Tipps zum Gutachtenstil
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Arbeitsgemeinschaft im Öffentlichen Recht II WS 2008/2009<br />
Seite 1<br />
Ass. iur. Sandra Fuchs<br />
Denkschema:<br />
<strong>Tipps</strong> <strong>zum</strong> <strong>Gutachtenstil</strong><br />
Obersatz � Definition � Subsumtion � Ergebnis.<br />
Aufwerfen der Darstellung der Darstellung der Schlussfolgerung:<br />
rechtlichen Frage abstrakten rechtlichen<br />
Voraussetzungen<br />
tatsächlich<br />
vorliegenden Fakten<br />
(Lebenssachverhalt)<br />
und Prüfung, ob diese<br />
die rechtlichen<br />
Voraussetzungen<br />
erfüllen<br />
volle Deckung von<br />
rechtlichen Voraussetzungen<br />
und vorliegenden<br />
Fakten<br />
= rechtliche Frage ist<br />
zu bejahen<br />
sonst = rechtliche<br />
Frage ist zu verneinen<br />
Beispiel:<br />
Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn der<br />
Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts<br />
begehrt.<br />
Ein Verwaltungsakt liegt gemäß § 35 S. 1<br />
VwVfG vor, wenn eine Behörde auf dem<br />
Gebiet des öffentlichen Rechts eine<br />
Einzelfall-Regelung mit Außenwirkung trifft.<br />
Vorliegend hat das Gewerbeaufsichtsamt der<br />
Stadt S gegenüber dem Bürger B verlauten<br />
lassen, dass es beabsichtigt, ihm den Betrieb<br />
seines Verkaufsstandes zu untersagen.<br />
Das Gewerbeaufsichtsamt der Stadt S ist eine<br />
Behörde. Diese hat gegenüber dem Bürger B,<br />
also mit Außenwirkung, auf dem Gebiet des<br />
öffentlichen Gewerberechts gehandelt.<br />
Aufwerfen der gutachterlichen Frage =<br />
Nennung des zu überprüfenden Obersatzes<br />
Definition = Aufführen der rechtlichen<br />
Voraussetzungen, die notwendig sind, um den<br />
Obersatz zu bejahen<br />
Wiedergabe des für die Beantwortung der<br />
Frage wesentlichen Sachverhalts [Bei sehr<br />
einfachen Fragen, wie hier, fiele das eigent-<br />
lich weg.]<br />
Subsumtion = Gegenüberstellung der<br />
abstrakten rechtlichen Voraussetzungen und<br />
der konkreten Fakten des Lebenssachverhalts<br />
- wenn klare Deckung gegeben: Urteilsstil<br />
(wie hier)<br />
- sonst: ausführlicher Vergleich zwischen<br />
Voraussetzungen und Fakten oder<br />
Aufwerfen einer rechtlichen „Unter-Frage“<br />
(folgt)<br />
Fraglich ist, ob auch eine Regelung vorliegt. Bildung eines neuen „Obersatzes“ = einer<br />
neuen Frage hinsichtlich eines problema-<br />
Das Merkmal Regelung ist zu bejahen, wenn<br />
die Maßnahme der Behörde auf die<br />
Erzeugung einer unmittelbaren<br />
Rechtswirkung gerichtet ist.<br />
Die Behörde äußerte hier die bloße Absicht,<br />
später eine Entscheidung zu treffen. Die<br />
Absichtserklärung als solche sollte also noch<br />
keinen verbindlichen Charakter haben.<br />
tischen Merkmals<br />
Definition = Aufführen der rechtlichen<br />
Voraussetzungen, die notwendig sind, um die<br />
„Unter-Frage“ zu bejahen<br />
Wiedergabe des für die Frage relevanten<br />
Lebenssachverhalts und ggf. Interpretation<br />
desselben
Arbeitsgemeinschaft im Öffentlichen Recht II WS 2008/2009<br />
Ass. iur. Sandra Fuchs<br />
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Folglich war sie nicht auf die Erzeugung einer<br />
unmittelbaren Rechtswirkung gerichtet,<br />
stellt also keine Regelung dar.<br />
Damit liegen die Voraussetzungen eines<br />
Verwaltungsaktes nicht vor.<br />
Die Anfechtungsklage ist deshalb nicht<br />
statthaft.<br />
„Gute Wörter“:<br />
Subsumtion = Gegenüberstellung von<br />
Voraussetzungen und Tatsachen;<br />
Schlussfolgerung � die „Unter-Frage“ ist zu<br />
bejahen oder – wie hier – zu verneinen<br />
Schlussfolgerung � die Voraussetzungen zur<br />
Bejahung der Frage aus dem Obersatz liegen<br />
vor oder – wie hier – nicht vor<br />
Schlussfolgerung � der Obersatz ist zu<br />
bejahen oder – wie hier – zu verneinen<br />
Aufwerfen von Fragen:<br />
wenn, falls, sofern, soweit, unter der Voraussetzung, fraglich ist, zweifelhaft ist, zu<br />
untersuchen ist, zu prüfen ist, ...<br />
Darstellung der Schlussfolgerungen:<br />
also, folglich, damit, somit, demzufolge, dementsprechend, demgemäß, demnach,<br />
infolgedessen, ...<br />
„Schlechte Wörter“:<br />
da, weil, denn, nämlich ...<br />
Grund: Sie deuten an, dass erst das Ergebnis und dann dessen Grundlage genannt wird,<br />
anstatt eine Frage aufzuwerfen und diese dann zu beantworten. Sie kommen deshalb im<br />
Urteilsstil, nicht aber im <strong>Gutachtenstil</strong> <strong>zum</strong> Einsatz (streng genommen).<br />
Faustregel <strong>Gutachtenstil</strong> – Urteilsstil:<br />
Wenn die Tatbestandsvoraussetzungen so klar gegeben sind, dass kein Erläuterungsbedarf<br />
besteht, d. h. wenn sich das „Gutachten“ ohnehin nur in zwei Sätzen erschöpfen würde,<br />
verwendet man den Urteilsstil. Statt „Damit A gegeben wäre, müssten die Voraussetzungen<br />
B, C und D gegeben sein. Das ist nach dem Sachverhalt der Fall.“ ist es also erlaubt - und<br />
geboten - zu schreiben: „A ist hier gegeben, da nach dem Sachverhalt die Voraussetzungen B,<br />
C und D erfüllt sind.“.<br />
Braucht man mehr als ein bis zwei Sätze, verwendet man hingegen im Zweifel besser den<br />
<strong>Gutachtenstil</strong>.