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Theater und Bild Inszenierungen des Sehens - transcript Verlag

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Einleitung: <strong>Theater</strong>, <strong>Bild</strong> <strong>und</strong> Vorstellung. Zur Inszenierung <strong>des</strong> <strong>Sehens</strong><br />

THEATERWISSENSCHAFT IM ZEICHEN DER SPRACHKRITISCHEN WENDE<br />

Die zweite entscheidende Entwicklung, die schließlich zum vollständigen<br />

Ausschluss <strong>des</strong> <strong>Bild</strong>es aus der <strong>Theater</strong>wissenschaft führte, fällt in die Zeit<br />

der siebziger <strong>und</strong> achtziger Jahre. War die <strong>Theater</strong>wissenschaft bis dahin darauf<br />

festgelegt, ihren Gegenstand vor allem über den Weg <strong>des</strong> geschichtlichen<br />

Abstands <strong>und</strong> der geschichtlichen Refl exion in Begriff en wie Bühnenkunst,<br />

Werk oder auch Mimus zu fassen, so erfolgte jetzt nach <strong>und</strong> nach die Abkehr<br />

vom Primat der Geschichte zugunsten einer stärkeren Hinwendung zu den<br />

Problemen der Auff ührung. Damit standen erneut deren besondere Wesenheiten<br />

wie Transitorik oder auch die Flüchtigkeit der Erscheinungen auf dem<br />

Plan. Ein entscheidender Wandel bestand darin, dass man von der Unwiederbringlichkeit<br />

der Auff ührung nicht auf einen schwankenden, Dauer <strong>und</strong> Beständigkeit<br />

nur vortäuschenden Werkbegriff auswich, sondern über eine allgemeine<br />

theoretische Bestimmung <strong>des</strong> <strong>Theater</strong>s hinaus den konkreten Kommunikationsprozess<br />

von gegenwärtigen Auff ührungen in den Blick nahm. 41<br />

Damit war zwar keine Entscheidung gegen die <strong>Bild</strong>haftigkeit <strong>des</strong> <strong>Theater</strong>s getroff<br />

en, aber der erneute Ausschluss <strong>des</strong> <strong>Bild</strong>es aus dem Untersuchungsspektrum<br />

der <strong>Theater</strong>wissenschaft erfolgte dennoch. Er ging mit der allmählichen<br />

Etablierung einer stabilen <strong>und</strong> theoretisch begründeten Methode einher, die<br />

heute unter anderem mit dem Begriff <strong>Theater</strong>semiotik überschrieben wird.<br />

Statt das ›Wesen‹ eines theatralen Ereignisses zu bestimmen, ging es nun<br />

darum, das Gesamtbild der Auff ührung in klar defi nierte Aspekte (Sprache,<br />

Bewegung, Licht etc.) zu diff erenzieren <strong>und</strong> zu analysieren, um sie dann auf<br />

einer gleichsam höheren Ebene als ein jeweiliges Zusammenspiel unter universellen<br />

Regeln zu deuten. Diese andere Ebene, die als eine stabile Struktur<br />

gegenüber der Vergänglichkeit <strong>des</strong> Augenblicks der Auff ührung im <strong>Theater</strong><br />

als retten<strong>des</strong> Ufer fungieren sollte, fand sich im Konzept der Auff ührung als<br />

Text. Mit diesem Ansatz konnten alle Vorgänge auf der Bühne in Zeichensystemen<br />

<strong>und</strong> Zeichenprotokollen erfasst <strong>und</strong> als Verweise auf eine höhere <strong>und</strong><br />

dauerhafte Sinnstruktur, eben den Text, verstanden werden. Damit stand der<br />

<strong>Theater</strong>wissenschaft nicht nur zum ersten Mal ein eff ektives Mittel zur Aufführungsanalyse<br />

zur Verfügung. Zugleich gelang ihr in der zeichentheoretischen<br />

Auseinandersetzung mit dem <strong>Theater</strong> der Anschluss an eine fachübergreifende<br />

Diskussion, in der es unter anderem darum ging, die menschliche<br />

Kultur insgesamt als Zeichensystem <strong>und</strong> als Text zu entschlüsseln. Was unter<br />

der Idee dieses universellen Textes im Hinblick auf das <strong>Theater</strong> zu verstehen<br />

ist, wurde häufi g formuliert <strong>und</strong> ausgelegt 42 <strong>und</strong> braucht an dieser Stelle<br />

nicht weiter erläutert zu werden. Hier soll im Folgenden allein auf die Gründe<br />

Hinblick auf seine kulturellen <strong>und</strong> künstlerischen Voraussetzungen. Vgl. hierzu Hans<br />

Belting: Das unsichtbare Meisterwerk. Die modernen Mythen der Kunst, München: C.H.<br />

Beck 1998, S. 20.<br />

41. Arno Paul: »<strong>Theater</strong> als Kommunikationsprozeß. Medienspezifi sche Erörterungen<br />

zur Entwöhnung vom Literaturtheater«, in: Diskurs 2 (1972), S. 55-77.<br />

42. Vgl. etwa Patrice Pavis: Semiotik der <strong>Theater</strong>rezeption, Tübingen: Gunter Narr<br />

1988. E. Fischer-Lichte: Semiotik.<br />

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