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50 Jahre Hamburg Ballett John Neumeier. Bilder einer Ära

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<strong>John</strong> <strong>Neumeier</strong><br />

Ich habe ein Problem mit der Zeit. Es fällt mir extrem schwer, ihr<br />

Vergehen wirklich zu empfinden – die Vergangenheit als Vergangenheit<br />

zu erleben. Ich weiß, rational, dass ich seit August 1973 <strong>Ballett</strong>direktor<br />

des <strong>Hamburg</strong> <strong>Ballett</strong> bin – <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> lang. Ich kann diese <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> aber<br />

nicht erfassen, nicht begreifen.<br />

Die Erfahrung aus <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n in einem Buch zu bündeln, ist ebenfalls<br />

eine unglaubliche Herausforderung. Tanz ist eine Kunst der Gegenwart,<br />

eine Kunst, die den Menschen sowohl als Subjekt wie auch als<br />

Instrument einsetzt. Wenn ich bedenke, wie viele „Instrumente” das<br />

<strong>Hamburg</strong> <strong>Ballett</strong> im Verlauf von <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n ausgemacht haben, wenn ich<br />

an die unzähligen beteiligten „Subjekte“ denke, die eine beeindruckende<br />

Zahl an <strong>Ballett</strong>en kreierten, um sie mit auf eine außergewöhnliche<br />

Zahl an Tourneen zu nehmen, die meine Compagnie auf der<br />

ganzen Welt umgesetzt hat, und wenn ich mir die enorme Zahl an<br />

<strong>Ballett</strong>-Werkstätten in Erinnerung rufe, die ich in diesen <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong>n<br />

moderiert habe, scheint es eine unmögliche Aufgabe, diesen gewaltigen<br />

Umfang <strong>einer</strong> sich stetig wandelnden Lebenserfahrung zwischen zwei<br />

Buchdeckel zu bannen.<br />

Menschlichkeit jedoch findet Halt in Ritualen und Symbolen. Auch<br />

wenn es unvollständig ist, kann die Existenz von etwas Konkretem –<br />

einem Buch – beim Strukturieren von Erinnerungen hilfreich sein.<br />

Daher habe ich mit Skepsis, aber auch mit großer Freude die Idee eines<br />

Buches begrüßt, das die <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> des <strong>Hamburg</strong> <strong>Ballett</strong> würdigt.<br />

Das vorliegende Buch bietet vor allem bildliche Darstellungen. Eine<br />

umfassende Geschichte dieser <strong>50</strong> <strong>Jahre</strong> zu schreiben, würde ein sehr,<br />

sehr viel umfangreicheres Buch erfordern. Sicher, jede Fotografie wird<br />

ab dem Moment, in dem sie aufgenommen wird, zu einem Zeugnis der<br />

Vergangenheit. Eine gute Fotografie aber, die ein zeitlich eingefrorenes<br />

Bild einfängt, suggeriert auch Assoziationen, Nebenbedeutungen,<br />

Situationen und vor allem Bewegung – Reflexionen jenes Moments im<br />

Auge der Emotion. Lassen wir die Stille der ausgewählten <strong>Bilder</strong> für<br />

sich sprechen.<br />

Die Texte sind daher auf ein Minimum reduziert, denn es wäre nicht<br />

wünschenswert, die <strong>Bilder</strong> zu interpretieren, die für sich die Entwicklung<br />

dieser wunderbar kreativen <strong>Jahre</strong> in <strong>Hamburg</strong> ausdrücken.<br />

Ich möchte dem Henschel Verlag danken, der so enthusiastisch mit der<br />

Idee eines solchen Buches auf mich zukam. Ich möchte auch Kiran West<br />

für das gelungene Design des Buches danken. Mein Dank gilt Jörn<br />

Rieckhoff für die Redaktion sowie Hans-Michael Schäfer für seine<br />

weitreichende Recherche. Darüber hinaus bin ich jenen Kolleginnen<br />

und Kollegen des letzten halben Jahrhunderts dankbar, die in Texten<br />

ihre Beziehung zum <strong>Hamburg</strong> <strong>Ballett</strong>, zu meinem Werk und zu mir ausgedrückt<br />

haben.<br />

6<br />

Grußworte / Greetings <strong>John</strong> <strong>Neumeier</strong>

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