Stadt-Land-Wissen 02-2023 Artenvielfalt - Abwechslung auf dem Acker
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AUSGABE 2.2<strong>02</strong>3<br />
<strong>Stadt</strong>. <strong>Land</strong>. <strong>Wissen</strong>.<br />
Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft – anders, als du denkst.<br />
Urlaub <strong>auf</strong><br />
<strong>dem</strong> Bauernhof<br />
im Wert von<br />
2500 €<br />
zu gewinnen<br />
Das große<br />
Ferienquiz<br />
<strong>Abwechslung</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Acker</strong> sorgt für mehr<br />
<strong>Artenvielfalt</strong><br />
DROHNEN<br />
Fliegende<br />
Helfer als<br />
Rehkitzretter<br />
<strong>Land</strong>wirt<br />
Onno Osterloh<br />
weiß, was Insekten<br />
besonders mögen<br />
MEAL-STUDIE<br />
Was wirklich<br />
in unseren<br />
Lebensmitteln<br />
steckt<br />
NUTZPFLANZEN<br />
Von der Kartoffel<br />
bis zur Gerste.<br />
Was blüht denn da?<br />
VERBRAUCHER-TIPP<br />
Nachhaltig<br />
eink<strong>auf</strong>en mit<br />
<strong>dem</strong> Saisonkalender<br />
Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft
<strong>Stadt</strong>. <strong>Land</strong>. <strong>Wissen</strong>.<br />
INHALT<br />
4TITELTHEMA<br />
<strong>Artenvielfalt</strong><br />
Keine andere Branche ist so<br />
abhängig von der <strong>Artenvielfalt</strong><br />
wie die <strong>Land</strong>wirtschaft. Insekten<br />
<br />
und sorgen für mehr Ernteerträge,<br />
andere Kleintiere helfen bei<br />
der Schädlingsbekämpfung<br />
24<br />
Saisonkalender<br />
Wer saisonal eink<strong>auf</strong>t,<br />
schont die<br />
Umwelt und hilft, CO 2<br />
<br />
Wegfall von langen<br />
Transportwegen und<br />
Kühlungssystemen<br />
18<br />
Fliegende<br />
Rehkitzretter<br />
Drohnen unter-<br />
<br />
der Suche nach<br />
<br />
TITELFOTO: RIKE_/ISTOCK, TIMO JAWORR (2); DIESE SEITE:RIKE_/ISTOCK, TIMO<br />
JAWORR, MORITZ MEYER, WMICH, KATHRYN8, BEIDE ISTOCK<br />
20<br />
Woher kommt mein Fleisch?<br />
Über einen DNA-Test lassen sich Herkunft<br />
und Haltung von Tieren erkennen<br />
28<br />
Der <strong>Land</strong>wirt<br />
als Unternehmer<br />
Tobias Honvehlmann ist Tier-<br />
<br />
Börsenhändler in einer Person<br />
2
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz und mehr<br />
Biodiversität – die <strong>Land</strong>wirtschaft ist dabei,<br />
sich zu verändern. Damit sie nachhaltiger wird,<br />
brauchen wir Ihre Unterstützung.<br />
Deshalb stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe eine ganze<br />
Reihe Menschen vor, die zeigen, welche innovativen<br />
Lösungen die <strong>Land</strong>wirtschaft anbietet, um den Wünschen<br />
und Erwartungen unserer Gesellschaft nachzukommen.<br />
Wir zeigen einen Jäger, der vor den Mäharbeiten<br />
mithilfe einer Drohne Rehkitze vom Feld rettet. Und<br />
eine Tierärztin, die erklärt, wie per DNA-Analyse<br />
präzise nachgewiesen werden kann, wo ein Fleischprodukt<br />
herkommt und wie die Tiere gehalten wurden.<br />
Innovation ist aber nicht immer nur Hightech, wie das<br />
Projekt eines <strong>Land</strong>wirts zeigt. Er erforscht naturnah,<br />
welche Insekten <strong>auf</strong> welche Pflanzen fliegen, um dieses<br />
<strong>Wissen</strong> für mehr <strong>Artenvielfalt</strong> zu nutzen. Naturschutz<br />
lohnt sich. Das wissen <strong>Land</strong>wirtinnen und <strong>Land</strong>wirte wie<br />
er genau, denn sie sind von Insekten, Kleintieren und vielen<br />
Vogelarten abhängig. Erst diese ermöglichen gesunde<br />
Böden, gute Ernten und den Erhalt vieler Wildpflanzen.<br />
34<br />
Was blüht denn da?<br />
So sehen die Blüten von<br />
<br />
Außer<strong>dem</strong> in<br />
diesem Heft<br />
TITELTHEMA <strong>Artenvielfalt</strong><br />
Daten & Fakten: Alles <strong>auf</strong> Vielfalt........S. 6<br />
Für jedes Insekt die richtige Nahrung ....S. 8<br />
Lebensmittel<br />
MEAL-Studie: Was wirklich<br />
in unserem Essen steckt..............S. 12<br />
Import-Export ........................S.14<br />
Teller, Trog und Tank ................ S.16<br />
Maximilian Tönnies: „Fleisch gehört zur<br />
ausgewogenen Ernährung dazu“ .......S. 30<br />
Erbsen: Klein, rund und gesund ........S. 32<br />
In dieser Ausgabe geht es auch um Nachhaltigkeitstrends<br />
und die Rolle der Agrarbranche dabei. Wie geht zum<br />
Beispiel der größte Fleischproduzent in Deutschland mit<br />
der Debatte um, dass wir fürs Klima weniger Fleisch<br />
essen sollen? Das haben wir Maximilian Tönnies gefragt,<br />
der den Veggie-Bereich im Familienunternehmen leitet.<br />
Wir beantworten die Frage, wie Nachhaltigkeit im Stall<br />
und <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Acker</strong> gemessen wird, und erklären, warum<br />
wir ein Drittel der in Deutschland produzierten Lebensmittel<br />
exportieren und andererseits Lebensmittel wie<br />
Gemüse und Obst importieren.<br />
Wie viel Unternehmertum in <strong>Land</strong>wirtinnen und <strong>Land</strong>wirten<br />
steckt, das erzählt Tobias Honvehlmann aus<br />
Nordrhein-Westfalen. Und über neue Geschäftsfelder<br />
wie den Anbau von Erbsen haben wir mit einer Erbsenproduktmanagerin<br />
gesprochen.<br />
Wenn Sie Lust bekommen haben, sich den Transformationsprozess<br />
in der <strong>Land</strong>wirtschaft einmal vor Ort<br />
anzuschauen, verknüpft mit ein paar Tagen Erholung,<br />
dann empfehle ich Ihnen, bei unserem Gewinnspiel<br />
mitzumachen: Mit etwas Glück gewinnen Sie einen<br />
Top-Urlaub <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Bauernhof!<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser Ausgabe.<br />
Nachhaltigkeit<br />
Mit Rücksicht <strong>auf</strong> die Natur............S. 22<br />
Ihre Lea Fließ<br />
Geschäftsführerin Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
Standards<br />
Meldungen.......................S. 10, 26<br />
Impressum .........................S. 35<br />
Gewinnspiel.........................S. 36<br />
Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
3
TITELTHEMA <strong>Artenvielfalt</strong><br />
Mitten im Mohnfeld<br />
Junglandwirt Wilhelm Jochen<br />
Behn aus Niedersachsen<br />
<strong>Abwechslung</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Acker</strong><br />
sorgt für mehr <strong>Artenvielfalt</strong><br />
Familie Behn aus Niedersachsen geht neue Wege, um wirtschaftlich zukunftsfähig<br />
zu bleiben und gleichzeitig die Natur und ihre Lebewesen zu schützen<br />
Nahrung aus der Natur Ob Honig (l.)<br />
oder Samen als Zutat für Brote, Familie<br />
Behn stellt die unterschiedlichsten<br />
Lebensmittel her<br />
Gut gewachsen<br />
Wilhelm Jochen<br />
Behn überprüft die<br />
Gesundheit der<br />
Sonnenblumen-<br />
<br />
4
Speiseöle aus<br />
eigener Produktion<br />
Letzte Nacht hat Wilhelm Jochen<br />
Behn kein Auge zugetan. Von sieben<br />
Uhr abends bis vier Uhr morgens<br />
brachte er Dünger <strong>auf</strong> rund<br />
150 Hektar <strong>Acker</strong>land aus und setzte dafür<br />
eine besonders nachhaltige Technik<br />
ein. Mit der sogenannten Section Control<br />
wird keine Fläche doppelt bestreut und<br />
somit einer Überdüngung vorgebeugt.<br />
Gleichzeitig sorgte die Windstille in der<br />
Nacht dafür, dass es nicht zum Abdriften<br />
des Düngemittels kam. „Jetzt haben<br />
<br />
wenn die Sonne scheint“, erklärt der<br />
24-Jährige, der Agrarwissenschaften in<br />
Göttingen studiert.<br />
Gemeinsam mit seinem Bruder<br />
Henrik und den Eltern Anja und Wilhelm<br />
Behn bewirtschaftet der Student<br />
den 650 Hektar großen Hof und hat das<br />
Ziel, auch die 40 kommenden Jahre als<br />
<strong>Land</strong>wirt aktiv zu sein. „Dafür müssen<br />
wir die <strong>Artenvielfalt</strong> erhalten. Denn wenn<br />
ein Teilnehmer unseres natürlichen Lebensraums<br />
wegfällt, bricht unser ganzes<br />
Ökosystem zusammen.“<br />
FOTOS: TIMO JAWORR<br />
Vielfalt für mehr Vielfalt<br />
Ob Gerste, Zuckerrübe, Raps, Mais,<br />
Leindotter oder Silphie: Familie Behn<br />
baut abwechselnd 16 verschiedene<br />
Sommer- und Winterfrüchte an. Für die<br />
Fruchtfolge bedeutet diese umfangreiche<br />
Auswahl, dass erst nach fünf oder<br />
<br />
wieder <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Feld wächst. „Mit den<br />
16 unterschiedlichen Kulturen steigern<br />
wir die Vielfalt im <strong>Land</strong>schaftsbild und<br />
erhöhen das Nahrungsangebot für die<br />
Insekten“, erklärt der junge <strong>Land</strong>wirt. Damit<br />
nicht genug: Auch der Humus gehalt<br />
<br />
<br />
<br />
kulturen wie zum Beispiel Hanf und<br />
Sonnen blumen, die erst im Frühjahr ausgesät<br />
werden. Über Winter wird der Boden<br />
dann für Zwischenfrüchte genutzt.<br />
Dadurch wird eine organische Masse<br />
<strong>auf</strong>gebaut, Erosion vermieden und die<br />
Bodenstruktur verbessert.<br />
Richtige Fruchtfolge spart<br />
<br />
„Durch die weite Fruchtfolge senken wir<br />
<br />
ten<br />
<strong>auf</strong>treten und der Boden nicht über-<br />
<br />
bessere Standortnutzung“, beschreibt<br />
Behn. Zusätzlich bringt sein Betrieb im<br />
Herbst organischen Dünger aus, der in<br />
einer nahegelegenen Biogasanlage anfällt.<br />
Die Basis für den Dünger liefert der Betrieb<br />
Behn selbst mit seinem Silomais. So<br />
schließt sich auch der Nährstoffkreisl<strong>auf</strong>.<br />
Mit <strong>dem</strong> Dünger wird der Humus<strong>auf</strong>bau<br />
im Boden gefördert, was gleichzeitig die<br />
Wasserspeicherung des Bodens verbessert.<br />
Diese Regulierung ist dringend notwendig,<br />
denn nach den Beobachtungen<br />
der <strong>Land</strong>wirte aus Groß Twülpstedt hat<br />
in ihrer Region die jährliche Regenmenge<br />
gegenüber früher um rund 100 bis 150<br />
Liter pro Quadratmeter abgenommen.<br />
<br />
<br />
Seit rund zehn Jahren betreibt der Betrieb<br />
eine eigene Imkerei. Die 35 Bienenvölker<br />
mit ihren bis zu einer Million Bie-<br />
<br />
Raps, Leindotter oder Sonnenblumen, die<br />
<strong>auf</strong> den Feldern des Betriebs angebaut<br />
werden. „Bei uns blüht es von April bis<br />
September. Das bedeutet, dass die Bienen<br />
<br />
Niedersachsens<br />
Schritte zu mehr<br />
<br />
Der Niedersächsische Weg ist eine<br />
Vereinbarung zwischen <strong>Land</strong>wirtschaft,<br />
Naturschutz und Politik des <strong>Land</strong>es<br />
<br />
die Akteure, konkrete Maßnahmen für<br />
einen verbesserten Natur-, Arten- und<br />
Gewässerschutz umzusetzen. Dazu<br />
gehören unter anderem breitere Gewässerrandstreifen,<br />
wo nicht gedüngt oder<br />
<br />
darf, allgemein die Reduktion chemi-<br />
<br />
Einsatz moderner, präziser Spritztechnik,<br />
zu<strong>dem</strong> mehr <strong>Land</strong>schafts elemente<br />
wie Hecken, Alleen oder Baumreihen.<br />
Die Politik sichert den <strong>Land</strong>wirten zu,<br />
dass die geforderten Leistungen honoriert<br />
werden. 350 Millionen Euro sollen<br />
in den Jahren 2<strong>02</strong>1 bis 2<strong>02</strong>4 für den<br />
Artenschutz bereitgestellt werden.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
gestärkt durch den Winter kommen“, sagt<br />
der junge <strong>Land</strong>wirt. Dabei wandern die<br />
Bienenstöcke herum, in<strong>dem</strong> sie von den<br />
Behns an den Feldern <strong>auf</strong>gestellt werden,<br />
die gerade viel Nahrung versprechen.<br />
Auch das trägt einen maßgeblichen Teil<br />
zur Sicherung des Ökosystems bei.<br />
<br />
<br />
„Auf unseren Feldern haben wir beobachtet,<br />
dass wir Schädlinge auch ohne<br />
kämpfen<br />
können“, berichtet Behn. Der<br />
barn.<br />
„Wenn man Sonnenblumen neben<br />
Leindotter anbaut, können Blattläuse<br />
den Sonnenblumen nicht viel anhaben.<br />
sende<br />
von Marienkäfern an. Diese sind<br />
natür liche Nützlinge gegen Läusebefall“,<br />
-<br />
<br />
ein weiterer Mehrwert fürs Ökosystem.<br />
<br />
Auch Produktvielfalt gehört zum Konzept<br />
des Behn-Hofs. Mit einer Ölpresse<br />
werden hier verschiedene Speiseöle hergestellt.<br />
Die Familie baut aber auch Senf-<br />
<br />
produzieren. „Im L<strong>auf</strong>e dieses Jahres wollen<br />
wir uns einen Farbsortierer anschaffen“,<br />
verrät Wilhelm Jochen Behn. „Er erkennt<br />
bei unseren Samen Fremdkörper,<br />
Unkräuter und Schalen und sortiert diese<br />
aus. So können wir Sonnenblumenkerne<br />
und Leinsamen als Rohware zum Beispiel<br />
an Bäckereien verk<strong>auf</strong>en“, sagt Behn.<br />
Der nächste Schritt ist der Aufbau<br />
eines Onlineshops. „Wir wollen unseren<br />
Betrieb zukunftsorientiert <strong>auf</strong>stellen.<br />
Dabei setzen wir nicht nur <strong>auf</strong> den<br />
Feldern <strong>auf</strong> den technischen Fortschritt,<br />
sondern auch bei der Vermarktung unserer<br />
Produkte.“<br />
Familie Behn nutzt auch in Zukunft die<br />
Effekte ihres Gesamtkonzepts, um die <strong>Artenvielfalt</strong><br />
<strong>auf</strong> ihren Äckern zu erhalten.<br />
5
Alles <strong>auf</strong> Vielfalt<br />
<br />
<br />
<br />
Warum <strong>Land</strong>wirte<br />
Kleintiere, Vögel und<br />
Insekten schützen<br />
„Der Arbeits<strong>auf</strong>wand<br />
ist unser Beitrag,<br />
<br />
<br />
möglichst intakte<br />
Umwelt zu hinterlassen,<br />
<br />
und die Verbraucher<br />
<br />
Anteil beizusteuern.“<br />
LANDWIRT DR. THOMAS GÄBERT<br />
Rund<br />
<br />
unserer Wild- und<br />
<br />
Insektenbestäubung abhängig.<br />
Bewertet man diese Leistung<br />
<br />
<br />
allein in Deutschland.<br />
81 Libellenarten<br />
enarten<br />
gibt es in Deutschland ungefähr.<br />
Sie stellen eine der ältesten und<br />
gleichzeitig am stärksten<br />
bedrohten Insektengruppen dar.<br />
Sie ernähren sich von Fliegen<br />
und Bremsen.<br />
Als Insektenfresser sind<br />
Libellen ein wichtiger<br />
Teil des gesunden<br />
Ökosystems.<br />
Die Wasserqualität kann man<br />
oft schon an den dort lebenden<br />
Libellen erkennen, denn die<br />
Tiere lieben saubere und<br />
sauerstoffhaltige Gewässer.<br />
Regenwürmer<br />
sind blind, taub und stumm, verfügen aber über jede Menge<br />
Muskeln, mit denen sie sich unermüdlich durch Böden wühlen. Regenwürmer<br />
graben pro Quadratmeter bis zu <br />
Dadurch belüften sie die Erde, schichten Nährstoffe<br />
von unten nach oben und verbessern so die Qualität des Bodens.<br />
Niederschläge dringen durch die Regenwurmröhren in die Erde, was den<br />
<br />
In Deutschland sind 49 Regenwurmarten nachgewiesen.<br />
6<br />
FOTOS: RIKE_, ANTAGAIN (2), HENK BOGAARD, ANAGRAMM; ALLE ISTOCK<br />
QUELLEN: NABU, LFL, BUND, SCHWEIZERBAUER, ARD, I.M.A., MDR, HEINRICH BÖLL STIFTUNG
Wildbienen steigern<br />
die Ernteerträge um<br />
<br />
<br />
vier von fünf Wild-<br />
<br />
<br />
den Wildbienen?<br />
der 557<br />
in der Roten Liste<br />
bewerteten Bienenarten<br />
sind bestandsgefährdet<br />
oder schon<br />
ausgestorben.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
macht seinem Namen alle Ehre,<br />
Mäuse stehen <strong>auf</strong> seiner Speisekarte<br />
ganz oben. Die Greifvögel<br />
sind die natürlichen Helfer der<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft, um Feldmausplagen<br />
entgegenzuwirken.<br />
<br />
saugen Nektar durch ihre Rüssel.<br />
Dabei leisten sie einen wichtigen<br />
<br />
<br />
seien in Deutschland bereits ausgestorben,<br />
schreibt das Bundesamt für Naturschutz<br />
in Bonn. 494 weitere sind vom Aussterben<br />
bedroht oder unterschiedlich<br />
stark gefährdet.<br />
<br />
verspeisen Blattläuse <strong>auf</strong><br />
<br />
sowie Kartoffelkäfer.<br />
Eine einheimische Art wie<br />
der Siebenpunkt-Marienkäfer<br />
vertilgt täglich etwa<br />
<br />
Das macht hochgerechnet etwa<br />
in seinem<br />
gesamten Marienkäferleben.<br />
Die als Glücksbringer geltenden<br />
Tierchen futtern auch gern die<br />
Gemeine Spinnmilbe, Schädling<br />
<br />
<br />
lieben mosaikartig<br />
angeordnete Äcker,<br />
Wiesen und Weiden,<br />
die nicht zu intensiv<br />
genutzt werden<br />
und mit Hecken<br />
und Baumgruppen<br />
durchsetzt sind.<br />
FOTO: XXXXXX<br />
7
Die einen stehen <strong>auf</strong> Koriander, die anderen <strong>auf</strong> Wilde Möhre.<br />
Insekten sind da sehr wählerisch. <strong>Land</strong>wirt Onno Osterloh<br />
wollte es ganz genau wissen und startete das Natur- und<br />
Artenschutzprojekt „Bienenglück”<br />
Wussten Sie, dass eine Wildbiene<br />
besser schnüffeln<br />
kann als ein Polizeihund?<br />
Oder dass Wildbienen<br />
-<br />
<br />
Onno Osterloh<br />
<br />
<br />
Erkenntnisse.<br />
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-<br />
-<br />
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sich der Betrieb und die<br />
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Osterloh bedeutet es viel, seinen Be-<br />
<br />
Töchter und hofft dar<strong>auf</strong>, dass eine oder<br />
-<br />
<br />
Artenschutz beginnt im Boden<br />
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kann die Erde die Kulturpflanzen<br />
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8
FOTOS: TIMO JAWORR<br />
diesen vielen Flächen Einzelpflanzen<br />
oder unterschiedliche Blühmischungen<br />
<br />
<br />
Dr. Klaus Handke<br />
Jan<br />
Juister<br />
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Wildbienen mögen einheimische<br />
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heimischen Blütler, dazu gehören auch<br />
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„Bienenglück“ – ein<br />
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gen <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Lehrpfad erhält, den er ge<br />
<br />
hat und der sogar von Naturschutzver<br />
<br />
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-<br />
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9
Meldungen<br />
Die Milch feiert ihren Welttag<br />
<br />
<br />
Seit den Fünfzigerjahren wird ihr weltweit<br />
am 1. Juni ein eigener Tag gewidmet.<br />
Allein in Deutschland gehört sie<br />
für 90 Prozent der Bevölkerung täglich <strong>auf</strong><br />
den Teller, in die Tasse oder das Glas.<br />
Ob als Brot<strong>auf</strong>strich, im Kaffee oder mit Müsli,<br />
Milch ist von Natur aus reich an Proteinen und<br />
enthält viele Nährstoffe. Das Nahrungsmittel<br />
liefert Energie in Form von Milchzucker und<br />
leicht verdaulichem Milchfett, hochwertiges<br />
Eiweiß für den Zell<strong>auf</strong>bau, viel Flüssigkeit, Jod<br />
für die Schilddrüsenhormone sowie wichtige<br />
Vitamine wie B 12<br />
und Mineralstoffe wie Kalzium<br />
und Zink.<br />
Allein 15 Nährstoffe stecken in einem Glas<br />
des weißen Wunders, das so eng mit unserer<br />
Kultur verwoben ist wie kaum ein anderes<br />
Nahrungsmittel. 3,9 Millionen Milchkühe in<br />
Deutschland produzieren täglich den Alleskönner,<br />
der von den Molkereien zu immer<br />
neuen Leckereien verarbeitet wird. Feiern Sie<br />
am 1. Juni den Tag der Milch mit.<br />
<br />
…rund um den Tag der<br />
<br />
Internet beim Forum<br />
Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft.<br />
Dort gibt es noch viel<br />
mehr <strong>Wissen</strong>swertes<br />
über die Agrarbranche zu<br />
entdecken<br />
10
KURZ NOTIERT<br />
Lust <strong>auf</strong><br />
<strong>Land</strong>wirtschaft<br />
Immer mehr Schulabgänger interessieren<br />
sich für grüne Berufe.<br />
So lag laut Bundesministerium für<br />
Ernährung und <strong>Land</strong>wirtschaft die<br />
Zahl der Lehrlinge in den 15 Ausbildungsberufen<br />
der Agrarwirtschaft<br />
zubildende<br />
mehr als 2<strong>02</strong>0.<br />
Deutsche k<strong>auf</strong>en<br />
weniger Bio<br />
Angesichts steigender Verbraucherpreise<br />
sind viele Menschen<br />
beim Eink<strong>auf</strong> von Bioware wieder<br />
deutlich zurückhaltender gewor-<br />
nete<br />
im Jahr 2<strong>02</strong>2 einen Umsatzrückgang<br />
von mehr als zwölf<br />
Prozent im Vergleich zu 2<strong>02</strong>1,<br />
wie der Bundesverband Naturkost<br />
Naturwaren (BNN) Anfang des<br />
Jahres mitteilte.<br />
<br />
Lebensräume schützen<br />
„Lidl lohnt sich“ – dieser Slogan des Unternehmens gilt auch für<br />
Wildbienen und andere Insekten: Seit 2018 fördert das Unternehmen<br />
aktiv die <strong>Artenvielfalt</strong> in Deutschland. So entstanden bisher Blühflächen<br />
<strong>auf</strong> knapp 170 000 Quadratmetern rund um 30 Logistikzentren des<br />
Lebensmitteleinzelhändlers. Das Projekt „Lidl-Lebensräume“ soll Wildbienen<br />
und andere Insekten schützen und gleichzeitig die Menschen<br />
für die bedrohte <strong>Artenvielfalt</strong> sensibilisieren.<br />
Fachlich beraten wird das Unternehmen von <strong>Wissen</strong>schaftlern der<br />
Heinz Sielmann Stiftung. Auch Lidl-Lieferanten konnten schon über<br />
3,6 Millionen Quadratmeter Blühflächen an ihren Standorten anlegen.<br />
Das Artenschutzprogramm „Lidl-Lebensräume“ wurde 2019 als<br />
offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet.<br />
Sind Kühe Klimakiller?<br />
Jede Kuh stößt pro Jahr rund<br />
100 Kilogramm Methan aus.<br />
Aber ist sie deshalb ein Klimakiller?<br />
Wir meinen: nein. Denn<br />
eine Kuh frisst Gras und regt<br />
damit dessen Wachstum an.<br />
Das Gras bildet Feinwurzeln<br />
aus, die deutlich mehr CO 2<br />
speichern können als etwa<br />
Wälder. Das von der Kuh<br />
beim Verdauen ausgestoßene<br />
Methan wird in<br />
der Atmosphäre innerhalb von<br />
zwölf Jahren in CO 2<br />
umgewandelt.<br />
Diesen Kohlenstoff nutzen<br />
Gräser für ihr Wachstum und<br />
speichern ihn dabei im Boden.<br />
Damit werden die eigentlich<br />
schädlichen Gasemissionen der<br />
Kuh neutralisiert.<br />
11
Lebensmittel<br />
Was wirklich<br />
in unserem<br />
<br />
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)<br />
überprüft in der Langzeitstudie MEAL die<br />
beliebtesten Lebensmittel <strong>auf</strong> deren Inhalte.<br />
BfR-Präsident Prof. Dr. Dr. Hensel über die<br />
wichtigsten Erkenntnisse<br />
<br />
Andreas Hensel ist Veterinärmediziner,<br />
Mikrobiologe<br />
und Hygieniker. Er leitet<br />
das Bundesinstitut für Risikobewertung<br />
Welche Lebensmittel haben Sie<br />
für Ihre Studie herangezogen?<br />
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Was sind die Top 5 Lebensmittel?<br />
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Welche Hauptrisikostoffe haben<br />
Sie entdeckt?<br />
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„Die Sicherheit der Lebensmittel<br />
in Deutschland ist<br />
sehr hoch. Das hat auch die<br />
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Welche weiteren Erkenntnisse<br />
haben Sie gewonnen?<br />
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<br />
<br />
der Zubereitung <strong>auf</strong> eine gesunde<br />
<br />
12
„Lebensmittel schonend zubereiten.<br />
Vergolden statt verkohlen ist die<br />
Empfehlung für Toastbrot, Pommes<br />
frites, Bratkartoffeln und Gebäck“<br />
In der<br />
Versuchsküche<br />
Über 350 verschiedene<br />
Lebensmittel<br />
werden beim BfR<br />
<strong>auf</strong> Schadstoffe<br />
getestet<br />
FOTOS: BFR<br />
Eine der wichtigen Grundregeln lautet:<br />
Lebensmittel schonend zubereiten.<br />
Vergolden statt verkohlen ist daher für<br />
Toastbrot, Pommes frites, Bratkartoffeln<br />
und Gebäck zu empfehlen. Ansonsten<br />
erhöht sich der Gehalt an gesundheitsschädlichem<br />
Acrylamid im Lebensmittel.<br />
Mit <strong>dem</strong> zweiten Teil der MEAL-Studie<br />
werden wir eine Forschungslücke schließen,<br />
in<strong>dem</strong> wir erstmals auch Daten zu<br />
tatsächlichen Zubereitungsgewohnheiten<br />
der Bevölkerung gesammelt haben.<br />
<br />
Was sollten die Verbraucher bei der<br />
Auswahl ihrer Lebensmittel beachten?<br />
Verbraucherinnen und Verbraucher sollten<br />
sich abwechslungsreich und vielfältig<br />
ernähren. So versorgen sie sich mit<br />
allen lebensnotwendigen Nährstoffen.<br />
Und sie beugen einer einseitigen Belastung<br />
mit möglichen gesundheitsgefährdenden<br />
Stoffen vor, die vereinzelt<br />
in Lebensmitteln vorkommen können.<br />
Das gilt übrigens für alle Formen der Ernährung,<br />
ob nun vegetarisch, vegan oder<br />
durch Mischkost.<br />
Welche Risiken können Verbraucher<br />
noch vermeiden?<br />
Ein immer noch zu wenig beachtetes<br />
Risiko ist das nicht sachgemäße Lagern<br />
und Zubereiten von Lebensmitteln in<br />
privaten Haushalten. Das kann etwa<br />
eine unzureichende Kühlung oder die<br />
Benutzung ein und desselben Schneidebretts<br />
für rohes Fleisch und Gemüse<br />
sein. Um gesundheitliche Risiken durch<br />
Mikroorganismen zu minimieren, empfehle<br />
ich daher dringend, die Regeln der<br />
Küchenhygiene zu beachten.<br />
Welche Rolle spielt das Verfallsdatum?<br />
<br />
bezeichnen, gibt es rechtlich betrachtet<br />
nicht. Hier lohnt sich ein genauer Blick.<br />
Es gibt ein Mindesthaltbarkeitsdatum,<br />
abgekürzt MHD. Bis zu diesem garantieren<br />
uns die Hersteller einwandfrei<br />
beschaffene Lebensmittel. Nach Abl<strong>auf</strong><br />
dieses Datums dürfen die Produkte aber<br />
immer noch verk<strong>auf</strong>t werden. Und dann<br />
gibt es für leicht verderbliche Lebens-<br />
<br />
<br />
das abgel<strong>auf</strong>en, darf das Produkt nicht<br />
mehr verk<strong>auf</strong>t und sollte auch nicht<br />
mehr gegessen werden.<br />
Was ist mit Bakterien?<br />
Natürlich sind Lebensmittel nicht steril<br />
– zum Glück für den Geschmack. Sie<br />
enthalten Bakterien, die sich bei der Lagerung<br />
vermehren können. Langfristig<br />
können sie zum Verderb des Lebensmittels<br />
führen. Meist können wir uns <strong>auf</strong><br />
unsere Nase und Augen verlassen, um<br />
festzustellen, ob das der Fall ist. Krank<br />
machende Bakterien kommen mitunter<br />
in verarbeiteten Produkten vor, aber<br />
vor allem in rohen und unverarbeiteten<br />
Lebensmitteln. Mein Tipp lautet daher,<br />
nach <strong>dem</strong> Rückweg vom Eink<strong>auf</strong>en die<br />
Kühlkette einzuhalten und den Kühlschrank<br />
<strong>auf</strong> die empfohlenen fünf Grad<br />
Celsius einzustellen. Trockene Lebensmittel,<br />
einschließlich Brot, auch trocken<br />
lagern. Das hemmt die Vermehrung von<br />
Bakterien und Schimmel.<br />
Welche Trends erwarten Sie<br />
<br />
Historisch betrachtet ist unser Essen sicherer<br />
als je zuvor. Noch nie hatten wir<br />
in Deutschland so engmaschige Kontrollen<br />
für Lebensmittel, noch nie wurde<br />
Nahrung in so großem Maßstab nach<br />
derart strengen Richtlinien produziert<br />
<br />
Es ist jedoch davon auszugehen, dass<br />
Risiken in <strong>dem</strong> Maße zunehmen, in <strong>dem</strong><br />
wir in Europa mit neuen Lebensmitteln<br />
aus anderen Regionen konfrontiert wer-<br />
<br />
Welt hat viel zu bieten. Aber die Globalisierung<br />
bringt uns Lebensmittel <strong>auf</strong><br />
den Tisch, die aus Ländern stammen, in<br />
denen es gerade auch im mikrobiellen<br />
Bereich Gesundheitsgefährdungen gibt,<br />
die bei uns entweder nicht mehr vorhanden<br />
sind oder in dieser Form nie vorhanden<br />
waren. Ziel muss es daher sein,<br />
die Sicherheitsstandards zu exportieren,<br />
die wir hier bei uns in Europa über Jahrzehnte<br />
entwickelt haben.<br />
13
Import<br />
Professor Dr. Stephan<br />
von Cramon-Taubadel<br />
ist Professor für Agrarpolitik<br />
am Department<br />
für Agrarökonomie<br />
und Rurale Entwicklung<br />
der Universität Göttingen<br />
Können wir nicht einfach <strong>auf</strong> den Export<br />
von Lebensmitteln verzichten?<br />
Grundsätzlich wäre es möglich, dar<strong>auf</strong> zu<br />
verzichten. Aber wenn die Bevölkerungsdichte,<br />
die Einkommen und die Nachfrage nach Lebensmitteln<br />
in vielen anderen Ländern wie erwartet<br />
weiterhin steigen werden, dann müsste jede Tonne,<br />
die wir weniger exportieren, woanders <strong>auf</strong> der Erde<br />
mehr produziert werden. Die Nachhaltigkeit würde<br />
bei uns steigen, aber <strong>auf</strong> Kosten der Nachhaltigkeit<br />
anderswo <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Planeten. Ob unterm Strich ein<br />
positiver Effekt entstünde, ist keineswegs sicher,<br />
denn vielerorts sind die Produktionsstandards nicht<br />
so streng wie bei uns.<br />
<br />
Nachhaltigkeit also nicht?<br />
Das globale Agrar- und Ernährungssystem ist komplex.<br />
Einfache Lösungen, die regional oder national<br />
<br />
nur Probleme wie den CO 2<br />
-Ausstoß oder den Biodiversitätsverlust.<br />
Der Export schließt nachhaltige<br />
Produktion nicht aus. Wir können nachhaltiger<br />
produzieren und dennoch weiterhin exportieren.<br />
Wenn wir das globale Agrar- und Ernährungssystem<br />
nachhaltig entlasten wollen, dann müssen wir<br />
in erster Linie an unsere Konsumgewohnheiten<br />
denken, zum Beispiel an unseren Fleischkonsum,<br />
nicht den Export.<br />
Was passiert mit überschüssigen Produktionen wie<br />
bei Zuckerrüben, Kartoffeln, Brotgetreide, Milch?<br />
Sie werden exportiert und sind dann in fast allen<br />
arbeiteter<br />
Form. Das ist zunächst ein völlig normaler<br />
Vorgang. Deutschland exportiert zum Beispiel<br />
Fahrzeuge und Maschinenbauprodukte, aber eben<br />
auch Getreide, weil wir diese Produkte international<br />
wettbewerbsfähig produzieren können.<br />
Warum werden bei uns so wenig Obst<br />
und Gemüse angebaut?<br />
Eigentlich werden gar nicht so wenig Obst und Gemüse<br />
in Deutschland angebaut: 2<strong>02</strong>2 wurden Obst<br />
und Gemüse im Wert von ca. 5,2 Milliarden Euro<br />
und Kartoffeln im Wert von 2,6 Milliarden Euro in<br />
Deutschland produziert. Es stimmt allerdings, dass<br />
Deutschland bei Obst und Gemüse einen Selbstversorgungsgrad<br />
von deutlich unter hundert Prozent<br />
hat. Das hat zunächst damit zu tun, dass die Obstund<br />
Gemüseproduktion in der Regel arbeitsintensiv<br />
ist und Mitarbeiter in Deutschland im Vergleich zu<br />
vielen anderen Ländern knapp und teuer sind. Das<br />
ist ein Wettbewerbsnachteil. Außer<strong>dem</strong> gibt es viele<br />
14
Lebensmittel<br />
Export<br />
Etwa ein Drittel der Lebensmittel, die in Deutschland produziert<br />
werden, verk<strong>auf</strong>en wir in andere Länder. Gleichzeitig importieren wir<br />
viele Lebensmittel. Ist das nachhaltig?<br />
Prof. Dr. Stephan v. Cramon-Taubadel erklärt die Zusammenhänge<br />
FOTO: ALPTRAUM/ISTOCK, PRIVAT<br />
Obst- und Gemüsearten, die wir gerne essen, die<br />
aber bei uns nicht oder nur zu astronomischen Kosten<br />
angebaut werden könnten, wie Zitrusfrüchte,<br />
Bananen und Oliven.<br />
Am Ende liegt es also an den Verbraucherwünschen?<br />
Eine hundertprozentige Selbstversorgung mit einheimischem<br />
Obst und Gemüse wäre theoretisch<br />
möglich, aber dann müssten wir gänzlich <strong>auf</strong> Bananen<br />
verzichten. Oder eine Selbstversorgung mit Gewächshaus-Bananen<br />
in Deutschland in K<strong>auf</strong> nehmen,<br />
die teuer ist und zulasten der Umwelt subventioniert<br />
werden würde. Aufgrund der Verbraucherwünsche<br />
importieren wir sogar zum Teil auch Obst- und Gemüse,<br />
das bei uns gut wächst, weil damit die saisonale<br />
Verfügbarkeit gestreckt wird. Beispielsweise<br />
werden frische Tomaten und Gurken aus Italien<br />
oder Spanien bei uns angeboten, einige Monate bevor<br />
unsere heimische Produktion verfügbar wird.<br />
Deutschland importiert aber auch Raps aus<br />
Australien oder Eier aus Polen. Können wir diese<br />
nicht selber produzieren?<br />
Das könnten wir, aber es wäre nicht immer im Sinne<br />
der Nachhaltigkeit. Gewiss: Einige unserer Lebensmittelimporte<br />
können aus der Nachhaltigkeitsperspektive<br />
hinterfragt werden, das per Luftfracht importierte<br />
Schälchen Bioheidelbeeren aus Lateinamerika etwa.<br />
Aber einheimische Produkte sind nicht grundsätzlich<br />
nachhaltiger als importierte. Ein frischer Importapfel<br />
aus Südtirol hat womöglich eine deutlich günstigere<br />
CO 2<br />
-Bilanz in einem Münchener Supermarkt als ein<br />
einheimischer Apfel aus <strong>dem</strong> weiter entfernten Alten<br />
<strong>Land</strong>. Ganz abgesehen davon, dass in unserem<br />
gemeinsamen EU-Binnenmarkt Eier aus Polen oder<br />
Äpfel aus Südtirol rechtlich gesehen gar keine Importe<br />
darstellen, genauso wenig wie bayerisches Bier in<br />
Berlin oder Spreewaldgurken in Stuttgart.<br />
Selbstversorgungsgrad in Deutschland <br />
Fleisch<br />
Milch<br />
Gemüse<br />
Obst<br />
Eier<br />
Kartoffeln<br />
Honig<br />
Zucker<br />
Getreide<br />
QUELLE: BMEL 2<strong>02</strong>2<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
101 %<br />
<br />
<br />
<br />
Aber alle reden davon, regional zu k<strong>auf</strong>en.<br />
Spielt das nun doch keine Rolle?<br />
Wichtig ist nicht, ob ein Produkt „lokal“ oder importiert<br />
ist, sondern dass alle beteiligten Akteure in<br />
der Kette zwischen Erzeugern und Verbrauchern<br />
die vollen Kosten ihrer Produktions- und K<strong>auf</strong>entscheidungen<br />
tragen, darunter auch die Kosten, die<br />
beim Warentransport in Form von CO 2<br />
-Ausstoß ver-<br />
zureichend<br />
der Fall. Viele Lebensmittel wären deutlich<br />
teurer, wenn sämtliche Umweltkosten, die bei ihrer<br />
Produktion und Vermarktung entstehen, sich in ihren<br />
Preisen widerspiegeln würden. Dieses Einpreisen von<br />
Umweltkosten bei gleichzeitiger Abfederung der negativen<br />
Auswirkungen von teureren Lebensmitteln<br />
<strong>auf</strong> Haushalte mit niedrigem Einkommen, das ist ein<br />
dickes Brett, an das sich die Politik in Deutschland<br />
und der EU bisher nicht konsequent getraut hat.<br />
2<strong>02</strong>0 hat Deutschland 350 verschiedene<br />
Lebensmittel in 186 Länder exportiert. Dennoch<br />
fürchten viele Experten, dass die <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
<br />
Ihrer Einschätzung?<br />
Ich sehe keine Gefahr, dass die landwirtschaftliche<br />
Produktion aus Deutschland nennenswert abwandern<br />
wird. Dafür sind die natürlichen Produktionsbedingungen<br />
in Deutschland zu gut, und dafür ist die<br />
globale Nachfrage nach Lebensmitteln zu stark. Die<br />
Strukturen in der deutschen <strong>Land</strong>wirtschaft werden<br />
sich weiterhin den Gegebenheiten anpassen; die Produktion<br />
wird bei einigen Erzeugnissen steigen und bei<br />
anderen zurückgehen.<br />
<br />
<br />
„Viele Lebensmittel wären deutlich teurer,<br />
wenn sich sämtliche Umweltkosten<br />
in ihren Preisen widerspiegeln würden“<br />
15
Teller, Trog und<br />
Tank <br />
<br />
Was würde es bedeuten,<br />
wenn die deutsche <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
mehr Nahrungsmittel<br />
für Verbraucher <strong>auf</strong><br />
<br />
würde und dafür weniger<br />
<br />
<br />
energie<br />
aus nachwachsenden<br />
<br />
Hier stellen wir Ihnen<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die Diskussion wird schon seit<br />
mehreren Jahren unter Experten<br />
geführt, aber seit Beginn des<br />
Ukrainekriegs hat sich die Debatte<br />
um die Nahrungsmittelversorgung<br />
in Deutschland weiter verschärft: Wird<br />
hierzulande zu viel Fläche für den Anbau<br />
gie<br />
verwendet statt für die Herstellung<br />
<br />
Die Politik will ein erstes Zeichen set-<br />
<br />
für die Bioenergieproduktion reduzieren.<br />
In <strong>dem</strong> Fall würden über eine Million<br />
<br />
<br />
die Verbraucher. Dafür verringert sich<br />
die Produktion erneuerbarer Energien.<br />
<br />
Tatsache 1<br />
Die <strong>Land</strong>wirtschaft basiert <strong>auf</strong><br />
einem Kreisl<strong>auf</strong><br />
Die halbe Fläche Deutschlands, also rund<br />
16,6 Millionen Hektar, wird für landwirtschaftliche<br />
Zwecke genutzt. Dabei<br />
bieten die <strong>auf</strong> den Feldern ausgesäten<br />
möglichkeiten<br />
und werden meist zu einhundert<br />
Prozent verarbeitet. Wie zum<br />
Beispiel Raps. Aus der Ölsaat kann entweder<br />
Speiseöl oder Biodiesel hergestellt<br />
werden. Bei beiden Verarbeitungswegen<br />
<br />
ist hochwertig, eiweiß- und energiereich.<br />
Mit der Verdauung der Futtermittel<br />
scheiden die Nutztiere natürlichen Dünger<br />
aus, der <strong>auf</strong> den Feldern verteilt oder<br />
in der Biogasanlage zu Energie umge-<br />
re<br />
den Menschen Nahrung in Form von<br />
Milch oder Fleisch. Dadurch entsteht ein<br />
sinnvoller Kreisl<strong>auf</strong>.<br />
Darüber hinaus verbessert Raps die<br />
Bodenqualität und ist eine wichtige Nahrungsquelle<br />
für Bienen.<br />
Tatsache 2<br />
tes<br />
Klima und machen unabhängig<br />
Nachwachsende Rohstoffe ersetzen<br />
fossile Energie, die aus anderen<br />
Ländern importiert werden muss. In<br />
Deutschland werden aktuell <strong>auf</strong> rund<br />
2,6 Millionen Hektar Energiepflanzen<br />
angebaut. Aus ihnen wird zum Beispiel<br />
<br />
gasausstoß um rund 76 Prozent ver-<br />
-<br />
<br />
Gasimporten aus oftmals instabilen und<br />
unsicheren Weltregionen zu vermeiden.<br />
Tatsache 3<br />
<br />
sicherung bei<br />
2<strong>02</strong>2 wurden 52 Prozent der erneuerbaren<br />
Energien aus Biomasse wie Silomais,<br />
Gras oder Gülle erzeugt, veröffentlichte<br />
das Umweltbundesamt. Biogasanlagen<br />
produzierten in <strong>dem</strong> Jahr zehn Prozent<br />
des Stroms und fast 35 Prozent der<br />
Wärme aus erneuerbaren Energiequellen.<br />
Da Biogas speicherbar und nicht<br />
<strong>auf</strong> Sonne oder Wind angewiesen ist,<br />
stellt es einen wesentlichen Beitrag<br />
zur Energiesicherung dar.<br />
Tatsache 4<br />
Bei der Produktion von<br />
Biokraftstoffen entstehen<br />
wertvolle Nebenprodukte<br />
Diese sogenannten Kuppelprodukte<br />
<br />
Komplexes Bild Heute werden<br />
<br />
für Lebensmittel, Tierfutter und<br />
Bioenergie angebaut<br />
16
Lebensmittel<br />
Pharma-, Chemie- und Kosmetikindustrie<br />
Anwendung. Ein wesentliches Nebenprodukt<br />
sind Proteine, die zu Kraftfutter<br />
für Tiere verarbeitet werden. Dank<br />
der heimischen Proteinproduktion reduzieren<br />
sich die Sojaimporte aus anderen<br />
Erdteilen, was zum Erhalt tropischer<br />
Regenwälder und zu mehr Klimaschutz<br />
beiträgt. Auch Lecithin und Glyzerin<br />
werden heutzutage aus Biomasse gewonnen.<br />
Diese Naturstoffe werden in<br />
medizinischen, kosmetischen sowie chemischen<br />
Produkten verwendet.<br />
Tatsache 5<br />
Dauergrünland bindet CO 2<br />
und<br />
fördert <strong>Artenvielfalt</strong><br />
Wiesen und Weiden, die länger als fünf<br />
Jahre nicht als <strong>Acker</strong> genutzt wurden,<br />
werden als Dauergrünland bezeichnet.<br />
Sie dienen als Weideland und zum Futteranbau.<br />
Knapp 30 Prozent der landwirtschaftlich<br />
genutzten Fläche in<br />
Deutschland ist Dauergrünland. Ein<br />
Hektar davon speichert rund 181 Tonnen<br />
Kohlenstoff. Das ist fast die doppelte<br />
Menge wie bei Waldböden. Damit<br />
trägt es effizient und mit wesentlichem<br />
Anteil zum Klimaschutz<br />
bei. Grünland erfüllt aber<br />
noch mehr Aufgaben: In<br />
seinen Böden steckt t<br />
viel Humus, welcher<br />
die Bodenfruchtbarkeit<br />
erhöht. Das<br />
76%<br />
Einsparung von<br />
Treibhausgasen<br />
durch Biodiesel<br />
zenarten<br />
ein Zuhause und erhält <strong>Land</strong>schaften<br />
mit hohem Erholungswert für<br />
die Bevölkerung.<br />
Tatsache 6<br />
Menschen essen kein Gras<br />
Der Mensch kann kein Gras essen oder<br />
verwerten. Wiederkäuer dagegen schon.<br />
Ohne sie könnten die 4,7 Millionen<br />
<br />
Deutschland nur zur CO 2<br />
-Bindung genutzt<br />
und nicht weiter verwendet werden.<br />
Die Beweidung sorgt außer<strong>dem</strong> für<br />
den Erhalt der Kulturlandschaft.<br />
Tatsache 7<br />
Nutztiere sind wesentliche<br />
Eiweißproduzenten<br />
Weidetiere wie Kühe, Ziegen oder Schafe<br />
geben Milch, woraus unter anderem<br />
Käse und Butter erzeugt werden, und sie<br />
werden zu Fleischprodukten verarbeitet.<br />
Das heißt, Wiederkäuer produzieren<br />
hochwertiges Eiweiß aus für Menschen<br />
nicht essbarer Biomasse wie Gras. Damit<br />
decken sie ein Drittel des täglichen Eiweißbedarfs<br />
der Menschen ab.<br />
-<br />
rung der Bevölkerung würde<br />
man sogar mehr <strong>Acker</strong>-<br />
<br />
einer <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
mit Tierhaltung, um<br />
die erforderliche Eiweißmenge<br />
für die menschliche Ernährung<br />
zu gewinnen.<br />
Tatsache 8<br />
Organischer Dünger steigert<br />
Ernteerträge und ist im<br />
Ökolandbau unerlässlich<br />
Organischer Dünger entsteht durch tierische<br />
und organische Abfallprodukte<br />
wie Gülle, Stallmist oder Gärreste aus<br />
Biogasanlagen. Ohne organischen Dünger<br />
würden die Erntemengen sinken.<br />
In Deutschland stammt 41 Prozent der<br />
verwendeten Stickstoff-Düngemenge<br />
aus der Tierhaltung oder aus Biogasanlagen.<br />
Damit schaffen diese beiden<br />
Wirtschaftszweige die notwendige<br />
Grundlage für die Produktion <strong>auf</strong> den<br />
sonders<br />
im Ökolandbau ist organischer<br />
Dünger die einzige Nährstoffquelle.<br />
Tatsache 9<br />
Kühe sind gute Düngerproduzenten<br />
Pro Kuh fallen im Jahr rund 138 Kilo<br />
Stickstoff, 47 Kilo Phosphor und 124 Kilo<br />
Kali an. Damit sorgt eine Kuh mit ihrem<br />
Dünger dafür, dass <strong>auf</strong> etwas mehr als<br />
einem halben Hektar Weizen angebaut<br />
werden kann. Allein die 3,8 Millionen<br />
Milchkühe in Deutschland versorgen <strong>auf</strong><br />
diese Weise fast 2,5 Millionen Hektar mit<br />
nachhaltigem Dünger. Somit wird auch<br />
die CO 2<br />
-intensive Produktion des mineralischen<br />
Düngers eingespart.<br />
Tatsache 10<br />
Ein Drittel der Lebensmittel<br />
werden bundesweit verschwendet<br />
Circa 11 Millionen Tonnen Lebensmittelabfälle<br />
landen laut Bundesministerium<br />
für Ernährung und <strong>Land</strong>wirtschaft in<br />
Deutschland jedes Jahr im Müll. Neben<br />
ungenießbaren Teilen werden auch<br />
noch essbare Lebensmittel wegge-<br />
-<br />
<br />
den Lebensmittelkonsum in Deutschland<br />
zurückzuführenden Treibhausgasemissionen<br />
im Vergleich zum Jahr<br />
2015 um 9,5 Prozent reduzieren. Voraussetzung<br />
dafür ist die Halbierung<br />
der Lebensmittelabfälle <strong>auf</strong> Einzelhandels-<br />
und Verbraucherebene bis zum<br />
Jahr 2030.<br />
QUELLEN: LUST AUFS LAND,<br />
BUNDESINFORMATIONSZENTRUM LANDWIRT-<br />
SCHAFT, DEUTSCHER BAUERNVERBAND<br />
FOTO: CINOBY/ISTOCK<br />
17
Fliegende<br />
Rehkitzretter<br />
Drohnen unterstützen Jäger und Helfer dabei, vor den<br />
Mäharbeiten Rehkitze in Feldern <strong>auf</strong>zuspüren<br />
Es ist 4.30 Uhr. Die Sonne ist noch<br />
nicht <strong>auf</strong>gegangen, und es ist<br />
kühl. Während die meisten Bewohner<br />
der nordrhein-westfälischen<br />
<strong>Stadt</strong> Versmold an diesem Maimorgen<br />
noch in ihren Betten liegen und<br />
schlafen, treffen sich hiesige Jäger mit<br />
ihren freiwilligen Helferinnen und Helfern<br />
an einem Feld, das in den nächsten<br />
Stunden abgemäht werden soll.<br />
Jäger Moritz Meyer hat eine Drohne<br />
mit Wärmebildkamera dabei. Am Vorabend<br />
hat der Drohnenpilot die heutige<br />
Flugroute mithilfe einer App so geplant,<br />
dass das Gerät nun weitgehendst auto-<br />
<br />
kann. Meyer postiert sich am Wiesenrand.<br />
Dann geht es los. Während sich<br />
die Drohne 30 Meter über der Fläche<br />
<br />
Monitor, der <strong>auf</strong> einem Stativ vor ihm<br />
montiert ist. Die freiwilligen Helferinnen<br />
und Helfer, die sogenannten Buschmänner,<br />
verteilen sich und l<strong>auf</strong>en über<br />
das Feld, und zwar immer <strong>auf</strong> Höhe der<br />
Drohne. Entdeckt der Jäger <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
Bildschirm einen hellen Punkt, stoppt<br />
er die Drohne und lässt sie über der<br />
Wärmequelle kreisen. Mit einem Funkgerät<br />
dirigiert er den sich am nächsten<br />
befindenden Helfer zu dieser Stelle.<br />
Handelt es sich um ein Rehkitz, streift<br />
der Helfer sich Handschuhe über, nimmt<br />
mehrere Grasbüschel, greift damit das<br />
Kitz und trägt es an einen sicheren Ort<br />
am Feldrand. Damit vermeidet er, dass<br />
das Tier seinen Geruch annimmt und<br />
womöglich deshalb von seiner Mutter,<br />
der Ricke, die meistens in der Nähe<br />
bleibt und die Situation beobachtet,<br />
verstoßen wird.<br />
<br />
Rehkitze haben in ihren ersten zwei Lebenswochen<br />
den Instinkt, sich ganz tief<br />
ins Gras zu drücken, statt bei Gefahren<br />
wegzul<strong>auf</strong>en. Dadurch sind sie schwer<br />
<br />
18
Nicht anfassen Sobald ein Rehkitz nach Mensch riecht,<br />
wird es von der Mutter verstoßen. Daher tragen Helfer<br />
wie Tassilo Marowsky Handschuhe und nutzen Grasbüschel,<br />
um das Jungtier an einen sicheren Ort zu bringen<br />
Über die Retter<br />
Hegering, so heißen Organisationseinheiten<br />
lokaler Jäger und Jagd pächter.<br />
Der Hegering Versmold wurde ausgezeichnet:<br />
Gemeinsam mit den He geringen<br />
Halle/Westfalen und Rietberg<br />
erhielt er den Biotop-Hegepreis 2<strong>02</strong>1<br />
von der Wildtier- und Biotopschutz-<br />
Stiftung und <strong>dem</strong> <strong>Land</strong>esjagdverband<br />
NRW für das Projekt „Rehkitzrettung<br />
mit der Drohne vor der Mahd“. Mittlerweile<br />
setzt der Versmolder Hegering<br />
drei Drohnen für die Rehkitzrettung ein.<br />
Morgens um 4.30 Uhr<br />
Freiwillige und Jäger<br />
treffen sich, um Rehkitze<br />
mit einer Drohne in<br />
Feldern <strong>auf</strong>zuspüren, die<br />
gemäht werden sollen<br />
Drohnenpilot<br />
Moritz Meyer<br />
zeigt sein<br />
Drohnenset.<br />
Einen Drohnenführerschein<br />
hat er freiwillig<br />
gemacht. Vorgeschrieben<br />
ist<br />
das nicht<br />
„Drohnengeführte<br />
Kamera systeme sind<br />
<br />
<br />
sagt Peter Weinand vom Unternehmen<br />
Claas, Partner des Wildretter-Projekts.<br />
Der <strong>Land</strong>maschinenhersteller setzt<br />
sich seit Langem für Wildtierschutz<br />
im Rahmen der Grasernte ein und<br />
engagiert sich beim Projekt Wildretter.<br />
Der Projektpartner Thermal Drones hat<br />
mit Unterstützung von Claas Hochleistungsdrohnen<br />
entwickelt, die bis zu<br />
<br />
auch bei starker Sonneneinstrahlung<br />
sicher Wildtiere <strong>auf</strong>spüren.<br />
FOTOS: MORITZ MEYER<br />
zu schützen, setzten Jäger in der jüngsten<br />
Vergangenheit akustische Warngeräte<br />
oder ihre Jagdhunde ein, um die<br />
Rehkitze <strong>auf</strong>zutreiben. Aber diese Methoden<br />
waren nicht verlässlich genug.<br />
Mit den Drohnen dagegen gelingt es viel<br />
besser, die Tiere zu entdecken. Rund<br />
zwei Minuten dauert es in der Regel,<br />
bis eine Drohne eine ein Hektar große<br />
<br />
<br />
Deshalb hatten die lokalen Jäger<br />
<br />
<br />
Drohnen mit Wärmebildkameras anzuschaffen.<br />
Die Hälfte des Geldes stammte<br />
dabei von den örtlichen <strong>Land</strong>wirten, die<br />
eng mit den Jägern zusammenarbeiten<br />
und rechtzeitig ihre Mäheinsätze melden.<br />
Neben der Vermeidung von Tierleid<br />
geht es ihnen darum, Botulismus, eine<br />
lebensbedrohliche Krankheit, durch<br />
verunreinigtes Tierfutter zu verhindern.<br />
An diesem Morgen war der Einsatz<br />
der Rehkitzretter wieder erfolgreich.<br />
Außer einigen Jungtieren haben Moritz<br />
Meyer und seine Helfer auch Nester von<br />
Fasanen und Enten sowie Junghasen<br />
entdeckt. Am Ende der letzten Mähsaison<br />
waren es 155 Rehkitze. Für ihre<br />
Rettung sind zwei Suchteams insgesamt<br />
62-mal frühmorgens ausgerückt.<br />
19
20
Lebensmittel<br />
DNA-TEST GIBT AUSKUNFT ÜBER HERKUNFT UND TIERHALTUNG<br />
Woher kommt mein Fleisch?<br />
Vom Stall bis <strong>auf</strong> den Teller: Mit <strong>dem</strong> DNA-Rückverfolgungsprogramm von MSD Tiergesundheit<br />
lässt sich präzise nachweisen, wo Fleisch und Fleischerzeugnisse herkommen und<br />
wie die Tiere gehalten wurden. Wie das funktioniert, erklärt Tierärztin Dr. Kerstin Fiebig<br />
FOTOS: BERT WILLER, VVMICH/ISTOCK<br />
Wie genau funktioniert die<br />
DNA-Rückverfolgung?<br />
Der genetische Fingerabdruck jedes Tieres<br />
ist unverwechselbar. Wir nutzen die<br />
DNA der Tiere, um Fleisch und Fleischerzeugnisse<br />
zurückzuverfolgen. Hierzu<br />
ist der Aufbau einer Referenzdatenbank<br />
erforderlich. Die Proben können direkt<br />
beim Einziehen der Ohrmarken genommen<br />
und in einem unabhängigen Labor<br />
untersucht und in die Datenbank <strong>auf</strong>genommen<br />
werden.<br />
Ist diese Referenzdatenbank erstellt,<br />
<br />
oder Burger aus <strong>dem</strong> Supermarkt oder<br />
Lasagne aus <strong>dem</strong> Restaurant damit abgeglichen<br />
werden. Kommt das Fleisch aus<br />
der angegebenen Region, ist der genetische<br />
Fingerabdruck vom Tier in der Referenzdatenbank.<br />
Wir können eindeutig<br />
nachweisen, von welchem Tier das Steak<br />
stammt. Bei hochverarbeiteten Fleischprodukten<br />
wie Würstchen, Wurstwaren<br />
oder Burgern steckt meist Fleisch von<br />
mehreren Tieren drin. Auch hier lässt<br />
sich mittels DNA TraceBack feststellen,<br />
um welche Tiere es sich handelt.<br />
Welche Vorteile bietet die DNA-Rückverfolgung<br />
für die Verbraucher?<br />
Vertrauen und Sicherheit. Sicherheit,<br />
dass auch das drinsteckt, was dr<strong>auf</strong>steht.<br />
Mit <strong>dem</strong> DNA-Rückverfolgungsprogramm<br />
von MSD Tiergesundheit lässt<br />
sich präzise nachweisen, dass Fleisch,<br />
Fleischprodukte und Fleischerzeugnisse<br />
tatsächlich die Attribute haben, für die<br />
der Verbraucher zahlt. Etwa Regionalität<br />
oder wo das Tier <strong>auf</strong>gewachsen ist und<br />
ob es von einem Biohof oder einem konventionellen<br />
Betrieb stammt.<br />
Bei welchen Fleischprodukten wird diese<br />
Methode bereits erfolgreich eingesetzt?<br />
-<br />
<br />
Selbst bei Shrimps wird das System bereits<br />
angewendet. Nur die Methoden<br />
unterscheiden sich etwas, je kleiner die<br />
Tiere sind.<br />
Wird das System in Deutschland genutzt?<br />
Hierzulande arbeiten wir aktuell beim<br />
Rind mit einigen Schlachtunternehmen<br />
<br />
wird an der Rückverfolgbarkeit von<br />
Fleisch von sogenannten Bruderhähnen<br />
der Legehennen gearbeitet. Hierbei ist<br />
es spannend, dass wir gleich den Nachweis<br />
der Eier mit anbieten können, um<br />
auch das Verbrauchervertrauen in dieses<br />
Lebensmittel weiter zu steigern.<br />
Setzen es auch andere Länder ein?<br />
Interessant ist, dass einige unserer Nachbarländer<br />
hier schon sehr viel weiter<br />
sind als wir. In der Schweiz etwa wird die<br />
Methode bereits seit mehr als vier Jahren<br />
erfolgreich angewendet, um regio nales<br />
<br />
den Niederlanden ist das DNA-Rückverfolgungsprogramm<br />
bereits in den großen<br />
Supermärkten angekommen.<br />
Ergänzt diese Lösung die Haltungskennzeichnungssiegel?<br />
Die Lösung kann die bestehenden Haltungskennzeichnungen<br />
unterstützen,<br />
aber sie kann noch viel mehr Informationen<br />
liefern als die zur Haltungsform.<br />
So können Verbraucher ihre Entscheidungen<br />
noch bewusster treffen. Die Haltungsform<br />
allein sagt leider wenig über<br />
Tiergesundheit und Tierwohl aus.<br />
Hat sich durch die Methode das Vertrauen<br />
der Verbraucher verändert?<br />
Das Vertrauen der Verbraucher ist gestärkt<br />
worden. Doch das ist nicht alles.<br />
Auch die <strong>Land</strong>wirte und der Lebens-<br />
<br />
Schweiz etwa, wo die Branchenorganisation<br />
Proviande seit einigen Jahren<br />
Schweizer Rindfleisch mit <strong>dem</strong> Programm<br />
absichert, wurde der Verk<strong>auf</strong>santeil<br />
an Schweizer Fleisch deutlich erhöht.<br />
Dadurch erhalten auch <strong>Land</strong>wirte<br />
wieder mehr Geld für ihr Fleisch. Vergleichbare<br />
Erfahrungen gibt es in Irland.<br />
Auch hier macht sich das Programm für<br />
<strong>Land</strong>wirte bezahlt.<br />
Den Verbraucher kostet dieser<br />
DNA-Check nur wenige Cent im Jahr.<br />
Umgerechnet <strong>auf</strong> den durchschnittli-<br />
<br />
Schweiz ist dies nicht einmal<br />
eine Tasse Kaffee im<br />
Jahr.<br />
Werden wir in<br />
Zukunft mehr oder<br />
weniger Fleisch<br />
essen?<br />
Das ist natürlich ein<br />
bisschen wie in die<br />
Glaskugel schauen.<br />
Ich sehe zum Beispiel<br />
bei meinen Töchtern,<br />
Dr. Kerstin Fiebig leitet<br />
dass sie mehr Wert die landwirtschaftliche<br />
<strong>auf</strong> Haltung, Nachhaltigkeit,<br />
Qualität<br />
Fachberatung und<br />
koordiniert strategische<br />
Aktivitäten zur Lebensmittelindustrie<br />
bei MSD<br />
und Tierwohl legen.<br />
Sie wollen viel mehr<br />
Tiergesundheit<br />
darüber wissen, wie<br />
die Tiere <strong>auf</strong>gewachsen sind, wo sie<br />
herkommen und wie sie gelebt haben.<br />
Der Anspruch vieler Menschen an Tierhaltung<br />
steigt.<br />
Wird die Methode diesen<br />
Ansprüchen gerecht?<br />
Wenn es gelingt, Transparenz zu schaffen<br />
und Vertrauen wieder zu stärken,<br />
werden auch das Bewusstsein und der<br />
Wert tierischer Lebensmittel wieder<br />
steigen. Verbraucher können ihre Entscheidungen<br />
im Supermarkt ganz bewusst<br />
treffen. Davon können letztend-<br />
<br />
<strong>Land</strong>wirte, der Lebensmitteleinzelhandel<br />
und natürlich die Tiere.<br />
21
Mit<br />
Rück-<br />
sicht<br />
Jörg Schrieber gehört zu den modernen <strong>Land</strong>wirten, die immer<br />
wieder etwas Neues ausprobieren. Und das zum Schutz der Umwelt<br />
<strong>auf</strong> die<br />
Natur<br />
Für heute Morgen hat sich Jörg<br />
Schrieber eine Aufgabe <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
Feld vorgenommen. Aber es<br />
gießt in Strömen. Der <strong>Land</strong>wirt<br />
weiß, dass der Regen seinem <strong>Acker</strong>boden<br />
sehr guttut. Also kein Grund,<br />
genervt zu sein. Außer<strong>dem</strong> ist er es<br />
gewohnt, dass Witterungsverhältnisse<br />
seine Tagesabläufe komplett durcheinanderwirbeln<br />
können. „Man muss sich<br />
immer Ziele setzen, aber wenn man<br />
diese nicht erreichen kann, muss man<br />
seine Arbeitsabläufe ändern. Manchmal<br />
sogar rigoros“, lautet seine Devise.<br />
Starres Denken und Festhalten an alten<br />
Strukturen ist nichts für den wissbegierigen<br />
und experimentierfreudigen<br />
Niedersachsen.<br />
Bereits vor knapp 20 Jahren begann<br />
er, digitale Hofbodenkarten anzulegen.<br />
Dazu nahm er an den unterschiedlichsten<br />
Stellen seiner Felder umfassende<br />
Bodenproben und ließ diese auswerten.<br />
Da sich sein Hof nördlich der A2<br />
-<br />
<br />
grobem Sand bis hin zu lehmigem Ton.<br />
<br />
jede Fläche wurden die Daten zu einer<br />
sogenannten <strong>Acker</strong>schlagkartei zusammengefügt.<br />
„Für eine gezielte und<br />
nachhaltige Bodenbearbeitung sind diese<br />
Karten, die wir regelmäßig per Hand<br />
durch neue Bodenentnahmen überprüfen,<br />
enorm wichtig. Denn sie sagen<br />
aus, ob der Boden zum Beispiel Wasser<br />
speichern kann und nährstoffreich oder<br />
-arm ist“, erklärt der <strong>Land</strong>wirt. Auf das<br />
<br />
seit 1990. Stattdessen wird durch das<br />
rückständen<br />
eine Art großer Komposth<strong>auf</strong>en<br />
erzeugt. Dieser ist Futter für die<br />
Regenwürmer. Das gesamte Bodenleben<br />
erzeugt Humus und macht die Böden<br />
ein Stück widerstandsfähiger gegen<br />
Trockenperioden.<br />
Fahrende Computer<br />
aussaat,<br />
für jeden Vorgang werden die<br />
Traktoren des Betriebs mit den gesammelten<br />
Daten zur Bodenbeschaffenheit<br />
versorgt. „Auf diese Weise können wir<br />
zentimetergenau Kalium, Stickstoff<br />
oder Phosphor ausbringen, und zwar<br />
tatsächlich nur dort, wo die Nährstoffe<br />
auch benötigt werden.“ Verschiedene<br />
Sensoren helfen obendrein dabei, die<br />
<br />
sodass die Arbeiten optimal geplant<br />
werden können.<br />
Überhaupt sind Sensoren die modernen<br />
Analysehilfen von Jörg Schrie-<br />
22
Nachhaltigkeit<br />
„Um einen möglichst geringen<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck zu hinterlassen<br />
und so umweltschonend wie<br />
möglich zu arbeiten, prüfen wir<br />
immer wieder unsere Böden“<br />
ber. Zum Säen von beispielsweise Raps<br />
nutzt er eine Drillmaschine, die ebenfalls<br />
mit Sensoren <strong>auf</strong>gerüstet wurde.<br />
Diese messen während des Arbeitsvorgangs<br />
die Bodenfeuchtigkeit. Sollte die<br />
Saat normalerweise in zwei Zentimeter<br />
Tiefe abgelegt werden, es dort aber gerade<br />
zu trocken sein, erkennt die Technik<br />
dieses und verändert automatisch<br />
die Ablagetiefe <strong>auf</strong> zum Beispiel vier<br />
Zentimeter. „Dafür benötige ich nicht<br />
einmal mehr die Bodenkarten“, sagt Jörg<br />
Schrieber. „Dank der Sensoren reagiert<br />
die Maschine in Sekundenbruchteilen<br />
<strong>auf</strong> sich verändernde Bodenverhältnisse.<br />
Das gilt nicht nur bei der Aussaat,<br />
sondern auch beim Düngevorgang.“<br />
Nah-Infrarot-Sensoren, die während<br />
der Ausbringung Inhaltsstoffe oder Bodenarten<br />
erkennen, setzt der <strong>Land</strong>wirt<br />
ebenso wirksam ein. Denn auch sie sorgen<br />
dafür, dass bedarfs- und umweltgerecht<br />
gedüngt und gearbeitet wird.<br />
Zur besseren Schädlingskontrolle platziert<br />
Schrieber in seinen Rapsfeldern<br />
elektronische Gelbschalen, <strong>auf</strong> denen<br />
Kameras angebracht sind. Diese erfas-<br />
gen<br />
und ob es sich dabei um Nützlinge<br />
oder Schädlinge handelt. Je nach Ergebnis<br />
leitet der <strong>Land</strong>wirt entsprechend<br />
<br />
Ein effektives und wiederum nachhaltiges<br />
Vorgehen.<br />
Präzise und nachhaltig<br />
„Um einen möglichst geringen CO 2<br />
-<br />
<br />
umweltschonend wie möglich zu arbeiten,<br />
prüfen wir immer wieder unsere<br />
Böden. Wir nehmen Spatenproben,<br />
erfassen, wo welche Insekten aktiv<br />
sind, und führen sogenannte Feldbücher.<br />
Dieser Aufwand soll mit einem<br />
<br />
Hof belohnt werden. Ich gehöre zu den<br />
praktischen <strong>Land</strong>wirten, die gemeinsam<br />
mit In stitutionen wie der Deutschen<br />
<strong>Land</strong>wirtschaftsgesellschaft, <strong>dem</strong> Labor<br />
für Agrar- und Umweltanalytik der<br />
<strong>Land</strong>wirtschaftskammer Nordrhein-<br />
Westfalen oder der TUM School of Life<br />
Sciences Weihenstephan Bemessungsgrundlagen<br />
eines Nachhaltigkeitsnachweises<br />
für landwirtschaftliche Betriebe<br />
erarbeiten. Dabei sollen auch Komponenten<br />
wie die Länge der Transportwege<br />
oder die Nutzung von Mineraldünger<br />
aus Übersee bewertet werden.“<br />
Der Standardisierungsprozess soll<br />
in diesem Jahr abgeschlossen werden.<br />
Dann wird <strong>Land</strong>wirt Schrieber wissen,<br />
wie sein Betrieb in Sachen Nachhaltigkeit<br />
abschneidet. Damit kann er<br />
zukünftig seinen verschiedenen Geschäftspartnern<br />
Auskunft über sein<br />
<br />
FOTOS: FML, FUNKE MEDIEN NIEDERSACHSEN, PRIVAT<br />
Nachhaltigkeitsbewertung<br />
Das Programm „Nachhaltige <strong>Land</strong>wirtschaft“<br />
der Deutschen <strong>Land</strong>wirtschafts gesellschaft<br />
fördert, dokumentiert, bewertet und<br />
kommuniziert die Arbeit von Agrarbetrieben.<br />
Die Bewertung basiert <strong>auf</strong> den drei Säulen<br />
Ökologie, Ökonomie und Soziales.<br />
Zusätzlich wird das Management einbezogen.<br />
Jede Säule ist in mehrere Themenfelder<br />
unterteilt (siehe Ziffern). So kann das<br />
<br />
Betriebs in seiner Gesamtheit oder in Teilbereichen<br />
nachgewiesen werden, ebenso<br />
die nachhaltige Produktionsmethode von<br />
Lebensmitteln.<br />
23
Möh<br />
Der<br />
Saisonkalender<br />
Wer sein Obst und Gemüse saisonal und<br />
regional k<strong>auf</strong>t, handelt klug und umweltbewusst<br />
Nachhaltigkeit im Alltag<br />
Erdbeeren mit Sahne im Winter oder<br />
Avocados aus Mexiko im Salat. Das sind<br />
natürlich leckere Zutaten. Aber ist ihr<br />
Erwerb auch ressourcenschonend und<br />
umweltbewusst? Sicherlich nicht.<br />
Lange Transportwege und hohe Energiekosten<br />
sprechen dagegen. Wer sich<br />
ökologisch sinnvoll ernähren möchte,<br />
setzt in jeder Jahreszeit <strong>auf</strong> Obst und<br />
Gemüse aus Deutschland. So haben<br />
deutsche Äpfel, die sechs Monate<br />
in einem Kühlhaus gelagert wurden,<br />
trotz<strong>dem</strong> immer noch einen kleineren<br />
CO 2<br />
-Fußabdruck als Äpfel aus Neuseeland.<br />
QUELLE: DER NACHHALTIGE WARENKORB<br />
Spargel<br />
Erdbeeren<br />
Feldsalat<br />
Juni<br />
Mai<br />
April<br />
März<br />
Äpfel<br />
Spargel<br />
Radieschen<br />
Karto<br />
Kartoffeln<br />
Februar<br />
Felds<br />
Januar<br />
Grünkohl<br />
FOTOS: TIMO JAWORR; ISTOCK: LIGHTFIELDSTUDIOS, BEATS3, LANDRAUSCH, ALTER_PHOTO, IRINA GELWICH, ALVAREZ, AVTG<br />
24
Heidelbeeren<br />
Verbraucher-Tipp<br />
Himbeeren<br />
Apfelernte<br />
Grünkohl<br />
Juli<br />
Himbeeren<br />
August<br />
Erdb eren<br />
September<br />
Kirschen<br />
Trauben<br />
feln<br />
Tomaten<br />
Äpfel<br />
Oktober<br />
Möhren<br />
ren<br />
Frühlingszwiebeln<br />
November<br />
alat<br />
Bohnen<br />
Grünkohl<br />
<br />
<br />
<br />
Dezember<br />
Frische Ernte Tunnelanbau Lagerware<br />
25
Birgit Schaut-Schwarz<br />
besucht mit ihrem ältesten<br />
Sohn Paul (10) den Außenbereich<br />
des Schweinestalls<br />
Starke Partnerschaft<br />
für mehr Tierwohl<br />
Birgit und Stefan Schaut-Schwarz sind Schweinemäster. Ihnen liegt das Wohl ihrer Tiere<br />
am Herzen. Deshalb beliefern sie auch nur einen Lebensmitteleinzelhändler, der das Fleisch<br />
und die Wurst ihrer Tiere verk<strong>auf</strong>t. Die Zusammenhänge erklärt die <strong>Land</strong>wirtin hier<br />
„Schweine sind sehr saubere Tiere“, erzählt Birgit Schaut-Schwarz.<br />
„Sie würden niemals ihren Stall, also ihr Wohn- und Schlafzimmer, als<br />
Toilette benutzen. Dafür ist der Ausl<strong>auf</strong> da.“ Gemeinsam mit ihrem Mann<br />
Stefan führt die Agrarwissenschaftlerin aus Baden-Württemberg einen<br />
Schweinemastbetrieb mit 110 Muttersauen und 2300 Mastschweinen.<br />
Von der Geburt bis zur Schlachtung<br />
sind die Tiere bei der Familie in<br />
einem voll klimatisierten Stall<br />
untergebracht. Dieser ist in einzelne<br />
Buchten für jeweils 20 Schweine unterteilt.<br />
Von jeder Bucht geht eine Tür nach<br />
draußen, hinter der sich ein Ausl<strong>auf</strong> be-<br />
gestreut<br />
ist, sind die Außenbereiche mit<br />
Spaltenböden ausgestattet, um Harn und<br />
Kot durchzulassen. Dadurch wachsen die<br />
Tiere in einer sauberen Umgebung <strong>auf</strong>.<br />
„Seit 2018 beliefern wir K<strong>auf</strong>land<br />
-<br />
<br />
Söhne. Dem Familienbetrieb ist dies nur<br />
recht. Zum einen haben sie die Sicher-<br />
<br />
abgenommen werden, und das zu einem<br />
<br />
der Betrieb einen Tierwohlbonus und<br />
einen Bonus für gentechnikfreie Fütterung,<br />
dadurch kann Familie Schaut-<br />
Schwarz eventuelle Überschüsse wie-<br />
<br />
nicht Gefahr, <strong>auf</strong> den Kosten sitzen zu<br />
<br />
Tierisch gut<br />
Neben 40 Prozent mehr Platz als gesetzlich<br />
vorgeschrieben erhalten die Tiere von<br />
Birgit Schaut-Schwarz Spielzeug und haben<br />
jeden Tag und zu jeder Stunde Zugang<br />
zu einem Ausl<strong>auf</strong> ins Freie. Die Schweine<br />
werden ausschließlich mit gentechnik-<br />
<br />
Stroh und Heu produziert der Hof <strong>auf</strong><br />
430 Hektar <strong>Acker</strong>- und Grünland selbst.<br />
Der Betrieb, der sich zwischen Ulm<br />
<br />
zertifiziert. Das ist ein Prüfsystem für<br />
sicherung<br />
vom <strong>Land</strong>wirt bis zur Ladentheke.<br />
Gleichzeitig sind die Eigentümer<br />
<br />
Damit ist der Hof zur Einhaltung von Kri-<br />
lichen<br />
Anforderungen hinausgehen, was<br />
<br />
„Ganz wichtig ist für uns auch, dass unsere<br />
Schweine hier <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Hof geboren<br />
werden und bis zur Schlachtung bei uns<br />
bleiben, dass wir sie also nicht aus <strong>dem</strong><br />
Ausland erwerben. Denn dort herrschen<br />
andere, zumeist mindere Standards als bei<br />
uns“, sagt Birgit Schaut-Schwarz.<br />
<br />
von externen Kontrolleuren überprüft.<br />
<br />
dass alle Tierwohl-Kriterien eingehalten<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
sich alle Tiere im ‚Schweinsgalopp‘. Das<br />
ist ganz normal zur Fütterung. Gibt es<br />
Streit oder geht es einem Tier nicht gut,<br />
erkennt man dieses an seinen Lauten<br />
<br />
geringelt, ist das ein positiver Gesundheitsindikator“,<br />
so die <strong>Land</strong>wirtin.<br />
Birgit Schaut-Schwarz setzt auch in<br />
Zukunft <strong>auf</strong> die Kooperation mit K<strong>auf</strong>land<br />
– aus ökonomischer und aus Tier-<br />
-<br />
<br />
k<strong>auf</strong>en. Vielleicht liegt es daran, dass sie<br />
registrieren, dass die deutschen <strong>Land</strong>wirte<br />
gemeinsam mit <strong>dem</strong> Einzelhandel<br />
gezielt in Tierwohl investieren.“ Und dass<br />
<br />
26
Meldungen<br />
Zum<br />
Basteln<br />
So baut man ein<br />
Insektenhotel<br />
Wer Wildbienen retten möchte, kann ihnen als lebenserhaltenden Witterungsschutz<br />
ein Zuhause bauen. Dafür gibt es Anleitungen für einfache Modelle<br />
(siehe QR-Code). Oder aus ein paar Holzbrettern und allerlei Materialien aus Keller<br />
und Garten entsteht ein ganz individuelles Hotel mit den typischen Stübchen.<br />
Hier geht’s zur<br />
Bastelanleitung<br />
von GEOlino:<br />
FOTOS: PRIVAT, DIES-IRAE/ISTOCK<br />
KURZ NOTIERT<br />
Zu gut für die Tonne<br />
Die „Community Kitchen“ in München<br />
betreibt ein ganz besonderes Restaurant.<br />
Hier landen Lebensmittel <strong>auf</strong> den<br />
Tellern, die sonst in den Müll gewandert<br />
wären. Rund elf Millionen Tonnen Essen<br />
werfen die Deutschen laut Bundesministerium<br />
für Ernährung und <strong>Land</strong>wirtschaft<br />
jährlich weg – viel davon noch genießbar.<br />
Die „Community Kitchen“ prüft, ob<br />
die Lebensmittel noch verzehrt werden<br />
können, und verarbeitet sie zu leckeren<br />
<br />
Der Boden des<br />
Jahres 2<strong>02</strong>3 ist<br />
der <strong>Acker</strong>boden<br />
Seit 2004 wird in Deutschland jährlich<br />
anlässlich des Weltbodentages der<br />
Boden des Jahres ausgerufen.<br />
Mit der Auszeichnung möchten die<br />
Initiatoren eine intensivere Diskussion<br />
über nachhaltige, standortangepasste<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft anstoßen.<br />
BUCHTIPPS<br />
Satt und<br />
unzufrieden<br />
Bauer Willi und<br />
das Dilemma der<br />
Essensmacher<br />
Rebellen<br />
der Erde<br />
Wie wir den Boden retten –<br />
<br />
Benedikt Bösel<br />
Deutschlands bekanntester<br />
bloggender <strong>Land</strong>wirt und<br />
Agrarwissenschaftler,<br />
Dr. Willi Kremer-Schillings,<br />
beschreibt in seinem Buch<br />
den Widerspruch zwischen<br />
den Ansprüchen der Bürger<br />
<strong>auf</strong> zum Beispiel mehr<br />
<strong>Artenvielfalt</strong>, Tierwohl und Klimaschutz und ihrem tatsäch-<br />
<br />
informativ, warum er (fast) alle Wünsche der Verbraucher erfüllen<br />
könnte, wenn sie die von ihnen gewünschten Produkte<br />
auch wirklich k<strong>auf</strong>en und bezahlen würden. Ein Dilemma, das<br />
nicht leicht zu lösen ist.<br />
Westend Verlag, 24 Euro<br />
Ob Klimawandel, Artensterben<br />
oder Bodendegradation,<br />
alle Krisen sind eng miteinander<br />
verwoben, und alle treffen<br />
sich in der <strong>Land</strong>wirtschaft.<br />
Dass es so nicht weitergehen<br />
kann, ist offensichtlich.<br />
<br />
elterliche Gut übernommen hat, sucht er nach Möglichkeiten,<br />
zerstörte Nährstoffkreisläufe wieder zu schließen, um damit<br />
Extremwetterereignissen und Ernteausfällen zu trotzen und<br />
<br />
der ehemalige Investmentbanker an seine Leserschaft lange<br />
ignoriertes und verloren gegangenes <strong>Wissen</strong> weiter.<br />
Scorpio Verlag, 26 Euro<br />
27
VOM BETRIEBSMANAGEMENT<br />
BIS ZUM BÖRSENHANDEL<br />
Der <strong>Land</strong>wirt als<br />
Unternehmer<br />
Tobias Honvehlmann aus Nordrhein-Westfalen<br />
<br />
und Krisenmanager in einer Person.<br />
Hier berichtet er über die Anforderungen in<br />
<br />
<br />
Wenn man an den alten<br />
Eichen vorbei <strong>auf</strong> den<br />
großen Hofplatz einbiegt,<br />
fällt der Blick<br />
<strong>auf</strong> die umliegenden<br />
Gebäude und Erweiterungen, die hier<br />
von Familie Honvehlmann aus Erle in<br />
den letzten zwei Jahrhunderten errichtet<br />
wurden. Der jüngste Bau ist eine Fahrsiloanlage<br />
von 2<strong>02</strong>1. Im ältesten Komplex,<br />
der Tenne aus <strong>dem</strong> Jahr 1851, sind<br />
heute die Kälber untergebracht. Hinzu<br />
kommen zwei Ställe mit Platz für jeweils<br />
60 Milchkühe, die 1993 und 2007 entstanden,<br />
eine Scheune für Futtermittel<br />
und Maschinen, Baujahr 1961, und das<br />
Wohnhaus, in <strong>dem</strong> Tobias Honvehlmann<br />
mit seiner Verlobten Vera Hülsken und<br />
seinen Eltern Ludger und Martina lebt.<br />
17 000 Euro verschlang allein der<br />
Unterhalt der Gebäude im letzten Jahr.<br />
28
FOTO: TIMO JAWORR<br />
Insgesamt entstanden <strong>dem</strong> Hof, <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />
50 Hektar <strong>Acker</strong>land und 30 Hektar<br />
Grünland bewirtschaftet werden, rund<br />
600 000 Euro Kosten im Jahr 2<strong>02</strong>2. Das<br />
Geld erwirtschafteten Ludger, Martina<br />
und Tobias Honvehlmann gemeinsam<br />
mit einer Auszubildenden. Am Jahresende<br />
haben sie eine positive Bilanz über<br />
170 000 Euro erreicht, eine Ausnahme.<br />
Im Schnitt der Jahre liegt die Betriebsbilanz<br />
eher bei 30 000 bis 60 000 Euro.<br />
Der Betrag wird in Tierwohl und in die<br />
betriebliche Modernisierung reinvestiert.<br />
„Dazwischen gab es allerdings<br />
auch Jahre mit negativer Betriebsbilanz“,<br />
erzählt Tobias Honvehlmann. Der<br />
27-Jährige machte 2<strong>02</strong>1 seinen Master<br />
in Angewandter Nutztierwissenschaft<br />
in Osnabrück.<br />
„Es ist schon eine<br />
besondere Leistung,<br />
1,3<br />
<br />
<br />
<br />
dass wir mit nur drei<br />
Arbeits kräften und<br />
einem Azubi einen<br />
so hohen Kapitaleinsatz<br />
bewegen.<br />
Die Investitionen für<br />
neue Gebäude oder<br />
Maschinen liegen zwischen<br />
300 000 und 500 000<br />
Euro. Die Summen müssen nach zehn<br />
bis zwanzig Jahren abgeschrieben und<br />
von uns erwirtschaftet worden sein“, erläutert<br />
der Junglandwirt.<br />
pro Jahr<br />
<br />
Für ihn ist die <strong>Land</strong>wirtschaft die Branche<br />
mit <strong>dem</strong> größten Optimismus. „Wir<br />
haben keinerlei Planungssicherheit.<br />
Jedes Jahr sind wir von Neuem zu 100<br />
Prozent <strong>auf</strong>s Wetter und die nicht vorhersehbaren<br />
Milchpreise angewiesen.<br />
Haben wir beispielsweise eine Dürreperiode,<br />
steigen unsere Kosten für Tierfutter<br />
ganz gewaltig, und es hat dabei<br />
auch noch eine schlechtere Qualität“,<br />
berichtet der junge Nordrhein-Westfale.<br />
Im vergangenen Jahr gab der Hof über<br />
die Hälfte der Betriebskosten für Tiernahrung<br />
aus. „Durch den Ukrainekrieg<br />
stiegen auch die Kosten für Düngemittel<br />
und Saatgut noch einmal exorbitant. Sie<br />
waren 2<strong>02</strong>2 doppelt so hoch wie sonst.“<br />
<br />
Immer wieder und un<strong>auf</strong>hörlich müssen<br />
<strong>Land</strong>wirte hohe Summen in ihre Betriebe<br />
investieren. „Wir haben die letzten<br />
Jahre viel Geld in mehr Tierwohl gesteckt.<br />
Uns liegen unsere Tiere sehr am<br />
<br />
und gesund unsere Kühe sind“, sagt der<br />
Agrar wissenschaftler.<br />
So tauschte die Familie den 28 Jahre<br />
alten Melkstand gegen zwei Melkroboter<br />
aus und schaffte Futteranschieberoboter<br />
und Spaltenroboter an. „Die Kühe können<br />
jetzt an je<strong>dem</strong> Tag der Woche zu<br />
jeder Stunde selbst entscheiden, ob sie<br />
gemolken werden wollen“, erklärt Tobias<br />
Honvehlmann die Arbeit der Roboter.<br />
„Durch den Futteranschieber kommen<br />
sie jederzeit an frisches Futter heran,<br />
und der Spaltenroboter hält den Stall<br />
durchgängig sauber.“<br />
Ein modernes Stallbelüftungssystem<br />
mit Wasservernebelung, Kuhbürsten<br />
und große Liegeboxen sor-<br />
<br />
der Tiere, genau wie ein<br />
neuer Außenl<strong>auf</strong>hof, den<br />
die Tiere an 365 Tagen<br />
im Jahr nutzen können.<br />
„Hinzu kommt, dass wir<br />
die Tiere sowieso mindestens<br />
120 Tage im Jahr<br />
<strong>auf</strong> der Weide halten“,<br />
sagt Honvehlmann.<br />
All diese Investitionen und<br />
ziell<br />
auch tragbar sein. Die Einnahmen<br />
des Hofs hängen vom jeweils aktuellen<br />
Milchpreis ab. Fällt dieser unter 45 Cent<br />
netto pro Liter, würden die Honvehlmanns<br />
Verlust machen und dadurch<br />
<br />
mehr nachkommen können, und das bei<br />
gleichbleiben<strong>dem</strong> Arbeits-, Zeit- und<br />
Kosten<strong>auf</strong>wand. „Zusätzlich müssen wir<br />
auch Pachten zahlen und unsere Maschinen<br />
warten beziehungsweise mieten“, so<br />
Tobias Honvehlmann.<br />
<br />
Dank der hohen Investitionen ins Tierwohl<br />
wurde der Hof mit der Premiumstufe<br />
des Tierschutzlabels ausgezeichnet.<br />
„Unser Betrieb wird regelmäßig<br />
und streng kontrolliert, ob wir auch alle<br />
Tierwohlpunkte einhalten. Aber die Ausgaben<br />
haben sich gelohnt. Wir haben uns<br />
im Bereich Tierwohl und Nachhaltigkeit<br />
zukunftsfähig <strong>auf</strong>gestellt“, freut sich der<br />
<strong>Land</strong>wirt. Zwar sei die Nachfrage nach<br />
Milch hierzulande leicht sinkend, aber<br />
Milchpulver ist beispielsweise ein Weltmarktprodukt,<br />
das an der Börse gehandelt<br />
und in vielen Ländern benötigt wird.<br />
„Natürlich beobachte ich die Kurse<br />
genau“, sagt Tobias Honvehlmann.<br />
-<br />
<br />
<br />
<br />
„Ebenso muss ich dar<strong>auf</strong> achten, wie<br />
sich Düngerpreise entwickeln und gegebenenfalls<br />
einen Vork<strong>auf</strong> tätigen, wenn<br />
ich der Ansicht bin, dass die Preise günstig<br />
sind.“ Ähnlich agiert der junge <strong>Land</strong>wirt<br />
auch in Sachen Treibstoffankäufe.<br />
„Hier sichern wir uns teilweise schon Vor -<br />
kontrakte.“<br />
Längst ist Tobias Honvehlmann nicht<br />
<br />
Tiere, sondern auch Buchhalter, Investor<br />
und Börsenspekulant in einer Person.<br />
„Diese abwechslungsreiche Arbeit<br />
in Kombination mit Natur und Tieren ist<br />
genau das, was mich so fasziniert.“<br />
Dafür ist der <strong>Land</strong>wirt und Unternehmer<br />
gemeinsam mit seiner Familie<br />
bereit, jedes Jahr <strong>auf</strong>s Neue das volle<br />
wirtschaftliche Risiko <strong>auf</strong> sich zu nehmen.<br />
So wie aktuell: „Die Molkerei sagte<br />
uns, dass sie die Prämie von 4 Cent für<br />
das Tierschutzlabel vielleicht bald nicht<br />
mehr zahlen könne, da sich das K<strong>auf</strong>verhalten<br />
der Verbraucherinnen und Verbraucher<br />
wieder geändert hat und sie<br />
weniger Geld für Milch zahlen wollen.“<br />
Kosten 2<strong>02</strong>2<br />
Futterkosten <br />
Sonstige Direktkosten <br />
Gebäudekosten <br />
Personalkosten <br />
Lohnunternehmer/<br />
Maschinenkosten <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
56,05 ct<br />
Zuschlag höherer Fettgehalt 0,49 ct<br />
Tierschutzlabel-Prämie<br />
4,00 ct<br />
Sonstige Qualitätszuschläge 0,25 ct<br />
Staffelzuschlag u.a.<br />
1,70 ct<br />
Milchauszahlungspreis/kg 62,49 ct<br />
<br />
66,86 ct<br />
*Januar 2<strong>02</strong>3<br />
29
„Fleisch gehört<br />
zur ausgewogenen<br />
Ernährung dazu“<br />
Die Tönnies-Gruppe ist der größte<br />
Fleischproduzent Deutschlands.<br />
Seit März 2<strong>02</strong>1 hat das Unternehmen<br />
auch ein eigenes Werk für vegetarische<br />
und vegane Fleisch- und Wurstprodukte.<br />
Der Veggie-Bereich wird von<br />
Maximilian Tönnies geleitet<br />
30
Lebensmittel<br />
FOTO: TÖNNIES<br />
Immer mehr Studien und Umfragen geben an, dass<br />
Verbraucherinnen und Verbraucher mehr für Tierwohl<br />
und qualitativ hochwertiges Fleisch ausgeben und<br />
dafür die Menge ihres sonst üblichen Fleischverzehrs<br />
reduziert haben. Machen Sie diese Erfahrungen auch?<br />
Die Studien kenne ich. Und es wäre schön, wenn die Ergebnisse<br />
im Alltag so eindeutig wären. In wirtschaftlich angespannten<br />
Zeiten k<strong>auf</strong>en viele Verbraucher preisbewusst ein,<br />
das ist nur verständlich. Unsere Aufgabe ist es, hochwertige<br />
Produkte von Tieren aus Tierwohlställen herzustellen. Dabei<br />
muss die Leistung der Bäuerinnen und Bauern belohnt werden,<br />
und für die Menschen müssen Fleisch und Wurst bezahlbar<br />
bleiben. Wir bringen dazu zwei Dinge unter einen Hut, nämlich<br />
handwerkliche Rezepturen in hochtechnischen Prozessen<br />
kostengünstig herzustellen.<br />
Viele Arbeitsschritte haben wir heute automatisiert. Das<br />
schafft Arbeitserleichterung für die Menschen in der Produktion<br />
und eine gleichbleibend hervorragende Qualität. Außer<strong>dem</strong><br />
ermöglicht es uns, höchste Hygienestandards zu erfüllen.<br />
Welche Zukunft haben klassische Fleischprodukte<br />
aus Deutschland?<br />
Fleisch gehört zur ausgewogenen Ernährung dazu. Es ist ein<br />
wichtiger Proteinlieferant und enthält zu<strong>dem</strong> viele Vitamine<br />
und Baustoffe, die unser Körper braucht. In Fleisch stecken<br />
die Vitamine B 1<br />
, B 2<br />
, B 6<br />
und B 12<br />
. Außer<strong>dem</strong> nehmen wir mit ihm<br />
Mineralstoffe wie Eisen, Zink und Selen <strong>auf</strong>. Schweine- und<br />
Rinderleber liefern zu<strong>dem</strong> noch Vitamin A und D. Für viele<br />
Menschen steht Fleisch für Genuss, zum Beispiel beim gemeinsamen<br />
Grillen, Kochen und Speisen. Das wird auch in<br />
Zukunft so sein. Wenn dabei das Bewusstsein für Tierwohl und<br />
Qualität wächst, freut mich das ganz persönlich. Tiere gehören<br />
zu einer nachhaltigen, an Nährstoffkreisläufen orientierten<br />
<strong>Land</strong>wirtschaft dazu. Sie dienen der Bodenfruchtbarkeit für<br />
mittel<br />
haben eine hohe Wertschätzung verdient.<br />
Immer mehr <strong>Land</strong>wirte setzen <strong>auf</strong> Tierwohl und höhere<br />
Haltungsstufen. Wird es in Deutschland bald nur noch<br />
<br />
Es gibt heute Tierwohlstandards mit unterschiedlichen Anforderungen,<br />
vom gesetzlichen Mindeststandard über Haltungsformen<br />
mit mehr Platz pro Tier, Offenställen ohne und mit<br />
Ausl<strong>auf</strong> bis hin zur Biohaltung. Die Stufen sind zum einen mit<br />
einem unterschiedlichen Maß an Tierwohl, zum anderen aber<br />
mit zusätzlichen Kosten verbunden. Nach meiner Erfahrung<br />
sind die Bäuerinnen und Bauern bereit, für mehr Tierwohl<br />
zu sorgen. Es muss sich jedoch für sie auch rechnen. Dass es<br />
<br />
ich nicht. Zumindest nicht, wenn die Mehrkosten allein vom<br />
Markt getragen werden müssen.<br />
Kann die Politik hier aktiv werden?<br />
Eine Kommission von Wirtschaft, Tierschutzverbänden, <strong>Wissen</strong>schaft<br />
und Politik hat der Bundesregierung empfohlen,<br />
einen Teil der erhöhten Kosten für Tierwohl aus <strong>dem</strong> Bundeshaushalt<br />
zu fördern, damit sich deutsche Höfe mehr Tierwohl<br />
<br />
Wahlmöglichkeiten wir heute<br />
haben. Das ist ein Zeichen von<br />
Wohlstand und Freiheit“<br />
im europäischen Wettbewerb überhaupt leisten können und<br />
gegenüber Fleisch aus zum Beispiel Spanien, Holland oder<br />
Dänemark konkurrenzfähig bleiben. Dies wird jedoch, so der<br />
aktuelle Stand, trotz aller Beteuerungen aus Berlin und trotz<br />
der wohlwollenden Forderungen der Bundesländer gegenüber<br />
der Bundesregierung nach meiner Einschätzung nicht kommen.<br />
So wird es an den Verbraucherinnen und Verbrauchern<br />
liegen, welche Produkte zukünftig nachgefragt und welche<br />
Leistungen honoriert werden. Ich setze mich dafür ein, dass<br />
Tierwohl zu einer Erfolgsgeschichte wird.<br />
Es gibt mittlerweile acht Millionen Vegetarier in Deutschland.<br />
Wie stufen Sie den Trend zu Fleischersatz ein?<br />
<br />
haben. Das ist ein Zeichen von Wohlstand und Freiheit. Auch<br />
wir bieten erfolgreich vegane und vegetarische Produkte an.<br />
Sie sind auch bei Flexitariern sehr beliebt. Flexitarier essen<br />
Fleisch, aber bewusster und seltener. Wir dürfen bei den acht<br />
Millionen Menschen, die <strong>auf</strong> Fleisch verzichten, nicht außer<br />
Acht lassen, dass für 90 Prozent der Bevölkerung auch in Zukunft<br />
Fleisch <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Teller wichtig sein wird.<br />
Ihr Ziel ist, bis 2<strong>02</strong>5 zu den führenden Fleischersatzherstellern<br />
zu gehören. Wie wollen Sie das erreichen?<br />
Mit Produkten, die <strong>dem</strong> Original aus Fleisch sehr nahekommen.<br />
Dass wir da <strong>auf</strong> einem guten Weg sind, zeigt die<br />
Nachfrage nach unseren Fleischersatzprodukten wie Hähnchennuggets,<br />
Veggi-Schnitzel, Veggie-Wurst, aber auch Veggie-Fischstäbchen<br />
und Räucher-Laxx.<br />
Sie stehen in zweiter Generation für ein<br />
Familienunternehmen. Was zeichnet Ihren Betrieb<br />
als Familienunternehmen aus?<br />
Ein Familienunternehmen tickt anders als eine von Shareholdern<br />
getragene Kapitalgesellschaft. Natürlich muss jedes<br />
Wirtschaftsunternehmen rentabel arbeiten. Aber wie in einer<br />
Familie leisten wir uns auch Überzeugungen, die nicht von<br />
Anfang an die großen Erträge versprechen – wie die Unterstützung<br />
von Tierwohlställen oder die eiweißreduzierte Fütterung<br />
von Schweinen.<br />
Schmecken Sie den Unterschied zwischen Bio- und<br />
konventionellem Fleisch?<br />
Vorneweg: Ich liebe gutes Essen mit Fleisch, Pasta, Gemüse<br />
und frischem Salat. Der Geschmack entsteht dabei im Stall<br />
und <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Feld. Die Rasse der Tiere und die Haltungsform<br />
sind dafür nicht unwesentlich. Und: Jedes Tier ist anders. Das<br />
kann man nicht eins zu eins vergleichen. Aber noch wichtiger<br />
ist der schonende Umgang mit den Tieren vom Stall über den<br />
Transport bis zur Schlachtung. Stress und Unwohlsein zerstört<br />
fast jeden Geschmack. Aber wenn das alles passt, und dar<strong>auf</strong><br />
achten wir sehr genau, dann kommt in der Küche das Potenzial<br />
zur Geltung, sowohl bei bio als auch konventionell.<br />
31
Lebensmittel<br />
Pflanzenexpertin Nina Blijdorp arbeitet als<br />
Produktmanagerin beim Saatgutunternehmen KWS<br />
Klein,<br />
rund,<br />
gesund<br />
Der Anbau von Erbsen hat sich in<br />
Deutschland in den letzten zehn<br />
Jahren fast verdreifacht.<br />
Kein Wunder: In den Mini-Powerkugeln<br />
stecken viele Nährstoffe.<br />
Und gut für die Umwelt sind sie auch<br />
Erbsen besitzen Superkräfte.<br />
Diese Erkenntnis hatte der Augustinermönch<br />
Gregor Mendel<br />
bereits vor 200 Jahren. Anhand<br />
von Kreuzungsexperimenten<br />
mit über 10 000 Erbsenpflanzen erforschte<br />
er, wie sich Eigenschaften von<br />
Pflanzen weitervererben. Seine Entdeckungen,<br />
die Mendelschen Regeln,<br />
waren zukunftsweisend und bilden die<br />
Grundlage der Vererbungslehre. Doch<br />
die einjährig rankenden Schmetterlingsblütler<br />
dienten nicht nur als Modellfrucht<br />
für den berühmtesten Erbsenzähler<br />
der Welt. Die Mini-Perlen, die<br />
in den Hülsen heranreifen, haben das<br />
Potenzial zum Superfood und sorgen für<br />
mehr Nachhaltigkeit <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Teller und<br />
<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Acker</strong>.<br />
Eiweiß vom <strong>Acker</strong><br />
Ob als frische grüne Erbsen aus <strong>dem</strong><br />
Garten oder als getrocknete, ausgereifte<br />
Körnererbsen vom Feld: Die heimischen<br />
Hülsenfrüchte, die zu den sogenannten<br />
Körnerleguminosen zählen,<br />
sind reich an Proteinen, Ballaststoffen<br />
und Vitaminen. Über 250 verschiedene<br />
Sorten gibt es inzwischen weltweit, die<br />
als Futterpflanze, Trockenspeiseerbse<br />
oder als Rohstofflieferant für die Nahrungsmittelindustrie<br />
Verwendung finden.<br />
„Erbsen gehören zu den ältesten<br />
Kulturpflanzen, die seit Tausenden von<br />
Jahren eine wichtige Rolle bei der Ernährung<br />
von Menschen und in der Tierfütterung<br />
spielen“, erklärt Nina Blijdorp,<br />
internationale Produktmanagerin für<br />
Hafer und Erbsen beim Saatgutunternehmen<br />
KWS. Die Nachfrage nach den<br />
regional angebauten Eiweißpflanzen<br />
wächst seit einigen Jahren stetig. „Vor<br />
allem Verbraucherinnen und Verbraucher<br />
der jüngeren Generation greifen<br />
häufiger zu alternativen, pflanzlichen<br />
Eiweißprodukten“, sagt die studierte<br />
Agrarwissenschaftlerin.<br />
Trendzutat Erbsenprotein<br />
Viele Nahrungsmittelproduzenten haben<br />
sich bereits <strong>auf</strong> die neuen Verbraucherwünsche<br />
eingestellt. Ein Blick in<br />
die Supermarktregale zeigt, dass es inzwischen<br />
eine große Anzahl an Lebensmitteln<br />
aus pflanzlichem Erbseneiweiß<br />
gibt. In Spezialverfahren hergestellte<br />
Mehle, Konzentrate und Isolate finden<br />
„Erbsen gehören zu den<br />
ältesten Kulturpflanzen,<br />
die seit Tausenden von<br />
Jahren eine wichtige Rolle<br />
bei der Ernährung von<br />
Menschen und in der<br />
Tierfütterung spielen“<br />
sich mittlerweile in „Schnitzeln“, Nudeln,<br />
Joghurt, Getränken, Eis oder Sportlerriegeln.<br />
Der Vorteil: Der Proteingehalt<br />
des überwiegend aus gelben Körnererbsen<br />
gewonnenen Eiweißisolats liegt bei<br />
bis zu 86 Prozent. Ob es in den nächsten<br />
Jahren möglich sein wird, Erbsen<br />
mit Fleischgeschmack zu züchten, um<br />
möglichst nahe an das tierische Originalprodukt<br />
heranzukommen, findet Nina<br />
Blijdorp nicht unbedingt entscheidend.<br />
„Essen ist heutzutage mit einem ganz<br />
anderen Bewusstsein verbunden. Vielen<br />
Verbrauchern ist es nicht mehr so wichtig,<br />
dass das pflanzliche Alternativprodukt<br />
tatsächlich nach Fleisch schmeckt.“<br />
Nachhaltige Symbiose<br />
Die Erbse ist nicht nur ein sehr guter<br />
Eiweißlieferant für Menschen und Tiere.<br />
Die Körnerleguminose bietet auch einen<br />
nachhaltigen Mehrwert für die moderne<br />
Agrarwirtschaft. Sie lockert getreideintensive<br />
Fruchtfolgen <strong>auf</strong>, fördert die<br />
Humusbildung und wirkt sich positiv <strong>auf</strong><br />
das Bodenleben aus. Die Besonderheit:<br />
Erbsenpflanzen leben in Symbiose mit<br />
Knöllchenbakterien, die sich an ihren<br />
Wurzeln ansiedeln. Die Bakterien sind<br />
in der Lage, Stickstoff direkt aus der Luft<br />
zu binden und ihn der Wirtspflanze für<br />
die Bildung von Eiweiß zur Verfügung zu<br />
stellen. Die Erbse versorgt sich <strong>auf</strong> diese<br />
Weise selbst, sodass <strong>auf</strong> die Anwendung<br />
FOTOS: KWS<br />
32
Grünes<br />
Wunder<br />
Erbsen sind<br />
reich an Nährstoffen<br />
und<br />
verbessern die<br />
Bodenqualität<br />
Buntes<br />
Erbsen-Allerlei<br />
Anb<strong>auf</strong>läche<br />
Mit 107 000 Hektar war die Erbsen-<br />
Anbau fläche 2<strong>02</strong>2 fast dreimal so<br />
groß wie 2013. Die größten Anb<strong>auf</strong>lächen<br />
befinden sich in den östlichen<br />
Bundesländern und in Bayern.<br />
Gute Ernte<br />
Rund 322 000 Tonnen betrug 2<strong>02</strong>2<br />
in Deutschland der Ertrag an getrockneten<br />
Körnererbsen. Im Zehnjahresvergleich<br />
ist die Erntemenge damit<br />
um 148 Prozent gestiegen.<br />
Reich an Nährstoffen<br />
Erbsen stecken voller Proteine und<br />
Ballaststoffe, dazu enthalten sie<br />
B-Vitamine, Eisen, Magnesium,<br />
und Zink. 100 Gramm Erbsen haben<br />
etwa 80 Kalorien.<br />
Was ist ein Erbsenzähler?<br />
Jemand, der alles ganz genau nimmt!<br />
Als im 15. Jahrhundert in München<br />
die Frauenkirche erbaut wurde,<br />
sammelte man Spenden von Pilgern.<br />
Um den Überblick nicht zu verlieren,<br />
wurde für jeden Spender, der das<br />
Isartor passierte, eine Erbse in einen<br />
Topf geworfen.<br />
QUELLE: BUNDESINFORMATIONSZENTRUM<br />
LANDWIRTSCHAFT<br />
von synthetisch hergestelltem Stickstoffdünger<br />
verzichtet werden kann.<br />
Mehrertrag bei Folgefrucht<br />
Auch die nachfolgenden <strong>Acker</strong>kulturen<br />
ziehen einen großen Nutzen aus <strong>dem</strong><br />
Anbau der Körnerleguminosen. Denn<br />
werden die Samen von Körnererbsen mit<br />
<strong>dem</strong> Mähdrescher geerntet, bleiben die<br />
Reste der Pflanze und sämtliche Wurzeln<br />
<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Feld zurück. Die darin enthaltenen<br />
Stickstoffvorräte stehen dann den<br />
Nachfrüchten zur Verfügung. Experten<br />
gehen davon aus, dass dadurch bis zu<br />
70 Kilogramm Stickstoff pro Hektar bei<br />
der Düngung der Folgekultur eingespart<br />
werden können. „<strong>Land</strong>wirte können dadurch<br />
nicht nur mineralische Stickstoffdüngemittel<br />
reduzieren, sie erzielen<br />
durch die natürliche Stickstoffanreicherung<br />
im Boden auch bis zu einer Tonne<br />
Mehrertrag der Folgefrucht pro Hektar“,<br />
erläutert Nina Blijdorp die Vorzüge der<br />
Erbsenpflanzen, die zusätzlich mit ihren<br />
Blüten Nahrung für viele Insekten bietet.<br />
Damit die Gesundheit der Erbsenpflanze<br />
langfristig erhalten bleibt und sie ihre<br />
ackerbaulichen Vorteile entfalten kann,<br />
sollte sie nur alle sechs Jahre <strong>auf</strong> derselben<br />
Fläche angebaut werden.<br />
Anbau vorantreiben<br />
Eine Studie der Boston Consulting Group<br />
geht davon aus, dass sich die Menge<br />
an pflanzenbasiertem Protein für die<br />
menschliche Ernährung bis 2035 verfünffachen<br />
wird – <strong>auf</strong> circa 70 Millionen<br />
Tonnen. Dennoch bilden die Körnerleguminosen<br />
im Vergleich zu den Hauptkulturarten<br />
wie Weizen eine Nischenkultur.<br />
Sie können <strong>Land</strong>wirten eine<br />
zunehmend attraktive Ergänzung bieten,<br />
weisen aber einen deutlich geringeren<br />
Ertrag <strong>auf</strong>. <strong>Land</strong>wirtinnen und <strong>Land</strong>wirte<br />
bauen bisher <strong>auf</strong> knapp zwei Prozent<br />
der Gesamtackerfläche in Deutschland<br />
Hülsenfrüchte an. Durch eine gezielte<br />
Eiweißpflanzen- und <strong>Acker</strong>baustrategie<br />
des Bundeslandwirtschaftsministeriums<br />
soll der Anbau bis 2030 <strong>auf</strong> zehn Prozent<br />
erweitert und für <strong>Land</strong>wirte attraktiver<br />
gestaltet werden. Auch das Saatgutunternehmen<br />
KWS geht mit der Zeit und will<br />
die Züchtungserfolge rund um die Erbse<br />
weiter ausbauen. Dazu Nina Blijdorp:<br />
„Erbsen sind faszinierende Pflanzen, die<br />
sich wunderbar für die regionale Proteinversorgung<br />
für Mensch und Tier anbieten.<br />
Um ihre Potenziale noch besser zu<br />
nutzen, werden neben Merkmalen wie<br />
Ertrag, Standfestigkeit und Protein gehalt<br />
zukünftig Geschmack, Textur und Verarbeitungseigenschaften<br />
des Erbseneiweißes<br />
eine noch größere Rolle in der<br />
Züchtung spielen.“<br />
33
Was<br />
blüht<br />
denn<br />
da?<br />
Rosen, Tulpen,<br />
Nelken – die meisten<br />
von uns kennen die<br />
Blüten dieser beliebten<br />
Schnittblumen. Aber<br />
wussten Sie, dass<br />
<br />
<br />
oder dass die Heil<br />
die für<br />
Samen und Öl bekannt<br />
ist, blau blüht?<br />
Hier stellen wir Ihnen<br />
<br />
<br />
Apfel<br />
Großer Auftritt Wer kennt sie<br />
nicht, die berühmte Apfelblüte<br />
im Alten <strong>Land</strong>. Die weiß-rosa<br />
Blüten zeigen sich mit den<br />
ersten warmen Sonnenstrahlen<br />
im Frühling<br />
Phacelia<br />
Anziehend Bienen lieben<br />
<br />
gleichzeitig als Bodenverbesserer<br />
bekannt ist.<br />
Ab Juni blüht Phacelia,<br />
die ursprünglich aus<br />
Arizona, Kalifornien und<br />
Mexiko stammt<br />
Lupine<br />
Majestätische<br />
Kerzen Ob weiß,<br />
gelb, weinrot oder<br />
lila – ab Mai zeigt<br />
die Lupine farbenfroh,<br />
warum sie<br />
den Schmetterlingsblütlern<br />
zugeordnet<br />
wird. Die Kultur-<br />
<br />
den ältesten Arten<br />
überhaupt. Ihre<br />
Samen sind sehr<br />
eiweißhaltig. Wilde<br />
Lupinen enthalten<br />
allerdings einen<br />
giftigen Bitterstoff<br />
Erbse<br />
Filigran Ihre wun-<br />
büschel<br />
duften<br />
zumeist und<br />
sind in verschiedenen<br />
Farben<br />
anzutreffen. Die<br />
Blütezeit fällt in<br />
den Sommer und<br />
dauert mehrere<br />
Wochen<br />
34
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<br />
Fanny-Zobel-Str. 7<br />
12435 Berlin<br />
<br />
info@moderne-landwirtschaft.de<br />
www.moderne-landwirtschaft.de<br />
Prächtig Ab Mitte Juni<br />
verwandeln sich ganze<br />
Leinfelder für ein paar Tage<br />
in blaue Blütenmeere<br />
Lein<br />
FOTOS: TIMO JAWORR; ISTOCK: GERMAN S62, ELEN11, BASIEB,<br />
KATHRYN8, BOBLING, ELENA GRISHINA, MIHAELA BUHOCI<br />
Verantwortlich für den Inhalt:<br />
Lea Fließ<br />
Projektverantwortlich: Renate Wegert<br />
Redaktion: Catrin Krawinkel<br />
Artdirektion, Gestaltung: Anja Giese<br />
Lektorat: Barbara Wirt,<br />
Schlussredaktion Hamburg<br />
Litho: Hockmart GbR<br />
Druck: Roelofs GmbH<br />
Neue Straße 2<br />
49808 Lingen<br />
Nachdruck und Reproduktion sind nach<br />
schriftlicher Genehmigung durch das<br />
Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft möglich.<br />
Im Interesse der Lesbarkeit haben wir <strong>auf</strong><br />
geschlechtsbezogene Formulierungen<br />
verzichtet. Selbstverständlich sind<br />
immer Frauen und Männer gemeint,<br />
auch wenn explizit nur eines der<br />
Geschlechter angesprochen wird.<br />
Raps<br />
Knallig gelb<br />
Rapsblüten gehören<br />
zu den wichtigsten<br />
Nahrungsquellen<br />
von Bienen.<br />
Für uns ist Raps<br />
eine der wichtigsten<br />
<br />
Kartoffel<br />
Nachtschattengewächs Wenn<br />
sie anfangen zu blühen, wissen<br />
<br />
Knollen in der Erde bildet<br />
Gerste<br />
Unscheinbar<br />
Gerste gehört zur Familie<br />
der Gräser. Ihre Blüte<br />
ist eher un<strong>auf</strong>fällig.<br />
Blütezeit ist zwischen<br />
Mai und Juni<br />
Gras<br />
Ohne Blätter Im Juni blühen<br />
Gräser in den unterschiedlichsten<br />
Formen und Farben.<br />
Blütenblätter entwickeln sie<br />
dabei nicht<br />
35
Reif für den<br />
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Forum Moderne <strong>Land</strong>wirtschaft