01.07.2022 Aufrufe

MÄA-14-2022online

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

6

TITELTHEMA

Münchner Ärztliche Anzeigen

Susanne Diefenthal ist Geschäftsführerin

und Arbeitsdirektorin bei

der München Klinik gGmbH.

Foto: München Klinik

erweitert, das in der Coronazeit

besonders wichtig war. Es übernimmt

auch die Krisenbetreuung von

Angehörigen und Patient*innen, und

entlastet dadurch die Pflege – das

ist deutschlandweit einzigartig. Über

unseren Familienservice helfen wir

unseren Beschäftigten zum Beispiel

dabei, Pflegeplätze für ihre Angehörigen

oder eine Kinderbetreuung zu

suchen.

Können Sie auch bei den Themen

Freizeit und Gehalt punkten?

Ja, unsere Gesellschafterin hat uns

geholfen, eine München-Zulage für

unsere Beschäftigten zahlen zu können.

Gleichzeitig sollen freiwillige

Zusatzdienste verhindern, dass wir

bei Krankmeldungen Beschäftigte

aus ihrer Freizeit zurückholen müssen:

Unsere Pflegekräfte können in

einem digitalen System eingeben,

wann sie ggf. einspringen und

gebucht werden können. Dafür

erhalten Sie ein Zusatzentgelt. Die in

Bayern leider nicht gesetzlich geregelten

Pool-Leistungen werden bei

uns entsprechend einer Betriebsvereinbarung

sowohl an Ärzt*innen als

auch an Pflegekräfte bezahlt.

Wie machen die München Kliniken

den Beruf attraktiver für den Nachwuchs?

Wir haben eigene Pflegefachschulen,

sowohl für examinierte Pflegekräfte

als auch für die Pflegefachhilfe und

OTA sowie ATA. Wer heute im Krankenhaus

Pflegekraft werden möchte,

kann heute nur noch die generalistische

Ausbildung machen und muss

auch Einsätze außerhalb der Kliniken

nachweisen – in Altenpflegeeinrichtungen,

der ambulanten Pflege und

im Kinder- und Jugendbereich. Das

ist manchmal eine logistische Herausforderung

für uns und macht es

auch schwerer, junge Menschen für

uns zu begeistern. Daher begleiten

wir unsere Auszubildenden intensiver

als staatlicherseits vorgesehen,

etwa mithilfe unserer – ebenfalls

über unsere Gesellschafterin finanzierten

– Ausbildungscoaches. Insgesamt

bieten wir auch mehr Praxisanleitungen

auf den Stationen an,

als das Gesetz es vorsieht.

Auf großen Zuspruch stoßen unsere

intraprofessionellen Ausbildungsphasen,

bei denen jeweils eine Auszubildendengruppe

unter Begleitung

von Fachkräften eine Woche lang

selbstständig eine Station leitet.

Auch interprofessionell bilden wir

aus, zum Beispiel auf der Neonatologie

der Schwabinger Kinderklinik auf

der Grundlage des gemeinsam mit

der Robert-Bosch-Stiftung durchgeführten

Projekts IPANEO (Interprofessionelle

Ausbildung in der Neonatologie).

Auszubildende in der Pflege

lernen dort gemeinsam mit PJ-Student*innen.

Das kommt auf beiden

Seiten sehr gut an, und wir möchten

das Konzept daher noch auf andere

Stationen ausweiten.

Provokativ gefragt: Können Sie es

sich als Krankenhaus überhaupt

leisten, so auf die „Befindlichkeiten“

von Pflegekräften Rücksicht

zu nehmen?

Wenn ich unsere Pflegekräfte sehe,

die jeden Tag extrem konzentriert,

auf hohem fachlichem Niveau und

gerade in der Pandemiezeit oftmals

über die persönlichen Grenzen

hinweg arbeiten, kann man aus meiner

Sicht nicht von „Befindlichkeiten“

reden. Es gibt dringenden Handlungsbedarf,

sonst funktioniert die

Patientenversorgung künftig nicht

mehr. Die Profession der Pflege ist

schlicht erforderlich.

Was sollte die Politik also tun?

Sie sollte ihre eigenen Gesetze prüfen

und deren Umsetzung finanzierbar

machen. Unsere Unterstützungskräfte

im Pflegeservice müssen wir

derzeit selbst bezahlen, weil Hilfskräfte

im Pflegebudget nicht vorgesehen

sind. Es muss grundsätzlich

überdacht werden: Wie viele Krankenhäuser

brauchen wir? Wie soll

die Versorgung der Zukunft aussehen?

Außerdem muss endlich mit

der Pflege gesprochen werden statt

über sie: Sie war weder bei den Entscheidungen

zu den Pflegepersonaluntergrenzen

eingebunden noch hat

sie ein Stimmrecht im Gemeinsamen

Bundesausschuss (GBA). Die Politik

erlässt viele Gesetze, denkt sie aber

oft nicht zu Ende.

Nehmen Sie die primär qualifizierenden

Studiengänge, die nun in Konkurrenz

zur Praxisausbildung stehen.

Für ihre Praxiseinsätze im Krankenhaus

erhalten die Studierenden vom

Staat kein Geld. Wir bezahlen sie

dafür, weil wir das als selbstverständlich

empfinden, aber diese Einsätze

sind nicht refinanziert. In der

Politik fehlt mir manchmal der Weitblick.

Vieles erscheint mir als reiner

Aktionismus.

Was können Ärztinnen und Ärzte

tun?

Sie sollten anerkennen, dass der

Pflegeberuf ein eigenständiger Beruf

ist. Es braucht beide Professionen,

den ärztlichen Dienst und die Pflege,

um die Patient*innen bestmöglich zu

versorgen. Beide Professionen sollten

sich gegenseitig respektieren

und sich als Team verstehen. Damit

etwa eine gemeinsame Visite möglich

ist, sollte diese auch in die

Abläufe der Pflege passen. Beide

Berufsgruppen müssen akzeptieren,

dass sie nur miteinander das Beste

erreichen.

Das Gespräch führte Stephanie Hügler

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!