbuch<br />
eingetragen worden. Ein Eigentumserwerb nach § 873 Abs. BGB hat demnach stattgefunden.<br />
Franz hat als Nichtberechtigter verfügt, denn wie oben ausgeführt, ist er wegen der<br />
Rückwirkung der Anfechtung zum Zeitpunkt der Übereignung nicht als Eigentümer<br />
anzusehen.<br />
Franz war jedoch als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Dies gilt gemäß § 892<br />
Abs. 1 BGB Bruni als Erwerberin gegenüber als richtig, wenn sie insofern gutgläubig war.
Es müßte sich dazu allerdings überhaupt um ein Verkehrsgeschäft gehandelt haben.<br />
Dagegen spricht, daß Bruni hierdurch nicht überhaupt erst Eigentum an dem Grundstück<br />
erworben hat, sondern sich nur ihr Anteil an dem Grundstückseigentum erhöhte. Andererseits<br />
aber behandelt das Gesetz den Miteigentumsanteil an einem Grundstück nun einmal als<br />
selbständig verkehrsfähiges, eigenständiges dingliches <strong>Recht</strong>, so daß es keinen<br />
grundsätzlichen Unterschied machen kann, ob der Miteigentumsanteil von einem anderen<br />
Miteigentümer oder einem Außenstehenden erworben wird. In Frage kommt allenfalls eine<br />
einschränkende Auslegung dahin, daß es sich dann nicht um ein Verkehrsgeschäft handelt,<br />
wenn scheinbares Eigentum an einen Miteigentümer veräußert wird, der seinerseits – und<br />
zwar aus demselben Grund – nur scheinbar Eigentum erworben hat, weil sonst durch<br />
wechselseitiges Übereignen der entsprechenden Anteile der Mangel überwunden werden<br />
könnte. Indessen trägt auch diese Überlegung nicht, denn wenn dergleichen absichtlich<br />
geschehen sollte, würde es ja schon an der fehlenden Gutgläubigkeit scheitern. Wenn es aber<br />
ohne böse Absicht geschieht, besteht kein Grund, den Scheinmiteigentümer schlechter zu<br />
stellen als einen wirklichen Miteigentümer oder einen Außenstehenden. Daher ist von einem<br />
Vekehrsgeschäft auszugehen.<br />
Gutgläubig i.S.v. § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB war Bruni Maier, wenn ihr die<br />
Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht bekannt war. Wegen § 142 Abs. 2 BGB würde auch<br />
Kenntnis vom Anfechtungsgrund genügen. Indessen kannte sie diesen nicht positiv, war also<br />
gutgläubig.<br />
Mathilde Köhler hat daher einen Miteigentumsanteil von ½ durch gutgläubigen<br />
Erwerb vom Nichtberechtigten an Bruni Maier verloren.<br />
Mathilde Köhler könnte den anderen halben Miteigentumsanteil dadurch verloren haben, daß<br />
ihn Luise Maier gemäß §§ 873 Abs. 1, 892 Abs. 1 BGB <strong>im</strong> Februar 2010 gutgläubig von<br />
Bruni Maier erworben hat.<br />
Das setzt zunächst Erfüllung des Erwerbstatbestandes des § 873 Abs. 1 BGB voraus.<br />
Die Eintragung von Luise Maier <strong>im</strong> Grundbuch ist erfolgt. Eine dingliche Einigung ist in der<br />
durch § 925 BGB vorgeschriebenen Form erklärt worden.<br />
Die Einigung könnte allerdings nach § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam sein,<br />
wenn Luise Maier dazu als Minderjährige nach § 107 BGB die Zust<strong>im</strong>mung ihres<br />
gesetzlichen Vertreters benötigte. Das ist der Fall, wenn das Gesetz nicht ausschließlich<br />
rechtlich vorteilhaft war.<br />
Der Eigentumserwerb ist abstrakt betrachtet ein ausschließlich rechtlich vorteilhaftes<br />
Geschäft. Be<strong>im</strong> Grundstückserwerb ist das anders, wenn auf dem Grundstück Lasten liegen,<br />
für die der Erwerber mit seinem persönlichen Vermögen – und nicht etwa nur mit dem<br />
Grundstück – haftet. Darüber sagt der Sachverhalt hier nichts, so daß es nicht anzunehmen ist.<br />
Die mit dem Grundstückserwerb stets verbundenen öffentlichen Lasten (Grundsteuer,<br />
Grunderwerbsteuer, Erschließungsbeiträge usw.) sollen nicht ausreichen, da sie den<br />
Grundstückswert <strong>im</strong> Regelfall nicht aufzehren können, was <strong>im</strong> Hinblick auf eine denkbare<br />
Pflicht zur Altlastensanierung zumindest überdenkenswert ist. <strong>Recht</strong>sprechung und h.M.<br />
jedoch bleiben dabei, daß dies irrelevant ist.<br />
Luise Maier konnte daher an dem Erwerb gemäß § 107 BGB ohne Zust<strong>im</strong>mung ihres<br />
gesetzlichen Vertreters mitwirken.<br />
Bruni Maier müßte als Nichtberechtigte verfügt haben. Sie hat über das ganze<br />
Grundstück verfügt. Darin steckt die Verfügung über beide ideellen Grundstückshälften.<br />
Hinsichtlich einer dieser Hälften war sie – wie oben geprüft – Berechtigte. Über den anderen<br />
halben Anteil hat sie als Nichtberechtigte verfügt.<br />
Auch ein Verkehrsgeschäft liegt vor, da der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für eine<br />
Treuhandvereinbarung zwischen Luise Maier und ihrer Mutter gibt, sie das Grundstück<br />
vielmehr geschenkt bekommen sollte.
Luise Maier dürfte außerdem nach §§ 892 Abs. 1, 142 Abs. 2 BGB die Anfechtbarkeit<br />
des Grundstückserwerbs vom August 2005 nicht gekannt haben. Ihr selbst war sie sicher nicht<br />
bekannt. Zu prüfen bleibt, ob ihr das Wissen ihrer Mutter wegen § 166 Abs. 1 BGB<br />
zugerechnet wird. Da sie den Vertrag indessen ohne Mitwirkung ihrer Mutter selbst schließen<br />
konnte, war kein Vertreter an dem Geschäft beteiligt, so daß es alleine auf Luises Wissen<br />
ankam.<br />
Luise war folglich auch gutgläubig. Mathilde Köhler hat auch das Eigentum an der<br />
anderen Grundstückshälfte durch gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten nach §§ 873<br />
Abs. 1, 892 Abs. 1 BGB verloren.<br />
Mathilde Köhler kann von Luise Maier keine Berichtigung des Grundbuchs verlangen.<br />
Anspruch auf Rückübereigung aus § 816 Abs. 1 S. 2 BGB<br />
Mathilde Köhler kaus ein Anspruch gegen Luise Maier auf Rückübertragung des Eigentums<br />
an dem Grundstück aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zustehen.<br />
Luise Maier hat – wie oben geprüft – einen Miteigentumsanteil von ½ an dem<br />
Grundstück durch gutgläubigen Erwerb wirksam von der nichtberechtigten Bruni Maier<br />
erworben.<br />
Sie hat den Anteil laut Sachverhalt geschenkt bekommen, demnach unentgeltlich<br />
erworben.<br />
Luise Maier ist nach §§ 816 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Übertragung eines<br />
Miteigentumsanteils von ½ an Mathilde Köhler verpflichtet.<br />
Anspruch auf Rückübereignung aus §§ 822, 816 Abs. 1 S. 2 BGB<br />
Mathilde Köhler könnte ein Anspruch gegen Luise Maier auf Rückübertragung auch des<br />
anderen halben Miteigentumsanteils aus § 822 BGB zustehen.<br />
Dazu müßte Mathilde Köhler wegen dieses anderen Miteigentumsanteils ein<br />
Bereicherungsanspruch gegen Bruni Maier zugestanden haben, den diese nun wegen<br />
Entreicherung nicht mehr erfüllen muß.<br />
Ein solcher Anspruch gegen Bruni Maier kann sich wiederum aus § 816 Abs. 1 Satz 2<br />
BGB ergeben. Bruni Maier hat den anderen halben Miteigentumsanteil – wie oben geprüft –<br />
gutgläubig von Franz Maier als Nichtberechtigtem wirksam erworben.<br />
Sie müßte ihn aber zudem unentgeltlich erworben. Nach dem Sachverhalt war<br />
<strong>Recht</strong>sgrundlage der Übereignung eine Einigung über den Zugewinnausgleich, der dadurch<br />
abgegolten sein sollte, mithin ein Vergleich i.S.v. § 779 BGB. Das ist ein entgeltliches<br />
Geschäft. Bruni Maiers Gegenleistung bestand in dem Verzicht auf<br />
Zugewinnausgleichsansprüche.<br />
Bruni Maier hatte den anderen Miteigentumsanteil demnach entgeltlich erworben. Ein<br />
Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB bestand folglich zu keiner Zeit. Ein Anspruch aus<br />
Luise Maier auf Rückübertragung auch der anderen Grundstückshälfte aus § 822 BGB<br />
scheidet demnach aus.
<strong>Übung</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> <strong>Bürgerlichen</strong> <strong>Recht</strong><br />
Fall 10 – Verleih dein Fahrrad nicht! (16. Juli 2010)<br />
Der 16jährige E möchte übers Wochenende mobil sein, sein Fahrrad ist aber kaputt. Daher<br />
bitte er seinen Freund, den 18jährigen V, ihm dessen Fahrrad zur Verfügung zu stellen. V<br />
übergibt ihm das Fahrrad. Beide vereinbaren Rückgabe am Montagmorgen.<br />
Am Samstagabend geht E aber das Geld aus. Kurzerhand beschließt er, V’s Fahrrad zu<br />
Geld zu machen. Er verkauft und übereignet es daher dem leichtgläubigen K, der weder<br />
erkennen kann, daß E noch minderjährig ist, noch, daß das Fahrrad ihm nicht gehört. K zahlt<br />
sofort in bar und n<strong>im</strong>mt das Fahrrad mit. Dem geschäftstüchtigen E ist es gelungen, € 600 für<br />
das Fahrrad zu erlösen, obwohl es zu dieser Zeit objektiv nur einen Wert von € 400 hatte.<br />
Fragen<br />
1. Kann V von K Herausgabe des Fahrrades verlangen?<br />
2. Welche Ansprüche hat V gegen E?
Lösung zu Aufgabe 10<br />
Frage 1<br />
In Frage kommt ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB. K ist Besitzer des Fahrrades. V ist<br />
Eigentümer des Fahrrades gewesen. Er kann es jedoch durch Übereignung an K verloren<br />
haben. Da nicht er, sondern E es übereignet hat, kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom<br />
Nichtberechtigten nach §§ 929 Satz 1, 932 BGB in Frage. Das setzt Einigung mit dem<br />
Nichtberechtigten, Übergabe und guten Glauben des K voraus.<br />
K hat sich mit E, der nicht Eigentümer des Fahrrades war, über den<br />
Eigentumsübergang geeinigt. Die Einigung könnte jedoch nach § 108 Abs. 1 BGB unwirksam<br />
sein. Das ist der Fall, wenn E nach § 107 BGB die Einwilligung seiner Eltern für die dingliche<br />
Einigung benötigte. E war gemäß § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig. Er benötigte die<br />
Einwilligung seiner Eltern allerdings nicht, wenn das Geschäft für ihn ausschließlich rechtlich<br />
vorteilhaft war. Wegen des Trennungsprinzips ist hierfür das dingliche Geschäft losgelöst<br />
vom schuldrechtlichen Kausalgeschäft zu betrachten. Die Wirksamkeit des dinglichen<br />
Geschäfts unterstellt, ist es für E weder vorteilhaft, noch nachteilig, da er dadurch weder ein<br />
<strong>Recht</strong> gewinnt, noch eines verliert. Für solche „neutralen“ Geschäfte greift die Einschränkung<br />
in § 107 BGB ihrem Wortlaut nach zwar nicht. Da der Zweck des § 107 BGB aber nur in dem<br />
Schutz des Minderjährigen vor Nachteilen besteht, ist die Norm insofern teleologisch zu<br />
reduzieren: Die Einwilligung der Eltern ist nur erforderlich, wenn der Minderjährige aus dem<br />
Geschäft einen Nachteil erleidet. E benötigte die Einwilligung seiner Eltern folglich nicht. Die<br />
dingliche Einigung ist wirksam.<br />
Die Übergabe ist ebenfalls erfolgt.<br />
K war nach § 932 Abs. 2 BGB nicht in gutem Glauben, wenn er wußte oder grob<br />
fahrlässig nicht wußte, daß das Fahrrad E nicht gehörte. Dafür gibt es <strong>im</strong> Sachverhalt keine<br />
Anhaltspunkte.<br />
Es fragt sich allerdings, ob das Ergebnis nicht wegen eines Wertungswiderspruchs <strong>im</strong><br />
Wege der <strong>Recht</strong>sfortbildung zu korrigieren ist. Wäre E tatsächlich Eigentümer des Fahrrades<br />
gewesen, wäre die Veräußerung wegen §§ 107, 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam<br />
gewesen, da das Geschäft für E dann einen <strong>Recht</strong>sverlust, mithin einen <strong>Recht</strong>snachteil mit<br />
sich gebracht hätte. Es ist daher zu überlegen, ob § 932 BGB tatsächlich den gutgläubigen<br />
Erwerb vom Nichtberechtigten auch dann zulassen will, wenn unter den gegebenen<br />
Umständen ein Erwerb vom Berechtigten gar nicht möglich gewesen wäre. Hierbei dürfte es<br />
aber auf den Zweck der Verfügungsbeschränkung ankommen, dem der Berechtigte unterlag.<br />
Die aus §§ 106 ff. BGB folgenden Beschränken dienen dem ausschließlichen Zweck, den<br />
Minderjährigen vor selbstschädigenden Handlungen zu schützen. Dieser Zweck verlangt<br />
einen Ausschluß des § 932 BGB nicht. Ob sie wenigstens seine Einschränkung dahin<br />
verlangt, daß der gute Glaube sich auch auf die Volljährigkeit des Veräußerers beziehen muß,<br />
kann hier dahinstehen, da K auch insoweit gutgläubig war.<br />
K hat daher das Eigentum an dem Fahrrad erworben. V hat keinen<br />
Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.<br />
Frage 2<br />
Vertragliche Ansprüche<br />
In Frage kommt hier zunächst ein Anspruch auf Rückgabe der Leihsache aus Leihvertrag (§<br />
604 Abs. 1 BGB).<br />
Das setzt voraus, daß zwischen V und E ein wirksamer Leihvertrag<br />
zustandegekommen ist. V und E haben sich darauf geeinigt, daß E das Fahrrad übers<br />
Wochenende unentgeltlich benutzen darf und am Montagmorgen zurückgibt. Das entspricht
der Definition der Leihe in § 598 BGB. In Anbetracht des Wertes des Fahrrads ist von einem<br />
<strong>Recht</strong>sbindungswillen auszugehen.<br />
Der Leihvertrag kann aber nach § 108 Abs. 1 BGB unwirksam sein, wenn E zu seinem<br />
Abschluß nach § 107 BGB der Einwilligung seiner Eltern bedurfte. Da der Entleiher<br />
vertraglich die Verpflichtung zur Rückgabe der Leihsache übern<strong>im</strong>mt, ist der Leihvertrag für<br />
ihn nicht ausschließlich rechtlich vorteilhaft. E benötigte die Einwilligung seiner Eltern. Der<br />
Leihvertrag ist nach § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam. Wenn seine Eltern ihn nicht<br />
genehmigen, hat V keinen Anspruch auf Rückgabe der Leihsache aus § 604 Abs. 1 BGB.<br />
Wenn die Eltern den Leihvertrag genehmigen, kann dem Anspruch § 275 Abs. 1 BGB<br />
entgegenstehen. Das setzt voraus, daß dem E die Rückgabe des Fahrrades unmöglich ist. Die<br />
Rückgabe ist ihm momentan nicht möglich, da er das Fahrrad nicht mehr <strong>im</strong> Besitz hat. Das<br />
genügt für § 275 Abs. 1 BGB zwar nicht, da den Schuldner die Pflicht trifft, die Möglichkeit<br />
zur Leistung herbeizuführen, wenn er hierzu in der Lage ist. Hier kommt aber hinzu, daß V<br />
inzwischen außerdem das Eigentum an dem Fahrrad verloren hat. Mit der schlichten<br />
Rückgabe ist ihm folglich gar nicht gedient. E müßte auch in der Lage sein, ihm das Eigentum<br />
wieder zu verschaffen. So weit reicht die Verpflichtung aber gar nicht, die er mit dem<br />
Leihvertrag übernommen hat. Deshalb ist hier von Unmöglichkeit auszugehen. E ist von der<br />
Rückgabepflicht daher auch frei, wenn die Eltern den Leihvertrag genehmigen.<br />
V kann gegen E einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB<br />
haben.<br />
Das setzt zunächst ein Schuldverhältnis voraus, das in dem Leihvertrag bestehen kann.<br />
Wie oben schon gezeigt, besteht dieser nur, wenn die Eltern des E ihn genehmigen.<br />
E muß eine Pflicht aus dem Leihvertrag verletzt haben. Die Pflichtverletzung könnte<br />
zunächst in der Nichtrückgabe des Fahrrades entgegen § 604 Abs. 1 BGB gesehen werden.<br />
Indessen entgeht dem V dadurch nur der Besitz an dem Fahrrad. Der entscheidende<br />
<strong>Recht</strong>sverlust liegt für ihn darin, daß er auch das Eigentum daran verloren hat. Vollen<br />
Schadensersatz für das Fahrrad kann er daher nur als Schadensersatz neben der Leistung<br />
verlangen. Aus § 241 Abs. 2 BGB folgte die Pflicht des E, die <strong>Recht</strong>sgüter des V zu<br />
bewahren. Hiergegen hat er mit der Veräußerung des Fahrrades an K verstoßen.<br />
E muß dies zu vertreten haben (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Er hat vorsätzlich<br />
gehandelt. Nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuldner Vorsatz grundsätzlich zu<br />
vertreten. Bei Minderjährigen ist nach §§ 276 Abs. 1 Satz 2, 828 Abs. 3 BGB zusätzlich<br />
erforderlich, daß sie die Reife hatten, ihre Verantwortlichkeit zu erkennen. Davon ist<br />
auszugehen. Mit 16 Jahren weiß man, daß man geliehene Sachen nicht veräußern darf.<br />
Durch die Veräußerung des Fahrrades an K hat V das Eigentum endgültig verloren. E<br />
muß damit den vollen Wert des Fahrrades ersetzen (§ 251 Abs. 1 BGB). K hat daher gegen E<br />
einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von € 400, wenn die Eltern des E den Leihvertrag<br />
genehmigen.<br />
Wenn die Eltern des E den Leihvertrag nicht genehmigen, kommt ein Schadensersatzanspruch<br />
aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB in Frage.<br />
E und V haben zwar Vertragsverhandlungen aufgenommen. Doch ist auch ein<br />
Schuldverhältnis i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB für den E mit der Begründung von Pflichten<br />
verbunden, so daß es ohne Einwilligung seiner Eltern nicht zustandekommen kann. Hierfür<br />
spricht auch, daß der Minderjährigenschutz aus §§ 106 ff. BGB weitgehend entwertet würde,<br />
könnte der Minderjährige aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB für sein<br />
eigenes Handeln haftbar gemacht werden. E schuldet daher keinen Schadensersatz aus §§ 280<br />
Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Ansprüche aus unerlaubter Handlung<br />
V kann gegen E ferner ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB zustehen. Das<br />
setzt jedoch zunächst voraus, daß solche Ansprüche nicht wegen § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB<br />
ausgeschlossen sind.<br />
Deshalb ist zunächst zu prüfen, ob <strong>im</strong> Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrrades V<br />
gegen E ein Anspruch auf Herausgabe des Fahrrades aus § 985 BGB zustand. Daß V zu dieser<br />
Zeit Eigentümer, E Besitzer des Fahrrades war, steht außer Frage. E kann gegenüber V jedoch<br />
ein <strong>Recht</strong> zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB aus dem Leihvertrag zugestanden haben.<br />
Wie oben schon geprüft, ist der Leihvertrag schwebend unwirksam. Soweit die Eltern<br />
ihn nachträglich genehmigen, wirkt das gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des<br />
Vertragschlusses zurück. E war dann zur Zeit der Veräußerung zum Besitz berechtigt. Die §§<br />
987 ff. BGB sind unanwendbar, § 823 Abs. 1 BGB findet Anwendung.<br />
Genehmigen die Eltern den Leihvertrag nicht, ergab sich für E dagegen kein <strong>Recht</strong><br />
zum Besitz gegenüber V. Dann ist § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB anwendbar.<br />
§ 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB schließt Schadensersatzansprüche gegen den redlichen<br />
unverklagten Besitzer aus. E hatte das Fahrrad geliehen. Ob er wußte, daß er das ohne<br />
Einwilligung seiner Eltern nicht wirksam war, ist unklar. Es kommt hierauf aber nicht an,<br />
wenn der Minderjährige schon aus <strong>Recht</strong>sgründen nicht als unredlicher Besitzer angesehen<br />
werden kann. Würde man annehmen, das er als unredlicher Besitzer angesehen werden kann,<br />
weil er die Unwirksamkeit von ihm selbst abgeschlossener Geschäfte kennt, würde das dazu<br />
führen, daß ein Minderjähriger schärfer als ein Volljähriger haftet. Das ist mit dem<br />
Minderjährigenschutz nicht vereinbar. Daher ist ein Minderjähriger nicht allein deshalb<br />
unredlich, weil er die schwebende Unwirksamkeit des von ihm abgeschlossenen<br />
Besitzmittlungsverhältnisses kannte. Er ist damit redlicher, unverklagter Besitzer.<br />
Indessen ist das Ergebnis unbefriedigend, so daß seine Korrektur <strong>im</strong> Wege der<br />
<strong>Recht</strong>sfortbildung erwogen werden muß. Wenn – wie hier – die vermeintliche Besitzposition<br />
des Besitzers nur die eines Fremdbesitzers ist, sollte er entsprechend § 991 Abs. 2 BGB für<br />
diejenigen Handlungen nach den allgemeinen Vorschriften haften, zu denen er als<br />
Fremdbesitzer gar nicht berechtigt war (sog. Fremdbesitzerexzeß). § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB<br />
ist entsprechend teleologisch zu reduzieren. Da der Entleiher einer Sache zu deren<br />
Veräußerung nicht berechtigt ist, liegt ein Fall des Fremdbesitzerexzesses hier vor. § 823 Abs.<br />
1 BGB ist auch dann anwendbar, wenn die Eltern den Leihvertrag nicht genehmigen.<br />
E hat durch die Veräußerung widerrechtlich das Eigentum des V an dem Fahrrad<br />
verletzt. Er hat vorsätzlich gehandelt. Seine Verantwortlichkeit i.S.v. § 828 Abs. 3 BGB ist<br />
schon geprüft worden. Er schuldet daher Ersatz des daraus entstandenen Schadens von € 400<br />
daher auch aus § 823 Abs. 1 BGB.<br />
E hat durch die Veräußerung zudem eine Unterschlagung i.S.v. § 246 StGB begangen. Er<br />
schuldet dem V daher auch Ersatz des Schadens auch aus § 823 Abs. 2 BGB.<br />
Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag<br />
In Frage kommt ferner ein Anspruch auf Herausgabe des durch den Verkauf Erlangten aus §§<br />
687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB.<br />
Der Verkauf einer Sache ist objektiv ein Geschäft des Eigentümers. Da E nicht<br />
Eigentümer des Fahrrades war, handelte es sich folglich um ein für ihn fremdes Geschäft. Er<br />
hat das Fahrrad des V für eigene Zwecke verkauft, um den Erlös für sich zu verwenden, das<br />
Geschäft also mit ausschließlichem Eigengeschäftsführungswillen vorgenommen. Da er dabei<br />
auch wußte, daß es sich nicht um sein Fahrrad, folglich um ein objektiv fremdes Geschäft<br />
handelte, liegen die Voraussetzungen des § 687 Abs. 2 BGB vor.<br />
Nach §§ 687 Abs. 2, 681 Satz 2, 667 BGB kann V von E daher Herausgabe desjenigen<br />
erlangen, was E aus der Geschäftsführung erlangt hat. Das könnten die € 600 sein, die K für<br />
das Fahrrad bezahlt hat.
Der Anspruch ist aber nach §§ 687 Abs. 2, 682 BGB durch die Minderjährigkeit des E<br />
zum Zeitpunkt der Geschäftsführung ausgeschlossen.<br />
Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung<br />
V kann gegen E außerdem einen Anspruch aus § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Herausgabe des<br />
durch die Veräußerung des Fahrrades Erlangten haben.<br />
Wie oben (Frage 1) schon geprüft, hat E als Nichtberechtigter wirksam über das<br />
Eigentum an dem Fahrrad des V verfügt. Die Voraussetzungen des § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB<br />
liegen demnach vor. E muß herausgeben, was er aus der Veräußerung erlangt hat. Das<br />
könnten die € 600 sein, die K für das Fahrrad bezahlt hat.<br />
Bereichert ist K allerdings nur um das, was endgültig in sein Vermögen übergegangen<br />
ist. E muß die € 600 daher nicht an V herausgeben, wenn er sie dem K zurückgeben muß.<br />
Hierzu könnte er aufgrund von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verpflichtet sein. Er müßte sie<br />
dafür durch Leistung des K ohne <strong>Recht</strong>sgrund erlangt haben.<br />
K hat E die € 600 zu dem Zweck gegeben, seine Verpflichtung aus dem mit E<br />
abgeschlossenen Kaufvertrag über das Fahrrad zu erfüllen. E hat sie somit durch Leistung des<br />
K erlangt.<br />
Als <strong>Recht</strong>sgrund für die Leistung kommt der Kaufvertrag zwischen E und K in Frage.<br />
Einen solchen haben sie laut Sachverhalt geschlossen. Indessen kann der Wirksamkeit des<br />
Kaufvertrages § 108 Abs. 1 BGB entgegenstehen, wenn E zu seinem Abschluß die<br />
Einwilligung seiner Eltern benötigte. Da E mit dem Kaufvertrag die Verpflichtung übernahm,<br />
das Fahrrad des V an K zu übereignen und zu übergeben, war der Kaufvertrag für ihn nicht<br />
ausschließlich rechtlich vorteilhaft. Seine Wirksamkeit hängt daher von der Genehmigung<br />
seiner Eltern ab. Genehmigen sie ihn, hat er die € 600 mit <strong>Recht</strong>sgrund erlangt und muß sie an<br />
V herausgeben. Genehmigen sie ihn nicht, hat er die € 600 ohne <strong>Recht</strong>sgrund erlangt und muß<br />
sie dem K zurückgeben, so daß V sie nicht von ihm verlangen kann.<br />
Genehmigen die Eltern des E den Kaufvertrag mit K nicht, kann E jedoch aus dem –<br />
dann nichtigen – Verkauf ebenfalls etwas erlangt haben, nämlich einen Anspruch auf<br />
Rückübereignung und Rückgabe des Fahrrades aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen K.<br />
E hat das Fahrrad zum Zwecke der Erfüllung des Kaufvertrags übergeben und<br />
übereignet. K hat demnach Besitz und Eigentum daran durch Leistung des E erlangt. Daß das<br />
– bei unterstellter Nichtgenehmigung – ohne <strong>Recht</strong>sgrund erfolgt ist, ist schon dargelegt<br />
worden. E hat demnach einen Anspruch auf Übereignung und Herausgabe des Fahrrades aus<br />
§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB erlangt. Diesen Anspruch muß er nach § 816 Abs. 1 Satz 1<br />
BGB an V herausgeben, also abtreten (Kondiktion der Kondiktion).<br />
Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB kommt neben demjenigen aus § 816 Abs. 1<br />
Satz 1 BGB wegen dessen Spezialität nicht in Frage.<br />
Zusammenfassung der Ergebnisse:<br />
1) Genehmigen E’s Eltern den Leihvertrag, kann V von E Schadensersatz in Höhe von €<br />
400 aus § 280 I BGB verlangen.<br />
2) Genehmigen E’s Eltern den Kaufvertrag mit K, so kann V von E Zahlung von € 600<br />
aus § 816 I 1 BGB verlangen.<br />
3) Genehmigen E’s Eltern den Kaufvertrag mit K nicht, kann V von E aus § 816 I 1 BGB<br />
Abtretung des Anspruchs des E gegen K auf Herausgabe und Übereignung des<br />
Fahrrades aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB verlangen.
<strong>Übung</strong> <strong>II</strong> <strong>im</strong> <strong>Bürgerlichen</strong> <strong>Recht</strong><br />
Klausur Nr. 1 – Rasen ohne Reue (5. Juni 2010)<br />
Ausgangsfall<br />
Karl Bleifuß entdeckt be<strong>im</strong> E-Bay-Surfen das Angebot eines Radarwarngerätes. Da er so<br />
etwas <strong>im</strong>mer schon gerne in seinem Auto haben wollte, gibt er kurzerhand ein Gebot über €<br />
250 ab. Nach ihm gibt kein anderer ein höheres Gebot ab.<br />
Der Anbieter Franz Krummfeld, der einen Posten von etwa 50 dieser Geräte von<br />
seiner letzten Rußland-Reise für € 150 pro Stück mitgebracht hat und sie nun nach und nach<br />
verkauft, verschickt das Gerät, nachdem Karl Bleifuß die gebotenen € 250 überwiesen hat.<br />
Nach dem Auspacken stellt Karl Bleifuß fest, daß das Gerät häßlich ist und sein<br />
schickes Sportcoupé verschandeln würde. Er schickt es daher zurück und verlangt auch sein<br />
Geld wieder.<br />
Zu recht?<br />
Fallabwandlung<br />
Karl Bleifuß schließt das Gerät entsprechend der Bedienungsanleitung an. Leider ist diese<br />
fehlerhaft, so daß be<strong>im</strong> anschließenden Starten des Motors ein durch die fehlerhaften<br />
Anschlüsse hervorgerufener Kurzschluß die Fahrzeugelektronik zerstört. Karl Bleifuß<br />
verlangt von Franz Krummfeld die € 740, die ihn die Reparatur gekostet hat.<br />
Zu recht?<br />
Bearbeitungshinweis<br />
Sollten in Ihrer Lösung wesentliche rechtliche Aspekte des Falles nicht zur Sprache kommen,<br />
sind diese in einem Hilfsgutachten zu prüfen.<br />
Auszug aus der Straßenverkehrsordnung (StVO)<br />
§ 23 Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers<br />
...<br />
(1b) Dem Führer eines Kraftfahrzeuges ist es untersagt, ein technisches Gerät zu betreiben<br />
oder betriebsbereit mitzuführen, das dafür best<strong>im</strong>mt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen<br />
anzuzeigen oder zu stören. Das gilt insbesondere für Geräte zur Störung oder Anzeige von<br />
Geschwindigkeitsmessungen (Radarwarn- oder Laserstörgeräte).<br />
...
Lösungsvorschlag zur Klausur Nr. 1<br />
Ausgangsfall<br />
Ein Anspruch auf Rückzahlung der für das Radarwarngerät bezahlten € 250 kann Karl Bleifuß<br />
gegen Franz Krummfeld aus §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB zustehen. Voraussetzung<br />
hierfür ist, daß Karl Bleifuß ein Verbraucherwiderrufsrecht i.S.v. § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB<br />
zustand und er es form- und fristgerecht ausgeübt hat.<br />
Ein Verbraucherwiderrufsrecht kann Karl Bleifuß hier aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB<br />
zugestanden haben, wenn er mit Franz Krummfeld über das Radarwarngerät einen<br />
Fernabsatzvertrag i.S.v. § 312b BGB abgeschlossen hat. Das erfordert nach § 312b Abs. 1<br />
Satz 1 BGB, daß Karl Bleifuß Verbraucher, Franz Krummfeld Unternehmer ist, der Vertrag<br />
die Lieferung von Waren zum Gegenstand hat und unter ausschließlicher Verwendung von<br />
Fernkommunikationsmitteln zustandegekommen ist.<br />
Ein Vertrag kommt nach § 145 BGB durch Angebot und Annahme zustande. Ein<br />
Angebot des Franz Krummfeld kann darin liegen, daß er das Radarwarngerät auf E-Bay zur<br />
Internetversteigerung angeboten hat. Angebot zum Vertragschluß ist dies jedoch nur, wenn es<br />
hierfür best<strong>im</strong>mt genug war und Franz Krummfeld sich hierdurch binden wollte. Das ist aus<br />
Sicht eines objektiven Beobachters zu beurteilen. Wer an Internetversteigerungen teiln<strong>im</strong>mt,<br />
geht davon aus, daß er das angebotene Objekt gekauft hat, wenn er das höchste Gebot vor<br />
Ende der Versteigerung angeboten hat. Er n<strong>im</strong>mt folglich an, daß der Verkäufer sich schon<br />
durch das Einstellen des Gegenstandes zur Versteigerung binden will und sich nicht etwa die<br />
Annahme des höchsten Gebotes erst noch vorbehält. Von einem Bindungswillen des Franz<br />
Krummfeld ist demnach auszugehen. Das Angebot ist best<strong>im</strong>mt genug, wenn es hinsichtlich<br />
der Konditionen des Vertrages zumindest best<strong>im</strong>mbar ist. Das ist es zwar nicht, so lange die<br />
Versteigerung läuft. Sobald sie abgelaufen ist, steht aber fest, wer das höchste Gebot<br />
abgegeben hat und wie es lautet. Insofern ist das Angebot also auch best<strong>im</strong>mbar. Es richtet<br />
sich an denjenigen, der das letzte Gebot abgibt zu dem Preis, den das letzte Gebot beinhaltet.<br />
Karl Bleifuß hat dieses Angebot angenommen, da er es war, der das letzte Gebot<br />
abgegeben hat. Zwischen Karl Bleifuß und Franz Krummfeld ist folglich ein Kaufvertrag über<br />
das Radarwarngerät zum Preis von € 250 zustandegekommen.<br />
Karl Bleifuß hat das Radarwarngerät nicht für berufliche Zwecke bestellt, ist demnach<br />
Verbraucher i.S.v. § 13 BGB.<br />
Franz Krummfeld ist nach § 14 Abs. 1 BGB Unternehmer, wenn er bei dem<br />
Vertragschluß <strong>im</strong> Rahmen eines von ihm ausgeübten Gewerbes oder selbständigen Berufes<br />
gehandelt hat. Gewerbe ist jede planmäßige auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete<br />
Tätigkeit am Markt. Der Verkauf von insgesamt 50 Radarwarngeräten an einzelne Abnehmer<br />
ist eine solche planmäßige Tätigkeit. Sie war auch auf Erzielung von Einnahmen gerichtet. Es<br />
handelte sich folglich um eine gewerbliche Tätigkeit. Franz Krummfeld hat folglich als<br />
Unternehmer gehandelt.<br />
Der Vertrag beinhaltete die Lieferung eines Radarwarngeräts. Dabei handelt es sich<br />
um eine handelbare bewegliche Sache, also eine Ware. Es handelte sich folglich auch um<br />
einen Vertrag über die Lieferung von Waren.<br />
Karl Bleifuß und Franz Krummfeld haben die Vertragserklärungen jeweils über<br />
Internet gesandt, folglich ist der Vertrag ausschließlich unter Verwendung von<br />
Fernkommunikationsmitteln zustandegekommen. Es liegt ein Fernabsatzgeschäft vor. Ein<br />
Widerrufsrecht ist gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich gegeben.<br />
Der Vertrag könnte wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig sein.<br />
Das spielt allerdings dann keine Rolle, wenn das Verbraucherwiderrufsrecht einen wirksamen<br />
Vertragschluß gar nicht voraussetzt.
Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der<br />
Vertrag nur „zustandegekommen“ sein muß. Ferner ist nach § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB<br />
Konsequenz des Widerrufs, daß der Verbraucher an seine Erklärung „nicht gebunden“ ist.<br />
Das spricht dafür, daß der Verbraucherwiderruf letztlich ebenfalls als Unwirksamkeitsgrund<br />
anzusehen ist. Es ist aber anerkannt, daß mehrere Unwirksamkeitsgründe be<strong>im</strong> selben<br />
Geschäft selbständig nebeneinander treten und einander nicht bedingen (sog. Lehre von der<br />
Doppelwirkung <strong>im</strong> <strong>Recht</strong>). Schließlich spricht der Zweck der §§ 312b, 312d, 355 ff. BGB<br />
ebenfalls für dieses Ergebnis. Die Vorschriften wollen dem Verbraucher in Umsetzung von<br />
EU-Richtlinien zu seinem besonderen Schutz best<strong>im</strong>mte <strong>Recht</strong>e verleihen. Mit diesem Zweck<br />
verträgt es sich schlecht, wenn diese <strong>Recht</strong>e dem Verbraucher nicht zustehen, nur weil das<br />
jeweilige nationale <strong>Recht</strong> den Vertrag als von vornherein unwirksam behandelt.<br />
Eine eventuelle Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB steht demnach dem Entstehen<br />
eines Widerrufsrechts nicht entgegen, so daß sie an dieser Stelle nicht weiter geprüft werden<br />
muß.<br />
Das Widerrufsrecht könnte wegen § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB ausgeschlossen sein. Es<br />
müßte sich dann um eine Versteigerung gehandelt haben. Aus dem Klammerverweis <strong>im</strong><br />
Normtext wird deutlich, daß es sich um eine Versteigerung i.S.v. § 156 BGB gehandelt haben<br />
muß. Nach § 156 Satz 1 BGB kommt bei einer Versteigerung der Vertrag durch Zuschlag<br />
zustande. Das scheidet bei einer Internetversteigerung aus, da dort mangels eines<br />
Auktionators niemand vorhanden ist, der einen Zuschlag erteilen kann. Vielmehr kommt der<br />
Vertrag – wie oben schon angedeutet – durch jedes Gebot unter der auflösenden Bedingung<br />
zustande, daß ein höheres Gebot vor Versteigerungsende abgegeben wird.<br />
Es hat sich demnach nicht um eine Versteigerung i.S.v. § 156 BGB gehandelt. Das<br />
Widerrufsrecht ist nicht nach § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB ausgeschlossen.<br />
Karl Bleifuß muß das Widerrufsrecht ferner form- und fristgerecht ausgeübt haben.<br />
Nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB kann der Widerruf entweder in Textform (§ 126b<br />
BGB) oder konkludent durch Rücksendung der Ware erklärt werden. Karl Bleifuß hat<br />
letzteres getan, also formgerecht widerrufen.<br />
Nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB müßte dies innerhalb der Widerrufsfrist geschehen<br />
sein. Diese Frist beginnt nach § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB jedoch erst, wenn Karl Bleifuß eine<br />
Widerrufsbelehrung übersandt wird. Da das nie geschehen ist, hat die Frist nie zu laufen<br />
begonnen. Der Widerruf ist folglich auch fristgerecht erklärt.<br />
Gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB richten sich die weiteren Folgen nach den<br />
Vorschriften über den Rücktritt. Nach § 346 Abs. 1 BGB kann Karl Bleifuß die von ihm zur<br />
Erfüllung des Vertrages erbrachte Leistung zurückverlangen. Das sind die überwiesenen €<br />
250.<br />
Karl Bleifuß steht gegen Franz Krummfeld ein Anspruch auf Rückzahlung von € 250<br />
aus §§ 312b, 312d, 355, 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB zu.<br />
Karl Bleifuß kann ein Anspruch auf Rückzahlung der € 250 auch aus § 817 Satz 1 BGB<br />
(condictio ob turpem vel iniustam causam) zustehen.<br />
Das ist der Fall, wenn Franz Krummfeld durch Annahme der € 250 gegen ein Gesetz<br />
oder die guten Sitten verstoßen hat.<br />
Der Verstoß gegen ein Gesetz kommt nicht in Frage. Zwar verbietet § 23 Abs. 1b<br />
StVO die Verwendung von Radarwarngeräten, aber nicht den Handel mit ihnen.<br />
Die Veräußerung von solchen Geräten – und damit auch die Annahme von Geld für<br />
sie – könnte aber gegen die guten Sitten verstoßen. Gegen die guten Sitten verstößt mit einer<br />
Handlung, wer sich mit ihr so außerhalb der Werteordnung stellt, daß sein Handeln der<br />
Auffassung der Allgemeinheit, was sich mit dem geordneten Zusammenleben in einem<br />
Gemeinwesen noch verträgt, nicht entspricht. Grundsätzlich kann es dem Verkäufer einer<br />
Sache egal sein, was der Käufer mit ihr anzustellen beabsichtigt. Wenn die Sache, die er
verkauft, aber einer legalen Nutzung überhaupt nicht zugeführt werden kann, vertreibt er sie<br />
mit voller Absicht zu dem Zweck, Gesetzesverstöße zu ermöglichen. Das verträgt sich mit<br />
den Vorstellungen der Allgemeinheit über ein geordnetes Zusammenleben nicht.<br />
Franz Krummfeld hat folglich gegen die guten Sitten verstoßen, als er die € 250 für<br />
das Radargerät annahm. Ein Anspruch nach § 817 Satz 1 BGB ist danach gegeben.<br />
Der Anspruch kann aber nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen sein, wenn Karl<br />
Bleifuß durch die Zahlung ebenfalls gegen die guten Sitten verstoßen hat. Was für den<br />
Verkauf einer legal nicht nutzbaren Sache angehen, muß gleichermaßen für deren Kauf<br />
gelten: Sie negiert die <strong>Recht</strong>sordnung und ist folglich mit den Vorstellungen der<br />
Allgemeinheit über ein geordnetes Zusammenleben nicht in Einklang zu bringen.<br />
Der Anspruch aus § 817 Satz 1 BGB ist gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.<br />
Ferner kommt ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB (condictio indebiti) in Frage.<br />
Die Anwendung der Norm ist nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Voraussetzungen von §<br />
817 Satz 1 BGB vorliegen. Zwischen den beiden Normen besteht kein Spezialitätsverhältnis.<br />
Franz Krummfeld hat die € 250 durch Leistung des Karl Bleifuß erlangt. Dafür müßte<br />
ein <strong>Recht</strong>sgrund gefehlt haben.<br />
Als <strong>Recht</strong>sgrund kommt der Kaufvertrag über das Radarwarngerät in Frage. Dieser ist<br />
– wie oben geprüft – zustandegekommen. Der Verbraucherwiderruf hat daran nichts geändert,<br />
denn dessen Folgen sind durch § 357 BGB abschließend geregelt, so daß er schon deshalb<br />
nicht zur Anwendung von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB führen kann.<br />
Indessen kommt Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 Abs. 1 BGB in Frage. Wenn –<br />
wie schon geprüft – sowohl der Verkauf als auch der Ankauf eines Radarwarngerät gegen die<br />
guten Sitten verstößt, kann für den Kaufvertrag über ein solches Gerät nichts anderes gelten.<br />
Er verstößt ebenfalls gegen die guten Sitten und ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.<br />
Auch der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann jedoch gemäß § 817 Satz<br />
2 BGB ausgeschlossen sein. Der systematische Zusammenhang scheint auf den ersten Blick<br />
gegen eine solche Anwendung des Kondiktionsausschlusses zu sprechen. Der Zweck des §<br />
817 Satz 2 BGB spricht jedoch dafür: Wer sich durch eine Leistung außerhalb der<br />
Sittenordnung stellt, soll sie nicht mit staatlicher Hilfe zurückerlangen können.<br />
Da die Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB, wie schon geprüft, vorliegen, scheidet<br />
folglich auch ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB aus.<br />
Fallabwandlung<br />
Ein Anspruch auf Zahlung von € 740 kann sich unter dem Gesichtspunkt des<br />
Schadensersatzes neben der Leistung gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB ergeben.<br />
Das setzt ein bestehendes Schuldverhältnis voraus. In Frage kommt hier der<br />
Kauvertrag zwischen Karl Bleifuß und Franz Krummfeld über das Radarwarngerät. Wie oben<br />
bereits festgestellt wurde, ist dieser Vertrag jedoch nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, so daß ein<br />
vertragliches Schuldverhältnis hier nicht besteht.<br />
Ein Schadensersatzanspruch könnte sich jedoch auch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1,<br />
241 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) ergeben.<br />
Vertragsverhandlungen haben die Beteiligten geführt. Dass diese zum Abschluss eines<br />
nichtigen Vertrages geführt haben, hindert die Anwendung von § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht<br />
grundsätzlich. Hier ist entscheidend auf den Nichtigkeitsgrund und die mit der<br />
Nichtigkeitsnorm verbundenen Zwecke abzustellen. Die Nichtigkeit folgt hier aus der<br />
Unmöglichkeit, das verkaufte Produkt einer legalen Nutzung zuzuführen. Das stellt den<br />
Vertrieb solcher Geräte außerhalb der <strong>Recht</strong>sordnung. Indessen ist hiervon nur das<br />
Leistungsinteresse der Vertragsparteien betroffen. Der Schutz ihres Integritätsinteresses bleibt<br />
von dem Zweck des § 138 Abs. 1 BGB unberührt. Daher ist ein wegen Sittenwidrigkeit
nichtiger Vertrag geeignet, Nebenpflichten aus §§ 311 Abs. 1 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB zu<br />
begründen.<br />
Wer eine Sache liefert, ist verpflichtet, sie so zu liefern, daß von ihr keine Gefahren<br />
für andere <strong>Recht</strong>sgüter des Empfängers ausgehen. Wird eine Einbauanleitung mitgeliefert, ist<br />
sie so zu gestalten, daß durch den empfohlenen Einbau keine Sachwerte gefährdet werden.<br />
Diese Schutzpflicht hat Franz Krummfeld verletzt.<br />
Karl Bleifuß ist hierdurch ein Sachschaden an seinem Fahrzeug entstanden.<br />
Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, ob Franz Krummfeld die Pflichtverletzung zu<br />
vertreten hat, fehlen <strong>im</strong> Sachverhalt. Es ist dies daher nach der Darlegungs- und Beweislast zu<br />
entscheiden. Diese liegt, wie aus der Formulierung von § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt, be<strong>im</strong><br />
Schuldner. Vom Vertretenmüssen ist daher auszugehen.<br />
Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann Karl Bleifuß statt der Wiederherstellung seines<br />
Fahrzeugs Erstattung der Reparaturkosten verlangen.<br />
Karl Bleifuß hat gegen Franz Krummfeld einen Anspruch auf Zahlung von € 740 aus<br />
§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 1 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB.<br />
Ein weiterer Anspruch auf Schadensersatz kann sich aus § 823 Abs. 1 BGB ergeben.<br />
Franz Krummfeld hat durch die Lieferung eines Radarwarngerätes mit fehlerhafter<br />
Einbauanleitung das Auto des Karl Bleifuß beschädigt, ihn demnach in seinem Eigentum an<br />
dem Auto verletzt. Dies geschah auch widerrechtlich. Ob Franz Krummfeld vorsätzlich oder<br />
fahrlässig gehandelt hat, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. Da die Darlegungs- und<br />
Beweislast hierfür be<strong>im</strong> Geschädigten liegt, ist davon auszugehen, daß Franz Krummfeld kein<br />
Schuldvorwurf trifft.<br />
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht folglich nicht.<br />
Schließlich kann ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG ergeben.<br />
Dazu müßte das Radarwarngerät zunächst einen Fehler i.S.v. § 3 ProdHaftG<br />
aufgewiesen haben. Daß das Gerät an und für sich schon nicht sicher war, ergibt sich aus dem<br />
Sachverhalt zwar nicht. Es genügt nach § 3 Abs. 1 a ProdHaftG aber auch, wenn es aufgrund<br />
der Art seiner Darbietung nicht die zu erwartende Betriebssicherheit aufwies. Das umfaßt<br />
Fehler in der mitgelieferten Einbauanleitung.<br />
Durch den Produktfehler ist eine andere Sache i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG des<br />
Karl Bleifuß, nämlich sein Auto, beschädigt worden.<br />
Damit Franz Krummfeld hierfür haftet, muß er Hersteller des Radarwarngerätes sein.<br />
Hersteller <strong>im</strong> eigentlichen Sinne ist er zwar nicht. Er gilt jedoch wegen § 4 Abs. 2 ProdHaftG<br />
als Hersteller, da er das Radarwarngerät zum Zwecke des Verkaufs in den EWR verbracht<br />
hat.<br />
Für Haftungsausschlüsse nach § 1 Abs. 2 ProdHaftG gibt der Sachverhalt keine<br />
Anhaltspunkte. Nach § 1 Abs. 4 Satz 2 ProdHaftG ist daher davon auszugehen, daß keine<br />
bestehen.<br />
Schadensersatz kann auch hier nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in Geld verlangt<br />
werden. Abzuziehen ist vom Schaden aber der Eigenanteil aus § 11 ProdHaft in Höhe von €<br />
500.<br />
Karl Bleifuß kann von Franz Krummfeld Zahlung von € 240 auch aus § 1 Abs. 1 Satz<br />
1 ProdHaft verlangen.<br />
Soweit die bejahten Ansprüche sich der Höhe nach decken, besteht zwischen ihnen<br />
Anspruchskonkurrenz.