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Beschaffung aktuell 7-8.2022

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Ausgabe 7-8 | 2022<br />

www.beschaffung-<strong>aktuell</strong>.de<br />

Einkauf<br />

Materialwirtschaft<br />

Logistik<br />

Krankenhauseinkauf<br />

Energiebeschaffung<br />

Mit einer Strategie<br />

zu mehr Sicherheit<br />

» Seite 52<br />

Lieferkettengesetz<br />

Wie Unternehmen<br />

sich vorbereiten können<br />

» Seite 30<br />

China-Sourcing<br />

Raus aus der<br />

Abhängigkeit – aber wie?<br />

» Seite 18<br />

Dr. Marcell Vollmer,<br />

CEO, Prospitalia-Gruppe<br />

» Seite 14<br />

INTERVIEW<br />

Analysetools im<br />

C-Teile-<br />

Management<br />

» Seite 38<br />

Professionell. Innovativ. Einkauf.


Industrie<br />

Das<br />

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2 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022<br />

Die passenden Medien für Sie<br />

und Ihre Branche:<br />

konradin.de/industrie<br />

media.industrie.de


» EDITORIAL<br />

Umdenken gefordert<br />

Die Abhängigkeit von China sowohl als <strong>Beschaffung</strong>s- wie auch als Absatzmarkt<br />

ist im vergangenen Jahrzehnt enorm gewachsen. Die schwächelnde<br />

Wirtschaft im Reich der Mitte, logistische Herausforderungen im Welthandel<br />

und geopolitische Spannungen haben zuletzt jedoch zu einem Umdenken geführt.<br />

Aber wie befreit man sich aus dieser Abhängigkeit? Dieser Frage geht<br />

unser wissenschaftlicher Berater Prof. Dr. Robert Fieten ab Seite 18 nach.<br />

Um zukünftig die Versorgung mit kritischen Rohstoffen – insbesondere mit<br />

Blick auf die Energiewende – gewährleisten zu können, wird eine stärkere<br />

Diversifizierung im Sourcing jedoch unumgänglich sein. Dabei kommt auch<br />

das neue Lieferkettengesetz zum Einsatz. Wie sich Unternehmen darauf<br />

vorbereiten können und wie sich der Krieg in der Ukraine auf das neue Gesetz<br />

auswirkt, lesen Sie ab Seite 30.<br />

Das sind aber nicht die einzigen Hürden, die sich <strong>aktuell</strong> für Einkaufsorganisationen<br />

stellen. Auch der stark gestiegene Kostendruck beschäftigt<br />

Einkäuferinnen und Einkäufer. Ein Treiber hierbei ist die Inflation. „Die<br />

heutige Management-Generation hat keine Erfahrung mit der Inflation“, sagt<br />

Prof Dr. Dr. Hermann Simon, Experte für Preis- und Gewinnmanagement, und<br />

erklärt im Interview, worauf es im Einkauf jetzt ankommt (S. 26).<br />

Welche Rolle Analyse-Tools inzwischen spielen – sowohl für den Einkauf als<br />

auch für die Lieferanten–, erläutert der geschäftsführende Gesellschafter des<br />

C-Teile-Spezialisten Keller & Kalmbach Dr. Florian Seidl im Gespräch mit der<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> ab Seite 38. Welche Tools es darüber hinaus gibt und wie<br />

Start-ups aus dem Bereich „ProcureTech“ die <strong>Beschaffung</strong> in wichtigen<br />

Bereichen verändern könnten, lesen Sie ab Seite 28.<br />

Auch die Energieversorgung spielt weiterhin eine große Rolle in den<br />

Planungen der Unternehmen und der Verantwortlichen. Ab Seite 52 erfahren<br />

Sie, wie eine entsprechende Strategie aussehen kann und welche<br />

Ansatzpunkte bei der Energiebeschaffung und -effizienz wirksam sind.<br />

Yannick Schwab,<br />

Redakteur der <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong><br />

yannick.schwab@konradin.de<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 3<br />

info@lederer-online.com


» INHALT 7-8 | 2022 69. JAHRGANG<br />

Dr. Florian Seidl,<br />

geschäftsführender<br />

Gesellschafter,<br />

Keller & Kalmbach,<br />

im Interview.<br />

TITELSTORY<br />

Analysetools im<br />

C-Teile-<br />

Management<br />

» Seite 38<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

MAGAZIN<br />

BEMI, ArGeZ-Zulieferer-Geschäftsklima und<br />

HWWI-Rohstoffpreisindex 08<br />

Stahlpreisentwicklung<br />

Die <strong>aktuell</strong>e Lage am Stahlmarkt 12<br />

MANAGEMENT<br />

Dr. Marcell Vollmer<br />

Digitalisierung der Prozesse in Kliniken<br />

und Pflegeeinrichtungen 14<br />

China-Sourcing auf dem Prüfstand<br />

China – vom gelobten Land zum Klumpenrisiko 18<br />

Herausforderungen und die Lösungen<br />

Next Generation Procurement – was muss<br />

sich im Einkauf ändern? 22<br />

Lokal einkaufen<br />

Unterstützung beim Einkauf aus der Region 25<br />

Prof. Dr. Hermann Simon<br />

Die Inflation schlagen 26<br />

Automatisierung, Analytik und Nachhaltigkeit<br />

Wie Start-ups die <strong>Beschaffung</strong> verändern 28<br />

Expertentipps zur Einführung des LkSG<br />

Wie können sich Unternehmen vorbereiten? 30<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

LkSG – welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg? 32<br />

Umweltfreundlichkeit bei Textilien nachweisen<br />

Nachhaltige Kleidung verlangt<br />

transparente Wertschöpfungsketten 34<br />

Consulting Benchmark 2022<br />

Mehr Transparenz im Einkauf<br />

von Beratungsleistungen 36<br />

C-TEILE-MANAGEMENT<br />

TITEL<br />

Dr. Florian Seidl, Keller & Kalmbach<br />

Die Analyse wird immer wichtiger 38<br />

Prozessoptimierung mittels E-Procurement<br />

Maschinenbauer beschleunigt<br />

seine indirekte <strong>Beschaffung</strong> 42<br />

Intelligente Versorgungskonzepte<br />

Persönliche Schutzausrüstung von Kopf bis Fuß 44<br />

FUHRPARK<br />

Alternative Mobilitätslösung<br />

Diensträder erobern deutsche Flotten 46<br />

Fuhrpark-Einkauf<br />

Limits lösen keine Probleme 48<br />

Charging as a Service<br />

Ladeinfrastruktur leicht gemacht 51<br />

ENERGIE<br />

Wirksame Ansatzpunkte bei der Energiebeschaffung<br />

Mit einer Energiestrategie zu mehr Sicherheit 52<br />

Mehr Transparenz für Energiedaten<br />

Kein Kilowatt zu viel 54<br />

4 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Bild: ardasavasciogullari/stock.adobe.com<br />

„Um die Gesamtsituation beurteilen zu können, müssen<br />

Unternehmen mit dem inflationsbereinigten Umsatz und Gewinn<br />

kalkulieren .“ Prof. Dr. Hermann Simon.<br />

» Seite 26<br />

BETRIEB<br />

Sicherheitskonzepte<br />

Die Prüfpflicht von Regalen erfüllen 56<br />

Pharmazeutische Produktion<br />

Geschützt bei jeder Gelegenheit 58<br />

BME<br />

Rückblick: 13. BME-eLösungstage<br />

#skillup4digital: Digitalisierung im Einkauf<br />

schreitet voran 60<br />

KARRIERE<br />

Berufsbegleitendes Coaching<br />

Nachhaltiges Krisenwissen durch<br />

Mentoring-Modell etablieren 62<br />

Buchrezension<br />

Rohstoffmacht Russland 64<br />

Kurzrezensionen 65<br />

RUBRIKEN<br />

Editorial 03<br />

Inserentenverzeichnis, Vorschau, Impressum 66<br />

Meinung<br />

Neue Helden – Einkäufer und Supply Manager?! 67<br />

Mehrsprachige<br />

Katalogproduktion<br />

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Kataloge sind wir bestens gerüstet – speziell wenn es<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 5<br />

katalog_V1_92x270_4c.indd 1 22.10.20 16:00


» MAGAZIN<br />

Deutschlands Abhängigkeit von Rohstoffimporten<br />

Anfällige Lieferketten bei neun kritischen Mineralien<br />

Bild: ebenart/stock.adobe.com<br />

Bei vielen Technologien wie Batterietechnik,<br />

Robotik und erneuerbaren Energien<br />

ist Deutschland von importierten Rohstoffen<br />

abhängig. „Dringender Handlungsbedarf<br />

für krisensichere Lieferketten<br />

besteht bei neun kritischen Mineralien,<br />

das sind Kobalt, Bor, Silizium, Graphit,<br />

Magnesium, Lithium, Niob, Seltene Erden<br />

und Titan. Hier sind mehr Bezugsquellen<br />

nötig, um die Lieferketten widerstandsfähiger<br />

zu machen“, fasst Lisandra Flach,<br />

Leiterin des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft,<br />

das Ergebnis einer Studie im Auftrag<br />

der IHK für München und Oberbayern<br />

zusammen. Lieferkettenstörungen<br />

sind laut der Studie bei den genannten<br />

Rohstoffen besonders problematisch, da<br />

alternative Quellen nur langfristig erschlossen<br />

werden könnten. Dies sei eine<br />

Lektion der jüngsten Versorgungsnotlagen<br />

im Zuge der Coronapandemie und<br />

geopolitischer Krisen wie dem Ukraine-<br />

Krieg. Studienautorin Flach betont, dass<br />

bei sieben der neun besonders kritischen<br />

Rohstoffe China einer der größten Anbieter<br />

am Weltmarkt ist, teilweise in marktdominierender<br />

Position. Dies spreche für<br />

eine schnelle Verstärkung bereits bestehender<br />

Handelsbeziehungen zu anderen<br />

Ländern, darunter Thailand und Vietnam<br />

für die Seltenen Erden, aber auch Argentinien,<br />

Brasilien, USA und Australien für<br />

andere kritische Rohstoffe. (ys)<br />

Maschinenbau in Deutschland<br />

Erwartungen wieder schlechter<br />

Managementberatung<br />

Consulting-Markt zeigt<br />

sich erholt<br />

Bild: Ifo-Institut<br />

Geschäftsentwicklung im deutschen Maschinenbau.<br />

Die Erwartungen der Maschinenbauer für ihr Geschäft in den kommenden<br />

sechs Monaten sind gesunken. Der Wert stand im Juni bei -23,3 Punkten,<br />

nach -17,9 im Mai. Das geht aus einer Umfrage des Ifo-Instituts hervor.<br />

„Der Einbruch der Erwartungen dürfte zurückzuführen sein auf die andauernden<br />

Materialengpässe und die Unsicherheit über die gesamtwirtschaftliche<br />

Entwicklung angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine“, sagt<br />

Nicolas Bunde, Branchenexperte am Ifo-Institut. Über 90 Prozent der<br />

Maschinen bauer meldeten einen Mangel an Vorprodukten. Auch der Fachkräftemangel<br />

ist wieder ein zunehmendes Problem, gaben 39 Prozent der<br />

Unternehmen an. Ihre Geschäftslage bewerten die Maschinenbauer etwas<br />

schlechter, aber immer noch positiv. Der Wert fiel auf +39,9 Punkte, nach<br />

+40,5. Der Auftragsbestand hat eine Reichweite von 6,5 Monaten. Die Auftragsbücher<br />

sind damit so voll wie nie. (ys)<br />

Die 20 größten Managementberatungen<br />

mit Hauptsitz in Deutschland erzielten im<br />

Geschäftsjahr 2021 ein Umsatzwachstum<br />

von 16,6 Prozent, so eine Lünendonk-<br />

Studie vom Juni. Im Geschäftsjahr 2020<br />

gingen die Gesamtumsätze im Mittel<br />

noch um 6,8 Prozent zurück – nach über<br />

zehn Jahren Wachstum in Folge. Die führenden<br />

internationalen Beratungskonzerne<br />

legten im Durchschnitt um 13,1 Prozent<br />

zu (2020: 1,6 %). Herausforderungen wie<br />

der Ukraine-Krieg, steigende Energie- und<br />

Herstellungskosten sowie die damit<br />

verbundene Inflation beeinflussen die<br />

Umsatzprognosen der führenden<br />

Manage mentberatungen kaum: Die deutschen<br />

Top 20 planen im Geschäftsjahr<br />

2022 ein Wachstum von 15,4 Prozent, die<br />

internationalen Consultants um 11,5 Prozent.<br />

„Die überdurchschnittlichen Wachstumszahlen<br />

müssen vor dem Hintergrund<br />

des deutlichen Umsatzrückgangs in 2020<br />

eingeordnet werden“, so Lünendonk-Geschäftsführer<br />

Jörg Hossenfelder. (ys)<br />

6 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Weiterhin Staus in der Nordsee<br />

Leichte Entspannung im Welthandel erkennbar<br />

Der globale Handel zeigt eine leicht positive<br />

Tendenz . Das geht aus den jüngsten Daten des Kiel<br />

Trade Indicator hervor. Laut dem IfW Kiel steht der<br />

Welthandel im Juni im Vergleich zum Vormonat mit<br />

0,4 Prozent im Plus (preis- und saisonbereinigt). Für<br />

Deutschland zeigen die Werte einen Zuwachs bei<br />

den Importen an (+2,5 %) und eine rote Null bei den<br />

Exporten (-0,1 %). In der EU zeichnen sich nur<br />

moderate Veränderungen sowohl bei den Exporten<br />

(-0,5 %) als auch Importen (+0,8 %) ab. Etwas eindeutiger<br />

fallen die Signale der USA aus, sowohl<br />

Exporte (+3,2 %) als auch Importe (+1,1 %) sind mit<br />

einem Plus versehen. Auch für Chinas Handel sind<br />

die Vorzeichen bei Exporten (+1,7 %) und Importen<br />

(+4,0 %) positiv. Die Auswertung weist für Russland<br />

im Juni eine schwarze Null im Export (+0,3 %) und einen abermaligen<br />

Rückgang im Import (-5,8 %) aus.<br />

Die Staus von Containerschiffen in der Nordsee halten an und<br />

sind in der Tendenz steigend, über zwei Prozent der globalen<br />

Frachtkapazität stehen dort still und können weder be- noch<br />

entladen werden. Auch vor Shanghai und Zhejiang wächst die<br />

curecomp-Anzeige2indd.pdf - Juli 11, 2022 x<br />

Bild: Armin Lehnhoff/stock.adobe.com<br />

Warteschlange, über vier Prozent der globalen Frachtkapazität<br />

stecken hier fest. Auf dem Roten Meer, der wichtigsten Handelsroute<br />

zwischen Europa und Asien, sind über 20 Prozent weniger<br />

Containerschiffe unterwegs, als unter normalen Umständen zu<br />

erwarten wären. So groß war die Lücke zuletzt nach Ausbruch<br />

der Coronapandemie vor zwei Jahren. (ys)<br />

Die Grenze<br />

der Workflow-Engine<br />

ist die Kreativität<br />

des Anwenders!<br />

curecomp.com/clevermanage<br />

Warengruppenspezifizierung<br />

Lieferantenaudit<br />

Verbesserungsvorschläge<br />

Erstmuster-<br />

Prüfbericht<br />

Fertigungsmöglichkeiten<br />

Finanzdaten<br />

Complianceprüfung<br />

Vertragsabschluss<br />

Dokumentengenehmigung<br />

Kapazitätsabfrage<br />

Reklamationsberichte<br />

Maßnahmenverfolgung<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz<br />

Risikomanagement<br />

Terminvereinbarung<br />

8D-Report<br />

Dokumentenaustausch<br />

Langzeitlieferantenerklärung<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 7


» MAGAZIN<br />

Einkaufsmanagerindex EMI<br />

Rückgang der Neuaufträge beschleunigt sich<br />

Das verarbeitende Gewerbe in Deutschland<br />

erlebte ein schwieriges Ende des<br />

zweiten Quartals, wie die jüngsten Umfrageergebnisse<br />

zeigen. Das Minus bei<br />

den Auftragseingängen fiel angesichts<br />

der stark rückläufigen Nachfrage noch<br />

größer aus und auch die Produktion ging<br />

wieder zurück. Zudem blicken immer<br />

mehr Firmen aufgrund der hohen Infla -<br />

tion, der anhaltenden Lieferprobleme und<br />

der sinkenden Neuaufträge pessimistisch<br />

in die Zukunft. Des Weiteren schwächten<br />

sich die Inflationsraten sowohl der Einkaufs-<br />

als auch der Verkaufspreise den<br />

zweiten Monat in Folge ab, blieben aber<br />

auf hohem Niveau. Ursache war, dass der<br />

Druck auf die Lieferketten etwas nachließ.<br />

Der saisonbereinigte S&P Global/<br />

BME Einkaufsmanagerindex ist der nied-<br />

rigste Wert seit fast zwei Jahren. Über der<br />

Referenzlinie von 50,0 Punkten blieb der<br />

EMI dabei wegen der guten Indexwerte<br />

für Beschäftigung, Vormateriallager so-<br />

Bild: S&P Global/BME<br />

wie Lieferzeiten. Letztere verlängerten<br />

sich so geringfügig wie seit Februar nicht<br />

mehr. (ys)<br />

HWWI-Rohstoffpreisindex<br />

Kein weiterer Anstieg der Rohstoffpreise<br />

Der HWWI-Rohstoffpreisindex fiel im Mai im Vergleich zum Vormonat um<br />

durchschnittlich 2,7 Prozent. Von den drei im Gesamtindex abgebildeten<br />

Teilindizes sanken im Mai der Index für Industrierohstoffe um 8,2 Prozent<br />

und der Index für Energierohstoffe um 2,2 Prozent. Der Index für Nahrungsund<br />

Genussmittel stieg nur leicht um 0,3 Prozent. Die Rückgänge müssen<br />

vor dem Hintergrund des nach wie vor sehr hohen Preisniveaus gesehen<br />

werden. Der Gesamtindex liegt demnach 76,1 Prozent über dem Wert vom<br />

Mai 2021. Der Rohölpreis stieg im Mai gegenüber dem Vormonat wieder um<br />

5,8 Prozent an. Im Vergleich zum Mai 2021 ist der Index um 64,6 Prozent<br />

gestiegen. Auch der Kohlepreis stieg im Mai wieder an (+23,2 %) und lag<br />

damit um 271 Prozent über dem Wert des Vorjahreszeitraums. Der Gaspreis<br />

hingegen sank im Mai um 20,3 Prozent. Dieser liegt damit derzeit um 141,5<br />

Prozent über dem Wert von Mai 2021. (ys)<br />

Bild: DimaBerlin/stock.adobe.com<br />

ArGeZ-Zulieferer-Geschäftsklima<br />

Notfallplan Gas führt zu<br />

Verunsicherung<br />

Nach drei Monaten mit negativen<br />

Salden punkten konnte das Geschäfts -<br />

klima der deutschen Zulieferer im Juni<br />

erstmals seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs<br />

mit 3,6 Punkten wieder leicht positiv abschließen,<br />

so das Ifo-Institut München.<br />

Sowohl die Bewertung der <strong>aktuell</strong>en Lage<br />

als auch die Erwartungen auf Sicht der<br />

kommenden sechs Monate fielen im Vergleich<br />

zum Mai leicht verbessert aus. Mit<br />

Abschluss der Erhebung zeigt sich aber<br />

mit der Verkündung der Alarmstufe des<br />

Notfallplans Gas eine neue Verunsicherungsspitze.<br />

Ein weiterer Aspekt sind die korrigierten<br />

Szenarien im Fahrzeugbau. Für nahezu<br />

alle wesentlichen Länder und Regionen<br />

sind die Prognosen für das laufende Jahr<br />

gekappt worden. Auch diese Anpassungen<br />

sind erst publiziert worden, nachdem die<br />

Umfrage größtenteils durchgeführt war.<br />

Laut der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie<br />

bleibt zu befürchten, dass es im<br />

Juli zu einem spürbaren negativen Rückprall<br />

kommen wird. (ys)<br />

8 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Technologie-Wirrwarr in vielen Unternehmen<br />

Risikomanagement an Digitalisierung anpassen<br />

VERBINDUNGSELEMENTE<br />

& BEFESTIGUNGSTECHNIK<br />

Pandemie, stockende Lieferketten und der<br />

Krieg in der Ukraine: Vier von fünf Entscheidern<br />

(79 %) weltweit haben große<br />

Schwierigkeiten, das Risikomanagement<br />

den Krisen und Transformationen anzupassen.<br />

Zwar erhöhen 65 Prozent der<br />

Führungskräfte ihr Budget für neue Technologien.<br />

Doch es gelingt bislang nur wenigen,<br />

das Risikomanagement erfolgreich<br />

zu modernisieren und fundierte, risiko -<br />

basierte Strategieentscheidungen zu treffen.<br />

Das ist das Ergebnis der Global Risk<br />

Survey von PwC, für die mehr als 3500<br />

Führungskräfte befragt wurden.<br />

Um mit den derzeitigen Transformationen<br />

und Krisen Schritt zu halten, müssen viele<br />

Organisationen ihr Risikomanagement<br />

modifizieren. Größter Hinderungsgrund<br />

ist derzeit, dass das Risikomanagement<br />

an vielen verschiedenen Stellen im Unternehmen<br />

erfolgt und nicht zentral ausgewertet<br />

wird. 75 Prozent der Befragten gaben<br />

zudem an, dass verschiedene Technologien<br />

im Einsatz sind, die nicht miteinander<br />

harmonieren. Die Studie zeigt zudem,<br />

mit welchen Schritten Unternehmen<br />

ihr Risikomanagement verbessern können.<br />

Dazu zählt, das zuständige Team agil<br />

aufzustellen und sämtliche Risikoerkenntnisse<br />

zentral zu bündeln und auszuwerten.<br />

Die Mehrheit der Befragten erhöht ihre<br />

Investitionen in digitale Technologien.<br />

Drei von vier Entscheidern setzen dabei<br />

auf Tools zur Datenanalyse (75 %), Prozessautomatisierung<br />

(74 %) sowie zur Erkennung<br />

und Überwachung von Risiken<br />

(72 %). Eine wichtige Rolle bei der Erkennung<br />

spielen sogenannte Key Risk Indicators<br />

(KRI). Beispiele für solche Indikatoren<br />

zur Überwachung des Ransomware-<br />

Risikos sind Phishing-Vorkommnisse, die<br />

Anzahl von Sicherheitslücken, Sicherheitsprobleme<br />

bei E-Mails oder geleakte<br />

Zugangsdaten. Zu den KRIs in der Lieferkette<br />

könnten Qualitätsbewertungen von<br />

Lieferanten, Vertragsverletzungen oder<br />

finanzielle Kennzahlen zählen. (ys)<br />

Mit über 130 Jahren<br />

Erfahrung zählt REYHER<br />

zu den führenden<br />

Handelsunternehmen für<br />

Verbindungselemente<br />

und Befestigungstechnik<br />

in Europa und beliefert<br />

Kunden weltweit.<br />

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Automechanika<br />

13. bis 17.09.2022<br />

Halle 11.2 / Stand M011/L010<br />

Eisenwarenmesse<br />

25. bis 28.09.2022<br />

Status Quo im Mittelstand, Potenziale und Hürden<br />

Big-Data-Analysen haben noch Luft nach oben<br />

Vielen Klein- und mittelständischen<br />

Unternehmen fehlt es an Know-how, Zeit<br />

und den richtigen Technologien, um das<br />

Potenzial ihrer Daten zu nutzen. Das ergab<br />

eine Studie von Techconsult im Auftrag<br />

des Cloud-Anbieters Ionos. 17 Prozent<br />

aller untersuchten KMU schöpfen<br />

das Potenzial ihrer Daten nach eigenen<br />

Angaben voll aus. Knapp ein Viertel<br />

(24 %) der Befragten gibt an, bereits Big-<br />

Data-Analysen in der Praxis durchzuführen.<br />

Der Einsatz ist dabei abhängig von<br />

der Unternehmensgröße: fünf Prozent der<br />

Kleinstunternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern<br />

setzen Big-Data-Analysen ein.<br />

Bei Unternehmen mit 50 bis 499 Mitarbeitern<br />

tut dies jedes Dritte (32 %).<br />

Besonders in Marketing, Produktion, Logistik<br />

und HR sehen die Befragten Potenzial.<br />

So sind mehr als die Hälfte aller Befragten<br />

(57 %) der Meinung, dass sich mit<br />

Big-Data-Analysen genaue Absatz- und<br />

Bedarfsplanungen ermitteln lassen. 48<br />

Prozent sehen Vorteile in der Analyse von<br />

Maschinendaten und Produktionsmengen<br />

in der Fertigung. 45 Prozent schreiben Big<br />

Data in der Logistik das Potenzial zu, Prozessabläufe<br />

zu verbessern sowie die Personaleinsatz-<br />

und Kapazitätsplanung zu<br />

steuern. HR-Mitarbeiter können überprüfen,<br />

ob die Mitarbeiter entsprechend ihrer<br />

Qualifikation eingesetzt sind oder wo es<br />

Optimierung bei Arbeitszeiten gibt<br />

(46 %). Gegen die grundsätzliche Nutzung<br />

von Big Data sprechen ein Mangel<br />

an Daten (55 %), fehlendes Know-how<br />

(17 %) und technische Ursachen wie veraltete<br />

IT-Architektur (11 %) oder zu wenig<br />

Rechenkraft (12 %). Wenn Daten erhoben<br />

werden, hakt es bei der Auswertung<br />

aus verschiedenen Gründen, z. B. eine<br />

zu geringe Datenqualität (37 %), Zeitmangel<br />

(26 %) oder fehlendes Personal<br />

mit entsprechenden Skills (19 %). (ys)<br />

Kanban-Behälter<br />

ROM | LTB<br />

Verwandlung vom Transportbehälter<br />

zum offenen<br />

Sichtlagerbehälter<br />

Geeignet für Schrägbodenund<br />

Fachboden-Regale<br />

Erhältlich in drei verschie-<br />

denen Abmessungen<br />

F. REYHER Nchfg. GmbH & Co. KG<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 9


» MAGAZIN<br />

Nachfrage nach Laderaum steigt im zweiten Quartal<br />

Europas Transportmarkt im Ungleichgewicht<br />

Bild: Timocom<br />

Transportdienstleister<br />

legen die<br />

ohnehin knappen<br />

Transportkapazitäten<br />

still.<br />

Das verschärft<br />

das Ungleichgewicht,<br />

wie das<br />

Timocom-Transportbarometer<br />

zeigt, denn der<br />

Transportbedarf<br />

auf der Straße<br />

ist nach wie vor<br />

Verhältnis von Fracht und Laderaum im deutschen Inlandsverkehr.<br />

hoch. Während<br />

die Nachfrage<br />

Die Wirtschaft in Europa leidet unter weiter steigt, befeuern der Fahrermangel<br />

hohen Energiepreisen sowie steigenden und die Transportengpässe die Preis -<br />

Material- und Personalkosten. Die Auswirkungen<br />

auf den Straßengüterverkehr: ten zu Laderaumangeboten in Europa<br />

spirale. Das Verhältnis von Frachtangebo-<br />

ist<br />

in einem immensen Ungleichgewicht, das<br />

sich im Verlauf des zweiten Quartals<br />

deutlich abzeichnet. Das Verhältnis von<br />

Frachten zu angebotenem Laderaum in<br />

Europa lag im Juni durchschnittlich bei<br />

85:15. Innerhalb Deutschlands lag das<br />

Verhältnis im Durchschnitt bei 89:11.<br />

„Wir befinden uns in einem Auftragnehmer-Markt“,<br />

beschreibt Gunnar Gburek,<br />

Head of Business Affairs bei Timocom, die<br />

derzeitige Situation. „Die Bedeutung,<br />

kurzfristig Laderaum am Spotmarkt zu<br />

bekommen, hat trotz höherer Kosten zugenommen.<br />

Alle reden von Preisen, aber<br />

hier zeigt sich, dass die Verfügbarkeit von<br />

Transportkapazitäten <strong>aktuell</strong> wichtiger ist<br />

als ein günstiges Angebot.“ (ys)<br />

Lieferkettentransparenz<br />

Nachhaltigkeit mit<br />

Data Mining im Blick<br />

Ecovadis, Anbieter von Nachhaltigkeitsratings,<br />

hat die Übernahme von Ecotrek bekanntgegeben.<br />

Das in Berlin ansässige<br />

Start-up ermöglicht die Nachhaltigkeitsüberwachung<br />

von Lieferanten durch ihre<br />

Sustainability-Data-Mining-Technologie<br />

(SDM). Die SDM-Lösung erweitert die<br />

technischen Funktionen von Ecovadis um<br />

eine automatisierte Datenerfassung, Prüfung,<br />

Analyse und Klassifizierung der<br />

Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen.<br />

Dies ermöglicht intelligentere<br />

und schnellere Voraussagen zur Optimierung<br />

von Strategien für das Nachhaltigkeitsrisikomanagement<br />

sowie eine verbesserte<br />

Qualität der Ratings bei gleichzeitiger<br />

Steigerung der Prozesseffizienz.<br />

Die kombinierte Produktsuite soll ein vollumfängliches<br />

Angebot bieten – von der<br />

Risikoklassifizierung und -überwachung<br />

bis hin zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsleistung<br />

von Lieferanten. (ys)<br />

Luft- und Raumfahrt<br />

Neue CPO bei Beyond Gravity<br />

Am 1. November 2022 übernimmt Jingyuan<br />

Sun als neue Chief Procurement<br />

Officer (CPO) das Space und Group Procurement<br />

sowie die Logistik des Raumfahrtzulieferers<br />

Beyond Gravity an weltweit<br />

zwölf Standorten in sechs Ländern. Sun<br />

legt Wert auf strategisch langfristige<br />

Partnerschaften und digitale Prozesse in<br />

der Supply Chain. Weiter wird sie sich<br />

auch auf die Themen Business Intelligence<br />

und datenbasierte Analytik fokussieren.<br />

Seit 2011 ist Sun in verschiedenen<br />

Führungsrollen im Bereich Procurement<br />

für das Luftfahrtunternehmen SR Technics<br />

tätig, zuletzt als VP Customer Account<br />

Management & Invoicing.<br />

André Wall, CEO bei Beyond Gravity, freut<br />

sich über den Neuzugang in der Geschäftsleitung:<br />

„Es war mir ein Anliegen,<br />

das Procurement und die Logistik enger<br />

miteinander zu verbinden. Mit Jingyuan<br />

Sun gewinnen wir eine starke und erfahrene<br />

Führungspersönlichkeit, die das Procurement<br />

und die Logistik zum Rückgrat<br />

unseres Wachstums werden lässt.“ Die<br />

neue Einkaufsleiterin spricht fließend<br />

Chinesisch und Englisch. Sie studierte in<br />

Singapur und erwarb nach ihrem Master<br />

of Science in Industrial & System Engineering<br />

einen Global Executive MBA am<br />

Insead in Paris. (ys)<br />

Bild: Beyond Gravity<br />

10 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


IFOY Award 2022<br />

Sechs Unternehmen ausgezeichnet<br />

Die Gewinner des IFOY Award 2022 wurden<br />

am 30. Juni in München ausgezeichnet.<br />

Den Award in der Kategorie „Special<br />

Vehicle“ holte sich Jungheinrich mit dem<br />

Doppelstock-Stapler ERD 220i. Das Fahrzeug<br />

setze neue Maßstäbe für einen<br />

sicheren , gut geschützten und dennoch<br />

sehr kompakten Elektrohubwagen, urteilte<br />

die Jury. Den Sieg in der Kategorie<br />

„Automated Guided Vehicle (AGV/AMR)“<br />

sicherte sich Locus Robotics. Mit dem<br />

prämierten kollaborativen AMR (Autonome<br />

Mobile Roboter) sollen Einzelhändler,<br />

Kontraktlogistiker und Industrieunternehmen<br />

ihre Effizienz verbessern können.<br />

Insgesamt drei junge Unternehmen hatten<br />

sich in diesem Jahr für die Endrunde<br />

in der Kategorie „Start-up of the Year“<br />

qualifiziert. Den Sieg trug am Ende das<br />

Münchner Start-up Noyes Technologies<br />

mit seinem automatisierten und flexiblen<br />

Nano-Logistiksystem<br />

Noyes Sto rage<br />

für die urbane<br />

Logistik davon. In<br />

der Kategorie „Robot“<br />

siegte die Firma<br />

Robominds mit<br />

dem KI-basierten<br />

robobrain.Neuros,<br />

einem herstellerneutralen<br />

und<br />

zuverlässigen Betriebssystem<br />

für die<br />

Robotik.<br />

In der Kategorie „Integrated Warehouse<br />

Solutions“ setzte sich SSI Schäfer mit seinem<br />

„IKEA Project Flat Pack Picking“<br />

durch. Mit Flat Pack Picking hat das Unternehmen<br />

eine automatisierte System -<br />

lösung für die sichere und volumenoptimierte<br />

Palettierung großer und schwerer<br />

Bild: IFOY Award<br />

Preisverleihung des IFOY Award 2022 in der BMW-Welt.<br />

Artikel umgesetzt. Portalroboter ermöglichen<br />

dabei die effiziente Handhabung<br />

eines heterogenen Artikelspektrums. Sieger<br />

in der Kategorie „Special of the Year”<br />

wurde in diesem Jahr Synaos mit seiner<br />

„Synaos IMS – Vehicle Localization“ zur<br />

Echtzeitlokalisierung von Transportfahrzeugen.<br />

(ys)<br />

Metallverarbeitung ist komplex<br />

genug. Da müssen es Ihre<br />

Lieferanten nicht auch noch sein.<br />

GMW – alles aus einer Hand.<br />

Die Gersfelder Metallwaren GmbH steht seit über 50 Jahren für innovative<br />

Fertigungslösungen von Montage- und Schweißbaugruppen, Draht- und Rohrbiegeteilen<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 11


Stahlproduktion: Eine rotglühende<br />

Bramme wird verladen.<br />

Bild: StudioLaMagica/stock.adobe.com<br />

Stahlpreisentwicklung <strong>aktuell</strong> – eine Analyse<br />

Die <strong>aktuell</strong>e Lage am Stahlmarkt<br />

Der Krieg in der Ukraine und das Coronavirus beeinträchtigen nach wie vor die Wirtschaft<br />

– das gilt auch für stahlverarbeitende Unternehmen. Kommt es hier zu einem Produktionsrückgang,<br />

könnte das am Stahlmarkt für Entspannung sorgen. Aber auch in der Stahlherstellung<br />

werden rückläufige Mengen erwartet. Vorhersagen lassen sich so kaum treffen.<br />

Die Nachfrage im Automotiv-Bereich ist weiter<br />

auf äußerst geringem Niveau und wird vermutlich<br />

kurzfristig auch nicht ansteigen. Die ersten vier<br />

Monate des Jahres zeigten deutlich geringere Produktionsmengen<br />

als die ohnehin schon schwachen Vorjahre.<br />

Einerseits sorgt das für ein wenig Entspannung<br />

am Stahlmarkt, andererseits sollte uns das aus gesamtwirtschaftlicher<br />

Sicht durchaus Sorgen bereiten.<br />

In den anderen stahlverbrauchenden Sektoren wie<br />

dem Bau- und dem verarbeitenden Gewerbe oder<br />

auch dem Maschinen- und Anlagenbau herrscht indes<br />

weiterhin eine sehr gute Auftragslage (Stand 12.<br />

Mai 2022), die allerdings nach wie vor nicht in vollem<br />

Umfang umgesetzt werden kann. Bisher war das<br />

Kompetenzpartner<br />

Mehr zu den Themen Stahl und Stahlbeschaffung,<br />

insbesondere zu den Preisentwicklungen.<br />

www.stahl-kompakt.de<br />

der allgemeinen Versorgungslage auf dem Weltmarkt<br />

geschuldet. Insbesondere Elektronikelemente waren<br />

Mangelware und führten zu Produktionskürzungen.<br />

Dennoch war der Stahlverbrauch auf einem ordentlichen<br />

Niveau. Allerdings wäre ein noch deutlich<br />

höheres Potenzial vorhanden gewesen.<br />

Belastung für die Lieferketten<br />

Nach wie vor wird die Versorgungslage zusätzlich<br />

durch die Coronasituation in China belastet: Über<br />

Industrie regionen und wichtige Häfen werden immer<br />

wieder Lockdowns verhängt. Dringend benötigte<br />

Waren kommen nur langsam aus dem Land. Dazu<br />

kommt der Russland-Ukraine-Krieg, durch den diverse<br />

Lieferketten noch weiter gestört werden oder<br />

komplett ausfallen. Daher entsteht auf Nachfrageseite<br />

ein enormer Auftragsüberhang. Es bauen sich<br />

große Backlogs an später abzuarbeitenden Aufträgen<br />

auf. Dies wird vermutlich dazu führen, dass die Verknappung<br />

am Stahlmarkt noch länger anhalten wird,<br />

auch wenn die Lieferketten wieder in Schwung<br />

kommen . Der Grund: Der Stahlbedarf ist viel zu hoch.<br />

Bis diese Auftragsrückstände abgearbeitet sind und<br />

vielleicht wieder eine halbwegs ausgeglichene Situation<br />

zwischen Angebot und Nachfrage entsteht, wird<br />

es noch lange dauern. In 2022 wird dies aus Sicht<br />

von Stahlkompakt wohl nicht mehr passieren.<br />

12 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


MAGAZIN «<br />

Der Außenhandel zeigte sich in den letzten Monaten<br />

demgegenüber sehr schwankend. Im Dezember 2021<br />

verzeichneten wir sogar einen Exportüberschuss. Januar<br />

und Februar 2022 ergaben dann Rekord-Importüberschüsse.<br />

Kurzfristig erwarten wir hier aber<br />

im Vergleich zur Produktion weniger starke Kriegseinflüsse<br />

auf die Importmengen. Produktionsseitig<br />

werden für das erste Quartal in Deutschland, aber<br />

auch global, schwächere Mengen erwartet.<br />

Der Einfluss des Krieges<br />

Bei den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sind<br />

verschiedene Faktoren zu betrachten:<br />

• Direkte Importe aus den betroffenen Ländern<br />

(Ukraine, Russland, Belarus), welche jetzt<br />

komplett wegbrechen; diese betreffen eher<br />

einfachere Sorten und Ausführungen.<br />

• Die Bedeutung der drei Länder zeigt sich, wenn<br />

sich der Blick vom Importanteil auf den Anteil an<br />

der generellen Marktversorgung in der EU richtet<br />

und die Vormaterialien für europäische Werke einbezogen<br />

werden; Importe dieser drei Länder sind<br />

nach Schätzung der Stahlkompakt-Partner direkt<br />

und indirekt für bis zu 20 Prozent der Marktversorgung<br />

in der EU-27 verantwortlich.<br />

• Zudem sind die Transportmöglichkeiten eingeschränkt:<br />

Speditionen und Lkw-Fahrer aus den<br />

betroffenen Ländern stehen nicht zur Verfügung;<br />

der Hafen von Odessa spielte eine wichtige Rolle<br />

für Importe aus Asien.<br />

Produktionsrückgang erwartet<br />

Der Einfluss des Krieges auf den Stahlmarkt ist im<br />

Moment nicht einheitlich abzuschätzen. In den<br />

stahlnachfragenden Branchen wird es wohl zu Produktionsrückgängen<br />

kommen. Der Stahlbedarf wird<br />

also sinken, was tendenziell zu niedrigeren Preisen<br />

und einer besseren Versorgung führt. Andererseits<br />

werden auch in der Stahlherstellung rückläufige<br />

Mengen erwartet, woraus sich tendenziell eine Verknappung<br />

und steigende Preise ergeben können. Wie<br />

hoch dieser Rückgang ausfällt, ist allerdings schwer<br />

einzuschätzen.<br />

Welcher dieser Effekte größer ist, kann nicht pauschal<br />

beantwortet werden. Hierfür muss der Einkauf<br />

sehr genau in die Marktsituation der zu beschaffen-<br />

Die Auftragsbücher im verarbeitenden Gewerbe sind voll.<br />

den Produktgruppen (Werkstoff, Format, Ausführung<br />

usw.) schauen. Im Ergebnis ließen sich bereits im<br />

März massive Preissteigerungen wahrnehmen. Dies<br />

ist sicherlich zum großen Teil den eingeschränkten<br />

Verfügbarkeiten geschuldet. Es wird aber auch ein<br />

„Angstzuschlag“ in den Preisen enthalten sein. Aus<br />

dem Markt ist zu hören, dass im Moment das Preis -<br />

niveau gehalten wird. „Es werden eher Projekte verschoben,<br />

als noch höhere Preise zu bezahlen“, so<br />

einer der Partner von Stahlkompakt.<br />

Es ist jedenfalls nicht seriös vorherzusagen, wie<br />

lange diese Situation anhält. Denn ...<br />

• ... es ist nicht genau abzusehen, wann die Lieferketten<br />

wieder richtig anlaufen und der genannte<br />

Rückstau an Aufträgen verstärkt abgearbeitet<br />

wird und sich so die Nachfrage erhöht.<br />

• ... der Aufbau alternativer Lieferquellen für ehemals<br />

ukrainische oder russische Vorprodukte der<br />

Stahlwerke ist im Gange. Aber wie lange es dauert<br />

und wie viele Mengen dadurch tatsächlich<br />

kompensiert werden können, ist unklar.<br />

• ... eventuell kommt es auch anders und wir<br />

steuern auf eine Rezession zu, weil Preise nicht<br />

mehr bezahlt werden können. Dann gehen die<br />

Stahlbedarfe möglicherweise stärker zurück.<br />

• ... Händler versuchen, fehlende Importmengen aus<br />

Russland durch Importe aus Asien zu kompensieren.<br />

Aber in welchem Umfang ist dies möglich und<br />

bis wann kommen diese Mengen bei uns an?<br />

• ... wie lange wird der Krieg dauern und wie lange<br />

werden die Sanktionen anhalten?<br />

Bild: Statistisches Bundesamt (Destatis)<br />

VERANTWORTUNG IST UNSER ANTRIEB.<br />

In Kooperation mit:<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 13


MANAGEMENT » Interview<br />

Interview mit Dr. Marcell Vollmer, CEO der Prospitalia-Gruppe<br />

Digitalisierung der Prozesse in<br />

Kliniken und Pflegeeinrichtungen<br />

Seit Januar 2022 verantwortet Dr. Marcell Vollmer als CEO die Geschicke der Prospitalia-<br />

Gruppe, einem Einkaufsdienstleister für Kliniken, Klinik apotheken und Pflegeeinrichtungen.<br />

Der Top-Manager soll das Unternehmen zu einem wesentlichen Baustein für die Digitalisierung<br />

der deutschen Krankenhauslandschaft weiterentwickeln .<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Wir beide haben<br />

über viele Jahre hinweg eine Reihe<br />

von Gesprächen geführt – bei SAP, Celonis<br />

und Boston Consulting. Immer<br />

ging es um die Steuerung von Supply<br />

Chains. Nun haben Sie die Gesamtverantwortung<br />

für eine Unternehmensgruppe<br />

übernommen. Das ist ein durchaus<br />

bemerkenswerter Karriereschritt.<br />

Marcell Vollmer: Dinge bewegen sich.<br />

Ich hätte das vor ein paar Monaten auch<br />

noch nicht gedacht. Ich bin davon überzeugt:<br />

Man muss zum richtigen Zeitpunkt<br />

bereit sein für neue Herausforderungen.<br />

Wer mich kennt,<br />

weiß, dass ich die Dinge mit<br />

ganzem Herzen und voller<br />

Kraft tue. Ich habe hier die<br />

sensationelle Möglichkeit, als<br />

CEO alle Bereiche zusammenzubringen,<br />

die ich vorher in<br />

unterschiedlichen Rollen bearbeitet<br />

habe – also etwa die Transformation<br />

des Einkaufs, die Umsetzung von Procure-to-Pay-<br />

und Post-Merger-Projekten.<br />

Die Gesundheitsbranche ist neu für Sie.<br />

Das war der Bereich Procurement auch,<br />

als Sie, aus dem Finanz bereich bei SAP<br />

kommend, dort im Jahr 2011 zum CPO<br />

berufen wurden. Was wird jetzt konkret<br />

von Ihnen erwartet?<br />

Vollmer: Ich habe immer Herausforderungen<br />

angetragen bekommen, für die es<br />

keine konkreten Job-Beschreibungen gab.<br />

Es gilt für mich jetzt, die unterschiedlichen<br />

Unternehmen unserer Gruppe über<br />

Dr. Marcell Vollmer<br />

»Medienbrüche und damit<br />

einhergehende Datensilos sind der<br />

Grund für Intransparenz und<br />

Verschwendung wertvoller Zeit.«<br />

unsere eigene IT-Landschaft hinweg<br />

besser zu vernetzen. Wir wollen aus den<br />

bestehenden einzelnen Paketen wie Pro -<br />

curement , digitale und analytische<br />

Lösungen sowie Beratung ein integriertes<br />

Angebot für unsere Kunden schaffen.<br />

Wie weit ist die Digitalisierung in den<br />

Kliniken vorangeschritten?<br />

Vollmer: Die ist, wie in anderen Branchen<br />

und Unternehmen auch, sehr unterschiedlich<br />

ausgeprägt. Das Mindset in den<br />

Einrichtungen spielt auch hier eine große<br />

Rolle. Es gibt rund 1900 Krankenhäuser in<br />

Deutschland. Über 600 davon sind bereits<br />

Bild: Prospitalia<br />

Prospitalia-Kunden. Die unterstützen wir<br />

mit Einkauf, Verbrauchs- und Erlösma -<br />

nagement, Daten- und Informationstransfer,<br />

Analytik und Beratung – alles auf digitaler<br />

Basis. Wir sind davon überzeugt, dass<br />

die Digitalisierung in den Krankenhäusern<br />

in den kommenden Jahren einen massiven<br />

Schub machen wird – und wir wollen an<br />

verschiedenen Stellschrauben drehen, bis<br />

hin zur Künstlichen Intelligenz und Machine<br />

Learning, um die Krankenhäuser auf ihrem<br />

Weg zu unterstützen. Unser Ziel ist es,<br />

Prospitalia zu einem Baustein für die Digitalisierung<br />

der deutschen Krankenhauslandschaft<br />

zu machen.<br />

Dazu kombinieren wir umfangreiche<br />

Erfahrung im Einkaufswesen<br />

mit Akquisitionen im<br />

Bereich der digitalen und Beratungsdienstleistungen.<br />

Es gibt<br />

aber noch viele andere Bereiche,<br />

wo Digitalisierung für<br />

Mehrwert sorgen könnte, etwa Telemedizin<br />

oder Informationstransfer zum Patienten.<br />

Man könnte viele längst bekannte Daten<br />

nutzen und sie auch den Patienten<br />

verfügbar machen, alles selbstverständlich<br />

unter Datenschutzgesichtspunkten. Hier<br />

gibt es noch viel zu diskutieren und endlich<br />

auch entsprechend anzupacken.<br />

Was bietet die Prospitalia-Gruppe den<br />

Einrichtungen derzeit?<br />

Vollmer: Wir schaffen die nötige Transparenz<br />

für mehr Effizienz und Effektivität.<br />

Etabliert ist mit dem Prospitalia-Marktplatz<br />

eine Plattform, über die alles be-<br />

14 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Dr. Marcell Vollmer ist der neue CEO der Prospitalia-Gruppe. Er verfügt über umfassende globale Führungserfahrung in den Bereichen digitale<br />

Transformation und Einkauf sowie eine überzeugende Erfolgsbilanz bei der nachhaltigen Umsatzsteigerung im Bereich Unternehmenssoftware.<br />

Bild: Prospitalia<br />

schafft werden kann, was ein Krankenhaus<br />

an Artikeln benötigt – von Herzkathetern,<br />

Hüftprothesen und Kniegelenken<br />

über medizinische Verbrauchsmaterialien<br />

wie Spritzen, Kanülen und Tupfern bis zu<br />

kapitalintensiven Produkten wie MRT-Geräten.<br />

Mit Wawibox in Heidelberg besetzen<br />

wir seit 2020 das Thema Digitalisierung<br />

der Warenwirtschaft in Zahnarztpraxen<br />

und Dentallaboren. Von Implantaten<br />

bis Verbrauchsmaterialien lässt sich<br />

über diese Plattform alles digital bestellen.<br />

Mit Procare Management bieten wir<br />

eine Plattform für Lebensmittel. Zielgruppe<br />

sind die Verantwortlichen für Kantinen<br />

in Kliniken, Seniorenheimen und in anderen<br />

Branchen. Wir kaufen zu den möglichst<br />

besten Konditionen via Plattform<br />

ein, berechnen die jeweiligen Speisepläne<br />

und können sagen, was an Mengen gebraucht<br />

wird bzw. was noch als Bestand<br />

lagerseitig vorrätig ist. Ins System fließen<br />

auch Angaben zu Allergien, Kalorienwerten,<br />

Nachhaltigkeitsfaktoren und andere<br />

Besonderheiten ein. Mit unserer analytischen<br />

Lösung für OP-Säle lässt sich ein<br />

komplexer Prozess überwachen und steuern,<br />

etwa wann Patienten ankommen,<br />

wann die Arbeit der Anästhesisten und<br />

Chirurgen beginnt, welche Materialien zu<br />

welchem Zeitpunkt aus dem Lager der<br />

Einrichtung just in time anzuliefern sind<br />

und was durch uns nachzubeschaffen ist.<br />

Ich habe gehört, dass Sie persönlich<br />

auch schon im OP-Saal dabei waren?<br />

Vollmer: Ich habe mir in Kiel am Universitätsklinikum<br />

Schleswig-Holstein vor Ort<br />

angeschaut, wie das Fallwagenkonzept<br />

umgesetzt und entsprechend für eine OP<br />

vorbereitet wird. Dann wird gescannt,<br />

was im individuellen Fall zusätzlich benö-<br />

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Mikro-Schlauchverbinder für<br />

die Analytik und Labortechnik<br />

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Fluorkunststoffe, Edelstähle, Polyolefine, Polyamide u.v.m.<br />

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Mit Zulassungen nach FDA und USP Class VI<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 15


MANAGEMENT » Interview<br />

tigt wird. Unsere Lösung erfasst zudem<br />

Daten und Informationen in Sachen Warenlager<br />

und Abrechnungssystem mit den<br />

Krankenkassen. Wir visualisieren den gesamten<br />

Prozess von der Aufnahme des<br />

Patienten bis zu seiner Entlassung, natürlich<br />

unter Datenschutzgesichtspunkten.<br />

Aus all diesen Erkenntnissen heraus ergeben<br />

sich dann für uns zuweilen auch Beratungsaufgaben<br />

zur Optimierung, Steuerung,<br />

Restrukturierung oder auch den<br />

Einsatz von Interim-Managern.<br />

Was will die Prospitalia-Gruppe mit<br />

Ihrer Hilfe in Zukunft anstoßen?<br />

Vollmer: Wir überlegen generell: Wie<br />

lassen sich alle Einkaufsdaten mit anderen<br />

analytischen Informationen<br />

intelligent verbinden? Wir<br />

wollen die gesamte Erfahrungswelt<br />

der Patienten verbessern.<br />

Dazu gehört auch,<br />

dass medizinisches Personal<br />

wesentliche Informationen<br />

nur einmal einzugeben<br />

braucht. Derzeit geschieht das noch an<br />

diversen Orten, was unproduktiv und nervig<br />

für alle Beteiligten ist. Medienbrüche<br />

und damit einhergehende Datensilos sind<br />

ja der Grund für Intransparenz und Verschwendung<br />

wertvoller Zeit. Entscheidender<br />

ist aber die Frage, ob alle meine<br />

Gesundheitsdaten bei allen Ärzten dezentral<br />

lagern oder ob man sie zentral steuern<br />

und pflegen kann.<br />

Sie analysieren auch Verbräuche. Welche<br />

Erkenntnisse haben Sie?<br />

Vollmer: Ja, die können wir selbstverständlich<br />

benchmarken. Ein Beispiel sind<br />

»Wie lassen sich alle Einkaufsdaten<br />

mit anderen analytischen<br />

Informationen intelligent verbinden?«<br />

Anker, die bei Schulteroperationen gesetzt<br />

werden. Die kosten einzeln etwa<br />

230 Euro. Wir wissen aus Erfahrung, dass<br />

manche Ärzte viele Anker setzen oder immer<br />

die teuersten Produkte verwenden,<br />

obwohl preiswertere und weniger Anker<br />

bei gleicher Qualität verwendet werden<br />

könnten. Die Anzahl ist dabei natürlich<br />

immer in Relation zur jeweiligen Verletzung<br />

und der Operationsmethode zu setzen.<br />

Wir zeigen durch unsere analytischen<br />

Lösungen Tendenzen auf und generieren<br />

über die reinen Einkaufskosten hinaus<br />

Muster zu den Operationen selbst.<br />

Daraus können Kliniken, Praxen und einzelne<br />

Ärzte Schlüsse ziehen und gegebenenfalls<br />

ihre Behandlungsmethoden anpassen.<br />

Darüber hinaus können wir mit<br />

unseren medizinischen Doktoren die<br />

Fachärzte auch praktisch beraten.<br />

Sie verhandeln mit den Lieferanten Ihrer<br />

Plattformen Preise. Was geht über Bündelung<br />

hinaus?<br />

Vollmer: Wir schließen Verträge mit einem<br />

oder mehreren Lieferanten, zum Beispiel<br />

für Kanülen. Wir suchen den Supplier<br />

aus, verhandeln alle Preise und Rabatte<br />

komplett. Das entlastet den Einkauf<br />

auf unserer Kunden- bzw. Klinikseite. In<br />

manchen Fällen werden uns bestimmte<br />

Lieferanten auch mal vorgegeben. Das<br />

Angebot bilden wir via Plattform über<br />

Kataloge ähnlich wie bei Amazon ab. Die<br />

Basiskonditionen sind für alle Kunden<br />

meist gleich, Differenzierungen gibt es<br />

bei den abgenommenen Volumina. Das<br />

Krankenhaus weiß, was es vorher für einzelne<br />

Waren körbe via Ausschreibung bezahlt<br />

hat. Unser Vorteil ist, dass wir für<br />

über 600 Kunden – das sind kommunale,<br />

konfessionelle, privatwirtschaftliche<br />

Krankenhäuser und Unikliniken – Updates<br />

bei Standards wie eclass einpflegen, Lieferantenmanagement<br />

betreiben, Preise<br />

weiterverhandeln, Bündelungseffekte und<br />

Transparenz schaffen. Wir stellen auch<br />

sicher , dass die Daten ins ERP-System<br />

laufen und die Anbindung an die Lieferanten<br />

klappt. Unsere analytischen<br />

Lösungen sind Zusatzservices.<br />

Wie sieht Ihr Risikomanagement-System<br />

aus?<br />

Vollmer: Der Health-Sektor<br />

ist seit Langem streng reguliert.<br />

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

ist also keine große Hürde. Risiken<br />

sind in unserem Bereich Lieferverzögerungen.<br />

Wir beobachten den Markt sehr<br />

genau und brauchen dazu auch Echtzeitdaten<br />

der Lieferanten. Wir haben eine<br />

Cockpit-Lösung, die Verknappungen sofort<br />

via Dashboard anzeigt. Darüber wird<br />

auch informiert, ob Operationen zum geplanten<br />

Zeitpunkt durchgeführt werden<br />

können. Diese digitale Lösung haben wir<br />

selbst entwickelt. Bestehende Tools von<br />

Dienstleistern, auch die bekannten, sind<br />

nicht auf unsere ganz speziellen Bedürfnisse<br />

bzw. Anforderungen zugeschnitten.<br />

Dr. Marcell Vollmer<br />

ist seit Januar 2022 CEO der Prospitalia-Gruppe; zuvor war er<br />

Partner & Director bei der Boston Consulting Group. Davor war<br />

er Chief Innovation Officer bei Celonis. 2005 begann er bei SAP,<br />

2011 wurde er hier zum SAP CPO und später zum COO sowie<br />

Chief Digital Officer ernannt. Vollmer studierte an der Uni Hamburg<br />

(Abschluss Diplom-Kaufmann BWL). Seine Dissertation<br />

schrieb er parallel zu seiner Tätigkeit als Manager Integration<br />

Projects and Sales Processes bei DHL Express in Brüssel (2005).<br />

Spielen für Prospitalia die kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen in der Ukraine<br />

eine Rolle bei der Versorgung?<br />

Vollmer: Wir haben aus diesem Teil Osteuropas<br />

keine Lieferanten, die kritische<br />

Materialien und Produkte liefern. Allerdings<br />

wirken sich die gestiegenen Energiekosten<br />

durch den Krieg in der Ukraine<br />

auf alle Unternehmen und Preise aus.<br />

Das Interview führte Sabine Ursel,<br />

Journalistin .<br />

16 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


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Einkauf digitalisieren – aber wie?<br />

Wir befinden uns in schwierigen Zeiten. Wer im Einkauf tätig ist, merkt das besonders.<br />

Vielerorts treffen veraltete <strong>Beschaffung</strong>ssysteme und Personalmangel auf Lieferengpässe<br />

und steigende Preise. Kein Wunder also, dass Unternehmen alles an eine zügige Digitalisierung<br />

setzen. Doch oft wissen sie nicht, wo sie anfangen sollen.<br />

Kommentar von Marco Schulten, Market Director bei Proactis DACH<br />

Der <strong>aktuell</strong>e Digital Procurement Survey von PwC<br />

zeigt, dass 37 Prozent der Einkaufsabteilungen<br />

in der DACH-Region Kostenreduzierung für die wichtigste<br />

strategische Priorität halten. Gefolgt von<br />

18 Prozent, bei denen die digitale Transformation<br />

ganz oben auf der To-do-Liste steht. Tatsächlich hängen<br />

Kostenreduzierung im Einkauf und digitale Transformation<br />

unmittelbar zusammen. Prozesse werden<br />

automatisiert und optimiert – beides verheißt mehr<br />

Ressourceneffizienz. Folgerichtig haben mittlere und<br />

große Unternehmen in Deutschland ihre Digitalisierungsinvestitionen<br />

gegenüber 2021 verfünffacht, wie<br />

der Proactis eRecovery Report 1 zeigt.<br />

Priorisierung und Budgetierung sind wichtig, doch<br />

bei Proactis erleben wir regelmäßig, dass den Unternehmen<br />

nicht klar ist, wie man die Digitali sierung des<br />

Einkaufs am besten angeht. Dabei sind Strategie und<br />

Struktur das A und O, denn nur so können am Ende<br />

effizientes Lieferantenmanagement und reibungslose<br />

Betriebsabläufe das Geschäftswachstum unterstützen.<br />

Entsprechend helfen wir Kunden mit unseren<br />

SaaS-Lösungen, ihr Procurement schnell und zielgerichtet<br />

zu transformieren. Immer mit Fokus darauf,<br />

das volle Potenzial auszuschöpfen und angesichts<br />

begrenzter Ressourcen, steigender Preise und Fachkräftemangel<br />

wettbewerbsfähig zu bleiben.<br />

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KONTAKT<br />

Proactis GmbH<br />

Brühler Straße<br />

53119 Bonn<br />

Telefon: +49 (0)228 61 950<br />

E-Mail: info_de@proactis.com<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 17


» MANAGEMENT<br />

China-Sourcing auf dem Prüfstand<br />

China – vom gelobten Land zum<br />

Klumpenrisiko<br />

Lange – wie wir heute wissen zu lange und vor allem zu blauäugig – haben die<br />

Top-Etagen deutscher Unternehmen mit Begeisterung auf China geblickt und sich im<br />

Reich der Mitte sowohl auf der Absatzseite als auch auf der <strong>Beschaffung</strong>sseite massiv<br />

exponiert. Sie haben dabei ausgeblendet, wie gefährlich abhängig sie ihre<br />

Unternehmen von China und dem Wohlwollen der autokratischen Regierung gemacht<br />

haben. In der Zwischenzeit hat ein Umdenken eingesetzt und die sehr starke China-<br />

Abhängigkeit wird mittlerweile als Klumpenrisiko erkannt.<br />

Führungskräfte in unserer Wirtschaft betrachteten<br />

lange Zeit China als ein straff organisiertes<br />

Land, das mit strategischer Weitsicht generalstabsmäßig<br />

seinen scheinbar unaufhaltsamen wirtschaftlichen<br />

Aufstieg plante. Das Wachstum war beeindruckend.<br />

Der ökonomische und auch der technologische<br />

Aufstieg Chinas schienen unter dem staatskapitalistischen<br />

System keine Grenzen zu kennen. So ist<br />

über die letzten zehn Jahre das Handelsvolumen zwischen<br />

Deutschland und China sukzessive gestiegen.<br />

Die Importe haben sich zwischen 2012 und 2021 von<br />

78 auf 141 Mrd. Euro fast verdoppelt, auch die Exporte<br />

stiegen im gleichen Zeitraum von 66,7 auf 103<br />

Mrd. Euro.<br />

Der angeschlagene Zustand der<br />

chinesischen Wirtschaft Mitte 2022<br />

An dieser scheinbar nicht enden wollenden Bonanza<br />

wollten die deutschen Unternehmen partizipieren.<br />

Man machte die Augen zu vor dem sich immer weiter<br />

entwickelnden Überwachungsstaat<br />

und den eklatanten Menschenrechtsverletzungen<br />

im<br />

Reich der Mitte. Leider wurden<br />

auch die von namhaften Ökonomen<br />

schon seit längerer Zeit aufgezeigten<br />

Schwächen des chinesischen<br />

Wirtschaftsmodells und<br />

hierbei insbesondere das schuldenfinanzierte<br />

Wirtschaftswachstum<br />

ausgeblendet. Mitte<br />

Prof. Dr. Robert Fieten,<br />

wissenschaftlicher Berater<br />

2022 ist Ernüchterung eingetreten.<br />

China schwächelt und die<br />

der <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />

Köln<br />

chinesische Regierung greift mit<br />

ihrer Zero-Covid-Ideologie immer<br />

rigoroser in das Wirtschaftsgeschehen ein – koste es,<br />

was es wolle. Für Unternehmen, die mit China Geschäfte<br />

machen, sind dadurch Planbarkeit und Vorhersehbarkeit<br />

verloren gegangen.<br />

Nachdem China viel besser als andere Staaten durch<br />

die erste Covid-Welle in 2020 kam und dafür viel<br />

Beifall erhielt, haben die Mutationen des kleinen<br />

bösartigen Virus und vor allem die panischen Reaktionen<br />

der chinesischen Führung darauf in 2021 und<br />

in 2022 das Reich der Mitte massiv und möglicherweise<br />

dauerhaft verändert. Die Restriktionen der Lokal-<br />

und Zentralregierungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie<br />

drücken vor allem auf den Konsum.<br />

Hinzu kommen die Immobilienkrise, innerchinesische<br />

Lieferkettenprobleme und Stromausfälle. Im Ergebnis<br />

ist die Wirtschaftslage im Reich der Mitte mittlerweile<br />

so angespannt wie seit der Asienkrise in den<br />

Neunzigerjahren nicht mehr (mehr hierzu im<br />

Handelsblatt vom 13./14./15. Mai 2022).<br />

Es spricht viel dafür, dass die grandiose chinesische<br />

Wachstumsstory zunächst einmal vorbei ist angesichts<br />

der brachialen Lockdowns, der politischen<br />

Transition, der übermäßigen Regulierung der Tech-<br />

Konzerne und der schleichenden Immobilienkrise.<br />

China ist zurzeit nicht mehr die Konjunkturlokomotive<br />

der Welt. Es wird nur noch mit rund 4 Prozent<br />

Wirtschaftswachstum für 2022 gerechnet (Financial<br />

Times vom 27. Juni 2022). Dies liegt weit unter dem<br />

von der Regierung angestrebten Wachstum von 5,5<br />

Prozent. Die chinesische Binnenwirtschaft ist heute<br />

einem dreifachen Druck ausgesetzt: schrumpfende<br />

Nachfrage, Angebotsschocks und gedämpfte Erwartungen.<br />

Die Entwicklung des Einkaufsmanagerindex<br />

China zeichnet ein Bild von der Entwicklung. Ob der<br />

Schwenk nach oben im Mai 2022 nachhaltig ist, wird<br />

18 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Bild: Mirko/stock.adobe.com<br />

von Experten bezweifelt. Die strikte Bekämpfung der<br />

Pandemie durch eine „Zero Covid“-Politik hat China<br />

weitgehend vom Rest der Welt abgeschottet. Zur Abschottung<br />

trägt aber auch bei, dass Peking mit seiner<br />

Initiative „Made in China 2025“ in vielen Spitzentechnologien<br />

unverblümt Autarkie anstrebt. Das Horrorszenario<br />

besteht in dem Zerfall der Welt in zwei<br />

große, sich feindlich gegenüberstehende Blöcke.<br />

Auch bei den ausländischen Unternehmen in China<br />

hat sich die Stimmung deutlich verschlechtert. Westliche<br />

Firmen klagen rund 20 Jahre nach dem Beitritt<br />

des Landes zur Welthandelsorganisation WTO immer<br />

noch über massive Subventionen für chinesische Unternehmen,<br />

Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsbetriebe,<br />

erzwungenen Technologietransfer und den<br />

Diebstahl geistigen Eigentums.<br />

Offenbar steckt Chinas Wirtschaftsmodell tief in der<br />

Krise und dies hängt nicht nur mit den <strong>aktuell</strong>en<br />

Lockdowns, die sich zäh wieder auflösen, zusammen.<br />

Das chinesische Wirtschaftsmodell ist nach wie vor<br />

abhängig vom Export. Doch chinesische Produkte<br />

sind nicht mehr überall willkommen und dies nicht<br />

erst seit Donald Trump. Die amerikanischen Technologiesanktionen<br />

haben China schwer getroffen, und<br />

das Produktivitätswachstum nimmt ab. Doch die<br />

größten Probleme kommen erst noch: Die Geburtenrate<br />

ist mit 8,5 Geburten pro 1000 Einwohner in<br />

China derzeit so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht<br />

mehr. Die Erwerbsbevölkerung wird daher noch<br />

schneller schrumpfen als befürchtet. Daraus ergibt<br />

sich ein Fachkräftemangel, der für steigende Löhne<br />

sorgt und Chinas Wettbewerbsfähigkeit gegenüber<br />

seinen aufstrebenden bevölkerungsreichen ostasiatischen<br />

Nachbarländern unterminiert.<br />

Im Europa beginnt in der Politik und auch in den<br />

Konzernzentralen ein Umdenken. Man will sich aus<br />

den einseitigen Abhängigkeiten von China lösen und<br />

sich auf der Absatz- und der <strong>Beschaffung</strong>sseite mehr<br />

diversifizieren. Auch China-Investitionen werden zunehmend<br />

kritisch auf den Prüfstand gestellt.<br />

Deutschlands<br />

Rohstoffabhängigkeit von China<br />

Deutschland ist bei der Versorgung mit wichtigen<br />

Rohstoffen auf China angewiesen. Das autokratisch<br />

geführte China kontrolliert seit etwa zwei Jahrzehnten<br />

beinahe die gesamte Wertschöpfungskette für<br />

Seltene Erden und hat auch eine große Bedeutung<br />

für Silizium. Diese Materialien sind von zentraler<br />

Bedeutung für die Klimawende. Deutschlands Abhängigkeit<br />

von vielen mineralischen Rohstoffen aus<br />

China ist nach Erkenntnissen des BDI bereits heute<br />

größer als jene von Erdöl und Erdgas aus Russland.<br />

Ein Lieferstopp würde die Energiewende deshalb<br />

Die chinesische<br />

Regierung greift immer<br />

rigoroser in das Wirtschaftsgeschehen<br />

ein.<br />

Im Bild: Das Zentralkomitee<br />

der Kommunistischen<br />

Partei<br />

Chinas bei einer<br />

Sitzung in der Großen<br />

Halle des Volkes in<br />

Peking am 13. März<br />

2014.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 19


» MANAGEMENT<br />

Bild: Destatis<br />

Bild: Statista<br />

Dynamische Entwicklung des Außenhandels Deutschland – China<br />

Entwicklung des Einkaufsmanagerindex für China<br />

unmittelbar und gravierend treffen. Bei den für<br />

Windräder benötigten Seltenen Erden oder Silizium<br />

für Solarzellen dominiert China den Weltmarkt. Der<br />

Bedarf an begehrten Mineralien und Metallen wird<br />

drastisch steigen. Ob Windrad, Photovoltaikanlage<br />

oder E-Auto-Batterie – ohne Rohstoffe wie Kobalt,<br />

Kupfer, Lithium und Seltene Erden geht es nicht. Und<br />

Deutschland ist nicht der einzige Abnehmer. EU-<br />

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat<br />

das Problem kürzlich so auf den Punkt gebracht: „Wir<br />

importieren Lithium für Elektroautos, Platin für die<br />

Wasserstoffproduktion, Silizium für Solarmodule. 98<br />

Prozent der Seltenen Erden, die wir brauchen,<br />

kommen von einem einzigen Zulieferer – China. Und<br />

das ist nicht nachhaltig.“<br />

Man muss konstatieren, dass die bisherige deutsche<br />

Rohstoffpolitik für eine Welt konzipiert wurde, in der<br />

die geltenden internationalen Handelsregeln durch<br />

alle Staaten weitgehend respektiert werden. Deutsche<br />

Unternehmen entwickelten auf dieser Basis ihre<br />

Global-Sourcing-Strategien und organisierten auf<br />

Effizienz, aber nicht auf Resilienz getrimmte internationale<br />

Lieferketten. Indessen ist der Glaube an eine<br />

regelbasierte Handelspolitik nicht erst durch den<br />

russischen Angriffskrieg in der Ukraine erschüttert<br />

worden. Exportzölle und Handelsbeschränkungen<br />

haben in den vergangenen Jahren stetig auch im<br />

Westen zugenommen.<br />

Einkäufer sorgen sich um<br />

China-Sourcing<br />

Die anhaltende Zero-Covid-Politik Chinas führt bei<br />

deutschen Unternehmen mit China-Geschäft zunehmend<br />

zu Unmut. Dies zeigte eine im Mai 2022<br />

durchgeführte Blitzumfrage des BME-Experten -<br />

kreises China (BME weekly vom 25. Mai 2022). Die<br />

China- Einkäufer beklagen eine signifikant gefallene<br />

Termintreue und werden zusätzlich belastet durch<br />

die hohen, in jüngster Zeit allerdings wieder etwas<br />

fallenden Logistikkosten. Die dramatisch gesunkenen<br />

Frachtkapazitäten aus China nach Deutschland und<br />

die Staus vor den Häfen beeinträchtigen die Warenverfügbarkeit.<br />

Mehr als die Hälfte der Unternehmen gab an, sich<br />

durch die <strong>aktuell</strong>en Reiserestriktionen nach China in<br />

ihren Geschäftsabläufen beeinträchtigt zu fühlen.<br />

Auditierungen von Lieferanten oder die Inbetriebnahmen<br />

von Maschinen und Anlagen wären ohne<br />

Beteiligung deutscher Fachkräfte nicht umsetzbar.<br />

Neuprojekte müssten daher verschoben oder abgesagt<br />

werden. Ebenfalls beklagen die Unternehmen,<br />

dass unter den Covid-Restriktionen der Aufbau von<br />

neuen Lieferantenstrukturen in China <strong>aktuell</strong> fast<br />

nicht möglich sei.<br />

Die mangelnde Planbarkeit der Materialversorgung<br />

aus China stellt die Unternehmen vor finanzielle<br />

Heraus forderungen. Um den Risiken von Produktionsausfällen<br />

entgegenzuwirken, wurden für Warengruppen<br />

aus China in den vergangenen zwei Jahren<br />

die Lagerbestände deutlich erhöht – je nach Warengruppe<br />

zwischen 30 und 70 Prozent.<br />

Raus aus der China-Abhängigkeit –<br />

aber wie?<br />

China-Sourcing steht abgesehen von der Rohstoffbeschaffung,<br />

bei der es keine Alternativen gibt, auf dem<br />

Prüfstand. Eine anhaltende Zero-Covid-Strategie der<br />

chinesischen Regierung würde zwangsweise dazu<br />

führen, dass alternative <strong>Beschaffung</strong>smärkte außerhalb<br />

Chinas erschlossen werden müssten. <strong>Beschaffung</strong>svolumen<br />

werden bereits heute innerhalb Asiens<br />

verlagert, ein Weg zurück würde nur sehr langsam<br />

umzusetzen sein. Darüber hinaus werden auch<br />

Produktions standorte in China und mehr noch<br />

Neuinvestitionen kritisch überdacht. Es spricht viel<br />

20 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


dafür, dass ein neues Zeitalter der systemischen<br />

Rivalität mit China begonnen hat. Die deutsche<br />

Volkswirtschaft war einer der großen Gewinner der<br />

Globalisierung der vergangenen drei Jahrzehnte und<br />

hat insbesondere vom chinesischen Aufstieg massiv<br />

profitiert, sich dabei aber auch gefährlich abhängig<br />

gemacht. Dies zu ändern, ist eine große Herausforderung,<br />

die ein enges Zusammenwirken von Politik und<br />

Wirtschaft verlangt.<br />

Was ist zu tun? Die internationalen Lieferketten<br />

müssen neu aufgestellt und dabei stärker diversifiziert<br />

werden. Wo es Alternativen gibt, muss die<br />

Abhängigkeit von China reduziert<br />

werden. Gleichwohl geht<br />

es nicht um die völlige Entkopplung<br />

von China. Auf zwei<br />

Dinge kommt es: Erstens wird<br />

es für die Produktion in China<br />

mehr Local-for-Local-Wertschöpfungsketten<br />

geben<br />

müssen und zweitens müssen<br />

die neu formierten internationalen<br />

Lieferketten viel<br />

stärker auf Resilienz statt auf<br />

Effizienz getrimmt werden.<br />

Dies wird teuer und wird dauern.<br />

Temporäre Versorgungsstörungen<br />

dürften zur neuen<br />

Realität werden und erfordern<br />

ein gut entwickeltes<br />

Risiko management.<br />

Die Notwendigkeit einer<br />

Reduzierung der Importe von<br />

Vorprodukten aus China<br />

ergibt sich für euro päische<br />

Unternehmen formal schon<br />

aus der Anwendung des<br />

Liefer ketten sorg falts pflich ten -<br />

gesetzes (LkSG) aber in zunehmendem<br />

Maße auch aus<br />

Kostenüberlegungen, denn<br />

China ist schon heute kein<br />

Billiglohnland mehr. Indessen<br />

ist eine Abnabelung von<br />

China bei den Seltenen Erden<br />

– ein Feld, in dem China die<br />

Abhängigkeit in den bilateralen<br />

Handelsbeziehungen für<br />

seine geopolitischen Ziele instrumentalisieren<br />

könnte –<br />

kaum möglich. Hier Alternativen<br />

zu chinesischen Lieferanten<br />

zu finden, ist äußerst<br />

heraus fordernd. Nur die Poli-<br />

SEW-EURODRIVE—Driving the world<br />

tik kann in diesem kritischen Feld neue tragfähige<br />

Vereinbarungen aushandeln. Eine neue China-Politik<br />

wird von der Bundesregierung zurzeit entwickelt.<br />

Man darf darauf gespannt sein.<br />

Nachhaltige Sourcing-Strategien erfordern eine<br />

Diversifizierung der Lieferquellen. Global Sourcing ist<br />

nicht zu Ende, muss aber neu austariert werden.<br />

China bleibt auch in Zukunft wichtig für unsere<br />

Unternehmen , doch die Bedeutung des Landes wird<br />

nicht mehr ganz so groß sein wie in den vergangenen<br />

Jahren.<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 21


Im Einkauf geht es zunehmend nicht mehr nur darum, für Betriebsabläufe benötigte Rohstoffe, Waren und Produkte möglichst zum günstigsten<br />

Preis zu beschaffen.<br />

Bild: SAP Image Library<br />

Herausforderungen und die Lösungen<br />

Next Generation Procurement –<br />

was muss sich im Einkauf ändern?<br />

Vom Trend zum Erfolgsfaktor: Nachhaltigkeit wird für Unternehmen immer<br />

wichtiger, Resilienz ohnehin. Der Einkauf kann dabei eine Schlüsselrolle<br />

spielen . Allerdings erfordert dies, sowohl Technologie als auch Mindset im<br />

Procurement weiterzuentwickeln.<br />

An die offenliegenden Schwachstellen globaler<br />

Lieferketten und wirtschaftlicher Abhängigkeiten<br />

haben sich Unternehmen auch in Deutschland<br />

seit Beginn der Coronapandemie leidlich gewöhnt.<br />

Doch geht es zunehmend nicht mehr nur darum, für<br />

Betriebsabläufe benötigte Rohstoffe, Waren und Produkte<br />

möglichst zum günstigsten Preis zu beschaffen.<br />

Der Faktor Unternehmensverantwortung in<br />

puncto Nachhaltigkeit gewinnt ebenfalls stark an<br />

Bedeutung. Und das aus mehreren Gründen: Laut der<br />

repräsentativen Studie „GfK Nachhaltigkeitsindex<br />

Mai 2022“ sind etwa 68 Prozent der Deutschen der<br />

Ansicht, dass Unternehmen nachhaltig handeln sollten.<br />

In der „Global Investor ESG Survey“ von PwC für<br />

2021 geben auch die meisten Investoren (79 Prozent)<br />

an, bei Geldanlagen auf ESG-Aspekte (Environmental<br />

Social Governance) zu achten. Und gesetzliche Regelungen<br />

wie das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

(LkSG) nehmen Betriebe in die Pflicht, mehr<br />

auf Mensch und Umwelt zu schauen.<br />

Langfristiger Erfolg ist also maßgeblich abhängig von<br />

beiden Parametern: von stabilen Lieferketten und<br />

Nachhaltigkeit. Das Procurement verfügt über die<br />

nötigen Hilfsmittel, um hier einen wesentlichen Beitrag<br />

zu leisten.<br />

So gelingen Transparenz und<br />

Nachhaltigkeit<br />

Doch was braucht es im Einkauf, um das Unternehmen<br />

nachhaltig auf die Erfolgsspur zu bringen? Zunächst<br />

die richtige Technologie. Beispiel LkSG: Es gilt<br />

ab dem 1. Januar 2023 erst für Unternehmen ab<br />

3000 Mitarbeitenden, ab 2024 schließlich auch für<br />

Firmen ab 1000 Beschäftigten. Diese Betriebe sind<br />

dann angehalten, ein Risikomanagement zu etablieren,<br />

um die Einhaltung von Menschenrechten und<br />

22 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


MANAGEMENT «<br />

Umweltschutz entlang der Lieferkette zu erfassen<br />

und Risiken zu minimieren. Die bindenden Mitarbeitendenzahlen<br />

können dabei täuschen: Wenn große<br />

Unternehmen ihre Supply Chain durchleuchten, müssen<br />

voraussichtlich auch viele kleinere Betriebe – etwa<br />

Zulieferer – Auskunft über ihre Nachhaltigkeit<br />

geben (können). Ob die Voraussetzungen dafür geschaffen<br />

sind, ist zumindest fraglich: Das Monitoring<br />

zum Umsetzungsstand des Nationalen Aktionsplans<br />

Wirtschaft und Menschenrechte 2016–2020 stellte<br />

etwa fest, dass bis vor Kurzem mehr als 80 Prozent<br />

der in Deutschland ansässigen Unternehmen ab 500<br />

Beschäftigten nicht genug auf menschenrechtliche<br />

Aspekte achten.<br />

Den Horizont erweitern,<br />

einheitliche Lösungen finden<br />

Die Digitalisierung kann Firmen respektive dem Einkauf<br />

hier unter die Arme greifen. ERP-(Öko-)Systeme<br />

wie S/4 HANA und <strong>Beschaffung</strong>slösungen wie SAP<br />

Ariba helfen ihnen, ihre Lieferketten inklusive der angeschlossenen<br />

Geschäftspartner umfassend im Blick<br />

zu behalten. So können sie leichter die geforderte<br />

Transparenz herstellen. Das System gibt zum Beispiel<br />

automatisch Warnungen aus, sollte ein Lieferant ein<br />

Risiko darstellen. Grundlage dafür bilden unter anderem<br />

Daten aus Nachrichten und von Behörden.<br />

Nachhaltigkeit ist in der <strong>Beschaffung</strong> sehr breit gefächert:<br />

Sie zieht sich durch nahezu alle Spend-<br />

Kategorien. Mal ist das Thema CO 2 in Verbindung mit<br />

Lieferanten besonders bedeutsam. In diesem Fall<br />

kommt es darauf an, die CO 2 -Bilanz von (zukünftigen)<br />

Geschäftspartnern möglichst auf einer zentralisierten<br />

Plattform zu sammeln und basierend auf diesen<br />

Informationen nachhaltige Entscheidungen zu treffen.<br />

Doch auch im Bereich<br />

Reise- und Ausgaben -<br />

management (Travel &<br />

Expense ) spielt die Frage der<br />

Nachhaltigkeit eine Rolle.<br />

Lediglich die billigste Reisemöglichkeit<br />

zu suchen, ist<br />

nicht mehr zeitgemäß.<br />

Zudem ist die Suche über<br />

separate Apps und Portale<br />

nicht sonderlich effizient.<br />

Der intelligente Einkauf von<br />

morgen setzt daher auf einheitliche<br />

Lösungen, die nicht<br />

nur sämtliche verfügbaren Verkehrsmittel bündeln<br />

und dabei ebenso umweltschonendere Optionen wie<br />

E-Scooter und Carsharing beinhalten. Die Software<br />

bindet auch künstliche Intelligenz (KI) ein, um jederzeit<br />

die optimale Route samt Beförderungsmittel zu<br />

ermitteln. So lassen sich Kosten, Zeitaufwand und<br />

Umweltbelastung reduzieren.<br />

Rascher und sicherer<br />

entscheiden<br />

»Der Bereich<br />

Procurement zeigt, an<br />

welchen Stellschrauben<br />

Unternehmen in Zukunft<br />

drehen können , um ihr<br />

Business nachhaltiger<br />

aufzustellen.«<br />

Künstliche Intelligenz ist ohnehin ein Zukunftstrend<br />

im Procurement und kann auch in klassischen Einkaufsprozessen<br />

zum Einsatz kommen. Zum einen, um<br />

Entscheidungen schneller,<br />

aber ebenso fundierter zu<br />

treffen. In einer volatilen<br />

Welt wie der heutigen sind<br />

Geschwindigkeit und Agilität<br />

Grundvoraussetzungen für<br />

Erfolg. Treten unvorhergesehene<br />

Ereignisse ein – zum<br />

Beispiel ein harter Lockdown<br />

in der Region eines wichtigen<br />

Zulieferers –, sind jene Unternehmen<br />

im Vorteil, die unmittelbar<br />

reagieren können.<br />

KI kann in solchen Fällen<br />

wertvolle Entscheidungshilfe bieten, indem sie entsprechende<br />

Daten kontinuierlich auswertet.<br />

Zum anderen kann smarte Technologie auch die Mitarbeitenden<br />

im Einkauf unterstützen. Ein wichtiger<br />

Aspekt, nicht zuletzt aufgrund des Fachkräfteman-<br />

Ellen Förster, Senior<br />

Vice President der SAP<br />

Intelligent Spend &<br />

Business Network ,<br />

Mittel- und Osteuropa,<br />

über die neuen Anforderungen<br />

an den<br />

Bereich Procurement.<br />

Bild: SAP<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 23


» MANAGEMENT<br />

Die Digitalisierung<br />

kann Firmen respektive<br />

dem Einkauf helfen,<br />

indem ERP-Systeme<br />

und <strong>Beschaffung</strong>s -<br />

lösungen Lieferketten<br />

inklusive der angeschlossenen<br />

Geschäftspartner<br />

im Blick<br />

behalten .<br />

gels und entsprechend unbesetzter Stellen. Guided<br />

Buying erleichtert es beispielsweise, Waren und<br />

Dienstleistungen zu beschaffen, sodass auch Personen<br />

außerhalb des Einkaufs dies bei Bedarf erledigen<br />

können. Das entlastet den Einkauf und hilft außerdem,<br />

Maverick Buying beziehungsweise dessen<br />

negative Begleiterscheinungen wie mangelnde<br />

Transparenz zu vermeiden. Analog dazu bietet KI-gestütztes<br />

Guided Sourcing dem Procurement selbst<br />

Vorteile: Die Algorithmen können etwa <strong>aktuell</strong><br />

geltende weltweite Handelsbeschränkungen berücksichtigen<br />

und dem Team der <strong>Beschaffung</strong> die Entscheidungsfindung<br />

erleichtern. Voraussetzung für<br />

solche Anwendungsfälle: eine IT-Struktur, die es<br />

erlaubt , Daten umfassend zu erheben, und eine Softwarelösung,<br />

die sie effektiv auswertet und zielgerichtet<br />

weiterverwertet.<br />

Das Procurement-Mindset von<br />

morgen<br />

Es wird deutlich, wie sehr sich die Rolle des Einkaufs<br />

gegenwärtig ändert. Von der Nachhaltigkeit<br />

bis zur Resilienz: Der Einkauf kann ein Unternehmen<br />

maßgeblich mit formen. Doch damit das gelingt,<br />

muss sich auch das Mindset anpassen. So<br />

sieht es auch Kai Nowosel, CPO von Accenture, einem<br />

internationalen Unternehmen für professionelle<br />

Dienstleistungen. Das Unternehmen setzt einerseits<br />

ebenfalls auf smarte Procurement-Lösungen<br />

wie SAP Ariba, um den Einkauf zu optimieren.<br />

Andererseits betont Nowosel , dass sich die Mentalität<br />

ebenfalls weiterentwickeln müsse. CPOs sollten<br />

sich nicht nur darauf fokussieren, Kosten zu<br />

optimieren, sondern auch die neuartige Rolle des<br />

Einkaufs sowie des Unternehmens ernst nehmen<br />

und vorleben. Das ist auch für die zukünftige Entwicklung<br />

von Betrieben relevant. Denn junge Talente<br />

achten vermehrt auf Aspekte wie Nachhaltigkeit<br />

bei potenziellen Arbeitgebern. Damit gewinnt<br />

die Thematik im Kontext der Personalentwicklung<br />

an Gewicht. Für Nowosel sind Beschäftigte im Einkauf<br />

in Zukunft somit auch mehr Business Manager<br />

denn Sourcing Manager.<br />

Das Procurement als zentrale Geschäftseinheit:<br />

Dieser Trend wird sich künftig weiter verstärken.<br />

Zukunftsgerichtete Technologien und Herangehensweisen<br />

sind der Schlüssel, um ihn zum Erfolgsfaktor<br />

zu machen.<br />

Ellen Förster, SAP SE<br />

Bild: SAP Image Library<br />

24 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Bild: Andrey Popov/stock.adobe.com<br />

„Lokal Einkaufen“ vereinfacht den<br />

Einkaufsprozess und bringt<br />

Einkaufsleiter mit lokalen oder<br />

regionalen Anbietern zusammen.<br />

Unterstützung beim Einkauf aus der Region<br />

Lokal einkaufen<br />

In örtliche Gemeinschaften zu investieren, hat für deutsche Geschäftskunden<br />

aus den Bereichen Bildung, öffentlicher Sektor, Automobilherstellung oder Bau<br />

und Technologie eine hohe Priorität. Aber auch bei Industrieunternehmen spielt<br />

die Unterstützung der lokalen Firmen eine immer stärkere Rolle.<br />

In einer kürzlich durchgeführten Umfrage<br />

von Amazon Business gaben 90<br />

Prozent der Führungskräfte im <strong>Beschaffung</strong>swesen<br />

an, dass Investitionen in lokale<br />

Gemeinschaften eines ihrer <strong>Beschaffung</strong>sziele<br />

sind. Dieses Ziel lässt sich mithilfe<br />

des neuen Features von Amazon<br />

Business leichter erreichen: Lokal Einkaufen.<br />

Das Feature ermöglicht es Einkaufsteams,<br />

Lieferanten auf Länder- oder sogar<br />

Stadtebene zu identifizieren, lokale Kaufentscheidungen<br />

zu treffen und in ortsansässige<br />

Unternehmen zu investieren.<br />

Mit Lokal Einkaufen bietet Amazon Business<br />

die Möglichkeit, unternehmensweite<br />

Vorgaben schnell umzusetzen, um den<br />

Einkauf in der Region zu begünstigen. Dabei<br />

helfen individuell einstellbare Filter zu<br />

Umgebung und Preisen. Alle Besteller einer<br />

Organisation können unter den verschiedenen<br />

wettbewerbsfähigen Angeboten<br />

die lokalen <strong>Beschaffung</strong>soptionen sehen.<br />

So sorgt das Feature dafür, dass man<br />

den Vorgaben zum regionalen Einkauf<br />

nachgehen kann und einen einfachen Zugang<br />

zu lokalen Anbietern erhält.<br />

Florian Böhme, Deutschlandchef Amazon<br />

Business: „Die <strong>Beschaffung</strong> von Produkten<br />

und Dienstleistungen von ortsansässigen<br />

Unternehmen bietet eine große<br />

Chance, aber gleichzeitig bleibt es eine<br />

Herausforderung, bestehende Lieferketten<br />

zu verändern, insbesondere in größeren<br />

Unternehmen. Wir haben Lokal Einkaufen<br />

mit dem Ziel auf den Weg gebracht,<br />

genau das zu erleichtern. Lokal<br />

Einkaufen vereinfacht den lokalen Einkaufsprozess<br />

und bringt Einkaufsleiter<br />

mit lokalen oder regionalen Anbietern zusammen.<br />

So können sie nachhaltiger einkaufen<br />

und gleichzeitig die <strong>aktuell</strong>en und<br />

zukünftigen Compliance-Richtlinien ihres<br />

Unternehmens einhalten.”<br />

Lokal Einkaufen bietet außerdem Zugriff<br />

auf die Amazon-Business-Analysetools,<br />

so dass alle lokal getätigten Ausgaben<br />

leicht nachverfolgt, verwaltet und mit<br />

den Unternehmens- und Teamzielen verglichen<br />

werden können. Das gibt EinkaufsleiterInnen<br />

alle Informationen, die<br />

sie benötigen, um schnellere und strategischere<br />

Entscheidungen zu treffen. Mit<br />

Echtzeitdaten können Führungskräfte den<br />

Fortschritt bei der Erreichung lokaler Einkaufsziele<br />

vorantreiben, den Prozess optimieren,<br />

künftige Budgets prognostizieren<br />

und Richtlinien entwickeln, um die Ausgaben<br />

zu steuern.<br />

Nachhaltig einkaufen<br />

In Deutschland geben zahlreiche Unternehmen,<br />

die am ersten Rollout des Fea -<br />

tures teilgenommen haben, bereits bis zu<br />

50 Prozent ihrer Amazon-Business-Einkaufsbudgets<br />

über Lokal Einkaufen aus,<br />

wobei bestimmte Schlüsselsektoren bei<br />

der Nutzung dieser Funktion führend sind.<br />

So haben zum Beispiel die Unternehmen<br />

des öffentlichen Sektors in Deutschland<br />

ihre Ausgaben bei lokalen Anbietern während<br />

der ersten Einführung um mehr als<br />

18 Prozent erhöht. Auch andere Branchen<br />

wie Bildung, Bauwesen und Technologie<br />

machen von der Funktion Gebrauch.<br />

Compliance einhalten<br />

Zusätzlich zum vermehrten Kauf bei lokalen<br />

Lieferanten nutzen viele Kunden in<br />

ganz Europa, wie etwa Universitäten sowie<br />

Automobil- und Technologieunternehmen,<br />

die Funktionen von Amazon<br />

Business, so z. B. Guided Buying, das Unternehmen<br />

ermöglicht, ihre Ausgaben auf<br />

eine beliebige Anzahl von Prioritäten auszurichten.<br />

Oder die Anwendungsprogrammierschnittstellen<br />

(API) von Amazon<br />

Business, um zeitaufwendige manuelle<br />

Aufgaben zu automatisieren, sodass die<br />

Einkäufer mit ihren bestehenden Einkaufstools<br />

„Climate Pledge Friendly“-Produkte<br />

finden und bestellen können. Diese<br />

Funktionen ermöglichen es, unternehmensweite<br />

<strong>Beschaffung</strong>svorgaben zu setzen.<br />

Das gibt die Möglichkeit, mehr Geld<br />

für nachhaltige Produkte auszugeben.<br />

(sas)<br />

business.amazon.de/soziale-verantwortung/lokaleinkaufen<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 25


» MANAGEMENT<br />

Prof. Dr. Dr. Hermann Simon – Wertverlust des Geldes<br />

Die Inflation schlagen<br />

Die heutige Management-Generation hat keine Erfahrung mit der Inflation, sagt der<br />

Experte für Preis- und Gewinnmanagement, Professor Hermann Simon. Auf Einkauf<br />

und Vertrieb lastet dabei der größte Druck. Worauf es im Einkauf ankommt, erklärt<br />

Pricing-Profi Simon im Interview mit <strong>Beschaffung</strong> Aktuell.<br />

Herr Professor Simon, alles wird teurer<br />

und das sehr schnell. Was bedeutet<br />

Inflation für die Industrie?<br />

Hermann Simon: Eine Bemerkung dazu<br />

vorweg: In einem weit verbreiteten<br />

Verständnis heißt Inflation, dass Waren<br />

teurer werden. Genau das Umgekehrte<br />

passiert: Das Geld verliert an Wert. Im antiken<br />

Rom konnten Sie für eine Unze Gold<br />

genauso viel Brot kaufen wie heute. Inflation<br />

bedeutet also: Das Geld wird verderblich,<br />

man sollte sich möglichst<br />

schnell wieder von ihm trennen.<br />

Was muss sich ändern?<br />

Simon: Inflation betrifft nicht nur die<br />

Einkaufs- und Verkaufspreise, sondern<br />

das ganze Unternehmen. Jeder und jede<br />

muss verstehen, dass eine neue Zeitrechnung<br />

begonnen hat. Alle, angefangen bei<br />

der Unternehmensspitze, müssen sich Gedanken<br />

machen, wie sie mit der Geldentwertung<br />

umgehen. Erschwerend kommt<br />

hinzu, dass die <strong>aktuell</strong>e Manager-Generation<br />

mit Inflation überhaupt keine Erfahrung<br />

hat. Seit den 1970er-Jahren hat es<br />

keine vergleichbaren Preisanstiege gegeben.<br />

Die Schnelligkeit, mit der die Inflation<br />

damals und 2021 aufkam, genauso wie<br />

die Höhe der Preissteigerungen ähneln<br />

sich im Übrigen verblüffend.<br />

Die Inflation kam ruckartig. Welche<br />

Maßnahmen empfehlen Sie?<br />

Prof. Dr. Dr. Hermann Simon<br />

Simon: Beschleunigen Sie Ihre Prozesse,<br />

angefangen beim Vertriebsprozess, in den<br />

der Einkauf mit seinem Sourcing agil eingebunden<br />

werden muss. Normalerweise<br />

dauern Vertriebsprozesse Wochen, Monate,<br />

wenn nicht Jahre, diese Zeiträume<br />

muss ich verkürzen. Wenn ich heute ein<br />

Angebot erstelle, erhalte den Auftrag in<br />

drei Monaten und stelle die Rechnung einige<br />

Zeit später, ist das Jahr kaputt. Dann<br />

laufe ich der Kostenwelle hinterher, anstatt<br />

mich mit meinen Preisen vor die<br />

Welle zu setzen. Ich brauche durchgängige<br />

Informationssysteme, damit der Verkauf<br />

auf Basis der <strong>aktuell</strong>en Wiederbeschaffungspreise<br />

seine Angebote erstellen<br />

kann. Auch der Einkauf braucht klare Zielvorgaben.<br />

Selbst wenn die Versorgungssicherheit<br />

<strong>aktuell</strong> an oberster Stelle steht.<br />

Hermann Simon ist Gründer von Simon-Kucher & Partners.<br />

Der Experte für Strategie, Gewinn und Pricing ist der<br />

einzige Deutsche in der „Thinkers 50 Hall of Fame“ der<br />

wichtigsten Managementdenker der Welt.<br />

Inwiefern lassen sich die gestiegenen<br />

Kosten an die Kunden weitergeben?<br />

Simon: Bei einer Preissteigerung kann<br />

man – das zeigen unsere Umfragen – etwa<br />

die Hälfte auf die Kunden überwälzen,<br />

20 Prozent durch Kosten- und Effizienzsteigerungen<br />

rausholen, die restlichen<br />

30 Pro zent bleiben hängen. Das sind die<br />

Durchschnittswerte. Natürlich gibt es<br />

auch Gewinner und Ver lierer . Um die Situation<br />

meines Unternehmens beurteilen<br />

zu können, muss ich zudem mit dem inflationsbereinigten<br />

Umsatz und Gewinn<br />

kalkulieren. Das ver gessen viele und unterliegen<br />

der Geld illusion, das heißt die<br />

Umsätze steigen, der Gewinn auch, aber<br />

nur nominal, nicht real.<br />

Aktuell ist der Einkauf froh, wenn die<br />

Versorgung steht. Werden die Verhandlungen<br />

wieder härter?<br />

Simon: Wenn die Preise dauerhaft<br />

steigen , gerät der Verkauf unter Druck.<br />

Gerade im B2B-Sektor ist mit härteren<br />

Verhandlungen zu rechnen. Der Einkauf<br />

kann als Gegenleistung für die Akzeptanz<br />

höherer Preise Zugaben einfordern, Services,<br />

Beratungsleistungen, bessere Lieferbedingungen.<br />

Wenn ich schon nicht<br />

vermeiden kann, dass die Preise steigen,<br />

dann sollte das Unternehmen an anderer<br />

Stelle etwas einsparen bzw. dazugewinnen.<br />

Zahlungsziele werden ebenfalls interessanter.<br />

Auch die Skonti werden, dort,<br />

wo sie an Bedeutung verloren haben, zurückkommen.<br />

Was ist mit der Möglichkeit die steigenden<br />

Kosten aufzuteilen?<br />

Simon: Das sollte im Einkauf Teil jeder<br />

Verhandlung sein. Selbst wenn das ein<br />

oder andere Lieferrisiko verschwindet und<br />

die Engpässe ausgeglichen werden, bleibt<br />

die Geldmenge hoch, und sie lässt sich<br />

auch so schnell nicht zurückführen. Das<br />

bedeutet, wir müssen mit der Inflation<br />

erstmal leben. Für den Einkauf heißt das,<br />

dass er sich mit seinen Lieferanten auf<br />

neue Wege begeben und gemeinsame<br />

Lösungen für Kostensteigerungen suchen<br />

muss. Es gilt zu zusammen erarbeiten,<br />

wie die Mehrkosten aufgesplittet, beziehungsweise<br />

durch neue Konzepte ausgeglichen<br />

werden können. Potenziale gibt es<br />

immer. Der Vertrieb wird sich in diese<br />

Richtung bewegen müssen. Der Einkauf<br />

sollte das einfordern.<br />

26 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Prof. Dr. Dr. Hermann Simon über die Folgen des<br />

Geldwertverlusts für Unternehmen.<br />

Bild: Schafgans dghp<br />

Wenn Preise monatlich erhöht werden,<br />

wird es dann die großen Jahresgespräche<br />

noch geben oder verlagert sich das<br />

Geschäft auf Plattformen?<br />

Simon: Für kleinere und mittlere Unternehmen<br />

wird das Zusammenfassen der<br />

Nachfrage über Plattformen an Bedeutung<br />

gewinnen, ganz klar. Die Verhandlungsmacht<br />

kleiner Firmen ist viel zu gering,<br />

als dass sich das direkte Verhandeln<br />

mit Lieferanten bei ständigen Preiserhöhungen<br />

noch lohnt. Die Inflation wird das<br />

Plattformgeschäft beschleunigen. Firmen<br />

mit einer größeren Einkaufsmacht werden<br />

Rahmenverträge aushandeln. Insbesondere<br />

für langfristige Geschäfte. Da wird sich<br />

eine Koexistenz entwickeln.<br />

Rahmenverträge enthalten zunehmend<br />

Preisgleitklauseln. Damit verlagert sich<br />

das Risiko auf das einkaufende Unternehmen.<br />

Wird die vertikale Rückintegration<br />

zum Thema?<br />

Simon: Das glaube ich nicht. Denn dann<br />

tragen die Unternehmen neben den variablen<br />

Kosten das Risiko der Fixkosten.<br />

Natürlich kann die Erhöhung der Wertschöpfungstiefe<br />

aus einer strategischen<br />

Überlegung heraus Sinn machen. Einige<br />

namhafte deutsche Modemarken sind<br />

aber zum Beispiel genau an dem Konzept<br />

gescheitert, den Vertrieb über eigene<br />

Stores abzuwickeln. Die Fixkosten sind,<br />

zumal bei schwankender Nachfrage, ein<br />

»Inflation betrifft nicht<br />

nur die Einkaufs- und<br />

Verkaufspreise,<br />

sondern das ganze<br />

Unter nehmen. Jeder<br />

und jede muss<br />

verstehen , dass eine<br />

neue Zeitrechnung<br />

begonnen hat.«<br />

hohes Risiko. Nicht für jedes Unternehmen<br />

und nicht in jedem Markt lohnt die<br />

Erweiterung der Wertschöpfungskette.<br />

Das muss man sehr genau abwägen.<br />

Einkauf und Vertrieb müssen intern enger<br />

zusammenarbeiten. Worauf kommt<br />

es dabei an?<br />

Simon: Entscheidend ist die Umstellung<br />

von der Preiskalkulation auf Basis historischer<br />

<strong>Beschaffung</strong>skosten, auf eine Preiskalkulation<br />

basierend auf den Wiederbeschaffungskosten.<br />

Bei Investitionsgütern<br />

ist das durchaus komplex: Auf welcher<br />

Stundenbasis kalkuliere ich Maschinenkosten,<br />

wenn der Wiederbeschaffungspreis<br />

der Maschine deutlich ansteigen<br />

wird. Buchhalterisch schreibe ich die<br />

Maschinen stunden auf Basis des historischen<br />

Anschaffungspreises ab. Anders<br />

sieht das für die Preisgestaltung aus.<br />

Was muss sich ändern?<br />

Simon: Für zentrale Bauteile und Erzeugnisse<br />

sind die Werte in Richtung der Angebotspreise<br />

in vielen Firmen angepasst. In<br />

Zeiten der Inflation müssen die Wiederbeschaffungskosten<br />

jedoch durchgängig für<br />

alle Bauteile und Materialien berücksichtigt<br />

werden. Das ist noch nicht überall angekommen.<br />

Zudem gewinnt ein weiteres<br />

Thema an Bedeutung: Die Schaffung stiller<br />

Reserven. Die Lücke zwischen Anschaffungs-<br />

und Wiederbeschaffungswert führt<br />

zu Scheingewinnen, da Abschreibungen<br />

nur auf die Anschaffungskosten erfolgen.<br />

Was ist mit Finanzinstrumenten in<br />

Richtung Lieferkette?<br />

Simon: Die Lieferkettenfinanzierung<br />

wird interessant, wenn ich als einkaufendes<br />

Unternehmen an günstigere Finanzierungskonditionen<br />

komme, diese an meine<br />

Lieferanten weitergebe und so die Lieferkette<br />

bzw. deren Finanzierung absichere.<br />

Steigen die Zinsen, wird auch dieses Instrument<br />

für das Working Capital Management<br />

an Bedeutung gewinnen. Die Kapital -<br />

kosten steigen mit den Zinsen und das<br />

hat Auswirkungen auf meine Lieferkette.<br />

Und die Bestände sind bald Gold wert …?<br />

Simon: Aber hier drückt der Zins. Wir<br />

werden die Ziele des Working Capital<br />

Management künftig außerdem sehr viel<br />

stärker gegen ein vernünftiges Risiko -<br />

management abwägen müssen. Wenn der<br />

halben Nation der Atem stockt, nur weil<br />

im Suezkanal ein Schiff quer steht, dann<br />

habe ich meine Lieferketten eindeutig zu<br />

weit ausgereizt und sollte schon allein aus<br />

diesen Gründen umdenken.<br />

Das Gespräch führte die Journalistin<br />

Annette Mühlberger.<br />

Buch-Tipp<br />

Die Inflation schlagen.<br />

Agil, konkret, effektiv<br />

Hermann Simon<br />

Campus 2022,<br />

Hardcover, 208 Seiten,<br />

30,00 €<br />

ISBN: 978–3593516738<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 27


Start-ups sind der<br />

Katalysator für Innovation<br />

in der <strong>Beschaffung</strong>.<br />

Fokus auf Automatisierung, Analytik und Nachhaltigkeit<br />

Wie Start-ups die <strong>Beschaffung</strong><br />

verändern<br />

Bild: mirsad/stock.adobe.com<br />

Um eine Antwort auf die Frage zu finden, warum sich die <strong>Beschaffung</strong> gerade grundlegend<br />

verändert, müssen wir zunächst in der Fragestellung etwas herauszoomen und<br />

das Gesamtbild in den Blick nehmen: ProcureTech-Start-ups per se sind nicht die<br />

Ursache dafür, dass sich die <strong>Beschaffung</strong> derzeit verändert, sondern vielmehr zwei<br />

fundamentale Entwicklungen.<br />

Aktuell verändern sich die makroökonomischen<br />

und geopolitischen Rahmenbedingungen<br />

rund um den Einkauf<br />

und die Lieferketten fundamental: Ereignisse<br />

wie die Coronakrise, die Blockade<br />

des Suez-Kanals, das Desaster in der<br />

Ukraine, geopolitische Spannungen, beispielsweise<br />

mit China, oder die zunehmende<br />

Relevanz des Themas Nachhaltigkeit<br />

auf Einkaufsentscheidungen stehen<br />

hier in ihrer Wirkungsmacht im Vordergrund<br />

und sind Treiber der Entwicklung.<br />

Außerdem verändern sich gerade die<br />

technologischen Möglichkeiten der Branche<br />

mit einer nie dagewesenen Schnelligkeit:<br />

Die großen Softwareanbieter in der<br />

Felix Plapperer,<br />

Paua Ventures<br />

Bild: Paua Ventures<br />

<strong>Beschaffung</strong> wie z. B. Coupa, Jaggaer und<br />

SAP Ariba wurden vor 10 bis 20 Jahren<br />

gegründet oder entwickelt. Seitdem gab<br />

es jedoch eine Reihe an großen technologischen<br />

Umbrüchen, welche es erlauben,<br />

Software um ein Vielfaches günstiger zu<br />

entwickeln, flexibler aufzubauen und insbesondere<br />

Daten viel intelligenter einzusetzen.<br />

Die altbewährten Systeme bieten<br />

in erster Linie „Prozess-Stützen“ in Form<br />

von „Workflow-Software“. Allerdings gibt<br />

es, wenn überhaupt, nur sehr wenige<br />

Funktionen, die das Potenzial der heute<br />

verfügbaren Daten nutzen, um Informationen<br />

intelligent zu transportieren oder<br />

um Entscheidungen zu automatisieren.<br />

Antreiber der Veränderung<br />

Start-ups sind also nicht die Ursache für<br />

die Veränderung in der <strong>Beschaffung</strong>. Sie<br />

sind als organisatorische Schnellboote allerdings<br />

ein außergewöhnlich gut geeignetes<br />

Vehikel, um den immensen Innovationsdruck,<br />

der sich in der <strong>Beschaffung</strong><br />

aufgrund der angesprochenen Entwicklungen<br />

aufgebaut hat, in zukunftsgewandte<br />

Wertschöpfung umzuwandeln.<br />

Start-ups sind der Katalysator für Innovation<br />

in der <strong>Beschaffung</strong>. Datengetriebene<br />

ProcureTech-Start-ups könnten in den<br />

kommenden Monaten und Jahren vor allem<br />

in drei Bereichen die Branche transformieren<br />

und Mehrwert für Unternehmen<br />

generieren:<br />

1. Smarte Automatisierung<br />

Viele Unternehmer sehnen sich danach,<br />

repetitive operative Prozesse im Betrieb<br />

zu automatisieren und somit effizienter<br />

arbeiten zu können. Der Einsatz von RPA-<br />

Software wird derzeit von vielen in der<br />

<strong>Beschaffung</strong> als Wundermittel gesehen.<br />

Allerdings ist die Wirkung des Einsatzes<br />

dieser Software-Roboter nur oberflächlich<br />

und in ihrer Wirkung begrenzt, da<br />

diese Systeme nicht in der Lage sind,<br />

komplexe Abläufe intelligent zu lösen.<br />

Hoffnung auf einen wirklichen Schritt<br />

nach vorne machen Start-ups wie Keelvar<br />

oder Pactum mit ihrer intelligenten Automatisierungstechnologie,<br />

die es ermöglicht,<br />

(halb-)autonom mehrstufige <strong>Beschaffung</strong>svorgänge<br />

in Gang zu bringen,<br />

zu verwalten und abzuschließen.<br />

2. Prädiktive Analytik<br />

Ähnlich wie bei der intelligenten Automatisierung<br />

ziehen prädiktive Analyselö-<br />

28 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


MANAGEMENT «<br />

sungen ihre Erkenntnisse aus einer Vielzahl<br />

von internen und externen Daten,<br />

um Entscheidungen in Bezug auf beschaffungsbezogene<br />

Fragen zu treffen.<br />

Zur Frage „Was soll ich von wem kaufen?“<br />

bieten Start-ups wie Lhotse, Globality<br />

oder Fairmarkit mit ihrer Software sehr<br />

gute Antworten. Sie unterstützen <strong>Beschaffung</strong>steams<br />

dabei, sich mit ihren<br />

Geschäftspartnern über den jeweiligen<br />

Bedarf an Produkten oder Dienstleistungen<br />

abzustimmen – und anschließend die<br />

richtigen Lieferanten zu identifizieren,<br />

um diesen Bedarf zu decken.<br />

Auch bei der Kalkulation der Preise und<br />

der Frage „Wie viel soll ich bezahlen?“<br />

sind Analytik-Tools mittlerweile eine sehr<br />

große Hilfe für Unternehmen. Lösungen<br />

wie Makersite oder Costforce helfen ihren<br />

<strong>Beschaffung</strong>skunden bei der Einschätzung,<br />

welchen Preis sie zahlen sollten. Die<br />

Grundlage für diese Einschätzungen sind<br />

Bottom-up-Kostenschätzungen und <strong>aktuell</strong>e<br />

Benchmark-Werte.<br />

Auch auf die elementare Frage „Wie viel<br />

und wann sollte ich kaufen?“ können ProcureTech-Start-ups<br />

mittlerweile datenbasierte<br />

Antworten liefern. Eine <strong>Beschaffung</strong>sexpertin,<br />

die mit dem Einkauf von<br />

Chemikalien betraut ist, steht beispielsweise<br />

konstant vor der Herausforderung,<br />

zu entscheiden, wann sie welche Menge<br />

am besten einkauft. Sie muss ihre Entscheidungen<br />

auf der Grundlage von Faktoren<br />

wie Lagerbeständen, Produkthaltbarkeit,<br />

Produktionsplänen und Spotmarktpreisen<br />

punktgenau abwägen. Unternehmen<br />

wie GenLots oder Datapred<br />

ermöglichen ihr, genau dies zu tun.<br />

3. Nachhaltigkeit<br />

Gut möglich, dass das <strong>Beschaffung</strong>swesen<br />

schon sehr bald neben den Einsparungen<br />

bei den Ausgaben eine zweite, entscheidende<br />

KPI haben wird – und zwar eine<br />

nachhaltige Dimension im Blick auf die<br />

Einsparung umweltschädlicher Emissionen.<br />

Es entstehen immer mehr Procure-<br />

Tech-Unternehmen, die genau das ermöglichen<br />

– Unternehmen wie Integrity-<br />

Next, CarbMee oder Responsibly gehören<br />

mit ihren Lösungen in diesem Bereich<br />

derzeit zu den Vorreitern.<br />

Ein Markt im Wandel<br />

Zusammenfassend lässt sich konstatieren,<br />

dass <strong>aktuell</strong> im großen Maßstab ein „unbundling“<br />

von Einkaufs-Software entlang<br />

der Wertschöpfungskette stattfindet.<br />

Derzeit gibt es in diesem Bereich nur eine<br />

Handvoll großer Unternehmen: Coupa,<br />

Jaggaer und SAP Ariba. Diese versuchen,<br />

sämtliche Prozessschritte entlang der<br />

Value Chain abzubilden. Mit Blick auf die<br />

Entwicklungen der letzten Jahre und die<br />

heutigen technologischen Möglichkeiten<br />

kratzen diese Lösungen jedoch nur an der<br />

Oberfläche, da sie Defizite in der Datenverarbeitung<br />

haben und keine wirklich intelligenten<br />

Tools sind.<br />

Schon bald werden sich aus diesem Grund<br />

eine Reihe neuer Unternehmen im Markt<br />

etablieren, die sich auf einzelne wichtige<br />

Schritte in der Wertschöpfungskette konzentrieren<br />

und dafür intelligente Software<br />

entwickeln. Paua Ventures hat es<br />

sich zum Ziel gesetzt, eines oder sogar<br />

mehrere dieser künftigen Vorreiterunternehmen<br />

in der frühen Entstehungsphase<br />

zu entdecken und mit entsprechender finanzieller<br />

Unterstützung weiter voranzubringen.<br />

Eine Auswahl an ProcureTech-Start-ups:<br />

Keelvar aus Cork (Irland) ist Vorreiter, wenn es um<br />

Automatisierung im Sourcing geht. „Sourcing Bots“<br />

nehmen Kunden wiederkehrende Aufgaben ab und<br />

leisten datengetriebene Hilfe in Entscheidungsprozessen.<br />

Kunden wie Siemens, Microsoft, Coca Cola<br />

oder Novartis setzen auf Keelvar.<br />

Das Berliner Unternehmen Lhotse vereinfacht die interne<br />

Abstimmung zwischen Einkauf und Fachabteilungen<br />

und verhindert damit Maverick Spend im Unternehmen.<br />

Außerdem trifft Lhotse teil-automatisierte<br />

Entscheidungen, ob eine Anfrage über vorhandene<br />

Kataloge, bei einem Bestandslieferanten oder über eine<br />

Ausschreibung beschafft werden soll.<br />

Der SaaS-Anbieter Makersite aus München hilft Firmen<br />

dabei, resiliente Lieferketten zu etablieren und<br />

den richtigen Preis für Transaktionen festzulegen.<br />

Ebenfalls aus München, gibt Costforce Unternehmen<br />

in Echtzeit einen Überblick, wie sich unterschiedliche<br />

Bedürfnisse in der <strong>Beschaffung</strong> im Preis abbilden.<br />

Datapred aus Lausanne (Schweiz) ist spezialisiert auf<br />

die Märkte Energie und Rohstoffe. Die KI-getriebene<br />

Software analysiert Marktdynamiken und antizipiert<br />

Preistrends.<br />

IntegrityNext aus München ermöglicht es Unternehmen,<br />

ihre Lieferanten zu qualifizieren und zu überwachen,<br />

die Aspekte Nachhaltigkeit und Compliance zu<br />

verbessern und Reputationsverlust zu vermeiden.<br />

CarbMee aus Berlin unterstützt Unternehmen dabei,<br />

schädliche Emissionen entlang der Wertschöpfungskette<br />

nicht nur zu messen, sondern auch mithilfe datengetriebener<br />

Insights gezielt zu reduzieren.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 29


» MANAGEMENT<br />

Expertentipps zur Einführung des LkSG<br />

Lieferkettengesetz: Wie können<br />

sich Unternehmen vorbereiten?<br />

Weltweit machen sich Regierungen und Unternehmen für nachhaltigere Geschäftspraktiken<br />

stark. Immer mehr Verbraucher wollen wissen, unter welchen Bedingungen<br />

die gekauften Produkte hergestellt wurden und wie groß deren ökologischer<br />

Fußabdruck ist. Deutschland gehört zu den Ländern, die diese Verantwortung auch<br />

gesetzlich verankern wollen.<br />

Ab Januar 2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

in Deutschland in Kraft. Unternehmen<br />

mit mehr als 3000 Mitarbeitern sind dafür<br />

verantwortlich, dass ein bestimmtes Maß an Umwelt-,<br />

Sozial- und Unternehmensstandards – auch<br />

ESG-Standards – über die gesamte Lieferkette hinweg<br />

eingehalten werden. Wenige Monate vor Inkrafttreten<br />

des Gesetzes stellt sich die Frage: Wie fit<br />

sind deutsche Unternehmen?<br />

Laut<br />

einer Umfrage von<br />

Coupa glauben 70<br />

Prozent zwar, dass<br />

sie die Verpflichtungen<br />

aus dem<br />

neuen Lieferkettengesetz<br />

erfüllen<br />

können. Gleichzeitig<br />

aber können 60 Prozent nicht beurteilen, ob ihre<br />

direkten Lieferanten Standards in den Bereichen Umwelt,<br />

Soziales und Unternehmensführung auch tatsächlich<br />

umsetzen. Das aber ist eine Grundvoraussetzung,<br />

um das neue Gesetz zu erfüllen.<br />

Was genau kommt auf<br />

Unternehmen zu?<br />

Unternehmen müssen gemeinsam mit ihren direkten<br />

und indirekten Lieferanten sowie Subunternehmen<br />

geeignete Maßnahmen zur Einhaltung des Gesetzes<br />

ergreifen und diese dokumentieren. Ihre Aufgabe<br />

wird es sein, dafür zu sorgen, dass ESG-Standards<br />

eingehalten werden. Dazu müssen sie die internen<br />

Regelungen öffentlich zugänglich machen, um die<br />

Sorgfaltspflicht einzuhalten. Schließlich verpflichten<br />

sie sich, die ergriffenen Maßnahmen und eventuelle<br />

Verstöße jährlich an das Bundesamt für Wirtschaft<br />

und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu melden. Unternehmen,<br />

die dieser Pflicht nicht nachkommen, drohen<br />

Strafen, die je nach Art und Schwere des Verstoßes<br />

bis zu acht Millionen Euro betragen. Ab 2024 wird<br />

der Geltungsbereich des Gesetzes auch auf Unternehmen<br />

mit mehr als 1000 Beschäftigten ausgeweitet.<br />

Doch wie können sich Unternehmen vorbereiten?<br />

Zunächst müssen sich die Verantwortlichen, wie zum<br />

Beispiel Lieferkettenplaner und -manager, einen<br />

Überblick über sämtliche Lieferanten und Unterlieferanten<br />

verschaffen. Eine frühzeitige Überprüfung der<br />

Anbieter und deren<br />

Leistung sollte ins<br />

»Die Technologie des digitalen<br />

Zwillings nutzt künstliche<br />

Intelligenz , um virtuelle Modelle der<br />

gesamten Lieferkette eines<br />

Unternehmens zu erstellen.«<br />

Risikomanagement<br />

einfließen. Die<br />

Überprüfung sollte<br />

auch das Risiko -<br />

management der<br />

Drittanbieter in<br />

Bezug auf ihre<br />

Lieferketten umfassen.<br />

Bei Vertragsabschluss können auch entsprechende<br />

Klauseln aufgenommen werden, die erweiterte<br />

Lieferkettenrisiken adressieren.<br />

Zu einem umfassenden Risikomanagement gehört<br />

dann auch die Definition von Prozessen und Präventionsmaßnahmen,<br />

die die gesamte Lieferkette betreffen.<br />

Diese sollten so gestaltet sein, dass jeder Einzelne<br />

im Unternehmen – inklusive Geschäftsleitung –<br />

diese Maßnahmen nachvollziehen kann. Weil in großen<br />

Unternehmen nicht immer klar eingegrenzt werden<br />

kann, wer alles mit der Lieferkette in Berührung<br />

kommt oder auch mit Fragen zu ESG in der Lieferkette<br />

konfrontiert wird, sollten Unternehmen idealerweise<br />

alle Beschäftigten schulen und für das Thema<br />

sensibilisieren.<br />

Schließlich müssen die Lieferkettenverantwortlichen<br />

auch sicherstellen, dass die Prozesse und Präventionsmaßnahmen<br />

auch konsequent eingehalten werden.<br />

Etwa die Hälfte der Befragten gab an, dass das<br />

in ihren Unternehmen eine große Herausforderung<br />

ist. Sind nicht alle Lieferanten aller Abteilungen er-<br />

30 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Bild: Coupa<br />

Laut einer Umfrage von Coupa glauben 70 Prozent, dass sie die Verpflichtungen aus dem neuen Lieferkettengesetz erfüllen können. Aber 60 Prozent können<br />

nicht beurteilen, ob ihre direkten Lieferanten Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung auch tatsächlich umsetzen.<br />

fasst oder auf die Einhaltung von ESG-Standards<br />

überprüft und Abteilungen kaufen immer noch von<br />

etablierten Kontakten außerhalb des Risikomanagements,<br />

kann das zu Verstößen führen. Umfassende<br />

und regelmäßige Audits und transparentere Prozesse<br />

können solche Fehler direkt aufdecken.<br />

Übergreifendes<br />

Risikomanagement<br />

Eine große Herausforderung für Unternehmen ist es<br />

oft, an die für die Einhaltung des Gesetzes wichtigen<br />

Daten zu kommen. Fast alle der befragten Unternehmen<br />

sind davon überzeugt, dass eine stärkere branchenweite<br />

Zusammenarbeit und der Austausch<br />

wichtiger Daten über die ESG-Standards von Lieferanten<br />

erforderlich sind. 79 Prozent aller befragten<br />

Unternehmen glauben, dass sie das Lieferkettengesetz<br />

besser einhalten könnten, wenn wichtige ESG-<br />

Daten offen und sofort für alle potenziellen Käufer<br />

zur Verfügung stünden. Außerdem sollte die eingesetzte<br />

Technologie für die Einhaltung von ESG-Standards<br />

ausgelegt sein. Mehr als die Hälfte der Befragten<br />

gab an, dass der Einsatz der falschen Technologie<br />

ein großes Hindernis darstellt, ihre Lieferanten richtig<br />

zu bewerten. Es reicht also nicht, wenn irgendwo<br />

auf dem Server mehrere Excel-Listen liegen, die im<br />

Endeffekt niemand nutzt.<br />

Eine professionelle Software kann dabei helfen, Silos<br />

abzubauen und Transparenz über die gesamte Lieferkette<br />

hinweg zu schaffen. Die Technologie des digitalen<br />

Zwillings beispielsweise nutzt künstliche Intelligenz,<br />

um virtuelle Modelle der gesamten Lieferkette<br />

eines Unternehmens zu erstellen. Dies kann für die<br />

Simulierung von Szenarien sowie Stresstests verwendet<br />

werden, um die Schwachstellen zu ermitteln und<br />

risikoreiche Lieferanten zu identifizieren, was die Widerstandsfähigkeit<br />

der Lieferkette enorm verbessern<br />

kann.<br />

Transparenter Datenaustausch<br />

kann allen helfen<br />

Jedes Unternehmen, das seine Lieferkette optimieren<br />

und seine ESG-Verpflichtungen erfüllen möchte,<br />

muss einen Datenaustausch in Betracht<br />

ziehen. Dieser gemeinschaftsbasierte<br />

Ansatz hilft nicht nur, die <strong>Beschaffung</strong><br />

besser zu planen. Er gibt<br />

auch Aufschluss darüber, wie die Lieferkette<br />

den ESG-Kriterien entsprechend,<br />

z. B. Verringerung der<br />

CO 2 -Emissionen, gestaltet werden<br />

kann und wie die ESG-Risiken von Lieferanten<br />

schneller bewertet werden<br />

können. So lassen sich auch Kompetenzlücken<br />

schließen und die Zusammenarbeit<br />

innerhalb der Lieferkette<br />

verbessern.<br />

Bild: Coupa<br />

Frank Cappel<br />

RVP EMEA Value<br />

Solutions Consulting,<br />

Coupa<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 31


» MANAGEMENT<br />

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

LkSG – welche Auswirkungen<br />

hat der Ukraine-Krieg?<br />

Zum 1. Januar 2023 tritt das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in<br />

Lieferketten (LkSG) in Kraft. Doch was bedeuten unvorhergesehene politische und<br />

wirtschaftliche Ereignisse wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine für die<br />

Umsetzung der neuen LkSG-Pflichten? Wie können Unternehmen den Anforderungen<br />

bei solchen Ereignissen künftig nachkommen?<br />

Der Krieg in der<br />

Ukraine hat weit -<br />

reichende Auswirkungen.<br />

Wer Geschäfte<br />

mit russischen<br />

Unternehmen gemacht<br />

hat, ist jetzt gefordert.<br />

Auch zukünftig muss<br />

der Einkauf seine<br />

Einkaufsentscheidung<br />

en kritisch reflektieren,<br />

um leeren Containern<br />

vorzubeugen.<br />

Bild: zinkevych/stock.adobe.com<br />

dik an, die Unternehmen hilft, Risiken zu<br />

identifizieren, zu bewerten und zu priorisieren,<br />

um so wirksame Maßnahmen festzulegen.<br />

Konkret ist die Ausgestaltung der<br />

Risikoanalyse jedoch nicht gesetzlich festgelegt.<br />

Die Folge: Unternehmen müssen<br />

mit Blick auf ihre Zulieferer selbst eine<br />

strukturierte Methodik etablieren, die die<br />

Einschätzung von Wahrscheinlichkeit, Art<br />

und Schwere sowie das Einflussvermögen<br />

auf Risiken oder etwaige Verstöße geschützter<br />

Rechtspositionen erlaubt. Mittelbar<br />

durch die Anforderungen des LkSG<br />

muss auch der Einkauf seine Einkaufsentscheidungen<br />

künftig besonders kritisch<br />

reflektieren. Auf welche Risiken es an-<br />

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

normiert die Pflicht für Unternehmen,<br />

ein Risikomanagementsystem in<br />

ihrer Lieferkette zu etablieren. Dieses<br />

muss in den verschiedenen Bereichen des<br />

Unternehmens verankert sein, zum Beispiel<br />

der Compliance-Abteilung, der Personalabteilung<br />

und dem Einkauf. Weiterhin<br />

müssen Unternehmen regelmäßig und<br />

anlassbezogen Risikoanalysen durchführen.<br />

Sie sollen transparent machen, welche<br />

Auswirkungen nicht nur die eigenen<br />

Unternehmensaktivitäten auf Menschen<br />

und Umwelt haben – sondern die gesamte<br />

Lieferkette samt aller Zulieferer. Dafür<br />

kommt es auf eine angemessene Methokommt,<br />

ist abschließend in § 2 LkSG geregelt.<br />

Der Katalog umfasst menschenrechtliche<br />

Risiken wie Missachtung von Arbeitsschutz<br />

oder Ungleichbehandlung in<br />

der Beschäftigung, und umweltbezogene<br />

Risiken, wie die Herstellung und Verwendung<br />

von Quecksilber und der nicht umweltgerechte<br />

Umgang mit Abfällen.<br />

Kriege als solche sind davon nicht unmittelbar<br />

erfasst. Doch obwohl sie kein ausdrückliches<br />

Risiko im Sinne des LkSG darstellen,<br />

beeinflussen Kriege mittelbar die<br />

Menschenrechts- und Umweltlage in der<br />

Lieferkette. Etwa können sich aufgrund<br />

der Kriegssituation Prioritäten verschieben<br />

und lokale Gesetze, Verhaltenskodi-<br />

32 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


zes und Standards vernachlässigt werden.<br />

Wäre das LkSG bereits heute in Kraft getreten,<br />

wie sollten Unternehmen mit<br />

(un)mittelbaren Zulieferern in der Ukraine<br />

handeln? Zuerst wäre eine anlassbezogene<br />

Risikoanalyse als Reaktion oder in Vorschau<br />

auf die damit verbundene Veränderung<br />

in ihrem Geschäftsfeld empfehlenswert.<br />

Das LkSG unterscheidet im Umfang<br />

der zu ergreifenden Maßnahmen zwischen<br />

Tier 1 (unmittelbare) und Tier n<br />

(mittelbare) Lieferanten. Tier 1 stellt dabei<br />

strengere Sorgfaltsanforderungen und<br />

umfasst mit unmittelbaren Zulieferern jeden<br />

Vertragspartner, der zur Produktherstellung<br />

oder zur Erbringung der Dienstleistung<br />

notwendig ist – vom Rohstofflieferanten<br />

über den Zulieferer komplexer<br />

Bauteile und Komponenten bis zum IT-<br />

Dienstleister. Doch auch mittelbare Zulieferer<br />

sind zu beachten, wenn Unternehmen<br />

aufgrund der Kriegssituation tatsächliche<br />

Anhaltspunkte über eine<br />

Pflichtverletzung vorliegen (sog. „substantiierte<br />

Kenntnis“). Der Ukrainekrieg<br />

beherrscht <strong>aktuell</strong> die Medien und hat<br />

mittelbar Auswirkungen auf deutsche<br />

Unternehmen – eine substantiierte<br />

Kenntnis dürfte also grundsätzlich anzunehmen<br />

sein.<br />

Wie hätten Unternehmen<br />

<strong>aktuell</strong> handeln müssen?<br />

Im Rahmen der Risikoanalyse bei Zulieferern<br />

sind insbesondere die mutmaßlichen<br />

Menschenrechtsverletzungen und die Annexion<br />

ukrainischen Staatsgebiets durch<br />

russische Streitkräfte als Risikotreiber beachtlich,<br />

wenn sie das Unternehmen zum<br />

Beispiel durch Lieferverzögerungen beeinflussen.<br />

Unternehmen müssen damit<br />

rechnen, dass sich kriegsbedingt Risiken<br />

zur Missachtung des Arbeitsschutzes und<br />

der Koalitionsfreiheit erhöhen. Auch<br />

potenzielle Risiken im Hinblick auf exzessive<br />

Anzahl von Überstunden durch wegfallende<br />

Arbeitskraft entsandter Soldaten,<br />

könnten als erhöht eingestuft werden und<br />

sollten durch die Auswahl geeigneter<br />

Methoden identifiziert und bewertet werden.<br />

Auch bei der Risikoanalyse sind<br />

mittelbare Auswirkungen relevant: Verknappte<br />

Lieferkapazitäten in der Ukraine<br />

können dazu führen, dass die Produkti-<br />

onsvolumina an anderer Stelle erhöht<br />

werden und auch die damit einhergehenden<br />

Risiken steigen. Sind für die Einordnung<br />

und entsprechende Maßnahmen<br />

weitere Informationen über Produktionsstandorte<br />

und vom Zulieferer umgesetzte<br />

Maßnahmen nötig, sollten Unternehmen<br />

diese lieber früher als später einholen.<br />

Lieferanten aus der Pflicht<br />

nehmen?<br />

CocaCola, Goldmann Sachs, Ikea und<br />

viele weitere: Während viele Unternehmen<br />

ihr Russland-Geschäft bereits ohne<br />

gesetz liche Pflicht mit Beginn des Angriffskriegs<br />

stoppten, sind mit Inkrafttreten<br />

des LkSG künftig alle Unternehmen<br />

in der Pflicht, auf Basis ihrer Risikoanalysen<br />

geeignete Maßnahmen abzuleiten.<br />

Wichtig: Im rechtlichen Sinn kann der<br />

Krieg als höhere Gewalt oder Unmöglichkeit<br />

eingeordnet werden, eine grundsätzliche<br />

Leistungsbefreiung des Zulieferers<br />

wäre die Folge. Sonst gelten die Anforderungen<br />

des LkSG. Eine mögliche<br />

Maßnahme für Unternehmen könnte<br />

sein, Leistungen von Lieferanten in<br />

Kriegsgebieten nicht wie vertraglich vereinbart<br />

zu verlangen beziehungsweise<br />

abzurufen, wenn dies Beschäftigte vor<br />

Ort in unmittelbare Gefahr bringen<br />

könnte. Eine generelle Pflicht zum Abbruch<br />

von Geschäftsbeziehungen besteht<br />

jedoch nicht – sie ist das letzte<br />

Mittel, wenn die Rechtsverletzungen<br />

nicht anders beseitigt werden können.<br />

Die Lage bleibt weiter unübersichtlich.<br />

Allgemeine Umsetzungs-, Orientierungshilfen<br />

und Praxisleitfäden, wie die Nachverfolgung<br />

von Lieferketten erfolgen<br />

kann, wurden bereits angekündigt. Insbesondere<br />

für Sonderfälle macht die Volatilität<br />

klärende Handreichungen zur Herstellung<br />

von Rechtssicherheit und -klarheit<br />

des Bundesamts für Wirtschaft und<br />

Ausfuhrkontrolle dringend erforderlich, so<br />

auch zu Risikoanalysen im Kriegsfall. Neben<br />

rein rechtlichen Ausführungen sollten<br />

auch operative Hinweise enthalten<br />

sein, die Unternehmen eine gesetzeskonforme<br />

Implementierung des LkSG in bestehende<br />

Abläufe ermöglichen.<br />

Klärende Handreichungen<br />

sind vonnöten<br />

Bis dahin empfehlen wir, dass Unternehmen<br />

nach Inkrafttreten des LkSG Kriege<br />

und sonstige politische Umbrüche bei der<br />

Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten konsequent<br />

berücksichtigen. Neben den möglichen<br />

gesetzlichen Folgen – im Einzelfall<br />

etwa behördliche Kontrollen, oder die<br />

Durchsetzung von Zwangs- und Bußgeldern<br />

– sind Unternehmen auch dem öffentlichen<br />

Druck ausgesetzt. Die Umsetzung<br />

des LkSG sollte daher unter Berücksichtigung<br />

der geschützten Rechtspositionen<br />

besonders sorgfältig erfolgen.<br />

Die Autoren erarbeiten seit Sommer 2021 ganzheitliche<br />

Lösungsansätze zur Umsetzung des LkSG in PwCs<br />

interdisziplinären Center of Excellence und haben bereits<br />

umfassende Umsetzungserfahrung aus mehreren laufenden<br />

Projekten mit Kunden aus verschiedenen Branchen.<br />

• Dr. Tobias v. Tucher, LL.M. Eur, Rechtsanwalt/Partner bei<br />

PwC Legal, Praxisgruppe IP, IT, Commercial und Datenschutz<br />

• Dr. Jan Joachim Herrmann, Partner bei PwC Deutschland,<br />

Management Consulting Procurement<br />

• Felix Kesselberg, Manager bei PwC Deutschland, Management<br />

Consulting Procurement<br />

• Beate Schindlbeck, Rechtsanwältin / Senior Associate bei<br />

PwC Legal, Praxisgruppe IP, IT, Commercial und Datenschutz<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 33


» MANAGEMENT<br />

Umweltfreundlichkeit bei Textilien nachweisen<br />

Nachhaltige Kleidung verlangt<br />

transparente Wertschöpfungsketten<br />

Nachhaltiger produzierte Bekleidung und Textilien sind im Mainstream angekommen.<br />

Eine transparente textile Wertschöpfungskette ist zwingend erforderlich, um das Ver trauen<br />

der Kunden zu gewinnen. Initiativen wie das U.S. Cotton Trust Protocol bieten verifizierte<br />

Daten, die ihre Fortschritte hinsichtlich einer nachhaltigeren Lieferkette auch für externe<br />

Stakeholder glaubhaft darlegen.<br />

Nachhaltigkeit beginnt<br />

bereits auf dem<br />

Baumwollfeld .<br />

Bild: Trisha Downing/Unsplash<br />

Über fünf Milliarden Kleidungsstücke hängen in<br />

Deutschlands Schränken, Tendenz steigend.<br />

Gleichzeitig versucht die Textilindustrie, die Mengen<br />

an CO 2 -Ausstoß, Wasserverbrauch und Mikroplastik<br />

zu senken. Denn das Bewusstsein der Konsumenten<br />

für ökologische Standards steigt und ist in der Mitte<br />

der Gesellschaft angekommen.<br />

Gefragt sind vor allem ganzheitliche und glaubwürdige<br />

Ansätze, die die Bemühungen um mehr Umweltfreundlichkeit<br />

nachweisen. Ein Beleg für das Interesse<br />

der Branche an einer nachhaltigeren Herstellung<br />

und umweltverträglichen Produkten sind die<br />

gestiegenen Bemühungen der Unternehmen um<br />

hochwertige Transparenzverfahren. Verantwortliche<br />

können aufgrund der Transparenz von Textilien und<br />

Kleidung über die gesamte Lieferkette hinweg beurteilen,<br />

wie nachhaltig ihr Produkt bezogen wurde.<br />

Beispielsweise in puncto Herkunft, Umweltauswirkungen,<br />

Hersteller und Produktionsbedingungen.<br />

Transparenz entscheidend für<br />

Glaubwürdigkeit<br />

Komplexe Lieferketten gehen oft mit mangelnder<br />

Durchsichtigkeit einher, was wiederum die Verbesserung<br />

der Nachhaltigkeit erschwert. Eine vollständige<br />

Kenntnis der Lieferkette ist aber unerlässlich, um die<br />

Verbindung zwischen der nachhaltigen <strong>Beschaffung</strong>spolitik<br />

des Unternehmens und den tatsächlichen<br />

Nachhaltigkeitsergebnissen aufzuzeigen. Die<br />

meisten Unternehmen, die nachhaltigere Baumwolle<br />

beziehen, arbeiten aus diesem Grund mit Zertifizierungsinitiativen<br />

zusammen.<br />

Ein Beispiel aus der Praxis für derartige Zertifizierungen<br />

ist die Baumwoll-Initiative „U.S. Cotton Trust<br />

Protocol“. Das Trust Protocol konzentriert sich auf die<br />

Baumwollproduktion in den Vereinigten Staaten. US-<br />

Baumwolle gehört bereits zu den am nachhaltigsten<br />

angebauten Baumwollsorten der Welt; nur wurde<br />

dies bis zum Jahr 2020 nicht immer adäquat erfasst<br />

und quantifiziert. Die Charta schafft messbare und<br />

verifizierbare Ziele und Messgrößen für eine nachhaltigere<br />

Baumwollproduktion und treibt deren kontinuierliche<br />

Optimierung voran.<br />

Belegbares Umweltengagement<br />

pro Einheit Wolle<br />

Einzelhändler können mithilfe dieser Verfahren Behauptungen<br />

über Produkte und Praktiken validieren<br />

und gegenüber den Verbrauchern kommunizieren.<br />

Die Konsumenten können sich so auf den nachhaltigeren<br />

Ursprung eines Produkts verlassen, wodurch<br />

ihr Vertrauen und die Bindung an den Händler oder<br />

die Marke steigt. Letztere profitieren durch eine erhöhte<br />

Glaubwürdigkeit. Lieferanten verzeichnen<br />

34 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


U.S. Cotton Trust Protocol<br />

Die Dokumentation durch das U.S.<br />

Cotton Trust Protocol schafft einen<br />

Rahmen für nachhaltiger angebaute<br />

Baumwolle. Sie schafft datenbasierte,<br />

belastbare Ziele und Messgrößen für<br />

eine verantwortungsvolle Baumwollproduktion<br />

und treibt die Optimierung<br />

wichtiger Nachhaltigkeitskriterien<br />

kontinuierlich voran.<br />

trustuscotton.org<br />

dank einer lückenlosen Transparenz ein optimiertes<br />

Management der Lieferkette, wodurch sich auch die<br />

Versorgungssicherheit erhöht.<br />

Die Transparenz der Lieferkette wird durch die sogenannte<br />

Protocol Consumption Management Solution<br />

(PCMS) gewährleistet, die den Mitgliedern des U.S.<br />

Cotton Trust Protocol die Möglichkeit gibt, sogenannte<br />

Protocol Cotton Consumption Units zu erhalten.<br />

Das System basiert auf der von den teilnehmenden<br />

Landwirten tatsächlich geernteten Menge an<br />

Rohfasern. Sobald ein Kilogramm Baumwolle den<br />

Entkörnungsprozess durchlaufen hat, wird die Einheit<br />

auf ihre Echtheit geprüft und mit einem individuellen<br />

Barcode in die Blockchain eingeführt. Diese<br />

Identifikationsnummer ist mit der Entkörnungsanlage,<br />

dem Klassifizierungsbüro und den Qualitätsdaten der<br />

Baumwolle verknüpft. Diese präzise Dokumentationsmethode<br />

gibt den Käufern in der gesamten<br />

Liefer kette die Gewissheit, dass die von ihnen erworbenen<br />

Produkte nicht auf dem Weg ausgetauscht<br />

worden sind. In jeder Phase des Verarbeitungs- und<br />

Lieferprozesses erfolgen eine Prüfung der Bestellung<br />

sowie eine Messung und Bestätigung der Menge.<br />

Die PCMS unterscheidet sich von vergleichbaren<br />

Lösungen durch die intelligente Kombination der<br />

Technologien der Protocol Plattform und der Textile-<br />

Genesis-Plattform. Auf diese Weise wird ein unübertroffenes<br />

Maß an Transparenz bis hin zum einzelnen<br />

Kleidungsstück in der Auslage erreicht. Jedes Mitglied<br />

der Initiative kann eine bestimmte Anzahl an<br />

Protocol Consumption Units anfordern, die erst mit<br />

dem Erwerb der entsprechenden Trust-Protocol-<br />

Faser eingelöst werden können. Dieses System ermöglicht<br />

es Marken und Einzelhändlern, ihr Umweltengagement<br />

in Bezug auf die sechs zentralen Nachhaltigkeitskriterien<br />

Landnutzung, Bodenkohlenstoff,<br />

Wassermanagement, Bodenverlust, Treibhausgasemissionen<br />

und Energieverbrauch gegenüber ihren<br />

Bild: Héctor J. Rivas/Unsplash<br />

Kunden und anderen Stakeholdern zu belegen.<br />

Den ökologischen Fußabdruck der Trust Protocol-<br />

Baumwolle messen die Verantwortlichen direkt auf<br />

den Baumwollfeldern. Das Trust Protocol kooperiert<br />

hierbei mit seinem Datenpartner Field to Market, der<br />

den Field Print Calculator entwickelt hat. Dank dieses<br />

Tools ist es möglich, den Fortschritt der Baumwollfarmer<br />

grafisch aufzubereiten. Die Datensätze werden<br />

gebündelt und den Partnerunternehmen des<br />

Trust Protocol für deren Nachhaltigkeitsberichte<br />

übermittelt. Darüber hinaus beinhaltet das Trust Protocol<br />

ein umfassendes Verifizierungsprogramm. Die<br />

Leistung der Baumwollfarmer wird anhand der Kriterien<br />

des Protocol überprüft und anschließend durch<br />

Control Union Certifications North America als unabhängigen<br />

Dritten verifiziert.<br />

Verlässliche Datenbasis<br />

unabdingbar<br />

Die erhöhte Transparenz von Textilien ist sowohl für<br />

Händler als auch für Produzenten eine unverzichtbare<br />

Grundlage für vertrauenswürdige Aussagen bezüglich<br />

Nachhaltigkeitsgrad, Qualität und Herkunft<br />

ihrer Produkte. Textil- und Modefirmen werden<br />

schon jetzt stark von diesen Aspekten bestimmt und<br />

sollten sich weiter engagieren, wenn sie langfristig<br />

konkurrenzfähig bleiben wollen. Neben unmittelbaren<br />

Wettbewerbern sind hier auch strengere staatliche<br />

Reglementierungen hinsichtlich Nachhaltigkeit<br />

zu nennen, die in den nächsten Jahren erwartet werden.<br />

Mehr Rücksichtnahme auf die Umwelt in die<br />

Geschäftsstrategie aufzunehmen, stärkt somit nicht<br />

nur unser Ökosystem, sondern auch die Marktposition<br />

der Unternehmen und bedeutet einen großen<br />

Schritt in Richtung Green Economy.<br />

Gary Adam, Präsident des U.S. Cotton Trust<br />

Protocol<br />

Jedes Endprodukt lässt<br />

sich dank Protocol<br />

Consumption<br />

Management Solution<br />

bis zu seinem Ursprung<br />

verfolgen.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 35


Bild: Sasa Kadrijevic/stock.adobe.com<br />

Consulting Benchmark 2022<br />

Mehr Transparenz im Einkauf<br />

von Beratungsleistungen<br />

Wer wünscht sich das nicht: Mehr Transparenz im Einkauf von<br />

Beratungs leistungen? Eine Studie verschafft hier mehr Klarheit.<br />

Der Einkauf von Beratungsleistungen<br />

unterscheidet sich in mindestens<br />

drei wesentlichen Aspekten gravierend<br />

vom Einkauf anderer Warengruppen. Erstens<br />

hat es der Einkauf üblicherweise<br />

nicht mit typischen wiederkehrenden Bedarfen<br />

zu tun. Zweitens wechseln die internen<br />

Bedarfsträger ständig. Und drittens<br />

sind die Leistungen meist nicht eindeutig<br />

spezifizierbar. Weil dazu noch ein<br />

schier unübersichtlicher <strong>Beschaffung</strong>smarkt<br />

kommt, in dem es weder<br />

klare Standards, Normen oder<br />

Nomenklaturen gibt, steht der<br />

Beratungseinkauf kontinuierlich<br />

vor der Herausforderung<br />

ein Mindestmaß an Transparenz<br />

zu schaffen.<br />

Über welche Fach- oder Branchenexpertise<br />

eine Beratungsfirma<br />

verfügt, ist für potenzielle<br />

Kunden häufig nicht auf<br />

den ersten Blick erkennbar, da<br />

hier Branchenstandards fehlen. Die Darstellung<br />

der großen internationalen Beratungshäuser<br />

kann schnell einige Dutzend<br />

Leistungsbereiche, sogenannte Practices<br />

umfassen. Im Wesentlichen werden vier<br />

Beratungsfelder unterschieden: Strategy,<br />

Organization, Operations, Technology.<br />

Strategieberater unterstützen ihre Klienten<br />

bei der Bewältigung strategischer<br />

Fragestellungen. Organisationsberater<br />

konzentrieren sich auf die Entwicklung<br />

und Optimierung von Ablauf- und Aufbauorganisationen.<br />

Das Feld der Operations<br />

ist recht weit und zielt auf die Entwicklung<br />

und Optimierung von Abläufen<br />

mit konkreten qualitativen und quantitativen<br />

Zielen. Technologieberater decken<br />

vielfältige Aufgabenstellungen vor dem<br />

Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung<br />

ab.<br />

Die klassische Strategieberatung dominiert<br />

(über 40 %) weiterhin und wird vor<br />

allem nach Aufwand abgerechnet. Auch<br />

die Nachfrage nach Technologieberatung<br />

ist stark (30 %) und dürfte sowohl absolut<br />

als auch relativ weiter zunehmen. Hier<br />

»Die Rasanz, mit der Unternehmen<br />

heute ihren digitalen Umbau<br />

angehen müssen, lässt wenig Raum<br />

für die Reduktion jährlicher<br />

Beratungsausgaben .«<br />

Dr. Franziska Seewald, Globale Einkaufsleitung für<br />

Management Consulting Services bei der Siemens AG<br />

halten sich fixe und aufwandsbezogene<br />

Vergütungsmodelle in etwa die Waage.<br />

Noch immer sind die meisten Unternehmensberatungen<br />

streng hierarchisch organisiert.<br />

Das liegt auch an dem typischen<br />

Karrierekonzept, das auch als „Up<br />

or Out“ bzw. „Grow or Go“ bekannt ist.<br />

Beratungen müssen, damit möglichst viele<br />

talentierte Nachwuchskräfte gewonnen<br />

werden können, steile Karrierepfade<br />

und strenge Auswahlkriterien etablieren.<br />

Da es im Markt aber keinen Standard für<br />

die einzelnen Rangstufen bzw. Grades<br />

gibt, herrscht ein hohes Maß an verwirrender<br />

Unordnung. Immerhin lassen sich<br />

die einzelnen Stufen der meisten Beratungsfirmen<br />

in drei Hauptgruppen einordnen:<br />

Berater, Manager, Partner. Diese<br />

Systematik erinnert an militärische Laufbahngruppen<br />

der Mannschaften, Unteroffiziere<br />

und Offiziere und erfüllt einen<br />

ähnlichen Zweck, Klarheit in den Aufgaben<br />

und der Kommandostruktur. Gleichzeitig<br />

sollen Rangbezeichnungen wie „Senior<br />

Manager“ oder „Principal“ den potenziellen<br />

Kunden ein Qualitätssignal<br />

senden.<br />

Der Consulting Benchmark<br />

2022 der Apadua GmbH zeigt,<br />

dass eine Person mit höchster<br />

Seniorität (hier Partner) im<br />

Durchschnitt mehr als doppelt<br />

so teuer ist, wie die Person der<br />

niedrigsten Seniorität (hier<br />

Consultant). Auch sind gelegentlich<br />

pauschale Tagessätze,<br />

sogenannte Blended Rates zu<br />

beobachten. Diese verschleiern<br />

die Preise der einzelnen Ränge, können<br />

aber mit einfachen Mitteln entschlüsselt<br />

werden.<br />

Die typische hierarchische Struktur von<br />

Unternehmensberatungen widerspiegelt<br />

sich auch im Staffing von Kundenprojekten.<br />

Die untersuchten Daten bestätigen<br />

die Erwartung, dass die Anzahl der auf<br />

das Projekt allokierten Personentagen mit<br />

steigender Seniorität abnimmt. Jedoch ist<br />

auch zu beobachten, dass hoch intensive<br />

Projekte, mit vielen allokierten Ressourcen<br />

in verhältnismäßig kurzer Zeit, überdurchschnittlich<br />

senior besetzt werden.<br />

Strategieprojekte weisen deutlich kürzere<br />

36 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


MANAGEMENT «<br />

Projektlaufzeiten als Technologieprojekte.<br />

Interessant ist, dass die langen Technologieprojekte<br />

eher an diversifizierte und generalistische<br />

Beratungsfirmen vergeben<br />

werden und kürzere Projekte eher an Spezialisten.<br />

Dies dürfte auch mit der Größe<br />

der typischen Firmen der drei Beratertypen<br />

Spezialist, Diversifiziert und Generalist<br />

zusammenhängen.<br />

Die Form der Leistungserbringung in der<br />

Unternehmensberatung wandelt sich sehr<br />

stark. Hier wirkt die Corona-Pandemie als<br />

Katalysator der Digitalisierung und Virtualisierung<br />

der Branche. Dies birgt Chancen<br />

und Risiken für die Branche. Wenn<br />

das Projektteam nicht mehr vor Ort arbeiten<br />

muss, kann die Beratung den Pool<br />

möglicher Projektressourcen zumindest<br />

theoretisch stark internationalisieren. So<br />

können möglicherweise bessere und<br />

günstigere Ressourcen eingesetzt werden,<br />

ohne dass die Qualität der Dienstleistung<br />

darunter leidet. So wird nicht nur der<br />

Engpass geeigneten Personals im<br />

deutschsprachigen Raum kompensiert,<br />

sondern werden sogar Personalkosten gesenkt.<br />

Die Frage ist, ob die Kunden tatsächlich<br />

im „People Business“ Unternehmensberatung<br />

dauerhaft abwesende Projektteams<br />

akzeptieren werden.<br />

Die Digitalisierung und Virtualisierung<br />

von Beratung verändern die Profile des<br />

benötigten Personals. Wenn Kunden vermehrt<br />

Unterstützung in digitalen Fragestellungen<br />

benötigen, werden von den<br />

Mitarbeitenden der Beratungen entsprechende<br />

Kompetenzen erwartet [Kreutzer/<br />

Hartmann/Kaufmann, Consulting nach<br />

Corona, Harvard Business Manager März<br />

2022]. Auch die Beratung aus der Distanz<br />

dürfte andere Skills erfordern als das Arbeiten<br />

vor Ort.<br />

Für den Auftraggeber und den Einkauf ergeben<br />

sich hierdurch ebenfalls neue<br />

Handlungszwänge. So galt es beispielsweise<br />

für 2020 und die Folgejahre, die<br />

Personentagessätze weiter aufzuschlüsseln<br />

und Spesen bzw. Reiseaufwände<br />

transparent zu machen. Inwiefern es Auftraggebern<br />

in der Breite gelang, die sich<br />

aus dem plötzlichen Rückgang der Reisetätigkeiten<br />

ergebenen zusätzlichen Gewinne<br />

der Beratungen zurückzuholen ist<br />

bisher nicht bekannt.<br />

Verteilung der Verhandlungsergebnisse<br />

und erzielte<br />

Kosteneffekte<br />

Durchschnittliche Personentagessätze je Rang<br />

Aufgrund der üblicherweise sehr komplexen,<br />

durch unterschiedliche Anbieter vorgestellten<br />

Projektalternativen ist die Auswahl<br />

von Beratungsunternehmen zur Projektbegleitung<br />

kein rein ökonomischer<br />

Vorgang. Neben objektiven Informationen<br />

sind auch eine Vielzahl subjektiver Eindrücke<br />

in der Entscheidungsfindung zu<br />

berücksichtigen. Da in Deutschland etwa<br />

32% aller Beratungsprojekte durch den<br />

Kunden im Nachhinein als nicht zufriedenstellend<br />

gewertet werden [Fink/Knoblach,<br />

Management Consulting 2021], ist<br />

eine gut durchdachte Angebotsbewertung<br />

angebracht. Hierzu hat sich die<br />

Nutzwertanalyse bewährt. Hierbei werden<br />

die zahlreichen Auswahlkriterien untereinander<br />

gewichtet und durch einzelne<br />

Entscheidungsträger oder Gremien standardisiert<br />

bewertet. Der Benchmark zeigt,<br />

dass in der großen Mehrheit der Fälle (etwa<br />

70 %), eine Entscheidung zugunsten<br />

jenes Anbieters fällt, der das qualitativ<br />

Bild: Apadua GmbH, Consulting Benchmark 2022<br />

Teamstrukturen nach Rang und Projektphasen in<br />

Angeboten nach Aufwand<br />

beste Konzept vorgestellt hat, ohne dass<br />

dieses auch das günstigste war.<br />

Vor dem Hintergrund der hohen Unzufriedenheitsrate,<br />

ist es opportun zuerst die<br />

beste Alternative zu identifizieren und<br />

dann den Preis zu verhandeln. Hierbei<br />

wird dann in der Praxis in etwa einem<br />

Drittel der Fälle mit mehr als einer Firma<br />

verhandelt. Diese Verhandlungen gehen<br />

oft nicht nur auf die reinen Personentagessätze,<br />

sondern auch auf die Projektspezifikation<br />

selbst ein.<br />

Die internen Bedarfsträger zu verstehen,<br />

sie bei der Vorbereitung von Ausschreibungen<br />

von Projekten mit sehr guten<br />

Marktkenntnissen und durch bewährte<br />

entscheidungstheoretische Ansätze bei<br />

der finalen Auswahl der passenden Beratungsfirma<br />

zu begleiten, ist der Schlüssel<br />

zum erfolgreichen Einkauf von Beratungsleistungen.<br />

Georg Vider, Apadua<br />

Bild: Apadua GmbH, Consulting Benchmark 2022<br />

Bild: Apadua GmbH, Consulting Benchmark 2022<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 37


TITEL » C-Teile-Management<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Dr. Florian Seidl ist geschäftsführender<br />

Gesellschafter der Keller & Kalmbach GmbH.<br />

Dr. Florian Seidl, geschäftsführender Gesellschafter, Keller & Kalmbach, im Interview<br />

Die Analyse wird<br />

immer wichtiger<br />

Seit 1979 ist Dr. Florian Seidl Geschäftsführer der Keller & Kalmbach<br />

GmbH. Wie er die letzten Jahre erlebt hat und wie moderne Analyse-<br />

Tools sowohl dem C-Teile-Spezialisten als auch seinen Kunden dabei<br />

helfen, den derzeitigen Herausforderungen zu begegnen, erzählt er im<br />

Gespräch mit der <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>. Dabei standen auch die<br />

Impressum: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME)<br />

Themen Frankfurter Nachhaltigkeit Straße 27, 65760 und Eschborn, Digitalisierung Tel. 06196 5828-0, auf Fax der –299, Agenda.<br />

E-Mail: info@bme.de, Internet: www.bme.de<br />

38 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>: Herr Dr. Seidl, Keller &<br />

Kalmbach hat neun Standorte in Deutschland und<br />

ist international an neun weiteren vertreten. Wie<br />

erleben Sie diese volatilen Zeiten?<br />

Dr. Florian Seidl: Gesamtwirtschaftlich befinden<br />

wir uns in einer schwierigen Gemengelage. Der Umgang<br />

mit enormen Preissteigerungen auf dem Markt<br />

für Verbindungs- und Befestigungstechnik sowie die<br />

Aufrechterhaltung einer stabilen Lieferkette sind für<br />

uns die größten Herausforderungen. Wenn man unsere<br />

Kundensegmente in Deutschland näher betrachtet,<br />

so kann man sagen, dass die Auftragslage in der<br />

Automobilindustrie zwar gut ist, die Teileverfügbarkeit<br />

aber hier ein großes Problem darstellt – sei es die<br />

Chipkrise, die uns seit Monaten begleitet oder der<br />

Ausfall von Bordnetzproduzenten durch den Ukrainekrieg.<br />

Das führt zu Produktionsausfällen und das<br />

spüren auch die Zulieferer. Zudem ist bei der Weitergabe<br />

von unumgänglichen Preisanpassungen an<br />

Kunden für uns alle Fingerspitzengefühl in der Kommunikation<br />

gefragt. Positiv ist für uns, dass die Auftragslage<br />

in einer unserer Fokusbranchen, dem Maschinenbau,<br />

bis ins Jahr 2023 sehr gut ist. Unsere<br />

Kunden sind hier sehr positiv gestimmt. Auch im<br />

Hinblick auf die Bahnindustrie, die wir ebenfalls versorgen,<br />

blicken wir mit Zuversicht in die Zukunft.<br />

Inwiefern spüren Sie die Auswirkungen des Krieges<br />

in der Ukraine auf Ihr Geschäft?<br />

Seidl: Wir haben vor fünf Jahren mit der Versorgung<br />

unserer Industriekunden in Russland begonnen<br />

und haben für die lokale Betreuung einen Standort in<br />

Jekaterinburg eröffnet. Die durch den Ukrainekrieg<br />

erlassenen Sanktionen haben dazu geführt, dass wir<br />

unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Russland<br />

nicht unterstützen können und sie <strong>aktuell</strong> auf sich<br />

alleine gestellt sind. Zudem sorgt der Krieg einkaufsseitig<br />

für steigende Energie- und Rohstoffpreise und<br />

führt zum Teil zu weiteren Ressourcenengpässen,<br />

z. B. bei Eisenerz, Nickel oder im Rohstahlbereich.<br />

Welche Art von Gütern beschaffen Sie und wo liegen<br />

Ihre Einkaufsmärkte?<br />

Seidl: Wir versorgen unsere Industriekunden weltweit<br />

mit Verbindungselementen, die wir nicht nur<br />

genormt einkaufen, sondern auch für spezifische Anforderungen<br />

in Form von Sonder- und Zeichnungsteilen<br />

produzieren lassen. So lassen wir Dreh- und<br />

Frästeile, Stanz- und Biegeteile sowie Fließpressund<br />

Kunststoffteile in allen Werkstoffen, Güteklassen<br />

und mit jeder Oberfläche bzw. Beschichtung herstellen.<br />

Daneben beliefern wir unsere Kunden mit Befestigungstechnik,<br />

Werkzeugen, Industriebauteilen und<br />

einer großen Palette an weiteren C-Teilen wie beispielsweise<br />

chemisch-technische Produkte. Unsere<br />

<strong>Beschaffung</strong>smärkte befinden sich in Europa und<br />

Asien. Durch die Lieferengpässe, die mit der Ukrainekrise<br />

zusammenhängen, sowie die Einführung der<br />

Anti-Dumping-Zölle auf Verbindungselemente aus<br />

China haben wir unser Lieferantenportfolio erweitert<br />

und Partner in anderen Ländern gefunden, die unsere<br />

hohen Qualitätsstandards abbilden können. In Anbetracht<br />

der sehr langen Lieferzeiten aus Fernost haben<br />

wir auch neue <strong>Beschaffung</strong>squellen in Osteuropa<br />

aufgebaut. Diese liefern schneller, aber nicht zu den<br />

preislich günstigen Konditionen wie Fernost.<br />

Wie sehr waren Sie von Engpässen betroffen? Und<br />

welche Auswirkungen hatte das auf Ihre Kunden?<br />

Seidl: Covid-bedingt gibt es noch immer Störungen<br />

der weltweiten Lieferketten, die sich durch die Entwicklungen<br />

in China weiter verstärkt haben – der<br />

Lockdown in Shanghai hat zu einem Frachtschiffstau<br />

im größten Hafen der Welt geführt. Wir arbeiten allerdings<br />

eng mit unseren Partnern in China zusammen<br />

und haben Verschiffungen unserer Ware teilweise<br />

auf andere Häfen verlegt. Daneben führen die<br />

Anti-Dumping-Zölle auf Stahlschrauben und Stahlscheiben<br />

zu einer weiteren Verknappung der für Europäer<br />

nutzbaren Produktionskapazitäten, was die<br />

Preise noch einmal in die Höhe treibt. Insgesamt<br />

stellen wir fest, dass Einschränkungen und Verknappung<br />

aber zu neuen Ideen und innovativen Lösungen<br />

führen können. So haben wir unsere Strategie hinsichtlich<br />

der Bezugsquellen für Produkte tiefgreifend<br />

überarbeitet und, wie schon erwähnt, neue Lieferanten<br />

aufgebaut. So bleiben wir handlungsfähig und<br />

können zielgerichtet in die Supply Chain eingreifen.<br />

Zudem haben wir die Digitalisierung in den vergangenen<br />

Monaten mit Hochdruck vorangetrieben und<br />

setzen auf tiefgreifende datenbasierte Analysemöglichkeiten,<br />

um verschiedene Szenarien zu simulieren<br />

und Lieferengpässen und -verzögerungen vorzubeugen.<br />

So konnten wir unsere Kunden zu jeder Zeit zuverlässig<br />

versorgen. In Gesprächen signalisieren sie<br />

immer wieder, dass sie den Einsatz unserer Advanced<br />

Analytics Tools als sehr hilfreich wahrnehmen, da dadurch<br />

frühzeitig eingegriffen wird, wenn absehbare<br />

Engpässe auftreten. Zum Beispiel auf Basis von Prognosen,<br />

die sich in die falsche Richtung entwickeln.<br />

Wie haben sich die Einkaufspreise für Keller &<br />

Kalmbach entwickelt? Inwieweit müssen Sie diese<br />

an Ihre Kunden weitergeben?<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 39


TITEL » C-Teile-Management<br />

Beim Linewalk sehen<br />

sich Spezialisten die<br />

Montageabläufe<br />

genau an und finden<br />

Ansatzpunkte für<br />

Kostenreduzierungen<br />

sowie Montagezeit -<br />

verringerungen.<br />

Seidl: Neben den Auswirkungen der Bezugsquellenanpassungen<br />

für einige Artikel und Produktbereiche<br />

gibt es noch weitere wichtige Faktoren, die sich<br />

preissteigernd auswirken. Da sind vor allem die gestiegenen<br />

Preise für das Vormaterial zu nennen. Der<br />

Materialpreisindex des DSV für Walzdraht, der für die<br />

Produktion von Schrauben benötigt wird, hat sich innerhalb<br />

eines Jahres fast verdoppelt, die entsprechenden<br />

Produkte sind damit bis jetzt um über 25<br />

Prozent teurer geworden. Bei Edelstahl sieht es ähnlich<br />

aus. Dazu kommen die gestiegenen Energiekosten,<br />

mit denen wir alle konfrontiert werden, und die<br />

Verpackungskosten, die sich seit Beginn der Pandemie<br />

um über 60 Prozent verteuert haben. Das betrifft<br />

nicht nur Kartonagen, sondern auch Umverpackungen,<br />

Europaletten und weitere Materialien. Dazu<br />

kommt, dass sich die Preise für Containertransporte<br />

aus Asien im Schnitt vervierfacht haben! Was all unsere<br />

Standorte eint ist die Herausforderung, mit den<br />

enormen Preissteigerungen umzugehen. Wir müssen<br />

natürlich die Preiserhöhungen bei unseren Kunden<br />

durchsetzen, um die Existenz der Firma zu sichern<br />

und nicht in eine gefährliche Schieflage zu geraten.<br />

Gleichzeitig stehen wir unseren Kunden beratend zur<br />

Seite, um Einsparpotenziale aufzudecken. Zum einen<br />

bieten wir gemeinsame Produktionsbegehungen, die<br />

sogenannten Linewalks, zum anderen implementieren<br />

wir C-Teile-Management-Lösungen zur ganzheitlichen<br />

Supply-Chain-Optimierung, mit denen<br />

hohe Prozesskosteneinsparungen einhergehen.<br />

Haben Sie etwas unternommen, um den Einkauf<br />

bzw. die Logistik resilienter aufzustellen?<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Seidl: Wie schon erwähnt, haben wir den Digitalisierungsgrad<br />

in unserem Unternehmen maßgeblich<br />

erhöht, um entsprechend effizient zu agieren. Vor allem<br />

aber auch, um valide Forecasts für die Zukunft<br />

erheben zu können. Im Einkauf haben wir die Märkte<br />

intensiv im Blick und können durch den engen Austausch<br />

mit Partnern schnell einschreiten, wenn sich<br />

Marktgegebenheiten verändern. Selbstverständlich<br />

führen wir darüber hinaus Risikoanalysen durch und<br />

agieren aktiv, wenn sich Parameter verändern, wie<br />

das beispielsweise bei der Anpassung unserer <strong>Beschaffung</strong>squellen<br />

notwendig wurde. Sehr viele Produkte<br />

haben wir auch auf einen Dual- oder Multi-<br />

Source-Ansatz umgestellt. Als großen Meilenstein<br />

ordnen wir die Entwicklung und den Einsatz unserer<br />

Advanced Analytics Tools ein, mit denen wir z. B.<br />

Forecastzahlen, die uns unsere Kunden mitteilen,<br />

prüfen und analysieren können. Falls wir einen Fehler<br />

identifizieren, muss dieser behoben werden, sonst ist<br />

ein Einspielen der Daten in unser System nicht möglich.<br />

Ein anderes Tool simuliert die Bestandsverläufe<br />

mittels Szenarioplanung, um kritische Bestandsverläufe<br />

im Voraus zu identifizieren. Wir haben mittlerweile<br />

eine Fülle an Werkzeugen im Einsatz, die verschiedene<br />

Bereiche fokussieren. Sie sind intuitiv und<br />

modular aufgebaut und geben uns in Echtzeit einen<br />

Einblick in unsere Datenwelt. Aus unserer Sicht lohnt<br />

es sich, Kompetenzen in diesem Bereich aufzubauen,<br />

denn die Erkenntnisse, die uns die Datenanalysen liefern,<br />

sind unbezahlbar. Letztlich geht es immer um<br />

die Versorgungssicherheit unserer Kunden.<br />

Wie geht Keller & Kalmbach das Thema Nachhaltigkeit<br />

an? Wie unterstützen Sie Kunden hierbei?<br />

Seidl: Wir verfolgen ein striktes Nachhaltigkeitskonzept,<br />

indem wir unseren CO 2 -Ausstoß in vier Jahren<br />

um 25 Prozent gesenkt haben und daran arbeiten,<br />

bis 2030 CO 2 -neutral zu werden. Unser größter<br />

Energieverbraucher ist das Zentrallager Hilpoltstein.<br />

Dies wurde schon 2008 bewusst ohne fossile Brennstoffe<br />

für Heizung etc. geplant. Vielmehr wird mit<br />

Wärmepumpentechnik Energie in unserem eine Million<br />

Liter umfassenden Sprinklertank gespeichert, die<br />

im Winter zum Heizen und im Sommer zur Kühlung<br />

der Büroräume verwendet wird. Die Regalbediengeräte,<br />

die teilweise bis zu 40 Meter hoch sind und viele<br />

Tonnen bewegen, gewinnen auf ihren Abwärtsbewegungen<br />

Energie zurück. Für 2022 haben wir die<br />

Erweiterung unserer vorhandenen Photovoltaik-Anlage<br />

(50 kWp) an unserem Logistikstandort Hilpoltstein<br />

auf 800 kWp beauftragt. Wir setzen an zahlreichen<br />

Stellen an, um unseren Teil dazu beizutragen,<br />

verantwortungsvoll mit Ressourcen umzugehen. Uns<br />

40 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


ist es aber wichtig, dass wir diesen Aktionsplan auch<br />

um soziale Rechte ergänzen, das heißt den Umgang<br />

mit Mitarbeitern und die Achtung der Menschenrechte<br />

einschließlich der Kriterien der Arbeitnehmerrechte<br />

und der sozialen Verantwortung von Unternehmen<br />

in den Wertschöpfungsketten unserer Vorlieferanten.<br />

Wir haben jüngst einen Nachhaltigkeitsreport<br />

veröffentlicht, in dem wir Einblicke in unsere<br />

Aktivitäten ermöglichen. Unser Geschäftsmodell ist<br />

zudem gelebte Nachhaltigkeit, denn C-Teile-Logistik<br />

reduziert die Transportkosten dramatisch.<br />

Wie genau kann C-Teile-Logistik nachhaltig die<br />

Transportkosten reduzieren?<br />

Seidl: Die Emissionen der Lieferkette eines Unternehmens<br />

sind laut SAP-Vorstand Saueressig im<br />

Durchschnitt mehr als fünfmal so hoch wie dessen<br />

direkte Emissionen. Das Geschäftsmodell von Keller<br />

& Kalmbach leistet eine wesentliche Optimierung der<br />

Lieferkette unserer Kunden. Es reduziert Komplexität,<br />

vermeidet eine große Zahl von Transaktionen und<br />

hilft, Verwaltungs- und Transportvorgänge durch die<br />

Bündelung im C-Teile-Management drastisch zu reduzieren.<br />

Das Ziel einer C-Teile-Logistik – wie z. B.<br />

einer Kanban-Belieferung – ist, diese Kosten der <strong>Beschaffung</strong><br />

erheblich zu reduzieren. Das bedeutet,<br />

dass nicht nur die internen Prozesse und die Kapitalbindungskosten<br />

sinken, sondern vor allem auch die<br />

Anzahl der Transporte reduziert wird. Die Bündelung<br />

der Produkte erfolgt beim C-Teile-Logistiker, der diese<br />

lagert und in festgelegten Intervallen in oder an<br />

die Produktion liefert. D. h. wenn ein Kunde für 100<br />

Artikel 10 Lieferanten hat, die im Schnitt jede Woche<br />

einen oder mehrere Artikel liefern, fallen im Zeitraum<br />

von 12 Wochen 120 Transportvorgänge, Wareneingänge<br />

etc. an. Wenn ein C-Teile-Logistiker wöchentlich<br />

gebündelt liefert, fallen für den Kunden genau<br />

50 Liefervorgänge an und aufgrund der größeren Lagerhaltung<br />

des C-Teile-Logistikers bei viermaliger<br />

Lieferung durch die Lieferanten 30 Vorgänge. Insgesamt<br />

sind es also 80 Liefervorgänge anstelle von 120.<br />

aus. Die Teile beschaffen wir von über 3000 Lieferanten<br />

und überwachen diese Bestellungen, bis sie in<br />

unserem Zentrallager eintreffen. Um Entscheidungen<br />

auf einer validen Datenbasis treffen zu können, haben<br />

wir mit dem Einsatz von Advanced Analytics begonnen.<br />

Damit sind wir in der Lage, die Dispositionsparameter,<br />

Lieferzeiten und Bedarfsprognosen automatisch<br />

an die <strong>aktuell</strong>e Situation anzupassen – und<br />

das i. d. R. völlig automatisch. Unsere Analysetools<br />

sind aus dem Tagesgeschäft nicht mehr wegzudenken<br />

und unterstützen auch unsere Mitarbeiter im<br />

Kundenkontakt maßgeblich. Industriekunden versorgen<br />

wir mit C-Teile-Logistiklösungen und erkennen<br />

sofort, wenn Anpassungen bei den Bedarfen notwendig<br />

sind – meist bevor uns das aktiv kommuniziert<br />

wird. Um unseren Kunden den Zugang zu Forecasts<br />

zu ermöglichen, planen wir die Integration in unsere<br />

neue Plattform Logtopus. Die Einsatzmöglichkeiten<br />

sind vielfältig, so können auch Drittlieferanten eingebunden<br />

werden oder interne logistische Prozesse.<br />

Ziel ist die automatisierte Supply Chain, die auch<br />

Sondereinflüssen und Schwankungen standhält.<br />

Sie sprachen den Einsatz von Advanced Analytics<br />

an. Welche Rolle spielt künstliche Intelligenz für<br />

Sie jetzt und in Zukunft?<br />

Seidl: Die digitale Transformation schreitet voran.<br />

Es gilt, Daten zu sammeln und mit Kunden und Lieferanten<br />

regelmäßig auszutauschen, auszuwerten und<br />

gezielte Aktivitäten abzuleiten. In unserem Fall sieht<br />

das konkret so aus: Wir haben über 200.000 aktive<br />

Teile. Ungefähr 50 Disponenten disponieren diese<br />

Teile und lösen jährlich ca. 160.000 Bestellpositionen<br />

Bild: Keller & Kalmbach<br />

Die C-Teile-Logistik<br />

mit Keller & Kalmbach<br />

reduziert Verwaltungsund<br />

Transport -<br />

vorgänge.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 41


Bild: KTR<br />

Mitarbeitende können<br />

über die Plattform<br />

selbstständig und<br />

anhand von Lieferantenkatalogen<br />

und verhandelten<br />

Sortimenten<br />

Produkte bestellen.<br />

Prozessoptimierung mittels E-Procurement<br />

Maschinenbauer beschleunigt<br />

seine indirekte <strong>Beschaffung</strong><br />

Experten und auch die mittelständischen Unternehmen selbst sind sich einig,<br />

dass man heute um Digitalisierung nicht mehr herumkommt. Doch das „Was“<br />

und „Wie“ liefert oft mehr Fragen als Antworten. Dass es sich lohnt,<br />

digitalisierte Arbeitsweisen weiter auszubauen und tägliche Routinen auf die<br />

Prozess beschleunigung hin zu hinterfragen, zeigt KTR Systems. Seit 2019 stellt<br />

das Maschinenbauunternehmen neben vielen Bereichen auch die<br />

Einkaufsabteilung digital auf.<br />

Als Hidden Champion wird ein Unternehmen bezeichnet,<br />

das in der breiten Öffentlichkeit kaum<br />

bekannt ist, doch in der jeweiligen Branche als<br />

Marktführer auftritt. So auch die KTR Systems GmbH,<br />

welche das Forschungszentrum Mittelstand in seiner<br />

Studie 2021 als eine dieser verborgenen Marktgrößen<br />

in NRW ausmachte. Der westfälische Maschinenbauer<br />

ist spezialisiert auf die Herstellung von Antriebskomponenten,<br />

Bremssystemen, Hydraulikkomponenten<br />

sowie Kühlsystemen.<br />

Auf der Suche nach Effizienz im<br />

Einkauf<br />

Bis vor zwei Jahren wickelte die KTR-Einkaufsabteilung<br />

die <strong>Beschaffung</strong> über die Online-Marktplätze<br />

und digitalen Portale ihrer Lieferanten ab. Eine tatsächliche<br />

Optimierung der Arbeitsabläufe war das jedoch<br />

kaum, denn der <strong>Beschaffung</strong>sprozess durchlief<br />

immer noch die aufwendigen analogen Verwaltungsstufen.<br />

Zudem kauften manche Mitarbeitenden unkontrolliert<br />

am Einkauf vorbei ein. Chris Trommer,<br />

Einkaufsleiter bei KTR Systems: „Trotz erzielter Prozessoptimierungen<br />

nahm insbesondere der Bestellablauf<br />

indirekter Bedarfe immer noch zu viel Zeit und<br />

Ressourcen in Anspruch. Daher haben wir 2019 begonnen,<br />

nach Lösungen zu suchen, wie wir die Abwicklung<br />

indirekter Bedarfe nachhaltig optimieren<br />

können.“ Ein von Studenten der WHU besetztes Projektteam<br />

erarbeitete einen auf KTR zugeschnittenen<br />

Soll-Prozess. Die verschiedenen Bezugsquellen sollten<br />

dabei in einer Lösung zentral zusammengefasst,<br />

jedoch von den KTR-Nutzern dezentral genutzt werden<br />

können.<br />

Schlussendlich fiel die Entscheidung auf die E-Procurement-Plattform<br />

Simple System. Die Münchener<br />

<strong>Beschaffung</strong>sexperten stellen mit ihrem Portal so-<br />

42 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


C-TEILE-MANAGEMENT «<br />

wohl einkaufenden Unternehmen als auch Lieferanten<br />

einen neutralen digitalen Marktplatz zur Verfügung,<br />

auf dem diese unmittelbar miteinander Geschäfte<br />

abschließen können. „Wir haben uns vor allem<br />

wegen der guten Beratung im Vorfeld für Simple<br />

System entschieden. Aufgrund unserer Unternehmensstruktur<br />

benötigten wir für die indirekte <strong>Beschaffung</strong><br />

besondere Funktionen“, so Trommer.<br />

Anerkennung autarker<br />

Bestellprozesse<br />

Zu Beginn der Einführungsphase Ende 2019 gab es in<br />

der KTR-Belegschaft durchaus Skepsis gegenüber der<br />

Prozessveränderung, erinnert sich Trommers Mitarbeiterin<br />

Olga Holthaus, die für den Bereich der indirekten<br />

<strong>Beschaffung</strong> zuständig ist: „Einige befürchteten<br />

anfangs, dass sie neben ihrem Job jetzt noch die<br />

Aufgaben der Einkaufsabteilung übernehmen sollen.<br />

Aber das stimmte so natürlich nicht.“<br />

Mit Simple System sollten demnach Mitarbeitende<br />

an Schlüsselbedarfsstellen befähigt werden, selbstständig<br />

über die Plattform und anhand von abgestimmten<br />

Lieferantenkatalogen und verhandelten<br />

Sortimenten Waren und Produkte zu bestellen, ohne<br />

zuvor Anträge bei der Einkaufsabteilung einreichen<br />

zu müssen. Diese verhandelt nun lediglich noch die<br />

Konditionen und kann bei Unregelmäßigkeiten im<br />

Bestellverhalten eingreifen. „An den Endgeräten<br />

brauchen die User weder VPN noch SAP-Schnittstelle“,<br />

so Holthaus. „Während des Auftragsvorgangs<br />

wird über die Plattform automatisch mithilfe des<br />

Simple System Cockpit eine technische Kopie der Bestellung<br />

im SAP für die Rechnungsprüfung angelegt.<br />

Das erhöht die Usability im Betriebsalltag massiv und<br />

hat schnell zu einer breiten Akzeptanz in der Belegschaft<br />

geführt.“<br />

Ein weiterer Grund für die Entscheidung war das große<br />

Lieferantenangebot. „Einige unserer Lieferanten,<br />

Bild: KTR<br />

mit denen wir schon seit Langem in einer Geschäftsbeziehung<br />

stehen, waren bereits auf dem Marktplatz.<br />

Das hat die Transformation natürlich erleichtert“,<br />

schildert Holthaus. Doch auch die Beziehungen zu<br />

anderen Lieferanten, die noch nicht auf der E-Procurement-Plattform<br />

vertrieben haben, konnten aufrechterhalten<br />

werden.<br />

„Im Gespräch mit unseren Lieferanten verspürten wir<br />

teilweise eine Unsicherheit, was ein Umstieg auf den<br />

Simple-System-Marktplatz für unsere Geschäftsbeziehung<br />

bedeutet“, erläutert Trommer. „Wir haben<br />

von Anfang an klargestellt, dass wir die Geschäfte<br />

fortsetzen möchten und so haben sich einige dazu<br />

entschieden, auf Simple System aktiv zu werden. Gerade<br />

die einfache Katalogerstellung auf der Plattform<br />

läuft sehr intuitiv und ist schnell umsetzbar, loben<br />

unsere Geschäftspartner.“<br />

Wertvolle Zeit für wichtige<br />

Aufgaben<br />

Im November 2021 wurde die technische Implementierungsphase<br />

bei KTR Systems offiziell abgeschlossen.<br />

Seitdem werden bereits etwa ein Drittel der indirekten<br />

<strong>Beschaffung</strong>svorgänge über das Portal abgewickelt,<br />

Tendenz stark steigend. Die Produktgruppen<br />

reichen <strong>aktuell</strong> von Hand- und Messwerkzeugen<br />

über PSA (persönliche Schutzausrüstung) und Hilfsbetriebsstoffe<br />

bis hin zu klassischen Büromaterialien<br />

und Betriebs- und Geschäftsausstattung. Derzeit<br />

umfasst das über die Plattform abgewickelte Bestellvolumen<br />

knapp 100.000 Euro.<br />

Erklärtes Ziel für die kommenden Monate ist eine<br />

Aufstockung auf mindestens zwei Drittel und das<br />

Onboarding weiterer Lieferanten. „Unser Plan einer<br />

Prozessverschlankung und Ablaufoptimierung ging<br />

schon jetzt voll auf. All diese selbstständigen Bestellungen<br />

kommen bei uns im Einkauf heute schon gar<br />

nicht mehr an. Der Prozess läuft vollkommen automatisiert<br />

über die Verantwortlichen der Abteilungen“,<br />

freut sich Holthaus, die ihren Job in Teilzeit aus<br />

dem Homeoffice stemmen kann. Aufgrund der wegfallenden<br />

Verwaltungsaufgaben spart KTR über alle<br />

Abteilungen hinweg pro Bestellung etwa eine Stunde<br />

Arbeitszeit. „Das ist wertvolle Zeit, die wir für das<br />

Onboarding neuer Lieferanten und das Führen wichtiger<br />

Preisverhandlungen nutzen. Letztlich auch dazu,<br />

Investitionen voranzubringen“, zieht Trommer zufrieden<br />

sein Fazit. (ys)<br />

Chris Trommer, Einkaufsleiter<br />

bei KTR Systems, und seine<br />

Mitarbeiterin Olga Holthaus.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 43


» C-TEILE-MANAGEMENT<br />

Dank der 24-Stunden-Warenverfügbarkeit<br />

der Automaten stehen den Mitarbeitenden<br />

von Elster alle Hilfs- und Betriebsstoffe<br />

rund um die Uhr zur Verfügung.<br />

Bild: Elster<br />

Intelligente Versorgungskonzepte<br />

Persönliche Schutzausrüstung<br />

von Kopf bis Fuß<br />

Professioneller Arbeitsschutz erweist sich in vielen Arbeitsumgebungen als<br />

unabdingbare Voraussetzung für sicheres und rechtskonformes Arbeiten. Der<br />

Messtechnikspezialist Elster setzt hier auf Systeme von Würth Industrie Service.<br />

Diese sollen dem Anwender eine sichere, automatisierte und bedarfsgerechte<br />

Versorgung mit persönlicher Schutzausrüstung (PSA) bieten.<br />

Für die Mitarbeitenden der Elster GmbH spielt die<br />

persönliche Schutzausrüstung insbesondere in<br />

den Bereichen Hand-, Augen-, Gehör-, Atem- sowie<br />

Kopfschutz eine bedeutende Rolle. Auch die Bereitstellung<br />

von Sicherheitsschuhen in verschiedenen Sicherheitsklassen<br />

sowie passende Arbeitsbekleidung<br />

sind wichtig. Das Unternehmen ist Teil der Honeywell-Gruppe<br />

und Anbieter von Gas-Messtechnik und<br />

-Druckregelung sowie von elektronischen Systemen<br />

und modularen Gasstationen. Die Würth Industrie<br />

Service GmbH & Co. KG trägt mit einem Team aus<br />

TÜV-zertifizierten PSA-Fachkräften zur Auswahl eines<br />

geeigneten Arbeitsschutzsortiments und den<br />

entsprechenden Systemen bei. So deckt Elster bereits<br />

seit 2016 mit einem zentralen Schuhlager vor Ort<br />

seinen regelmäßigen Bedarf an Sicherheitsschuhen.<br />

Dabei haben die Mitarbeitenden Zugriff auf ein breites<br />

Sortiment in verschiedenen Größen. Die Schuhe<br />

44 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


können vor Ort anprobiert und direkt mitgenommen<br />

werden. Das Erfassen des jeweiligen Mitarbeitenden,<br />

der Kostenstelle und des Artikels sowie die Nachbestellung<br />

erfolgen automatisiert mit einem Barcode-<br />

Scanner in Kombination mit dem Barcode-Katalog.<br />

Seit 2018 setzt das Unternehmen in seiner Betriebswerkstatt<br />

am Standort Mainz-Kastel auch auf die<br />

Orsy-Regalsysteme der Würth Industrie Service. Mithilfe<br />

unterschiedlicher Regalkomponenten, die individuell<br />

kombinierbar sind, können Artikel wie Klebebänder,<br />

Putzpapiere oder auch Reinigungsmittel bedarfsgerecht<br />

gelagert und bereitgestellt werden. Mit<br />

den intelligenten Orsymat-Ausgabesystemen kümmert<br />

sich die Würth Industrie Service um die Belieferung,<br />

die Lagerung und Bevorratung sowie die vollautomatische<br />

Nachbestückung von Hilfs- und Betriebsstoffen.<br />

Dank intelligenter Versorgungslösungen<br />

können die Artikel rund um die Uhr bedarfsorientiert<br />

und direkt am Verbrauchsort zur Verfügung<br />

gestellt werden.<br />

Entnahmesysteme im Einsatz<br />

Zur Einzelentnahme von Arbeitsschutzartikeln nutzt<br />

der Messtechnikspezialist verschiedene Orsymat-Automatenmodelle<br />

wie den Klappenautomat FP, den<br />

Spiralautomat HX oder auch den Rotationsautomat<br />

RT. In allen Modellen werden überwiegend Hilfs- und<br />

Betriebsstoffe wie Handschuhe, Brillen, Gehörschutzkapseln<br />

oder auch Werkzeuge wie Sicherheitsmesser<br />

bereitgestellt. Im Orsymat FP werden durch<br />

die unterschiedlichen Klappengrößen zudem große<br />

Artikel wie Schutzhelme gelagert. Für die Umsetzung<br />

von Hygienemaßnahmen setzt Elster auf das erweiterte<br />

Sortiment bei Arbeitsschutz- und<br />

Hygieneprodukten in Kombination mit<br />

dem Orsymat RT. Der Rotationsautomat<br />

dient dabei zur Lagerung und Bereitstellung<br />

verschiedener Hygieneartikel sowie<br />

Besucher-Kits, bestehend aus Masken,<br />

Westen und Handschuhen.<br />

Das System kümmert sich durch die volle<br />

Bestandsübersicht um eine vollautomatische<br />

Nachbestellung der entnommenen<br />

Artikel und ermöglicht die Übersicht über<br />

Verbräuche und Kosten. Zudem ist die Lagerung<br />

gesichert und Schwund kann<br />

durch die zugriffsgesicherte Berechtigung<br />

minimiert werden. „Unsere Beschäftigten<br />

können ihre Schutzausrüstung und sonstige<br />

Verbrauchsmaterialien direkt vor Ort<br />

mithilfe ihrer Mitarbeiterkarte per RFID<br />

entnehmen. Völlig selbständig und ohne<br />

Abhängigkeit von einer zentralen Materialausgabestelle.<br />

Dank der 24-Stunden-<br />

Bild: Würth Industrie Service<br />

Warenverfügbarkeit stehen unseren Mitarbeitenden<br />

alle Hilfs- und Betriebsstoffe rund um die Uhr zur<br />

Verfügung“, so Luigi Genna, Sr. Logistics Supervisor &<br />

Head of Logistics bei Elster.<br />

Wiegezellen vereinfachen Ausgabe<br />

Nun wird in Mainz-Kastel auch das jüngste Automatensystem<br />

Orsymat WGT zur Ausgabe der persönlichen<br />

Schutzausrüstung implementiert. Das Wiegesystem<br />

erkennt Artikelentnahmen aufgrund von integrierten<br />

Wiegezellen, bei welchen das Gewicht des<br />

eingelagerten Artikels hinterlegt ist. Durch den Einsatz<br />

dieser Technologie können einzelne Artikel, unabhängig<br />

von der Verpackungseinheit entnommen<br />

werden. Zudem besteht die Möglichkeit, mehrere Artikel<br />

gleichzeitig aus dem Automaten zu entnehmen.<br />

Nach der Entnahme wird der Automat geschlossen<br />

und dieser zählt vollautomatisch den Bestand im Inneren<br />

und behält so die Übersicht. Im Anschluss werden<br />

die Artikeldaten, die Bezeichnung und die entsprechende<br />

Entnahmemenge automatisiert an das<br />

Würth-System übertragen und eine logistisch optimierte<br />

Nachbestückung ausgelöst. „Dank der hohen<br />

Flexibilität des Systems kann frühzeitig auf variierende<br />

Bedarfe und Mengen, zum Beispiel bei Auftragsspitzen,<br />

reagiert werden“, erläutert Genna.<br />

Insgesamt werden bei Elster die mechanische Fertigung,<br />

die Betriebswerkstatt und der Empfang im Bereich<br />

Persönliche Schutzausrüstung am Standort<br />

Mainz-Kastel von Würth Industrie Service betreut.<br />

Dabei stehen dem Kunden die Mitarbeitenden aus<br />

den Bereichen „CPS Safety Arbeitsschutz“ sowie „Digitale<br />

Versorgungssysteme“ beratend zur Seite. (ys)<br />

Das Wiegesystem WGT<br />

erkennt Artikelentnahmen<br />

aufgrund von integrierten<br />

Wiegezellen.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 45


» FUHRPARK<br />

Alternative Mobilitätslösung<br />

Diensträder erobern deutsche Flotten<br />

Das neue E-Bike, Mountainbike oder Lastenfahrrad gesponsort durch den<br />

Arbeitgeber? Das wird mit Dienstrad-Leasing möglich. Aufgrund der wachsenden<br />

Beliebtheit bieten immer mehr deutsche Unternehmen ihren Mitarbeitenden –<br />

über den klassischen Firmenwagen hinaus – neue alternative Mobilitätslösungen.<br />

Das Dienstrad wird als sportliche und<br />

nachhaltige Alternative zum klassischen<br />

Firmenwagen immer gefragter.<br />

Durch das steigende Umweltbewusstsein,<br />

den zunehmenden Verkehr in deutschen<br />

Innenstädten sowie den höheren Stellenwert<br />

der Gesundheitsförderung der Mitarbeitenden<br />

gewinnt das dienstlich genutzte<br />

Zweirad an Beliebtheit. Besonders<br />

interessant werden Diensträder für Mitarbeitende<br />

in stark besiedelten Umgebungen.<br />

Das Zweirad bietet dabei eine entspannte<br />

Art der Mobilität, frei von Stress<br />

durch zeitraubende Staus in der Rushhour<br />

und lange Parkplatzsuchen. Zu den weiteren<br />

ausschlaggebenden Gründen für die<br />

Wahl eines solchen Gefährts sprechen neben<br />

der Möglichkeit einer unbegrenzten<br />

Privatnutzung auch ein umfassender<br />

Rundumschutz, bei dem Services wie<br />

Wartung und Diebstahlversicherung in<br />

der Leasingrate inkludiert sind.<br />

Wie funktioniert das<br />

Dienstrad-Leasing?<br />

Ob Fahrrad, E-Bike oder Pedelec – im ersten<br />

Schritt wählt der Mitarbeitende sein<br />

Wunschfahrrad aus. Einzelne Ausstattungsmerkmale<br />

sind dabei individuell mit<br />

dem Arbeitgeber zu verhandeln. Das<br />

Dienstrad wird dem Mitarbeitenden dabei<br />

genau wie ein Dienstwagen über einen<br />

bestimmten Zeitraum für die Nutzung zur<br />

Verfügung gestellt, wobei dieses sowohl<br />

für dienstliche als auch für private Zwecke<br />

genutzt werden kann. Während im<br />

Schnitt nur rund zehn Prozent aller Mitarbeitenden<br />

dienstwagenberechtigt sind,<br />

können Unternehmen jedem ihrer Mitarbeitenden<br />

ein Firmenfahrrad anbieten.<br />

Die Laufzeit beträgt dabei 36 Monate.<br />

Grundsätzlich sind die Art des Rades und<br />

die Nutzung des Fahrrads vor allem von<br />

den vertraglichen Vereinbarungen des Arbeitgebenden<br />

abhängig.<br />

Besonders attraktiv wird Dienstrad-Leasing<br />

durch die vorteilhafte Gehaltsumwandlung.<br />

Die Leasing-Rate wird dabei<br />

direkt vom Bruttogehalt des Arbeitnehmenden<br />

abgezogen. So kann der Arbeitnehmende<br />

sich bis zu 40 Prozent gegen-<br />

Bild: Kara/stock.adobe.com<br />

Das Fahrrad bietet<br />

besonders in urbanen<br />

Umgebungen eine<br />

staufreie Art der<br />

Mobilität.<br />

46 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


über dem Direktkauf sparen. Die Voraussetzung<br />

hierfür ist jedoch, dass dies arbeitsrechtlich<br />

erlaubt ist. Die Leasing -<br />

kosten sind dabei abhängig von dem Wert<br />

des ausgewählten Fahrrads und weiteren<br />

Aufwendungen für zusätzliche Leistungen<br />

wie Versicherungen, Reparaturen, Wartungen.<br />

Daraus ergibt sich ein bestimmter<br />

Ratenbeitrag, der monatlich automatisch<br />

vom Bruttogehalt des Mitarbeitenden abgezogen<br />

wird und etwa zwischen 30 und<br />

100 Euro liegt – je nach Modell kann er<br />

jedoch auch deutlich höher liegen.<br />

Kaufoption im Vertrag ausschließen<br />

Die Kaufoption für den Arbeitnehmer sollte im Leasingvertrag<br />

immer ausgeschlossen werden. Grund dafür ist, dass das Finanzamt<br />

ansonsten den Mitarbeitenden statt des Arbeitgebers als<br />

wirtschaftlichen Leasingnehmer betrachten kann, wodurch eine<br />

Nachzahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen<br />

droht. Nichtsdestotrotz kann der Nutzer das Rad nach Ablauf der<br />

Leasingdauer zu einem günstigen Preis erwerben – er hat nur<br />

keinen vertraglichen Anspruch auf die Übernahmemöglichkeit.<br />

Steuern und private<br />

Nutzung<br />

Das Dienstrad bleibt steuer- und sozialversicherungsfrei,<br />

sofern der Arbeitgebende<br />

das Fahrrad zusätzlich zum vereinbarten<br />

Gehalt gewährt sowie die Kosten<br />

vollständig übernimmt. Das Angebot eines<br />

Firmenfahrrads eignet sich daher sehr<br />

gut als Alternative zur Gehaltserhöhung.<br />

Seit 2012 gilt das Dienstrad steuerlich<br />

gesehen als gleichwertige Alternative<br />

zum Firmenwagen. Möchte der Mitarbeitende<br />

das Firmenfahrrad darüber hinaus<br />

privat nutzen, so gilt seit Januar 2020 die<br />

1-Prozent-Regelung. Das bedeutet, dass<br />

ein Prozent des Listenpreises als geldwerter<br />

Vorteil zu versteuern ist.<br />

Für Fahrräder und E-Bikes, die schneller<br />

als 25 km/h fahren und zwischen 2019<br />

und 2021 angeschafft wurden, gilt jedoch<br />

eine Ausnahme: Diese Zweiräder sind lediglich<br />

mit 0,5 Prozent des Listenpreises<br />

zu versteuern. Auch die volle Pendlerpauschale<br />

kann bei einem Dienstrad geltend<br />

gemacht werden. So können Mitarbeitende<br />

30 Cent pro Kilometer Entfernung in<br />

ihrer Steuererklärung absetzen.<br />

Servicepakete ermöglichen<br />

sorgloses Radeln<br />

Diebstahl, Unfall, Instandhaltung – all das<br />

sind Themen, über die sich Mitarbeitende<br />

keine Gedanken machen müssen. So ist<br />

das Dienstrad im abgeschlossenen Zustand<br />

während der gesamten Leasinglaufzeit<br />

24 Stunden am Tag zum Neuwert<br />

versichert. In den meisten Fällen umfasst<br />

der Schadenschutz sogar noch weitere<br />

Absicherungen wie Diebstahl und Totalverlust,<br />

Bedienungsfehler oder einfache<br />

Fahrlässigkeit, Unfälle oder Vandalismus<br />

sowie Schäden am Motor oder Akku. Darüber<br />

hinaus ist es möglich, das dienstlich<br />

genutzte Fahrrad auch in regelmäßigen<br />

Abständen warten zu lassen. Die Höhe der<br />

abgesicherten Instandhaltungskosten ist<br />

je nach individuellem Bedarf zu ermitteln<br />

und hinzu zu buchen.<br />

Generell hat jeder Arbeitgebende die<br />

Möglichkeit, seinen Mitarbeitenden ein<br />

Dienstrad anzubieten. Immer mehr Unternehmen<br />

haben die Vorteile der alternativen<br />

Mobilitätslösung bereits erkannt. Für<br />

den Fall, dass der eigene Arbeitgebende<br />

noch kein Firmenfahrrad anbietet, lohnt<br />

es sich nachzufragen, da viele dem<br />

Dienstfahrrad gegenüber sehr aufgeschlossen<br />

sind. Auf Arbeitnehmerseite<br />

trägt das erweiterte Mobilitätsangebot zu<br />

einem verbesserten Image sowie einer gesünderen<br />

Belegschaft bei – also eine<br />

Win-win-Situation für beide Seiten. Dank<br />

der vorteilhaften Gehaltsumwandlung ist<br />

das Firmenfahrrad für Mitarbeitende eine<br />

oft kostengünstige Möglichkeit, ein hochwertiges<br />

Fahrrad zu erwerben. Hinzu<br />

kommt, dass das Dienstrad unbegrenzt<br />

auch für private Zwecke genutzt werden<br />

kann und in jedem Fall eine sinnvolle und<br />

nachhaltige Ergänzung zum Firmenwagen<br />

sein kann.<br />

In fünf Schritten zum Dienstrad<br />

1. Registrierung der Mitarbeitenden über Link oder<br />

Firmenwebsite.<br />

2. Berechtigungsprüfung und Freigabe durch Arbeitgeber.<br />

3. Auswahl und Bestellung des persönlichen<br />

Wunschfahrrads über einen Bestellcode.<br />

4. Unterzeichnung einer Zusatzvereinbarung zum<br />

Arbeitsvertrag (Überlassungsvertrag).<br />

5. Abholung des Wunsch-Dienstrads beim Fachhändler.<br />

Eva Rothe<br />

ist Commercial<br />

Director bei Arval<br />

Deutschland.<br />

Bild: Arval<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 47


» FUHRPARK<br />

Bild: thebigticket20/stock.adobe.com<br />

Aufgrund der Lockdowns haben<br />

Dienstwagen häufig viel weniger<br />

auf dem Tacho als vertraglich<br />

vereinbart.<br />

Fuhrpark-Einkauf<br />

Limits lösen keine Probleme<br />

Die Pandemie hat den Einkauf vor ungeahnte Probleme gestellt. Es mangelt an<br />

Fahrzeugen und die Kosten steigen massiv. Verantwortlich sind nicht nur fehlende<br />

Halbleiter, sondern auch ungünstige Leasingverträge. Gibt es Alternativen?<br />

Die Pandemie hat es gegeben, nun droht sie es<br />

wieder zu nehmen: den Paketdiensten das gute<br />

Geschäft. Noch Ende 2021 freute sich die Branche<br />

über einen „durchweg anhaltenden Boom“. Nun<br />

mangelt es ausgerechnet Corona-bedingt an den<br />

wichtigsten Betriebsmitteln: an Fahrzeugen. Rund<br />

135.000 Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bringen allein<br />

die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes<br />

der Kurier-Express-Dienste (BdKEP) auf die Straße.<br />

Davon wird bei Auslaufen der Leasingverträge jährlich<br />

ungefähr ein Drittel ausgetauscht. Aufgrund der<br />

Produktionsengpässe in der Automobilindustrie fehlt<br />

auf absehbare Zeit der Ersatz. „Schon heute steigen<br />

die Lieferzeiten auf bis zu zehn oder mehr Monate.<br />

Die Anzahl an vorrätigen Lagerfahrzeugen ist bei<br />

Händlern um 90 Prozent und mehr gesunken“, berichtet<br />

der BdKEP-Vorsitzende Andreas Schumann<br />

aus der jüngsten Mitgliederbefragung. Ein solcher<br />

Verkäufermarkt ist für professionelle Einkäufer die<br />

schlechteste aller denkbaren Voraussetzungen. Sie<br />

sitzen am kürzeren Hebel und müssen einiges einstecken.<br />

Nicht nur, dass die Preise für Neu- und Gebrauchtwagen<br />

zu Jahresbeginn einen nie dagewesenen<br />

Höchststand erreichten. Es zeichnet sich laut<br />

Schumann ab, dass Fahrzeuge bevorzugt an die profitabelsten<br />

Kunden veräußert werden. „In dieser Situation<br />

zeigen sich einmal mehr die Vorteile einer<br />

strategischen Einkaufsbündelung. In welcher Form<br />

auch immer sie stattfindet: Am besten ist sie hersteller-<br />

und bankenunabhängig“, so Majk Strika, Ge-<br />

48 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


schäftsführer von Holman in Deutschland (ARI Fleet),<br />

einem weltweit führenden Spezialisten für automobile<br />

Dienstleistungen.<br />

Schweigen ist Gold<br />

Wie „Minderkilometer“<br />

die Kosten erhöhen<br />

Ursprünglicher Leasingvertrag: monatliche<br />

Rate 500 Euro, Laufzeit 36 Monate,<br />

vereinbarte Laufleistung 120.000 Kilometer,<br />

12 Cent je Mehrkilometer,<br />

Erstattung von 4 Cent je Minderkilometer,<br />

Deckelung bei 7500 Kilometer.<br />

Mehr- oder Minderkilometer: Hat das<br />

Auto am Ende 140.000 auf dem Tacho,<br />

werden 2400 Euro nachberechnet; die<br />

Leasingrate beträgt 14,5 Cent je Kilometer.<br />

Dem gegenüber werden für<br />

20.000 Minderkilometer nur 300 Euro<br />

erstattet; die Leasingrate pro Kilometer<br />

beträgt 17,7 Cent. Mehr noch: Stellt man<br />

ein nicht benötigtes Fahrzeug in die<br />

Garage, hat man am Ende 17.700 Euro<br />

bezahlt und gibt der Leasingfirma ein<br />

fast nagelneues Auto zurück.<br />

Viele Leasinggeber gestatten ihren Kunden großzügigerweise,<br />

Fahrzeuge nach Auslaufen der Verträge<br />

weiterzufahren. Die „stillschweigende Verlängerung“<br />

ist eine langjährig geübte Praxis. Sie basiert auf Paragraf<br />

545 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in dem es<br />

heißt: „Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den<br />

Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das<br />

Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine<br />

Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen<br />

innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt.“<br />

So lässt sich die schwierige Situation zwar auf<br />

bequeme Art lösen. Doch das Stillschweigen ist Gold<br />

– für den Leasinggeber. Die Leasingrate fließt in gleicher<br />

Höhe weiter, obwohl das Fahrzeug im Laufe der<br />

Jahre an Wert verloren hat, die Rate deshalb niedriger<br />

ausfallen müsste und die Abnutzung um ein Vielfaches<br />

geringer ist. Der Kunde zahlt für den Wert eines<br />

Neufahrzeugs, bei dem es sich tatsächlich um ein<br />

„Gebrauchten“, womöglich mit 120.000 Kilometern<br />

auf dem Tacho und allerlei Gebrauchsschäden handelt.<br />

Für die wird er, wenn er das Fahrzeug endlich<br />

zurückgeben kann, dann noch einmal zur Kasse gebeten.<br />

Zurzeit besteht allerdings das Risiko, dass sich<br />

der Leasinggeber auf eine stillschweigende Verlängerung<br />

gar nicht einlässt und das Fahrzeug einzieht,<br />

um es auf den brummenden Gebrauchtwagenmarkt<br />

zu werfen. Oder aber er fordert eine höhere Rate.<br />

Schumann: „Es zeichnet sich ab, dass die Steigerungen<br />

100 Prozent betragen könnten.“<br />

Weniger fahren, mehr zahlen<br />

Was auch immer passiert: Es verschlechtert sich die<br />

wichtigste betriebswirtschaftliche Kennzahl im Fuhrpark:<br />

die Kosten pro Kilometer. Dies geschieht Corona-bedingt<br />

aber noch auf eine ganz andere Weise.<br />

Aufgrund der Lockdowns haben Dienstwagen viel<br />

weniger auf dem Tacho als vertraglich vereinbart.<br />

„Wir sehen sogar Fälle von 50.000 bis 100.000 Minderkilometer<br />

wenige Monate vor Vertragsende“, so<br />

Ilona Janssen, Senior-Partnerin der Beratungsgesellschaft<br />

für Kostenmanagement Expense Reduction<br />

Analysts. Minderkilometer werden bei der Endabrechnung<br />

erstattet. Allerdings ist es oft nur ein Drittel<br />

von dem, was für zu viel gefahrene Kilometer<br />

nachberechnet würde, wodurch sich das Ergebnis<br />

ebenfalls verschlechtert (siehe Kasten).<br />

Ein Geschäftswagen ist dann am wirtschaftlichsten,<br />

wenn das vereinbarte Kilometerlimit voll ausgenutzt<br />

wird, und das war vor der Pandemie meistens der<br />

Fall. Deshalb drehten sich die Vertragsverhandlungen<br />

vor allem um die Finanzierungsrate. Für die Eventualitäten<br />

im Kleingedruckten hat sich dagegen kaum<br />

jemand interessiert. Dabei weisen Experten schon<br />

seit Langem darauf hin, dass der Wertverlust pro<br />

Mehrkilometer nicht in so starkem Maße vom Wertgewinn<br />

pro Minderkilometer abweiche. „Einen niedrigeren<br />

Satz sollten Sie gar nicht akzeptieren“, so der<br />

ADAC. Der Bundesverband Fuhrparkmanagement rät<br />

dazu, bei künftigen Verträgen die wesentlichen Aspekte<br />

kritisch zu hinterfragen.<br />

Eine Rekalkulation vereinbaren<br />

Wer sich für einen Kilometervertrag entscheidet,<br />

sollte in jedem Fall auf die Möglichkeit einer Rekalkulation<br />

bestehen. Dabei wird, wenn sich eine geringere<br />

Laufleistung abzeichnet, der Vertrag so geändert,<br />

als wäre er beispielsweise für 100.000 statt für<br />

150.000 Kilometer abgeschlossen worden. Abzüglich<br />

einer Bearbeitungsgebühr wird die Erstattung auf die<br />

Raten der Restlaufzeit angerechnet. Einige Leasinggesellschaften<br />

bieten diese Möglichkeit an. „Flottenverträge<br />

müssen diesen Punkt aber klar und fair regeln;<br />

sonst fällt der Vorteil eher mager aus“, betont<br />

Kostenmanagerin Janssen. Bei einem Full-Service-<br />

Leasing könne man die Dienstleistungsanteile kündigen,<br />

falls der Vertrag dies zulasse. Ebenso sollte für<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 49


» FUHRPARK<br />

Ein Geschäftswagen ist dann am wirtschaftlichsten, wenn das<br />

vereinbarte Kilometerlimit voll ausgenutzt wird.<br />

den Fall, dass ein Fahrzeug länger gefahren wird als<br />

vereinbart, eine kundenfreundliche Regelung getroffen<br />

werden. Das systemische Ungleichgewicht zwischen<br />

Mehr- und Minderkilometern wird aber auch<br />

dadurch nicht beseitigt.<br />

Alternativen beim Leasing<br />

Dem Prinzip des Leasings, nur für das zu zahlen, was<br />

man tatsächlich nutzt, würden viele Kilometer- und<br />

Laufzeit-bezogene Leasingverträge nicht gerecht, so<br />

Majk Strika von Holman. Bei diesen auch als „geschlossen“<br />

bezeichneten Verträgen basiere die Finanzierung<br />

auf kalkulatorischen Restwerten, verschiedenen<br />

Gebühren und festgelegten Limits. Diese Parameter<br />

sowie die davon abgeleiteten Mehr- und Minderkilometer-Sätze<br />

bilden weder den tatsächlichen<br />

Gebrauch noch das reale Marktgeschehen ab. Die<br />

Pandemie und der Effekt „Weniger fahren, mehr zahlen“<br />

habe den Systemfehler deutlich vor Augen geführt.<br />

Ein geschlossener Vertrag sei sozusagen Topdown<br />

nach der maximalen Gewinnerwartung der<br />

Leasinggesellschaft kalkuliert. Und die treffe meistens<br />

ein, egal, in welchem Zustand man ein Fahrzeug<br />

am Ende der Laufzeit zurückgebe. Leasing werde<br />

fälschlicherweise mit dieser speziellen Variante<br />

gleichgesetzt. Dabei biete es noch ganz andere Möglichkeiten<br />

im Rahmen „offener“ Vertragsmodelle.<br />

Flexibel agieren<br />

Diese verbinden Elemente eines Leasings mit denen<br />

eines Kaufs. Der Leasingnehmer nutzt den PKW oder<br />

Transporter ohne Limits voll flexibel. Die Rate deckt<br />

Bild: Songwut Pinyo/stock.adobe.com<br />

ähnlich einem Darlehen den reinen Finanzierungsaufwand<br />

ab. Experte Strika: „Nach drei Monaten<br />

kann er den Vertrag jederzeit durch Ablösung der<br />

Restschuld kündigen. Das Fahrzeug gehört dann ihm.<br />

Er fährt es weiter oder verkauft es zu einem günstigen<br />

Zeitpunkt.“ Den richtigen Zeitpunkt für die Veräußerung<br />

abzupassen, kann lukrativ sein. Beispielsweise<br />

lag der Gebrauchtwagenpreis im November<br />

2021 laut dem ADAC-Marktbericht um durchschnittlich<br />

3.726,00 Euro beziehungsweise 10 Prozent über<br />

dem Vorjahresmonat. Bei einem klassischen Full-Service-Vertrag<br />

fließt der Vermarktungsgewinn allein<br />

der Leasinggesellschaft zu. Die Nachfrage nach Finanzierungsleasing-Modellen<br />

ist laut dem Bundesverband<br />

Deutscher Leasing-Unternehmen e. V. allein<br />

im Jahr 2019 um 47 Prozent gestiegen. Zu jener Zeit<br />

war Corona zwar noch kein Thema. Aber immer mehr<br />

Unternehmen erkennen, dass die Wirtschaft volatiler<br />

wird, dass sich Geschäftsmodelle ändern und mit ihnen<br />

auch die Anforderungen an die Mobilität.<br />

Der Markt fordert Veränderungen<br />

Neben dem Wunsch nach mehr Flexibilität gewinnt<br />

der Fahrzeugkauf oder -besitz und damit die Möglichkeit,<br />

die wirtschaftlichen Vorteile voll selbst nutzen<br />

zu können, an Stellenwert. Der Gedanke, mit dem<br />

Fahrzeug in den eigenen Büchern selbst einen Restwert<br />

in der Hand zu haben, scheint wieder an Auftrieb<br />

zu gewinnen. „Es sind vor allem größere Flotten<br />

ab 50 Fahrzeugen, welche die selbst verwaltete Flotte<br />

im eigenen Besitz wieder als Vorteil entdeckten.<br />

Mittlerweile sind dies schon wieder 30 Prozent der<br />

Unternehmen in diesem Segment“, heißt es in der<br />

Leasing-Analyse 2021 von Dataforce, der führenden<br />

auf gewerbliche Mobilität spezialisierten Marktforschungsgesellschaft.<br />

Für welches Modell man sich<br />

entscheidet, ist allerdings keine ideologische Frage.<br />

„Es kommt immer auf den Einzelfall an. Für kleinere<br />

Unternehmen ohne eigenes Fuhrparkmanagement<br />

kann ein Leasing mit Service-Komponenten durchaus<br />

sinnvoll sein. Ab 100 Fahrzeugen lohnt es sich, auf<br />

die Finanzierungs- und Unterhaltungskosten aktiv<br />

Einfluss zu nehmen“, so Holman-Experte. Die Entkoppelung<br />

beider Bereiche schaffe die dafür notwendige<br />

Transparenz.<br />

Auch der mit Flexibilitätsvorteilen werbende Vermietungsmarkt<br />

bleibt von der <strong>aktuell</strong>en Entwicklung<br />

nicht verschont. BdKEP-Geschäftsführer Schumann:<br />

„Günstige und planbare Langzeitmieten werden<br />

nicht mehr abgeschlossen. Fahrzeuge werden tages-,<br />

wochen- oder monatsweise vermietet – zum Tagespreis.<br />

Manfred Godek, PR-Berater und Journalist<br />

50 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Charging as a Service<br />

Ladeinfrastruktur leicht<br />

gemacht<br />

Insgesamt ist der Elektrifizierungsgrad von Firmenflotten trotz Nachhaltigkeitszielen<br />

und Corporate Social Responsibility immer noch niedrig. Dennoch setzt bereits eine<br />

zunehmende Zahl von Unternehmen auf Elektrifizierung und steht vor der Aufgabe, die<br />

entsprechende Ladeinfrastruktur anzubieten. Mit der richtigen Planung und Umsetzung<br />

müssen Flottenmanager nicht vor Aufwand und Kosten zurückschrecken.<br />

Gründe, sich im Fuhrpark mit dem<br />

Thema E-Mobilität auseinanderzusetzen,<br />

gibt es genug: Neben Umweltaspekten<br />

wie C0 2 -Reduktion und nachhaltiger<br />

Unternehmensausrichtung sind<br />

es die Möglichkeiten, Steuervorteile zu<br />

nutzen und Subventionen auszuschöpfen,<br />

die eine E-Firmenflotte wirtschaftlich interessant<br />

machen. Darüber hinaus zahlt<br />

Elektroladen am Parkplatz auch auf die<br />

Mitarbeiterzufriedenheit, ein positives<br />

Image und die Attraktivität als Arbeitgeber<br />

ein. Wer möchte nicht auf dem neuesten<br />

technologischen Stand sein und bei<br />

Kunden und Belegschaft entsprechend<br />

wahrgenommen werden?<br />

Der Umstieg auf Elektromobilität steht<br />

und fällt mit einem individuell zugeschnittenen<br />

Ladekonzept. Der erste<br />

Schritt ist eine umfassende Bestandsaufnahme<br />

und Analyse der Anforderungen<br />

an die zukünftige Ladeinfrastruktur durch<br />

zertifizierte Energie- und E-Mobilitätsberater.<br />

Dabei werden die baulichen und<br />

elektrotechnischen Gegebenheiten geprüft<br />

und die gebäudetechnischen Herausforderungen<br />

analysiert. Zentrale Fragen<br />

sind dabei die Energieversorgung und<br />

das Lastmanagement ebenso wie der<br />

Brandschutz. Dabei sollte unbedingt der<br />

zukünftige Bedarf mit im Blick behalten<br />

und ein Ladekonzept installiert werden,<br />

das langfristig wirtschaftlich ist.<br />

Elektrische Firmenflotte im<br />

Mietmodell als Flatrate<br />

Mit Servicemodellen wie beispielsweise<br />

dem Charging-as-a-Service-Angebot von<br />

Chargeone holen sich Flottenmanager die<br />

Bild: Chargeone<br />

In den deutschen Fuhrparks hält die Elektromobilität Einzug – mit steigender Tendenz.<br />

Expertise eines erfahrenen Elektrofachbetriebs<br />

ins Haus und haben gleichzeitig ihre<br />

Kosten im Griff, so das Unternehmen.<br />

Das Mietmodell für Ladeinfrastruktur<br />

deckt mit einer monatlichen Flatrate Miete<br />

und Betrieb von Ladesäulen im Komplettangebot<br />

ab, inklusive Telefonhotline<br />

im Notfall. Die Abrechnung des Ladestroms<br />

kann in das Buchhaltungssystem<br />

integriert werden. Vor allem muss sich die<br />

Ladeinfrastruktur aber auch nahtlos in<br />

den betriebseigenen Workflow und die<br />

Abrechnung integrieren lassen.<br />

Doch nicht nur deshalb soll Charging as a<br />

Service laut Chargeone das Modell der<br />

Zukunft sein: In Zeiten steigender Nachfrage<br />

nach Ladeinfrastruktur werden die<br />

<strong>Beschaffung</strong> von Ladesäulen und die Installation<br />

vor Ort immer mehr zum Engpass.<br />

Hier können Partner mit Elektroexpertise<br />

helfen, die auf ihre Erfahrung aus<br />

einer Vielzahl von E-Mobility-Projekten<br />

zurückgreifen können, genügend Ladesäulen<br />

auf Vorrat haben und mit ihrem<br />

Team vor Ort sind. Mit rund 500 Mitarbeitern<br />

und 5000 Ladepunkten im Lager ist<br />

Chargeone für den Ausbau der Ladeinfrastruktur<br />

von Unternehmen laut eigenen<br />

Angaben gut aufgestellt. (ys)<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 51


Die Steigerung der Energieeffizienz<br />

bietet Potenzial für<br />

Kostenreduzierungen.<br />

Bild: Olivier Le Moal/stock.adobe.com<br />

Wirksame Ansatzpunkte bei Energiebeschaffung und -effizienz<br />

Mit einer Energiestrategie zu<br />

mehr Sicherheit<br />

Die Preisentwicklung an den Energiemärkten hat für viele Unternehmen bereits<br />

existenzielle Ausmaße angenommen. Doch hat sich diese Situation seit Beginn<br />

des Kriegs in der Ukraine nochmals deutlich verschärft: Die Frage ist nicht mehr<br />

nur, wie viel Unternehmen für Energie bezahlen müssen, sondern vielmehr wie<br />

sie dauerhaft die Versorgung mit Energie sicherstellen können.<br />

Dr. Wolfgang Hahn,<br />

Geschäftsführer der<br />

Energie Consulting<br />

GmbH (ECG)<br />

Nicht zuletzt mit der Ausrufung der Warnstufe 2<br />

des Notfallplans Gas aufgrund der Lieferkürzungen<br />

von russischem Erdgas ist das Worst-Case-<br />

Szenario einer Gasmangellage und entsprechender<br />

staatlicher Maßnahmen wieder ein Stück näher gerückt.<br />

Umso besorgter schauen viele Unternehmen<br />

auf die Versorgungslage in der kommenden Wintersaison<br />

und darüber hinaus.<br />

Die Politik hat zwar mehrere Weichenstellungen<br />

vorgenommen, um die Abhängigkeit<br />

von russischem Gas zu beenden.<br />

Bild: ECG<br />

Allerdings dürfte allen aufmerksamen Beobachtern<br />

inzwischen klar geworden sein,<br />

dass die Effekte dieser Maßnahmen eher<br />

eine mittel- oder langfristige Perspektive<br />

besitzen. Das Gebot der Stunde ist deshalb,<br />

nicht auf die Politik zu warten, sondern<br />

selbst die Initiative zu ergreifen. Der<br />

erste Schritt besteht nun darin, die eigene<br />

Energiebeschaffung auf den Prüfstand zu<br />

stellen. Wichtig ist, diese nicht auszusetzen,<br />

sondern strukturiert vorzugehen. Dabei empfiehlt<br />

es sich, das Risiko hoher Preise auf mehrere<br />

Stromhandelstage zu streuen und in Tranchen einzukaufen.<br />

Allerdings sollte dabei in der <strong>aktuell</strong>en Situation<br />

die Absicherung stärker im Vordergrund stehen<br />

als bisher, während dennoch Spielraum für den späteren<br />

Kauf von Teilmengen bestehen bleibt.<br />

Stellschrauben für geringere<br />

Energiekosten<br />

Mittel- und langfristig birgt die Steigerung der Energie-<br />

und Ressourceneffizienz oftmals noch erhebliches<br />

Potenzial für Kostenreduzierungen. Dies betrifft<br />

zum Beispiel eine genaue Untersuchung von möglichen<br />

Einsparungsmöglichkeiten im Betrieb oder die<br />

Investitionen für neue sparsame Maschinen und Anlagen.<br />

Zwar sind derlei Maßnahmen mit Investitionen<br />

verbunden, die in der <strong>aktuell</strong> unsicheren Situation<br />

schwierig erscheinen. Doch wer möglichst zügig<br />

das Thema Energieeffizienz angeht, schafft die<br />

Grundlage, um dauerhaft unabhängiger von der<br />

52 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


ENERGIE «<br />

Preisentwicklung an den Energiemärkten zu werden<br />

und die eigene Versorgung abzusichern.<br />

Grundlage dafür ist die kompetente Erstellung eines<br />

Carbon Footprint, der auf verschiedenen Ebenen klima-<br />

und damit kostenrelevante Verbesserungspotenziale<br />

im Unternehmen eindeutig identifiziert. Er<br />

zeigt, wo sich die Hot-Spots der im Unternehmen erzeugten<br />

CO 2 -Emissionen befinden und welche Gebiete<br />

sich für eine Reduzierung besonders anbieten.<br />

Davon lassen sich konkret mögliche Reduktionsmaßnahmen<br />

für das jeweilige Unternehmen ableiten.<br />

Wobei ebenfalls gilt, dass diese hinsichtlich ihrer potenziellen<br />

Kosten unbedingt vorab zu prüfen sind.<br />

Mehr Energie- und<br />

Ressourceneffizienz<br />

Unternehmen steht heute ein breites Spektrum an<br />

Maßnahmen zur Verfügung, um die eigene Energieund<br />

Ressourceneffizienz zu steigern. Um die wesentlichen<br />

Punkte zu skizzieren:<br />

• Erneuerbare Energien: Einkauf von Ökostrom, Eigenerzeugung<br />

etwa per Photovoltaik- und Windkraftanlagen,<br />

Erwerb über Green Power Purchase<br />

Agreements, Nutzung von Biogas oder Ökogas.<br />

• Energieeffizienz: Einführung Energiemanagementsystem<br />

nach ISO 50001 oder ISO 50005 zur Betrachtung<br />

der Energieverbräuche im Unternehmen,<br />

Verhindern von Stillstands- und Leerlaufzeiten<br />

von Anlagen, Behebung von Leckagen, Optimierung<br />

der Steuerung von Prozessen, Absenkung<br />

von Druck- und Temperaturniveaus, Verbesserungen<br />

bei Brennstoffnutzung und Wärmeerzeugung.<br />

• Ressourceneffizienz: Reduzierung von Abfallmengen,<br />

Erhöhung von Recyclingquoten, Verwendung<br />

alternativer Rohstoffe, Überprüfung von Transportwegen,<br />

um eigene Verbräuche zu reduzieren.<br />

• Elektromobilität: Sukzessiver Austausch des konventionellen<br />

Fuhrparks gegen Elektrofahrzeuge,<br />

Nutzung eigenerzeugter Energie zum Laden.<br />

• Kompensationsmaßnahmen: Ausgleich nicht vermeidbarer<br />

Emissionen im Betrieb als Bestandteil<br />

eigener Dekarbonisierungsaktivitäten.<br />

Nutzung der Fördertöpfe<br />

Den potenziellen Investitionen steht eine ganze Reihe<br />

an Fördermöglichkeiten gegenüber. Diese können<br />

die Amortisation auf einen betriebswirtschaftlich attraktiven<br />

Zeitraum verkürzen. Vor einer Investition<br />

lohnt also stets der Blick in die geeigneten Fördertöpfe<br />

von Bund und Ländern. Wesentlich ist in diesem<br />

Zusammenhang das Bundesamt für Wirtschaft<br />

und Ausfuhrkontrolle, kurz: BAFA. Es bietet fünf Fördermodule<br />

für die Energie- und Ressourceneffizienz.<br />

Diese betreffen Neu- und Ersatzanschaffungen etwa<br />

Häufig übersehen:<br />

Die Energienebenkosten<br />

Die Betrachtung der Energienebenkosten eröffnet<br />

zusätzliche Einsparungspotenziale. So können sich<br />

Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen einen<br />

Teil der Stromsteuer erstatten oder komplett<br />

entfallen lassen. Für das produzierende Gewerbe<br />

reicht das Spektrum von einer etwa 25-prozentigen<br />

Entlastung über einen Spitzenausgleich bis zur vollständigen<br />

Befreiung von der Stromsteuer bei der<br />

Herstellung bestimmter Materialien sowie der Anwendung<br />

spezifischer chemischer Verfahren.<br />

Auch der Blick auf das Netznutzungsentgelt kann interessant<br />

sein: Unternehmen, die bestimmte Verbrauchsprofile<br />

nachweisen, können ein individuelles<br />

Entgelt vereinbaren. Dies ist der Fall etwa bei einer<br />

atypischen Netznutzung mit hohen Verbräuchen außerhalb<br />

der Hochlastzeiten oder bei einer besonders<br />

intensiven oder singulären Nutzung. Die mögliche<br />

Reduzierung des Netznutzungsentgelts beläuft sich<br />

dabei auf bis zu 90 Prozent. Darüber hinaus kommt<br />

eine Entlastung auch bei einer gewissen Stromkostenintensität<br />

in Betracht.<br />

für Querschnittstechnologien wie Motoren, Pumpen<br />

oder Druckluftanlagen, für Prozesswärme aus Erneuerbaren<br />

Energien, für Sensorik und Energiemanagement,<br />

für die Optimierung von Anlagen und Prozessen<br />

und sogar für die Erstellung von Transformationskonzepten<br />

hin zu mehr Klimaneutralität. Üblich<br />

sind insgesamt Förderquoten von 40 bis 60 Prozent<br />

der Kosten. Zusätzlich bietet die BAFA eine Bundesförderung<br />

für effiziente Gebäude (BEG). Übrigens:<br />

Die Einführung eines Energiemanagements nach DIN<br />

ISO 50001 wird nicht gefördert, ist oftmals aber<br />

sinnvoll, um überhaupt Einsparpotenziale zu identifizieren<br />

– deren Umsetzung wiederum förderfähig ist.<br />

Zudem ist solch ein System Voraussetzung für Entlastungen<br />

etwa bei den Energienebenkosten.<br />

Energiebeschaffung sowie Energieeffizienz verlangen<br />

eine umsichtige Herangehensweise. Und das Thema<br />

Investitionen kommt momentan für viele Unternehmen<br />

sicherlich zur Unzeit. Doch sowohl auf kurzer<br />

wie auf langer Sicht liegen die Vorteile auf der Hand,<br />

insbesondere in energieintensiven Branchen: Mit einem<br />

substanziell untermauerten <strong>Beschaffung</strong>s- und<br />

Optimierungsprozess können sich Unternehmen zukunftssicher<br />

aufstellen und auch perspektivisch entstehende<br />

Kosten im Ansatz vermeiden.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 53


Bild: Bosch<br />

Fabian Bucksch (l.) betrachtet gemeinsam mit Andreas Theis und Arne Köngeter (r.) den energetischen Wertstrom.<br />

Mehr Transparenz für Energiedaten<br />

Kein Kilowatt zu viel<br />

In Echtzeit ermöglicht eine Plattform von Bosch den Blick ins Innere von<br />

Industriemaschinen. Die Daten aus der Überwachung nutzt der Konzern in der<br />

eigenen Produktion, um Abschaltzeiten von Anlagen zu optimieren und so den<br />

Energieverbrauch zu senken. Mit Unterstützung der Plattform spart das Werk<br />

in Homburg jährlich mehrere Millionen Euro.<br />

Wenn am Montagmorgen im Saarland in den<br />

Homburger Werkshallen die Maschinen<br />

hochfahren, kann Fabian Bucksch in seinem Büro dabei<br />

zusehen. Ein Lämpchen nach dem anderen leuchtet<br />

auf seinem Bildschirm auf. Mit einem Blick erfasst<br />

er, ob es irgendwo Anlaufprobleme gibt. Im<br />

Stand-by-Modus verbrauchen sie nur noch ein Fünftel<br />

dessen, was sie vor fünf Jahren benötigten. „Wir<br />

haben unser Abschaltmanagement stark verbessert“,<br />

sagt der Energieexperte. Dazu beigetragen haben<br />

Anleitungen für die Mitarbeiter, wie sie die Maschinen<br />

an- und abschalten sollen, aber auch technische<br />

Eingriffe. „Allein dadurch spart das Werk jährlich<br />

mehr als 1,2 Millionen Euro.“<br />

Das optimierte Abschaltmanagement ist nur eine von<br />

vielen Energiesparmaßnahmen, die den Verbrauch im<br />

Werk um knapp elf Millionen Euro drücken konnten.<br />

Abgeleitet wurden sie mithilfe der Energy Platform,<br />

einer Software, die umfängliche Informationen darüber<br />

liefert, wie viel Energie welche Maschine zu welchem<br />

Zeitpunkt verbraucht. Die Plattform lässt tief<br />

ins Konsumverhalten der Anlagen blicken. „Durch<br />

Ober- und Untergrenzen, aber auch durch Vergleiche<br />

zwischen den Maschinen können wir sofort erkennen,<br />

welche unnötig viel Energie verbrauchen oder<br />

welche schlecht ausgelastet sind“, sagt Bucksch. Eine<br />

ständige Überwachung sei nicht erforderlich: Bei Abweichungen<br />

sendet die Plattform eine Nachricht an<br />

den zuständigen Mitarbeiter.<br />

Von der einzelnen Maßnahme zur<br />

Plattform<br />

Entstanden ist die Energy Platform als logische Konsequenz:<br />

„Wir haben 2007 mit einzelnen Sparmaßahmen<br />

angefangen und dann schrittweise und systematisch<br />

das große Potenzial erarbeitet“, erzählt<br />

Bucksch, der heute mit einem Energieteam aus 14<br />

Mitarbeitern die Energieeffizienz des Werks Homburg<br />

verbessert. Hintergrund ist, dass das Homburger<br />

Werk mit einem sehr hohen Energieverbrauch umge-<br />

54 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


ENERGIE «<br />

hen muss. Um den Verbrauch zuordnen zu können,<br />

wurden alle Maschinen mit Sensoren aufgerüstet.<br />

Die gemessenen Daten werden in der Energy Platform<br />

aufbereitet und übersichtlich dargestellt.<br />

Inzwischen überwacht Bosch den eigenen Verbrauch<br />

an mehr als 90.000 Datenpunkten mit der intelligenten<br />

Lösung. In Homburg sind über die Plattform gut<br />

10.000 Datenpunkte vernetzt. Hier konnten bereits in<br />

den ersten beiden Jahren der CO 2 -Ausstoß um 12<br />

Prozent gesenkt werden. Das Bosch-Werk Blaichach<br />

nutzt das System, um Energie- und Produktionsdaten<br />

an über 1000 Datenpunkten zu erfassen. Mithilfe der<br />

Lösung wurden die Energiekosten bei Maschinen im<br />

Bereich Druckluft um bis zu 40 Prozent reduziert.<br />

Den Puls der Maschine messen<br />

An diesem Morgen sieht sich Bucksch mit seinen<br />

Kollegen den Druckluftverbrauch vier neuer Schleifmaschinen<br />

an. Über den Vergleich bestimmter Kennzahlen<br />

erkennen sie, dass eine der Maschinen mehr<br />

Druckluft benötigt als die anderen. „Das deutet auf<br />

eine Leckage hin“, sagt Bernhard Kohl aus dem Energieteam.<br />

„Ohne die Energy Platform hätten wir die<br />

undichte Stelle vermutlich erst bei der nächsten<br />

Wartung entdeckt.“ Sie erfahren aber noch mehr<br />

über den Zustand der Maschine. „An dem Profil der<br />

Kennzahlen können wir auch ablesen, wie hoch der<br />

Verschleiß der Bauteile ist“, erklärt Andreas Theis, der<br />

die Abteilung Technische Funktionen leitet. Der Instandhalter<br />

wechselt daher Bauteile nicht mehr präventiv<br />

nach festgelegten zeitlichen Intervallen aus,<br />

sondern „prädiktiv, also zustandsorientiert“, wie<br />

Theis erklärt. „Um die Instandhaltungskosten auf ein<br />

Best-Case-Minimum zu senken.“ Für die Instandhalter<br />

ist diese Alarmfunktion hilfreich. Muss etwa die<br />

Spindel in der Schleifmaschine ausgetauscht werden,<br />

informiert die Energy Platform die Mitarbeiter rechtzeitig.<br />

„Dadurch sparen wir uns den Kauf einer neuen<br />

Spindel und verhindern Qualitätsmängel sowie wochenlangen<br />

Maschinenstillstand.“<br />

Im Abschaltmanagement liegt das größte Sparpotenzial.<br />

Bild: Bosch<br />

Bernhard Kohl (r.) zeigt Fabian Bucksch einen Fehler auf dem Monitor einer<br />

Schleifmaschine.<br />

Seit 2013 vertreibt die Bosch-Tochter Energy and<br />

Building Solutions die Plattform – und das Homburger<br />

Werk ist nicht nur der erste und größte Kunde,<br />

sondern laut Konzernangaben zudem Vorreiter für<br />

weitere Anwendungsfälle. „Auch bei der Applikation<br />

der Software beim externen Kunden wird das Energieteam<br />

aus Homburg hinzugezogen“, erklärt<br />

Bucksch. „Auf Wunsch führen wir sogar technische<br />

Eingriffe in unserer Werkstatt durch.“<br />

Potenziale im Lastenmanagement<br />

Im Homburger Werk sind mehr als 15 Prozent der<br />

3600 Maschinen im Werk mit der Plattform verbunden.<br />

„Als Nächstes wollen wir unsere Produktion mit<br />

der Energiezentrale des Werks vernetzen“, sagt<br />

Bucksch. Auf Grundlage dieser Daten könne man das<br />

Lastenmanagement verbessern. Der Energieexperte<br />

gibt ein Beispiel: „Wenn montagmorgens alle Maschinen<br />

hochfahren, entsteht eine Spitzenlast, die<br />

sich unser Übertragungsnetzbetreiber teuer bezahlen<br />

lässt. Prognostiziert die Plattform diese, kann sie von<br />

uns gekappt werden, indem wir den Bezug unserer<br />

Energie gezielt steuern.“ Die Grundlast konnte innerhalb<br />

von fünf Jahren auf bis zu 30 Prozent abgesenkt<br />

werden.<br />

Bei ihren Abteilungsleitern läuft das Energieteam offene<br />

Türen ein. „Viele Firmen haben das Thema noch<br />

nicht auf dem Bildschirm“, beobachtet Arne Köngeter,<br />

der die Fertigung in Werk 1 verantwortet. Dabei<br />

seien die klassischen Einsparmöglichkeiten durch<br />

Automatisierung oder Personalkürzungen weitgehend<br />

ausgereizt – während Energie immer teurer<br />

werde. Die Mitarbeiter des Werks sind dafür längst<br />

sensibilisiert. „Bei uns wird auch nach dem Aufenthalt<br />

in den Personalräumen das Licht immer ausgeknipst“,<br />

sagt Köngeter abschließend. (ys)<br />

Bild: Bosch<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 55


» BETRIEB<br />

Welche Regalformen wann, wie und von wem geprüft werden müssen<br />

Die Prüfpflicht von Regalen erfüllen<br />

Regale stehen in Lagern, Verkaufsräumen und Archiven. Werden sie gewerblich<br />

genutzt, muss ihre Sicherheit durch Prüfungen nachgewiesen, gewährleistet<br />

und dokumentiert werden. Mit einem Software-Tool können Unternehmen ihren<br />

Prüfpflichten leichter nachkommen und gleichzeitig Transparenz schaffen.<br />

Regale kommen nicht<br />

nur in Lagern zum<br />

Einsatz, sondern z. B.<br />

auch in Verkaufs -<br />

räumen, Werkstätten<br />

und in Bibliotheken<br />

oder Archiven. Eine<br />

Prüfung stellt sicher,<br />

dass für Menschen<br />

keine Gefahr ausgeht.<br />

Ein kleiner Schaden wie eine lose Schraube oder<br />

eine nicht sachgerechte Installation kann unbemerkt<br />

dazu führen, dass ein Regal instabil wird und<br />

eine Ereigniskaskade in Gang setzt: Kommt es zum<br />

Worst Case und ein Regal stürzt ein, sind nicht nur<br />

Menschenleben in akuter Gefahr, auch die Sachschäden<br />

können immens sein. Nicht zuletzt erlischt der<br />

Versicherungsschutz, wenn ein Unternehmen nicht<br />

nachweisen kann, dass es seinen Schutzverpflichtungen<br />

nachgekommen ist.<br />

Verschiedene Vorschriften regeln, welche gewerblichen<br />

Regale geprüft werden müssen, wann die Inspektionen<br />

fällig sind und wer sie ausführen darf: § 5<br />

des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) schreibt die<br />

Pflicht des Arbeitgebers zur Beurteilung der Arbeitsbedingungen<br />

vor, die Betriebssicherheitsverordnung<br />

(BetrSichV) legt eine Gefährdungsbeurteilung fest,<br />

die DIN EN 15635 legt den Umfang als auch den Ablauf<br />

der Kontrollen fest, die berufsgenossenschaftliche<br />

Regel DGUV 108-007 (BGR 234) sieht Maßnahmen<br />

zur Schadensbeseitigung vor und die DGUV-Information<br />

208-043 enthält weitere Informationen<br />

zur Sicherheit von Regalen. Demnach müssen Regale<br />

einer regelmäßigen Sichtkontrolle unterzogen und<br />

alle zwölf Monate von fachkundigem Personal geprüft<br />

werden. Die Häufigkeit der Inspektion legt der<br />

Lagerverwalter mit einer Risikoanalyse fest – in der<br />

Regel erfolgt sie wöchentlich. Gemäß DIN EN 15635<br />

sind Unternehmen außerdem verpflichtet, Schäden<br />

sofort an den Sicherheitsbeauftragten zu melden, ein<br />

Schadensprotokoll zu führen und die Ursachen zu ermitteln<br />

bzw. Präventionsmaßnahmen einzuleiten.<br />

Prüfpflicht gewährleistet Sicherheit<br />

Unter die Prüfpflicht fallen unter anderem Einfahrregale,<br />

Fachbodenregale und Palettenregale, aber auch<br />

Durchfahr- und Durchlaufregale, Kragarmregale und<br />

Mehrgeschossregale sowie kraftbetriebene Regale.<br />

Besonders wichtig ist der Fokus auf Schwerlastregale,<br />

die Fachlasten – also die Belastung im einzelnen<br />

Bild: Drazen/stock.adobe.com<br />

56 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Regalfach – von bis zu vier Tonnen tragen können.<br />

Fachlast und Feldlast – das maximale Gewicht, das<br />

ein Regal tragen kann – werden am Regal selbst ausgewiesen.<br />

Die verschiedenen Regalformen kommen nicht nur in<br />

Lagern und der Intralogistik zum Einsatz, sondern<br />

auch in Verkaufsräumen, Werkstätten und in Bibliotheken<br />

oder Archiven. Durch die Prüfpflicht soll sichergestellt<br />

werden, dass Regale korrekt aufgebaut,<br />

gesichert und gekennzeichnet sind. Sichere Regale<br />

sind auch dann besonders wichtig, wenn Automaten<br />

Lagerware herausholen oder einsetzen oder wenn<br />

Flurförderfahrzeuge wie Gabelstapler im Einsatz sind.<br />

Die Prüfung stellt sicher, dass für Mitarbeiter, aber<br />

auch Kunden keine Gefahr ausgeht.<br />

Bei der wöchentlichen Sichtkontrolle wird jedes Regal<br />

begutachtet und die Prüfung dokumentiert. Dabei<br />

wird unter anderem kontrolliert, ob das Regal gemäß<br />

der Montageanleitung aufgebaut wurde, ob das<br />

Regal lotrecht steht, ob Schäden – auch an den<br />

Schweißnähten – erkennbar sind, ob die Sicherungen<br />

in gutem Zustand oder ob die Lasten gleichmäßig<br />

verteilt sind und die Maximalbelastung nicht überschritten<br />

wird. Diese Prüfung nimmt vor allem jene<br />

Regale in den Fokus, bei denen Schäden zu erwarten<br />

sind. Die jährliche Prüfung hat die gleichen Inhalte,<br />

allerdings ist ihr Umfang deutlich größer, da sie alle<br />

Elemente umfasst. Hier werden unter anderem die<br />

Belastungsschilder und Kennzeichnungen mit dem<br />

tatsächlichen Regalaufbau verglichen, die Regale begutachtet<br />

und gemäß den Herstellervorgaben kontrolliert.<br />

Ebenso wird die Einhaltung der Vorschriften<br />

der Berufsgenossenschaft nach DGUV Regel 108-007<br />

kontrolliert. Schäden werden markiert, dokumentiert,<br />

analysiert und ihre Auswirkungen auf die Sicherheit<br />

sowie die Ursachen eingeschätzt, eine Planung zur<br />

Beseitigung der Mängel sowie Regeln für die Schadensvorbeugung<br />

aufgesetzt. Jede Prüfung schließt<br />

mit einem Inspektionsprotokoll mit Beurteilung aller<br />

Schäden ab. Das geprüfte Regal erhält eine Plakette.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass vor allem die unteren Bereiche<br />

der Regalsysteme Schäden nehmen – etwa<br />

durch Kontakt mit einem Gabelstapler – und die Stabilität<br />

der Konstruktion gefährden.<br />

Im Falle von Mängeln und Schäden erfolgt die Einteilung<br />

in drei Gefahrenstufen: Im grünen Bereich müssen<br />

die betroffenen Teile gekennzeichnet und überwacht<br />

werden, im Bereich Orange finden sich die gefährlichen<br />

Beschädigungen, die dann beseitigt werden,<br />

wenn das betroffene Regal entladen ist. Schäden<br />

der Gefahrenstufe Rot erfordern eine sofortige<br />

Sperrung des Regals für den Betrieb und eine Entlastung.<br />

Nach der Reparatur muss ein Standsicherheitsnachweis<br />

vorgehalten werden.<br />

Die wöchentliche Sichtkontrolle kann eine befähigte<br />

Person des Betriebs durchführen, die nach der Betriebssicherheitsverordnung<br />

instruiert und gemäß<br />

DIN EN 15635 geschult wurde. Die jährliche Prüfung<br />

wird meist von einem externen Experten durchgeführt<br />

– von einem ausgebildeten Regalprüfer des<br />

Verbands für Lagertechnik und Betriebseinrichtungen.<br />

Er hat ein Zertifikat und Kenntnis der Gesetze,<br />

europäischen Normen, Vorschriften, Verordnungen<br />

und Regeln der Berufsgenossenschaften. Die Technische<br />

Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 1203 definiert<br />

die notwendigen Qualifikationen von Regalprüfern.<br />

Dazu gehören unter anderem eine abgeschlossene<br />

Berufsausbildung, Berufserfahrung sowie Weiterbildung.<br />

Software-Tool bietet Unterstützung<br />

Für Unternehmen sind all diese Prüfpflichten also mit<br />

erheblichem Aufwand verbunden – damit sie schnell<br />

und sicher erledigt werden können, bietet sich ein<br />

Softwaretool für die Wartungsplanung an. Hierbei<br />

verschaffen zum Beispiel Unterkategorien schnell einen<br />

Überblick über die verschiedenen Arten der Regale<br />

– ortsfest, beweglich oder sonstige lagertechnische<br />

Einrichtungen. Checklisten ermöglichen darüber<br />

hinaus den Überblick über Fristen und Vorschriften.<br />

Die Dokumentation der wöchentlichen Sichtprüfungen<br />

samt der Erfassung eventueller Schäden und deren<br />

Behebung erfolgt in der Software – ebenso die<br />

digitale Ablage. Damit kann leicht ein betriebliches<br />

Prüf- und Dokumentationssystem für Regale eingeführt<br />

werden.<br />

Die Umsetzung der Prüfungen kann durch eine App<br />

für Mobilgeräte weiter erleichtert werden: Mit dem<br />

Smartphone kann der Sicherheitsbeauftragte die<br />

Prüfprotokolle direkt vor dem Lagersystem ausfüllen.<br />

Import und Export der Daten erfolgt einfach per<br />

E-Mail oder Filehosting. Eine App macht die Überprüfung<br />

der Regale also noch einfacher und erleichtert<br />

die professionelle Dokumentation der Inspektion,<br />

Wartung, Instandsetzung und Gefährdungsbeurteilung<br />

von Regalsystemen nach DIN EN 15635.<br />

Die gesetzeskonforme Regalprüfung gewährleistet<br />

den Arbeitsschutz und damit die Sicherheit von Mitarbeitern<br />

und Kunden. Bei dieser wichtigen Aufgabe<br />

ist ein Wartungsplaner als Praxissoftware für Lagersicherheit<br />

das ideale Tool. Er verschafft einen Überblick<br />

und ermöglicht die leichte Umsetzung der gesetzlichen<br />

Anforderungen. So wird keine wichtige<br />

Regalprüfung oder Wartung mehr verpasst.<br />

Ulrich Hoppe, Experte für Wartungsplanung<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 57


» BETRIEB<br />

Schutzeinhausung für die pharmazeutische Produktion<br />

Geschützt bei jeder Gelegenheit<br />

Ob Schutzzäune für automatisierte Fertigungsprozesse, Maschineneinhausungen<br />

aus Acrylglas für die Produktion von Pharmazeutika oder durchsichtige<br />

Trennsysteme als Hygieneschutz für Empfangstresen oder Kassenbereiche – das<br />

normgerechte Schutz- und Abtrennsystem von Rose+Krieger soll höchste<br />

Ansprüche hinsichtlich Sicherheit, individuellem Design und Funktionalität erfüllen.<br />

Die Herstellung von Medikamenten<br />

unterliegt besonders scharfen Vorschriften<br />

hinsichtlich Hygiene, Räumlichkeiten,<br />

Ausrüstung, Dokumentation und<br />

Kontrolle. Produziert wird unter Reinraumbedingungen,<br />

die Fertigungsanlagen<br />

müssen entsprechend hohen Anforderungen<br />

genügen. Das gilt auch für die jüngste<br />

Entwicklung der Spilker GmbH: Das<br />

Unternehmen aus Leopoldshöhe in Ostwestfalen<br />

fertigt neben Rotationswerkzeugen<br />

und Stanzblechen für die Druck-,<br />

Etiketten-, Automobil-, Pharma- und Verpackungsindustrie<br />

auch komplette Lösungen<br />

für rotative Stanz- und Konfektionierungsprozesse<br />

inklusive aller Dienstleistungen<br />

des Sondermaschinenbaus.<br />

Für die Produktion von Schmerzpflastern<br />

konzipierte Spilker eine Rotationsmaschine,<br />

die unterschiedliche Spende-, Stanzund<br />

Laminierprozesse mit dem Vorgang<br />

des rotativen Siegelns kombiniert. Dabei<br />

werden die von einer Rolle einlaufenden<br />

Pflaster zunächst vereinzelt und mit einem<br />

Einschnitt zum leichteren Öffnen der<br />

einzelnen Pflaster versehen. Anschließend<br />

erfolgt die luftdichte Verpackung der Einzelpflaster<br />

durch das Versiegeln. Ein essenzieller<br />

Teil der Anlage sollte eine<br />

Schutzeinhausung werden, welche die<br />

Einhaltung der zahlreichen Vorschriften<br />

garantieren und gleichzeitig Wünsche<br />

nach einer guten Zugänglichkeit über die<br />

gesamte Maschinenlänge und einem hohen<br />

Lichteinfall erfüllen musste.<br />

Bei der Suche nach einem geeigneten Zulieferer<br />

für diese Einhausung lernte Spilker<br />

auf einer Messe das Schutz- und Abtrennsystem<br />

sowie die Lineartechnik der<br />

RK Rose+Krieger GmbH kennen. Das Unternehmen<br />

entwickelte nach den Spilker-<br />

Vorgaben ein Gesamtkonzept für eine<br />

exakt auf die Maschine und den Platzbedarf<br />

zugeschnittene Verkleidung, welche<br />

die Anforderungen der pharmazeutischen<br />

Produktion erfüllt. Basis für die durchsichtige<br />

Maschineneinhausung ist der<br />

Baukasten des RK-Schutzzaunsystems<br />

aus verschiedenen Aluminiumklemmprofilen,<br />

Flächenelementen aus Wellengitter,<br />

Polycarbonat, Acrylglas oder Trespa sowie<br />

den passenden Klemmleisten und Stellfüßen<br />

zur festen Verankerung der Aluminiumprofilpfosten<br />

auf dem Boden. Für die<br />

sichere Verbindung der Schutzzaunelemente<br />

an den Pfosten sorgen Click-and-<br />

Safe-Verbindungselemente. Sie erleichtern<br />

im Bedarfs- oder Wartungsfall den<br />

Austausch der einzelnen Felder.<br />

Die Maschineneinhausung<br />

Rose+Krieger kombinierte für Spilker hell<br />

eloxierte Aluminiumprofile des Blocan-<br />

Profilsystems mit Konstruktionsprofilen in<br />

unterschiedlichen Baugrößen und mit<br />

Verbindungsadaptern, Anschlussplatten,<br />

Knotenwinkeln und Stellfüßen ohne Fundamentwinkel.<br />

Die Blocan-Profile bilden<br />

das Grundgestell der 3,5 Meter langen<br />

und rund 1,5 Meter tiefen Maschinenverkleidung.<br />

Die freie Zugänglichkeit der Maschine<br />

über die gesamte Länge gewährleisten<br />

vollständig verschiebbare Falttüren. Der<br />

Hersteller fertigte sie aus Aluminium-<br />

Rahmenprofilen – ebenfalls hell eloxiert –<br />

und entsprechenden Eckverbindern. Jede<br />

Tür verfügt über einen ein Meter langen<br />

Stangengriff zum leichten Öffnen und<br />

zwei Magnete für die Arretierung. Zwei<br />

Falttüren sind an einem verschiebbaren<br />

Pfosten aus Aluminiumprofilen montiert.<br />

Der Pfosten wird über eine Rollführung<br />

bewegt und mittels Hebelstangenverschluss<br />

arretiert. Er erlaubt das komplette<br />

Öffnen der Maschineneinhausung. Bei<br />

geöffneter Schutztür stoppt die Maschine<br />

umgehend. Dafür sorgen Magnetkontakte<br />

am Ende der Einhausung zusammen mit<br />

der Maschinensteuerung: Die Magnete sichern<br />

die Türe in ihrer Position und geben<br />

beim Öffnen ein Signal an die Steuerung.<br />

Sechs Millimeter starke Acrylglasscheiben<br />

mit einem zweiteiligen Einfassprofil bilden<br />

die Flächenelemente der Türen sowie<br />

der feststehenden Seitenteile und oberen<br />

Abdeckung der Schutzeinhausung. Sie<br />

sorgen für eine gute Sicht auf die Maschine<br />

sowie einen hellen Innenraum.<br />

Für den Schutz vor Verschmutzung und<br />

eine hohe Reinigungsfähigkeit der Einhausung<br />

wurden die Aluminiumteile eloxiert,<br />

die Stahlteile gepulvert oder lackiert<br />

und die Führungswellen der Lineareinheiten<br />

hartverchromt. Zusätzlich deckte das<br />

Unternehmen alle offenen Nuten der<br />

Ein Magnetkontakt sichert die Falttüre in ihrer<br />

Position.<br />

Bild: Rose+Krieger<br />

58 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Die Falttüren der<br />

Schutzeinhausung sind<br />

an einem über eine<br />

Rollführung verschiebbaren<br />

Pfosten aus<br />

Aluminiumprofilen<br />

montiert. Flächen -<br />

elemente aus Acrylglas<br />

oder Polycarbonat<br />

bieten Sicherheit und<br />

optimale Sicht.<br />

Bild: Rose+Krieger<br />

Konstruktionsprofile mit Kunststoffabdeckprofilen<br />

ab.<br />

Die gesamte Verkleidung wurde zunächst<br />

zwecks Abnahme bei Rose+Krieger montiert,<br />

anschließend abgebaut, transportgerecht<br />

vormontiert bei Spilker angeliefert<br />

und dort an der Maschine erneut aufgebaut.<br />

Beim Kunden übernahm Spilker<br />

dann die bauseitige Anbindung der Einhausung<br />

zusammen mit dem Aufbau der<br />

eigentlichen Produktionsanlage. „Von der<br />

Firma RK Rose+Krieger erhielten wir nicht<br />

nur ein Angebot für die Einhausung, sondern<br />

es wurde für uns ein detailliertes<br />

Konzept entwickelt, vorab als 3D-Entwurf<br />

präsentiert und genau auf die Anforderungen<br />

der Maschine abgestimmt“, resümiert<br />

Simon Willmann, zuständiger Projektleiter<br />

bei Spilker.<br />

Normkonformität geprüft<br />

nen Angaben die Normkonformität des<br />

Schutz- und Abtrennsystems nachgewiesen<br />

werden kann. Schließlich gilt es nach<br />

der Norm, nicht mehr nur zu begründen,<br />

warum das Schutzzaunsystem einen definierten<br />

Abstand zur Maschine einzuhalten<br />

hat und wie groß dieser sein muss.<br />

Gemäß der überarbeiteten Norm muss der<br />

Hersteller jetzt auch belegen, wie das jeweilige<br />

Schutzsystem auf einwirkende<br />

Kräfte reagiert.<br />

Dieser Nachweis kann über eine Pendelprüfung<br />

erbracht werden, deren Bedingungen<br />

ebenfalls die Norm vorgibt. Dabei<br />

wird festgehalten, wie sich das<br />

Schutz- und Abtrennungssystem beim<br />

Einwirken einer bestimmten kinetischen<br />

Energie verhält. Aus den Prüfergebnissen<br />

ergeben sich die erforderlichen Abmessungen<br />

und Ausführungen des Schutzund<br />

Abtrennungssystems. Biegt sich das<br />

System beispielsweise um insgesamt<br />

200 mm durch, sollte der Mindestabstand<br />

zur Maschine nach DIN ISO 13857<br />

plus 200 mm sein. Rutscht das Wellengitter<br />

oder ein anderes Flächenelement<br />

bei der Prüfung aus dem Rahmen,<br />

Auch darauf, dass die Maschineneinhausung<br />

die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG<br />

und die Norm EN ISO 14120:2015 (D) erfüllt,<br />

kann sich Spilker verlassen. Denn die<br />

Mindener Spezialisten entwickelten eigens<br />

eine Prüfmethode, womit laut eigekommt<br />

dies dem Versagen der Abtrennvorrichtung<br />

gleich. Sie wäre damit maximal<br />

zur Abtrennung von Bereichen ohne<br />

Gefährdung beweglicher Teile einsetzbar.<br />

Barriere gegen Infektion<br />

Für das jüngste Produkt aus dem Schutzzaun-Portfolio<br />

ist der Nachweis der<br />

Normkonformität nicht erforderlich. Der<br />

Hygieneschutz aus problemlos zu reinigenden<br />

Aluminiumprofilen und Trennscheiben<br />

aus klarem Polycarbonat bildet<br />

eine stabile und wirkungsvolle Barriere<br />

gegen eine Tröpfcheninfektion, muss aber<br />

nicht vor beweglichen Teilen schützen.<br />

Das variabel montierbare System umfasst<br />

fünf grundsätzliche Varianten: Thekenaufsteller,<br />

freistehende Ständer sowie<br />

Trennelemente für die Tresen-, Wandoder<br />

Deckenmontage. Auf Basis dieses<br />

modularen Baukastens lassen sich auch<br />

große Trennsysteme für Kassenbereiche<br />

und Großraumbüros schnell und einfach<br />

realisieren.<br />

Bernd Klöpper, Leiter Marketing,<br />

RK Rose+Krieger GmbH<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 59


» BME AKTUELL<br />

Rückblick: 13. BME-eLÖSUNGSTAGE<br />

#skillup4digital: Digitalisierung im Einkauf schreitet voran<br />

„#skillup4digital“ war das zentrale Motto<br />

der 13. BME-eLÖSUNGSTAGE vom 31.<br />

Mai bis 1. Juni in Düsseldorf. Das BME-<br />

Top-Event wartete mit einer neuen Location<br />

auf. Im Areal Böhler diskutierten<br />

namhafte Referent:innen aus Wissenschaft<br />

und Wirtschaft mit rund 1.000<br />

Teilnehmenden über die Rolle des digitalen<br />

Einkaufs in einer sich dramatisch verändernden<br />

Geschäftswelt.<br />

„Rund 800 Tage nach Beginn des ersten<br />

Lockdowns in Deutschland erhalten die<br />

Teilnehmenden aus Einkauf, Logistik und<br />

Supply Chain Management auf der größten<br />

deutschsprachigen Fachmesse für<br />

eSolutions und eProcurement erstmals<br />

wieder die Möglichkeit zum direkten Meinungs-<br />

und Erfahrungsaustausch. Deshalb<br />

steht ‚skillup4digital‘ an beiden Veranstaltungstagen<br />

im Mittelpunkt unseres<br />

Events“, sagte BME-Vorstandsvorsitzende<br />

Gundula Ullah im Rahmen der Eröffnung<br />

der 13. BME-eLÖSUNGSTAGE. Das Motto<br />

spiegele den Spirit wider, den der BME<br />

den Teilnehmenden mit auf den Weg geben<br />

möchte: die Einstimmung auf die<br />

neue Next Level Digitalisation für Einkauf<br />

und Supply Chain – und das sowohl von<br />

technischer als auch struktureller Seite.<br />

Die Vorstandsvorsitzende des Einkäuferverbandes<br />

erinnerte daran, dass am 22.<br />

März 2020, dem ersten Tag des Corona-<br />

Lockdowns in Deutschland, viele Einkäufer:innen<br />

„praktisch über Nacht mit der<br />

Frage konfrontiert wurden, wie sie ihre<br />

<strong>Beschaffung</strong>sprozesse angesichts der<br />

neuen Herausforderung künftig regeln<br />

sollen. Digitalisierung und Automatisierung<br />

werden seitdem trotz einiger Anfangsschwierigkeiten<br />

als zentrale Stellhebel<br />

in den meisten Unternehmen genutzt“,<br />

blickte Frau Ullah zurück. Das ergaben<br />

auch zahlreiche BME-Umfragen.<br />

Danach treiben sowohl Konzerne als auch<br />

KMU die Digitalisierung und Automatisierung<br />

ihrer Geschäftsprozesse zügig voran.<br />

„IT ist mittlerweile von einem<br />

Bereichsthema zu einem Geschäftsführungsthema<br />

geworden.<br />

Allerdings entwickeln die<br />

Unternehmen bei der erfolgreichen<br />

Implementierung ein<br />

unterschiedliches Tempo. Unser<br />

zweitägiges Event in Düsseldorf<br />

mit seinen über 100<br />

Partnern und Ausstellern sowie<br />

den mehr als 50 Vorträgen<br />

bietet dafür interessante innovative<br />

Lösungsmöglichkeiten“,<br />

informierte BME-Hauptgeschäftsführerin<br />

Dr. Helena<br />

Melnikov.<br />

Die Covid-19-Pandemie habe einen digitalen<br />

Lernprozess eingeleitet, der nicht<br />

nur den Einkauf betroffen habe, sondern<br />

auch dessen Lieferanten. „Die Corona-<br />

Krise zeigte aber auch, wie fragil die internationalen<br />

Lieferketten sind und wie<br />

wichtig das Ineinandergreifen ihrer einzelnen<br />

Glieder ist, fügte Frau Melnikov<br />

hinzu. Der am 24. Februar begonnene Angriffskrieg<br />

der Russischen Föderation gegen<br />

die Ukraine habe das einmal mehr<br />

und auf dramatische Weise gezeigt.<br />

Gegenwärtig gebe es eine Bewegung –<br />

weg von der Globalisierung und hin zu<br />

mehr geschäftlichen Aktivitäten vor der<br />

eigenen Haustür. Es sei nicht mehr die<br />

wichtigste Frage, wie viel das Produkt<br />

koste, sondern wo und unter welchen<br />

Umweltbedingungen es gefertigt werde.<br />

Das bringe den Einkauf von einer jahrzehntelang<br />

gelebten DNA der Effizienz<br />

hin zur Resilienz und zur Nachhaltigkeit.<br />

„Hilfestellung gibt das am 1. Januar 2023<br />

in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz<br />

zur Vermeidung von Menschenrechts-<br />

und Umweltrechtsverletzungen<br />

in globalen Wertschöpfungsketten“,<br />

betonte Frau Ullah. Der Einkauf<br />

spiele hierbei eine Schlüsselrolle und trage<br />

enorme Verantwortung.<br />

BME-Vorstandsvorsitzende Gundula Ullah (l.) und BME-<br />

Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov (r.) eröffneten die<br />

13. BME-eLÖSUNGSTAGE in Düsseldorf.<br />

Sowohl in den Redebeiträgen des Plenums<br />

als auch in der anschließenden Podiumsdiskussion<br />

wurde deutlich, dass es<br />

für den Einkauf heute nicht mehr nur um<br />

den Einsatz digitaler Tools und eLÖSUN-<br />

GEN geht, sondern um die ganzheitliche<br />

Betrachtung der Einkaufsorganisation auf<br />

dem Weg zum Einkauf 4.0. Deshalb ist die<br />

digitale Standardisierung und Automatisierung<br />

der <strong>Beschaffung</strong>sprozesse das<br />

Gebot der Stunde.<br />

Konsens herrschte unter den Teilnehmenden<br />

der Fachforen, Workshops, Round Tables<br />

und Solution Foren auch darüber,<br />

dass die Automatisierung operativer Prozesse<br />

im Einkauf enorm viel Zeit für die<br />

wertschöpfenden Aufgaben spart. Moderne<br />

Technologien wie beispielsweise<br />

Künstliche Intelligenz können maßgebliche<br />

Erleichterungen bringen.<br />

Zu den Highlights gehörte die Verleihung<br />

des BME-Awards „Excellence in eSolutions<br />

2022“ an die Edscha Holding GmbH.<br />

Edscha erhielt die BME-Auszeichnung für<br />

die Erarbeitung einer elektronischen Lösung<br />

zur Effizienz- und Transparenzsteigerung<br />

seines globalen Einkaufs mittels<br />

digitaler Transformation.<br />

Save the Date: Die 14. BME-eLösungstage<br />

finden vom 23. bis 24. Mai 2023 im Areal<br />

Böhler in Düsseldorf statt.<br />

Bild: Anne Wirtz/BME e.V.<br />

Impressum: Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME)<br />

Frankfurter Straße 27, 65760 Eschborn, Tel. 06196 5828-0, Fax –399,<br />

E-Mail: info@bme.de, Internet: www.bme.de<br />

60 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Industrie<br />

Das führende Fachmagazin<br />

für den strategischen Einkauf<br />

Kompetent – glaubwürdig – praxisnah<br />

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• Hinter der <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> steckt das Einkaufsvolumen<br />

der deutschen Industrie.<br />

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<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 61


» KARRIERE<br />

Bild: zinkevych/stock.adobe.com<br />

Einen langfristigen Effekt erzielen berufsbegleitende Coachingprogramme, die das Wissen in kleinere Bausteine aufteilen.<br />

Berufsbegleitendes Coaching in der <strong>Beschaffung</strong><br />

Nachhaltiges Krisenwissen durch<br />

Mentoring-Modell etablieren<br />

Die massiv gestörten Lieferketten versetzen den Einkauf in den Krisenmodus. Viele Unternehmen<br />

stellen deshalb externe Berater ein – die die Probleme kurzfristig auch oft lösen können.<br />

Langfristig ist es aber sinnvoller, die eigenen Mitarbeiter zu befähigen. Mit Seminaren, die<br />

innerhalb weniger Tage die Teilnehmer mit Inhalten und Wissen überladen, gelingt das aber<br />

nicht. Ein nachhaltiger Wissenstransfer findet vielmehr mit einem Coaching über einen<br />

längeren Zeitraum und parallel zum Arbeitsalltag statt.<br />

62 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


Weil sie für den Krisenmodus nicht<br />

gerüstet sind, sind viele Mitarbeit<br />

im Einkauf in der <strong>aktuell</strong>en Situation oft<br />

überfordert. Unternehmen setzen daher<br />

auf externe Einkaufsberater und kaufen<br />

sich deren Expertise ein. Teils zu einem<br />

hohen Preis: Berater fangen bei rund<br />

1000 Euro Tageshonorar an, spezialisierte<br />

Berater verlangen oftmals das doppelte<br />

oder mehr.<br />

Unternehmen erzielen mit solchen Projekten<br />

zwar schnell gute Ergebnisse, weil<br />

sie von der Erfahrung und dem Netzwerk<br />

des Beraters profitieren – aber auch nur<br />

einmalige. Für jedes weitere Projekte<br />

muss dann wieder viel Geld investiert<br />

werden. Zudem schwingt immer eine gewisse<br />

Unsicherheit mit: Der Nutzen externer<br />

Beratung ist nicht sofort monetär<br />

greifbar, welches Ergebnis das<br />

Projekt erzielt, kann kaum vorhergesehen<br />

werden. Einige<br />

Berater bieten ihre Leistung<br />

zwar auch auf Erfolgsbasis an;<br />

da sich der Erfolg jedoch nur<br />

bei Einsparungsprojekten gut<br />

messen lässt, ist dieses Honorarmodell<br />

nicht für alle Projekte<br />

geeignet. Zudem nehmen<br />

solche Berater nur Projekte an,<br />

deren Projektvolumen mindestes<br />

bei einer halben Million Euro liegt –<br />

und verlangen im ersten Jahr oftmals<br />

50 Prozent der erzielten Einsparungen<br />

des ersten Jahres als Entlohnung.<br />

Einen langfristigen und nachhaltigen Effekt<br />

erzielen Unternehmen vielmehr,<br />

wenn sie ihre eigenen Mitarbeiter zu Experten<br />

ausbilden. Etliche Seminare versprechen<br />

genau das, versuchen innerhalb<br />

kurzer Zeit möglichst viel Wissen zu vermitteln.<br />

Das Problem dabei: Die Teilnehmer<br />

können die Fülle an Inhalten gar<br />

nicht innerhalb weniger Tage aufnehmen<br />

und viel Wissen geht deshalb direkt wieder<br />

verloren. Zusätzlich fallen die Mitarbeiter<br />

während des Seminars im Unternehmen<br />

aus – vieles bleibt liegen, was<br />

nach der Schulung erst wieder aufgearbeitet<br />

werden muss. Bis sie das neu Gelernte<br />

dann endlich anwenden können,<br />

haben sie die meisten Seminarinhalte<br />

schon wieder vergessen. Und selbst wenn<br />

noch etwas Theorie hängen geblieben ist,<br />

werden die Mitarbeiter mit der praktischen<br />

Umsetzung allein gelassen. Einen<br />

nachhaltigen Effekt haben solche Weiterbildungen<br />

daher eher nicht.<br />

Abhilfe schafft ein Modell der Weiterbildung<br />

im Einkauf: Ein berufsbegleitendes<br />

Coaching und Mentoring über mehrere<br />

Monate hinweg. Anstatt die Teilnehmer<br />

innerhalb weniger Tage mit Inhalten zu<br />

überfrachten, finden über die Dauer eines<br />

solchen Programms hinweg unzählige<br />

kürzere Schulungen statt, entweder als<br />

Videosequenz on demand oder als Live-<br />

Coaching. Das Wissen wird so in leicht<br />

verdaulichen Häppchen vermittelt und<br />

kann deshalb langfristig abgespeichert<br />

werden. Zusätzlich sollten die Teilnehmer<br />

jederzeit die Möglichkeit haben, individuelle<br />

Fragen unkompliziert per Mail oder<br />

»Langfristig ist es sinnvoll, die<br />

eigenen Mitarbeiter zu befähigen.<br />

Ein nachhaltiger Wissenstransfer<br />

findet mit einem Coaching über<br />

einen längeren Zeitraum und<br />

parallel zum Arbeitsalltag statt.«<br />

Sprachnachricht an die Coaches zu stellen.<br />

Tut sich im Arbeitsalltag ein Problem<br />

auf, erhalten die Teilnehmer dann direkt<br />

Hilfe vom Experten und werden auf diese<br />

Weise über Monate hinweg aktiv unterstützt.<br />

Findet das Programm berufsbegleitend<br />

statt, hat dies auch den Vorteil, dass die<br />

Mitarbeiter nicht tagelang am Arbeitsplatz<br />

fehlen, von anderen Kollegen demnach<br />

nicht ersetzt werden oder ihre Arbeit<br />

nach dem Seminar nachholen müssen.<br />

Auch Reisekosten fallen weg. Viel gewichtiger<br />

ist aber der Umstand, dass das<br />

Wissen nicht theoretisch in einer externen<br />

Schulung vermittelt wird, sondern direkt<br />

in der Arbeitsumgebung und im Alltag<br />

des Teilnehmers. Anstatt dass die Teilnehmer<br />

tagelang nur als Zuhörer in einem<br />

Seminar sitzen und höchstens in konstruierten<br />

Situationen mal zur Anwendung<br />

angeregt werden, lernen sie direkt an ihrem<br />

Arbeitsplatz und können das Gelernte<br />

im Anschluss unmittelbar anwenden. Der<br />

Lerneffekt ist auf diese Weise deutlich<br />

höher und nachhaltiger. Im Idealfall animiert<br />

der jeweilige Baustein direkt zur<br />

Umsetzung in die Praxis, vermittelt also<br />

konkrete Arbeitsaufgaben und Tipps.<br />

Zudem können sich die Teilnehmer solch<br />

gestaltete Kurse selbst einteilen: Sie<br />

schauen sich etwa eine Videosequenz an<br />

oder bearbeiten ein Kapitel im Workbook<br />

dann, wenn sie auch Zeit dafür haben<br />

oder sie inhaltlich gerade am besten zu<br />

ihrer Arbeit passt. Die Teilnehmer sollten<br />

darüber hinaus regelmäßig Rückmeldungen<br />

zu ihren Zwischenergebnissen erhalten;<br />

dann können sie ihre Arbeitsweise<br />

bei Bedarf anpassen und weiter in die<br />

richtige Richtung lenken.<br />

Externe Einkaufsberater helfen Unternehmen<br />

zwar bei der Lösung kurzfristiger<br />

Probleme, sind aber<br />

auch teuer und erzielen keinen<br />

Wissenstransfer ins Unternehmen.<br />

Auf Dauer günstiger und<br />

nachhaltiger ist es, die eigenen<br />

Mitarbeiter zu befähigen.<br />

Mit klassischen Seminaren<br />

wird das schwierig bis unmöglich,<br />

weil sie innerhalb kurzer<br />

Zeit zu viele Inhalte vermitteln<br />

und fernab des Arbeitsalltags<br />

der Teilnehmer stattfinden. Einen langfristigen<br />

Effekt erzielen hingegen berufsbegleitende<br />

Coachingprogramme, die das<br />

Wissen in kleinere Bausteine aufteilen.<br />

Die Teilnehmer lernen direkt am Arbeitsplatz,<br />

können das Gelernte auf diese Weise<br />

direkt anwenden – und erzielen höhere<br />

und nachhaltige Lerneffekte.<br />

Ein solch neues, berufsbegleitendes Weiterbildungsformat<br />

bietet die Arness Academy<br />

an: Über sechs Monate hinweg finden<br />

24 Sitzungen statt, zudem erhalten<br />

die Teilnehmer schriftliche Unterlagen in<br />

Form eines Workbooks. Rund 10.000 Euro<br />

kostet dieses Coaching, ist also günstiger<br />

als eine externe Einkaufsberatung – und<br />

hat einen langfristigeren Effekt. Das<br />

Coaching richtet sich an Unternehmer,<br />

Einkaufsleiter oder Gruppenleiter im Einkauf.<br />

www.arness.eu<br />

Julia Kowal, Journalistin<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 63


» BÜCHER<br />

Bild: Böhlau Verlag<br />

Wie sicher ist unsere Energieversorgung?<br />

Europa und Russland<br />

Das vorliegende Buch, das vom Direktor des Center for Eastern European<br />

Studies der Universität Zürich verfasst wurde, analysiert fundiert, wie Russland<br />

zur Rohstoffmacht wurde und Deutschland und Europa in eine gefährliche<br />

Abhängigkeit gerieten. Der Autor zeigt auf, wie der Energiehandel mit der<br />

Sowjetunion bzw. später mit Russland auch immer im politischen Kontext stand.<br />

Rohstoffmacht<br />

Russland . Eine globale<br />

Energiegeschichte.<br />

Jeronim Perovic.<br />

Böhlau Verlag, Köln<br />

2022, 264 Seiten,<br />

39 Euro, ISBN:<br />

9783412524425<br />

Prof. Dr. Robert Fieten<br />

wissenschaftlicher<br />

Berater der<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />

Köln<br />

Jeronim Perovic hat als Historiker<br />

mit einem Faible für Wirtschaft<br />

ein Anliegen: Er will in seinem Buch<br />

aufzeigen, dass die Energiegeschichte<br />

die Dynamik der Ost-West-Beziehungen<br />

weit stärker beeinflusst hat,<br />

als bisher bewusst und bekannt war.<br />

Nach seiner<br />

wohl begründeten<br />

Einschätzung<br />

ist<br />

ein genauer<br />

Blick auf den<br />

Umgang Russlands<br />

mit seinem<br />

Rohstoffreichtum insbesondere<br />

im Bereich der Energie von zentraler<br />

Bedeutung, um den Entwicklungsweg des Landes<br />

und sein außenpolitisches Verhalten in Vergangenheit<br />

und Gegenwart zu verstehen.<br />

Der Schweizer Autor zeigt auf, wie die Entwicklung<br />

der russischen Energiewirtschaft in den letzten einhundert<br />

Jahren parallel zu einer immer engeren<br />

energetischen Verflechtung mit der Welt und insbesondere<br />

mit Europa, dem wichtigsten Absatzmarkt<br />

nicht nur für russische Energie, sondern auch für andere<br />

natürliche Rohstoffe, verlief. Dabei bietet er einen<br />

Längsschnitt durch die Geschichte<br />

von Lenin bis Putin.<br />

Perovic legt dar, wie die Sowjetunion in<br />

Zeiten des Kalten Krieges das Thema Exporte<br />

von Öl und Erdgas sehr pragmatisch<br />

und damit für die europäischen Abnehmer<br />

berechenbar anging. Dies hat sich<br />

leider im Zuge der <strong>aktuell</strong>en Eskalation<br />

völlig geändert. Die Sowjetunion war zur<br />

Kooperation mit dem Westen bereit, denn<br />

sie brauchte Devisen aus dem Export von<br />

Öl und Gas. Sie brauchte auch Röhren<br />

und moderne Fördertechnik aus dem<br />

Westen, um ihre Rohstoffquellen in Sibirien<br />

zu erschließen. Es war die Zeit großer<br />

»Ein unbedingt lesenswertes<br />

politisches<br />

Buch, das zur richtigen<br />

Zeit kommt.«<br />

Abkommen wie etwa des 1970 abgeschlossenen Erdgas-Röhren-Vertrages<br />

mit der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Im Oktober 1973 floss erstmals „rotes“<br />

Gas aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik. Es<br />

entwickelte sich eine starke und – wie wir heute<br />

sehen – nur schwer aufzulösende wechselseitige Abhängigkeit<br />

zwischen beiden Seiten.<br />

Turbulenzen gab es dann in<br />

den „wilden 1990er-Jahren“.<br />

Die russische Energiewirtschaft<br />

ging in die Privatisierung;<br />

Oligarchen nutzten für<br />

sich die Gunst der Stunde. Unter<br />

Putin fand dann die Rückkehr<br />

des Staates statt und<br />

Energielieferungen wurden zur politischen Waffe.<br />

Energie und Macht dank Energie spielten wieder eng<br />

zusammen. Das Putin-Regime nährt sich bis heute<br />

aus den Milliarden-Einnahmen, die aus dem Verkauf<br />

von Öl, Gas und anderen fossilen Energieträgern erzielt<br />

werden.<br />

Wechselseitige Abhängigkeit<br />

Trotz aller Bekenntnisse zur Abkehr von fossilen<br />

Energieträgern sind die europäischen Wirtschaften<br />

noch immer auf Öl, Gas und Kohle angewiesen. Bei<br />

deren Import ist Europa nach wie vor abhängig von<br />

denjenigen Staaten, die diese Vorkommen besitzen.<br />

Auf der anderen Seite – und dies sollte man in der<br />

<strong>aktuell</strong>en Aufregung nicht vergessen – haben die<br />

ressourcenreichen Staaten wie auch Russland ein<br />

massives Interesse daran, bestehende Abhängigkeiten<br />

zu wahren, um ihre Rohstoffe auch in Zukunft<br />

möglichst gewinnbringend verkaufen zu können. In<br />

der <strong>aktuell</strong>en, total verfahrenen Situation ist diese<br />

wechselseitige Abhängigkeit der seidene Faden, an<br />

dem die (trügerische?) Hoffnung auf eine Rückkehr<br />

der Vernunft der russischen Politik hängt.<br />

Fazit: Ein unbedingt lesenswertes politisches Buch,<br />

das zur richtigen Zeit kommt und unseren Unternehmen<br />

klar vor Augen führt, in welchem Spannungsfeld<br />

sie ihre Versorgungsstrategien entwickeln müssen.<br />

64 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


BÜCHER «<br />

Bild: Hanser<br />

Bild: Herder<br />

Bild: Springer<br />

Forschung des Berufslebens<br />

Matthias Sutter, Direktor am Max-Planck-<br />

Institut und gefragter Redner, präsentiert<br />

in diesem Buch locker, verständlich und<br />

sehr unterhaltend <strong>aktuell</strong>e verhaltensökonomische<br />

Erkenntnisse aus dem Berufsleben<br />

und hilft dabei Laien, aber auch HR-<br />

Experten den „menschlichen Faktor“ besser<br />

zu verstehen. In 50 Kapiteln befasst er<br />

sich mit sehr vielfältigen Aspekten der Berufswelt.<br />

So analysiert er in einem die Ergebnisse<br />

methodisch einwandfreier Studien,<br />

welche Vor- und Nachteile das Homeoffices<br />

für Unternehmen und deren Mitarbeiter<br />

untersuchten. In einem anderen<br />

zeigt er auf, warum zu hohe monetäre Anreize<br />

oft eine Belastung darstellen und das<br />

Gegenteil von dem bewirken, was sie wollen:<br />

bessere Entscheidungen treffen. Dabei<br />

schöpft Sutter aus seiner eigenen Forschungsarbeit,<br />

nutzt aber auch die Ergebnisse<br />

seiner weltweiten Kollegen. „Dieses<br />

Buch ist ein hervorragendes Beispiel für<br />

Wissenstransfer aus der Grundlagenforschung<br />

heraus. Matthias Sutter gelingt es<br />

auf höchst anschauliche Art und Weise,<br />

die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit in<br />

alltagstaugliches Wissen zu übertragen.“<br />

(Prof. Dr. Martin Stratmann, Präsident der<br />

Max-Planck-Gesellschaft). Deswegen von<br />

mir eine klare Lese-Empfehlung. (sas)<br />

Der menschliche Faktor<br />

oder worauf es im Berufsleben ankommt .<br />

50 verhaltensökonomische Erkenntnisse<br />

Matthias Sutter,<br />

Carl Hanser Verlag, München, 2022.<br />

Fester Einband, 288 Seiten, 29,99 €<br />

ISBN: 978–3–446-47313–3<br />

Geldpolitik und die Folgen<br />

Die Inflation liegt auf dem höchsten Wert<br />

seit Jahrzehnten. Und es ist nicht aus -<br />

geschlossen, dass sie sich in Wellen<br />

weiter aufschaukelt. Hans-Werner Sinn<br />

analysiert die europäische Geldpolitik und<br />

warnt eindringlich vor den Folgen. In<br />

seinem Buch setzt er dort an, wo sein<br />

Bestseller „Der Corona-Schock“ endete:<br />

die Finanzierung des Euroraums aus der<br />

Drucker presse hat in der Finanz- und<br />

Corona krise ungeheure Ausmaße<br />

angenommen .<br />

Der bekannte deutschsprachige Ökonom<br />

warnt eindringlich vor den Gefahren der<br />

massiven Ausweitung der Geldmenge, die<br />

aus dem europäischen Traum von<br />

gemeinsamen Frieden und Wohlstand<br />

einen Albtraum machen könnte.<br />

Sinn hat dieses Buch bereits im vergangen<br />

Jahr geschrieben. Umso erschreckender<br />

ist die Aktualität seiner Warnungen.<br />

Für Hans-Werner Sinn ist klar: Europa<br />

muss schleunigst wieder auf den Pfad<br />

einer soliden Geldpolitik zurückkehren.<br />

Nur dann kann das Vertrauen in den Euro<br />

bestehen bleiben und der europäische<br />

Traum von Wohlstand und Frieden gerettet<br />

werden.<br />

Die wundersame Geldvermehrung<br />

Staatsverschuldung, Negativzinsen,<br />

Inflation<br />

Hans-Werner Sinn<br />

Verlag Herder, 2021<br />

Gebunden, 432 Seiten, 28,00 €<br />

ISBN: 978–3–451–39127–9<br />

Nachhaltigkeit bei Events<br />

Dieses Buch bietet einen grundlegenden<br />

Überblick zur Definition und Umsetzbarkeit<br />

von Nachhaltigkeit in der Eventbranche.<br />

Die Autoren, Experten und Praktiker<br />

aus der Branche, ermöglichen einen praxisnahen<br />

Einstieg in das Thema. Einer der<br />

Co-Autoren ist Stefan Lohmann, Experte<br />

für Live Entertainment und Nachhaltigkeit<br />

und Mit-Initiator der Initiative „16 Steps<br />

bis 2025 – Für eine klimaneutrale Veranstaltungswirtschaft“.<br />

Der Klimawandel<br />

zwingt zum Umdenken auch in der Eventbranche<br />

mit seinen vielfältigen Akteuren.<br />

Neue Konzepte und Handlungsweisen<br />

müssen definiert, erprobt und auf ihre<br />

Eignung getestet werden. Dabei geht es<br />

um ein tiefergehendes Verständnis, was<br />

Nachhaltigkeit für Messen, Kongresse und<br />

Events bedeutet. Ebenso wichtig ist die<br />

konkrete Umsetzung: Welche Methoden<br />

und Instrumente klimaschonender Handlungsweisen<br />

lassen sich für die Mice-<br />

Branche ableiten. Die AutorInnen dieses<br />

Buches beschreiben modellhaft einen Prozess<br />

des nachhaltigen ökologischen und<br />

ökonomischen Handelns. Viele Praxis -<br />

beispiele veranschaulichen, wie der Weg<br />

zum nachhaltigen Event aussehen kann.<br />

Praxis-Guide für Nachhaltigkeit in<br />

der Eventbranche<br />

Konzepte und Beispiele für Veranstaltungen<br />

mit ökologischer und ökonomischer<br />

Ausrichtung<br />

Hrsg: Thorsten Knoll, Stefan Luppold<br />

Springer Gabler, 2022.<br />

Softcover, 349 Seiten, 49,99 €<br />

ISBN: 978–3–658–36577–6<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 65


INSERENTENVERZEICHNIS<br />

IMPRESSUM<br />

F. Reyher Nchfg. GmbH & Co., Hamburg 9<br />

Bild: Hoffmann Group<br />

Gersfelder Metallwaren GmbH, Gersfeld 11<br />

Gütegemeinschaft Paletten e.V., Münster 13<br />

Lederer GmbH, Ennepetal 3<br />

proALPHA Business Solutions GmbH, Weilerbach 7<br />

proactis Germany, Bonn 17<br />

RCT Reichelt Chemietechnik GmbH + Co., Heidelberg 15<br />

SEW-EURODRIVE GmbH & Co. KG, Bruchsal 21<br />

VORSCHAU<br />

INTERVIEW<br />

In den vergangenen fünf Jahren hat der<br />

OMV-Einkauf einen Wandel vollzogen<br />

und ist zu einem geschätzten Partner im<br />

gesamten Unternehmen geworden. CPO<br />

Klaus Blachnik und Martin Traxl, Head of<br />

Strategy & Digitalization in Procurement,<br />

berichten über ihre Erfahrungen bei<br />

dieser ganzheitliche Transformation.<br />

TITELSTORY<br />

Borries Schüler (r.),<br />

Vorstand Product Management<br />

& Engineering,<br />

und Markus Decker, Prozessberater<br />

eBusiness,<br />

von der Hoffmann Group,<br />

über Potenziale in der<br />

<strong>Beschaffung</strong> .<br />

PLATTFORMEN<br />

Fertigungsplattformen können mit einem<br />

breiten Lieferantenangebot Anwendern<br />

dabei helfen, <strong>aktuell</strong>e Hürden in den<br />

Liefer ketten zu meistern. Wir geben<br />

einen Überblick über die verschiedenen<br />

Systeme , ihre Anwendungsgebiete und<br />

Besonderheiten.<br />

Das Magazin für Einkauf, Material wirtschaft und Logistik<br />

ISSN 0341–4507<br />

Herausgeberin: Katja Kohlhammer<br />

Verlag: Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH<br />

Ernst-Mey-Straße 8,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Geschäftsführer: Peter Dilger<br />

Verlagsleiter: Peter Dilger<br />

Chefredakteur:<br />

B. A. Alexander Gölz (ag), Phone +49 711 7594–438<br />

Ernst-Mey-Straße 8, 70771 Leinfelden-Echterdingen, Germany<br />

Redaktion:<br />

Dipl.-Ing. (FH) Sabine Schulz-Rohde (sas),<br />

Phone +49 711 7594–252;<br />

Yannick Schwab (ys), Phone +49 711 7594–537<br />

Korrespondent:<br />

M.A. Nico Schröder (sc), Phone +49 170 6401879<br />

Freie Mitarbeit:<br />

Ass. Jur. Ulrike Dautzenberg, RA Anja Falkenstein,<br />

Dipl. Ing. (FH) Michael Grupp, M.A. Annette Mühlberger,<br />

M.A. Sabine Ursel<br />

Fachliche Beratung: Prof. Dr. Robert Fieten<br />

Redaktionsassistenz:<br />

Daniela Engel, Phone +49 711 7594–452,<br />

Fax –1452, E-Mail: daniela.engel@konradin.de<br />

Layout: Jennifer Martins, Phone +49 711 7594–262<br />

Gesamtanzeigenleitung:<br />

(Verantwortlich für den Anzeigenteil)<br />

Joachim Linckh, Phone +49 711 7594–565<br />

Auftragsmanagement:<br />

Matthias Rath, Phone +49 711 7594–323<br />

Leserservice: <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>, Phone +49 711 7252–209,<br />

E-Mail: konradinversand@zenit-presse.de<br />

Erscheinungsweise: 9 x jährlich<br />

Bezugspreis jährlich: Inland 160,20 € inkl. MwSt. und<br />

Versandkosten; Ausland 165,15 € inkl. Versandkosten;<br />

Einzelheft Inland: 17,90 € inkl. MwSt. und Versandkosten.<br />

Einzelheft Ausland: 18,40 € inkl. Versandkosten.<br />

Für Schüler, Studenten und Auszubildende gegen Nachweis:<br />

Inland 80,10 € inkl. MwSt. und Versandkosten,<br />

Ausland 85,05 € inkl. Versandkosten.<br />

Bestellungen beim Verlag oder beim Buchhandel. Sofern das<br />

Abon nement nicht für einen bestimmten Zeitraum ausdrücklich<br />

bestellt war, läuft das Abonnement bis auf Widerruf.<br />

Bezugszeit: Das Abonnement kann erstmals vier Wochen<br />

zum Ende des ersten Bezugsjahres gekündigt werden. Nach<br />

Ablauf des ersten Jahres gilt eine Kündigungsfrist von jeweils<br />

vier Wochen zum Quartalsende. Bei Nichterscheinen<br />

aus technischen Gründen oder höherer Gewalt entsteht kein<br />

Anspruch auf Ersatz.<br />

Die Mitglieder des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf<br />

und Logistik e.V. ( BME ) und des ÖPWZ erhalten die Zeitschrift<br />

„<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong>“ im Rahmen einer Kooperation.<br />

Auslandsvertretungen: Großbritannien: Jens Smith Partner -<br />

ship, The Court, Long Sutton, Hook, Hamp shire, RG29 1TA,<br />

GB, Phone 01256 862589, Fax 01256 862182, E-Mail:<br />

jsp@trademedia.info; USA, Kanada: D.A. Fox Advertising<br />

Sales, Inc., Detlef Fox, 5 Penn Plaza, 19th Floor, New York, NY<br />

10001, Phone +1 212 89 63 881, Fax +1 212 62 93 988,<br />

E-Mail: detleffox@comcast.net<br />

Druck:<br />

Konradin Druck, Kohlhammerstraße 1–15,<br />

70771 Leinfelden-Echterdingen, Printed in Germany<br />

© 2022 by Konradin-Verlag Robert Kohlhammer GmbH,<br />

Leinfelden-Echterdingen<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 09/2022 erscheint am 30.0<strong>8.2022</strong><br />

66 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022


MEINUNG «<br />

Neue Helden – Einkäufer und<br />

Supply Manager?!<br />

Die Aussichten für unsere Wirtschaft sind mit Blick auf die zweite<br />

Jahreshälfte 2022 leider alles andere als rosig. So hat das<br />

Münchner Ifo-Institut im Juni nicht überraschend seine Konjunkturprognose<br />

für die deutsche Wirtschaft erneut gesenkt.<br />

Das Bruttoinlandsprodukt wird nach Einschätzung der Münchner<br />

Ökonomen in diesem Jahr allenfalls um 2,5 Prozent zulegen,<br />

schwächer als die noch im März erwarteten 3,1 Prozent. Noch<br />

skeptischer ist der BDI, der mit einem Wirtschaftswachstum von<br />

nur noch 1,5 Prozent rechnet. Nach seiner Einschätzung brennt<br />

es lichterloh.<br />

Nach zwei Corona-Jahren steht die deutsche Wirtschaft immer<br />

noch schwächer da als vor Beginn der Pandemie. Es besteht die<br />

leider keineswegs unrealistische Gefahr, dass die Weltwirtschaft angetrieben durch<br />

Russlands Überfall auf die Ukraine in einen perfekten Sturm gerät, wie es kürzlich der<br />

renommierte US-Ökonom Kenneth Rogoff diagnostizierte. Er meint damit die gleichzeitige<br />

Rezession in Europa, China und den USA, die in eine Stagflation – eine Verbindung<br />

von hoher Teuerung und niedriger wirtschaftlicher Dynamik – einmündet.<br />

Eine nicht enden wollende hohe Inflation, wie wir sie hierzulande seit mehr als vierzig<br />

Jahren nicht mehr erlebt haben, bremst die Konjunktur. Für die Einkäufer in den Unternehmen<br />

belastend ist der Rekordanstieg der Erzeugerpreise im Mai um 33,6 % im<br />

Vergleich zum Vorjahresmonat. Unter den Erzeugerpreisen sind besonders gestiegen die<br />

für Erdgas um 148 Prozent, Heizöl um 96 Prozent, Kraftstoff um 49 Prozent sowie<br />

Dünge mittel und Zeitungspapier um 111 Prozent und<br />

Getreideerzeugnisse um 45 Prozent. Nach wie vor<br />

»Für die Einkäufer und<br />

Supply Manager kommt es<br />

in diesen Zeiten auf fünf<br />

Strategien an.«<br />

gibt es flächendeckend Lieferengpässe, auch bedingt<br />

durch Arbeiterlosigkeit. Die Reduzierung des Verbrauchs<br />

vor allem bei Gas ist daher das Gebot der<br />

Stunde. Aber auch für die privaten Haushalte wird es<br />

immer ungemütlicher wegen drastisch steigender<br />

Verbraucherpreise. Die Bildzeitung brachte dies<br />

treffend zum Ausdruck mit der Headline „Normales Essen wird zum Luxus“. Glücklicherweise<br />

sind wenigstens die Aussichten für den Arbeitsmarkt derzeitig noch günstig. Die<br />

Zahl der Arbeitslosen dürfte laut Ifo- Institut in diesem Jahr von 2,6 auf 2,3 Millionen<br />

sinken.<br />

Ob die Einkäufer in unserer Industrie den vorsichtigen Optimismus (oder besser das<br />

wishful thinking) der Ifo-Forscher teilen, dass es in der zweiten Jahreshälfte zu einem<br />

allmählichen Rückgang der Rohstoffpreise ebenso wie der Lieferengpässe kommen<br />

werde, darf bezweifelt werden. Die Einkäufer und Supply Manager werden auch<br />

weiterhin sehr gefordert sein, um für die notwendige Verfügbarkeit und Resilienz zu<br />

sorgen. Für sie kommt es in diesen Zeiten auf fünf Strategien an: Reduzierung der<br />

Bedarfe/ Verbräuche, Erhöhung der Material- und Energieeffizienz, Forcierung der<br />

Kreislaufwirtschaft, Umgang mit Allokation durch geschicktes Verhandeln über Liefermengen<br />

und -termine und vor allem um Cost Avoidance durch Abwehr von ungerechtfertigten<br />

Preiszuschlägen. Die Einkäufer und Supply Manager müssen im perfekten<br />

Sturm zu den neuen Helden werden!<br />

Prof. Dr.<br />

Robert Fieten,<br />

wissenschaft -<br />

licher Berater der<br />

<strong>Beschaffung</strong><br />

<strong>aktuell</strong> , Köln<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> » 7-8 | 2022 67


Industrie<br />

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