hERZwerk | Ausgabe 2023
Das Wirtschaftsmagazin für die progressive Provinz Erzgebirge mit allen Informationen zur Kooperationsbörse Zulieferindustrie Erzgebirge 2023.
Das Wirtschaftsmagazin für die progressive Provinz Erzgebirge mit allen Informationen zur Kooperationsbörse Zulieferindustrie Erzgebirge 2023.
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WIRTSCHAFTSMAGAZIN FÜR DAS ERZGEBIRGE
progressive Provinz
Aber hat sich nicht eine Mentalität
eingeschlichen, die von der Politik vollum-
»Wenn wir uns in Deutschland drei
Jahre lang fragen, ob wir über den
Winter kommen, dann ist das einer
Industrienation nicht würdig.«
hERZwerker
Unser Gesprächspartner:
Max Jankowsky, 1993 in Lichtenstein
geboren und heute in Lößnitz
wohnend, studierte Wirtschaftsingenieurwesen
Gießereitechnik in Bautzen
und absolvierte im Anschluss ein
Management-Masterstudium an der
CBS International Business School
in Mainz. Im Jahr 2020 übernahm
er die Geschäftsführerschaft der GL
Gießerei Lößnitz GmbH, die er gemeinsam
mit Jörg Kattermann innehat.
Das Unternehmen wurde 1849
in Lößnitz gegründet, inzwischen
ist es in dritter Generation in Familienbesitz.
Jankowsky ist seit 2020
Mitglied im Wirtschaftsbeirat Erzgebirge
und seit 2022 Botschafter des
Erzgebirges. Im Juni 2023 wählte ihn
die Vollversammlung der IHK Chemnitz
zu ihrem Präsidenten.
Europa und die Welt machen sich
Sorgen um den Wirtschaftsstandort
Deutschland. Wie viel Alarmismus steckt
dahinter oder wie alarmierend ist die Situation
wirklich?
Ich glaube, wir haben tatsächlich ein Problem
in den kommenden fünf bis zehn Jahren, den
sogenannten „Übergangsjahren“. Wir reden
von Brücken, die wir in die Zukunft bauen
müssen. Aber vielen fehlt eine Beschreibung
des Ufers, auf das wir mit diesen Brücken zusteuern.
Vielleicht haben manche Politiker
diese Vision, aber das geht im Dauerstreit der
Ampelkoalition in Berlin unter. Es gibt ganz
viele Ansätze vom Ausbau der Chip-Industrie
bis zur Elektrifizierung der Industrie, aber es
gibt keine Einigkeit. Vor allem aus wirtschaftlicher
Sicht können wir deshalb nichts über
die Zukunft dieses Landes erzählen. Wenn
wir uns in Deutschland drei Jahre lang fragen,
ob wir über den Winter kommen, dann
ist das einer Industrienation nicht würdig.
Das ist kein zuverlässiges Fundament. Und
das verunsichert viele.
Was würde helfen?
Uns fehlt so ein deutscher „Man on the
Moon“-Moment, der ausstrahlt, der uns Zuversicht
gibt und uns zeigt, wohin wir wollen,
wofür wir unsere Kräfte und auch unser Geld
einsetzen. Und selbst, wenn man trotzdem
bereit ist mitzumachen, in eine PV-Anlage zu
investieren oder Fachkräfte zu integrieren,
merkt man, dass man an Grenzen stößt. Behördengänge
dauern zu lang, die Netze sind
nicht vorbereitet auf zu viel Energie... Wenn
die Vision aus Berlin auf die Wirklichkeit in
Chemnitz oder im Erzgebirge stößt, merkt
man schnell: Es geht nicht so einfach, wie
man sich das vorstellt und wie man es sich
wünschen würde. Deshalb: Die Wirtschaft lamentiert
nicht, sondern sie fühlt sich an vielen
Stellen nicht gehört und nicht abgeholt.
Machen wir es konkret: Wird es Ihre
Gießerei in zehn oder zwanzig Jahren am
Standort Lößnitz noch geben?
Das ist eine gute Frage, aber ich sage mal: Na
klar! Zuversicht. Aber es wird eine Riesenaufgabe.
So, wie sie jetzt dort steht, wird sie nicht
mehr dastehen. Es wird viel passieren, wenn
wir den Weg beschreiten wollen: Es wird ein
neuer Ofen da sein, es wird Elektrifizierung
stattfinden. Und hoffentlich wird dieser
Strom auch „grüner Strom“ sein. Das macht
auch die Präsidentschaft so extrem spannend:
Dass in den kommenden sechs Jahren, die die
Amtszeit dauert, so viel passieren muss und
dann hoffentlich auch passiert, dass ich im
Prinzip eine ganz neue Firma haben werde.
Und nicht nur uns in Lößnitz, sondern die
gesamte Wirtschaft und die Gesellschaft werden
die kommenden sechs Jahre massiv prägen,
auch mit Landtagswahlen, Europa- und
zwei Bundestagswahlen. Da müssen wir erkennen,
dass wir mitgestalten können – und
dafür müssen wir uns alle einbringen. Damit
wir in sechs Jahren sagen können: Es war eine
herausfordernde Zeit, aber wir sind daran gewachsen.
Und glauben Sie, dass Ihre Gießerei
noch hauptsächlich für die deutsche Automobil-Industrie
arbeiten wird?
Erkennbar haben auch die großen Konzerne
gerade Strategieprobleme. Die Absatzmärkte
im östlichen Teil der Welt sind schwierig
und die asiatische Konkurrenz schläft auch
nicht, die ist richtig gut geworden. „Made
in China“ steht nicht mehr für Qualitätsmankos.
In dieser Hinsicht müssen wir das
„Made in Germany“ wieder stärken, uns darauf
fokussieren, was wir richtig gut können,
wo wir Spitzenleistungen liefern. Da müssen
auch unsere Automobilbauer flexibler sein
und ein bisschen schneller und im Denken
moderner werden. Ich denke, wir haben die
Chance, Autoland zu bleiben – aber die Konzerne
dürfen da jetzt nicht schlafen, sondern
müssen sagen: Wir arbeiten an einer bezahlbaren
Mobilität der Zukunft mit.
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»Wir müssen jetzt vieles nachholen –
und das möglichst schnell.«
Sie haben die kommenden Wahlen
angesprochen. In Interviews werden
Sie oft nach der aktuellen Stimmung in
Sachsen und im ganzen Land gefragt – als
Kammerpräsident betonen Sie Ihre politische
Neutralität. Aber was sagen Sie als
Unternehmer?
Selbst unser Bundeswirtschaftsminister sagt,
dass die aktuelle Lage und auch das, was wir
tun müssen auf dem Weg in die Zukunft, eine
Zumutung ist. Das kann ich unterschreiben.
Da brauchen wir als Industrie riesige Investitionsvolumina,
und zwar in Zeiten, wo die
Kassen bei vielen nicht besonders gut gefüllt
sind. Auch beim Staat nicht. Wir hatten in
den vergangenen Jahren vielleicht nicht die
große Notwendigkeit, unsere Infrastruktur
auf Elektrifizierung vorzubereiten, wir
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waren mit Gas auf der sicheren Seite. Jetzt
müssen wir vieles nachholen, auch in Sachen
Entbürokratisierung – und das möglichst
schnell. Deshalb ist es umso wichtiger, dass
wir die nächsten Schritte gut vorbereiten.
Dass wir kurz innehalten und dann hinterher
die notwendigen Schritte in der richtigen
Reihenfolge gehen. Hier inhaltlich konstruktives
Feedback zu geben, ist unsere Aufgabe.
Da ist auch jede Unternehmerin, da ist jeder
Unternehmer gefragt, in die eigene Belegschaft
hinein Sicherheit und Zuversicht auszustrahlen
und soweit es möglich ist, Politik
auch in konkrete gangbare Einzelschritte zu
übersetzen. Uns als Land dabei immer nur
schlecht zu reden, ist dabei nicht der richtige
Weg. Wenn wir das tun, geht es uns wirklich
irgendwann schlecht.
fängliche Dienstleistung erwartet? Wo ist
das „Wir packen das selbst an“ geblieben?
Da kann ich Ihnen recht geben. Wenn wir uns
unsere Nachbarn in Tschechien anschauen –
die haben sich in den vergangenen Jahren
enorm gut entwickelt, und das ohne große
Hilfe von außen. Das verbessert auch ihre Situation
im Wettbewerb mit uns. Wir müssen
das akzeptieren und dürfen nicht den Kopf
in den Sand stecken, wir müssen jetzt auch
„rankrachen“. Wir müssen für die Region auch
unabhängig von Berlin oder Dresden Konzepte
entwickeln. Wir müssen zusammenrücken,
uns unterpacken, als Region einen Konsens
finden und Märkte und Technologien entwickeln,
die eine Zukunft haben – im Zusammenschluss
mit der Kommunalpolitik, mit
Wissenschaft und Forschung, mit dem Ehrenamt
und auch mit der Gesellschaft. Das hat
uns auch in den vergangenen Jahrzehnten
stark gemacht – dazu müssen wir zurückkehren.
Wir müssen an die Industrie hier glauben,
an die Wirtschaft und sagen: Wir machen das!
Herr Jankowsky,
wir danken für das Gespräch.
© jd-photodesign, stock.adobe.com
IHK Chemnitz, Regionalkammer Erzgebirge
Geyersdorfer Straße 9a, 09456 Annaberg-Buchholz
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