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Felsers Rückblick 2|2022
Felsers Rückblick 2|2022
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Verteidigung
Eine Reform der Bundeswehr
lässt auf sich warten
In diesen Tagen fragt man sich:
Was muss denn noch geschehen,
damit Verteidigungsministerin
Lambrecht aus ihrer Lethargie
erwacht, endlich das Heft in die
Hand nimmt und die notwendige
Reform der Bundeswehr aktiv
angeht? Während Ihre beiden
Vorgängerinnen zumindest stark
ins Amt gestartet sind, lässt die
Inhaberin der Befehls- und
Kommandogewalt nach wie vor
auf sich warten und strahlt
enormes Desinteresse an dem
wohl unliebsamen „Job“ aus.
Stattdessen macht sie Schlagzeilen
als Helikoptermutter. Bei der
Diskussion um die Verwendung
des Sondervermögens in Höhe von
100 Milliarden Euro sowie die
Fragestellung, ob die Erreichung
des Zwei-Prozent-Zieles der
NATO aus dem Sondervermögen
gespeist werden soll oder nicht,
scheint Ministerin Lambrecht keine
Rolle zu spielen.
Lehren aus der Geschichte
Der Zusammenbruch Preußens
1806/1807 zwang König Friedrich
Wilhelm III. zu Reformen. Die
Heeresreform wurde unter der
Führung von Scharnhorst,
Gneisenau und Boyen eingeleitet.
Sie hatte zum Ziel, ein neues,
starkes Heer aufzustellen, das in
Struktur und Charakter den
veränderten Anforderungen der
damaligen Zeit entsprechen sollte.
Die zentrale Reform war die
Einführung der allgemeinen
Wehrpflicht. Neben den sog.
Linientruppen wurde die Landwehr
zur Heimatverteidigung und als
Reservetruppe aufgestellt.
Die Aussetzung der Wehrpflicht
war im Jahr 2011 Teil der
angestrebten Streitkräftereform.
Man wollte die Bundeswehr von
damals rund 255.000 Soldaten
auf bis zu 185.000 verkleinern.
Das Ende der Dienstpflicht gilt
jedoch ausschließlich für Friedenszeiten.
Im Spannungs- oder
Wiedereinsetzen der Wehrpflicht
Verteidigungsfall kann man sie
jederzeit wieder aktivieren.
Deshalb blieb Artikel 12a des
Grundgesetzes, nachdem jeder
männliche deutsche Staatsbürger
„vom vollendeten 18.
Lebensjahr an zum Dienst in den
Streitkräften, im Bundesgrenzschutz
oder in einem Zivilschutzverband
verpflichtet werden“
kann, unangetastet. Damals ging
man davon aus, dass man eine
Bedrohung für Deutschland rund
zehn Jahre voraussehen könne
und somit ausreichend Zeit hätte,
die Wehrpflicht wiedereinzusetzen.
Die russische Annektion der Krim
im Jahr 2014 ist nun rund acht
Jahre her. Insofern hat man mit
der Prognose in 2011 gar nicht
so unrecht gehabt. Jedoch hat
man seit 2014 geglaubt, dass die
Entwicklung seit dem Fall der
Mauer in Verbindung mit dem
Niedergang des Warschauer
Paktes unumkehrbar sei und hat
die Annektion sozusagen als
„Ausrutscher“ verbucht. Der
russische Angriffskrieg in der
Ukraine lehrt uns nun eines
Besseren. Wann, wenn nicht jetzt,
müssen wir über die
Wiedereinsetzung der Wehrpflicht
nicht nur nachdenken,
sondern handeln? Und ob es
dann die Wehrpflicht nach altem
Muster oder eine allgemeine und
Geschlechter unabhängige Dienstpflicht
wird, ist dabei eher
unerheblich. Wichtig ist, dass wir
Deutschland wieder in die Lage
versetzen, sich selbst verteidigen
zu können. Dazu benötigen wir
immense Investitionen in den
kommenden Jahren. Die
veranschlagten 100 Milliarden
Euro müsste man weit überschreiten.
Darüber hinaus
brauchen wir eine funktionierende
Reserve.
Reserve massiv ausbauen
Die Heeresreformer erkannten
bereits vor über zweihundert
Jahren, dass eine gut ausgebildete
Reserve notwendig ist, um in
kriegerischen Auseinandersetzungen
bestehen zu können. Bis
1991 waren rund 700.000
Reservisten bei der Bundeswehr
eingeplant, überwiegend ehemalige
Wehrpflichtige. Heute
bestehen in der Bundeswehr rund
60.000 Dienstposten für
Reservisten, von denen weniger als
50% befüllt sind. Das bedeutet im
Vergleich zu 1991 kann die
Bundeswehr nur auf rund 4% gut
ausgebildete und trainierte
Reservisten zurückgreifen. Das
muss sich schleunigst ändern. Man
muss die Strukturen der
Aufwuchsfähigkeit wieder schaffen
und die Zahl der eingeplanten
Reservisten massiv erhöhen.