Absolventenzeitung Nr. 184
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„Zuständigkeiten“. Dabei hätte man<br />
schon bei Platons „Ideenlehre“ nachlesen<br />
können, dass es eine „Sinnenwelt“<br />
gibt: Das, was mit den 5 Sinnen erfassbar,<br />
messbar und wägbar ist. Demgegenüber<br />
gibt es die „Ideenwelt“ – allgemeingültige<br />
Erkenntnisse, die mit den<br />
Sinnen nicht erfassbar sind. Das Missgeschick<br />
war, dass die Autoritäten der<br />
katholischen Kirche die Schilderungen<br />
und Sinnbilder im „Alten Testament“<br />
als unverrückbare naturwissenschaftliche<br />
Wahrheiten betrachteten! Eine<br />
verhängnisvolle Entfremdung und<br />
Gegnerschaft nahm ihren Lauf.<br />
Ähnlich konfliktreich waren auch die<br />
Entwicklungen in philosophischen<br />
und gesellschaftspolitischen Fragen.<br />
Nach Reformation, Gegenreformation,<br />
Religionskriegen und Abwehrschlachten<br />
gegen die türkische Invasion kam<br />
jene Zeitspanne zwischen 1740 und<br />
1800, die wir als „Aufklärung“ kennen.<br />
Das Streben nach Freiheit und Vernunft<br />
wurde immer vehementer: Jeder<br />
Mensch sollte seinen Verstand gebrauchen<br />
und sich so aus seiner eigenen<br />
Unfreiheit befreien. Durch rationales<br />
Denken sollten alle den Fortschritt behindernden<br />
Strukturen überwunden<br />
werden. Dadurch entsteht Akzeptanz<br />
für neu erlangtes Wissen.<br />
„Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit“:<br />
Die Ideale der französischen Revolution<br />
1789 bis 1799 atmen geradezu<br />
den Geist der Aufklärung! Schrecklicherweise<br />
mündete sie in das Terrorregime<br />
der Jakobiner und schließlich<br />
in den neuen Absolutismus von Napoleon<br />
Bonaparte.<br />
Nationalismus, Faschismus und Nationalsozialismus<br />
sind die tragischen<br />
Früchte und perversen Auswüchse<br />
dessen, was Nietzsche sich in seinen<br />
Träumen vom Übermenschen<br />
vorgestellt hat: Der „Herrenmensch“<br />
der Nazis! Alles Beispiele für Gesellschaften<br />
und Ideologien OHNE GOTT!<br />
In seinem Buch: „Vor der Gefahr der<br />
Selbstauslöschung der Menschheit“<br />
bringt Herwig Büchele, SJ, die geistige<br />
Fehlentwicklung dramatisch auf den<br />
Punkt: „Der Mensch verfällt der Götzenwelt,<br />
wenn in seinem Leben keine positive,<br />
alternative, ihn tragende Erfahrung<br />
und Wirklichkeit aufleuchtet – eben die<br />
Erfahrung der Gegenwart Gottes in seinem<br />
Leben. … Ohne diese Gotteserfahrung<br />
nützt es wenig bis gar nichts, den<br />
Menschen zu ermahnen, den Sinn seines<br />
Lebens nicht in dieser Welt der Götzen<br />
zu suchen.“<br />
Ohne ethisches Fundament<br />
sind wir verloren<br />
„Wir haben den Wissenschaftstest bestanden,<br />
aber in Ethik sind wir durchgefallen!“<br />
Dieser Befund von UNO<br />
- Generalsekretär Antonio Guterres<br />
beschreibt die aktuelle Situation der<br />
Menschheit präzise. Ob Klimakatastrophe,<br />
verbrecherische Kriege,<br />
Ausbeutung, Terror, unverschämte<br />
Bereicherung etc.: Das Grundübel ist<br />
immer gleich: Entfesselte Gier; gewissenloses<br />
Handeln; ungezähmter<br />
Egoismus… Wie weise klingen da die<br />
2.500 Jahre alten „ZEHN GEBOTE“!<br />
Statt COGITO, ERGO SUM brauchen<br />
wir: COGITO, ERGO SUM – CREDO,<br />
ERGO SUM – AMO, ERGO SUM:<br />
Ich denke, ich glaube, ich liebe - also<br />
bin ich: Der ganzheitliche Mensch!<br />
„Das denkende Herz“<br />
Durch meine Frau bin ich einmal auf<br />
ein schmales Büchlein gestoßen:<br />
„Das denkende Herz – die Tagebücher<br />
von Etty Hillesum 1941 – 1943“. Die<br />
holländische jüdische Slawistik- und<br />
Psychologiestudentin Etty Hillesum,<br />
eine lebenslustige junge Frau, suchte<br />
in ihren Tagebucheintragungen mit<br />
letzter Konsequenz nach den Quellen<br />
ihrer Existenz – und das unter dramatischen<br />
Umständen: 1943 wurde<br />
sie von den Nazis in Auschwitz umgebracht.<br />
Eine ihrer Tagebucheintragungen<br />
wirkte auf mich wie ein kleines<br />
„Damaskus-Erlebnis“. „28. August 1941:<br />
In mir gibt es einen ganz tiefen Brunnen.<br />
Und darin ist Gott. Manchmal ist er für<br />
mich erreichbar. Aber oft liegen Steine<br />
und Geröll auf dem Brunnen und dann<br />
ist Gott begraben. Dann muss er wieder<br />
ausgegraben werden.“ „Ja, das ist es“,<br />
empfand ich spontan. Damit erschloss<br />
sich für mich ein Weg, den meine Frau<br />
bereits mit größter Intensität gegangen<br />
war. Ihr verdanke ich auf meinem<br />
spirituellen Weg das allermeiste. Ab<br />
der Lebensmitte hatte sie sich auf<br />
eine tiefgehende Gott- und Sinnsuche<br />
14 | Absolventen Rundschau