11.09.2023 Aufrufe

Katalog Willi SIBER "Barocke Pracht", 2023

Der Katalog zeigt neue Arbeiten aus 2022-2023. Das Werk von Willi Siber bezieht seine Kraft aus einer Abstraktion, die elementare Gestaltung, Intuition und Assoziation überzeugend verbindet

Der Katalog zeigt neue Arbeiten aus 2022-2023. Das Werk von Willi Siber bezieht seine Kraft aus einer Abstraktion, die elementare Gestaltung, Intuition und Assoziation überzeugend verbindet

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Sabine Heilig<br />

GLANZ UND GLORIA –<br />

ENTDECKUNGEN FÜRS AUGE<br />

Herzlichen Glückwunsch zum Kunstpreis der VR-Bank Ostalb! In diesem<br />

<strong>Katalog</strong>, der begleitend zur Ausstellung erscheint, schreibt Joachim Haller<br />

»Zum Schönen« in deinem Werk. Darf Kunst heutzutage einfach nur<br />

schön sein? Mich verwundert, dass viele Künstlerinnen und Künstler gar<br />

nicht mehr auf die Eigenkraft der Kunst setzen. Heute ist es eher verpönt,<br />

wenn man sich mit Ästhetik und abstrakten Dingen »begnügt«. Daher finde<br />

ich es umso wichtiger, die Aspekte des Schönen, des Sinnlichen in meiner<br />

Arbeit immer wieder in den Vordergrund zu rücken. Eine solche Haltung zur<br />

Kunst scheint zunehmend verlorenzugehen, denn ein Großteil der Kunstschaffenden<br />

und viele Ausstellungen beschäftigen sich gegenwärtig mit<br />

wissenschafts- und gesellschaftspolitischen Themen.<br />

Fordert das die Kunstöffentlichkeit nicht ein? Mein Eindruck ist gegenwärtig<br />

ein anderer. Kunst ist immer eine Form der Reflexion. Sie kann gesellschaftliche<br />

Diskurse widerspiegeln und damit eine Plattform zur Auseinandersetzung<br />

mit der Wirklichkeit bieten. Sie kann aber auch andere Perspektiven<br />

einnehmen und auf die menschlichen Sinne abzielen. So wie das eine hat<br />

auch das andere seine Berechtigung. Es muss immer auch künstlerische<br />

Arbeiten geben, die auf die wesenhaften Dinge der Kunst, auf Farbe, Form<br />

und Licht setzen, denn viele Ausstellungsbesucher suchen und empfinden<br />

gerade darin Faszination, dass sie in eine andere Welt entführt werden, die<br />

weit weg ist von unseren tagespolitischen Dauerproblemen.<br />

Daher auch dieser Ausstellungstitel b.a.r.o.c.k.e.p.r.a.c.h.t.? Also das Barock<br />

ist ja der katholische Gegenpart zum Protestantismus. Dieser baut auf das<br />

Geistige, auf das Analytische und Hinterfragende. Das <strong>Barocke</strong> setzt im<br />

Gegensatz dazu auf die Sinnlichkeit, entführt in eine andere Welt. Der<br />

Betrachter soll eine Vorstellung davon bekommen, was Himmel sein könnte,<br />

indem alle Sinne angesprochen werden: die Bilder für die Augen und das<br />

Sehen, der Weihrauch für das Riechen, die Orgelmusik und der Gesang für<br />

das Ohr und das Hören, die Hostie und der Wein für den Geschmack. Da<br />

wird ein Gesamtkunstwerk angestrebt. Das <strong>Barocke</strong> legt Wert auf Ästhetik,<br />

Entführung, Pracht und Faszination. Dass meine Arbeiten ähnliche Wirkungen<br />

entfalten sollen, liegt durchaus in meinem Bestreben.<br />

Es ist auch dein Anliegen mit deinem Werk, »dem Einfachen, Unspektakulären<br />

Respekt und Glanz« zu verleihen, wie du es selbst einmal formuliert<br />

hast. Verwandlung ist ein Anliegen von mir. Durch Verwandlung entlockt<br />

man einfachen Dingen etwas, das nachher eine Magie entfaltet und einen<br />

entführt. Dafür gibt es viele Wege. Mein Weg führt hauptsächlich über die<br />

Oberflächen wie auch die Farben, über Epoxidharz und Lacke. Sie bilden<br />

Oberflächen, die am Ende wie Glanz und Gloria daherkommen.<br />

Bleiben wir beim Material. Ganz am Anfang – und das wissen nur wenige –<br />

hast du Skulpturen aus Marmor gemacht und bist in den 1980ern als<br />

Maler mit expressiv-figurativen Bildern gegen den Kalten Krieg und die<br />

Stationierung von Pershing-Raketen angetreten. Auch deine ersten Holzskulpturen<br />

waren farbig bemalt. Die nachfolgenden Werke mit gebrochenen<br />

Hölzern und Holzsplittern sind dann nur noch geweißt mit Kreide, Kalk,<br />

Leinöl. Diese Arbeiten wurden 2001 hier in der Galerie im Prediger unter<br />

dem Titel »Raum Nahrung« gezeigt. Zum Material Holz ist seither aber viel<br />

Neues hinzugekommen. Ich glaube, dass der Ursprung darin liegt, dass ich<br />

als Schreinersohn schon sehr früh mit Materialien verschiedenster Art vertraut<br />

wurde. Das ist Teil meines Lebens, der Umgang mit Holz. Alle Materialien<br />

haben für mich zunächst einmal eine Faszination und ich versuche,<br />

wenn ich einen Reiz darin entdecke, ihnen etwas Neues abzugewinnen,<br />

sozusagen einen Werdegang anzulegen – aus reiner Neugier und purem<br />

Interesse dem Material etwas zu entlocken, was man so nicht kennt. Das<br />

setzt natürlich die Materialerkundung voraus, also die eingehende Beschäftigung<br />

mit der unterschiedlichen Beschaffenheit. Ich habe keinerlei Scheu<br />

auch neue, industrielle Möglichkeiten mit ins Werk einfließen zu lassen.<br />

Das heißt, es gibt Arbeitsgänge im Prozess des Machens, die vielleicht vor<br />

zwanzig, dreißig Jahren so noch nicht möglich waren. Ich denke da zum<br />

Beispiel an neue Arten von Lacken und den experimentellen Umgang mit<br />

diesem Farbmaterial. Solche Verfahren sind für mich Mittel zum Zweck, um<br />

eine bestimmte künstlerische Idee auf den Punkt zu bringen. Dazu sind mir<br />

auch ganz unterschiedliche Mittel und Wege recht.<br />

Die Verwendung von Epoxidharz, das es seit 2002 in deinem Werk gibt,<br />

hat – im Nachhinein betrachtet – ganz neue Aspekte in dein künstlerisches<br />

Schaffen gebracht. Epoxidharz ist ein Zweikomponentenmaterial, das im<br />

Handling schwierig ist, aber, wenn man es mehrfach lasierend anwendet,<br />

schließlich eine Oberfläche bietet, die einen Tiefgang fürs Auge zulässt. Es<br />

entwickelt eine schöne Farbmagie und kommt mit einer anderen Leichtigkeit<br />

daher als eine deckende Öl- oder Acrylfarbe.<br />

Um einige deiner aktuellen Werkstoffe zu nennen: Da gibt es Bildträger<br />

aus Schaumstoff, PIR, MDF, Multiplex, Werke aus Stahl und Bronze. Dann<br />

Hightech-Farben wie Interferenzlack und Chromlack. Mit Letzteren lassen<br />

sich hochglänzende, reflektierende Oberflächen erzielen. In der Lackiertechnik<br />

sind diese Lacke am Ende sozusagen das oberste Segment. Und ich<br />

setze sie ja auch malerisch ein! Das ist keine Farbe, die die Oberfläche nur<br />

uniform und monochrom abschließt. Auch weiß ich, wie die verschiedenen<br />

Lacke auf den Betrachter wirken. Das Endresultat zielt ein Stück weit auf<br />

Perfektion und Vollkommenheit.<br />

Inwieweit beeinflusst die Wahl der Materialien die formale Gestalt? Oder<br />

andersherum gefragt: Steht die formale Idee immer am Anfang? Ich komme<br />

von der Bildhauerei und nicht von der Malerei. Wenn ich von der Malerei<br />

käme, würde ich mit dem Lack experimentieren und dann auch zufällige<br />

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