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Wie krank sind die Krankenkassen

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03 · 2023

WIRTSCHAFTSMAGAZIN

AUS UND ÜBER

SACHSEN-ANHALT

03

2023 € 3,50

ISSN 2190-4464

WIRTSCHAFT

IM OSTEN

WIE KRANK SIND DIE

KRANKENKASSEN?


BILDNACHRICHT

Auf den

Spuren von

Otto dem Großen

www.deskaisersletztereise.de

Am 7. Mai 2023 jährt sich der Tod von Kaiser

Otto dem Großen zum 1050. Mal. Und

die „Straße der Romanik“ zu grandioser

mittelalterlicher Architektur und Kunst

begeht ihren 30. Geburtstag. Das sind die

Anlässe, die das in Magdeburg ansässige

Zentrum für Mittelalterausstellungen bewog,

im Jahr 2023 seiner letzten Reise im

wörtlichen Sinne nachzuspüren. Entlang

der Straße der Romanik und darüber hinaus

stehen die von Otto besuchten Orte im

Mittelpunkt.

2023 bietet die Chance, den letzten Reiseweg

des römisch-deutschen Kaisers von

Italien zurück in die Heimat seiner Familie,

ins heutige Sachsen-Anhalt, kennenzulernen.

Kaiser Ottos letzter Reiseweg birgt

eine Reihe von Ereignissen, die sich einem

geschichts- und kulturhistorisch interessierten

Publikum spannungsvoll vermitteln

werden.

In der zweiten Jahreshälfte 966 zog Otto

der Große nach Rom und blieb sechs Jahre

in Italien. Während dieser Zeit gelang es

ihm das Erzbistum Magdeburg zu gründen,

seinen Sohn zum Mitkaiser erheben zu

lassen und dessen Ehe mit der byzantinischen

Prinzessin Theophanu zu arrangieren.

Nach diesen wichtigen Ereignissen trat

der Kaiser samt seiner Familie im Jahr 972

von Pavia über Konstanz, Ingelheim, Tribur,

Nierstein, Frankfurt am Main und Trele bei

Osnabrück den Rückweg in das heutige

Sachsen-Anhalt an.

Am Palmsonntag 973 zog Otto feierlich in

den Magdeburger Dom ein. Wenig später

beging er mit einem glanzvollen Hoftag

und Vertretern aus Byzanz, Ungarn, Bulgarien,

der Kiewer Rus, Rom, Benevent

sowie mit Dänen und Slawen traditionell

das Osterfest in Quedlinburg. Christi Himmelfahrt

weilte er in Merseburg, wo er Gesandte

des Kalifen von Córdoba empfing,

die es nicht rechtzeitig zum Quedlinburger

Hoftag geschaff hatten. In der Absicht, dort

das Pfingstfest zu begehen, setzte Otto seine

Reise nach Memleben fort, wo er in der

Pfalz am 7. Mai starb.

2 03/2023


EDITORIAL

Bismarck und eine gute Idee

Zugegeben: Ich bin immer skeptisch,

wenn Ökonomen von Wissenschaft

sprechen, obwohl das ganz sicher viele

böse Briefe bedeutet. Trotzdem:

Manchmal haben sie sogar Recht.

Was war das für eine Aufregung, als der

Chef des IWH in Halle, Präsident Reint

E. Gropp, meinte, dass man das viele

Fördergeld, dass man Amerikanern

und anderen nachwirft, besser verwenden

könnte. Vielleicht für die Bildung

oder Kitas.

Der Professor hat da in ein Wespennest

gestochen und eine Reihe von Tabus

gebrochen. Politiker, Wirtschaftskammern,

Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften

– alle fielen unisono über den

armen Wirtschaftsweisen her, verlangten,

dass man zumindest das „weise“

streichen müsse.

Dabei hatte der nur gewagt, vielleicht

mal darüber nachzudenken, dass man

in einem Überbietungswettbewerb der

Fördersummen gegenüber den USA

oder China nicht mithalten könne. Und

bekanntlich geht die Wirtschaft dorthin,

wo sie man am meisten bekommt,

wo Bürokratie eher ein Fremdwort,

Energie billig und Umweltauflagen mit

geschlossenen Augen betrachtet werden.

Vor diesem Hintergrund grenzt

es an ein Wunder, wenn Unternehmen

sich nach Deutschland locken lassen.

Es geht also wie immer ums Geld. Das

ist in dieser Ausgabe nicht anders. Die

Krankenkassen kranken, die Pflegekassen

müssten dringend gepflegt werden,

das gesamte Sozialsystem knirscht bis

in die Balken seines Stützgerüsts. Und

das besteht neben den schrumpfenden

Beiträgen derer, die immer noch „schaffen“,

aus immer mehr Rentnern. Hinzu

kommen immer mehr Flüchtlinge und

Migranten, deutlich höhere Aufwendungen

für Energie und explodierende

Preise auf vielen Gebieten. Ohne

beständig wachsende Zuschüsse des

Bundes geht gar nichts mehr. Das aber

ist nichts anderes als Steuergeld, das erarbeitet

werden muss. Bleibt die Frage

von wem?

Statt im Auswärtigen Amt die Bilder

von Bismarck abzuhängen, der immerhin

die Sozialversicherung in Deutschland

einführte, sollte man sich vielleicht

lieber Gedanken machen, wie

man das System so reformiert, dass

es die nächsten Jahrzehnte übersteht.

Dazu müssten allerdings einige heilige

Kühe geschlachtet werden. Das sind

beispielsweise Beamte und Selbständige,

die in das System einzahlen. Noch

wichtiger: Die durch Digitalisierung

und Automatisierung wegfallenden Arbeitsplätze

und Beiträge sollten durch

so etwas wie eine „Automatisierungssteuer“

ausgeglichen werden. Das ist

übrigens eine Idee der Spitzenmanager

im Silicon Valley.

Und da schließt sich der Kreis zu den

eingangs gescholtenen Wirtschaftsweisen.

So wie sie haben manchmal auch

Jeff Bezos, Mark Zuckerberg, Tim Cook

und Sundar Pichai eine gute Idee.

Viel Spaß beim Lesen wünscht ...

Rolf-Dietmar Schmidt

Chefredakteur und Herausgeber

Rolf-Dietmar Schmidt

Chefredakteur und Herausgeber

Aboservice:

Tel. 0391 25 85 75 11

abo@aspekt-magazin.de

Redaktion:

Tel. 0391 25 85 75 11

redaktion@aspekt-magazin.de

ist eine Publikation

des Herausgebers

Rolf-Dietmar Schmidt

03/2023 3


INHALT

06

Foto des

Monats

08

E-Boot auf der

MAGDEBOOT

18

Sachsen-Anhalt

droht Austrocknung

09

Seit fünf Jahren

in der Luft

24

LENA und

HYPOS gemeinsam

4 03/2023


Ausgabe 03/2023

WIE KRANK SIND

DIE KRANKENKASSEN?

38

40

Tanz des

Widerstandes

44

Zwei Welten in

einer Realität

Der vergessene

Krieg

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Leserbriefe/Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . 6

Kolumne: Winke, winke, Pinke, Pinke . . . . . 7

SACHSEN-ANHALT AKTUELL

Dinosaurier wieder da . . . . . . . . . . . . . . 8

Kinder- und Jugend-Kulturpreis . . . . . . . . . 8

„Magdeburg“ fünf Jahre in der Luft . . . . . . . 9

Eine Stadt „bäumt“ sich auf . . . . . . . . . . . 9

TITELTHEMA

Alter Wein in neuen Schläuchen . . . . . . . . 10

WIRTSCHAFT

Aus der Kälte kam der Preis . . . . . . . . . . . 16

E-Sport bringt Geld und

kostet Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Alarmruf der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . 22

NATUR UND UMWELT

Sachsen-Anhalt trocknet aus . . . . . . . . . . 18

ENERGIE

LENA und HYPOS verstärken

Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Wasserstoffnetz von fast

340 Kilometern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

LENA-Tipp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

HARTE FAKTEN

Teures Einwanderungsland

Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

WISSENSCHAFT

Ossis und Wessis in der Sprache

und in den Köpfen . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Europaweit Spitze bei

bildgestützter Hirnforschung . . . . . . . . . 30

Autonomes Fahren bei

Schnee und Regen . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Neuartige Membran

zur Wundheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

GESUNDHEIT

Frauenherzen schlagen anders . . . . . . . 34

Die Pille für den Mann . . . . . . . . . . . . . 36

Die Pille und die Politik . . . . . . . . . . . . . 37

GANZSEITENFOTO

Alter Wein in neuen

Schläuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Teures Einwanderungsland

Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Ossis und Wessis . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Zwei Welten – eine Realität . . . . . . . . . . 38

Tanz des Widerstandes

gegen Konventionen . . . . . . . . . . . . . . 40

KULTUR

Zwei Welten – eine Realität . . . . . . . . . . 38

Tanz des Widerstandes

gegen Konventionen . . . . . . . . . . . . . . 40

EUROPA

Alterswohnsitz Ausland

immer beliebter . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

AUSLAND

100 Jahre Sowjetunion Teil II:

Der vergessene Krieg und Sieg . . . . . . . . 44

IMPRESSUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

ASPEKT-VORSCHAU 46

03/2023 5


VERMISCHTES

Leserbriefe

aspekt 02-2023, Seite 6, Leserbriefe

Berliner*innen-Kater

Wir sind eine lustige Frauenrunde, die

sich regelmäßig triff, um zu erzählen,

was alles so passiert und Kaffee zu

trinken. Ihr Foto des Monats hat uns

so begeistert, dass wir uns eine Flasche

des „Frischen Pfefferminzlikörs“ gegönnt

haben. Dabei haben wir festgestellt,

dass aspekt gar nicht erwähnt hat,

dass „Berliner*innen Luft“ auch noch

vegan ist. Also gendergerecht und auch

noch gesund. Dann muss der schwere

Kopf am nächsten Tag offenbar einen

anderen Grund gehabt haben.

Im Namen von acht Frauen,

Rosemarie Habicht, Berlin

aspekt 02-2023, Seite 10, Titel Inflation

Keine Angst mehr

Das Schreckgespenst Inflation mit

seinem Höhepunkt im letzten Jahr hat

offenbar ausgedient. Kaum jemand

spricht noch davon, und auch die

Höhe ist keine Meldung mehr wert.

Gut, dass sie sich der Sache angenommen

haben. Offenbar gibt es kein

Gefühl mehr für den Wert des Geldes.

Da wird mit Milliarden und Billionen

um sich geworfen, als ob es nichts wäre.

Aber vermutlich ist es auch nichts,

außer „warmer Luft“.

Reinhard Herbach, Wernigerode

aspekt, 01-2023, Seite 3, Editorial

Fußball war wichtiger

Jede Zeile Ihres Leitartikels entspricht

voll meiner Meinung. Bemerkenswert

ist auch Ihr Mut zum Thema, der sich

schon in den ersten Zeilen darstellt:

„Bildung war nur ein paar Stunden

eine Spitzenmeldung, dann war die

Fußball-WM wichtiger.“ Das nennt

man Zuschütten einer unpassenden

Spitzenmeldung. Ablenkung auf

Schein- und Nebenthemen. Sport war

ja schon immer für die „schweigende

Mehrheit“ die passende Ablenkung. Da

kann man auch schon mal ganz fix eine

verfassungswidrige Diäten-Erhöhung

durchwinken.

Dass Finnland an der Spitze rangiert,

erzählt man ja oft. Aber ohne Hinweis

auf die „DDR-Blaupause“. Dazu

gehört schon eine besondere Art von

Unabhängigkeit. Das wollte ich Ihnen

sowieso schreiben.

Ekkehart Gämlich, Magdeburg

aspekt 02-2023, Seite 14, Ein Billiardär mit

Weltmacht

DAX in den Händen von

Black Rock

Mit Black Rock, der Rolle die Friedrich

März dort gespielt hat (und noch

spielt, auch wenn es bestritten wird),

Foto des Monats

„Die Hunnen kommen“ hatten wir in der

Februarausgabe einem Beitrag als Titel gegeben,

konnten aber nicht ahnen, dass sie

schon bei Sachsen-Anhalts Landesregierung

vorstellig geworden waren. Nicht mit

Waffen, sondern mit einem Orden für den

Ministerpräsidenten. Aber das eine kann

genauso schlimm sein, wie das andere.

und der Macht, die der weltgrößte

Vermögensverwalter hat, Druck auf

Staaten auszuüben, habe ich mich

schon öfter befasst. Neu war für mich

allerdings, dass Black Rock an allen

DAX-Unternehmen der Deutschen

Börse beteiligt ist. Von wegen drei bis

fünf Prozent, denn über die Quer- und

Tochterunternehmen ist der Einfluss

deutlich größer.

Da reden wir von Abhängigkeiten

bei Öl oder Gas, was angesichts der

Abhängigkeit auf dem Aktienmarkt, an

dem die 40 wichtigsten Unternehmen

der gesamten deutschen Wirtschaft

hängen. Das ist einfach lächerlich.

Klaus-Dieter Fischer, Halle/Saale

6 03/2023


KOLUMNE

Winke winke, Pinke Pinke

Hand auf´s Herz: Wer hört bei den

Themen Finanz- oder Wirtschaftskrise

noch hin? Die meisten blättern mit

leichtem Stöhnen über diese Themen

hinweg. Wen wundert´s. Es scheint so,

als sei alles gesagt und gehört.

Und doch. Eine Branche gibt es, über

die bislang gar nicht gesprochen wurde.

Alle möglichen Experten haben alle

möglichen Prognosen abgegeben. Nur

die Geldfälscher, eine äußerst sensible

Branche und durchweg von Experten

besetzt, die hat bislang niemand gefragt.

Das kann daran liegen, dass sie etwas

scheu mit der Öffentlichkeit umgehen.

Blickt man aber genau in die Statistik,

dann kann man schon eine ganze Menge

von deren Expertenwissen erfahren.

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland

rund 44 200 falsche Euro-Banknoten

registriert. Damit ist die Zahl der Fälschungen

gegenüber 2021 um über

fünf Prozent gestiegen. Mit anderen

Worten: 2022 haben die Geldfälscher

wieder dem Euro getraut. Ein Jahr

früher sah das ganz anders aus. Das

lag an Corona, meint die Bundesbank,

denn Volksfeste und Weihnachtsmärkte

hätten wieder stattgefunden. Dafür

brauchte man Bargeld.

Nun ist das mit den Falschmünzern so

eine Sache, wobei der Begriff irreführt,

denn um Münzen geht es in diesem

Geschäft eher weniger. Da hat doch

kürzlich ein Professor der Wirtschaftswissenschaften

erklärt, dass es drei Arten

von Geldfälschung gebe.

Die erste sei die in den Staatsdruckereien

mit gesetzlicher Zertifizierung, aber

ohne Deckung durch wirtschaftliche

Leistung. Das nenne man Aufblähung

der Geldmenge. Die zweite Kategorie

sitze in großen Glaspalästen, druckt

nicht, sondern drückt Computertasten.

Auf wundersame Weise vermehrt sich

dabei die Geldmenge, die eigentlich gar

nicht vorhanden ist. Das seien die gefährlichsten

Geldfälscher.

Die dritte Gruppe, von der hier die

Rede ist, das sind die lichtscheuen

Jungs oder Mädchen, die in noch richtiger

Handarbeit Blüten produzieren.

Und von denen trauten sich in der

Vergangenheit immer weniger, noch

in den Euro zu investieren, denn am

nächsten Tag konnte bei zehn Prozent

Inflation der ganze Aufwand schon

umsonst gewesen sein. Doch nun haben

sie dank der Zinserhöhungen der

EZB wieder Mut gefasst. So hat sich der

durch Falschnoten verursachte Schaden

2022 im Vergleich zum Vorjahr auf

2,7 Millionen Euro erhöht.

Nun werden sicher nicht alle Blüten

entdeckt. Aber wenn allein bei den

gefundenen schon über eine Million

mehr auf den Markt gelangte, dann

haben die Künstler der kleinen Papierstücke

dem Staat allerhand Arbeit abgenommen.

Da kann man sich vorstellen,

wie groß die volkswirtschaftliche

Einsparung bei Berücksichtigung der

entsprechenden Dunkelziffer sein mag.

Das ist ganz klar eine Stabilisierung

der Geldwirtschaft, an der sich die Kategorien

1 und 2 ein Beispiel nehmen

sollten.

Auch die Wertstückelung sagt einiges

darüber aus, wie man den Bestand in

den Geldbörsen der Euro-Europäer

einschätzt. Besonders stark vertreten

waren im Jahr 2022 Fälschungen der

50-Euro-Note mit über 40 Prozent. Die

Zahl der Hunderter hingegen ist mit

12 Prozent marginal. Gegenüber dem

üblichen Trend sind dagegen die Fälschungen

der 20-Euro-Noten deutlich

angestiegen. Der Trend geht also eindeutig

zum Kleingeld der kleinen Leute,

denn die großen Banknoten liegen

vermutlich schon alle in der Schweiz.

Wie sehr sich Falschmünzer, und an

dieser Stelle stimmt das Wort dann

wieder, um die Kleinstverdiener kümmern,

wird auch an den falschen Geldstücken

deutlich. An gefälschten Münzen

hat die Bundesbank nach eigenen

Angaben 2022 rund 7300 Stück aus

dem Verkehr gezogen. Und das waren

vor allem Zwei-Euro-Stücke. Kleinere

Münzen spielen kaum eine Rolle.

Verwunderlich ist das nicht. Keiner

weiß, was mit dem Euro wird, aber die

Metallpreise steigen unaufhörlich. Da

setzt der eine oder andere vermutlich

beim Prägen falscher Münzen bares

Geld zu.

03/2023 7


SACHSEN-ANHALT AKTUELL

Noch bis zum 12. März sind die Dinosaurier auf dem

Magdeburger Jerichower Platz zu Hause. Besonders für

die Jüngsten sind die Riesen auslängst vergangenen

Zeiten ein besonderer Anziehungspunkt.

Foto: dino.de

Ausschreibung 26. Kinder- und Jugend-Kultur-Preis

Foto: lkj

Das Land Sachsen-Anhalt schreibt

in Kooperation mit der Landesvereinigung

kulturelle Kinder- und Jugendbildung

Sachsen-Anhalt e. V. den

26. Kinder- und Jugend-Kultur-Preis

Sachsen-Anhalt aus. Unter dem Motto

„Horizonte“ können Kinder und

Jugendliche bis einschließlich 21 Jahre,

die ihren Wohnsitz in Sachsen-Anhalt

haben, künstlerische Beiträge einreichen.

Neben den drei Hauptpreisen

werden zwei Förderpreise, ein Sonderpreis

der Jugendjury sowie fünf Anerkennungspreise

im Gesamtwert von

insgesamt 6500 Euro verliehen. Der

Einsendeschluss ist der 15. April 2023.

„Horizonte“, das Motto des diesjährigen

Kinder- und Jugend-Kultur-Preises,

lässt sich auf alle kulturellen Inhalte

und Ausdrucksformen anwenden, wie

beispielsweise Malerei, Fotografie, Literatur,

Musik, Film und Theater. Die eingereichten

Arbeiten sollen dabei nicht

älter als ein Jahr sein. Möglich sind Einreichungen

von Einzelpersonen, Gruppen

oder Klassen.

Eine Jury, bestehend aus Vertretern

verschiedener Kultursparten sowie einer

Jugendjury, wird die eingegangenen

Arbeiten bewerten. Neben den drei

Hauptpreisen werden noch weitere Ehrungen

bei der Preisverleihung am 27.

Juni 2023 im Schloss Roßla im Landkreis

Mansfeld-Südharz verliehen.

Foto: MVGM/Lander

Große Bühne für das wahrscheinlich kleinste Segelboot

der Welt sowie die neuesten E-Boot-Entwicklungen auf der

MAGDEBOOT 2023: Die große mitteldeutsche Boots- und Wassersportmesse

zeigt vom 10. bis 12. März in den Magdeburger

Messehallen und auf dem Außengelände die Trends und

Neuheiten vom Segelboot bis zur Luxusjacht. Auch ein breites

Freizeit- und Sportangebot auf und am Wasser können

die Gäste an drei Messetagen auf insgesamt mehr als 10 000

Quadratmetern Ausstellungsfläche entdecken und erleben.

Die MAGDEBOOT öffnet ab Freitag, 10. März bis Sonntag,

12. März, täglich von 10 bis 18 Uhr.

8 03/2023


Rund 300 Flugzeuge der Lufthansa Flotte sind nach deutschen

Städten oder Bundesländern benannt, darunter auch ein Airbus

A350 mit der Kennung D-AIXH, getauft auf den Namen „Magdeburg“.

Die „Magdeburg“ fliegt als Botschafter der Stadt und der

Marke Lufthansa um die Welt und verbindet Menschen, Kulturen

und Volkswirtschaften. Letzten Monat gab es für die „Magdeburg“

einen besonderen Grund zu feiern: Das Flugzeug „Magdeburg“ war

im Februar vor genau fünf Jahren das erste Mal für die Lufthansa

im Einsatz. Zwischen der Stadt Magdeburg und der Lufthansa gibt

es einen Patenschaftsvertrag. Auch in diesem Jubiläumsjahr ist

die „Magdeburg“ in der Luft, bringt Freunde und Familien zusammen

und ermöglicht gemeinsame sowie einzigartige Momente.

„Otto Bäumt sich auf“

Innerhalb des Wiederbepflanzungskonzepts

„Otto bäumt sich auf “ wurden

in den vergangenen Wochen 604

neue Bäume auf Baumhainen und an

Einzelstandorten gepflanzt.

Bereits vor Weihnachten kamen die

ersten 90 Bäume in die Erde. „Nach

dem Jahreswechsel sind nun weitere

Pflanzungen erfolgt“, bilanziert die

Baumpflanzchefin der Stadt Magdeburg,

Fachbereichsleiterin Bau- und

Umweltrecht, Andrea Scheerenberg.

„Am Baumhain nördlich vom Hohendodeleber

Weg wurden 253 Bäume gepflanzt,

an einer Feldwegeverbindung

im Beyendorfer Kirchweg 114 Bäume.

Weitere 147 der insgesamt 604 Bäume

haben wir seit Februar auf einer Vielzahl

von Standorten an Straßen, Schulen,

Kindertagesstätten, Sportstätten

und anderen städtischen Liegenschaften

im gesamten Stadtgebiet gepflanzt.“

Bei der Fläche nördlich des Hohendodeleber

Wegs handelt es sich um eine

Freifläche entlang der Siedlungskante,

die als Baumhain mit Wiesenfläche

umgestaltet wird. Auf einem rund 50

Meter breiten Ackerstreifen sollen

einheimische Bäume, wie Feldahorn,

Spitzahorn, Hainbuche, Zitterpappel,

Vogelkirsche, Wildbirne, Traubeneiche,

Elsbeere, Mehlbeere und Winterlinde

als Hochstamm wachsen. In einem

weiteren Schritt soll zudem eine

Wiesenfläche mit Kräutern angesät

und als Blühwiese aus gebietseigenem

Saatgut entwickelt werden. Auf dieser

sollen dann auch Sitzstangen für

Greifvögel aufgestellt werden.

Ziel des Wiederbepflanzungskonzeptes

ist es, innerhalb von 12 Jahren das

im Jahr 2020 bekannte Defizit von

6000 Bäumen auf städtischen Flächen

auszugleichen.

Bis es soweit ist, wird es wohl noch etliche Jahrzehnte

dauern, aber der Anfang ist gemacht.

03/2023 9


TITEL

10 03/2023


Gesundheitsreform

ALTER WEIN IN

NEUEN SCHLÄUCHEN

Die Deutschen gehören in Europa zu den umfassendsten Versicherten.

Es scheint ein besonderes Bedürfnis zu sein, sich gegen alle Gefahren

des Lebens, wie Krankheit und Tod, aber ebenso gegen jede mögliche

Form von Sachschäden oder Risiken zu versichern.

03/2023 11


TITEL

Es ist also nicht verwunderlich, dass

Versicherungen hierzulande zur

stärksten Branche der Wirtschaft

überhaupt zählen. Lediglich die

Kranken- und Pflegeversicherungen

stöhnen, dass das Geld nicht reicht,

von der gesetzlichen Rentenversicherung

im Gegensatz zu den privaten

Rentenversicherungen gar nicht zu

reden.

Seit Jahrzehnten wird an Ersterer

rumreformiert, aber gereicht hat das

Geld für die gesamte Rentnerzahl nie.

Der Staat musste und muss in noch viel

höherem Maße Millionen zuschießen.

Warum ist das so, heißt die Frage aller

Fragen, auf die es jede Menge Antworten

gibt. Allerdings war noch keine

dabei, die das Dilemma bisher gelöst

hätte.

Und das, obwohl der Rentner in

Deutschland gerade mal gut 50 Prozent

seines durchschnittlichen Nettoeinkommens

im Alter als Rente hat,

während es in anderen europäischen

Staaten bis zu 70 oder 80 Prozent

sind, beim Spitzenreiter Luxemburg

sogar 90 Prozent. Nun findet man in

Luxemburg kaum ein produzierendes

Unternehmen, dafür aber jede

Menge Banken und Finanzinstitute.

In Deutschland hingegen gibt es einen

umfangreichen produzierenden

Mittelstand. Fazit: Arbeit scheint sich

nicht zu lohnen, zumindest im Alter.

Aber der Reihe nach: Was macht die

Sachversicherer so stark, und warum

sind die gesetzlichen Sozialversicherungen

permanent krank?

12 03/2023


Versichert – gesichert

Ganz allgemein ist die Versicherungswirtschaft

einer der bedeutendsten

Wirtschaftszweige in Deutschland.

Noch wichtiger ist aber ihre Funktion

in Wirtschaft und Gesellschaft – ohne

privaten Versicherungsschutz ist eine

moderne Gesellschaft oder eine entwickelte

Volkswirtschaft kaum denkbar.

Mit fast 465 Millionen Verträgen

übernehmen die deutschen Versicherer

Risiken im Alltag nahezu jeden

Bürgers und Unternehmens. Wäre Versicherungsschutz

sichtbar, man würde

ihm auf Schritt und Tritt begegnen. An

jedem Auto, an jedem Gebäude der

Stadt und in jedem Unternehmen. Mit

ihren Beitragseinnahmen gehört die

deutsche Versicherungswirtschaft zu

den umsatzstärksten Branchen.

Mit anderen Worten hat jeder Bürger,

vom Baby bis zum Greis sowie jedes

Unternehmen, im Durchschnitt mindestens

sechs Versicherungsverträge.

Ein Blick in die Unterlagen zu Hause

bestätigt: das reicht bei weitem nicht.

Die Statistik prognostiziert eine

enorme Umsatzentwicklung in der

Versicherungsbranche in Deutschland

in den Jahren von 2013 bis 2025. Im

Jahr 2020 wurde ein geschätzter Umsatz

in Höhe von rund 2,16 Milliarden

Euro erzielt. Wichtig: Hier wurden nur

Unternehmen mit einem Jahresumsatz

aus Lieferungen und Leistungen über

17 500 Euro berücksichtigt.

Was aber ist bei einer Versicherung

Umsatz? Gebuchte Bruttobeiträge (Bilanz)

lassen sich umgangssprachlich

als Brutto-Umsatz der Versicherungen

definieren. Sie enthalten die Beiträge

der Kunden für Lebensversicherungen,

fondsgebundene Lebensversicherungen

sowie die Beiträge für alle anderen

Produkte, die die Versicherung anbietet.

Die Kosten, also die eventuelle

Schadensbegleichung, wird dabei nicht

berücksichtigt. Je nach Häufung von

Schäden oder Ausgleichsleistungen

der Versicherungen werden diese Kosten

vom Gewinn abgezogen. Der kann

also, beispielsweise durch Unwetterereignisse

oder Großbrände, schon mal

stark einbrechen.

Trotzdem: der Branche geht es bestens,

auch weil beständig neue Produkte,

sprich Versicherungen, hinzukommen.

Kranke Krankenversicherungen

Nur die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungen

klagen, sind selbst

krank.

In der ersten Phase der Corona-Pandemie

im Jahr 2020 glaubten laut einer

damaligen Umfrage 72 Prozent der

Bevölkerung, dass das deutsche Gesundheitswesen

zu den drei besten der

Welt gehöre. In der jüngsten Umfrage

waren es noch 57 Prozent. Dabei spielt

offensichtlich auch die Ablehnung von

Corona-Impfungen eine Rolle: Von

den Ungeimpften sehen lediglich 29

Prozent das deutsche Gesundheitssystem

unter den weltweiten Top drei.

Ein alljährlich wiederkehrender Kritikpunkt

sind gehetzte Ärztinnen und

Ärzte: 37 Prozent der gesetzlich und 28

Prozent der privat Versicherten gaben

an, dass sich die Mediziner zu wenig

Zeit nähmen.

Die Krankenkassen jedoch erfreuen

sich dennoch in der Bürgerschaft unverändert

hohen Ansehens. Laut Umfrage

sind 87 Prozent mit deren Arbeit

03/2023 13


TITEL

zufrieden, mit nur geringem Unterschied

zwischen privat und gesetzlich

Versicherten.

Die Finanzierung der gesetzlichen

Krankenversicherung soll für 2023 stabilisiert

werden. Der Bundesrat hat das

entsprechende Gesetz abschließend

gebilligt. Es geht darum, die finanzielle

Last nicht allein den Beitragszahlern

aufzuerlegen, sondern sie auf mehrere

Schultern zu verteilen. Auch der Bund

wird einen ergänzenden Zuschuss leisten.

Ziel des vom Bundestag beschlossenen

und vom Bundesrat gebilligten Gesetzes

ist es, die Finanzlage der gesetzlichen

Krankenversicherung zu stabilisieren.

Die im Gesetz vorgeschlagenen

Maßnahmen ermöglichen, dass der

Zusatzbeitragssatz nur maßvoll erhöht

werden muss. Außerdem werden keine

Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung

gekürzt.

Die finanzielle Situation der gesetzlichen

Krankenversicherungen ist sehr

differenziert, in den meisten Fällen

allerdings herausfordernd: Auf der

einen Seite sind die Einnahmen aus

Krankenversicherungsbeiträgen weniger

stark gewachsen als in früheren

Jahren. Auf der anderen Seite steigen

die Ausgaben stark an. Diese Tendenz

ist auch für künftige Jahre zu erwarten

– unter anderem aufgrund der demografischen

Entwicklung, des medizinisch-technischen

Fortschritts und der

steigenden Löhne durch den Fachkräftemangel.

Ohne zusätzliche Maßnahmen würde

der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz

in der gesetzlichen Krankenversicherung

deutlich steigen. Nun werden

diese Lasten auf mehrere Schultern

verteilt und nicht allein den Beitragszahlern

auferlegt – und insgesamt eine

stabile, verlässliche und solidarische

Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung

sichergestellt.

Soweit die Politik. Und wieder ist aus

der Revolution im Gesundheitswesen

ein Reförmchen geworden. Denn was

heißt, die Lasten auf breitere Schultern

zu verteilen? Die Bundeszuschüsse

sind letztlich auch nur Steuermittel,

die von den Bürgern erarbeitet werden

müssen. Was heißt denn „demografische

Entwicklung, medizinischtechnischer

Fortschritt und steigenden

Löhne? Dass immer mehr Deutsche

immer älter werden, das weiß man seit

Jahrzehnten, dass der medizinischtechnische

Fortschritt höhere Kosten

verursacht, mag auch richtig sein, dass

die höheren Löhne, die ja mehr Beiträge

nach sich ziehen, ebenfalls die Kosten

treiben, ist allerdings erklärungsbedürftig.

Bleibt also der Beitragszahler. Die Politik

hat in dem Ende 2022 beschlossenen

Gesetz einen Grundsatz verfolgt:

Die Einnahmen erhöhen und die Ausgaben

beschränken. Konkret bedeutet

das:

• Einnahmen werden erhöht, indem

unter anderem der Bund in diesem

Jahr seinen Zuschuss an den

Gesundheitsfonds von derzeit 14,5

Milliarden Euro um zwei Milliarden

Euro auf 16,5 Milliarden Euro

erhöht. Außerdem wird dem System

der gesetzlichen Krankenversicherung

ein unverzinsliches Darlehen

von einer Milliarde Euro angeboten.

Das klingt nobel, muss aber irgend-

14 03/2023


wann auch bezahlt werden.

• Um die Ausgaben zu begrenzen,

sollen unter anderem erhebliche

Kostensteigerungen bei Arzneimitteln

gebremst werden. Dazu

wird zum Beispiel der Arzneimittel-Herstellerabschlag

für 2023

erhöht und das Preismoratorium

für Arzneimittel bis Ende 2026

verlängert. Das Verfahren, um

den Nutzen neuer Arzneimittel zu

bewerten, wird weiterentwickelt.

• Die sogenannte Neupatientenregelung

wird neu geregelt: Künftig

steht die schnelle Behandlung und

Vermittlung von Patientinnen und

Patienten im Vordergrund, wenn

Vergütungszuschläge gezahlt werden.

Zudem werden Honorare für

vertragszahnärztliche Leistungen

begrenzt.

Der Hersteller-Abschlag bedeutet,

dass Krankenkassen für zu ihren

Lasten abgerechnete Fertigarzneimittel

Herstellerabschläge von den

Apotheken erhalten. Die pharmazeutischen

Unternehmer sind verpflichtet,

den Apotheken diesen

Abschlag zu erstatten. Ein bürokratisches

Monster von Hin- und

Rücküberweisungen, das völlig

verschleiert, wer hier die enormen

Kostensteigerungen in der Pharmaindustrie

trägt. Die Steuerungsfunktion

der Apotheken wird darauf

hinauslaufen, dass günstigen Medikamenten

der Vorzug gegeben wird.

Ob das immer mit der Wirksamkeit

und Verträglichkeit bei den Patienten

übereinstimmt, scheint zweitrangig

zu sein.

Die Neupatientenregelung soll dazu

führen, dass neue Patienten nicht

mehr abgewiesen werden, weil sie

dem Zahnarzt höhere Einnahmen

bringen. Gleichzeitig werden die

Honorare begrenzt. Selbst Laien

dürfte dabei klar werden, dass die

Steuerungsfunktion darin besteht,

häufig den Zahnarzt zu wechseln,

woran der interessiert sein dürfte.

Völlig ausgeblendet wird bei der Gesundung

der gesetzlichen Krankenversicherung,

dass die Verminderung

der Beitragseinnahmen durch

die Demografie der Bevölkerung

erst einmal gestoppt werden könnte,

wenn auch Beamte und Selbständige

in die „Gesetzliche“ einzahlen

müssen. So macht es beispielsweise

Österreich auch bei der Rentenversicherung.

Das ist zwar kein Allheilmittel,

aber es würde das Siechtum

hinauszögern. Allerdings würde

dies die Existenz der privaten Krankenversicherungen

gefährden. Das

traut sich derzeit kein Politiker.

Langfristig hilft nur eine Maschinen-

oder Automatensteuer, wie sie

beispielsweise von Finanzexperten

aus den USA empfohlen wird. Das

gilt insbesondere für den Ausfall

von Beitragseinnahmen durch Automatisierung

und dem Wegfall von

Arbeitsplätzen.

Das neue Gesetz zur Konsolidierung

der Zweige der Sozial- und Rentenversicherungen

ist also nichts anderes,

als alter Wein in neuen Schläuchen.

Von der geplanten Revolution

im Gesundheitswesen keine Spur.

Das System wird weiter kranken.

03/2023 15


WIRTSCHAFT

Aus der Kälte kam der Preis

„Kälte mit Temperaturen unterhalb der minus 60 Grad Marke auf elektrischer Basis zu erzeugen, ist die

DNA unseres Unternehmens, auf der wir uns seit mehr als 20 Jahren weiterentwickeln. Wir sehen uns

als technologischer Treiber von zwei Megatrends: New Health und Tiefst-Kältelagerung.“

New Health beschreibt in der Medizin

den Wandel von regenerativer zu

präventiver Medizin durch Echtzeit-

Erfassung von Daten. Tiefst-Kältelösungen

finden immer breitere

Anwendung bei der Lagerung von

sensiblen Stoffen, wie beispielsweise

mRNA-Impfstoffen.

„Auf beiden Feldern spielen wir unsere

langjährige Expertise aus. Wir freuen

uns daher sehr, dass diese Anstrengung

Anerkennung findet. Gleichzeitig

ist die Auszeichnung mit dem

TOP-100 Siegel für uns Ansporn unsere

Forschung – besonders bei der

nachhaltigen Anwendung – weiter

voranzutreiben“, sagt der Gründer

und CEO des Unternehmens, Enrico

Klauer, der sich aus dem operativen

Geschäft zurückgezogen hat, um sich

vor allem der Weiterentwicklung von

nachhaltigen New Health Ideen zu

widmen.

Sven Schulze,Wirtschaftsminister von

Sachsen-Anhalt: „Ich gratuliere ME-

COTEC zu dieser Auszeichnung. Mit

seinen Hightech-Produkten hat sich

das Unternehmen in seiner Branche

bereits über einen längeren Zeitraum

einen Namen gemacht. MECOTEC

setzt in seinem Segment global Maßstäbe

und steht mit seiner Innovationskraft

stellvertretend für den

aufstrebenden Wirtschaftsstandort

Sachsen-Anhalt. Wir werden auch

weiterhin unsere heimischen Unternehmen

auf ihrem Wachstumspfad

begleiten und nach unseren Möglichkeiten

unterstützen.“

Der Wettbewerb TOP 100 basiert auf

einem wissenschaftlichen Auswahlverfahren.

Im Auftrag von compamedia,

dem Ausrichter des Vergleichs,

untersuchten der Innovationsforscher

Professor Dr. Nikolaus Franke von der

Wirtschaftsuniversität Wien und sein

Team die MECOTEC GmbH anhand

von mehr als 100 Kriterien aus fünf

Kategorien: Innovationsförderndes

Top-Management, Innovationsklima,

Innovative Prozesse und Organisation,

Außenorientierung/Open Innovation

sowie Innovationserfolg.

Besonders wichtig ist dabei, ob die Innovationen

eines Unternehmens nur

ein Zufallsprodukt sind oder aber systematisch

geplant werden und damit

in der Zukunft Innovationen wiederholbar

sind.

„Es erfüllt das gesamte Team der ME-

COTEC GmbH mit besonderem Stolz,

dass wir – nachdem wir im vergangenen

Jahr mit dem Vorsprung-Wirtschaftspreis

ausgezeichnet wurden

und damit bereits zu den sechs innovativsten

Unternehmen Ostdeutschlands

zählen – heute diese Auszeichnung für

das Unternehmen als Top-100 Innovator

Deutschlands entgegennehmen

können“, so Dr. Friedrich Rheinheimer,

Geschäftsführer der MECOTEC

GmbH. „So eine Auszeichnung kann

nur als Team gewonnen werden, das

agile Strukturen wirklich lebt und bei

dem jeder Mitarbeiter Teil des Innovationsprozesses

ist.“

Damit alle Bewerber die gleichen

Chancen haben, wird das Siegel in drei

Größenklassen vergeben: bis 50, 51 bis

200 und mehr als 200 Mitarbeiter. Im

Jubiläumsjahr von TOP 100 – die aktuelle

Runde ist bereits die 30. Auflage

des Innovationswettbewerbs – war das

Interesse besonders groß: 550 Mittelständler

hatten sich beworben, 300

von ihnen waren erfolgreich und tragen

nun das TOP 100-Siegel. Maximal

können 100 Unternehmen pro Größenklasse

ausgezeichnet werden.

„Bei TOP 100 geht es um die Frage,

welchen Stellenwert das Innovationsziel

im Unternehmen einnimmt“,

sagt Professor Dr. Nikolaus Franke,

wissenschaftlicher Leiter des Wettbewerbs.

„Dominieren Routinen und

Gewohnheiten oder aber ist das Un-

16 03/2023


Foto: MECOTEC2023

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister

Sven Schulze gratuliert Enrico Klauer, CEO

(r.) und Dr. Friedrich Rheinheimer, GF (l.) der

MECOTEC GmbH zur Auszeichnung als

Top 100-Unternehmen.

ternehmen in der Lage, Bestehendes

zu hinterfragen, kreativ neu zu denken

und erfolgreich am Markt durchzusetzen?

Wir analysieren diese Fähigkeit

anhand von mehr als 100 Prüfkriterien“,

erläutert er.

Am 23. Juni kommen in Augsburg alle

Top-Innovatoren des Jahrgangs 2023

zur Preisverleihung auf dem 8. Deutschen

Mittelstands-Summit zusammen.

Dort wird der Wissenschaftsjournalist

Ranga Yogeshwar, der den

Innovationswettbewerb als Mentor

begleitet, ihnen zum Erfolg bei TOP

100 persönlich gratulieren.

MECOTEC mit Sitz in Sachsen-Anhalt wurde

2000 gegründet und zählt zu den Pionieren

der Tiefstkälte auf elektrischer Basis.

Das Unternehmen ist auf die Segmente Kältekammern,

Kaltluftgeräte sowie Industriekälte

spezialisiert und heute mit mehr als

800 installierten Kältekammern weltweit

führend bei Medizin, Sport und Wellness.

Die rein elektrisch betriebenen Kältekammern

finden Anwendung in Hotels, in

Kliniken und Sportstätten, der deutschen

Fußball-Bundesliga, NFL-Stadien in den

USA und anderen.

Das Unternehmen hat in Frankreich, den

USA, in Dubai und Singapur Niederlassungen

sowie Partner in Europa und Australien.

MECOTEC arbeitet mit führenden Pharmaherstellern

und Krankenhäusern bei der

Ultratieftemperaturtechnik für Medizinprodukte

und Kältekammern zusammen. Geführt

wird das Unternehmen von Gründer

Enrico Klauer, der von einem Beirat aus

Experten der Finanz- und Pharmaindustrie

unterstützt wird, sowie Dr. Friedrich Rheinheimer,

der seit Anfang 2022 das operative

Geschäft verantwortet.

Seit 1993 vergibt compamedia das TOP

100-Siegel für besondere Innovationskraft

und überdurchschnittliche Innovationserfolge

an mittelständische Unternehmen.

Die wissenschaftliche Leitung liegt

seit 2002 in den Händen von Professor Dr.

Nikolaus Franke. Franke ist Gründer und

Vorstand des Instituts für Entrepreneurship

und Innovation der Wirtschaftsuniversität

Wien. Mit 26 Forschungspreisen

und über 200 Veröffentlichungen gehört

er international zu den führenden Innovationsforschern.

Projektpartner sind die

Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der

angewandten Forschung und der Mittelstandsverband

BVMW.

03/2023 17


NATUR / UMWELT

Sachsen-Anhalt droht

Austrocknung

Die zurückliegenden Dürrejahre haben den Flüssen, den Seen und vor allem dem

Grundwasser heftig zugesetzt. Sachsen-Anhalt hat ganz besonders mit dramatischem

Wassermangel, stark sinkenden Fluss- und Stillgewässer-Pegelständen und hohen

Grundwasserdefiziten zu kämpfen.

Das Bundesland gehört mit zu den

trockensten Gegenden in Deutschland,

und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Auch wenn die Niederschläge in diesem

Winter über die Hitze und Trockenheit

der letzten Sommer etwas

hinwegtäuschen, steht Sachsen-Anhalt

angesichts des Klimawandels vor einem

gewaltigen Problem. Im jüngst veröffentlichten

Grundwasseratlas wird belegt,

dass an 77 Prozent der bundesweit ausgewerteten

Orte zuletzt der niedrigste

Wasserstand seit 20 Jahren festgestellt

wurde. Eine Tendenz, die an vielen Messstellen

hierzulande bestätig wird. Doch

wie kommt es zu diesem dramatischen

Rückgang?

Grundwasser ist grundsätzlich eine

erneuerbare Ressource, die vor allem

durch versickernden Niederschlag entsteht.

Es macht über 30 Prozent des globalen

Frischwasser-Angebots aus und

ist entscheidend für die Gewinnung von

Trinkwasser. Bedingt durch die Auswirkung

des Klimawandels ist das Gleichgewicht

zwischen Bildung und Verbrauch

von Grundwasser in den letzten Jahren

zunehmend gestört.

Extremwetterlagen – Dürren ebenso

wie Hochwasser – bringen das bisherige

Wassermanagement an seine Grenzen

und führen trotz insgesamt ausreichender

Wassermengen zu ungleicher Verteilung

des Wassers. Daraus resultiert in

großen Landstrichen ein Wassermangel

mit umfassenden Folgen für Umwelt und

Natur - auch hier in Sachsen-Anhalt.

Große Flüsse wie die Elbe führen eher

und länger Niedrigwasser, kleine Bäche,

Tümpel und Moorgebiete trocknen häufig

aus. Davon sind viele Arten betroffen.

Beispielsweise mangelt es Großvögeln

wie Weiß- und Schwarzstorch angesichts

schwindender Amphibien- und Fischbestände

an Nahrung. Die stark gefährdeten

und an schmale und flache Fließgräben

und Bäche gebundenen Arten wie

Bachneunauge, Bachmuschel, Edelkrebs

und Vogel-Azurjungfer sind in der Altmark

ebenfalls akut vom Wassermangel

bedroht. Zahlreiche Vogelarten am Salzigen

See, einem EU-Vogelschutzgebiet

im Mansfelder Land von überregionaler

Bedeutung, verloren durch Austrocknung

der Gewässer und Röhrichte in den

vergangenen Jahren ihre Bruten.

„Selbst bei Fledermäusen wie der hochspezialisierten

Nymphenfledermaus

im Harz macht sich die Dürre negativ

bemerkbar“, erklärt Fledermausexperte

Bernd Ohlendorf vom NABU Naturschutzbund.

„Trocknen die zur Nahrungssuche bevorzugt

aufgesuchten kleinen Bachläufe

und Stillgewässer aus, fehlt die von der

Art bevorzugt genutzte Nahrung, die bei-

18 03/2023


spielsweise aus den sich im Wasser entwickelnden

Zuckmücken besteht“.

Um der gravierenden Bedrohung

durch die Trockenheit zu begegnen, bedarf

es einer Trendwende beim bisherigen

Wassermanagement. Mögliche Ansätze

dafür gibt es viele.

So bleiben große Mengen der Niederschläge

bisher ungenutzt, während

Abwasserzweckverbände Oberflächenwasser

entgegen der EU-Wasserrahmenrichtlinie

ableiten. Oberstes Ziel muss der

Rückhalt von Wasser in der Landschaft

sein. Dazu muss das aktuell existierende

Entwässerungssystem hinterfragt und

vor allem in den Feucht- und Schutzgebieten

großflächig neu konzipiert werden.

„Die oft besprochene und geforderte

Gewinnung von Retentionsflächen

durch Deichrückverlegungen muss an

unseren Flüssen viel schneller und effektiver

umgesetzt werden. Neben der unbestreitbaren

Bedeutung für den Hochwasserschutz

gelingt so auch die Rettung

unserer stark bedrohten Auenlandschaften,

die Neubildung von Grundwasser

und der Schutz von Lebensräumen akut

gefährdeter Insekten, Muscheln, Frösche

und Vögel“, so Anne Arnold, Landesgeschäftsführerin

des NABU Sachsen-Anhalt.

Zudem bedarf es einer starken Regulation

der regionalen Grundwasserentnahme,

besonders durch industrielle

Großprojekte und landwirtschaftliche

Erzeuger. Beispielsweise gilt es, Grundwasserbrunnen

vermehrt stillzulegen

und die Beregnung landwirtschaftlicher

Nutzflächen einzuschränken.

„Auch bei uns wurde im Sommer ein

Tiefenbrunnen samt Verteilerstation

neu angelegt, um in heißester Sonnenglut

Maisfelder zu bewässern“, berichtet

Konrad Müller vom Regionalverband Elbe-Havel-Land.

„Wie dies trotz des akuten

Wassermangels genehmigt werden

konnte, ist mir schleierhaft.“ Wasserentnahmeverbote,

wie letzten Sommer beispielsweise

vom Landkreis Stendal oder

dem Salzlandkreis beschlossen, können

dagegen unterstützende Maßnahmen

sein.

Der NABU fordert die Politik in Sachsen-Anhalt

auf, ein zukunftsfähiges Wassermanagement

schnell und zielgerichtet

umzusetzen. „Für viele Arten und Lebensräume

bedarf es schneller und unbürokratischer

Lösungen, um ihr Überleben

zu sichern. Der sorglose Umgang

und das schnelle Ableiten der Ressource

Wasser muss beendet werden. Andernfalls

sitzen wir bald auf dem Trockenen“,

so Anne Arnold.

Ausgetrocknet

In Sachsen-Anhalt wird das Wasser knapp.

Neben Bremen gehört es zu den deutlich

trockensten Gebieten in ganz Deutschland.

Die Wassergewinnung im Verhältnis zur

Abgabemenge ist mit 63 Prozent dramatisch.

Mit anderen Worten: was an Wasser

aus dem Grundwasser, Quellen, Flüssen

oder Talsperren entnommen wird, deckt

die Mengen, die an die Bevölkerung und

die Industrie abgegeben werden, bei weitem

nicht.

03/2023 19


WIRTSCHAFT

E-SPORT BRINGT GELD

UND KOSTET GESUNDHEIT

Ist das stundenlange Hocken vor dem

Bildschirm mit Videospielen Sport?

Aber auch Schach hat in der Tat nicht

viel mit körperlicher Bewegung zu tun.

Fachleute sind sich da nicht einig.

Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt zählt zu den Hochburgen des sogenannten e-Sports.

Dabei handelt es sich um Spieler von Videospielen, die besondere Fähigkeiten mitbringen,

wofür sie von ihren Fans wie Superstars bewundert werden. Und es geht um Geld, um sehr

viel Geld, denn hinter dem E-Sport steht eine milliardenschwere Industrie. Da gibt es für

internationale e-Sport-Champions schon mal Millionen zu verdienen.

So ganz klar ist noch nicht, ob es sich beim e-Sport tatsächlich

um Sport, oder um eine gedankliche Fähigkeit handelt,

mit der man gut verdienen kann. Also mehr um einen modernen

Wirtschaftszweig. Die Experten streiten schon seit

Jahren, aber genau betrachtet ist auch Schach nichts anderes.

Auch hier wird in den Profiligen viel Geld verdient. Bleibt

die Frage, was die unzähligen Stunden in abgedunkelten

Räumen mit Energy-Drinks vor dem Computer mit den e-

Sportlern machen. Die Deutsche Sporthochschule in Köln

hat eine Studie dazu gemacht.

Im professionellen E-Sport führen starke Konkurrenz, kurze

Verträge, hoher Leistungsdruck und häufig ein Vollzeitjob neben

der Karriere zu psychischen Belastungen. Doch auch Hobby-Gamer

sind beim Videospielen mentalem Stress ausgesetzt.

Während die einen zur Entspannung spielen, können Videospiele,

verbunden mit Leistungsdruck, bei anderen zu erhöhtem

Stress führen. „Gamer sind vielfältigen psychischen Belastungen

ausgesetzt“, so Professor Ingo Froböse, Leiter des

Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte

Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule

Köln, „dies sollte man nicht unterschätzen und die Zielgruppe

hinsichtlich des Themas mentaler Gesundheit frühzeitig sensibilisieren

und aufklären.“

Ende Januar stellte die Sporthochschule die Ergebnisse der

fünften „e-Sport-Studie der Deutschen Sporthochschule Köln“

vor. Nachdem bereits die vorherigen e-Sport-Studien verschiedene

Gesundheitsthemen in den Fokus gestellt haben, befasst

sich die aktuelle Befragung vor allem mit der mentalen Gesundheit

und der Resilienz von Gamern unterschiedlicher

Leistungsstufen. Gemeinsam mit der AOK Rheinland/Hamburg

hat das Team um Professor Ingo Froböse 1073 Gamer

befragt.

20 03/2023


Mittelmäßiger mentaler Gesundheitszustand

Wie auch in den letzten Jahren zeigt die e-Sport-Studie 2023

zunächst erfreuliche Ergebnisse zum subjektiven Gesundheitszustand

sowie der mentalen Gesundheit: Die Gamer

bewerteten ihren subjektiven Gesundheitszustand als gut bis

sehr gut, das Studienergebnis zur mentalen Gesundheit liegt

im oberen Drittel der möglichen Gesamtpunktzahl.

Schaut man bei den Ergebnissen jedoch genauer hin, so

fallen die Resultate zum Wohlbefinden und zur Resilienz

deutlich schlechter aus. Knapp 17 Prozent der Befragten zeigen

erste Anzeichen von psychischen Beschwerden. Dies ist

umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, welche Bedeutung

der mentalen Leistungsfähigkeit im e-Sport zukommt. Vor

allem im professionellen e-Sport gibt es häufiger Berichte

über ein frühes Karriereende aufgrund psychischer Belastungen.

Ebenso liegt das psychische Wohlbefinden von

knapp 17 Prozent der Befragten unter dem Grenzwert. Dem

verwendeten Fragebogen nach weisen die Spieler somit ein

erhöhtes Risiko für eine klinische Depression auf. Insgesamt

liegt der Mittelwert aller Spieler unter dem Durchschnitt der

Normwerte, was tendenziell auf ein niedriges Wohlbefinden

hindeutet.

Damit einher geht das allgemeine Wohlbefinden, bei dem sogar

über ein Drittel der Befragten unter dem Grenzwert liegt.

Bis auf die Gruppe der e-Sport-Profis weisen alle befragten

Personengruppen eine niedrige psychische Widerstandsfähigkeit

auf.

„Es ist äußerst beunruhigend, dass die Ergebnisse zum Wohlbefinden

und zur Resilienz im Vergleich zur Normalbevölkerung

unterdurchschnittlich ausfallen, obwohl der subjektive

Gesundheitszustand positiv wahrgenommen wird“, so

Froböse. Dabei sollte allerdings bedacht werden, dass vor

allem die derzeitigen globalen Ereignisse wie die COVID-

19-Pandemie, der Ukraine-Krieg oder die Energiekrise einen

erheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden und somit auch

auf die mentale Gesundheit haben können.

Gamer sind sich der Bedeutung der mentalen Gesundheit

bewusst

Dem Großteil der Befragten ist zwar die Pflege der eigenen

mentalen Gesundheit sehr wichtig, und sie wissen auch, wie

sie diese ausbauen können; dennoch tut nur knapp die Hälfte

der Befragten bewusst etwas dafür. Womöglich werden erste

Anzeichen von psychischen Problemen nicht als solche wahrgenommen,

und die Befragten erachten es noch nicht als notwendig,

sich aktiv um ihre mentale Gesundheit zu kümmern.

„Es ist schön zu sehen, dass den Gamern die mentale Gesundheit

inzwischen bewusst ist. Nun gilt es, sie auch dahingehend

zu unterstützen und zu sensibilisieren, dass sie ihr Gesundheitsverhalten

dementsprechend anpassen, um diese zu fördern“,

erklärt Froböse.

Bewegungsförderung als präventive Maßnahme für das

psychische Wohlbefinden

Handlungsbedarf zeigt sich bei den untersuchten Spielern zudem

im Bereich des allgemeinen Wohlbefindens, welches als

eher niedrig bewertet werden kann. Wie die Ergebnisse zeigen,

kann ein aktiver Lebensstil zu einem höheren Wohlbefinden

beitragen. Mit Blick auf die Sitz- und Aktivitätszeiten der

Spieler sollten diese sich insgesamt körperlich mehr belasten,

da nur etwa die Hälfte der Befragten die Bewegungsempfehlungen

der WHO erreicht. Betrachtet man die verschärften

Empfehlungen für zusätzliche gesundheitsförderliche Effekte,

so ist es nur noch ein Drittel. „Neben Programmen zur

Pflege der mentalen Gesundheit und Resilienz sollte die

Bewegungsförderung auch weiterhin ein großer Bestandteil

der Gesundheitsprävention von Gamern sein. Über den Zugangsweg

e-Sport und aufgrund der großen Bedeutung von

mentaler Stärke auf die e-Sport-Leistungsfähigkeit gibt es

Möglichkeiten, die hier untersuchte junge und Gaming interessierte

Zielgruppe nachhaltig für das Thema zu begeistern“,

so Froböse.

Insgesamt besteht weiterhin Verbesserungsbedarf

„Wie wichtig physische Gesundheit und mentales Wohlbefinden

sind, ist uns allen nicht zuletzt in der Pandemie erneut

bewusst geworden“, erläutert Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied

der AOK Rheinland/Hamburg. „In Schulen und bald

auch in Betrieben unterstützen wir Gamerinnen und Gamer

mit passgenauen Angeboten dabei, sich aktiv um das körperliche

Wohl und die eigene Psyche zu kümmern. Die heute dargestellten

Aspekte zur psychischen Gesundheit werden ebenfalls

Berücksichtigung finden. “

„Insgesamt kann sich ein gesundheitsorientierter Lebensstil

positiv auf die mentale Gesundheit und das Wohlbefinden

auswirken“, so das Fazit von Ingo Froböse zur e-Sport-Studie

2023.

„Demnach ist es umso wichtiger, mehr Bewegung in unseren

sonst so bewegungsarmen Alltag zu integrieren. Dies fördert

nicht nur die Gesundheit, sondern erhöht auch unsere Produktivität.

Außerdem können wir dadurch unsere Stresstoleranz

erhöhen, was wiederum unserer mentalen Gesundheit

zu Gute kommt“, so Froböse, der vor allem für kleine Bewegungspausen

zwischen längeren Sitzeinheiten plädiert. Diese

fördern unter anderem die Durchblutung des Gehirns und

liefern somit einen Energieschub.

03/2023 21


WIRTSCHAFT

Alarmruf der Wirtschaft

Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt hat den konjunkturellen Tiefpunkt im Herbst des

vergangenen Jahres zwar hinter sich gelassen, dennoch sind fast die Hälfte der

heimischen Unternehmen pessimistisch ins neue Jahr gestartet. Dies zeigt die aktuelle

Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammern Halle-Dessau und Magdeburg.

Demnach rechnen 42 Prozent der repräsentativ

befragten Unternehmen

damit, dass sich ihr Geschäft in den

kommenden Monaten verschlechtern

wird. Nur gut sechs Prozent erwarten

eine Wende zum Besseren. Besonders

sorgenvoll in die Zukunft blicken das

Gastgewerbe (hier sagen 61 Prozent

der Unternehmen, das Geschäft entwickele

sich ungünstiger), die Bauwirtschaft

(54 Prozent) und der Handel (51

Prozent).

Insgesamt hat sich der IHK-Geschäftsklimaindex

nach dem Rekordtief im

Herbst 2022 – minus 22,2 Punkte sind

der niedrigste jemals gemessene Wert

– zwar wieder leicht erholt, bleibt zum

Jahreswechsel aber mit minus 4,5 Punkten

negativ. Dieser Wert fasst zusammen,

wie die Unternehmen ihre derzeitige Geschäftslage

und ihre Zukunftsaussichten

einschätzen. An den Umfragen der IHK-

Landesarbeitsgemeinschaft beteiligen

sich jedes Vierteljahr hinweg rund 900

sachsen-anhaltische Unternehmen.

„Der russische Angriff auf die Ukraine

hat neben unsagbar viel menschlichem

Leid auch eine historische Wirtschaftskrise

gebracht“, erklärt Professor Dr.

Steffen Keitel, Präsident der IHK Halle-

Dessau. Sanktionen und Gegensanktionen

hätten Öl, Gas und Strom so massiv

verknappt und verteuert, dass Unternehmen

ihre Produktion drosseln mussten.

„Beispiellose Energiepreissteigerungen

über alle Wertschöpfungsstufen hinweg

haben auch die Verbraucherpreise

kräftig ansteigen lassen – die Inflation

erreicht bisher unbekannte Höhen und

drückt massiv auf die Kauflaune.“

Die verschiedenen Branchen in Sachsen-

Anhalt waren in den vergangenen Monaten

laut IHK-Umfrage zu unterschiedlichen

Zeitpunkten betroffen. So litten

insbesondere die Industrie und das Baugewerbe

schon bald nach Kriegsbeginn

im Frühjahr unter den Preisschocks. Die

Dienstleistungswirtschaft und der Handel

bekamen den Druck etwas später zu

spüren, als die entsprechenden Preissteigerungen

weitergegeben wurden. IHK-

Präsident Professor Keitel berichtet, dass

inzwischen vier von fünf sachsen-anhaltischen

Unternehmen die Energie- und

Rohstoffosten als große Gefahr für ihren

wirtschaftlichen Erfolg bezeichnen,

über alle Branchen hinweg. 44 Prozent

bereitet auch die wegbrechende Inlandsnachfrage

Sorge.

Energie ist für die Wirtschaft

überlebenswichtig

„Die wichtigste wirtschaftspolitische Aufgabe

besteht darin, die Energieknappheit

zu beseitigen“, stellt Professor Keitel

klar. Strom- und Gaspreisbremsen be-

22 03/2023


kämpften nicht den Engpass, sondern

linderten nur kurzfristig die Folgen.

Gemeinsam mit dem Präsidenten der

IHK Magdeburg, Klaus Olbricht, mahnt

er eine weitblickende Energiepolitik an,

um die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen

Wirtschaft vor allem über einen

zukunftsfähigen Energiemix sicherzustellen.

Unisono haben die beiden

IHKn zusammen mit den beiden Handwerkskammern

und den Arbeitgeberund

Wirtschaftsverbänden (AWSA) des

Landes Alarm geschlagen und fordern

eine nachhaltige, sichere und bezahlbare

Energieversorgung – konkret:

■ Weniger Bürokratie beim Ausbau von

Windkraft- und Solarenergieanlagen!

■ Unvoreingenommen prüfen, welche

Kernkraftwerke sicher weiterbetrieben

werden können!

■ Kein Ausstieg aus der Braunkohleverstromung

vor 2038!

■ Schiefergasvorkommen in Deutschland

umweltverträglich erschließen

und schnell nutzen!

Die beiden IHK-Präsidenten stützen

sich dabei nicht zuletzt auf die Wissenschaft:

„Einschlägige Forschungsergebnisse

belegen eindeutig, dass etwa die

Förderung von Schiefergas gefahrlos

möglich ist, wirtschaftlich geboten ist

sie ohnehin“, so Klaus Olbricht. Und

Professor Keitel betont: „Wer wissenschaftliche

Erkenntnis und technischen

Fortschritt beharrlich ignoriert und

sich dem ernsthaften Austausch von

Argumenten verweigert, der setzt sich

dem Verdacht ideologischer Verblendung

aus.“

Ergänzend warnte Präsident Olbricht

davor, dass auch der fortgesetzt verschärfte

Arbeits- und Fachkräftemangel

den wirtschaftlichen Erfolg Sachsen-Anhalts

gefährde. Er erläutert: Bis

2040 werde hier jeder vierte Beschäftigte

– insgesamt 167 000 Arbeitskräfte –

ausscheiden. Jetzt sei die Landespolitik

gefragt. Statt 14 verschiedener Ausländerbehörden

im Land, die für die qualifizierte

Zuwanderung zuständig seien,

brauche es hier eine Zentralisierung,

damit Unternehmen einheitliche und

sichtbare Ansprechpartner auf Landesebene

bekämen. „Nur so können

die Verbesserungen aus dem novellierten

Fachkräfteeinwanderungsgesetz

auch unseren hiesigen Unternehmen

zugutekommen.“ Auch müsse der bildungspolitische

Dialog zielgerichtet

fortgesetzt werden, so Olbricht weiter:

„Unsere Unternehmen benötigen dringend

ausbildungsreife Nachwuchskräfte!

Und dafür ist eine kontinuierliche

und umfangreiche Beschulung in allen

Schulformen unerlässlich.“

Die Landesarbeitsgemeinschaft der

beiden Industrie- und Handelskammern

in Sachsen-Anhalt (LAG) besteht

seit 1997 und vertritt die Interessen

von rund 11 0000 Unternehmen der

gewerblichen Wirtschaft in Sachsen-

Anhalt. Die Landesarbeitsgemeinschaft

führt Umfragen unter ihren Mitgliedsunternehmen

durch, erarbeitet fachliche

Stellungnahmen und vertritt das

Gesamtinteresse der Unternehmen

gegenüber Politik, Verwaltung und

Öffentlichkeit.

Bei der Konjunkturumfrage wird vier

Mal im Jahr eine repräsentative Stichprobe

aus den Mitgliedsunternehmen

der Industrie- und Handelskammern

befragt. Sowohl die Befragung als auch

die Auswertung und Hochrechnung

der Ergebnisse erfolgen nach anerkannten

wissenschaftlichen Methoden.

In Sachsen-Anhalt nehmen jeweils

rund 900 Unternehmen daran teil.

2,10%

2,30%

03/2023 23


ENERGIE

LENA und HYPOS

verstärken Zusammenarbeit

Die Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt GmbH (LENA) und das Wasserstoff

netzwerk HYPOS haben in Magdeburg eine Kooperationsvereinbarung

unterzeichnet. Ziel der Kooperation ist es, die Kompetenzen und Ressourcen zur

Förderung des Auf- und Ausbaus einer nachhaltigen Wasserstoff wirtschaft in

Mitteldeutschland mit speziellem Fokus auf Sachsen- Anhalt zu bündeln.

Mit der Kooperation zwischen der

LENA und HYPOS werden künftig

Netzwerkaktivitäten befördert und

Multiplikatoreneffekte auf beiden Seiten

genutzt. Dies soll erreicht werden,

indem sich die Partner aktiv an Projekten

und Initiativen des jeweils anderen

Kooperationspartners beteiligen und

ein regelmäßiger Informationsaustausch

stattfindet.

Mit Hilfe der Kooperationsvereinbarung

sollen künftig Synergien zwischen

beiden Partnern noch stärker genutzt

werden. Dazu HYPOS-Geschäftsführer

Johannes Wege: „Sachsen-Anhalt ist

insbesondere mit den Chemieparks sehr

gut als Wasserstoffstandort positioniert.

Jetzt geht es darum, die bestehenden H2-

Produzenten und Nutzer beim Umstieg

auf eine Grüne Wasserstoffwirtschaft zu

unterstützen und neue Nutzer von den

Vorteilen zu überzeugen.“

„Die Voraussetzungen für den Hochlauf

einer Grünen Wasserstoffwirtschaft sind

in Sachsen- Anhalt hervorragend. Nicht

zuletzt deshalb ist es erklärtes Ziel der

Landesregierung, Sachsen- Anhalt zu

einer Wasserstoffmodellregion zu entwickeln.

„Wir freuen uns sehr, mit dieser

Kooperation die vorhandenen Kräfte zu

bündeln und so zu einem Erschließen der

Potenziale für unser Bundesland beizutragen.“,

ergänzt Dr. Stefan Scharf, Leiter

der Landeskoordinierungsstelle Wasserstoff

bei der Landesenergieagentur.

Im Mittelpunkt der künftigen Zusammenarbeit

soll die Unterstützung öffentlicher

und privater Investitionen in die

Produktion, den Transport und den Verbrauch

von Grünem Wasserstoff stehen.

Foto: LENA

Über HYPOS

Seit 2013 ist der HYPOS e.V. ein

Netzwerk für alle Interessierten der

Wasserstoffwirtschaft. HYPOS kombiniert

mit über 170 Mitgliedern die

Potenziale innovativer KMU mit den

Kompetenzen der Industrie sowie

der Expertise von Hochschulen und

Forschungseinrichtungen.

Damit soll der Hochlauf von Grünem

Wasserstoff in Sachsen-Anhalt beschleunigt

werden.

Die erste Zusammenarbeit von LENA

und HYPOS erfolgt bereits am 10. März

2023 in Magdeburg unter dem Titel

„Dezentrale H2-Erzeugung“. Innerhalb

der Veranstaltungsreihe HYPOS-Dialog

wird die gesamte Wertschöpfungskette

von der Erzeugung Erneuerbarer Energien

über die Elektrolyse bis zur Speicherung

interessierten Unternehmen, Stadtwerken

und Gebietskörperschaften an

Best-Practice Beispielen erläutert.

Außerdem ist eine Kooperation beim

Mitteldeutschen Wasserstoffongress

am 30. August in Freyburg vorgesehen.

Im Veranstaltungszentrum der Rotkäppchen

Sektkellerei wird die 3. Ausgabe

des Wasserstoffongresses mit bis zu

500 Teilnehmern stattfinden.

Im Beisein der Landeskoordinierungsstelle

Wasserstoff mit Leiter Dr. Stefan Scharf

(Mitte) und den beiden Mitarbeiterinnen

Stephanie Zimmer (links) und Svenja Noack

(rechts) haben LENA-Geschäftsführer

Marko Mühlstein (vorne links) und

HYPOS-Geschäftsführer Johannes Wege

(vorne rechts) die Kooperationsvereinbarung

unterzeichnet.

24 03/2023


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Mehr als ein Dutzend Industrieunternehmen,

Energieversorger, Netzbetreiber

und kommunale Partner

haben Ende letzten Jahres eine gemeinsame

Studie für den Aufbau eines

mitteldeutschen Wasserstoffnetzes

vorgelegt.

Die von der Europäischen Metropolregion

Mitteldeutschland und dem

Wasserstoffnetzwerk HYPOS koordinierte

Untersuchung sieht ein 339

Kilometer langes Netz zur Verbindung

der Erzeuger und Nachfrager von

Grünem Wasserstoff in der Region

Leipzig-Halle-Bitterfeld-Leuna-Zeitz-

Chemnitz vor.

In der von der DBI Gas- und Umwelttechnik

und INFRACON Infrastruktur

erstellten Machbarkeitsstudie

„Wasserstoffnetz Mitteldeutschland“

wurden die potenziellen Bedarfe industrieller

Akteure an Grünem Wasserstoff

und mögliche Erzeugungskapazitäten

durch Wind- und Solarstrom

erfasst. Auf dieser Grundlage untersucht

die Studie den Aufbau eines

Wasserstoffnetzes zur Verknüpfung

potenzieller Erzeuger und Abnehmer

unter Einbindung der bestehenden

Erdgasinfrastruktur sowie die damit

verbundenen Kosten.

Demnach wird für das Jahr 2040

eine Gasnachfrage von 20 Terrawattstunden

pro Jahr prognostiziert. Dies

entspricht - bezogen auf den Heizwert

– einem jährlichen Bedarf von rund 6,7

Milliarden Kubikmetern Wasserstoff.

Demgegenüber steht ein jährliches

Erzeugungs- und Elektrolysepotenzial

von rund 2,5 Terrawattstunden

Grünem Wasserstoff im Betrachtungsraum,

wenn 30 Prozent des erzeugten

Grünstroms für die Wasserstoffproduktion

verwendet werden.

Für die Verbindung künftiger Erzeuger

und Nachfrager von Grünem

Wasserstoff skizziert die Studie ein

mitteldeutsches Wasserstoffnetz mit

Kontakt:

Tel.: +49 391 5067-4039

www.lena.sachsen-anhalt.de

13 Leitungsabschnitten auf einer Gesamtlänge

von 339 Kilometern. Für

den Fall eines kompletten Neubaus

wären damit Gesamtkosten in Höhe

von rund 610 Millionen Euro verbunden.

Diese ließen sich durch die

Umwidmung bestehender Erdgasleitungen

und mögliche Trassenbündelungen

auf rund 422 Millionen Euro

reduzieren. Um den über die regionale

Wasserstofferzeugung hinausgehenden

Bedarf, insbesondere der industriellen

Kerne in der Region, durch

Importe zu decken, soll das Netz an

den entstehenden European Hydrogen

Backbone angeschlossen werden.

03/2023 25


HARTE FAKTEN

Teures Einwanderungsland

Deutschland

Bürgermeister und Landräte schlagen Alarm. Die

Zuwanderung von Flüchtlingen wird durch die

mit Sonder-Status versehenen Flüchtlinge aus

der Ukraine zu einem kaum noch zu lösenden

Problem der Unterbringung, des Geldes dafür

sowie der Integration.

26 03/2023


Begriffe:

ASYLSUCHENDE

Menschen, die in ein anderes Land

eingereist sind und einen Antrag auf

ihre Anerkennung als Flüchtlinge gestellt

haben. Solange der Asylantrag

nicht entschieden ist, sind sie noch

keine anerkannten Flüchtlinge.

FLÜCHTLINGE

Laut Genfer Flüchtlingskonvention

ist ein Flüchtling eine Person, die „aus

der begründeten Furcht vor Verfolgung

aus unterschiedlichen Gründen

sich außerhalb des Landes befindet,

dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.“

Ob die Furcht vor Verfolgung

begründet ist, wird in einem Asylverfahren

festgestellt.

MIGRANTEN

Menschen, die wegen besserer Lebensperspektiven

ihre Heimat verlassen.

Sofern sie weder über ein Visum noch

über einen Aufenthaltsstatus verfügen,

gelten sie als irreguläre Migranten

und fallen nicht unter das Flüchtlingsschutzsystem.

• Im Januar 2023 haben insgesamt

31 362 Personen einen Asylantrag

in Deutschland gestellt (29 072 Erstund

2290 Folgeanträge) im Vergleich

zum Vormonat ist dies ein Anstieg

um neun Prozent.

• 1606 der Erstanträge im Januar betrafen

in Deutschland geborene Kinder

im Alter von unter einem Jahr.

MENSCHEN MIT MIGRATIONS-

HINTERGRUND

Bevölkerung mit Migrationshintergrund

sind alle Personen, die nicht

mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren

sind oder bei denen mindestens

ein Elternteil kein deutscher Staatsangehöriger

ist.

• 22,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund

leben in Deutschland.

Das sind 26,2 Prozent der Gesamtbevölkerung.

• 13,4 Millionen Menschen sind ausländische

Bevölkerung, das heißt

ohne deutschen Pass

• Hinzu kommt der Zuzug von Geflüchteten

aus der Ukraine infolge

des russischen Angriffskriegs: Im

1. Halbjahr 2022 gab es eine Nettozuwanderung

von rund 750 000 Ukrainern

nach Deutschland. Insgesamt

waren es nach vorläufigen Ergebnissen

rund eine Million Personen. Die

Zahl war damit sieben Mal höher als

im 1. Halbjahr 2021 (134 000).

NICHT NUR WAFFEN SIND

ZEICHEN VON SOLIDARITÄT

Ukrainer haben Anspruch auf das neue

Bürgergeld in Höhe von 502 Euro monatlich

für eine alleinstehende Person.

Für Kinder gibt es je nach Alter zwischen

318 und 451 Euro. Kosten der Unterkunft

fallen für Bürgergeld-Bezieher

zumindest im ersten Jahr nicht an.

Das ist eine monatliche Belastung

aus Staatsmitteln von mindestens 500

Millionen Euro plus Wohn- und Nebenkosten

der Unterkunft und dürfte

damit auf 700 bis 800 Millionen geschätzt

werden. Nicht gerechnet sind

beispielsweise Gesundheitskosten,

Kita-Gebühren und ähnliches, was

sich auf insgesamt sieben bis zehn

Milliarden Euro pro Jahr summieren

dürfte.

DIE USA UND DAS ASYLRECHT

US-Präsident Biden will Asylanträge

deutlich erschweren. Damit solle ein

Ansturm von Migranten an der Südgrenze

des Landes verhindert werden.

Asylanträge sollen künftig nur noch

außerhalb der USA gestellt werden

können. Alle anderen verlieren das

Asylrecht. Flüchtlinge sollen entweder

in einem der Transitländer oder

über eine Internet-App einen Antrag

auf US-Asyl stellen und einen Termin

mit einem Einwanderungsbeamten

beantragen. Wenn sie dies nicht tun,

sollen sie automatisch das Recht auf

Asyl verlieren und an der Grenze zurückgewiesen

werden.

03/2023 27


WISSENSCHAFT

28 03/2023


Ossis und Wessis in der Sprache

und in den Köpfen

An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg steht vom 21. bis zum 23. März 2023

eine intensive Auseinandersetzung mit den Folgen verfestigter Ost-West-Konflikte

im Zentrum einer fachübergreifenden Tagung.

Unter dem Titel „Ost-West-Konflikte.

Interdisziplinäre Perspektiven

auf den Diskurs über Deutschland

und die Welt“ stellen Wissenschaftler

aus den Sozialwissenschaften, vor

allen Dingen aber aus der linguistischen

Gesellschaftsforschung, ihre

aktuellen Befunde vor. So soll ein

Überblick gelingen, wie Ostdeutsche

und Westdeutsche im öffentlichen

Diskurs beschrieben werden, und

wie die Art, Differenzen zwischen

Ost und West – national und global

– zu konstruieren oder auch zu leugnen,

ihren Beitrag zur viel beschworenen

„Mauer in den Köpfen“ leistet.

Dazu gehört nicht zuletzt auch die

Frage, inwiefern es bestimmte Narrative

der „alten“ Bundesrepublik

sind, die noch heute bestimmen, was

als „ostdeutsch“ gilt.

„Anfang der 1990er-Jahre hatten sich

die meisten von uns erhofft, dass der

Unterschied zwischen ‚Ost‘ und ‚West‘

sowohl innerdeutsch als auch global

bald schon irrelevant ist“, erzählt Tagungsleiter

Professor Kersten Sven

Roth von der Arbeitsstelle für linguistische

Gesellschaftsforschung der Uni

Magdeburg.

„Tatsächlich beobachten wir das Gegenteil:

Ost-West-Konflikte begegnen

uns ständig. Westdeutsche zeigen

zum Beispiel in Umfragen eine andere

Haltung zu Waffenlieferungen an die

Ukraine als Ostdeutsche. Eine ‚dritte

Generation Ostdeutscher‘ sucht nach

ihrer ostdeutschen Identität.“ Vor allem

würde der Osten noch immer als

Abweichung, als etwas Defizitäres, Belastendes

charakterisiert, so Professor

Roth weiter. Was dieses Konzept „Ost

versus West“ so hartnäckig macht und

vor allem, wie es sprachlich konstruiert

wird, darum soll es bei der Tagung

gehen.

Vor allem in der Berichterstattung

der Medien zeige sich eine deutliche

Differenz zwischen Ost und West. Bestimmte

gesellschaftliche Phänomene,

wie etwa Rechtspopulismus im Kontext

mit der AfD, Flüchtlingshass, die

Querdenker-Bewegung, würden nicht

als bundesdeutsche, sondern primär

als ostdeutsche Probleme wahrgenommen

und diskutiert.

Das Thema Ost und West sei also

noch immer politisch und medial allgegenwärtig.

„In der germanistischen

Politiksprachforschung gibt es aber

seit einiger Zeit eine Ost-West-Blindheit“,

erklärt Professor Kersten Sven

Roth. „Die sprachlichen Verhältnisse

zwischen Ost- und Westdeutschland

waren in den Zeiten der staatlichen

Teilung seit 1949 einer der bedeutendsten

Forschungsgegenstände, die

Ereignisse der Jahre 1989/90 sorgten

noch einmal für eine Welle entsprechender

Studien. Danach verschwand

das Thema weitgehend von der Agenda

des Fachs. Das Denken in Ost und

West hat sich in den letzten 30 Jahren

einerseits überraschend gut erhalten

und zum anderen auch neue Aspekte

hinzugewonnen. Wenn diese nicht –

auch wissenschaftlich – aufgearbeitet

werden, wird die ‚Mauer in den Köpfen‘

nicht zum Einsturz zu bringen

sein.“

03/2023 29


WISSENSCHAFT

Europaweit Spitze

bei bildgestützter Hirnforschung

An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg entsteht eine europaweit bisher

einmalige Forschungsinfrastruktur für bildgebende Technologien.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft

DFG hat knapp eine Million Euro für

den Aufbau einer sogenannten „Core

Facility“ bewilligt, einer Kooperationsplattform,

die künftig allen Wissenschaftlern

der Universität sowie

der außeruniversitären Einrichtungen,

wie dem Leibniz-Institut für Neurobiologie

LIN, dem Deutschen Zentrum

für Neurodegenerative Erkrankungen

DZNE und dem Deutschen

Zentrum für Psychische Gesundheit

DZPG sowie dem medizintechnischen

Forschungscampus STIMULATE für

Forschungszwecke zur Verfügung stehen

wird.

Hochleistungsfähige 7-Tesla-Magnetresonanztomografen

der neuesten Generation

werden zur gemeinsamen Nutzung

und dem Aufbau einer digitalen Forschungsinfrastruktur

zusammengeführt.

Mit der Magdeburger UHF-MR Core

Facility (Ultra-High-Field-Magnetresonanz)

werde künftig 7-Tesla–MRT-

Technologie und Methodik zur Verfügung

stehen, die in Europa einzigartig

sei, so Professor Oliver Speck, Leiter der

MRT Core Facility und Sprecher des

Center for Advanced Medical Engineering

CAME.

Bereits 2004 wurde der europaweit erste

7-Tesla-MRT in Magdeburg installiert.

„Mit dem Einbau des kürzlich eingetroffenen

europaweit leistungsstärksten

7-Tesla-MRT auf dem Unicampus ist

Magdeburg zurzeit europaweit stärkster

Standort für bildgestützte Hirnforschung.“

Ankunft des großen Magneten als Kernelement für den 7-Tesla-MRT Connectome auf

dem Unicampus im November 2022.

Weltweit gebe es ein weiteres Gerät nur

an der University of California, Berkeley,

in den USA. „Künftig wird es uns möglich

sein, Mikrostrukturen wie Nervenfasern

im Gehirn zu erfassen und Nervenverbindungen

durch das Verfolgen

von Molekülbewegungen zu definieren“,

so der Physiker und MRT-Experte Speck

weiter.

„Spitzenforschung ist in diesem Bereich

ohne hochmoderne Technik nicht mehr

denkbar“, so der Rektor der Universität

Magdeburg, Professor Jens Strackeljan.

„Aber moderne Technologien brauchen

hochspezialisiertes Fachwissen und

sind teuer, vor allem hinsichtlich immer

kürzer werdender Innovationszyklen.“

Die Bildgebung in den Neurowissenschaften

sei bereits seit über 15 Jahren

eine Stärke und ein Alleinstellungsmerkmal

der Universität Magdeburg,

zusammen mit ihren außeruniversitären

Partnern, ergänzt Strackeljan.

„Mit der Etablierung einer Core Facility

sind wir abermals weit vorn in der

Bildgebungsforschung und bieten unseren

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern

die Basis für eine erfolgreiche

Spitzenforschung.“

Foto: Anna Friese/Uni Magdeburg

30 03/2023


Autonomes Fahren bei Schnee und Regen

Autonomes Autofahren ist zwar in aller Munde, aber kaum jemand denkt daran, dass die Technik auch bei

Eis und Schnee oder strömendem Regen funktionieren muss. Da machen die meisten Sensoren schnell

schlapp. Informatiker der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wollen aus den Schönwetterautos

alltäglich nutzbare Fahrzeuge machen.

Sie entwickeln neue Sensormodelle für eine verlässliche

Ortung und damit verbundener Navigation autonomer

Fahrzeuge in Innenstädten. Im Projekt „AULA-KI“ untersucht

das Team um den KI-Experten Dr. Christoph Steup

die nachlassende Qualität von Sensordaten in autonomen

Fahrzeugen bei schlechtem Wetter.

Er entwickelt dafür Methoden der künstlichen Intelligenz,

wie neuronale Netze, die aus einer Fülle zur Verfügung stehender

Daten über Straßen und Witterungsverhältnisse selbstständig

sicherheitsrelevante Entscheidungen treffen können.

Dabei sollen die KI-Methoden nicht nur Daten verarbeiten,

wie beispielsweise Hindernisse erkennen, sondern auch eine

Schätzung der Korrektheit der Ergebnisse ausgeben.

„Autonome Fahrzeuge sind auf eine hochpräzise Lokalisierung,

beispielsweise durch GPS angewiesen, um sich in ihrer

Umgebung sicher bewegen zu können“, erläutert der Projektleiter

Dr. Christoph Steup. Daher sei eine gute Datenqualität

von größter Relevanz und die Grundlage sicherer autonomer

Fahrten.

„Da autonome Fahrzeuge im Allgemeinen wiederum sehr

viele Sensoren haben, wäre es künftig ein großer Fortschritt,

wenn wir wüssten, wann ein Sensor gestört ist“, so Steup. Das

autonome Fahrzeug sollte also künftig selbst bewerten können,

ob ein Sensor ganz oder teilweise gestört sei.

„Wir wollen aber noch mehr: Nämlich nicht nur erreichen,

dass das Fahrzeug einen gestörten Sensor erkennt, sondern

anschließend auch, dass es selbstständig reagiert. Dass es zum

Beispiel bei teilweiser Schneebedeckung eines Sensors langsamer

fährt oder mehr Abstand zu Hindernissen einhält“, erklärt

Dr. Christoph Steup.

Die in Computermodellen entwickelten Methoden und Sensoren

werden anschließend an einem realen autonomen Fahrzeug

getestet: Die Wissenschaftler nutzen dafür ein EasyMile

Shuttle, einen autonomen Kleinbus.

Dr. Maxim Nesterov und M.Eng. Bastian

Rappholz vom Projektteam AULA-KI des

ifak e.V. sowie Dr. Christoph Steup und

M.Sc. Dominik Weikert vom Projektteam

AULA-KI der Uni Magdeburg (v.li.n.re.)

führen erste Tests mit dem EsayMile Shuttle

auf dem Galileo-Testfeld der

Uni Magdeburg durch.

Foto: Hannah Theile/Uni Magdeburg

03/2023 31


WISSENSCHAFT

Neuartige Membran zur Wundheilung

Fraunhofer-Forschenden ist es gelungen, aus einem biologischen vom Körper aufnehmbaren Kieselgel

Renacer® eine elektroversponnene Membran herzustellen, die weder zell- noch genschädlich ist. Diese

Matrix ahmt Faserstrukturen nach, die im Bindegewebe vorkommen. Sie eignet sich daher insbesondere

für regenerative Anwendungen, etwa für eine bessere Wundheilung.

Die Behandlung großflächiger sowie

innerer Wunden ist eine Herausforderung

und kann äußerst langwierig sein.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für

Silicatforschung ISC und des Fraunhofer-Instituts

für Toxikologie und Experimentelle

Medizin ITEM haben für

diesen Anwendungsbereich eine bioresorbierbare

Membran entwickelt, die

die Wundheilung unterstützt und sich

vollständig im Körper zu einer natürlichen

Substanz biologisch abbaut.

Basis für die neuartige Membran ist ein

am Fraunhofer ISC entwickeltes Faservlies,

das für die Regeneration von chronischen

Wunden, wie dem diabetischen

Fuß, bereits medizinisch zugelassen ist.

Das Material löst sich im Verlauf der

Wundheilung nach sechs bis acht Wochen

vollständig auf. Den Faserdurchmesser

von 50 Mikrometer konnten

die Forschenden um mehr als das 50fache

verringern, sodass die Fasern nun

Durchmesser von weniger als einem Mikrometer

aufweisen. Dabei wendete das

Team die Methode des Elektrospinnens

an. Auf diese Weise konnte es ein Kieselgelsol

zu einer engmaschigen Kieselgelmembran

aus Fasern mit einem Durchmesser

von etwa einem Mikrometer

verspinnen. Zum Vergleich ein Mikrometer

ist der millionste Teil eines Meters.

Teilweise erzielten sie sogar Durchmesser

von lediglich 100 Nanometern.

Diese Fasersysteme ahmen die extrazelluläre

Matrix, also Faserstrukturen,

die im Bindegewebe vorkommen, im

Körper nach und werden von humanen

Zellen sehr gut zur Regeneration angenommen.

Sie verursachen keine Fremdkörperreaktionen

und keine inneren

Vernarbungen.

„Die neuartige Kieselgelmembran setzt

nur ein Degradationsprodukt frei, die

Monokieselsäure, die im Körper regenerierend

wirkt und das Schließen von

Wunden fördert“, erläutert Dr. Bastian

Christ, Wissenschaftler am Fraunhofer

ISC in Würzburg. Mit seinen Kollegen

Elektroversponnene Renacer®-Membran (5 x 5 cm)

kümmerte er sich um die Synthese und

die Verarbeitung des Materials.

„Während das ursprüngliche Faservlies

aus 50 Mikrometer dicken Fasern von

außen in eine chronische Wunde eingebracht

wird, eignet sich das dünnere Faservlies

auch für innere Anwendungen.

Füllmaterial, das für Knochendefekte

im Kiefer genutzt wird, könnte theoretisch

damit abgedeckt werden, um so

die Wundheilung zu beschleunigen“, beschreibt

Dr. Christina Ziemann, Wissenschaftlerin

am Fraunhofer ITEM und für

die biologische Evaluierung des Materials

zuständig, eine von vielen Einsatz-

Fotos: Fraunhofer ISC

32 03/2023


Fibroblasten (Bindegewebszellen) auf der

elektroversponnenen Renacer®-Membran

unter dem Konfokalmikroskop (rot: Zytoskelett

der Zellen, blau: Zellkerne).

möglichkeiten. „Prinzipiell lässt sich die

Membran im Körper mit bioabbaubaren

Klebstoffen verkleben.“

Das Material schädigt weder Zellen

noch Gene

Mit einem Konfokalmikroskop, einem

speziellen Lichtmikroskop, konnte gezeigt

werden, dass die engmaschige

Membran, die als Demonstrator vorliegt,

über eine Barrierefunktion verfügt, die

den Durchtritt von Bindegewebszellen

über die Dauer von mindestens sieben

Tagen verhindert, ohne die Zellen generell

vom Wachstum abzuhalten. Darüber

hinaus ist die Membran resorbierbar

und weist keine Zyto- oder Gentoxizität

auf, sie verursacht also weder direkte

Schäden am Gewebe noch an der DNA.

Für die Anwendung als Adhäsionsbarriere,

um postoperative Verwachsungen

und Narbenbildung zu vermeiden,

wurde ein dünner Faserdurchmesser

mit dünnen Maschen gewählt, sodass

nur Nährstoffe das Faservlies passieren

konnten – jedoch keine Bindegewebszellen.

Bei einem Faserdurchmesser von

einem Mikrometer und entsprechend

weiteren Maschen hingegen wachsen die

Zellen in das Fasergeflecht ein, vermehren

sich dort und wirken regenerierend

auf das umliegende Gewebe. „Durch

Einstellen der Materialeigenschaften,

wie Faserdurchmesser und Maschenweite,

können wir das Verhalten der Zellen

wunschgemäß beeinflussen“, sagt Christ.

Für das Verspinnen der Fasern werden

die erforderlichen Anlagen am Fraunhofer

ISC anwendungsgerecht und

kundenspezifisch konstruiert. Auch die

Form und Größe der Faservliese lassen

sich kundenspezifisch anpassen.

Im Gegensatz zur Membran, die direkt

nach dem Aufbringen aufgrund ihrer

offenmaschigen Natur einen Nährstofftransport,

nicht aber einen Zelldurchtritt

erlaubt, ermöglichen viele am Markt

erhältliche Produkte einen derartigen

Stoffransport oft erst nach der Biodegradation,

bzw. nach beginnender Degradation.

Eine schnelle und effektive Wundheilung

ist aber nur möglich, wenn das

verwundete Gewebe ausreichend mit

Nährstoffen versorgt wird. Gleichzeitig

müssen Stoffwechselprodukte abtransportiert

werden, was durch die offene

Maschenstruktur der Kieselgelmembran

gefördert wird.

Ein weiterer Vorteil: Die Renacer®-

Membran löst sich vollständig auf und

zersetzt sich fast pH-neutral zu ungiftiger

Monokieselsäure, die einzige

wasserlösliche Form von Kieselsäuren.

Sie ist natürlich im Körper vorhanden

und stimuliert nachweislich den Bindegewebsaufbau

in der Haut und den

Knochenaufbau. Über solche Eigenschaften

verfügen bislang erhältliche

Produkte nicht.

Viele biologisch abbbaubare Materialien

lösen sich zu organischen Säuren,

wie Milchsäure oder Glykolsäure, auf.

Dadurch können lokale Übersäuerungen

im Gewebe entstehen und diese

dann entzündliche Reaktionen des Immunsystems

auslösen. „Unsere Tests

haben gezeigt, dass auch das Auflösungsprodukt,

die Monokieselsäure,

nicht toxisch und komplett zellverträglich

ist“, so Ziemann. „Die Membran

zersetzt sich zu einem einzigen Molekül

– der Monokieselsäure.“

Fasern als Wirkstoffdepot

Darüber hinaus können Wirkstoffe in

das Faservlies integriert werden, die

mit der Auflösung des Materials freigesetzt

werden. „Während der Resorption

könnte beispielsweise ein Antibiotikum

auf eine Wunde im Körper

abgegeben werden, damit sich keine

Bakterienherde bilden können“, erläutert

Christ. Am Fraunhofer ISC wird

im BMBF-geförderten Projekt „GlioGel“

geprüft, ob sich die Renacer®-

Materialplattform als Wirkstoffdepot

zur Behandlung von Hirntumoren eignet.

03/2023 33


GESUNDHEIT

Frauenherzen schlagen anders

Frauenherzen sind kleiner und weniger elastisch. Aber wie machen sich die Geschlechterunterschiede

bei Herzinfarkt, Herzschwäche oder Bluthochdruck bemerkbar? Und was

sollten Frauen für die Diagnose, Therapie und Vorsorge beachten?

Geht es bei Frauen um Gesundheitsrisiken,

dann stehen oftmals Krebserkrankungen

wie Brustkrebs im

Vordergrund. Herz-Kreislauf-Erkrankungen

werden bei Frauen immer

noch unterschätzt, dabei sind diese

Erkrankungen mit über 180 000 Sterbefällen

im Jahr 2021 die häufigste

Todesursache bei Frauen. Am häufigsten

sterben Frauen an der koronaren

Herzkrankheit (KHK) mit über 52 200

Sterbefällen (2021), darunter rund

18 000 am Herzinfarkt, der längst keine

„Männerkrankheit“ darstellt.

„Auch bei Frauen sind Herzkrankheiten

wie die Herzschwäche und die koronare

Herzkrankheit der häufigste Grund für

Krankenhauseinweisungen und vorzeitigen

Tod“, warnt der Kardiologe Professor

Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender

der Deutschen Herzstiftung.

„Herzerkrankungen und ihre Komplikationen

wie der Herzinfarkt können in

der Symptomatik und in ihrer Entstehung

je nach Geschlecht verschieden

sein. Auf diese Besonderheiten müssen

wir Frauen aufmerksam machen und für

gezielte Vorsorge-Maßnahmen sensibilisieren“,

betont Voigtländer.

Was Frauenherzen so besonders macht,

zeigt sich am Beispiel Herzinfarkt (keineswegs

eine reine Männerkrankheit):

Der Herzinfarkt bei Frauen ist anhand

der Symptome oftmals nicht so klar zu

erkennen wie bei Männern. „Häufiger

als bei Männern können bei Frauen weniger

eindeutige Symptome auftreten,

etwa Atemnot, ein Ziehen in den Armen,

unerklärliche Müdigkeit, Angstzustände,

Schweißausbruch, Übelkeit oder Erbrechen,

Schmerzen im Oberbauch oder

im Rücken“, erklärt die Kardiologin Professorin

Christiane Tiefenbacher vom

Vorstand der Herzstiftung. Bei Frauen

kommt es häufig vor, dass der typische

Brustschmerz als Hauptsymptom des

Herzinfarkts nicht im Vordergrund steht

wie bei den Männern, sondern andere

Symptome.

Gefährliches Zögern: Frauen warten bei

Herzinfarkt oft mit dem Notruf 112

Die diffusere Herzinfarkt-Symptomatik

kann auch einer der Gründe dafür sein,

dass Frauen mit dem lebensrettenden

Notruf 112 zögern und nicht rechtzeitig

in eine Klinik kommen. Dabei zählt

beim Herzinfarkt jede Minute. Eine polnische

Studie hatte gezeigt, dass besonders

jüngere Frauen mit Herzbeschwerden

berufliche Verpflichtungen oder

die Sorge um die Kinder voranstellen,

bevor sie auf die Symptome reagieren.

Eine von der Herzstiftung geförderte

Untersuchung konnte zeigen, dass Frauen,

besonders ältere über 65 Jahren, bei

ersten Herzinfarkt-Symptomen häufiger

deutlich länger als Männer zögern, bis

sie den Rettungsdienst (112) rufen und

in eine Notaufnahme kommen. „Bei

Frauen über 65 Jahren steigt das Herzinfarktrisiko.

Doch auch jüngere Frauen

zwischen 40 und 50 sind der Gefahr

ausgesetzt – vor allem dann, wenn in

der Familie häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen

aufgetreten sind oder wenn

ein ungesunder Lebensstil durch Bewegungsmangel,

Rauchen, Übergewicht,

Dauerstress oder eine Hormontherapie

das Infarktrisiko erhöhen“, betont die

Chefärztin der Klinik für Kardiologie,

Angiologie und Pneumologie am Marienhospital

Wesel.

Beim Broken-Heart-Syndrom, auch

Stress-Kardiomyopathie genannte

Herzmuskelerkrankung, die bei Frauen

viel häufiger vorkommt, wird die Einschränkung

der Herzleistung nicht wie

beim Herzinfarkt durch ein vollständig

verstopftes Herzkranzgefäß (Thrombus),

sondern in den meisten Fällen durch ein

stark belastendes emotionales Ereignis

wie Tod eines Angehörigen, plötzliche

Trennung, extreme Stressbelastung verursacht.

Diastolische Herzschwäche: Störung der

Füllungsphase bei Frauenherzen

Weibliche Herzen unterscheiden sich

auch in Größe und Pumpleistung von

männlichen. Das spiegelt sich in der

Form der Herzschwäche (Herzinsuffzienz)

wider. Frauenherzen sind in der

Regel kleiner, steifer und weniger elastisch

als männliche Herzen, können sich

schlechter dehnen und mit Blut füllen.

Ausgeglichen wird das über eine höhere

Pumpleistung. Werden Frauen älter,

34 03/2023


nimmt dieser anatomische Effekt zu. So

verliert das Herz mit zunehmendem Alter

an Größe, zum anderen kommt es in

den Wechseljahren neben Blutdrucksteigerungen

auch zu einer vermehrten Bildung

von Bindegewebe im Herzen. Das

Herz verliert weiter an Elastizität. Diese

Dehnungsstörung des Herzens wirkt

sich als Störung der Füllungsphase (Diastole)

mit Blut aus. Diese sogenannte

diastolische Herzschwäche ist bei Frauen

häufiger. „Frauen sollten – ebenso wie

Männer – bei Symptomen wie Atemnot,

Müdigkeit und einer Unfähigkeit, sich zu

belasten unbedingt zur Kardiologin oder

zum Kardiologen und einen Ultraschall

des Herzens vornehmen lassen“, rät Professorin

Vera Regitz-Zagrosek, Kardiologin

und Mitglied des Wissenschaftlichen

Beirats der Deutschen Herzstiftung. Sowohl

die diastolische Herzschwäche als

auch die Herzschwäche als Folge eines

Herzinfarkts werden durch Risikofaktoren

wie Rauchen, Übergewicht, hohe

Blutfettwerte (hohes LDL-Cholesterin),

Diabetes und Bluthochdruck sowie

Schwangerschaftskomplikationen vor

vielen Jahren begünstigt.

Frauen sollten daher diese Risikofaktoren

für Herzinfarkt und Herzschwäche

durch einen aktiven und gesunden Lebensstil

soweit möglich bekämpfen und

dies regelmäßig kontrollieren lassen.

Auch sollten sie unklare Belastungszustände,

wie Leistungsschwäche und Unwohlsein,

abklären lassen“.

Die Wechseljahre (Menopause) wirken

sich auf die Entstehung des Bluthochdrucks

aus. In Deutschland haben über

20 Millionen Erwachsene Bluthochdruck.

Mehr als die Hälfte der 60- bis 69-jährigen

Frauen haben Bluthochdruck. Wenn

Frauen in die Wechseljahre kommen, verdoppelt

sich ihr Risiko, einen Bluthochdruck

zu entwickeln, weil der Östrogenspiegel

im Blut in der Menopause sinkt.

Das weibliche Geschlechtshormon sorgt

dafür, dass die Gefäße elastisch bleiben,

wirkt blutdrucksenkend und schützt vor

Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei vielen

Frauen in und nach den Wechseljahren

kommen Übergewicht, Ängste und

Schlafstörungen als weitere Risiken dafür

hinzu, Bluthochdruck zu entwickeln.

„Frauen sollten wachsam für ihren Blutdruck

sein und ihn regelmäßig beim

Arzt messen lassen oder ihn selbst messen“,

rät Kardiologe Professor Voigtländer

und betont: „Ein nicht ausreichend

behandelter Bluthochdruck ist eines der

gefährlichsten Risiken für Schlaganfall,

Herzinfarkt und andere schwere Herz-

Kreislauf-Erkrankungen.“

Bluthochdruck bei jungen Frauen wegen

„der Pille“ und in der Schwangerschaft

Auch junge Frauen sind nicht vor einem

Bluthochdruck gefeit. Fünf bis zehn

Prozent der Schwangeren entwickeln

im Laufe der Schwangerschaft einen

Bluthochdruck. Bluthochdruck in der

Schwangerschaft ist der Hauptgrund

von Erkrankungen und Sterblichkeit

sowohl der Mutter als auch des ungeborenen

und neugeborenen Kindes.

Wissenschaftler haben Hinweise darauf

gefunden, dass sich ein erhöhter Blutdruck

in der Schwangerschaft insbesondere

auf den weiblichen Nachwuchs

überträgt. Frauen, die zur Verhütung

„die Pille“ einnehmen, die eine Kombination

von Östrogen und Progesteron

enthält, können einen Bluthochdruck

entwickeln. Progesteron ist das in den

Eierstöcken gebildete Gelbkörperhormon,

das vor allem den Menstruationszyklus,

die Schwangerschaft sowie die

Entwicklung des Embryos regelt. „Ungefähr

fünf Prozent der Frauen, die ein

solches Kombinationspräparat einnehmen,

reagieren mit einem bedeutsamen

Blutdruckanstieg“, sagt die Kardiologin

Dr. Christa Bongarth vom Wissenschaftlichen

Beirat der Herzstiftung und Ärztliche

Direktorin der Klinik Höhenried.

„Frauen, die die Pille einnehmen und außerdem

übergewichtig sind, tragen ein

zwei- bis dreifach hohes Risiko für Bluthochdruck.“

Liegen gleichzeitig mehrere

Risikofaktoren, wie Bluthochdruck und

Rauchen oder Übergewicht vor, sollten

Frauen keine oralen Kontrazeptiva einnehmen,

sondern andere Verhütungsmethoden

verwenden, so die Ärztin.

02/2023 35


GESUNDHEIT

Die Pille für den Mann

Eine neue Antibabypille wurde jetzt in einer veröffentlichten vorklinischen Studie als wegweisend

bezeichnet. Das Besondere daran: Es ist die Pille für den Mann. Eine Tablette, die vom Mann vor

dem Sexualverkehr eingenommen wird, soll eine Schwangerschaft der Frau sicher verhindern.

US-amerikanische Forscher haben in Tierversuchen erfolgreich einen biochemischen Mechanismus

getestet, der die Spermien des männlichen Partners vorübergehend unfruchtbar macht.

Einer der Ko-Autoren dieser Studie, der

Bayreuther Biochemiker Professor Dr.

Clemens Steegborn, war wesentlich an

vorangegangenen Studien beteiligt, die

den für diesen Mechanismus entscheidenden

Wirkstoff identifiziert haben.

Das Forschungsteam von Steegborn

an der Universität Bayreuth befasst

sich schon seit vielen Jahren aus biochemischer

Perspektive mit der löslichen

Adenylylcyclase (sAC). Dieses

Enzym produziert bei vielen physiologischen

Vorgängen cAMP (cyclisches

Adenosinmonophosphat), einen für

die Signalübertragung in Säugetieren

unentbehrlichen Botenstoff. Auch für

die Signalübertragung im Zusammenhang

mit Fortpflanzungsprozessen wird

cAMP benötigt. Infolgedessen ist die

Aktivierung der sAC, die diesen Botenstoff

synthetisiert, eine entscheidende

Voraussetzung für die Beweglichkeit

und Reifung der Spermien und somit

auch für deren Fähigkeit, bis zur Membran

der weiblichen Eizelle vorzudringen.

Daher hängt die Fruchtbarkeit der

Spermien wesentlich davon ab, dass das

Enzym sAC aktiv ist.

Im November 2022 veröffentlichten

Steegborn und Forscher in den USA, die

jetzt federführend an der vorklinischen

Studie mitgewirkt haben, eine gemeinsame

Untersuchung zu sAC-Inhibitoren.

Dies sind Hemmstoffe, welche die Aktivität

der sAC signifikant verringern oder

vollständig hemmen. Mit dem Ziel, die

biochemischen Voraussetzungen eines

nicht-hormonellen Verhütungsmittels

für Männer auszuloten, wurden bekannte

sAC-Inhibitoren daraufhin analysiert,

wie gut sie imstande sind, die Fruchtbarkeit

von Spermien bei Bedarf zuverlässig

zu unterdrücken. Tatsächlich gelang es

in enger transatlantischer Zusammenarbeit,

einen sAC-Inhibitor zu identifizieren,

der hierfür besonders vorteilhafte

Eigenschaften mitbringt: den Inhibitor

TDI-11861.

Wie sich herausstellte, eignet sich dieser

Wirkstoff für die Entwicklung eines

nicht-hormonellen Verhütungsmittels

sogar noch besser als der Inhibitor TDI-

10229. Diesen sAC-Inhibitor hatten

Steegborn und das US-amerikanische

Forschungsteam in einer früheren Arbeit,

die im Juli 2021 erschienen war, als

möglichen Wirkstoff eines solchen Verhütungsmittels

vorgeschlagen.

Erfolgreiche vorklinische Versuchsreihen

Die in den letzten Jahren publizierten

Untersuchungen bilden nun die Grundlage

für die neue vorklinische Studie: An

der medizinischen Fakultät der Cornell

University wurde die Wirkungsweise

von sAC-Inhibitoren an männlichen

Mäusen getestet. Die Versuchsreihen

bestätigen die starke empfängnisverhütende

Wirksamkeit. Dabei kann TDI-

11861 die Fruchtbarkeit der Spermien

noch effektiver unterdrücken als TDI-

10229. Nach einer einzigen Injektion

von TDI-11861 liegt die empfängnisverhütende

Wirkung während der folgenden

zweieinhalb Stunden bei 100

Prozent. Drei Stunden nach der Injektion

beginnen einige Spermien wieder

beweglich zu werden. Gleichwohl liegt

die empfängnisverhütende Wirkung in

den dreieinhalb Stunden nach der Injektion

immerhin noch bei 91 Prozent.

24 Stunden nach der Injektion ist die

normale Fruchtbarkeit der Spermien

wiederhergestellt. Ein weiterer wichtiger

Aspekt: Die männlichen Mäuse zeigten

während der sechs Wochen, in denen

ihnen sAC-Inhibitoren verabreicht wurden,

keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Die Forscher in New York City werden

ihre vorklinischen Experimente

zunächst in einem zweiten Tiermodell

weiterführen. Zugleich wollen sie TDI-

11861 unter einigen Detailaspekten

noch weiter verbessern und optimierte

Derivate dieses Wirkstoffs herstellen.

Sollten auch die weiteren Versuche erfolgreich

verlaufen und die bis dahin

erreichten Erkenntnisse bestätigen, wären

die Voraussetzungen für erste klinische

Versuche gegeben, in denen die

Wirkung der sAC-Inhibitoren auf die

36 03/2023


Beweglichkeit von Spermien gesunder

Männer getestet wird. Um die Entwicklung

eines Verhütungsmittels gezielt voranzutreiben,

haben Steegborn und fünf

US-amerikanische Forscher im August

2022 das Start-up-Unternehmen „Sacyl

Pharmaceuticals“ mit Sitz in der Region

New York City gegründet.

„Als wirkungsvolle Verhütungsmethoden

stehen Männern bis heute nur

Kondome oder ein sterilisierender chirurgischer

Eingriff, die Vasektomie, zur

Verfügung. Hormonfreie Kontrazeptiva

werden daher dringend benötigt und

nachgefragt. Unsere neue vorklinische

Studie stellt eine entscheidende Wegmarke

für die Entwicklung eines hormonfreien

Verhütungsmittels dar, das

zudem den Vorteil hat, dass es kurzfristig

bei Bedarf in Tablettenform eingenommen

werden kann. Es steht jetzt

fest, dass die sAC-Inhibition bei dieser

Form der Schwangerschaftsverhütung

eine Schlüsselfunktion hat.

Zur Aufklärung der biochemischen

Grundlagen konnten wir von Bayreuth

aus in den letzten Jahren wichtige Beiträge

leisten“, sagt Professor Dr. Clemens

Steegborn und fügt hinzu: „Ausgangspunkt

unserer Forschungsarbeiten

an der Universität Bayreuth war die

Frage, wie sich die Synthese des Botenstoffs

cAMP – der für die Signalübertragung

in allen Säugetieren zentral ist

– durch eine Regulierung der löslichen

Adenylylcyclase sAC beeinflussen lässt

und welche pharmazeutischen Möglichkeiten

sich daraus ergeben könnten.

Diese Zusammenhänge werden wir in

Zukunft weiterhin untersuchen. Dabei

denken wir auch an mögliche Chancen

für die Prävention und Behandlung von

Erkrankungen, beispielsweise durch

eine gezielte Beeinflussung des Augendrucks

oder der Insulinfreisetzung.“

Die Pille und die Politik

Die Antibabypille wurde seit Ende der 1960er und insbesondere während der ersten

Hälfte der 1970er Jahre in den Industrienationen das am häufigsten verwendete Mittel

zur Verhütung einer Schwangerschaft und erreichte nach Lockerung der ärztlichen Verordnungspraxis

ab 1970 in Westdeutschland im Jahr 1976 mit 32,8 Prozent Pillennutzerinnen

im gebärfähigen Alter ihren Maximalwert.

Die DDR führt die „Wunschkindpille“ im November 1965 mit Ovosiston vom VEB Jenapharm

ein. Alleine, dass das neue Verhütungsmittel in der DDR – im Gegensatz zur Bundesrepublik

– diesen positiv konnotierten Namen hat, lässt einen anderen Umgang mit

der Pille vermuten.

Jetzt haben auch Frauen Sex, ohne Sorge schwanger zu werden. Männer natürlich auch,

aber die Verantwortung über den alles entscheidenden Moment liegt seither nicht mehr

allein in ihrer Hand. Die Sexualität der Frau wird unabhängig von der Fortpflanzung. Anfang

der 70er-Jahre gibt es die Pille in der DDR dann sogar gratis.

03/2023 37


KULTUR

ZWEI WELTEN IN EINER REALITÄT

Dieser „Woyzeck“ nach Georg Büchner im Magdeburger Schauspielhaus irritiert

und fasziniert, schreckt ab und zieht an, verursacht Betroffenheit und packt die

Zuschauer bis zur letzten Szene. Jan Friedrich, Regie und Bühne, macht aus dem

Frauenmörder der Weltliteratur einen Ego-Shooter, eine Figur aus einem Videospiel

mit tiefer Menschlichkeit.

Foto: Theater Magdeburg/Kerstin Schomburg

Was im ersten Moment befremdlich

scheint, entwickelt sich zu einer unglaublich

spannenden und packenden

Symbiose aus virtueller und realer Welt.

Jan Friedrich gelingt dieser künstlerische

Spagat perfekt, auch weil die gegenseitige

Durchdringung längst Realität

ist.

Die ängstliche Frage, ob sich das Theater,

das vor allem durch die menschliche

Ausdrucksform lebt, mit der Virtualisierung

nicht selbst abschaff, lässt diese

Inszenierung dank der Verbindung

hervorragender schauspielerischer

Leistung aller Akteure, allen voran die

Protagonisten Philipp Kronenberg als

Woyzeck und Julia Buchmann als Marie,

der Freundin des Woyzeck, erst gar

nicht aufkommen.

Das Stück Georg Büchners, des genialen

Schriftstellers, Arztes und Revolutionärs,

der bereits mit 23 Jahren starb,

aber in vier Jahren zwischen 1834 und

1837 mehr an Weltliteratur schuf, als

unzählige Schriftsteller vor ihm, ist von

atemberaubender Aktualität. Trotz seiner

Jugend verblüff er mit tiefen Einsichten

in gesellschaftliche Widersprüche,

ebenso in menschliche Charaktere.

Er musste wegen einer sozialrevolutionären

Flugschrift als politisch Verfolgter

aus Hessen nach Zürich fliehen.

Diese Flugschrift „Der Hessische Landbote“

spielt in der Inszenierung von Jan

Friedrich eine wichtige Rolle. Die Rede

von Margreth an das Volk, höchst überzeugend

von Bettina Schneider dargeboten,

lässt einem wegen ihrer berechtigten

Radikalität den Atem stocken.

Da ist sie wieder, die Symbiose von Szenen

aus dem „Woyzeck“ und Gedanken

von Georg Büchner, die so aufrüttelnd

sind, dass man sich überhaupt nicht

vorstellen kann, dass sie fast 200 Jahre

alt sein sollen.

Die literarische Vorlage zum „Woyzeck“

war das Todesurteil für einen tatsächlich

existierenden Soldaten gleichen

Namens, der seinem Hauptmann als

Diener zur Verfügung stand. Um seine

Freundin und deren Kind zu versorgen,

stellt er sich sogar medizinischen Versuchen

zur Verfügung, bei denen als

Fleischersatz ausschließlich Erbsen zur

Ernährung dienten. Justus von Liebig

war übrigens der Initiator dieser Studien.

Zusammen mit ständigen Demütigungen

seines Herrn, der quälenden Armut

und der Untreue seiner Freundin, für

die er sich aufgeopfert hatte, kam es zu

psychischen Entgleisungen. Eines Tages

brachte er seine Freundin um. Erst viel

später stellte sich heraus, dass ein toxischer

Stoff in Erbsen bei ausschließlicher

Ernährung damit Wahnvorstellungen

hervorruft.

Den Inhalt dieses Stücks in ein Computerspiel

zu transferieren, macht es möglich,

verschiedene Entscheidungsmög-

38 03/2023


„Woyzeck“ mit Julia Buchmann als Marie und

Philipp Kronenberg in der Titelrolle.

lichkeiten für den Ausgang der Geschichte

zu wählen. Die Spiel-Mission bleibt stets

gleich, für Marie und das Kind Geld zu

beschaffen. Unterschiedliche Wege dorthin

sind möglich. Bei Misserfolg wird das

Spiel eben neu gestartet.

Dahinter steht ein zutiefst philosophischer

Ansatz, der nur im Spiel möglich

ist. Bei einer Fehlentscheidung endet die

Mission erfolglos, das Spiel aber kann neu

gestartet werden. Das ist im realen Leben

mit einer Rückstellung auf „Null“ nicht

möglich, weil mit jeder Entscheidung die

Realität verändert wird. Trotzdem eröffnet

diese Inszenierung von Jan Friedrich

völlig neue gedankliche Welten. Künstliche

Intelligenz hat längst moderne Gesellschaften

erobert. Drohnen werden bereits

heute per Joystick aus großer Entfernung

wie bei einem Videospiel genutzt, um

nützliche Transporte zu erledigen oder

zu töten. Hier sind Videospiel und Realität

längst miteinander verschmolzen. Wie

also wird Woyzeck zum Mörder? Diese

zentrale Frage beantwortet das Stück per

Tastendruck.

Die Gestaltung der Bühne von Jan Friedrich,

vor allem aber die unglaublich aufwendige

Videobearbeitung von Nico Parisius

verdient Anerkennung, mit der er es

schaff, die konstruierte virtuelle Welt so

geschickt mit der schauspielerischen Realität

zu verbinden, dass man sich in einem

Stück der zwei Welten wähnt.

03/2023 39


KULTUR

TANZ DES WIDERSTANDES

GEGEN KONVENTIONEN

Es mag vermessen klingen, ist es aber nicht. Das Magdeburger Theater mit seiner

Ballett-Kompagnie hat internationales Niveau. Mit zwei Inszenierungen an einem

begeistert gefeierten Ballettabend am Samstag stellte es das erneut unter Beweis.

Foto: Theater Magdeburg/Bettina Stoess

Den ersten Teil des Abends bestimmte die Uraufführung

von „Lydia“ nach einem Roman der

Magdeburger Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts,

Louise Aston. Sie war für ihre Zeit eine

Skandalfigur des „freien Lebens und der freien

Liebe“. Ihr Widerstand gegen Konventionen,

die Menschen, insbesondere Frauen, ihrer Freiheit

beraubten, machte sie berühmt.

Philippe Kratz, Jahrgang 1985, selbst einst ab

2008 im italienischen Aterballetto als Tänzer

auf der Bühne, begann schon kurze Zeit später

zu choreographieren. Arbeiten von ihm waren

im Wiener Staatsballett und in der Mailänder

Scala zu sehen.

Seine Choreographie „Lydia“ mit dem Magdeburger

Ballett unter der großen Überschrift des

Abends „Tänze des Widerstands“ hat das Zeug

zur Entdeckung des Jahres. Die Hürden für alle

nachfolgenden Ballettinszenierungen sind damit

enorm hoch.

In seinen tänzerischen Intentionen greift Philippe

Kratz die Kraft der „Lydia“ zu Veränderungen

gegen alle Widerstände auf. Auch auf

die Gefahr hin, von der Gesellschaft abschätzig

beurteilt zu werden, stellt sie ihren Freiheitsgedanken

über alles. Dieses Loslösen, das Sprengen

der Konventionskäfige, stellt der Choreograph

in den Mittelpunkt der tänzerischen

Ausdrucksformen.

Wie in Käfigen mit vielen Drehtüren bewegen

sich die Tänzerinnen und Tänzer hinter verdunkelten

Einblicken, aus denen sie ab und an ins

Licht gesetzt werden. Auf diese Weise kommen

sie wie aus dem Nichts, bewegen sich willkürlich,

um im Nichts zu verschwinden, tauchen

plötzlich wieder auf. Das scheinbare Chaos besitzt

eine innere Ordnung. Menschen kommen

und gehen, bewegen sich innerhalb selbst gesetzter

Grenzen. Doch irgendwann kommt der

Moment, an dem sie sich, erst zögerlich, dann

immer mutiger, aus ihren Käfigen befreien.

Der Musik von Joseph Haydn, von der Magdeburgischen

Philharmonie unter der Leitung

von Anna Skrylewa eingespielt, steht der

Elektro-Pop Sound der Musikerin Lucrecia

Dalt zusammen mit Shakespeare-Zitaten aus

Macbeth gegenüber. Vor diesem Hintergrund,

der musikalisch bewusst einen Bruch erzeugt,

gleichzeitig aber die Möglichkeit bietet, mit

tänzerischen Ausdrucksmöglichkeiten zu spielen,

von harmonischen Bewegungen zu einem

zuckenden Menschenknäuel zu werden, wird

der Spannungsbogen dieses Tanzstücks förmlich

spürbar.

Die Bühne von Giulia Munari ist eine kongeniale

Ergänzung zu den tänzerischen Intentionen

von Philippe Kratz. Mit dem zögerlichen Übergang

der Tänzerinnen und Tänzer aus den Käfigen

als schemenhafte Gestalten auf die lichtdurchflutete

Bühne wird das überdeutlich.

Modernes Tanzballett verknüpft der Choreograph

mit durchaus klassischen Elementen des

Pas de Deux, wenn auch die Gruppentänze mit

völlig neuen Ausdrucksformen und einer unglaublichen

Präzision bestimmende Elemente

sind.

Den zweiten Teil des Abends machte das Ballett

zu Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ aus.

Es gehört zu den meistgespielten Stücken, nachdem

es 1913 bei seiner Uraufführung als Theaterskandal

durchfiel. Doch das Blatt wendete

sich. Auch dem Magdeburger Ballettpublikum

40 03/2023


Das Tanzstück Das Tanzstück „Lydia“

mit Joshua Hunt, Marco Marangio,

Chiara Amato, Ghabriel Gomes,

Fiammetta Gotta und Chloe Jones.

dürfte „Le Sacre“ aus einer Inszenierung bekannt sein,

die allerdings schon einige Jahre zurückliegt. Der Inhalt

als „Bilder aus dem heidnischen Russland“, so Strawinsky

selber, geht auf ein erdachtes slawisches Ritual

zurück, das als Höhepunkt den Todestanz eines aus einer

Gemeinschaft erwählten jungen Mädchens als Opfer

hat, um den Frühlingsgott gnädig zu stimmen.

In den vermutlich rund 300 Choreographien des Stücks

in aller Welt in den letzten hundert Jahren seit seiner

Uraufführung, stecken allerdings beinahe alle der jeweiligen

Zeit angepassten Interpretationen. Die reichen

von Ritualen im Wilden Westen mit Einflüssen indigener

Tänze Nordamerikas bis zu den Geräuschen der

Millionenstadt Lagos. Das junge Mädchen als Opfer ist

aber die wohl die weltweit am meisten choreographierte

Version des modernen Tanzes.

Edward Clug, einer der angesagtesten Choreographen

derzeit, geht ebenfalls diesen Weg in seiner künstlerischen

Arbeit, löst sich allerdings von all diesen Auslegungen

und konzentriert sich vollends auf den tänzerischen

Ausdruck der Emotionen.

Dabei trennt er sich von der konkreten tänzerischen

Erzählweise des Stoffes. Er stellt die packenden Emotionen

in einen größeren Kontext, wie das Erleben der

Natur, die Ausübung von Gewalt oder den Neubeginn

nach dem Zusammenbruch.

Auf diese Weise kann er die tänzerischen Ausdrucksformen

freier gestalten, wovon er höchst kreativ Gebrauch

macht.

So ist die reale Wasserflut auf die Bühne nicht nur Symbol

des Frühlings und der Wiedererstehung der Natur,

sondern ebenso Gestaltungsmerkmal der Gruppentänze,

die auf dem nassen Plastikuntergrund beinahe

schwebend und losgelöst rutschend völlig neue Bilder

entstehen lassen. Das erfordert allerdings von den Tänzern

und Tänzerinnen ein Höchstmaß an Körperbeherrschung

auf rutschigem Untergrund.

Die Bühne dafür, die ebenso wie die Kostüme minimalistisch

und damit zeitlich unabhängig sind, stammen

von Marko Japelj und Leo Kulaš.

Clugs Ballett „Le Sacre du Printemps“, das anlässlich

des 100. Jahrestages der Uraufführung in Paris von ihm

inszeniert wurde, feierte weltweit große Erfolge, nun

auch im Theater Magdeburg. Der erste große Ballettabend

im Jahr 2023 macht damit dem Magdeburger

Theater alle Ehre und lässt auf künftige Höhepunkte

hoffen.

03/2023 41


EUROPA

Alterswohnsitz Europa immer beliebter

Endlich im Ruhestand und ab ins Ausland? Das ist der Plan von rund jedem sechsten Deutschen – das

zeigt eine aktuelle pflege.de-Umfrage. Die Gründe fürs Auswandern im Alter sind vielfältig. Sie reichen

von niedrigeren Lebenshaltungs- und Pflegekosten über besseres Klima bis hin zum Wunsch näher zu

Familie und Freunden im Ausland zu ziehen. Jeder Fünfte möchte sich sogar im Ausland pflegen lassen.

Raus aus Deutschland und rein in den

Ruhestand? Der Anteil der deutschen

Auswanderer über 65 Jahren steigt laut

OECD stetig an. Und auch die pflege.de-

Umfrage zeigt: 17 Prozent der Befragten

wollen im Alter ins Ausland. Zwei Prozent

von ihnen leben bereits im Ausland

und verbringen dort ihren Ruhestand.

Und auch eine Pflege im Ausland können

sich 22 Prozent der Befragten vorstellen.

Das kommt aber nicht für jeden

Auswanderer in Frage: 28 Prozent würden

für die Pflege wieder nach Deutschland

zurückkehren.

Europa liebstes Ziel für den Ruhestand im

Ausland

Rente im Ausland ja – aber wo? Der beliebtester

Altersitz ist das europäische

Ausland – 12 Prozent der Gesamtbefragten

möchten im Ruhestand gerne

außerhalb von Deutschland in Europa

leben, drei Prozent sogar speziell in osteuropäischen

Ländern wie Polen, Rumänien

oder Bulgarien. Im asiatischen

Ausland, wie in Thailand oder auf den

Philippinen, möchten rund fünf Prozent

in ihrer Rente leben. Bestätigt werden

diese Ergebnisse auch durch Zahlen von

Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen

Union): Demnach ist Spanien die

Nummer eins unter den Zielländern von

deutschen Auswanderern über 60 Jahren,

dicht gefolgt von der Schweiz und

Österreich.

Jeder Zehnte möchte wegen geringerer

Kosten für Lebenshaltung und Pflege ins

Ausland

Zehn Prozent zieht es wegen der oft

niedrigeren Kosten für Lebenshaltung

und Pflege ins Ausland. Wahrscheinlich

eine Folge niedriger Renten und steigender

Kosten fürs Wohnen, Essen und die

Pflege. Besonders in osteuropäischen

Ländern lässt es sich aufgrund des günstigeren

Lebensstandards mit einer deutschen

Rente besser leben als in Deutschland,

wo vielen Rentnern die Armut

droht. Ein reales Problem: Laut einer

Studie des Bundesseniorenministeriums

sind bereits jetzt 22,4 Prozent der über

80-jährigen von Altersarmut betroffen.

Besseres Klima und mehr Nähe zu Freunden

und Familie ebenfalls Gründe fürs

Auswandern im Alter

Im Alter nochmal in einem klimatisch

angenehmen Land zu leben – für rund

elf Prozent der Befragten ist dies der

Hauptgrund fürs Auswandern in der

Rente. Zwei Prozent geben an, im Ruhestand

ins Ausland gehen zu wollen, um

andere Kulturen zu erleben. Ein wichtiger

Grund für die Entscheidung ins

Ausland zu gehen, sind aber auch Familie

und Freunde. 12 Prozent möchten

Deutschland später verlassen, um näher

an ihren Liebsten, die nicht in Deutschland

leben, zu wohnen.

42 03/2023


Über pflege.de:

pflege.de ist in Bezug auf die Besucher

das führende Portal rund um die

Pflege zuhause. Um den Pflegealltag

zu erleichtern, stellt pflege.de umfangreiche

Informationen, Checklisten

und aktuelle Nachrichten aus der

Entwicklung der Pflegewelt zur Verfügung.

Darüber hinaus ist pflege.de ein

Service-Partner, der mit ausgewählten

professionellen Angeboten den Pflegealltag

erleichtert.

Drei von vier Befragten wollen im Alter

in Deutschland bleiben – hauptsächlich

wegen der Familie

Auch bei den Menschen, die im Ruhestand

in Deutschland bleiben wollen

(73 Prozent), sind Familie und Freunde

der ausschlaggebende Grund. 34 Prozent

möchten im Alter nicht von ihrem

sozialen Umfeld wegziehen. 13 Prozent

schrecken die unbekannten Gesundheits-

und Pflegesysteme im Ausland

ab, zehn Prozent wollen aufgrund ihrer

finanziellen Situation nicht im Alter

auswandern. Und auch mögliche

Verständigungsschwierigkeiten (sieben

Prozent) und kulturelle Unterschiede

(vier Prozent) sind für die Befragten

Gründe, im Alter in Deutschland zu

bleiben.

Pflege im Ausland: Welche Pflegeleistungen

können im Ausland bezogen

werden?

Wer im Alter auswandert, möchte im

Pflegefall Leistungen der deutschen

Pflegeversicherung beziehen. Doch

ob das möglich ist, kommt darauf an:

Handelt es sich um einen dauerhaften

Aufenthalt in einem EU-Land, kann mit

einem anerkannten Pflegegrad weiterhin

Pflegegeld bezogen werden. Pflegesachleistungen,

die für zur Finanzierung

eines ambulanten Pflegedienstes

bestimmt sind, können im EU-Ausland

allerdings nicht geltend gemacht werden.

Findet der dauerhafte Auslandsaufenthalt

außerhalb der EU statt, besteht

kein Anspruch auf Leistungen von

der Pflegekasse.

03/2023 43


AUSLAND

100 Jahre Sowjetunion

Der vergessene Krieg

und Sieg (Teil II)

Vor wenig mehr als 100 Jahren, am 30. Dezember 1922, gründeten die aus dem

zerfallenden Zarenreich hervorgegangen Sowjetrepubliken Russland, Ukraine,

Weißrussland und Transkaukasien die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken,

kurz UdSSR. Es war die Idee und der Wille Lenins.

Im ersten Teil sind wir auf die Umstände

der Gründung der jungen Sowjetunion

eingegangen. Auf ein Trauma,

das bis heute nachwirkt, wenn man

auf den barbarischen Krieg gegen die

Ukraine blickt. Da heißt es unter anderem:

Die Sowjetunion sah sich umzingelt

von Staaten, die nach nichts anderem

trachteten, als diesen jungen Staat

auszulöschen. Und das war nicht falsch,

hat aber ein nationales Trauma verursacht,

das bis heute nachwirkt.

Expansion von Anfang an

Ein Blick in die Geschichte, auf die sich

Putin bis heute mit seinen imperialen

Ansprüchen beruft: Im 9. Jahrhundert

errichteten ostslawische Stämme unter

dem Einfluss skandinavischer Waräger

an den Handelswegen von Skandinavien

und Nowgorod nach Süden in Richtung

Konstantinopel ein lose verfasstes

Großreich mit der Hauptstadt Kiew, die

„Kiewer Rus“. Im europäischen Teil entstand

im Jahr 862 das Altrussische Reich.

Es wird Kiewer Rus genannt, weil seine

Hauptstadt ab 882 Kiew war.

Die Blüte des Altrussischen Reichs war

im 11. Jahrhundert. Als 1223 und 1240

die Mongolen ins Land einfielen, eroberten

sie die Kiewer Rus und zerstörten

viele Städte. Der Zerfall der Kiewer Rus

hinterließ mehrere kleine Fürstentümer.

Das Fürstentum Moskau errang

schließlich die Großfürstenwürde und

im 14. Jahrhundert eine bedeutende

Stellung. Es unterwarf die anderen Fürstentümer,

drängte die Mongolen zurück

und eroberte die verloren gegangenen

russischen Länder zurück. Unter Iwan

III. dem Großen, wurde das Gebiet des

Großfürstentums vervierfacht.

Aus diesem Großfürstentum Moskau

ging 1547 das russische Zarenreich hervor.

Iwan IV., genannt der Schreckliche,

war Großfürst von Moskau und ließ sich

zum Zaren krönen. Er setzte die Ausweitung

des russischen Herrschaftsgebietes

fort. Das historische Russland war seit

jeher durch regionale Expansion geprägt.

1689 kam Peter I., genannt der Große, auf

den Zarenthron. Er öffnete das Land in

Richtung Westen, modernisierte es und

legte so den Grundstein zu Russlands

Großmachtstellung im 18. Jahrhundert.

Katharina II., die Große, geboren in

Zerbst in Sachsen-Anhalt, übernahm

1762 den Zarenthron. Damit war sie die

einzige weibliche Herrscherin, die jemals

diesen Beinamen erhielt. Katharina regierte

34 Jahre lang, bis 1796. Unter ih-

44 03/2023


Über 800 Unternehmen haben Russland

den Rücken gekehrt

830 internationale Unternehmen haben Russland infolge

der Ukraine-Invasion den Rücken gekehrt. Das geht aus

einer fortlaufend aktualisierten Auflistung der Yale School

of Management hervor. Davon haben sich 335 Unternehmen

vollständig zurückgezogen – darunter auch deutsche

Unternehmen wie Aldi, Daimler und DB Schenker. Weitere

495 Unternehmen haben ihre Aktivitäten zu 100 Prozent

ausgesetzt, halten sich aber eine Rückkehr offen. In diese

Kategorie fallen aus Deutschland zum Beispiel Adidas, die

Commerzbank und DHL. Die Yale-Liste beinhaltet außerdem

332 weitere Unternehmen, die ihre Aktivitäten eingeschränkt

haben oder einen Investitions- beziehungsweise

Entwicklungsstopp verhängt haben.

rer Herrschaft wurden weitere Gebiete

erobert. Gut 100 Jahre später sah sich

Russland als Schutzmacht der slawischen

Völker des Balkans, was zu Konflikten

mit Österreich-Ungarn führte. Als Österreich-Ungarn

Serbien nach der Ermordung

des österreichischen Thronfolgers

den Krieg erklärte, stellte sich Russland

an Serbiens Seite – der Erste Weltkrieg

begann. Auch diese historische Begebenheit

muss man berücksichtigen, wenn

man heute über das Verhältnis Russlands

zu Serbien spricht, das in die Europäische

Union strebt, aber seine Verbindung

zu Russland auf keinen Fall lösen will.

Der vergessene Krieg und Sieg

Im Ergebnis des Ersten Weltkrieges entstand

nach 200 Jahren der selbständige

Staat Polen, die sogenannte Zweite Republik

unter Pilsudski, auf die wir in der ersten

Folge ausführlich eingegangen sind.

Praktisch mit Staatsgründung gab es den

Krieg zwischen Russland und Polen. Polen

war nach fast 200 Jahren als souveräner

Staat wiedererstanden und nutzte

die Schwäche der sich nach innen und

außen wehrenden Sowjettruppen, um

weite Gebiete zu besetzen. Der Historiker

Stephan Lehnstaedt unterstreicht,

dass die Nachwirkungen des Krieges weit

über das russisch-polnische Verhältnis

hinausreichen. Im Zuge des polnischsowjetischen

Krieges sind nämlich auch

zwei ukrainische Republiken ausgerufen

worden: Einerseits die Sowjetukraine,

die Russland nahestand, andererseits die

Ukrainische Volksrepublik, die sich von

russischem Einfluss freimachen wollte

und Unabhängigkeit anstrebte. Es sind

Dynamiken, die Lehnstaedt auch im

Zuge des seit 2014 anhaltenden Ukraine-Konflikts

wiedererkennt. Der Hintergrund

des polnischen Überfalls war

die bekannte territoriale Expansionslust

Russlands seit Jahrhunderten, der man

aus Angst vor dem Verlust der gerade

erreichten Souveränität vorbeugen wollte.

Ein verhängnisvoller Schritt, der die

Beziehungen zwischen den Nachbarn

bis heute belastet und die Angst Polens

begründet, dass Russland nicht an

den Grenzen der Ukraine Halt machen

würde.

Das Baltikum als Kriegsergebnis

Der Historiker Lehnstaedt gegenüber

ARD-Online: „Das Kriegsende bedeutet,

dass Polen 1921 ein souveräner

Staat wird. Zeitgleich entstanden aber

auch Litauen, Lettland, Estland und andere

europäische Staaten.

Sie waren junge Nationen und schufen

neue Staaten. Eine finnische Nation

entstand. Es konnten staatliche Strukturen

gebildet werden. Die Menschen

haben verstanden, worin der Wert des

Nationalstaates besteht. Für Mittel- und

Osteuropa, aber auch das Baltikum war

dieser Krieg ein entscheidender Krieg.“

Lehnstaedt kommt zum Schluss, dass

der polnisch-sowjetische Krieg aus

heutiger Sicht eher ein „vergessener

Sieg“ ist.

Denn in Deutschland, aber darüber hinaus

auch in ganz Westeuropa, ist über

diesen Krieg viel zu wenig bekannt.

Und das, obwohl die damaligen Konfliktlinien

auch nach 100 Jahren noch

immer gegenwärtig sind.

(wird fortgesetzt)

03/2023 45


VORSCHAU 04/2023

Ein Schiff wird kommen …

… und Fracking-Gas bringen

Wir sind ganz gut durch den Winter gekommen. Noch sind die Tanks mit

Gas für die Industrie und die Privathaushalte einigermaßen gefüllt. Und

erste Tankschiffe mit Fracking Gas landen an. Aber ist das eine Lösung?

Wohin wird sich der Energiepreis

bewegen? Sind die

fossilen Energieträger schon

abgeschrieben? Was wird aus

der Atomkraft?

Sachsen-Anhalt setzt auf

Wasserstoff. Ein Ausblick

auf die Zukunft.

am Kiosk ausverkauft?

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