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Broschüre zusammen:spielen Projektjahr 2021/22

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ZUSAMMEN:SPIELEN<br />

Die Künstlerischen Kollektive des Theater o.N. in Oberschöneweide und im Wedding<br />

Kollektive & Performances <strong>2021</strong> | 20<strong>22</strong><br />

Das Projekt wird gefördert von der »Aktion Mensch« und der Stiftung Berliner Sparkasse.


Impressum<br />

Herausgeber: Theater o.N. / Projekt ZUSAMMEN:SPIELEN - Künstlerische Kollektive<br />

Künstlerische Projektleitung: Cindy Ehrlichmann<br />

Produktionsleitung: Kata Kovács<br />

Redaktion: Cindy Ehrlichmann, Dagmar Domrös, Doreen Markert<br />

Layout: Paula Franke, artfabrikat<br />

Druck: Oktoberdruck GmbH<br />

verfügbar unter: www.kuenstlerischekollektive.de<br />

Fotos:<br />

Seite 01, 06, 07, 15-25, 29, 31, 43, 48-49, 56-71, 76-77: Karsten Bartel, www.karstenbartel-foto.de<br />

Seite 10: Cindy Ehrlichmann<br />

Seite 11: Adelheid Wieser, Annea Lounatvuori<br />

Seite 28, 30: Insa Langhorst<br />

Seite 42, 84: Kata Kovács<br />

Seite 52: Larissa Luy<br />

Seite 53: Hanna Herbel, Kata Kovács<br />

Seite 74: Susanne Dill<br />

Seite 75: privat<br />

Illustrationen:<br />

Seite 10: Julia Gotzmann<br />

Seite 32-35, 82-83: Teresa Holtmann, www.frolleinmotte.com<br />

Theater o.N. e.V.<br />

Kollwitzstraße 53<br />

10405 Berlin<br />

Telefon +49 (0)30 4409214<br />

info@theater-on.de<br />

www.theater-on.de<br />

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45


INHALT<br />

54 KOLLEKTIVE:<br />

48<br />

THEATER IST WIE EIN KOKOSSCHAUMBAD<br />

GEDANKEN ZUM 2. PROJEKTJAHR VON CINDY EHRLICHMANN<br />

50 KOLLEKTIVE: AUSGANGSPUNKT<br />

56<br />

WEITERENTWICKLUNG<br />

60<br />

MUSEUM DER ÄNGSTE<br />

SISTERHOOD<br />

72 PORTRÄTS<br />

82 BÜHNENANGST<br />

64<br />

68<br />

ge I BEUTEL I t<br />

FUTURE CUT<br />

78<br />

SCHAFFEN, DASS ES AUCH GUT IST – PROBENTAGEBUCH<br />

VON PASCAL, PIA, LUKA, LEONIE UND TOBIAS<br />

MEIN SCHNELL SCHLAGENDES HERZ – EIN BEITRAG VON MERYEM MOLL ÜBER<br />

UND LAMPENFIEBER MIT ILLUSTRATIONEN VON FROLLEIN MOTTE<br />

84 TEAM<br />

46


VORHANG AUF<br />

47


THEATER IST WIE EIN<br />

KOKOSSCHAUMBAD<br />

Gedanken zum 2. <strong>Projektjahr</strong> von Cindy Ehrlichmann<br />

Manchmal ist es so. Man denkt, alles geht rasend schnell. Eben noch war ein anderer Frühsommer und schon zwölf Monate<br />

später, wieder im Mai, reibt man sich verwundert die Augen darüber: Wie kann so viel passieren, gepresst in einen Zeitstrahl,<br />

der sich wie ein Blitz anfühlt? Aber beginnen wir von vorn. Im Jahr 2020 begann die Arbeit in unseren Kollektiven. Darüber<br />

und über die Idee von ZUSAMMEN:SPIELEN berichten wir kurzgefasst in der digitalen Erstausgabe dieser <strong>Broschüre</strong> und<br />

auch hier im Heft auf den Seiten 06/07. Das erste <strong>Projektjahr</strong> erlebten wir im Krisenmodus. Lockdown, leere Klassen, leere<br />

Probenräume, ausgefallene Termine, x-mal verschobene Proben, Onlinekrisengespräche, Hygienepläne, Testnachweise, Mimik<br />

und Gestik üben mit Maske und Abstand, wenig Kontakt, abgesagte Treffen, kein Kontakt, missglückte Telefonate und<br />

Chatveranstaltungen, immer wieder Krisengespräche, Onlinetreffen, Proben ohne Spieler:innen, Proben mit Spieler:innen<br />

vor dunklen Bildschirmen in einsamen Kinderzimmern. Proben für Spieler:innen mit denen man nicht in Kontakt kommen<br />

darf. Was probt man eigentlich, wenn man sich nicht bewegen, nicht viel Atemluft verströmen und sich auch nicht berühren<br />

kann? Tischtheater? Proben mit wem und wofür eigentlich? Teilweise wurde uns schwindelig und der Sinn ging uns<br />

verloren. Wir haben den Kontakt zu unseren Spieler:innen schmerzlich vermisst! Ohne sie, ohne euch, falls ihr das lest,<br />

geht nichts!<br />

48


Vor diesem Hintergrund fühlte sich<br />

das zweite <strong>Projektjahr</strong> <strong>2021</strong>/<strong>22</strong>, über<br />

welches wir in diesem Teil der <strong>Broschüre</strong><br />

berichten, an wie die ersten Schritte, die<br />

man geht nachdem man zwei Wochen<br />

lang im Bett liegen musste. Erst holprig,<br />

dann immer leichter und dann macht<br />

es den gleichen Spaß, den es immer<br />

schon machte. Laufen wird fast schon<br />

wieder zur Routine. Wobei man im<br />

Theater eigentlich nie von Routine<br />

sprechen kann, irgendwas ist immer.<br />

Und trotzdem sind wir wahnsinnig<br />

stolz auf alle Mitwirkenden in diesem<br />

Projekt und auf die 34 (!) Spieler:innen,<br />

die in den Kollektiven gearbeitet, gelacht,<br />

gedacht, gezankt und geprobt haben.<br />

Eure Inspiration und euer Dranbleiben<br />

machen die Künstlerischen Kollektive<br />

in diesem Jahr zu dem, was sie sind:<br />

reich, vielfältig, offen, ehrlich und mutig.<br />

Wir dürfen euch sehr nah kommen,<br />

wenn wir in MUSEUM DER ÄNGSTE<br />

von euren Ängsten erfahren oder<br />

wenn ihr uns in SISTERHOOD ungeschminkt<br />

erlebbar macht, warum junge<br />

Frauen manche öffentlichen Räume<br />

meiden. Wenn wir in ge I BEUTEL I t<br />

miterleben, wie lustvoll und befreiend<br />

ein lautes „Nein“ sein kann oder ihr uns in<br />

FUTURE CUT an euren Zukunftsfragen<br />

teilhaben lasst, dann bekommen wir<br />

den Hauch einer Idee von eurer Welt.<br />

Nachdem so viel Distanz war in unserer<br />

Gesellschaft, fühlen sich diese ersten<br />

Schritte sehr wackelig und weich an.<br />

Vielleicht sind wir auch besonders<br />

empfindsam für alles, was uns<br />

umgibt. „Theater ist wie ein Kokosschaumbad“<br />

– so beschreibt es Tobias<br />

in seinen Probenbeobachtungen, an<br />

denen er uns <strong>zusammen</strong> mit Pascal,<br />

Pia, Luka und Leonie ab Seite 78<br />

teilhaben lässt. Und warum haben<br />

wir eigentlich Angst, bevor wir auf die<br />

Bühne gehen? Dieser Frage gehen wir<br />

auf den Seiten 82/83 nach. Wir freuen<br />

uns sehr über die Theaterschritte, die<br />

wir alle im letzten Jahr gemacht haben.<br />

Mit dieser <strong>Broschüre</strong> könnt ihr uns folgen,<br />

unsere Wege nachzeichnen oder<br />

einfach nur vorbeischlendern. In jedem<br />

Fall wünschen wir euch viel Spaß!<br />

Gefördert wird das Projekt durch die Aktion<br />

Mensch und die Stiftung Berliner Sparkasse.<br />

49


KOLLEKTIVE<br />

AUS<br />

50


GANGSPUNKT<br />

51


OUTER SPACES – AUSSENRÄUME<br />

Wir wollen raus! Raus aus der Schule, raus aus dem<br />

Kopf und abseits von bekannten Pfaden was Neues<br />

wagen. Wir wollen aus der Haut fahren und abheben.<br />

Schweben, forschen und flanieren. Wir wollen uns<br />

den öffentlichen Raum aneignen und mit anderen<br />

Daseinsformen in Kontakt kommen.<br />

Wie klingt, schmeckt und riecht der Outer Space?<br />

Welche Begegnungsorte finden wir?<br />

Was wollen wir teilen, lernen,<br />

ausprobieren?<br />

Gemeinsam mit euch begeben wir uns auf eine Forschungsreise<br />

durch den Kiez und kreieren unseren eigenen Outer Space.<br />

MUSEUM DER GROSSEN UND<br />

KLEINEN ÄNGSTE<br />

TANZ<br />

Wovor hast du Angst?<br />

Wie sieht Angst aus und wo im<br />

Körper sitzt sie?<br />

Wie groß und klein können Ängste sein?<br />

Und wonach riecht Angst eigentlich?<br />

In diesem Kollektiv erforschen wir gemeinsam unsere Ängste und experimentieren mit<br />

unterschiedlichen Kunstformen, ob Angst haben auch Spaß machen kann.<br />

52


JUTE SACHE<br />

Wir entwickeln gemeinsam ein Stück aus Material. Unser Material: Stoffbeutel!<br />

Die wollen wir in Forschungseinheiten erkunden. Was lässt sich damit alles<br />

machen? Was finden wir spannend, berührend, intensiv? Sie könnten <strong>zusammen</strong>geknotet<br />

oder herumgeschleudert werden. Wir könnten sie verknüllen, als<br />

Fahne verwenden, bemalen, <strong>zusammen</strong>nähen, füllen und tragen. Wir könnten<br />

etwas daraus hervorholen. Und noch viel mehr!<br />

ICH UND WIR, ABER<br />

DU EHER NICHT…<br />

Jedes neue Kollektiv muss anfangs erstmal herausfinden, was ein Kollektiv<br />

eigentlich ist. Wir machen unseren Status zum Ausgangspunkt unserer<br />

theatralen und performativen Reise und stellen uns spielerisch und forschend<br />

diese Fragen:<br />

Was zeichnet eigentlich eine Gruppe aus?<br />

Warum brauchen wir Gemeinschaft?<br />

Wann nerven uns die Anderen und was passiert,<br />

wenn ich einfach nicht mehr mitspiele?<br />

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KOLLEKTIVE<br />

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WEITER-<br />

ENTWICKLUNG<br />

55


MUSEUM DER<br />

ÄNGSTE<br />

Installation und Performance<br />

Traust du dich, das Museum der Ängste zu betreten?<br />

Komm herein! Wir nehmen dich mit auf unsere Reise:<br />

auf die Suche danach, was unsere Ängste mit uns machen<br />

und wo wir sie fühlen können. Wir reisen zu unheimlichen<br />

Orten und erwecken gruselige Kreaturen zum Leben.<br />

Nur Mut! Wir hören unseren Ängsten zu und finden heraus,<br />

wie wir mit ihnen umgehen können.<br />

Kannst du hören, wie sie klingen?<br />

Von und mit Ada, Alina, Colin, Friedrich, Henry, Jasmin, Justus,<br />

Leonie, Pascal, Pia, Ronny und Tobias aus der Albatros-Schule<br />

Spielleitung Pauri Röwert, Susanne Dill<br />

Dramaturgie/Außenblick Jelena Bosanac<br />

Bühnenbild/Kostüme Marija Stankovic<br />

Pädagogische Begleitung Susanne Dill, Steffi Homberg,<br />

Jörn Ladwig, Timo Steinbrink<br />

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SISTERHOOD<br />

Ein performativer Kiezspaziergang<br />

durch Mädchen*Räume<br />

Wir haben uns angepasst und Platz gemacht. Wir haben Wege und Orte gemieden,<br />

weil sie uns genommen wurden. Wir haben die Straßenseite gewechselt und sind<br />

unsichtbar geworden. Aber jetzt ist Schluss mit der Unsichtbarkeit – gemeinsam<br />

holen wir uns die Stadt zurück! Wir machen uns breit, groß und stark.<br />

Auf einem Spaziergang gehen wir mit euch der Frage nach, wie öffentliche Räume<br />

von Mädchen* eingenommen und gestaltet werden können.<br />

Kommt mit uns durch die Sisterhood!<br />

Es spazier(t)en mit uns Nisanur und Nazar mit Jana Reulen von der Willy-Brandt-Teamschule<br />

sowie Alicia, Fia, Huda, Lilith und Selina mit Larissa Luy von der Wilhelm-Hauff-Grundschule<br />

Konzeptionelle Unterstützung Michaela Millar, Kata Kovács und Olga Ramirez Oferil vom<br />

Theater o.N. sowie Alice Fassina von STREETWARE saved item<br />

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ge | BEUTEL | t<br />

Eine Installation mit<br />

performativen Elementen<br />

Ein großer Beutelhaufen, alles bunt und farbig, aneinandergebunden oder lose.<br />

Ein Gang zum Durchkrabbeln, eng, aber auch behaglich.<br />

Ein Seil, über das man stolpern könnte, und dann fällt und purzelt man umher.<br />

Eine Ansage ans Publikum, Reifen, in die wir uns stellen müssen. Radschläge<br />

und Ratschläge. Au ja, hm-hm, juhu, nein nein nein, nö, naaahheinn!<br />

Idee Bjarne, Leonie, Lisa, Luka, Marc, Mikel, Nele und Paul<br />

von der Albatros-Schule<br />

Umsetzung Lisa, Luka, Marc, Mikel, Paul sowie Hanna und Georg<br />

Konzept/Spielleitung Hanna Herbel und Georg Dirlack<br />

Dramaturgie Zoe Mannigel<br />

Bühne/Kostüm Gwendolyn Noltes<br />

Pädagogische Begleitung Georg Dirlack, Steffi Homberg, Jörn Ladwig,<br />

Timo Steinbrink<br />

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FUTURE CUT<br />

Performance · Videoinstallation<br />

Ein Friseur in Berlin-Wedding. Acht Jugendliche<br />

auf dem Stuhl zwischen Heute und Morgen.<br />

Sie stellen Fragen: Wer bin ich? Was will ich?<br />

Oder WILL ich jemand anderes sein?<br />

| Nimm Platz und ich verpasse dir etwas Neues,<br />

etwas, das deine Zukunft nicht zerschneiden wird … |<br />

100 % PERFEKT!!! Mein Geheimnis: Du musst den Kunden<br />

dazu bringen, ihn zu mögen. |<br />

Eine Theaterperformance über die Suche nach Identität<br />

und dem perfekten Style für die Zukunft.<br />

Idee/Konzept/Text Saskia Neuthe mit Aysima, Fatme, Nazar,<br />

Nisanur, Yasmin, Alex, Mahmut und Samuel von der Willy‐Brandt‐Teamschule<br />

Spiel Aysima, Fatme, Alex, Mahmut, Manar und Samuel<br />

Kostüm/Szenografie/Requisite Adelheid Wieser mit Nazar und Nisanur<br />

Videoinstallation Blandine Casen<br />

Regie Saskia Neuthe<br />

Dramaturgische Beratung Nadine Boos<br />

Pädagogische Begleitung Adelheid Wieser, Claudia Valenzuela, Jana Reulen<br />

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72<br />

PORTR


ÄTS<br />

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Leonie<br />

* Spielerin MUSEUM DER ÄNGSTE<br />

Der Himmel ist toll, wenn die<br />

Sonne scheint und es warm<br />

ist. Wasser ist ein Segen, wenn<br />

Leonie darin schwimmen<br />

kann, was sie gern tut und gut<br />

beherrscht. Kein Wunder also,<br />

dass sie ein Delfin wäre, wenn<br />

sie sich in ein Tier verwandeln<br />

würde. Schiebt man ihr etwas<br />

zu lesen rüber, freut sie sich besonders.<br />

Auch über Nudeln mit<br />

Tomatensoße. In ihrem Kollektiv<br />

hat ihr das Tanzen am meisten<br />

Spaß bereitet. Aber leider hat sie<br />

auch dort nicht herausbekommen,<br />

wie Teleportation funktioniert,<br />

eine Zauberkraft, die sie<br />

wirklich gern hätte.<br />

74


Der Ort, an den<br />

sich Luka wünscht, ist der bei<br />

seinen Großeltern. Könnte er fliegen,<br />

ginge das wahrscheinlich sehr schnell.<br />

Wenn er ein Elefant wäre, dann müsste er sich<br />

Dank seiner Größe und Kraft vielleicht nicht mehr<br />

über so viel Ungerechtigkeit ärgern, sondern könnte<br />

ihr trotzen. Mit Nintendo Switch vergnügt sich Luka,<br />

wenn er freie Zeit hat. Oder er spielt Schwarzlichttheater.<br />

Darin ist er richtig gut.<br />

Luka<br />

* Spieler<br />

ge I BEUTEL I t<br />

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So wie Aysima geht<br />

es sicher Vielen: Wenn sie eine Frage stellt,<br />

dann möchte sie, dass diese ernst genommen wird!<br />

Wenn nicht, ist es Grund genug, sich zu ärgern. Vielleicht<br />

würde sie sich dann in einen Pitbull, ihr Lieblingstier, verwandeln.<br />

Dabei ist Aysima eigentlich einfach glücklich zu machen:<br />

Wenn es ihren Freund:innen und der Familie gut geht, wenn sie<br />

es schafft, Menschen zum Lächeln zu bringen, wenn sie Blumen<br />

geschenkt bekommt oder spanische Musik hört, dann ist die<br />

Welt für sie in Ordnung. In dieser Welt mag sie wirklich ALLE<br />

Farben und Lasagne. Wenn sie dann noch Telekinese<br />

könnte, die Fähigkeit sich unsichtbar zu machen,<br />

wäre das Leben fast schon perfekt!<br />

Aysima<br />

* Spielerin FUTURE CUT<br />

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Samuel<br />

* Spieler FUTURE CUT<br />

Manchmal, wenn es dunkel ist, geht Samuel raus und<br />

dann wird der Kopf frei. Mit Freunden funktioniert das<br />

auch. Die sagen zu ihm `Du bist Mode` und beschreiben<br />

den Bastelkünstler als freundlich und nett. Er mag, wenn es<br />

regnet und wenn seine Mutter Jollof, einen orangefarbenen<br />

senegalesischen Reis, kocht. Samuel wäre gern ein Hummer,<br />

weil die über 100 Jahre alt werden können. Ein Wald, in dem<br />

es leise ist, könnte ein Ort sein, an dem er gern wäre. Oder in<br />

einem Zauberhaus, wo es alles gibt, was er braucht. An seinem<br />

Kollektiv gefällt ihm besonders, dass er sich geschätzt fühlt.<br />

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SCHAFFEN, DASS ES<br />

AUCH GUT IST<br />

Probentagebuch von Pascal, Pia, Luka, Leonie und Tobias *<br />

Pascal<br />

Am Anfang bei den Proben dachte ich, ob alles<br />

funktioniert?<br />

In den Proben habe ich gelernt, dass alles gut geht.<br />

Theater ist voll cool!<br />

Ich möchte immer ans Schlagzeug gehen.<br />

Was gefällt dir am besten am Theater<strong>spielen</strong>? Ich bin<br />

im Theater ‘ne Giftschlange, das gefällt mir, weil die<br />

macht Angst!<br />

Hat sich denn bei dir etwas verändert, seit du Theater<br />

spielst? Sehr. Da werd‘ ich mal ruhiger. Das Schlagzeug<strong>spielen</strong><br />

beruhigt mich.<br />

Wie geht es dir, wenn du an eure Aufführung denkst?<br />

Ihr seht mich eh nicht, weil ich hinten am Schlagzeug<br />

sitze. Ich will auch gar nicht, dass ihr mich seht. Da<br />

krieg’ ich so ein bisschen Wut, das ist einfach so ein<br />

Gefühl. Das erste Mal so ein Auftritt. Ich bin da so<br />

ein bisschen nervös. Man hat dann Angst, dass die<br />

‚Buh‘ sagen.<br />

Pia<br />

Wenn ich diese Worte höre, denke ich an:<br />

Vorhang: schließen<br />

Kostüm: anziehen<br />

Probe: macht Spaß<br />

Publikum: nicht trauen<br />

Schwierig: zu tanzen<br />

Angst: überwinden<br />

Hat sich denn bei dir was verändert, seit du Theater spielst?<br />

Ich bin fröhlicher, seit ich Theater spiele. Das macht<br />

Spaß, weil wir viel lachen. Mir gefällt es, wenn man<br />

die Monster ausprobieren kann. Am liebsten mag ich<br />

die Spiegelübung. Aber das ist richtig schwer, das mit<br />

den anderen dann mitzumachen, wenn die andere<br />

Bewegungen machen und man muss die dann auch<br />

machen.<br />

Und, die Aufführung? Freust du dich darauf?<br />

Vor der Aufführung habe ich schon so ‘n bisschen<br />

Angst, wenn ich das dann falsch mache, aber das<br />

mach’ ich nicht falsch!<br />

Was hast du von eurer Probe gezeichnet?<br />

Das ist ein Monster, das dann die Menschen isst und<br />

die dann mitnimmt zum Kochen.<br />

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Leonie<br />

In den Proben habe ich entdeckt, dass ich toben darf.<br />

Beim Theater<strong>spielen</strong> kann man mit den anderen<br />

rumrennen und Faxen machen.<br />

Ich möchte am liebsten immer Spaß haben!<br />

Lustig ist es, wenn wir uns alle totlachen.<br />

Luka<br />

Die Probe am Dienstag ist schwer.<br />

Anstrengend finde ich, zu schaffen, dass es auch gut ist.<br />

Beim Theater<strong>spielen</strong> möchte ich immer, dass alle<br />

Schüler:innen, die <strong>spielen</strong>, Spaß haben.<br />

Lustig ist es, ja. (lacht)<br />

Ihr habt ja bald Aufführung. Wie geht es dir, wenn du<br />

daran denkst?<br />

Oh Gott! Also, es ist ein bisschen sehr komisch, das<br />

vor Publikum zu machen. Naja, schon, weil wenn das<br />

Publikum dann zuguckt, das finde ich ein bisschen<br />

komisch. Ich bin auch ein bisschen nervös, aber ich<br />

freue mich auch, es zu zeigen.<br />

Würdest du denn gerne weiter Theater <strong>spielen</strong>?<br />

Nein. Also, ich würde noch weiter Theater <strong>spielen</strong>,<br />

aber irgendwann ist es dann auch vorbei mit Theater<strong>spielen</strong>.<br />

Also, Theater macht mir schon ein bisschen<br />

Spaß, aber das ist immer, wenn die anderen Pause<br />

haben und ich hab‘ dann keine Pause mehr.<br />

80


Tobias<br />

Was fällt dir ein zu...<br />

…Theater? Ist wie ein Kokosschaumbad!<br />

… Monster? Hab ich keine Angst.<br />

Was hast du von eurer Probe gezeichnet?<br />

Das ist das Haus, das da an der Seite von unserer<br />

Schule steht. Wir haben uns da Geschichten<br />

ausgedacht, dass da Jack the Ripper und die anderen<br />

Monster spuken. Als Monster verbrenne ich gerne<br />

Menschen und bade in Asche. Ich bin Jack the Ripper<br />

und der mag kein Wasser. Ich finde das Thema<br />

Monster ziemlich cool, weil ich finde das toll, was wir<br />

machen, dass wir dann Kostüme anziehen, dass ich<br />

Jack the Ripper bin.<br />

Gibt es etwas, das dir schwer fällt in den Proben?<br />

Theater<strong>spielen</strong> macht mir richtig cool Spaß. Eigentlich<br />

fällt mir nichts schwer. Ich singe gerne, ich<br />

kann auch meine Stimme verstellen: (verstellt seine<br />

Stimme und improvisiert) Hallo! ............<br />

In den Proben habe ich gelernt, dass sie ganz schön<br />

viel Ausdauer brauchen!<br />

Am meisten mag ich, wenn wir auch mal eine Pause<br />

machen können.<br />

Anstrengend finde ich, wenn ich tanzen muss. Aber<br />

ich mag Tanzen!<br />

Manchmal ist es schwierig, dass ich mitmachen kann.<br />

An den Proben mag ich, dass wir so gut <strong>zusammen</strong>arbeiten.<br />

Jetzt bin ich froh, dass wir es geschafft haben!<br />

* Pascal, Pia, Luka, Leonie und Tobias sind<br />

Spieler:innen der Kollektive an der Albatros-<br />

Schule in Berlin Oberschöneweide. Zusammen<br />

mit Nadine Boos, Regisseurin und<br />

Theaterpädagogin, haben sie in Form von<br />

Interviews, Bildern und Gesprächen diese<br />

Probentagebücher entwickelt und darin<br />

ihre Beobachtungen festgehalten.<br />

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MEIN SCHNELL<br />

SCHLAGENDES HERZ<br />

Warum haben wir vor Aufführungen Angst? Eine Frage, die uns beim ZUSAMMEN:SPIELEN immer wieder<br />

beschäftigte. Expertin Meryem Moll* beantwortet sie hier für uns und alle, die es wissen wollen.<br />

* Meryem Moll arbeitet als Diplom-Psychologin,<br />

Coach, Trainerin und Mentorin in eigener Praxis in Berlin<br />

Wer kennt nicht das Gefühl: Du gehst auf die Bühne, die<br />

Lampen, die Scheinwerfer strahlen dich an und auf einmal<br />

ist deine vorher einstudierte Sicherheit und<br />

deine ganze Vorbereitung dahin.<br />

Ob Schauspieler:in, Musiker:in, Politiker:in, Schüler:in,<br />

die meisten Leute, die vor Publikum auftreten, kennen<br />

Lampenfieber. Sogar Lady Gaga, ein Superstar, kennt<br />

Bühnenangst.<br />

Kurz vor dem Auftritt zeigt sich ein Kribbeln im Bauch, das Herz schlägt<br />

schnell, Schwindel, Schweißausbrüche, Atemprobleme, Mundtrockenheit,<br />

eine nervöse Anspannung, zitternde Stimme,<br />

weiche Knie. All das sind Anzeichen von Lampenfieber<br />

oder Bühnenangst.<br />

Nicht umsonst heißt es:<br />

Man kann die Welt verändern und ganz viel<br />

Selbstvertrauen haben - bis man eine Bühne betritt!<br />

In Angst- und Stresssituationen<br />

entwickeln wir enorm<br />

viel Energie und Kraft, um<br />

dieser besonderen Situation<br />

gerecht zu werden.<br />

Sie machen dich darauf<br />

aufmerksam, dass diese<br />

Situation gerade deine volle<br />

Konzentration und deine<br />

volle Energie bedarf.<br />

Lampenfieber ist stark mit einer Erwartungshaltung verbunden.<br />

Du hast geprobt, viel Zeit dafür investiert, hast<br />

auswendig gelernt und jetzt möchtest du natürlich dein<br />

Bestes zeigen. Ein Publikum beurteilt die Qualität deiner<br />

Leistung und deinen Auftritt, das erzeugt enormen Druck<br />

und Stress. Bei Stress zeigen wir eine natürliche Fluchttendenz.<br />

Unser Instinkt rät uns, zu fliehen, abzuhauen,<br />

um runterzukommen und uns zu beruhigen. Doch das<br />

Gegenteil ist der Fall, wenn wir dann in diesem Moment<br />

auf die Bühne gehen und uns auf der Bühne präsentieren<br />

wollen. Das ist wirklich erstaunlich:<br />

wir machen in dieser Situation<br />

etwas, von dem uns unser<br />

Gefühl sagt, dass wir das besser<br />

nicht tun sollten. Und so ist es<br />

doch sehr verständlich und einleuchtend,<br />

warum wir Lampenfieber<br />

und Angst vor Aufführungen<br />

haben.<br />

82


Lampenfieber kann sich einerseits zeigen als leicht erhöhte<br />

Erregung, die die Leistungsbereitschaft steigert.<br />

Ein Zustand von Wachheit, Aufmerksamkeit und Vorfreude,<br />

in dem noch mehr Energiereserven für maximale<br />

Leistungsfähigkeit frei werden. Diese Art von Energie ist<br />

sehr hilfreich.<br />

Aber andererseits kann sich Lampenfieber auch als Bühnenangst<br />

äußern, in der zuviel überschüssige Erregung<br />

die Leistungsbereitschaft eher blockiert. Dann haben wir<br />

das Gefühl, dass<br />

gar nichts mehr<br />

geht. Manche<br />

sprechen dann<br />

auch von einem<br />

Blackout.<br />

Lampenfieber hängt stark mit dem eigenen Anspruch<br />

der Perfektion <strong>zusammen</strong>. Das eigentliche Problem ist<br />

eher Leistungsdruck, Versagensangst, Angst vor Ablehnung,<br />

Angst, sich zu blamieren oder negativ bewertet zu<br />

werden. Unser Gehirn erzeugt in dieser Situation Bilder<br />

von Szenarien vom Scheitern und Versagen. Häufig<br />

versuchen wir diese Versagensangst zu verbergen und<br />

verstärken damit unbewusst weitere Blockaden.<br />

Sobald wir Lampenfieber, Stress oder Nervosität aktiv<br />

wahrnehmen, wird der/die innere Schwarzmaler:in<br />

erweckt, der/die ein Horrorszenario nach dem anderen<br />

im Gehirn ankurbelt. Was als kleines Gefühl im Körper<br />

begann, wird im Kopf zu einer erdrückenden,<br />

tief dunklen Wolke, die eine<br />

klare Sicht und die Zuversicht raubt.<br />

Die wichtigste Regel ist zunächst, die Angst zu benennen<br />

und zu akzeptieren. Denn alles, was wir bekämpfen, wird<br />

in uns verstärkt.<br />

Glaubenssätze und Gedanken, die uns einengen, wie<br />

zum Beispiel ‘Das schaffe ich nie!’, könnten aufgeschrieben<br />

werden. In einem zweiten Schritt könnten dann an ihre<br />

Stelle neue, positiv bestärkende Bejahungen eingesetzt<br />

werden, wie zum Beispiel ‘Ich gebe mein Bestes!’. Diese<br />

neuen positiven Sätze bekommen Kraft, indem sie immer<br />

und immer wieder<br />

Direkt vor der Aufführung hilft auch eine entspannende<br />

Atemtechnik: Hand auf den Bauch legen<br />

und langsam so einatmen, dass die Hand dabei<br />

nach außen gehoben wird. Dann tief und vollständig<br />

ausatmen und beobachten, wie die Hand<br />

wieder nach innen sinkt. Ein paar Mal wiederholen<br />

und die Entspannung kommt mit dem Lösen beim<br />

Ausatmen.<br />

wiederholt und sich<br />

selbst vorgesagt<br />

werden. Das Gehirn<br />

und das Bewusstsein<br />

lernen durch<br />

Wiederholungen.<br />

Bewegung ist ebenfalls ein wichtiges Mittel, um innere<br />

Unruhe zu bekämpfen.<br />

Du könntest dir auch einen ruhigen Ort<br />

suchen und dein Lieblingslied laut singen<br />

oder summen. Das kann deinem Körper<br />

ebenso helfen, Blockaden zu lösen.<br />

Ob das Lady Gaga auch kurz vor ihrem Auftritt macht?<br />

Das bleibt wohl ihr gut gehütetes Geheimnis.<br />

Illustrationen:frolleinmotte.com<br />

83


Pauri Röwert<br />

Künstler*in<br />

Theaterpädagog*in<br />

Susanne Dill<br />

Pädagogische Mitarbeiterin<br />

Sonderpädagogin<br />

Georg Dirlack<br />

Pädagogischer Mitarbeiter<br />

Student Theaterpädagogik<br />

und Politikwissenschaften<br />

Adelheid Wieser<br />

Pädagogische Mitarbeiterin<br />

Bühnen- und Kostümbildnerin<br />

TEAM<br />

Michaela Millar<br />

Künstlerin<br />

Künstlerische Mitarbeiterin<br />

Theater o.N., Performerin,<br />

Erlebnispädagogin<br />

Cathy Walsh<br />

Technische Leitung<br />

Tänzerin, Choreografin<br />

Cindy Ehrlichmann<br />

Projektleitung<br />

Regisseurin, Theaterpädagogin<br />

und Leiterin der partizipativen<br />

Projekte des Theater o.N.<br />

Jennifer Schwartz<br />

Technische Mitarbeit<br />

Veranstaltungstechnikerin, Wirtschaftsfachwirtin,<br />

Technische Leitung Theater o.N.<br />

Saskia Neuthe<br />

Künstlerin<br />

Theaterpädagogin<br />

Hanna Herbel<br />

Künstlerin<br />

Theater- und<br />

Erlebnispädagogin<br />

Kata Kovács<br />

Produktionsleitung<br />

Interdisziplinäre Künstlerin,<br />

Produzentin<br />

Larissa Luy<br />

Pädagogische Mitarbeiterin<br />

Sozialarbeiterin,<br />

Erlebnispädagogin<br />

Dagmar Domrös Doreen Markert Tanja Arthur Hannes Raphael Insa Langhorst<br />

Karsten Bartel Annea Lounatvuori Nora Gores Fellow Publishing<br />

84<br />

Sowie (nicht im Bild):<br />

René Salim<br />

Mitarbeit Projekt- und Produktionsleitung<br />

Mitarbeiter Bereich Kommunikation,<br />

Organisation Theater o.N.

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