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Posamentervelotour - Juraparadies

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2. Halt Ziefen – Posamenterei und<br />

Landwirtschaft<br />

Hier in Ziefen an der Hauptstrasse 64 halten wir vor einem<br />

typischen Posamenterhaus. Das Haus wurde 1851 erbaut.<br />

Typisch sind die vielen und grossen Fenster und die hohen<br />

Stuben, die es erlaubten, genügend Licht und Platz für die<br />

Webstühle zu haben. Die Webstuben der Familien wurden<br />

relativ sauber gehalten und im Gegensatz zu den anderen<br />

Räumen mehrmals in der Woche gefegt. Es herrschte jedoch<br />

eine stickige und staubige Luft. Gelüftet wurde nur selten,<br />

da man Angst hatte die Kälte und Feuchtigkeit beeinträchtige<br />

die Qualität der Bänder. Das Haus enthielt ursprünglich<br />

2 – 3 Wohnungen und es ist anzunehmen, dass in jeder mindestens<br />

ein Webstuhl stand. Bei diesem Haus, wie auch bei<br />

vielen anderen Häusern entlang der Hauptstrasse, ist der<br />

kleine landwirtschaftliche Anbau auffällig. Da mit dem Posamenten<br />

ein wichtiger Teil des Einkommens erzielt wurde,<br />

wurde entsprechend mehr in das Wohnhaus investiert, und<br />

nicht hauptsächlich in das Ökonomiegebäude wie in anderen<br />

Gegenden.<br />

Im Industriegebiet vor Ziefen, welches wir gerade durchquert<br />

haben, steht auf der linken Seite noch das ehemalige<br />

Fabrikgebäude der Bandfabrik Senn & Co AG. (Heute befindet<br />

sich dort eine Brocken-Stube). Diese Firma vergab noch<br />

bis 1986 Webaufträge an Heimposamenter. 2001 schloss die<br />

Firma die Fabrik in Ziefen.<br />

Leben in der Webstube<br />

Die Einkünfte aus der Heimposamenterei waren für viele<br />

Familien in Ziefen und Umgebung überlebenswichtig. Nur<br />

von der Landwirtschaft oder den Einkünften als Handwerker<br />

konnten sie nicht leben. Deshalb mussten alle Familienmitglieder,<br />

die draussen entbehrt werden konnten, beim Posamenten<br />

mit anpacken. Die Webstube bildete das Zentrum<br />

des Familienlebens. Die kleinsten Kinder schliefen in der<br />

Webstube, während die grösseren mithalfen Seidenfäden<br />

von grossen Spulen auf kleine Spüeli zu übertragen (Bild).<br />

Im Jugendalter mussten sie schon mal alleine am Webstuhl<br />

stehen, wenn die Eltern keine Zeit hatten. Wegen des Termindruckes<br />

wechselte man sich ab, so dass bis spät in die<br />

Nacht gearbeitet werden konnte. Wurden die Aufträge von<br />

den Bändelherren aus Basel nicht rechtzeitig fertig, konnte<br />

es sein, dass man sobald keinen Auftrag mehr erhielt. Wenn<br />

im Sommer zu einem eiligen Auftrag auch noch schönes<br />

Wetter hinzu kam, arbeitete ein Posamenterbauer bis zu 20<br />

Stunden am Tag.<br />

2 Was glaubst du?<br />

Wie viel % machte Ende des 19. Jahrhunderts die Lohnsumme<br />

aus der Posamenterei am Einkommen im Kanton aus?<br />

E Nächster Halt<br />

Am Ende des Dorfes Ziefen geht es rechts hinauf, dort wo<br />

der Wegweiser nach «Seewen» zeigt. Die Route 3 bleibt auf<br />

der Hauptstrasse. Nach dem steilen Aufstieg und der Abfahrt<br />

folgen wir dem Wegweiser nach «Bretzwil». Wir halten wiederum<br />

beim Dorfbrunnen, vis-à-vis des Restaurants Blume.<br />

Fahrtdauer ca. 40min.<br />

� Die Geschwister Frieda und Walter Aerni vom Hof Fraumatt.<br />

Die Landwirtschaft wurde von einem verheirateten Bruder<br />

und einer anderen Schwester betrieben. Frieda und Walter<br />

hatten auf einem Bandwebstuhl mit einer mehrschiffligen<br />

Weblade Bonbonsäckli gewebt, die man mit einem Bändelizug<br />

zusammenziehen konnte. Diese Säckli wurden fixfertig<br />

mit einem eingelegten Bändeli zum Zusammenziehen des<br />

Säcklis gewebt. Es brauchte für dieses komplizierte Ecossais-<br />

Schlauchgewebe eine riesige Webkarte mit Hunderten von<br />

Lochkarten. Um auf das Einlegen des Zugbandes aufmerksam<br />

zu machen, war auf dem Webstuhl eine starke Glocke montiert.<br />

Einige Webschüsse vor dem Bandeinlegen wurde diese<br />

Glocke von der Jacquard mit einer Schnur gezogen und gab<br />

dann ein lautes, heimeliges Läutsignal. Dann musste Walter<br />

Aerni gut aufpassen und den Webstuhl im rechten Moment<br />

und bei der richtigen Geschirrfachstellung abstellen. Nachher<br />

schob er bei jedem Band das Zugbändeli durchs offene Fach.<br />

Aernis kelien Webstuhlglocke wurde später vom Dorfweibel<br />

Heinrich Furler-Rudin, genannt der «Chnöpflerheiri», zum<br />

Ausschellen von wichtigen Meldungen im Dorf verwendet,<br />

bei seiner eigenen alten Handglocke war nämlich ein Stück<br />

vom Glockenmantel ausgebrochen, so dass die Glocke keine<br />

schönen Klang mehr hatte. Er war natürlich hell begeistert<br />

von der schön hergerichteten, ehemaligen Webstuhlglocke.

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