29.11.2023 Aufrufe

m&k_11_12_2023

m&k ist ein Schweizer Wirtschaftsmagazin mit Fokus auf globale Entwicklungen, Strategie, Inspiration, Kommunikation und Kreativität. In dieser Ausgabe widmen wir uns unter anderem den grossen Gesellschaftsthemen Gleichheit, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit - mit Tennis-Ikone Billie Jean King, ISS-Kommandeur Col. Chris Hadfield und Nobelpreisträger Prof. Sir Angus Deaton.

m&k ist ein Schweizer Wirtschaftsmagazin mit Fokus auf globale Entwicklungen, Strategie, Inspiration, Kommunikation und Kreativität. In dieser Ausgabe widmen wir uns unter anderem den grossen Gesellschaftsthemen Gleichheit, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit - mit Tennis-Ikone Billie Jean King, ISS-Kommandeur Col. Chris Hadfield und Nobelpreisträger Prof. Sir Angus Deaton.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Das Magazin für Markt und Kommunikation <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong><br />

Weil Wandel möglich ist<br />

Deaton, King, Hadfield: Wofür wir uns jetzt engagieren müssen > S. 8<br />

Fakten und Fiktion:<br />

Irrtümer der Werbewirtschaft<br />

> S. 40<br />

Kaepernick und Konsorten:<br />

Purpose-Marketing im Fokus<br />

> S. 68<br />

Werbegeld und Wirkung:<br />

So war das Medienjahr <strong>2023</strong><br />

> S. 108


Die wirkungsvollste<br />

Werbeplattform für Retail Media<br />

Werben Sie, wo Ihre Kunden sind.<br />

Mit Coop Cross Impact begleiten Sie täglich Kunden zuhause, unterwegs und am POS,<br />

bis der Kaufentscheid fällt. Wir verfügen über die Kanäle für Ihren idealen Werbemix.<br />

Machen Sie Ihre Zielgruppe mit kanalspezifischer Werbung zu Käufern – ganz ohne Streuverlust.<br />

coop.ch/retail-media


EDITORIAL<br />

3<br />

Bilder: Chris Reist.<br />

Co-Chefredaktorin<br />

Anna Kohler<br />

Co-Chefredaktor<br />

Johannes Hapig<br />

Es geht doch!<br />

J<br />

edes Jahr versuchen wir, uns in der Dezemberausgabe<br />

dieses Magazins einigen grossen, gesellschaftlichen Trends<br />

anzunähern – sie zu erklären, besser zu verstehen oder (mindestens)<br />

aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Vielleicht<br />

erinnern Sie sich, liebe Leser:innen, noch an das Cover<br />

vom Dezember 2022: Damals druckten wir tektonische Platten<br />

auf unsere Front und sprachen mit einem Philosophieprofessor,<br />

einem Kurator sowie dem ehemaligen Verteidigungsminister<br />

der USA über den bebenden Boden, auf dem wir alle einen feste(re)n<br />

Stand zu finden versuchten. Die Coronapandemie hatte<br />

uns noch wesentlich stärker im Griff als heute, wir fürchteten eine<br />

Energiekrise. Beides hat sich mehr oder weniger erledigt, dafür<br />

sind mittlerweile andere Herausforderungen hinzugekommen.<br />

Vor dem Hintergrund selbiger haben wir die Begriffe Gleichheit,<br />

Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit auserkoren – Termini, die im<br />

gesellschaftlichen Diskurs eine enorm wichtige Rolle spielen und<br />

über die wir mit Ihnen (und den Persönlichkeiten auf unserem<br />

Cover) sprechen möchten. Kritisch, aber auch mit einer Portion<br />

Optimismus: Tennisikone Billie Jean King zeigt, dass Gender-<br />

Equality kein hehres Ideal bleiben muss, sondern durchgesetzt<br />

werden kann. Professor Sir Angus Deaton, Träger des Wirtschaftsnobelpreises,<br />

legt überzeugend dar, dass sich Armut mit den<br />

richtigen Massnahmen mitigieren lässt. Und Colonel Chris Hadfield,<br />

erfahrenster Astronaut der Welt und ehemaliger Kommandeur<br />

der ISS, erklärt, wie internationale Kooperation und Wissenschaft<br />

uns nicht nur eine nachhaltige Zukunft sichern – sondern<br />

wie wir damit auch von Reisen weit jenseits der uns heute bekannten<br />

Grenzen träumen dürfen. «Es geht doch!», rufen uns<br />

King, Deaton und Hadfield zu; wir müssen nur daran glauben,<br />

uns engagieren, mutig sein. Wir wünschen Ihnen, dass Sie das<br />

2024 schaffen – und sind auch dann für Sie da.<br />

Auf bald, Ihre –<br />

Anna Kohler und Johannes Hapig<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


4<br />

INHALT<br />

Big Picture<br />

8 «Mein Lieblingswort? Freiheit!»<br />

Tennis-Ikone Billie Jean King und<br />

ihr Kampf für gelebte Equality.<br />

16 Von oben betrachtet …<br />

ISS-Kommandeur Chris Hadfield über<br />

Nachhaltigkeit aus Weltraumperspektive.<br />

24 Mehr Gerechtigkeit wagen<br />

Nobelpreisträger Sir Angus Deaton erklärt,<br />

wie sich soziale Ungleichheit mildern lässt.<br />

32 Für eine Wirtschaft, die dient<br />

Ein kritischer Essay von Kommunikationsund<br />

Ethikexperte Dr. Stephan Feldhaus.<br />

MarKom<br />

40 «They don’t give a shit»<br />

Konsument:innen kümmern sich nicht um<br />

Werbetheorie – sie wollen Unterhaltung.<br />

45 Die dunkle Seite des Black Friday<br />

HSG-Professorin Johanna Gollnhofer<br />

zu den Negativaspekten des Aktionstags.<br />

46 Go big – or go home?!<br />

Wieso Grossflächenwerbung einer der<br />

Advertising-Trends für 2024 wird.<br />

52 Blue Glass: Hinter den Kulissen<br />

m&k zu Besuch bei Zürichs Spezialist:-<br />

innen für SEO, SEA und Social Media.<br />

58 Livekommunikation 2.0<br />

Wie neue Technologie die Erlebnisindustrie<br />

revolutioniert.<br />

62 Wenn weniger mehr ist<br />

Woher kommt der Trend zum Minimalismus?<br />

Und was bedeutet er für die Wirtschaft?<br />

66 Die Genese einer Idee<br />

Dr. Alexander Haldemann über Offenheit<br />

für die Welt als Quelle von Inspiration.<br />

68 Profit, Purpose – oder beides?<br />

Wann Marketing mit «gutem Zweck» Sinn<br />

macht – und wann es zum Risiko wird.<br />

72 «Viele wissen zu wenig über Geld»<br />

Smartpurse-Gründerin Olga Miler im<br />

exklusiven Porträt.<br />

© unsplash.com / Annie PM<br />

Verbraucher:innen kümmern sich nicht um Werbephilosophie<br />

– sie wollen Unterhaltung. Seite 40<br />

76 Link wird You Gov – und nun?<br />

Was der Merger für die Meinungsforschung<br />

in der Schweiz bedeutet: ein Interview.<br />

Kreativity<br />

82 Gut gebrüllt, Löwe!<br />

Kinovermarkter Moritz Weischer notiert Cannes-<br />

Learnings, die auch 2024 Bestand haben.<br />

86 Sir Mary x Myty<br />

Eine der erfolgreichsten Agenturen der Schweiz<br />

tritt dem Myty-Network bei. Wir fragen, wieso.<br />

90 Ist Disruption noch disruptiv?<br />

IAA-Präsident und TBWA-Chef Matthias Kiess<br />

zur Genese eines Branchen-Buzzwords.<br />

94 Audrey Arnold übernimmt<br />

Die neue LSA-Geschäftsführerin verrät, wie<br />

sie den Agentur-Verband prägen möchte.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


5<br />

© unsplash.com / Nick Francher<br />

Neue Technologie<br />

revolutioniert die<br />

Livekommunikation:<br />

Eine Utopie.<br />

Seite 58<br />

Medien<br />

100 20 Jahre Crossmedia-Award<br />

Das grosse Special zum Jubiläum des<br />

populären Goldbach-Preises.<br />

108 «Was für ein Jahr!»<br />

Leicht war’s nicht: Medien- und Mediaprofis<br />

lassen <strong>2023</strong> Revue passieren.<br />

Vielen mangelt<br />

es an finanzieller<br />

Bildung. Olga<br />

Miler will das<br />

ändern.<br />

Seite 72<br />

Ist Disruption noch disruptiv? Genese eines Branchen-Buzzwords.<br />

Seite 90<br />

© zVg. Olga Miler<br />

© unsplash.com / Ezekiel Elin<br />

Sustainability<br />

<strong>12</strong>0 Vom Piloten zum Klimaschützer<br />

Daniel Lüscher sieht die fragile Schönheit<br />

der Erde – und gründet «My Blue Planet».<br />

<strong>12</strong>4 Das Plastik-Glas-Paradoxon<br />

Der Scopes-Report zeigt: Nachhaltigkeit<br />

lässt sich nicht «einfach so kommunizieren».<br />

<strong>12</strong>8 Im grünen Labyrint<br />

Wirz und die HSG geben Tipps<br />

für nachhaltige Firmen-Botschaften.<br />

130 Marketing als Energiefresser?<br />

Wer die Umwelt schützen will, darf den<br />

digitalen Raum nicht aussen vor lassen.<br />

134 Die Umwelt-Dividende<br />

Wie die ZKB ihre Finanzgeschäfte auf<br />

Sustainability prüft.<br />

Friends<br />

137 Verbandsbeiträge<br />

Neuigkeiten aus den Schaltzentralen<br />

unserer Partnerverbände.<br />

Rubriken<br />

156 Meetingpoints<br />

157 Impressum<br />

ANZEIGE<br />

Die Jobplattformen für Kommunikation & ICT:<br />

• reichweitenstark und trotzdem zielgruppenfokussiert<br />

• CV-Datenbank mit Matchingtool «QualiProfil»<br />

• Social Media-, Partnernetzwerk- und Fachmedien-Präsenz<br />

VON FACHLEUTEN FÜR FACHLEUTE: Kommunikation, Marketing, Medien, Informatik & Telekommunikation<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Unser Schwerpunkt:<br />

Ihre Leichtigkeit.<br />

Das ist, was bei uns zählt.<br />

Private Banking


7<br />

Big Picture<br />

R EPUTATION<br />

Ist der Ruf erst<br />

ruiniert …<br />

… lebt es sich ganz<br />

ungeniert? Das mag<br />

ein gefälliger Spruch<br />

sein; insbesondere für<br />

Unternehmen gilt<br />

aber das exakte<br />

Gegenteil. Wer sich<br />

nicht um das Management<br />

seiner Reputation<br />

kümmere, der<br />

nehme in Kauf, dass<br />

mittel- bis langfristig<br />

der Wert der eigenen<br />

Marke (und damit der<br />

gesamten Firma)<br />

sinke. Das erläutert<br />

die Reputations- und<br />

Transformationsexpertin<br />

Diana Brasey<br />

im Interview:<br />

> t.ly/ZgypM<br />

KOLUM NE BY BENNO M AG GI<br />

Bilder: unsplash.com, Vinicius Amano / Philip Oroni<br />

Most of the<br />

things worth<br />

doing have<br />

been declared<br />

impossible<br />

before they<br />

were done.<br />

Louis Brandeis<br />

Amerikanischer Jurist<br />

Was bedeutet eigentlich … «It’s a wrap»?<br />

S<br />

chon bald werden wir ihn wieder hören, diesen Satz, der zumeist<br />

irgendwann Mitte Dezember erklingt: «It’s a wrap!» Doch was bedeutet<br />

er eigentlich? Nun: Ende Jahr wird zwar jeweils auch in den<br />

hiesigen Marketingabteilungen, Agenturen und Produktionsfirmen<br />

aufgeräumt. Aber anders. Die über das Jahr aufgeschobenen Projekte<br />

werden noch husch, husch vor dem Jahresende umgesetzt und reingepresst,<br />

damit die Budgets aufgebraucht werden, denn diese könnten ja sonst<br />

nächstes Jahr gekürzt werden. Das wiederum führt zu Überstunden, die<br />

dann in den Agenturen sang- und klanglos gestrichen werden, da die Zeiten<br />

ja hart sind. Dabei sind Überstunden eigentlich vor allem Zeichen eines<br />

schlechten Projektmanagements und kein Leistungsausweis. Ein Ausruf, der<br />

also eigentlich positiv gedacht war, im Sinne von «Wir haben es geschafft»,<br />

«Wir können zusammenpacken», wird plötzlich negativ konnotiert: «Wem<br />

das nicht passt, kann zusammenpacken.» Egal also, ob eine bestimmte<br />

Szene, ein Drehtag, ein Meilenstein in einem Projekt oder gar ein ganzes<br />

Jahr: Wenn die letzte Klappe fällt, alle Szenen im Kasten sind und wir uns<br />

ans Zusammenpacken machen können, dann sollten wir gut gelaunt sein.<br />

Denn es ist Schluss. Oder Pause. In diesem Sinne frohe Festtage.<br />

> Benno Maggi ist CEO bei Partner&Partner.<br />

E-COMMERCE<br />

Onlinehandel:<br />

Zeichen auf Erfolg<br />

Auch wenn das<br />

allgemeine Konsumklima<br />

aktuell getrübt<br />

wirkt – im Onlinehandel<br />

ist davon wenig<br />

zu bemerken. In den<br />

Prognosen für Aktionstage<br />

im vierten<br />

Quartal sowie das<br />

Weihnachtsgeschäft<br />

wird die Kauflust der<br />

Bevölkerung deutlich:<br />

> t.ly/tTkJo<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


8<br />

GLEICHBERECHTIGUNG<br />

«Mein<br />

liebstes<br />

Wort ist<br />

Freiheit»<br />

Billie Jean King hat das Damentennis stärker verändert als jede andere<br />

Spielerin vor oder nach ihr, aber ihr Kampf für Gleichberechtigung<br />

geht weit über den Sport hinaus. In einem exklusiven Interview mit<br />

m&k spricht «BJK» über die Lehren der Vergangenheit<br />

und ihre Pläne für die Zukunft.<br />

Von Johannes Hapig<br />

Illustration Silvan Borer<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong><br />

9


10<br />

D<br />

ie Katakomben des Estadio de<br />

la Cartuja in Sevilla gleichen<br />

einem Labyrinth aus Beton. Es<br />

ist kühl hier – viel kühler als<br />

draussen, wo auch an diesem Novembermontag<br />

noch an die 20 Grad Celsius<br />

gemessen werden – und überall wird mit<br />

Hochdruck gearbeitet: Der Final des<br />

Billie Jean King Cup steht an, Schilder<br />

und Plakate werden montiert, Hospitality-Personal<br />

macht sich mit der Location<br />

vertraut. In der Mitte des Stadions stehen<br />

riesige Zelte, die man auch mit einer<br />

Medienakkreditierung nicht betreten<br />

darf. «Dort», so erklärt mir ein Kollege,<br />

«wird ab morgen gespielt.<br />

Da dürfen wir noch<br />

nicht rein.»<br />

Mich stört das nicht besonders,<br />

denn ich bin nicht in<br />

erster Linie wegen der hochklassigen<br />

Tennismatches in den Süden Spaniens<br />

gereist, sondern wegen der Frau,<br />

nach der der Billie Jean King Cup benannt<br />

ist: Eine der populärsten Persönlichkeiten<br />

in der Geschichte des Sports<br />

und die wohl wichtigste Kämpferin für<br />

die Gleichberechtigung im Tennis – von<br />

allen hier nur «BJK» genannt – hat einem<br />

exklusiven Interview mit m&k zugestimmt.<br />

Als sie in dem Besprechungszimmer<br />

erscheint, das ich nach langer<br />

Suche gefunden habe (und das ein<br />

schmallippiger, schottischer Hüne bewacht),<br />

füllt sich der Raum sofort mit<br />

Energie. «Sie hat eine Menge davon»,<br />

wird ihr persönlicher Publizist Tip Nunn<br />

wenig später anmerken – und dementsprechend<br />

übernimmt BJK unmittelbar<br />

das Gespräch.<br />

M&K Vielen Dank, dass Sie mich hier in<br />

Sevilla treffen. Ich …<br />

BILLIE JEAN KING … bevor wir anfangen –<br />

hatten Sie schon die Gelegenheit, mit<br />

dem Schweizer Team zu sprechen?<br />

Belinda (Bencic, Anm. d. Red.) hat<br />

gerade verkündet, dass sie ein Baby<br />

bekommt. Sie konnte uns das Geschlecht<br />

noch nicht verraten, aber<br />

solange es gesund ist, ist das doch<br />

völlig egal (lacht) – wunderbare Neuigkeiten,<br />

finden Sie nicht? Ich erinnere<br />

mich, wie ich sie vor vielen Jahren zum<br />

ersten Mal auf dem Platz sah und<br />

schon damals dachte, dass sie mal<br />

«Im Los Angeles Tennis Club<br />

merkte ich intuitiv: Hier ist irgendetwas<br />

ganz und gar nicht okay.»<br />

«Als ich meinen ersten<br />

Schläger bekommen hatte,<br />

sagte ich meiner Mutter:<br />

‹Ich werde die beste<br />

Tennisspielerin der Welt›.»<br />

Zur Person<br />

Billie Jean King, auch<br />

bekannt als «BJK», ist eine<br />

ehemalige amerikanische<br />

Tennisspielerin, Unternehmerin<br />

und Aktivistin für<br />

Gender Equality und<br />

LGBTQI+-Rechte. Während<br />

ihrer Karriere als Sportlerin<br />

gewann King 39 Grand-<br />

Slam-Titel: <strong>12</strong> im Einzel,<br />

16 im Damendoppel und<br />

<strong>11</strong> im gemischten Doppel.<br />

King, die von vielen als eine<br />

der grössten Tennisspielerinnen<br />

aller Zeiten angesehen<br />

wird, erhielt zahlreiche<br />

Würdigungen und Ehrentitel<br />

– unter anderem die<br />

Presidential Medal of<br />

Freedom, die Mitgliedschaft<br />

in der französischen Ehrenlegion<br />

und die Auszeichnung<br />

als eine der hundert<br />

«wichtigsten Amerikanerinnen»,<br />

verliehen durch das<br />

LIFE-Magazin.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>11</strong><br />

eine fantastische Spielerin wird. Absolut<br />

fantastisch.<br />

Ja, ich habe von der Schwangerschaft<br />

gelesen, die Schweizer Medien haben<br />

breit darüber berichtet. Und es ist<br />

spannend, dass Sie Belinda Bencic<br />

erwähnen – denn ich wollte dieses<br />

Gespräch ohnehin mit der Frage nach<br />

einer jungen Spielerin beginnen: Coco<br />

Gauff, die dieses Jahr den Frauen final<br />

der U.S. Open gewonnen hat. Als man<br />

ihr die Trophäe und den zugehörigen<br />

Scheck überreichte, sagte sie: «Danke,<br />

Billie, dass du für das hier gekämpft<br />

hast.» Sie standen da direkt neben<br />

ihr – und ich habe mich gefragt, was<br />

Sie in diesem Moment empfunden<br />

haben?!<br />

Ich schätze es sehr, dass Coco weiss,<br />

wie hart der Kampf um gleiches<br />

Preisgeld im Damentennis gewesen ist.<br />

Wir haben dieses Jahr ja das 50-Jahre-<br />

Jubiläum von gleichem Preisgeld bei<br />

den U.S. Open gefeiert, deswegen war<br />

ich wohl nicht zu übersehen, wenn<br />

man sich das Turnier angeschaut hat …<br />

Ob das gut oder schlecht ist, können<br />

Sie entscheiden … (lacht) – jedenfalls<br />

hingen überall Poster mit meinem<br />

Konterfei, die mehrmals nachgedruckt<br />

werden mussten, weil sie immer<br />

wieder ausverkauft waren. 1973 war<br />

ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur<br />

Gleichberechtigung von Frauen im<br />

Tennis. Und obwohl es dann mehrere<br />

Jahrzehnte dauerte, bis sich mit<br />

Wimbledon 2007 alle vier «Grand<br />

Slams» offiziell zu finanzieller Equality<br />

bekannt hatten, war 1973 ein Meilenstein.<br />

Ihre Rolle bei der Durchsetzung der<br />

Lohngleichheit für Frauen im Profisport<br />

kann kaum überschätzt werden.<br />

Sie reicht nicht nur weiter zurück als<br />

bis 1973, sondern geht auch über das<br />

Tennis hinaus: 1970 führten Sie eine<br />

Gruppe von neun Spielerinnen an, die<br />

«Original Nine», aus der sich einige<br />

Jahre später die Women’s Tennis<br />

Association entwickelte. In Washington<br />

D.C. hielten Sie ein<br />

leidenschaftliches<br />

Plädoyer, das den von<br />

Präsident Richard Nixon<br />

unterzeichneten «Title<br />

IX“ verteidigte: Dieser<br />

verbietet die Diskriminierung<br />

aufgrund des<br />

Geschlechts in allen<br />

staatlich finanzierten<br />

Schulprogrammen, einschliesslich des<br />

Sports. Damit wurden etwa Sportstipendien<br />

für Mädchen möglich. Seitdem<br />

sind fünf Dekaden vergangen, in<br />

denen Sie nicht nur Ihr ursprüngliches<br />

Engagement fortgesetzt haben,<br />

sondern – quasi «on top» – eine globale<br />

LGBTQI+–Ikone wurden. Woher<br />

nehmen Sie die Kraft für all das?<br />

Soll ich Ihnen mein Lieblingswort<br />

verraten? Es lautet «Freiheit». Das Wort<br />

treibt mich an, motiviert mich, seit ich<br />

ein junges Mädchen bin. Freiheit und<br />

Gleichheit gehen Hand in Hand, denn<br />

«Das Wort<br />

‹Freiheit› treibt<br />

mich an,<br />

motiviert mich,<br />

seit ich ein junges<br />

Mädchen bin.»<br />

nur in einer gleichberechtigten und<br />

gerechten Gesellschaft ist jede Person<br />

frei, sich so zu entfalten, wie er oder sie<br />

das möchte. Um Ihre Frage noch<br />

besser zu beantworten … würde es Sie<br />

stören, wenn wir einen Exkurs in meine<br />

Kindheit machen?<br />

Nein, sehr gerne.<br />

Mein Vater war Feuerwehrmann, und<br />

meine Mutter war Hausfrau. Sie haben<br />

meinen Bruder und mich in unseren<br />

sportlichen Ambitionen enorm unterstützt<br />

– vielleicht auch, weil mein Vater<br />

selbst ziemlich ehrgeizig<br />

war. Er hat zum<br />

Beispiel immer wieder<br />

versucht, den Basketballkorb<br />

in unserem Hof<br />

100 Mal hintereinander<br />

zu treffen, und wenn er<br />

ihn nur ein einziges Mal<br />

verfehlt hat, hat er von<br />

vorne angefangen.<br />

Mein Bruder und ich konnten uns also<br />

in diversen Sportarten ausprobieren,<br />

und mit elf Jahren bin ich schliesslich<br />

beim Tennis gelandet. Ich musste Geld<br />

sparen, um mir meinen ersten Schläger<br />

zu kaufen, aber nachdem ich ihn<br />

bekommen und ausprobiert hatte,<br />

rannte ich nach Hause und sagte<br />

meiner Mutter: «Das ist es; das mache<br />

ich. Ich werde die beste Tennisspielerin<br />

der Welt.» Ihre Antwort lautete: «Na<br />

gut, aber davor hast du noch Schulaufgaben.»<br />

(lacht)<br />

Ich nehme an, unmittelbar nach den<br />

Hausaufgaben begannen Sie mit dem<br />

Training?<br />

Ja. (lacht) Wir lebten damals in Südkalifornien,<br />

und der Los Angeles Tennis<br />

Club war so etwas wie das … das<br />

Mekka der Leute, die in dem Sport<br />

etwas erreichen wollten. Da schrieb ich<br />

mich ein. Ich erinnere mich gut, wie ich<br />

eines Tages dort übte – ich war mittlerweile<br />

zwölf Jahre alt – und mich umsah:<br />

Alle Leute trugen weisse Outfits,<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong><br />

alle Leute sahen identisch aus. Und ich<br />

dachte: «Wo sind denn … all die<br />

anderen?» Natürlich verfügte ich<br />

dazumal nicht über das intellektuelle<br />

Konzept, dass Tennis eine Plattform für<br />

Integration sein könnte, aber ich<br />

spürte: Da muss sich etwas ändern. Da<br />

ist irgendetwas ganz und gar nicht<br />

okay. Und ich merkte intuitiv: Ich wollte<br />

nicht nur eine hervorragende Spielerin<br />

werden, sondern ich wollte das Spiel<br />

an sich verändern. Es war eine regelrechte<br />

Epiphanie. Wobei, retrospektiv<br />

betrachtet: Ich war ein weisses Mädchen,<br />

ich war gesund, ich war relativ<br />

privilegiert. Ich konnte mir damals<br />

nicht einmal ausmalen, wie sich meine<br />

farbigen Schwestern und Brüder oder<br />

Menschen mit Behinderungen 1955<br />

gefühlt haben müssen. Aber es begann<br />

etwas in mir zu «brennen» … ein<br />

Feuer, das bis heute nicht erloschen<br />

ist.<br />

Man könnte sagen, Sie wurden «(…)<br />

a rolling stone, (…) if the cause was<br />

right …»<br />

Sie zitieren «Philadelphia Freedom»!<br />

Wie oft haben Sie sich den Song<br />

angehört, bis Sie ihn auswendig<br />

konnten? (lacht)<br />

Ich habe mich damit auf das Interview<br />

eingestimmt, also lief er auf dem Flug<br />

nach Sevilla in Dauerschleife.<br />

Das ist ein wirklich besonderes Lied für<br />

mich. Ich möchte nicht zu sehr abschweifen,<br />

aber Elton John ist ein<br />

enger, ganz lieber Freund von Ilana<br />

(Kloss, Billie Jean Kings Ehefrau, Anm.<br />

d. Red.) und mir. Er komponierte die<br />

Melodie für mich, nachdem ich 1974<br />

begonnen hatte, die Philadelphia<br />

Freedoms zu trainieren, eine gemischte<br />

Tennismannschaft mit männlichen<br />

und weiblichen Spieler:innen.<br />

Das war damals revolutionär. Bernie<br />

Taupin schrieb den Text, und ich<br />

bekomme immer noch Gänsehaut,<br />

wenn ich den Song höre.<br />

Das kann ich mir vorstellen. Aber wie<br />

Sie sagen: Es ist verlockend, abzuschweifen.<br />

Kommen wir also zurück zu<br />

Ihrem Kampf für die Gleichberechtigung.<br />

Nach dem Moment im Los<br />

Angeles Tennis Club, den Sie gerade<br />

beschrieben haben – wie genau haben<br />

Sie da den Weg für Equality im Profisport<br />

zu ebnen begonnen?<br />

Dazu kann ich ein paar Dinge sagen,<br />

die – hoffentlich – auch Ihre Leser:innen<br />

in deren Berufen anwenden<br />

können. Wenn man Grosses bewegen<br />

will, muss man erst einmal<br />

erkennen, dass man das<br />

nicht alleine schaffen<br />

kann. Letztendlich kommt<br />

es auf starke, tragfähige<br />

Kooperationen an. Vor<br />

meiner Beziehung mit<br />

Ilana war ich – wie Sie<br />

vermutlich wissen – mit<br />

einem Mann namens<br />

Larry King verheiratet. Als Larry und ich<br />

darüber diskutierten, wie wir die<br />

Gleichstellung im Frauentennis voranbringen<br />

könnten, wurden wir uns rasch<br />

einig, dass es auf Partnerschaften,<br />

Sponsorings und die Medien ankommen<br />

würde. Wir brauchten Geld, und<br />

wir brauchten Aufmerksamkeit. Und<br />

zwar nicht von jenen, die Gleichberechtigung<br />

als Charity ansahen, sondern<br />

von jenen, die darin auch ein<br />

profitables Geschäftsmodell erkannten.<br />

Larry und ich taten das nämlich,<br />

und es hat sich ja mittlerweile gezeigt,<br />

dass das stimmt. Übrigens, wenn wir<br />

von tragfähigen Beziehungen sprechen<br />

– das war bei den «Original<br />

Nine», die Sie vorhin erwähnt haben,<br />

nicht anders: Ohne die starke Bindung,<br />

die wir alle untereinander hatten, und<br />

«Wir wussten: Für die Gleichstellung<br />

brauchten wir Geld, und wir brauchten<br />

mediale Aufmerksamkeit.»<br />

«Wenn man<br />

Grosses bewegen<br />

will, kommt es<br />

auf starke, tragfähige<br />

Kooperationen<br />

an.»<br />

ohne dass mich die anderen Spielerinnen<br />

als Leaderin gewählt hätten – während<br />

sie ihre eigenen Karrieren riskierten<br />

– hätte ich kaum etwas ausrichten<br />

können. Das, was wir auf die Beine<br />

gestellt haben, hätte als «One-Woman-<br />

Show» niemals funktioniert. Aber weil<br />

wir es zusammen gemacht haben, war<br />

es ein grosser Spass, wir konnten<br />

grossartige Unterhaltung bieten, und<br />

das wiederum entfaltete eine Wirkung<br />

auf Promoter und das Sponsoring.<br />

Verstehen Sie, worauf ich hinauswill?<br />

Erfolg ist … ein Netz aus multilateral<br />

vorteilhaften, miteinander verwobenen<br />

Beziehungen.<br />

Ich mag übrigens, dass<br />

Sie sagen, Ihre Mitspielerinnen<br />

bei den «Original<br />

Nine» hätten Sie zur<br />

Anführerin «gewählt» …<br />

Ja, so ist das auch. Ich<br />

glaube fest an folgendes<br />

Credo: «Leaders don’t<br />

choose followers – followers<br />

choose leaders!»<br />

Viele Leute sehen das anders, neigen<br />

eher dazu zu glauben, es taucht<br />

plötzlich irgendwer auf und ruft: «Ich<br />

zeige euch den Weg!» Aber das ist<br />

falsch, zumindest wenn man nachhaltige<br />

Führungsstrukturen anstrebt. Eine<br />

einzelne Person, die eine Gruppe dazu<br />

bringt, ihm oder ihr zu folgen? Ich<br />

bevorzuge die Idee, dass eine Gruppe<br />

jemanden quasi aus sich selbst heraus<br />

bestimmt, um voranzugehen.<br />

Sie haben eben die Rolle der Medien<br />

und die Ökonomie der Aufmerksamkeit<br />

angesprochen. Hatten Sie – etwa<br />

beim «Battle of the Sexes» gegen<br />

Bobby Riggs – einen natürlichen Sinn<br />

für Theatralik? Notabene: Auch dieses<br />

historische Match fand vor genau<br />

50 Jahren statt …<br />

… und es gibt seither keinen einzigen<br />

Tag, an dem ich nicht auf dieses Spiel<br />

angesprochen werde. Es sei denn, ich<br />

verbarrikadiere mich zu Hause und<br />

schalte das Telefon aus. (lacht) So stark<br />

ist die Wirkung, die der «Battle of the<br />

Sexes» immer noch entfaltet. Als ich<br />

die Presidential Medal of Freedom<br />

erhielt, erzählte mir Präsident Obama,<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


13<br />

Gegenwart und Geschichte:<br />

Billie Jean King bei den U.S. Open<br />

in New York City und auf einer<br />

Briefmarke zu ihren Ehren,<br />

circa 1988.<br />

Bilder: shutterstock.com.<br />

«Ich glaube, dass Profisportler:innen immer<br />

auch Entertainer:innen sind.»<br />

Buchtipp: «All In.<br />

An Autobiography»<br />

Das bewegte Leben von<br />

Billie Jean King lässt sich<br />

nicht in einem Interview<br />

oder gar einem Magazin<br />

erzählen – aber die reich<br />

illustrierte Autobiographie<br />

«All In», publiziert 2021,<br />

schafft das hervorragend.<br />

Die «New York Times»<br />

kommentiert: «A powerful<br />

rallying cry, in a life full of<br />

them.»<br />

dass er das Spiel zwischen Riggs und<br />

mir im Fernsehen sah, als er zwölf<br />

Jahre alt war. Und dass er – als er Vater<br />

zweier Mädchen wurde – immer<br />

wieder daran dachte; ja das Spiel<br />

sogar Einfluss auf die Erziehung seiner<br />

Töchter hatte. Ist das nicht unglaublich?<br />

90 Millionen Menschen sassen<br />

1973 weltweit vor dem Fernseher, was<br />

für eine Zahl! Und sie konnten beobachten,<br />

wie eine Frau an dem Ort<br />

erfolgreich war, den Bobby Riggs<br />

zuvor als «Männerarena» bezeichnet<br />

hatte. Ja, es gab ein paar dramatische<br />

Effekte, ein paar exzentrische Outfits.<br />

Und das ist auch absolut in Ordnung,<br />

weil ich glaube, dass Profisportler:innen<br />

immer auch Entertainer:innen<br />

sind. Aber am wichtigsten war … die<br />

Tatsache, dass es eine so breite Berichterstattung<br />

über die Veranstaltung<br />

gab. Und das ist die Verbindung zur<br />

Gegenwart. Wissen Sie, wie viel<br />

Coverage die Abendnachrichten dem<br />

Frauensport bis vor wenigen Jahren im<br />

Durchschnitt gewidmet haben?<br />

Sehr wenig, nehme ich an?!<br />

Etwa fünf Prozent. Fünf Prozent! Heute<br />

sind wir bei fünfzehn Prozent, aber das<br />

ist natürlich längst nicht genug. Wir<br />

brauchen mehr Menschen, die in den<br />

Frauensport investieren – Ilana und ich<br />

haben uns zum Beispiel gerade mit<br />

dem Miteigentümer der Los Angeles<br />

Dodgers, Mark Walter, und seiner Frau<br />

Kimbra zusammengetan, um eine neue<br />

Profihockeyliga für Frauen zu gründen.<br />

Sie wird im Januar 2024 in Nordamerika<br />

an den Start gehen. Andererseits<br />

sind wir vor einiger Zeit Minderheitsaktionärinnen<br />

der Dodgers geworden,<br />

weil sie sich für Inklusion stark machen<br />

und Gutes tun. Inzwischen gibt es<br />

immer mehr Geschäftsleute, immer<br />

mehr vermögende Privatpersonen, die<br />

sehen, dass sie im Frauensport etwas<br />

Neues anstossen können – und dass es<br />

sich lohnt, aktiv zu werden. Je mehr<br />

Investor:innen hinzu kommen, desto<br />

mehr Teams gibt es. Je mehr Teams<br />

es gibt, desto spannender werden<br />

die Wettkämpfe, was wiederum Zuschauer:innen<br />

anzieht und Sponso -<br />

ring bringt … und so weiter, und so<br />

fort. Am Ende profitieren alle Beteiligten.<br />

Wir haben über Wandel durch Partnerschaften<br />

– und durch geschickt ge-<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


14<br />

Zusammen führen: Billie Jean King<br />

und Ilana Kloss<br />

Billie Jean King und Ilana<br />

Kloss sind seit mehr als<br />

40 Jahren ein Paar und ein<br />

«match made in heaven»<br />

(nicht «made on the tennis<br />

court» – denn als Team gespielt<br />

haben beide nie,<br />

auch wenn das eine wunderbare<br />

Story wäre). Ilana<br />

Kloss, selbst Champion in<br />

der Sportart und erfolgreiche<br />

Verbandsmanagerin,<br />

kümmert sich heute um<br />

alles, was «hinter den Kulissen»<br />

passiert – vor allem<br />

wenn es um die diversen<br />

geschäftlichen Aktivitäten<br />

des Paares geht: Sie ist<br />

CEO von Billie Jean King<br />

Enterprises und Mitbegründerin<br />

der «Billie Jean<br />

King Leadership Initiative»,<br />

einer Non-Profit-Organisation<br />

für Gleichberechtigung<br />

am Arbeitsplatz.<br />

«Mein Vater war Verkäufer<br />

und hat immer auf<br />

Provisionsbasis gearbeitet»,<br />

erinnert sich Kloss in<br />

einem Gespräch, das wir<br />

am Rande des Turniers in<br />

Sevilla führen, «und ich<br />

glaube, ich habe von ihm<br />

viel über die Regeln des<br />

Business gelernt.» Genau<br />

wie ihre Frau in unserem<br />

Interview betont hatte,<br />

glaubt Kloss, dass es entscheidend<br />

ist, Minderheiten<br />

zu unterstützen – indem<br />

man «nicht nur einen Platz<br />

am Tisch hat, sondern auch<br />

eine Stimme, wenn die<br />

Leute am Tisch sprechen».<br />

Deshalb ist sie besonders<br />

stolz auf die Co-Eigentümerschaft<br />

der Los Angeles<br />

Dodgers, des Frauenfussballclubs<br />

Angel City FC<br />

und der Gründung einer<br />

neuen Frauenhockeyliga in<br />

Nordamerika: «Wir sagen<br />

Mädchen, dass sie selbstbewusst<br />

sein sollen, wenn<br />

sie Tennisspielerinnen, Fussballerinnen<br />

oder Hockeyspielerinnen<br />

werden möchten.<br />

Aber wir brauchen die<br />

richtige Infrastruktur, um das<br />

zu ermöglichen.» Die Schaffung<br />

selbiger hat Kloss sich<br />

zur Aufgabe gemacht; eine<br />

Aufgabe, die durch den Ausbau<br />

bestehender Aktivitäten<br />

vorangetrieben werden soll:<br />

«Wir haben die Leadership-<br />

Initiative, wir haben das<br />

Unternehmen, wir haben<br />

den Billie Jean King Cup»,<br />

erklärt Kloss, «aber wir wollen<br />

– wir brauchen – mehr für<br />

Frauen, weltweit.» Sie plant<br />

deshalb, dass Konferenzen,<br />

Unterhaltung und weitere<br />

Investitionen das Portfolio<br />

ihres Unternehmens ergänzen<br />

sollen, aber auch das<br />

Consulting im Bereich Equality<br />

will sie verstärken. Denn,<br />

so zeigt sich Ilana Kloss<br />

überzeugt: «Es hat sich viel<br />

verbessert, natürlich. Aber<br />

trotzdem liegt ein weiter<br />

Weg vor uns.» Und dann<br />

sagt sie, genau wie ihre Ehefrau<br />

Billie Jean King am Tag<br />

zuvor: «Bis jetzt hatten wir<br />

ein wunderbares Leben,<br />

eine wunderbare Karriere.<br />

Aber wir sind noch längst<br />

nicht fertig.»<br />

«Wenn Sie sich<br />

im Leben ein<br />

paar wenige Ideale<br />

zu Herzen nehmen,<br />

ist nichts<br />

unmöglich.»<br />

lenkte Aufmerksamkeit – gesprochen.<br />

Gibt es noch mehr, das man tun kann,<br />

wenn man einen Impact haben will?<br />

Absolut. Ich werde regelmässig eingeladen,<br />

Abschlussreden an Universitäten<br />

zu halten – und das mache ich<br />

wirklich gerne. Irgendwann habe ich<br />

mir überlegt, dass ich all diese Reden<br />

auf ein paar … grundlegenden Idealen<br />

aufbauen möchte. Ideale, die jeder<br />

Mensch nach eigenem Ermessen<br />

anwenden kann, jeden einzelnen Tag,<br />

für den Rest des Lebens. Ideale, die für<br />

interne Zufriedenheit und externen<br />

Erfolg sorgen, die einen morgens mit<br />

einem Lächeln aufstehen lassen.<br />

Nun bin ich gespannt.<br />

Zunächst muss ich nochmals auf<br />

Beziehungen zurückkommen. Und<br />

zwar, weil ich deren Definition in<br />

meinen Reden vor Student:innen in<br />

einem viel breiteren Sinn verwende,<br />

als wir beide das zuvor getan haben.<br />

Ich sage den Zuhörer:innen, dass sie<br />

primär eine gute Beziehung zu sich<br />

selbst aufbauen müssen und dann –<br />

wenn möglich – zu ihren Familien,<br />

ihren Freund:innen, ihrem Gott … was<br />

auch immer ihnen eben wichtig ist.<br />

Zweitens versuche ich, die<br />

Student:innen daran zu<br />

erinnern, dass das Ende ihrer<br />

Zeit an der Universität nicht<br />

das Ende des Lernens<br />

bedeutet … ganz im Gegenteil!<br />

Ich rufe sie auf, sich die<br />

typische Neugierde junger<br />

Menschen ein Leben lang zu<br />

bewahren. Ich bin schon alt<br />

(lacht), aber ich lerne immer noch<br />

ständig etwas Neues! Ich bin beispielsweise<br />

sehr neugierig, wenn es um<br />

Technologie geht. Auch wenn ich die<br />

achtjährigen Enkel von Bekannten<br />

brauche, damit sie mir die Funktionen<br />

meines iPhone erklären, will ich die<br />

Funktionen kennen. Schliesslich: In<br />

meinen Reden an Universitäten betone<br />

ich immer, wie essenziell eine lösungsorientierte<br />

Attitüde ist. Noch besser …<br />

nicht nur Lösungen kopieren, die<br />

andere bereits ausprobiert haben,<br />

sondern Mut zur Innovation haben!<br />

Wenn Uniabsolvent:innen, Ihre<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


15<br />

Bild: Redaktion<br />

Leser:innen oder auch Sie selbst sich<br />

diese drei Ideale zu Herzen nehmen,<br />

ist nichts unmöglich. Ich habe damit all<br />

das erreicht, an dem ich mich heute<br />

erfreuen darf und hoffentlich in Zukunft<br />

werde erfreuen dürfen.<br />

Das ist eine gute Überleitung zu dem<br />

«Ausblick», mit dem ich das Gespräch<br />

gern beenden würde. 2014 gründeten<br />

Sie und Ihre Frau die «Billie Jean King<br />

Leadership Initiative» mit dem Ziel,<br />

Equality in der Arbeitswelt zu fördern.<br />

Ich zitiere aus der Präambel: «Es<br />

wurden zwar Fortschritte erzielt, aber<br />

die Statistiken zeigen immer noch die<br />

harte Wahrheit, dass wir von Gleichberechtigung<br />

am Arbeitsplatz weit<br />

entfernt sind.» Sie transzendieren den<br />

Bereich des Sports also ganz offiziell.<br />

Wieso?<br />

Sie haben den Kern der Antwort, die<br />

ich Ihnen geben werde, bereits genannt:<br />

Weil wir noch nicht am Ziel sind.<br />

Der Sport ist ein Mikrokosmos, der alle<br />

Aspekte der Gesellschaft in sich<br />

zusammenfasst, also müssen wir das,<br />

was wir dort beobachten, als symptomatisch<br />

für grössere Zusammenhänge<br />

begreifen. Ilana und ich sind, wie<br />

erwähnt, seit Jahrzehnten unternehmerisch<br />

tätig und haben permanent mit<br />

internationalen Firmen zu tun. Was wir<br />

ständig beobachten: Es gibt Menschen,<br />

die einfach keine Chance<br />

erhalten! Grossartige Frauen, die an<br />

einen männlichen CEO berichten und<br />

bei denen man denkt: Eigentlich<br />

sollten sie die Organisation leiten.<br />

Doch sie kriegen keine faire Chance.<br />

Und genau das müssen wir ändern.<br />

Wie sieht das eigentlich in der Schweiz<br />

aus? Ich war ziemlich schockiert, als ich<br />

erfuhr, dass Frauen in Ihrem Land erst<br />

seit 1971 das Wahlrecht<br />

haben.<br />

Nun, die Gleichstellung<br />

in der Unternehmenswelt<br />

– und in Teilen der<br />

Gesellschaft – hat sich<br />

verbessert, aber ich<br />

würde Ihnen zustimmen:<br />

Wir sind noch nicht am Ziel.<br />

Wissen Sie, was ich gerne erleben<br />

würde, solange ich noch auf diesem<br />

Planeten bin? Nun folgen ein paar<br />

ziemlich breite Pinselstriche, aber: Ich<br />

würde gerne sehen, wie viele Dinge<br />

«zusammenkommen». Ich möchte,<br />

«Wir wollen,<br />

dass Stereotype<br />

thematisiert und<br />

dekonstruiert<br />

werden.»<br />

Treffen in Sevilla:<br />

Tennis-Ikone Billie<br />

Jean King und<br />

m&k-Co-Chefredaktor<br />

Johannes Hapig.<br />

dass die ATP und die WTA fusionieren.<br />

Darauf warte ich schon seit Jahrzehnten,<br />

und es gibt zwar immer mehr<br />

Partnerschaften, aber ich würde uns<br />

gerne offiziell vereint sehen. Ich<br />

schaue mir auch die Frauenfussball-<br />

WM an und denke: «Muss das separat<br />

sein von dem, was die Jungs tun?» Et<br />

cetera, et cetera. Und dann denke ich<br />

über den Sport hinaus, zusammen mit<br />

Ilana: Wir wollen, dass Stereotype in<br />

der Gesellschaft offen thematisiert und<br />

dekonstruiert werden. Echte Gleichberechtigung<br />

wird es nur dann geben,<br />

wenn wir aufhören zu<br />

sagen: «Mädchen<br />

müssen immer perfekt<br />

sein, und Jungs müssen<br />

immer mutig sein.»<br />

Diese falschen Ideen,<br />

die wir in die Gehirne<br />

unserer Kinder einpflanzen,<br />

gehören abgeschafft.<br />

Das ist alles so, so lächerlich.<br />

Wir leben nicht in einer binären Welt!<br />

Es gibt keinen Platz mehr für dumme<br />

Klischees. Niemand kann die ganze<br />

Zeit perfekt sein, und niemand kann<br />

die ganze Zeit mutig sein, egal welches<br />

Geschlecht er oder sie oder es<br />

hat. Lasst uns einfach so sein, wie wir<br />

sind, und lasst das genügen! Ich habe<br />

Ihnen ja von Präsident Obama erzählt<br />

und wie er mir sagte, dass der «Battle<br />

of the Sexes» die Art und Weise, wie er<br />

seine Töchter erzogen hat, beeinflusst<br />

habe. So viele andere Männer sind im<br />

Laufe der Jahre auf mich zugekommen<br />

und haben gesagt: «Ich habe diese<br />

oder jene Sichtweise geändert, weil<br />

eine Frau ein Exempel statuiert hat.»<br />

Gleichzeitig gibt es unzählige Frauen –<br />

Sportlerinnen und Nichtsportlerinnen<br />

gleichermassen – die mir berichten,<br />

welchen Einfluss ihre Väter auf sie<br />

hatten … Wie Männer in ihrem Leben<br />

sie ermutigt und in ihren Träumen<br />

bestärkt haben; genau wie es mein<br />

Vater für mich getan hat! Für mich<br />

bedeutet Gleichberechtigung: Jede<br />

und jeder gibt alles, um jedem und<br />

jeder zu helfen; Menschen reichen<br />

anderen Menschen die Hand. Denn<br />

am Ende ist es das, was uns vereint:<br />

Wir sind alle menschliche Wesen.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


16<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

«Die Sterne<br />

rufen uns»<br />

Als Kommandeur der Internationalen Raumstation<br />

hat Chris Hadfield die Welt über Monate «von oben» betrachtet –<br />

und eine neue Perspektive auf menschliche Konflikte, aber auch auf<br />

interplanetare Nachhaltigkeit gewonnen.<br />

Ein Gespräch.<br />

Von Johannes Hapig<br />

Illustration Silvan Borer<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


17<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


18<br />

M&K Commander Hadfield, wenn man<br />

die Erde aus dem Weltraum betrachtet<br />

– verändert das dann die Perspektive<br />

auf unsere Krisen und Konflikte?<br />

CHRIS HADFIELD Ich denke, wenn man die<br />

Erde wochenlang in einem Zyklus von<br />

jeweils 92 Minuten umrundet – so wie<br />

Astronaut:innen auf der Internationalen<br />

Raumstation das tun – bekommt<br />

man einen anderen Blick auf die<br />

Gravitas der Krisen, mit denen wir es<br />

zu tun haben. Wir neigen ja dazu, die<br />

gegenwärtigen Ereignisse als beispiellos<br />

zu empfinden, aber das liegt auch<br />

daran, dass wir einfach die aktuelle<br />

Generation von Erwachsenen sind, die<br />

mit den Krisen ihrer Zeit fertig werden<br />

müssen. Ist alles wirklich so schlimm?<br />

Sollten wir pessimistisch sein, Angst<br />

haben? Ich möchte auf keinen Fall die<br />

grausamen Ereignisse im Nahen Osten<br />

oder in der Ukraine herunterspielen,<br />

aber wenn Sie in tausenden Kilometern<br />

Höhe über Konfliktgebiete wie<br />

Gaza oder Kiew schweben und Minuten<br />

später über ganz friedliche Regionen,<br />

werden Sie daran erinnert, dass<br />

die meisten der acht Milliarden Menschen<br />

auf der Erde in Harmonie leben,<br />

nach Gemeinschaft streben. Diese<br />

Perspektive geht im Lärm der Nachrichten<br />

und der sozialen Medien, die<br />

sich meist auf das Negative konzentrieren,<br />

häufig verloren.<br />

Das «Herauszoomen» kann also<br />

helfen, eine positive Einstellung zu<br />

bewahren?<br />

Lassen Sie mich etwas ausholen, um<br />

das zu beantworten: Als ich auf der<br />

Internationalen Raumstation war, nutzte<br />

ich die sozialen Medien, um mit den<br />

Menschen auf der Erde in Kontakt zu<br />

treten. Ich fragte sie bei Twitter, was ich<br />

von unserem Beobachtungsposten aus<br />

fotografieren soll, und die häufigste<br />

Antwort war: «Meine Heimatstadt!»<br />

Menschen sind stolz auf ihre Herkunft,<br />

wollen sich aber auch als Teil eines<br />

grösseren, gesamthaften Bildes begreifen.<br />

Dabei hilft es, ohne mediale Filter<br />

auf die Erde zu blicken – einfach «zu<br />

sehen, was ist». Und … das betrifft nicht<br />

«Vom Weltall aus bekommt man einen<br />

anderen Blick auf die Gravitas der Krisen,<br />

mit denen wir es zu tun haben.»<br />

nur gegenwärtige Ereignisse, sondern<br />

auch die Geschichte der Erde: Der<br />

Planet existiert seit gut viereinhalb<br />

Milliarden Jahren, eine Zahl, die so<br />

enorm ist, dass man sie kaum zu fassen<br />

vermag. Aus dem Weltraum kann man<br />

jedoch die geologischen Verbindungen<br />

zwischen den Kontinenten sehen,<br />

das Alter des Planeten zumindest<br />

erahnen und – ganz wichtig! – die<br />

Widerstandsfähigkeit des Lebens<br />

erkennen. Wenn Sie so wollen, ja: Das<br />

hilft, positiv eingestellt zu bleiben. Und<br />

es hilft, andere Fragen zu stellen. Ich<br />

denke weniger über temporäre Konflikte<br />

nach, denn diese werden vorübergehen<br />

– ich mache mir Gedanken<br />

darüber, wie sich die Lebensqualität so<br />

vieler Menschen wie möglich dauerhaft<br />

verbessern lässt. Das ist für mich<br />

die eigentliche Herausforderung<br />

unserer Zeit, und es ist ein Perspektivenwechsel,<br />

der in meinem Fall zu<br />

einem grossen Teil auf die Erfahrungen<br />

in der Raumfahrt zurückzuführen ist.<br />

Die Fotos, die Sie während Ihrer Zeit<br />

im Weltraum gemacht haben, wirken<br />

wie ein Aufruf dazu, die Schönheit der<br />

Erde zu bewahren. Gleichzeitig arbeiten<br />

Sie – unterstützt zum Beispiel von<br />

König Charles III. – an einem Nachhaltigkeitsplan<br />

für den Weltraum.<br />

Verzeihen Sie, falls die Frage<br />

etwas naiv klingt, aber: Was beinhaltet<br />

ein solcher?<br />

Bei der Nachhaltigkeit, ob auf der<br />

Erde oder im Weltraum, geht es um<br />

die Anpassung unserer Verhaltensstrategien<br />

an die sich verändernden<br />

Umweltbedingungen und Umstände.<br />

Nehmen wir Zürich als Beispiel. Vor<br />

Jahrtausenden befand sich dort, wo<br />

Sie heute Ihre Redaktion betreiben,<br />

nur eine Landschaft mit einem Fluss,<br />

die von ein paar frühen Siedler:innen<br />

bewohnt wurde. Als die Bevölkerung<br />

irgendwann wuchs, musste die Führung<br />

der Stadt sich über nachhaltiges<br />

Leben Gedanken machen – von der<br />

Abfallentsorgung bis zur Bereitstellung<br />

von sauberem Trinkwasser.<br />

Sprich: Die Entwicklung einer kleinen<br />

Siedlung zu einer grossen Stadt<br />

erforderte eine feingliedrige,<br />

langfristige Planung.<br />

Ein ähnliches Prinzip gilt<br />

für das Bevölkerungswachstum<br />

auf der<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


19<br />

Erde. Wir sind in einem bemerkenswert<br />

kurzen Zeitraum von weniger als<br />

einer Milliarde auf neun Milliarden<br />

Menschen angewachsen. Dieses<br />

schnelle Wachstum erfordert innovative,<br />

nachhaltige Lösungen. Wir können<br />

uns nicht auf alte Methoden<br />

verlassen, sondern müssen kreativ<br />

über unsere Ressourcen und die<br />

Auswirkungen unseres Handelns<br />

nachdenken.<br />

Die Geschichte lehrt uns also, dass wir<br />

gut planen sollten, wenn wir neue Orte<br />

besiedeln. Und dieses Prinzip übertragen<br />

Sie nun auf den Weltraum?!<br />

Ja. Ich sehe beim Weltraum gewisse<br />

Parallelen zur Antarktis: Vor 100 Jahren<br />

gab es in der Region bloss unberührte<br />

Wildnis. Heute leben dort tausende<br />

Forscher:innen und Arbeiter:innen. Bei<br />

der Besiedlung der Antarktis haben<br />

wir auf Nachhaltigkeit geachtet und<br />

aus den Fehlern der Vergangenheit<br />

gelernt … Fehler, die zum Beispiel die<br />

ersten Siedler:innen in Neuseeland vor<br />

Jahrhunderten gemacht und damit<br />

beinahe das gesamte Ökosystem<br />

zerstört haben. Je weiter wir in den<br />

Weltraum vordringen, desto wichtiger<br />

werden die Lehren<br />

aus unserer Geschichte.<br />

Aber natürlich<br />

muss man sich auch<br />

bewusst machen: Im All<br />

nehmen die Herausforderungen<br />

rund um die Nachhaltigkeit<br />

ganz neue Ausmasse an. Es geht<br />

nicht nur um den Umgang mit<br />

Ressourcen auf einem Planeten X,<br />

sondern auch darum, was wir «in<br />

dessen Umlaufbahn pusten». Der<br />

Weltraummüll im Orbit der Erde<br />

bereitet Expert:innen schon heute<br />

Kopfzerbrechen; es wäre schlicht und<br />

ergreifend dumm, das andernorts zu<br />

wiederholen. Meine Arbeit mit der<br />

«Open Lunar Foundation» fokussiert<br />

auch aus solchen Gründen auf die<br />

Entwicklung von Strategien für Mondsiedlungen,<br />

welche der Nachhaltigkeit<br />

Priorität einräumen. Wenn ich Raumfahrtunternehmen<br />

berate, erinnere ich<br />

ständig an die Wichtigkeit von Sustainability.<br />

Und auch die Kooperation mit<br />

König Charles III. und seiner «Sustainable<br />

Markets Initiative», die Sie gerade<br />

erwähnt haben, ist Teil ebendieser<br />

Anstrengungen. In der «Terra Carta»,<br />

die seine Majestät schon vor einigen<br />

«Im All nehmen<br />

die Herausforderungen<br />

rund um die<br />

Nachhaltigkeit ganz<br />

neue Ausmasse an.»<br />

Buchtipp:<br />

«The Defector»<br />

Vor seiner Zeit als Astronaut<br />

und Kommandeur der ISS<br />

war Chris Hadfield Testpilot<br />

der amerikanischen und<br />

Kampfpilot der kanadischen<br />

Luftwaffe. Seine einzigartigen<br />

Erfahrungen fliessen in<br />

seinen neuen Thriller ein:<br />

«The Defector» ist auf<br />

Englisch bereits überall in<br />

der Schweiz erhältlich, ab<br />

März 2024 auch in deutscher<br />

Übersetzung.<br />

Jahren auf den Weg gebracht hat, sind<br />

Leitlinien für nachhaltiges Leben auf<br />

der Erde festgehalten – die neue<br />

«Astra Carta», an der ich beteiligt bin,<br />

will solche Leitlinien auch für den<br />

Weltraum definieren. Das wird nicht<br />

einfach … und es wird internationale<br />

Anstrengungen brauchen, um das<br />

Projekt durchzusetzen. Aber ich bin<br />

zuversichtlich, dass wir das schaffen<br />

können.<br />

In der öffentlichen Debatte geht es<br />

aktuell eher darum, wann die Raumfahrt<br />

kommerziell nutzbar wird. Sie<br />

denken weiter – das finde ich sehr<br />

weise; es ist aber eine eher seltene<br />

Position im Diskurs, oder?<br />

Das mag sein, aber jetzt ist ein entscheidender<br />

Moment. Wenn wir klug<br />

agieren, können wir den Weltraum<br />

erforschen – und ab einem gewissen<br />

Punkt besiedeln – ohne das, was wir<br />

dort vorfinden, zu zerstören. Stellen Sie<br />

sich vor, ein cleverer Anführer in<br />

Neuseeland hätte sich vor 800 Jahren<br />

für nachhaltige Praktiken gegenüber<br />

der einheimischen Flora und Fauna<br />

eingesetzt – ein einziger visionärer<br />

Akteur hätte die Geschichte verändern<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


20<br />

«Das Momentum, das sich aufbaut, bricht<br />

sich eines Tages Bahn. Was, wenn wir<br />

dann nicht vorbereitet sind?»<br />

können! Die meisten Menschen sind zu<br />

sehr mit ihrem Alltag beschäftigt, als<br />

dass sie sich vertieft mit den Fragen<br />

beschäftigen könnten, denen meine<br />

Kolleg:innen und ich uns widmen. Aber<br />

da braucht es dann die Unterstützung<br />

der Politik, der Opinion Leaders …<br />

Haben Sie sich schon mal mit dem<br />

ersten Ballonflug der Brüder Montgolfier<br />

im Jahr 1785 auseinandergesetzt?<br />

Am Rande, im Geschichtsunterricht,<br />

glaube ich.<br />

Das war ein monumentales Ereignis in<br />

Paris, an dem international renommierte<br />

Persönlichkeiten teilnahmen.<br />

Doch nur 30 Kilometer von der Stadt<br />

entfernt wurde der Ballon von der<br />

Landbevölkerung angegriffen, die gar<br />

nicht verstand, was das für ein seltsames<br />

Flugobjekt war. (lacht) Diese Kluft<br />

zwischen visionärem Denken und<br />

Alltagsverständnis besteht heute<br />

immer noch – Sie sehen das in den<br />

sozialen Medien gespiegelt oder<br />

sogar katalysiert. Bei meiner Arbeit<br />

kann es also nicht nur darum gehen,<br />

Technologien und Rahmenbedingungen<br />

für die nachhaltige Erforschung<br />

des Weltraums zu kreieren – sondern<br />

es ist wichtig, den Menschen auch zu<br />

erklären, warum das bedeutsam ist<br />

und sie sich dafür interessieren sollen.<br />

Wenn nun jemand dieses Interview<br />

liest und sich für Ihre Vision begeistert<br />

– was kann er oder sie tun, um zu<br />

deren Gelingen beizutragen?<br />

Oh, es gibt diverse Möglichkeiten, sich<br />

zu engagieren. Zunächst können<br />

Einzelpersonen oder Unternehmen<br />

lokale respektive nationale Initiativen<br />

unterstützen – etwa die Forschung an<br />

Universitäten, die Arbeit von Wissenschaftsmuseen<br />

oder Start-ups. Für<br />

jene, die auf internationaler Ebene<br />

etwas bewirken wollen, gibt es Möglichkeiten<br />

in den Bereichen Politik und<br />

Governance – insofern sie entsprechend<br />

Leverage mitbringen, natürlich.<br />

Die Teilnahme an Diskussionen im Ausschuss<br />

der Vereinten Nationen für die<br />

friedliche Nutzung des Weltraums<br />

oder die Unterzeichnung der «Astra<br />

Carta» wären hier denkbar. Ein weiterer<br />

Weg führt via die Technologie:<br />

Inkubatoren wie das «Creative Destruction<br />

Lab» haben sich bei der Förderung<br />

neuer, auf den Weltraum ausgerichteter<br />

Unternehmen als äusserst<br />

erfolgreich erwiesen. Der Impact ist<br />

mitunter beinahe unglaublich. Solche<br />

Inkubatoren brauchen finanzielle<br />

Ressourcen – und sie brauchen Topmentoring.<br />

Schliesslich bieten Organisationen<br />

wie die schon erwähnte<br />

«Open Lunar Foundation» die Möglichkeit,<br />

die Zukunft der Weltraumbesiedlung<br />

zu gestalten. Ich muss es<br />

nochmals betonen, auch auf die<br />

Gefahr hin, dass Ihre Leser:innen das<br />

ein bisschen repetitiv finden (lacht):<br />

Wir sind an dem entscheidenden<br />

Punkt in der Geschichte der Raumfahrt<br />

angelangt. Die heute getroffenen<br />

Entscheidungen werden absoluten<br />

Einfluss darauf haben, wann und wie<br />

wir den Mond und – später – auch<br />

andere Planeten besiedeln. Wir müssen<br />

uns überlegen, welche gesellschaftlichen<br />

Normen und Gesetze wir<br />

dort einführen, anstatt einfach unser<br />

derzeitiges geopolitisches System im<br />

All zu reproduzieren. Das ist keine<br />

Science Fiction – sondern vergleichbar<br />

mit dem Zeitpunkt, als die Dampfmaschine<br />

erfunden wurde. Das Momentum,<br />

das sich aufbaut, bricht sich eines<br />

Tages Bahn. Was, wenn wir dann nicht<br />

vorbereitet sind?<br />

Sie sind ein Vordenker – nicht nur, wenn<br />

es um die Erforschung des Weltraums<br />

geht, sondern auch, wenn es um<br />

Zur Person<br />

Chris Austin Hadfield<br />

OC, OOnt, MSC, CD<br />

ist ein kanadischer<br />

Astronaut, Ingenieur,<br />

Kampfpilot, Musiker<br />

und Schriftsteller.<br />

Neben der erfolgreichen<br />

Absolvierung<br />

von zwei Space-<br />

Shuttle-Missionen<br />

diente er als Kommandant<br />

der Internationalen<br />

Raumstation<br />

(ISS). Hadfield<br />

war nicht nur der<br />

erste Kanadier in der<br />

Geschichte der<br />

Raumfahrt, der einen<br />

«Spacewalk» absolvierte<br />

– weitere<br />

Bekanntheit erreichte<br />

er dadurch, dass er<br />

als erster Mensch ein<br />

Musikvideo an Bord<br />

der ISS aufnahm (ein<br />

Cover von David<br />

Bowies «Space<br />

Oddity»).<br />

Weitere<br />

Informationen:<br />

Leadership geht. In Ihrem Buch «An<br />

Astronaut's Guide to Life on Earth»<br />

gewähren Sie aus einer sehr praktischen<br />

Perspektive heraus Einblicke in<br />

das Thema Führung. Sie berichten von<br />

Herausforderungen, die nur eine Hand<br />

voll Menschen je erleben – oder sich<br />

zugetraut – haben. Und Sie erklären,<br />

was Sie daraus gelernt haben. Wie geht<br />

man mit dem immensen Druck um,<br />

Kommandeur und «Leader» der Internationalen<br />

Raumstation zu sein?<br />

Eine Führungsposition in einem derart<br />

anspruchsvollen Umfeld erfordert ein<br />

hohes Mass an Erfahrung, technologischem<br />

Know-how und Charakterstärke.<br />

Ich bin dankbar, dass man mich nicht<br />

beauftragt hat, die ISS zu kommandieren,<br />

als ich Mitte zwanzig war. (lacht)<br />

Da hätte es mir natürlich an Wissen<br />

und Kompetenz gemangelt. Aber mit<br />

Ende vierzig, als ich die Mission antrat,<br />

war ich in der besten Verfassung<br />

meines Lebens: Ich war gesund, mir<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


21<br />

Chris Hadfield bei einem<br />

Auftritt: Der 64-Jährige<br />

ist heute (neben all<br />

seinen anderen Tätigkeiten)<br />

ein weltweit gefragter<br />

Keynote-Speaker.<br />

etwas Grösserem werden – das sind<br />

dann Erfolge, die man ruhig auch<br />

feiern darf. So bleiben die Teammitglieder<br />

motiviert.<br />

Bild: shutterstock.com / Ross Howey Photo.<br />

meiner Fähigkeiten bewusst, geistig<br />

absolut präsent. Die von Ihnen erwähnte<br />

Zurückhaltung, eine solche<br />

Aufgabe zu übernehmen, rührt übrigens<br />

oft von der schieren technischen<br />

Komplexität her. Die ISS ist eine unglaublich<br />

fein justierte Maschine, die<br />

nonstop läuft; alle Wartungs- und<br />

Reparaturarbeiten müssen bei aktivem<br />

Betrieb durchgeführt werden …<br />

… und jeder Fehler könnte tödlich sein.<br />

Ja, die Internationale Raumstation ist<br />

eine «lebenserhaltende Bubble» für<br />

ihre Besatzung, jeder Fehler kann<br />

gravierende Folgen haben. Im Gegensatz<br />

zu einem U-Boot, das im Notfall<br />

auftauchen kann, gibt es auf der ISS<br />

keinen Ausweg. Darum müssen Sie am<br />

Boden immer und immer wieder üben,<br />

wichtige Handgriffe auszuführen, bis<br />

Sie sie perfekt beherrschen. Das lässt<br />

sich meiner Meinung nach auf sämtliche<br />

Bereiche, ob nun im Privatleben<br />

oder im Business, übertragen: Der<br />

erste Schritt ist immer, sich so lange<br />

weiterzubilden, bis alles perfekt «sitzt».<br />

Danach geht es um die Definition von<br />

Erfolg: Was wollen Sie erreichen, wie<br />

sieht ein perfektes Ergebnis aus? Wie<br />

können Sie als Führungskraft dazu<br />

beitragen, dass dieses Ergebnis erzielt<br />

wird? Ebenso wichtig ist Kommunikation<br />

– echte Kommunikation,<br />

also nicht die<br />

blosse Weitergabe von<br />

Informationen. Leader:innen<br />

müssen<br />

zuhören und verstehen<br />

können. Jedes Teammitglied<br />

spricht aufgrund<br />

kultureller und<br />

persönlicher Unterschiede<br />

eine etwas<br />

andere «Sprache». Wirksame Kommunikation<br />

gewährleistet, dass Sie die<br />

kollektive Intelligenz und Kreativität<br />

Ihres Teams nutzen können. Schliesslich<br />

ist es unerlässlich, ein Gefühl der<br />

Einheit herzustellen. Wie beim Surfen,<br />

wenn man eine perfekte Welle erwischt,<br />

gibt es in jedem Projekt einen<br />

Moment, in dem sich die individuellen<br />

Anstrengungen synchronisieren, zu<br />

Sie erwähnen in Ihrem Buch, dass<br />

Astronauten von Natur aus wettbewerbsorientiert<br />

seien, das bringe die<br />

harte Ausbildung mit sich. Doch als<br />

Kommandeur der ISS mussten Sie eine<br />

Gruppe von extrem kompetitiven<br />

Individuen zu einem höchst kooperativen<br />

Team formen. Und zwar ohne<br />

dass jemand nach einem Streit nach<br />

Hause fahren konnte, um sich<br />

«abzuregen». Wie geht das?<br />

Sie haben recht, Astronauten sind<br />

inhärent kompetitiv. Aber wenn man<br />

an einer Weltraummission teilnimmt,<br />

steht unglaublich viel auf dem Spiel;<br />

die Umgebung ist unbarmherzig. Man<br />

kann sich seine Crew nicht aussuchen,<br />

aber man muss dennoch effizient mit<br />

ihr zusammenarbeiten. Als ich 1992<br />

zur Nasa kam, wurde mir sofort klar,<br />

wie wichtig es ist, enge Beziehungen<br />

zu meinen Astronautenkolleg:innen zu<br />

knüpfen. Man sitzt in einem Schulungsraum,<br />

sieht sich die<br />

«Die ISS ist<br />

eine lebenser -<br />

haltende ‹Bubble›.<br />

Wenn ein Fehler<br />

passiert, gibt es<br />

keinen Ausweg.»<br />

Leute um sich<br />

herum an und<br />

denkt: «Wow … ein<br />

paar von uns könnten<br />

eines Tages<br />

gemeinsam in<br />

lebensbedrohliche<br />

Situationen geraten.»<br />

(lacht) Wir<br />

haben gerade schon<br />

über Kommunikation gesprochen, und<br />

ich rate jedem, egal in welchem<br />

Kontext: Sprecht Probleme an, ehe sie<br />

im Streit eskalieren. In meiner gesamten<br />

Zeit im Weltraum habe ich nicht<br />

einen einzigen, emotionalen Ausbruch<br />

erlebt. Natürlich hatten wir Diskussionen<br />

und Meinungsverschiedenheiten,<br />

aber sie waren immer konstruktiv. Alles<br />

andere wäre hoch problematisch<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


22<br />

gewesen, denn auf so engem Raum<br />

und bei der Fülle der Aufgaben können<br />

Sie es sich einfach nicht leisten,<br />

dass zwei oder drei Menschen ein paar<br />

Tage lang nicht miteinander reden.<br />

Streit gefährdet die gesamte Mission.<br />

Sie schreiben in Ihrem Astronauten-<br />

Guide auch darüber, wie Sie mit Angst<br />

umgegangen sind. Gefürchtet hätten<br />

Sie sich auf der ISS nur einmal, nämlich<br />

als ein Objekt beinahe mit der Raumstation<br />

kollidierte – und Sie das zwar<br />

miterlebten, aber nichts tun konnten. In<br />

allen anderen Situationen, so notieren<br />

Sie, helfe Ihnen bis heute ein «emergency<br />

mindset». Was bedeutet das?<br />

Die eingehende, offene Auseinandersetzung<br />

mit Angst ist entscheidend.<br />

Vor ein paar Jahren wurde ich eingeladen,<br />

einen TED-Talk zu halten und<br />

entschied mich, über Angst zu sprechen<br />

– einfach weil sie unser Leben so<br />

mannigfaltig beeinflusst. Wie wir mit<br />

ihr umgehen, determiniert unseren<br />

Alltag und unsere Opportunitäten.<br />

Nehmen wir an, jemand fürchtet sich<br />

davor, in ein Flugzeug zu steigen …<br />

dann kann er Teile der Welt nur unter<br />

grössten Anstrengungen oder gar<br />

nicht entdecken. In meinem TED-Vortrag<br />

betone ich deshalb, dass Gefahr<br />

und Angst nicht identisch sind, obwohl<br />

die Menschen das oft annehmen. Der<br />

Start einer Rakete zum Beispiel ist nicht<br />

unbedingt gefährlich, aber er kann bei<br />

den Menschen grosse Angst auslösen.<br />

Das beste Mittel gegen Angst ist<br />

deshalb Kompetenz: Wenn Sie wissen,<br />

wie die Rakete funktioniert – oder dass<br />

ein Passagierflugzeug bei Turbulenzen<br />

nicht abstürzt – mindert das den<br />

Einfluss der Angst erheblich. Ich lade<br />

Ihre Leser:innen ein, in sich hineinzuhören:<br />

Wovor fürchten Sie sich? Und<br />

könnte es sein, dass viele angstbesetzte<br />

Szenarien einfach solche sind,<br />

auf die Sie sich schlecht oder gar nicht<br />

vorbereitet fühlen, über die Sie zu<br />

wenige Informationen<br />

besitzen?<br />

Ein «emergency<br />

mindset» zu besitzen<br />

bedeutet also,<br />

immer gut vorbereitet<br />

zu sein?<br />

Das kann man so<br />

formulieren. Es geht<br />

darum, die grössten<br />

Risiken für ein<br />

Unternehmen, eine Familie oder ein<br />

Individuum zu einem Zeitpunkt X zu<br />

verstehen und dann proaktive Schritte<br />

zu unternehmen, um die Risiken zu<br />

minimieren.<br />

Verzeihen Sie, aber wird man da<br />

nicht … etwas paranoid?<br />

Im Gegenteil, die Lebensqualität<br />

verbessert sich erheblich! Ganz gleich,<br />

ob es sich um einen potenziellen<br />

Meteoriteneinschlag auf der ISS oder<br />

um ein alltäglicheres Risiko auf der<br />

Erde handelt: Das Verständnis für und<br />

die Vorbereitung auf Gefahren mindern<br />

Angst und Stress. Machen Sie<br />

Ihre «Hausaufgaben», bereiten Sie sich<br />

vor – und dann konzentrieren Sie sich<br />

darauf, wie schön das Leben ist, anstatt<br />

sich von diffusen Sorgen «auffressen»<br />

zu lassen.<br />

Sie sind in diversen Bereichen erfolgreich<br />

– als Astronaut, als Kampfpilot,<br />

als Sänger und jetzt als Bestsellerautor<br />

«Wer ein<br />

‹emergency mindset›<br />

adaptiert, wird nicht<br />

paranoid, sondern<br />

dessen Lebensqualität<br />

verbessert sich<br />

erheblich.»<br />

von Sachbüchern, aber auch von<br />

Belletristik. Ihr Werk «An Astronaut's<br />

Guide to Life on Earth» haben wir<br />

schon erwähnt, aber auch Ihre Thriller<br />

«The Apollo Murders» und «The<br />

Defector» finden grossen Anklang.<br />

Wie haben Sie das kreative Schreiben<br />

für sich entdeckt?<br />

Jeder braucht ein Hobby, oder? (lacht)<br />

Ehrlich, ich bin überzeugt, dass man<br />

etwas machen muss, das einen beschäftigt<br />

und einem Freude bringt –<br />

und zwar unter dem Einsatz von<br />

Kreativität. Dabei ist es erst einmal<br />

völlig egal, was andere davon halten.<br />

Während meines Einsatzes auf der ISS<br />

führte ich ein Gespräch mit Neil Young.<br />

Er gab mir einen guten Ratschlag:<br />

«Beurteile einen kreativen Prozess<br />

niemals, bevor er vollendet ist.» Ich<br />

sage das gern etwas simpler: «Mach<br />

einfach mal, ohne<br />

dir permanent über<br />

die eigene Schulter<br />

zu schauen.» (lacht)<br />

Ich habe schon in<br />

der Schule gern<br />

geschrieben, also<br />

lag das irgendwie<br />

nahe. Während ich<br />

«An Astronaut's<br />

Guide to Life on<br />

Earth» noch als eine<br />

Art … Verpflichtung betrachtete,<br />

meine Erlebnisse im Weltall zu teilen,<br />

war «The Apollo Murders» auch für<br />

mich ein Experiment. Mein Verleger<br />

hatte mir vorgeschlagen, mich in der<br />

Belletristik auszuprobieren – ich hatte<br />

ja überhaupt keine Erfahrung mit dem<br />

Genre! Die mehrfache Lektüre von<br />

Stephen Kings «Über das Schreiben»,<br />

das Studium Dutzender Thriller und<br />

nicht zuletzt die grosse Arbeit meines<br />

ausgezeichneten Lektorats brachten<br />

«The Apollo Murders» schliesslich<br />

hervor. Es folgte «The Defector», das<br />

übrigens im März 2024 auf Deutsch<br />

erscheinen wird. Und ich arbeite<br />

bereits an einem dritten Band in der<br />

Reihe. Es mag paradox klingen, aber<br />

Fiktion hilft mir, ein realistischeres Bild<br />

von Luft- und Raumfahrt zu zeichnen,<br />

als Hollywood das tut. (lacht) Ich habe<br />

das Gefühl, das ist gleichsam nützlich<br />

und unterhaltsam für meine Leser:<br />

innen … und mir macht es unheimlich<br />

viel Freude. Warum also aufhören?<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


a<br />

company<br />

Konzept A oder<br />

Konzept B?<br />

Wissen, nicht raten.<br />

Befragen Sie Ihre Zielgruppe mit dem Schweizer Marktleader<br />

– schnell, repräsentativ und qualitativ hochwertig.


24<br />

GERECHTIGKEIT<br />

«Wir<br />

müssen<br />

handeln»<br />

In den USA stagniert die allgemeine Lebenserwartung – zum ersten<br />

Mal seit Jahrzehnten. Der Grund: Teile der Gesellschaft sterben «Tode<br />

der Verzweiflung», durch Suizid, Drogen oder Alkohol. Der Wirtschaftsnobelpreisträger<br />

Sir Angus Deaton erklärt, ob auch Europa dieses<br />

Szenario droht – und was man dagegen tun kann.<br />

Von Johannes Hapig<br />

Illustration Silvan Borer<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


25<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


26<br />

M&K Sir Angus, man könnte den Beginn<br />

Ihrer Karriere in der Wirtschaftswissenschaft<br />

als eine Art «glückliche<br />

Fügung» bezeichnen. Denn als Sie<br />

sich zum Studium an der Universität<br />

in Cambridge einschrieben, hatten<br />

Sie eigentlich vor, Mathematiker<br />

zu werden.<br />

PROF. SIR ANGUS DEATON Das ist richtig.<br />

Ursprünglich hatte ich mich für die<br />

Mathematik entschieden, da ich sie in<br />

meiner Schulzeit als relativ einfach und<br />

nicht allzu … zeitaufwendig empfand.<br />

(lacht) In Cambridge kam ich jedoch<br />

bald an einen Punkt, an dem ich in<br />

Mathematik nicht mehr so gut war, wie<br />

ich a priori gehofft hatte. Mir wurde<br />

von einem Professor geraten, zur<br />

Ökonomie zu wechseln. Das war nicht<br />

geplant gewesen, aber als ich anfing,<br />

mich näher mit der Thematik zu beschäftigen,<br />

entdeckte ich meine<br />

Leidenschaft dafür. Damals war der<br />

Lehrplan in Cambridge natürlich stark<br />

von Keynesianern geprägt, von denen<br />

viele noch direkt mit John Maynard<br />

Keynes selbst zusammengearbeitet<br />

hatten. Obwohl er 1946 verstorben<br />

war, war seine Präsenz an der Universität<br />

weiterhin spürbar, als ich 1969 mein<br />

Studium begann. Ich genoss ein hohes<br />

Mass an Freiheit in meiner Forschung<br />

und konnte mich mit den Themen<br />

beschäftigen, die mich interessierten.<br />

Einen wichtigen Einfluss auf meine<br />

Arbeit hatte zum Beispiel Richard<br />

Stone, einer der letzten Assistenten<br />

von Keynes und ein überzeugter<br />

Empiriker. Seine Herangehensweise<br />

hat meine eigene enorm geprägt:<br />

«Den grössten Teil meiner Laufbahn<br />

wollte ich analysieren, welche<br />

wirtschaftlichen Faktoren das Wohlergehen<br />

von Menschen fördern.»<br />

Stone legte den Fokus in der Ökonomie<br />

auf empirische Beweise … und<br />

brachte mich damit sozusagen zur<br />

Mathematik «zurück».<br />

1976 nahmen Sie dann eine Stelle an<br />

der Universität Bristol an und verfassten,<br />

wie Expert:innen rückblickend<br />

notieren, einige Ihrer «bedeutendsten<br />

theoretischen Arbeiten». 1983 folgten<br />

Sie einem Ruf in die Vereinigten<br />

Staaten an die Universität Princeton.<br />

Ich nehme an, dass sich das dort<br />

vorherrschende wirtschaftliche Denken<br />

deutlich von den im Vereinigten<br />

Königreich dominierenden Ideen<br />

unterschied?<br />

Die Amerikaner waren definitiv mehr auf<br />

der rechten Seite des intellektuellen –<br />

und politischen – Spektrums angesiedelt<br />

als die Briten zu jener Zeit, ja.<br />

Hatte das einen Einfluss auf Ihre<br />

eigene Arbeit?<br />

Meine Anschauungen haben sich im<br />

Laufe der Jahre immer wieder gewandelt,<br />

die Gründe dafür sind vielfältig.<br />

Es ist sicher richtig, dass meine Zeit in<br />

Cambridge Spuren hinterliess, etwa<br />

was meine Ansichten zu Themen wie<br />

Verteilungsgerechtigkeit und wirtschaftliche<br />

Effizienz betrifft. Die unterschieden<br />

sich in den 1980er-Jahren<br />

ganz erheblich von dem, was meine<br />

«Wir sahen: Menschen in bestimmten<br />

demografischen Gruppen sind anfällig für<br />

Suizid, für Tod durch Drogen oder Alkohol.»<br />

amerikanischen Kollegen<br />

dachten … und tun das auch<br />

heute noch. (lacht) Ich habe<br />

mich darüber hinaus nie mit<br />

dem absoluten Liberalismus der<br />

konservativen Chicagoer Schule<br />

identifizieren können. Gleichzeitig<br />

würde ich nicht behaupten, dass ich …<br />

einen signifikanten Teil der mir zur<br />

Verfügung stehenden Ressourcen<br />

darauf verwendet hätte, diese Denkrichtung<br />

anzugreifen. Meine Arbeit<br />

blieb weitgehend innerhalb des<br />

Mainstreams des ökonomischen<br />

Denkens: Sie war oft technisch, empirisch,<br />

und ich nutzte – wie ich bereits<br />

sagte – die Mathematik recht ausgiebig.<br />

Den grössten Teil meiner Laufbahn<br />

wollte ich analysieren, welche<br />

wirtschaftlichen Faktoren das Wohlergehen<br />

von Menschen fördern,<br />

insbesondere im Hinblick darauf, wie<br />

sie sich zwischen gegenwärtigem und<br />

zukünftigem Konsum entscheiden. Das<br />

ist eine wichtige Frage, die sich sehr<br />

stark auf das individuelle Befinden<br />

auswirkt. Amartya Sen, den ich schon<br />

in Cambridge kennen gelernt hatte,<br />

weckte ausserdem mein Interesse an<br />

Gesundheitsökonomie.<br />

Das wird deutlich, wenn man sich Ihre<br />

zwei jüngsten Publikationen ansieht:<br />

Ihr ganz neues Buch «Economics in<br />

America» und «Deaths of Despair»,<br />

das Sie 2020 in Zusammenarbeit mit<br />

Anne Case – ebenfalls eine renommierte<br />

Ökonomin und Ihre Ehefrau –<br />

auf den Markt brachten. «Deaths<br />

of Despair» kennen viele unserer<br />

Leser:innen bestimmt schon, aber<br />

würden Sie die Grundthesen des<br />

Werks trotzdem noch einmal erläutern?<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


27<br />

Die Recherchen für «Deaths of Despair»<br />

begannen um das Jahr 2013<br />

herum. Anne und ich stellten eine<br />

deutliche – und wachsende – Kluft bei<br />

den Sterblichkeitsraten in den Vereinigten<br />

Staaten fest. Wir sahen: Gut<br />

ausgebildete Menschen lebten nicht<br />

nur länger als jene ohne Hochschulabschluss;<br />

Letztere starben in bestimmten<br />

demografischen Gruppen auch<br />

aufgrund von anderen Ursachen. Sie<br />

starben «Tode der Verzweiflung» –<br />

begingen Suizid, konsumierten eine<br />

Überdosis Drogen oder tranken sich<br />

ins Grab. Wie gesagt, die Forschung<br />

begann 2013, das Buch erschien 2020,<br />

und erst kürzlich haben Anne und ich<br />

einen Artikel in der «New York Times»<br />

veröffentlicht, in dem wir festhalten:<br />

Was wir damals sahen, wird nicht<br />

besser. Es wird immer schlimmer. Die<br />

allgemeine Lebenserwartung in den<br />

USA stagniert zum ersten Mal seit<br />

Jahrzehnten, weil die «weniger Gebildeten»<br />

zwei Drittel der Bevölkerung<br />

ausmachen und weil sie eben eine<br />

besondere Anfälligkeit für «Tode der<br />

Verzweiflung» zeigen. Wir müssen<br />

dringend handeln.<br />

Die Opioidkrise in den Vereinigten<br />

Staaten ist derart gravierend, dass sie<br />

auch von europäischen Medien immer<br />

wieder thematisiert wird. Sollte die<br />

Politik versuchen, die Krise quasi<br />

«symptomatisch zu behandeln» – oder<br />

wird sich an der Situation nichts<br />

ändern, ehe die Ursachen bekämpft<br />

werden?<br />

Wir müssen sowohl die Opioidkrise an<br />

sich als auch die tiefer liegenden<br />

Probleme adressieren. In Europa<br />

beispielsweise sehen wir keine vergleichbaren<br />

Probleme mit Medikamenten-<br />

und Drogenmissbrauch, was zum<br />

Teil auf strengere Regulierungsmassnahmen<br />

zurückzuführen ist. Europäische<br />

Ärzte verschreiben schwere<br />

Schmerzmittel in der Regel nicht so<br />

leichtfertig wie in den USA, wo die<br />

«Es wird nicht<br />

besser. Es wird<br />

immer schlimmer.<br />

Wir müssen dringend<br />

handeln.»<br />

Medikamente dann auf den Strassen<br />

weiterverkauft werden. Weiterhin gibt<br />

es in den USA eine sehr problematische<br />

Verflechtung zwischen Politik und<br />

Pharmaindustrie: Einige Politiker:innen<br />

stellen sich in den Dienst genau jener<br />

Arzneimittelfirmen, die ihre Wähler:innen<br />

krank machen – im Austausch für<br />

Hilfe bei der Wahlkampffinanzierung.<br />

Man müsste also Regulierungen für die<br />

Vergabe von Medikamenten durchsetzen<br />

und gleichzeitig die Verflechtungen<br />

von Politik und «Big Pharma»<br />

unterbinden. Da spielen am Ende aber<br />

auch verfassungsrechtliche Fragen<br />

eine Rolle, da reden Lobbyist:innen<br />

mit, da ist – ich erwähnte es schon –<br />

eine unglaubliche Menge Geld im<br />

Spiel. Einfach wird das nicht.<br />

Sie sagen, die Situation in Europa sei<br />

weniger besorgniserregend – in Bezug<br />

auf den Missbrauch von Opioiden, in<br />

Bezug auf die «Todesfälle der Verzweiflung»<br />

insgesamt; und doch: Wir<br />

erleben auch auf unserem Kontinent<br />

eine wachsende Ungleichheit, ebenso<br />

wie im Vereinigten Königreich. Glauben<br />

Sie, dass wir uns in Richtung der<br />

USA entwickeln?<br />

Die ganze Welt befindet sich – völlig<br />

ohne Zweifel – in einer prekären Lage.<br />

Ich vermag die Zukunft nicht vorherzusagen,<br />

aber auch wenn wir im Bereich<br />

des Substanzenmissbrauchs vielleicht<br />

keine allzu starken Parallelen ziehen<br />

können, gibt es sie in anderen Bereichen:<br />

Sowohl in den USA als auch in<br />

Europa ist die Öffentlichkeit weitgehend<br />

desillusioniert, was die etablierte<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


28<br />

«Einige Politiker:innen stellen sich in den<br />

Dienst genau jener Arzneimittelfirmen, die<br />

ihre Wähler:innen krank machen.»<br />

man sich gut überlegen muss, wie man<br />

das korrekt anstellt. Und was das<br />

innen- und aussenpolitisch für Konsequenzen<br />

hat.<br />

politische Kultur angeht – und damit<br />

empfänglich für Populismus. Das<br />

wiederum wirkt sich nicht nur auf die<br />

Innenpolitik, sondern auch auf die<br />

internationalen Beziehungen aus. Was<br />

oft übersehen wird, sind die Folgen<br />

nationaler Spaltung für die Bewältigung<br />

internationaler Herausforderungen.<br />

Für ein Land, das mit seinen<br />

eigenen, internen Konflikten zu kämpfen<br />

hat, ist es schwierig, anderen<br />

Ländern in Not effektiv zu helfen. Die<br />

USA beispielsweise verfolgten früher<br />

einen einheitlicheren Ansatz in der<br />

Aussenpolitik, aber jetzt beeinflussen<br />

innenpolitische Zerwürfnisse ihre<br />

Position – das sehen Sie etwa bei der<br />

Debatte um die Unterstützung der<br />

Ukraine. Fände ein Regierungswechsel<br />

statt, könnte die Militärhilfe für die<br />

Ukraine enden und das Blatt sich<br />

zugunsten Russlands wenden, was<br />

wiederum gravierende Folgen für die<br />

Sicherheitslage in Europa hätte.<br />

Aussenpolitik – vor allem Entwicklungshilfe<br />

im Kontext globaler Lebensqualität<br />

– ist ein weiteres, wichtiges<br />

Thema Ihrer Forschung. Während Sie<br />

gerade gesagt haben, dass die USA<br />

eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung<br />

der globalen Stabilität<br />

spielen, sind Sie dennoch für Ihre<br />

Skepsis gegenüber finanzieller Entwicklungshilfe<br />

bekannt.<br />

Da haben Sie recht. In einem weiteren<br />

Buch von mir – «The Great Escape» aus<br />

dem Jahr 2013 – äussere ich mich<br />

skeptisch über die intendierte Wirkung<br />

von Entwicklungshilfe. Ich stelle die<br />

These auf, dass sie zwar oft als benevolent<br />

im Allgemeinen und potenzielle<br />

Lösung für Migrationsprobleme im<br />

Speziellen angesehen wird – à la:<br />

Wenn es den Menschen in ihrer<br />

Heimat gut geht, bleiben sie dort -,<br />

dass sie aber auch negative Auswirkungen<br />

haben kann. In manchen Fällen<br />

kann Entwicklungshilfe in den Ländern,<br />

die sie erhalten, die demokratischen<br />

Strukturen schwächen. Damit verschärft<br />

sie die Probleme, die sie<br />

eigentlich lösen soll, noch weiter.<br />

Ausserdem lassen sich mit einer Politik,<br />

die Entwicklungshilfe priorisiert, kaum<br />

Wahlen gewinnen: Die Menschen<br />

beobachten, wie ihre Arbeitsplätze ins<br />

Ausland verlagert werden, etwa nach<br />

China, Vietnam und Mexiko, und dann<br />

bekommen sie mit, wie ihre Steuergelder<br />

als Unterstützung in ebenjene<br />

Länder fliessen. Das kann zu erheblichen<br />

Ressentiments und gesellschaftlichem<br />

Dissens führen. Ich sage nicht,<br />

dass man Ländern oder Menschen in<br />

Not nicht helfen soll; ich sage nur, dass<br />

«Die USA<br />

müssen an der<br />

Staatsverschuldung<br />

arbeiten. Wobei …<br />

wer muss das heute<br />

nicht?»<br />

Ihr ganz neues Buch, das diesen<br />

Oktober erschienen ist, trägt einen<br />

bemerkenswerten Titel: Es heisst<br />

«Economics in America: An Immigrant<br />

Economist Explores the Land of<br />

Inequality». Nach mehr als vier Jahrzehnten<br />

in den USA und nachdem Sie<br />

die amerikanische Staatsbürgerschaft<br />

angenommen haben, betonen Sie<br />

immer noch, dass Sie ein Einwanderer<br />

sind. Warum?<br />

Einwanderer sehen sich oft einer recht<br />

merkwürdigen … Mélange von Kulturen<br />

ausgesetzt, das war und ist bei mir<br />

nicht anders. Wir haben unsere Unterhaltung<br />

mit meiner Zeit in Cambridge<br />

begonnen, aber Sie wissen vielleicht,<br />

dass ich in Schottland geboren wurde.<br />

Das war immer ein wichtiger Bestandteil<br />

meiner Identität. Darum habe ich<br />

die britische Staatsbürgerschaft behalten<br />

– und weil ich die Chance nicht<br />

verpassen wollte, zum Ritter geschlagen<br />

zu werden. (lacht) Spass beiseite:<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


29<br />

Ja, ich habe gezögert, Amerikaner zu<br />

werden. Aber spätestens als meine<br />

Enkelkinder hier geboren wurden,<br />

fielen mir langsam keine Ausreden<br />

mehr ein. Und ich hatte keine Lust<br />

mehr, mit mürrischen Zollbeamten<br />

irgendwelche Fragebögen durchzugehen.<br />

(lacht) Oh, und, natürlich: Ich<br />

wollte wählen! Das ist etwas, das ich<br />

auch in meinem Buch betone: Politiker:innen<br />

neigen dazu, sich auf diejenigen<br />

zu konzentrieren, die wählen<br />

dürfen, und ignorieren Menschen, die<br />

dieses Recht nicht haben. Ich wollte<br />

irgendwann nicht mehr zur zweiten<br />

Gruppe gehören.<br />

Ich habe gelesen, der Arbeitstitel Ihres<br />

Buchs sei ein anderer gewesen …<br />

Ja, er lautete «Shock and<br />

Awe», was meine gemischten<br />

Gefühle gegenüber<br />

den USA ziemlich<br />

genau auf den Punkt<br />

bringt. Schock und<br />

Bewunderung – denn ich<br />

habe die amerikanischen<br />

Errungenschaften, vor<br />

allem in der Wirtschaft,<br />

immer bewundert, aber<br />

ich war auch schockiert<br />

über einiges, das ich<br />

erlebte, nachdem ich hier heimisch<br />

geworden war. Die treffendste Kurzbeschreibung<br />

für «Economics in America»<br />

wäre wohl, dass das Werk diesen<br />

Zwiespalt zu ergründen versucht.<br />

Gibt es eine Reihe politischer Massnahmen,<br />

mit deren Implementierung<br />

sich die Situation in den USA Ihrer<br />

Meinung nach verbessern liesse?<br />

Ich glaube, ein entscheidender Faktor<br />

wäre die Wiederbelebung der Gewerkschaftsbewegung.<br />

Der Niedergang<br />

der Gewerkschaften in der<br />

Privatwirtschaft hat die Macht und den<br />

Einfluss der arbeitenden Menschen<br />

erheblich geschwächt. Die Gewerkschaften<br />

waren massgeblich an der<br />

Durchsetzung höherer Löhne, der<br />

Förderung von Gesundheit und<br />

Sicherheit am Arbeitsplatz und der<br />

Kanalisierung von politischem Einfluss<br />

beteiligt. Heute jedoch überwiegt die<br />

«Als<br />

Immigrant<br />

schwanke ich<br />

zwischen Bewunderung<br />

und<br />

Schock über die<br />

Entwicklungen<br />

in Amerika.»<br />

Macht der Unternehmen, wie Sie etwa<br />

am Beispiel von Google sehen, bei<br />

Weitem die Macht der Gewerkschaften.<br />

Auch das Gesundheitssystem<br />

in den USA müsste dringend<br />

reformiert werden: Die Schweiz<br />

gibt etwa <strong>12</strong> Prozent ihres BIP<br />

für die Gesundheitsversorgung<br />

aus, aber Ihre Bevölkerung<br />

hat eine höhere Lebenserwartung<br />

als die Menschen<br />

hier bei uns, wo stolze<br />

18 Prozent des BIP ins<br />

Gesundheitswesen fliessen.<br />

Wir erzielen schlechtere<br />

Resultate bei wesentlich<br />

höheren Kosten, das darf so<br />

nicht weitergehen. Und: Die<br />

USA müssen an der Staatsverschuldung<br />

arbeiten.<br />

Wobei …<br />

wer muss<br />

das heutzutage<br />

nicht?<br />

In Interviews fordern Sie<br />

immer wieder, dass die<br />

Ökonomie als Wissenschaft<br />

zu einer Beschäftigung<br />

mit «realen Problemen»<br />

zurückkehren<br />

müsse. Wann hat sie diese Probleme<br />

denn «aus den Augen verloren» – und<br />

wie findet sie zurück auf den «richtigen<br />

Weg»?<br />

Das ist ein umfangreiches Thema, und<br />

obwohl ich Ihnen dazu ein paar Sätze<br />

sagen kann, gibt es deutlich bessere<br />

Wissenschaftshistoriker:innen als mich.<br />

Das nur vorab, als Warnung. (lacht)<br />

Wissen Sie, früher – das können Sie<br />

etwa bei Adam Smith nachlesen –<br />

wollte die Wirtschaftswissenschaft<br />

immer einen umfassenden Blick auf<br />

die Komponenten menschlichen<br />

Wohlergehens werfen. Eine der<br />

besten Definitionen dazu stammt von<br />

Keynes, der die Auffassung vertrat,<br />

dass die Wirtschaftswissenschaft drei<br />

Elemente in Einklang bringen müsse:<br />

Effizienz, soziale Gerechtigkeit und<br />

individuelle Freiheit. Leider sind diese<br />

Aspekte in letzter Zeit in ein Ungleichgewicht<br />

geraten, auch in der Forschung.<br />

Die Chicagoer Schule beispielsweise<br />

hat soziale Gerechtigkeit<br />

weitgehend ausser Acht gelassen und<br />

individuelle Freiheit mit Markteffizienz<br />

gleichgesetzt. Ich plädiere dafür,<br />

Keynes’ Modell und dessen Bedeutung<br />

für die Gegenwart neu zu evaluieren.<br />

Haben Sie das Gefühl, dass junge<br />

Wirtschaftswissenschaftler:innen, die<br />

heute an internationalen Universitäten<br />

arbeiten, durch das akademische<br />

System ermutigt werden, eigene<br />

Theorien zu verfolgen – oder werden<br />

sie dazu erzogen, primär «Lehrer:innen»<br />

zu sein?<br />

Wenn ich diese Frage höre, dann<br />

empfinde ich gemischte Gefühle.<br />

Positiv ist, dass das Feld der Wirtschaftswissenschaft<br />

unglaublich weit<br />

und sehr offen ist, gerade hier in den<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


30<br />

USA. Im Gegensatz zu anderen<br />

Ländern oder Fachrichtungen<br />

können in den USA aussergewöhnlich<br />

begabte junge Menschen<br />

bereits mit Ende zwanzig<br />

oder Anfang dreissig Professor:innen<br />

werden. Das ist<br />

anderswo unüblich – da muss<br />

man mindestens fünfzig Jahre<br />

alt sein, um eine leitende<br />

Position zu erlangen. Als ich<br />

damals in Cambridge zu studieren<br />

begann, war eine Führungsposition<br />

sogar – für gewöhnlich<br />

– der letzte Job kurz vor der<br />

Pensionierung. (lacht) Bei all der<br />

Offenheit der Disziplin gibt es<br />

dennoch Dinge, die mir Sorgen<br />

machen:allzu elitäre Graduiertenprogramme<br />

etwa … oder<br />

der Einfluss einiger weniger<br />

US-amerikanischer Fachzeitschriften<br />

auf den globalen<br />

Diskurs. Beides leistet einer<br />

Homogenisierung des Dialogs<br />

Vorschub. Freilich: Wenn ich mir<br />

meine jungen Kolleg:innen in<br />

Princeton anschaue, bin ich<br />

beeindruckt. Sie sind kreativ, sie<br />

sind mutig – und sie räumen mit<br />

Dogmata der Vergangenheit auf.<br />

Dieser Optimismus bezüglich Ihrer<br />

Kolleg:innen und Ihrer Disziplin ist<br />

ermutigend. Sind Sie auch optimistisch,<br />

was die Zukunft der USA – oder<br />

noch breiter gefragt, der Welt – angeht?<br />

Das hängt davon ab, mit welchem Fuss<br />

ich morgens aufstehe. (lacht) Es gibt<br />

Tage, an denen ich ziemlich pessimistisch<br />

bin, und andere, an denen ich<br />

mich optimistisch fühle. Tony Atkinson,<br />

eines meiner grossen intellektuellen<br />

Vorbilder, sprach mich einmal auf mein<br />

Buch «The Great Escape» an – und<br />

meinte: «Es gibt auch einen Film, der<br />

so heisst, und da erleiden die meisten<br />

Protagonisten ein furchtbares Ende.»<br />

Tony fragte mich, ob ich ein ähnliches<br />

Schicksal für die Menschheit voraussehe<br />

oder warum ich das Buch sonst<br />

so betitelt hätte. Und tatsächlich: Im<br />

Nachwort des Werks habe ich ein<br />

wenig darüber reflektiert, ob künftige<br />

«War die Zeit<br />

von 1750 bis<br />

2000 ein<br />

Moment der<br />

Erleuchtung<br />

in einer ansonsten<br />

düsteren<br />

Geschichte?»<br />

Zur Person<br />

Sir Angus Stewart<br />

Deaton ist ein<br />

britisch-US-amerikanischer<br />

Ökonom. Er<br />

ist Professor für<br />

Wirtschaftswissenschaften<br />

an der<br />

Princeton University<br />

und erhielt 2015 den<br />

Alfred-Nobel-Gedächtnispreis<br />

für<br />

Wirtschaftswissenschaften<br />

«für seine<br />

Analyse von Konsum,<br />

Armut und Wohlfahrt».<br />

Sein neues<br />

Buch trägt den Titel<br />

«Economics in<br />

America: An Immigrant<br />

Economist<br />

Explores the Land of<br />

Inequality» und ist im<br />

Oktober erschienen.<br />

Generationen die Zeit von 1750 bis<br />

2000 als einen flüchtigen Moment der<br />

Erleuchtung in einer ansonsten düsteren<br />

Geschichte unserer Spezies betrachten<br />

würden. Aber … eigentlich<br />

glaube ich das nicht. Ich war immer<br />

überzeugt, dass wir uns – selbst wenn<br />

wir mit Katastrophen konfrontiert<br />

sind – auf unser Wissen und unsere<br />

Fähigkeit zur Innovation verlassen<br />

können. Jetzt, da «The Great Escape»<br />

in einer Klassikerausgabe noch einmal<br />

aufgelegt wird, habe ich ein neues<br />

Vorwort geschrieben, in dem ich etwas<br />

Ähnliches sage. Ich bleibe insgesamt<br />

optimistisch – aber: vorsichtig optimistisch.<br />

Die Welt ist instabiler geworden,<br />

niemand ist vor Problemen gefeit.<br />

Autokraten in Russland oder China<br />

gefährden die internationale Kooperation.<br />

Das alles ist enorm komplex.<br />

Dann wiederum: Im 20. Jahrhundert<br />

gab es auch Kriege, Krisen und wirtschaftliche<br />

Verwerfungen – und wir<br />

sind immer noch hier, oder?<br />

Bild: Nobel Media AB, A. Mahmoud.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Zählen Sie auf uns.<br />

Heute mehr denn je.<br />

Eine Bank wie die Schweiz<br />

©UBS <strong>2023</strong>. Alle Rechte vorbehalten.<br />

ubs.com/wie-die-schweiz


32<br />

ESSAY<br />

Warum<br />

Wirtschaft<br />

dienen<br />

muss<br />

Der Ethik- und Kommunikationsexperte Dr. Stephan Feldhaus plädiert<br />

dafür, die Wirtschaft nicht als eigenständige Entität misszuverstehen.<br />

Vielmehr sei sie ein Vehikel, das dem Wohlbefinden der Menschen<br />

dienen müsse. Gerade Führungskräfte stünden hier in der Pflicht.<br />

Von Dr. Stephan Feldhaus<br />

Illustration Silvan Borer<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


33<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


34<br />

U<br />

nternehmensethik beschäftigt<br />

sich als Teil der Wirtschaftsethik<br />

mit der Frage der Verantwortung<br />

von Unternehmen<br />

für die Individuen, die Gesellschaften<br />

und die Umwelt. Es geht immer zugleich<br />

um individuelle, soziale und ökologische<br />

Verantwortung. Peter Ulrich hat in diesem<br />

Zusammenhang in seinen wirtschaftsethischen<br />

Entwürfen den Begriff der<br />

«lebensdienlichen Ökonomie» geprägt.<br />

Das ökonomische Handeln des Menschen<br />

hat keinen Selbstzweck und folgt<br />

keinen inhärenten Gesetzmässigkeiten,<br />

sondern dient immer der Erfüllung von<br />

Zielen, die Einzelne oder Gruppen für<br />

sich selbst oder andere setzen.<br />

Dazu passt es, wie wir gemeinhin Wirtschaft<br />

definieren. Im ursprünglichen Sinn<br />

beschreibt der Begriff Wirtschaft nämlich<br />

alle personellen und materiellen Aufwendungen<br />

und Erträge, die dazu dienen,<br />

den Unterhalt des Menschen zu<br />

sichern – zum Beispiel mittels Jagd,<br />

Ackerbau oder Handel und Gewerbe.<br />

Im modernen Sinne ist Wirtschaft oder<br />

Ökonomie die Gesamtheit aller Einrichtungen<br />

und Handlungen, die der planvollen<br />

Deckung der Nachfrage, also der<br />

Befriedigung der Bedürfnisse aller einzelnen<br />

Menschen dienen. Zu den wirtschaftlichen<br />

Einrichtungen gehören<br />

Unternehmen sowie private und öffentliche<br />

Haushalte. Zu den Handlungen des<br />

Wirtschaftens zählen alle menschlichen<br />

Aktivitäten, die mit dem Ziel einer bestmöglichen<br />

Bedürfnisbefriedigung planmässig<br />

und effizient über knappe Ressourcen<br />

entscheiden. Die Notwendigkeit<br />

«Man kann heute leicht den Eindruck<br />

gewinnen, ‹die› Wirtschaft existiere<br />

als eigenständige Grösse mit<br />

eigenen Erwartungen.»<br />

«Wäre es also nicht völlig legitim, zu sagen:<br />

‹Eine Wirtschaft, die nicht dient,<br />

dient zu nichts!›?»<br />

zum Wirtschaften ergibt sich aus der<br />

Knappheit der Güter einerseits und der<br />

Unbegrenztheit der menschlichen Bedürfnisse<br />

andererseits.<br />

Im ganz ursprünglichen wie im modernen<br />

Sinn hat also alles wirtschaftliche<br />

Handeln letztlich einen «dienenden»<br />

Charakter. Menschen setzen ökonomische<br />

Prozesse ein, um selbst gesetzte<br />

Ziele zu erreichen. Wäre es nicht also<br />

völlig legitim, zu sagen: «Eine Wirtschaft,<br />

die nicht dient, dient zu nichts!»?<br />

Doch an eine dienende Funktion der<br />

Wirtschaft denkt heute wohl niemand,<br />

wenn wir im allgemeinen Sprachgebrauch<br />

von «der» Wirtschaft reden. «Die<br />

Steuerreform schadet der Wirtschaft»,<br />

«Die Wirtschaft benötigt einen flexiblen<br />

Arbeitsmarkt» oder «KI – richtig eingesetzt<br />

– stärkt die Wirtschaft»: Man kann<br />

heute leicht den Eindruck gewinnen,<br />

«die» Wirtschaft existiere als eigenständige<br />

Grösse mit eigenen Erwartungen<br />

und Bedürfnissen; und mehr noch, die<br />

Menschen seien für die Wirtschaft da<br />

und nicht umgekehrt. Wir reden von<br />

«der» Wirtschaft, als hätten die Menschen<br />

die Bedürfnisse der Wirtschaft zu erfüllen,<br />

ihr zu «dienen».<br />

Das «magische Dreieck»<br />

In den Debatten über Nachhaltigkeit<br />

sprechen wir gar von einem «magischen<br />

Dreieck» und setzen – neben «Gesellschaft»<br />

und «Umwelt» – «die Wirtschaft»<br />

als eigenständige Zielgrösse. Völlig<br />

gleichberechtigt treten neben soziale<br />

und ökologische Ziele und Erfordernisse<br />

rein ökonomische Ziele und Erfordernisse.<br />

Damit suggerieren wir, dass es<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


35<br />

vom Menschen unabhängige, in sich<br />

gegebene Gesetzmässigkeiten gebe,<br />

die es mit den Erfordernissen der Gesellschaft<br />

und den Bedingungen der<br />

Umwelt auszutarieren gelte.<br />

Wenn wir aber «die» Wirtschaft als<br />

eigenständige Grösse konstruieren, die<br />

ganz eigenen innewohnenden Zielen<br />

folgt, verlieren wir mehr und mehr aus<br />

den Augen, dass die Wirtschaft mit all<br />

den ökonomischen Prozessen und Gesetzmässigkeiten<br />

lediglich ein Mittel ist,<br />

mit dem wir die von uns selbst gesetzten<br />

Ziele zu erreichen suchen. Und diese<br />

individuellen, gesellschaftlichen oder<br />

unternehmerischen Ziele müssen wir<br />

Menschen als Konsumenten oder Produzenten,<br />

als Private oder als politisch<br />

oder unternehmerisch Verantwortliche<br />

selbst definieren, die Ziele gibt uns «die»<br />

Wirtschaft nicht vor.<br />

Zielvorgaben sind menschlich<br />

Ob und wie stark beispielsweise der Umsatz<br />

eines Unternehmens steigen soll<br />

und der zu erzielende Gewinn prozentual<br />

noch stärker steigen soll, sind Ziele, die<br />

die Personen, die in einem Unternehmen<br />

Führungsverantwortung tragen, definieren<br />

und festsetzen. Für diese Ziele mag<br />

es plausible Gründe geben und es mag<br />

Menschen geben, die diese Gründe bezweifeln<br />

und andere Ziele für angemessener<br />

erachten. In der Regel folgt die<br />

Zielfestsetzung einem unternehmensinternen<br />

Diskussions- und Abwägungsprozess.<br />

Es gibt keine «Wirtschaft», die<br />

als externe übergeordnete Instanz ein<br />

solches Ziel fordert oder bestimmt.<br />

Es geht hier nicht um eine grundsätzliche<br />

Wachstumskritik. Aber es geht darum,<br />

zu verstehen, dass jede Verselbständigung<br />

von scheinbar ehernen<br />

wirtschaftlichen Gesetzen genau die aus<br />

dem Blick verlieren, um die es eigentlich<br />

geht: um die Menschen, und zwar um<br />

die Menschen, die die einzelnen Ziele<br />

festsetzen, und die Menschen, die von<br />

diesen Zielen betroffen sind. Die Ziele,<br />

auch die Wachstumsziele, die man mittels<br />

wirtschaftlicher Prozesse erreichen<br />

will, müssen so gesetzt sein, dass sie den<br />

Menschen dienen.<br />

«Es geht hier nicht um<br />

eine grundsätzliche<br />

Wachstumskritik. Es geht<br />

darum, die Menschen<br />

nicht aus dem Blick zu<br />

verlieren.»<br />

Zum Autor<br />

Dr. Stephan Feldhaus<br />

ist ein national wie<br />

international renommierter<br />

Kommunikationsexperte<br />

und<br />

Ethiker. Er war bis<br />

2019 Leiter Group<br />

Communications und<br />

Mitglied der erweiterten<br />

Konzernleitung<br />

der F. Hoffmann-La<br />

Roche AG und führt<br />

seither die von ihm<br />

gegründete Beratungsfirma<br />

Feldhaus&Partner<br />

in<br />

Basel. Daneben ist<br />

er – unter anderem –<br />

Präsident des<br />

Verwaltungsrats der<br />

Viollier AG sowie<br />

Kommissionspräsident<br />

des Antikenmuseums<br />

Basel und der<br />

Sammlung Ludwig.<br />

Der promovierte<br />

Theologe engagiert<br />

sich ausserdem als<br />

Diakon der Christkatholischen<br />

Kirche der<br />

Schweiz.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


36<br />

«Wenn Einzelinteressen die Oberhand<br />

gewinnen, individualisieren wir die Gewinne<br />

und sozialisieren die Verluste.»<br />

Ich halte es für ein grosses Problem, dass<br />

wir das Definieren und Festsetzen von<br />

wirtschaftlichen Zielen im unternehmerischen<br />

wie im gesamtwirtschaftlichen<br />

Kontext immer mehr ganz wenigen Einzelnen<br />

überlassen. Wenn wir uns aber<br />

als Einzelne und als Gesellschaft immer<br />

weiter von dieser Aufgabe verabschieden,<br />

dürfen wir uns nicht wundern, wenn<br />

das wirtschaftliche Geschehen auch von<br />

Einzel- und Partikularinteressen beherrscht<br />

wird. Dann ist auf einmal die<br />

Wirtschaft nicht mehr zur Befriedigung<br />

der Bedürfnisse der Einzelnen und der<br />

gesellschaftlichen Erfordernisse da, sondern<br />

der Mensch zur Befriedigung der<br />

vermeintlichen Bedürfnisse der Wirtschaft.<br />

Wenn aber Einzelinteressen die<br />

Oberhand gewinnen, individualisieren<br />

wir die Gewinne und sozialisieren die<br />

Verluste.<br />

Wirtschaftsethisch gesehen, kann es<br />

nur darum gehen, dass alle Normen,<br />

Gesetze und Regeln sowie alle von Menschen<br />

geschaffenen Systeme, Organisationen<br />

und Institutionen im Letzten den<br />

einen Hauptzweck haben, nämlich das<br />

Leben des Menschen (als Einzelner sowie<br />

in seinen sozialen und Umweltbezügen)<br />

gelingen zu lassen.<br />

Verantwortung des Leadership<br />

Verantwortung ist gerade in diesem wirtschaftsethischen<br />

Kontext ohne Zweifel<br />

zu einer gesellschaftspolitischen Schlüsselkategorie<br />

unseres gegenwärtigen<br />

Selbstverständnisses geworden. Die<br />

Forderung nach mehr Verantwortung<br />

findet sich ebenso wie die Klage über<br />

den Mangel an derselben in nahezu jeder<br />

Stellungnahme zu den Entwicklungsständen<br />

moderner Zivilisation. Welche<br />

spezielle Verantwortung kommt also in<br />

einem «lebensdienlichen» Verständnis<br />

von Wirtschaft den Personen zu, die in<br />

den wirtschaftlichen Handlungen und<br />

Institutionen eine Führungsaufgabe<br />

übernehmen?<br />

Aus meiner Sicht kommt im wirtschaftlichen<br />

Kontext den Führungspersonen<br />

eine vierfache Verantwortung zu: Zunächst<br />

einmal tragen Führungskräfte eine<br />

übergeordnete ethisch-integrative Verantwortung<br />

für das Gelingen des Ganzen.<br />

Zudem tragen sie, ethisch betrachtet,<br />

eine implementäre, komplementäre<br />

und innovative Verantwortung. Was<br />

meint dies im Einzelnen?<br />

Integrative Verantwortung …<br />

Die integrative Verantwortung von Führungspersonen<br />

meint die Einbeziehung<br />

ethischer Überlegungen in das wirtschaftliche<br />

Handeln von Anfang an. Dies<br />

bedeutet, dass ethische Prinzipien und<br />

Werte in alle Aspekte des Geschäftsbetriebs<br />

integriert werden, einschliesslich<br />

der Strategiesetzung,<br />

der Entscheidungsfindung,<br />

der<br />

Unternehmenskultur,<br />

die ethisches<br />

Verhalten fördert,<br />

der Beziehungen zu<br />

Stakeholdern und<br />

der verantwortungsvollen Geschäftspraktiken.<br />

Es gilt, eine klare Vision und Mission<br />

für den mittel- und langfristigen Erfolg<br />

zu entwickeln, über die Festlegung von<br />

Richtlinien und Standards einen verbindlichen<br />

ethischen Rahmen zu schaffen<br />

sowie Vertrauen und Transparenz mit<br />

allen Stakeholder-Gruppen aufzubauen.<br />

Handlungsleitend sollte die Grundüberzeugung<br />

sein, dass Normativität nicht<br />

die «Kehrseite» der ökonomischen Rationalität<br />

darstellt, sondern deren Fundament,<br />

und dass es keinen grundsätzlichen<br />

Gegensatz zwischen Ökonomie<br />

und Ethik gibt.<br />

Am Beginn einer integrativen Einbeziehung<br />

von ethischen Überlegungen in<br />

das wirtschaftliche Handeln steht die<br />

persönliche Überzeugung der Führungspersonen.<br />

Sie beeinflussen stark den<br />

«Führungspersonen<br />

tragen im wirtschaftlichen<br />

Kontext eine vierfache<br />

Verantwortung.»<br />

Grundcharakter eines Unternehmens<br />

und prägen das Verhalten. Kraft ihrer<br />

Autorität, sei sie nur aus der hierarchischen<br />

Stellung oder auch aus ihrer Persönlichkeit<br />

geboren, prägen die Führungspersonen<br />

mit ihren Einstellungen<br />

und Werten die gesamte Einrichtung.<br />

Wie ist der «Stil» der Führung? Für welche<br />

Aufgaben nimmt sich die Führungsperson<br />

wie viel Zeit? Worüber äussert sie<br />

sich bewundernd oder verächtlich?<br />

Durch nonverbale Kommunikation kann<br />

eine Führungsperson signalisieren, ob<br />

er respektive sie tatsächlich hinter den<br />

Ideen, Zielen und Aufgaben steht. Das<br />

persönliche Vorbild der Führungsperson<br />

ist «kulturbestimmend» und es gibt Erfahrungen,<br />

dass eine «Kulturrevolution»<br />

allein durch den Austausch von Führungspersonen<br />

möglich ist.<br />

Die Wahrnehmung integrativer Verantwortung<br />

setzt dabei freilich ein ganzes<br />

Bündel an Fähigkeiten und Kompetenzen<br />

voraus: Neben exzellenter technischer<br />

Fach- und Beurteilungskompetenz müssen<br />

Führungskräfte<br />

über ein hohes<br />

Mass an emotionaler<br />

Intelligenz und<br />

Sozialkompetenz<br />

verfügen. Dies bedeutet<br />

sowohl die<br />

Fähigkeit zur Persönlichkeitsentwicklung<br />

und Selbstreflexion,<br />

zu ethischer Sensibilität sowie zur<br />

Unterscheidung des lediglich Effizienten<br />

und des tatsächlich Relevanten. Dialogund<br />

Konfliktfähigkeit sowie ein Höchstmass<br />

an Kommunikationskompetenz<br />

runden das Profil ab.<br />

… implementäre Verantwortung …<br />

Führungspersonen haben zudem in Bezug<br />

auf die jeweils geltende Rahmenordnung<br />

eine ethisch-implementäre<br />

Verantwortung wahrzunehmen, das<br />

heisst, sie müssen den durch die Rahmenordnung<br />

gesetzten Regelungen in<br />

ihren einzelnen Handlungen entsprechen.<br />

Hier geht es also um grundsätzliche<br />

Regelkonformität. Illegale Handelsbeziehungen,<br />

Bestechung, Korruption,<br />

Steuerhinterziehung, unlauterer Wettbewerb,<br />

Preisabsprachen, Lohndumping,<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


37<br />

soziale und individuelle Ungleichbehandlungen<br />

sowie Umweltvergehen verstossen<br />

nicht nur gegen bestehende<br />

Rahmenordnungen, sondern stellen zugleich<br />

ethische Verfehlungen dar.<br />

… komplementäre Verantwortung …<br />

Über die regelkonforme Befolgung und<br />

Umsetzung der geltenden Rahmenordnungen<br />

hinaus haben Führungspersonen<br />

eine ergänzende ethisch-komplementäre<br />

Verantwortung wahrzunehmen, d.h. sie<br />

müssen von sich aus das aktiv und selbstständig<br />

an ethischen Erfordernissen einbringen,<br />

was auf der Linie der Rahmenordnung<br />

liegt, aber von ihr selbst nicht<br />

zureichend allgemeinverbindlich definiert<br />

und geregelt werden kann. Hier<br />

geht es um eine beständige Verbesserung<br />

der bestehenden Rahmenordnungen<br />

und/oder um unternehmens- oder<br />

branchenspezifische Ergänzungen. Dies<br />

kann durch kodifizierte Branchenvereinbarungen<br />

als ethisch qualifizierte kollektive<br />

Selbstbindung von Unternehmen<br />

ebenso geleistet werden wie durch individuelle<br />

ethische Selbstbindung von<br />

Unternehmen in der Form der Fixierung<br />

von unternehmensethischen Grundsätzen,<br />

von Verhaltenskodizes oder Firmenleitlinien.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

sollten sich Führungspersonen insbesondere<br />

im Konfliktfall der öffentlichen<br />

Diskussion mit ihren Stakeholder-Gruppen<br />

stellen.<br />

… und innovative Verantwortung<br />

Nochmals darüber hinaus haben Führungspersonen<br />

eine ethisch-innovative<br />

Verantwortung wahrzunehmen, sprich,<br />

sie können sich über das Befolgen sowie<br />

Verbessern und Ergänzen der Rahmenordnungen,<br />

Regelungen und Vereinbarungen<br />

hinaus in ihrem wirtschaftlichen<br />

Handeln und Entscheiden von ethischen<br />

Prinzipien leiten lassen, die nicht oder<br />

noch nicht für alle wirtschaftlichen Akteure<br />

gleichermassen, beispielsweise<br />

«Ethisches<br />

Verhalten zahlt sich<br />

auch ökonomisch<br />

mittel- und langfristig<br />

aus.»<br />

über Rahmenordnungen oder Branchenverpflichtungen,<br />

geltend gemacht wurden,<br />

sei es in der Produktpolitik, sei es<br />

in der Personalpolitik oder sei es selbst<br />

in konkreten und keineswegs immer erfolglosen<br />

Anmahnungen ordnungspolitischer<br />

Korrekturen.<br />

Damit kann eine ganze Palette an Einzelmassnahmen<br />

gemeint sein: Umweltschonende<br />

Produktionsverfahren oder<br />

die Reduzierung von Abfall und Emissionen<br />

beispielsweise oder Produkte und<br />

Dienstleistungen, die ökologisch verträglicher<br />

sind, die den sozialen Ausgleich<br />

fördern oder einen gerechteren Zugang<br />

zu Gesundheits- und Bildungsleistungen<br />

bewirken, werden ja nicht in Umweltbzw.<br />

Sozialbehörden entwickelt, sondern<br />

in unternehmerischem Auftrag in Betrieben<br />

und Unternehmen. Auch die<br />

innerbetriebliche Organisation, die von<br />

flexiblen Arbeitszeiten und -orten über<br />

die Ermöglichung beruflicher Weiterbildung<br />

und Qualifizierung für die Mitarbeitenden<br />

bis hin zur Errichtung von<br />

Betriebskindergärten reicht, ist eine<br />

eigenständige Aufgabe und Leistung<br />

der einzelnen Unternehmen und ihrer<br />

Leitungsverantwortlichen.<br />

Die ethische Verantwortung von Führungspersonen<br />

im Kontext einer «lebensdienlichen»<br />

Wirtschaft ist hoch. Aber der<br />

Einsatz lohnt sich: Ethisches Verhalten<br />

zahlt sich auch ökonomisch mittel- und<br />

langfristig aus. Nur kurzfristig kann die<br />

Person, die im sogenannten Gefangenendilemma<br />

ausweicht und sich nicht an<br />

die vereinbarten und für alle geltenden<br />

Regeln hält, für sich den Nutzen maximieren.<br />

Mittel- und langfristig kann man<br />

Nutzen nur durch ethisch verantwortbares<br />

Handeln optimieren.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Online,<br />

offline.<br />

Hauptsache<br />

direkt.<br />

Integrieren Sie Dialogmarketing optimal<br />

in Ihre crossmediale Kampagne.<br />

Werbung, die ankommt. Post Advertising.<br />

post.ch/advertising<br />

In Zusammenarbeit mit unseren Werbespezialistinnen:


39<br />

MarKom<br />

MASTER OF<br />

SWISS APPS<br />

Mobility<br />

holt den Titel<br />

Mobility-Carsharing<br />

ist «Master of Swiss<br />

Apps <strong>2023</strong>». Die<br />

Mobility-Genossenschaft<br />

gab das Projekt<br />

in Auftrag, die Adnovum<br />

AG setzte das<br />

Projekt um. Das<br />

Master-Projekt punktete<br />

nicht nur bei der<br />

53-köpfigen Jury,<br />

sondern auch bei den<br />

Leserinnen und<br />

Lesern des Netztickers<br />

und dem<br />

Publikum der Award<br />

Night von «Best of<br />

Swiss Apps» im<br />

Spätherbst.<br />

M A R K E DES MONATS BY STEFA N VO GLER<br />

Bilder: unsplash.com, Valentin Kremer / zVg. Mobility Carsharing.<br />

Communication<br />

works<br />

for those who<br />

work at it.<br />

John Powell<br />

Komponist<br />

Stöckli: Swiss Marketing Champion<br />

H<br />

albwegs vernünftige Skifans kaufen keine Ski ohne Testfahrt.<br />

Stöckli – in den USA gilt die Premiummarke sogar als begehrtes<br />

Luxusprodukt – beherzigt das seit Jahren. Die beliebten Testtage<br />

sind einer der wichtigsten Touchpoints. Ich hingegen verzichtete<br />

darauf und entschied mich aus purem Vertrauen in die Marke. Schon die<br />

ersten Kurven bestätigten mein positives Vorurteil. Seither bin ich überzeugt,<br />

dass Stöckli in der eindrücklichen Manufaktur zu Malters die drehfreudigsten<br />

und schnellsten Ski auf Erden baut. Markenbotschafter «Odi<br />

National» lässt grüssen. Die beliebte Marke macht als sympathischer David<br />

unter den Goliaths der Skibranche mit CEO Marc Gläser und CMO Christian<br />

Gut seit Jahren alles richtig gut. Stöckli ist beliebt, ja begehrt und besitzt<br />

immense Strahlkraft mit Swissness pur. Auch in diesem Winter wird Stöckli<br />

(m)ein unverzichtbarer Lovebrand. PS: Ehre, wem Ehre gebührt: Stöckli ist<br />

nicht nur World Champion auf der Piste, sondern<br />

seit der kürzlichen GfM-Award-Verleihung auch<br />

Swiss Marketing Champion.<br />

> Stefan Vogler ist strategischer Berater für<br />

Branding, Marketing & Kommunikation, Dozent<br />

und Studiengangsleiter an der HWZ – Hochschule<br />

für Wirtschaft Zürich und als Verwaltungsrat<br />

tätig. Mehr: markenexperte.ch<br />

TRACKING<br />

Diesen Marken<br />

vertraut die<br />

Schweiz<br />

Eine der wichtigsten<br />

Imagedimensionen<br />

einer Marke ist das<br />

Vertrauen in sie. Doch<br />

Vertrauen ist eine der<br />

härtesten Währungen<br />

der Welt, für deren<br />

Aufbau es ein heutzutage<br />

seltenes und oft<br />

stiefmütterlich behandeltes<br />

Gut benötigt:<br />

Zeit. Welchen Marken<br />

vertraut die Schweizer<br />

Bevölkerung derzeit<br />

am stärksten? Aufklärung<br />

gibt‘s hier:<br />

> t.ly/-U_Hx.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


40<br />

ESSAY<br />

«They don’t<br />

give a shit»<br />

Weil Menschen sich eigentlich nicht für Marken interessierten,<br />

sollten alle Kommunikations-Profis Haftnotizen auf ihren<br />

Schreibtischen anbringen; darauf ein prägnanter Satz: «Consumers<br />

don’t give a shit.» Das sagte einst die wunderbare Sarah Carter – und<br />

implizierte damit auch, wie man Werbung wirksam macht.<br />

Von Parvez Sheik Fareed<br />

Bild: unsplash.com / Annie PM.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


41<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


42<br />

D<br />

ie Werberin Sarah Carter sagte<br />

einst, dass die Gleichgültigkeit<br />

der Menschen gegenüber<br />

Marken und Werbung der<br />

Ausgangspunkt aller kommunikativen<br />

Massnahmen sein sollte – und deshalb<br />

auf Schreibtischen in unserer Branche<br />

Haftnotizen kleben müssten, die selbiges<br />

auf den Punkt bringen: «Consumers don’t<br />

give a shit.» Erfrischend an dieser Aussage<br />

ist, dass sie die Realität rund um<br />

Werbung und Marken auf den Punkt<br />

bringt.<br />

Das Allerwichtigste bei einer Werbung<br />

ist, dass sie überhaupt auffällt. Fällt<br />

eine Werbung nicht auf, ist alles andere<br />

nebensächlich. Denn es besteht schlichtweg<br />

keine Chance, dass die beworbene<br />

Marke in Erinnerung bleibt und in allfälligen<br />

späteren Kaufsituationen als<br />

Option in Betracht gezogen werden<br />

kann.<br />

Diese Funktion der Werbung, das<br />

«Auffallen» an sich, ist der ursprünglichste<br />

Zweck von Werbung. Der englische<br />

Begriff für Werbung lautet bekanntermassen<br />

«Advertising». Der Begriff hat<br />

seinen Ursprung im lateinischen Verb<br />

«advertere», zu Deutsch «hinwenden,<br />

richten auf etwas». Werbung richtet die<br />

Aufmerksamkeit auf etwas respektive<br />

wendet die Aufmerksamkeit auf etwas<br />

hin. Während die Funktion der Werbung<br />

im englischen Begriff Advertising beschrieben<br />

wird, beschreibt der deutsche<br />

Begriff Werbung die Tätigkeit des Werbens<br />

an sich ohne Funktionserfordernis.<br />

Was fällt auf – und was nicht?<br />

Die Frage ist nun, welche Kriterien das<br />

Auffallen ausmachen. Hierbei gibt es<br />

zwei Kriterien: das Auffallen aufgrund<br />

des Inhalts der Werbung, also die Kommunikation<br />

per se. Und das Auffallen via<br />

Mediapräsenz mit grosser Reichweite,<br />

welche die inhaltliche Kommunikation<br />

transportiert und für Visibilität sorgt.<br />

Wer im Vergleich zu seiner Konkurrenz<br />

ein ordentliches Mediabudget hat, kann<br />

es sich theoretisch erlauben, langweilig<br />

und uninteressant in Erscheinung zu treten.<br />

Die Tatsache der Reichweitenstärke,<br />

welche für Visibilität sorgt, erhöht die<br />

Chance, dass die Werbung auffällt.<br />

Der springende Punkt ist freilich, dass<br />

es sich die wenigsten Unternehmen leisten<br />

können, uninteressant zu sein. Meist<br />

sind es marktführende Unternehmen,<br />

die es sich erlauben können, kommunikativ<br />

mit Öde zu glänzen, da ihre reichweitenstarke<br />

Visibilität das Auffallen absichert.<br />

Wer allerdings nicht Marktführer<br />

ist, hat im Vergleich zu Marktführern<br />

meist ein viel kleineres Mediabudget.<br />

Wer diesen Nachteil wettmachen will,<br />

muss mit der Werbekommunikation<br />

inhaltlich auffallen, um eine grössere<br />

Visibilität zu erzielen.<br />

Rationalität? Eine totale Illusion<br />

«Werbung hat<br />

nicht die Aufgabe,<br />

den Verkauf<br />

per se auszulösen,<br />

das ist komplett<br />

falsch gedacht.»<br />

Über den Autor<br />

Parvez Sheik Fareed ist<br />

britisch-schweizerischer<br />

Werber und Mitgründer der<br />

Werbeagentur PAM Advertising.<br />

Mehr Informationen:<br />

www.callpam.today<br />

Das inhaltliche Auffallen – respektive die<br />

Chance, inhaltlich aufzufallen – hängt<br />

grundsätzlich von zwei Elementen ab:<br />

Unterhaltung und Kontroverse, teils auch<br />

gekoppelt. Beides hat das Potenzial, für<br />

Gesprächsstoff zu sorgen.<br />

«Über die Werbung wurde gesprochen,<br />

Ziel erreicht.» Leserkommentare<br />

dieser Art sind hin und wieder in den<br />

Kommentarspalten zu lesen, wenn eine<br />

Zeitung über eine Werbung berichtet,<br />

die in irgendeiner Form für Gesprächsstoff<br />

sorgte. Solche Kommentare der<br />

Leserschaft zeugen von einem besseren<br />

Verständnis von Werbung als manche<br />

Debatten in der Werbebranche. Dort hat<br />

man sich längst auf irrelevante Nebenschauplätze<br />

über sinnstiftende Markenzwecke<br />

und Weltrettung verabschiedet.<br />

Alles ausser Unterhaltung<br />

Als Werbung um 1900 zu einem grossen<br />

Geschäft wurde, waren Agenturen bestrebt,<br />

ihr Ansehen und ihren Berufsstatus<br />

auf der Stufe von Anwälten und<br />

Ärzten anzusiedeln. In der Konsequenz<br />

distanzierten sich Agenturen immer mehr<br />

vom Element der Unterhaltung in der<br />

Werbung, um gegenüber Auftraggebern<br />

professioneller und wissenschaftlicher<br />

zu wirken. Man sattelte um auf rationale,<br />

sachliche Gründe für Werbebotschaften,<br />

die nötig seien, um Leute zu überzeugen.<br />

Und so verabschiedete man sich von der<br />

Unterhaltung.<br />

Da Marketingabteilungen sich gerne<br />

in realitätsfremden Theorien ergehen<br />

und das Verhalten der Konsumentenschaft<br />

als eine einzige Kausalkette verstehen,<br />

klingt die Vorstellung der rationalen<br />

Überzeugungskommunikation in<br />

Powerpoint-Präsentationen und Meetingräumen<br />

noch heute wunderbar. Jedoch:<br />

In den Wohnräumen von Menschen<br />

haben Eintagsfliegen weit höhere Überlebenschancen<br />

als rationale Werbebotschaften.<br />

Oder wie ist ansonsten die<br />

Tatsache zu erklären, dass munter weiterm&k<br />

<strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


43<br />

gepafft wird, wenn doch hinlänglich bekannt<br />

ist, dass Rauchen nicht nur schädlich,<br />

sondern gar tödlich sein kann?<br />

Werbung wirkt via Publicity<br />

2002 veröffentlichte das australische<br />

Ehrenberg-Bass Institute eine sehr interessante<br />

Publikation mit dem Titel «Brand<br />

Advertising as Creative Publicity». Meines<br />

Erachtens ist das einer der besten Texte,<br />

um eine sachliche Diskussion auf Auftraggeberseite<br />

zu führen, wie Werbung<br />

funktioniert.<br />

Das Ehrenberg-Bass Institute zeigt<br />

darin auf, dass Werbung ihre Wirkung<br />

primär durch Publicity entfaltet, also<br />

durch öffentlichkeitswirksames Auftreten.<br />

Will sagen: Dass eine Marke mit der Werbung<br />

an sich hervorsticht, reicht bereits.<br />

Die Tatsache, «etwas zu kommunizieren»,<br />

ist wichtiger als die Tatsache, «warum<br />

man etwas kommuniziert». Das heisst<br />

nicht, dass rationale Argumente komplett<br />

auszuschliessen wären, aber man sollte<br />

sie wenigstens unterhaltsam und kontrovers<br />

kommunizieren – sonst verpufft<br />

die Wirkung.<br />

Vergissmeinnicht<br />

«The only thing all successful brands<br />

have in common is a kind of fame»,<br />

schrieb der Werber Jeremy Bullmore.<br />

Publicity generiert Fame. Und Fame generiert<br />

Publicity. Ein positiver Teufelskreis.<br />

Fame schafft Vertrauen und stabilisiert<br />

das Erinnerungsvermögen an<br />

Marken. Jeder kennt sehr bekannte oder<br />

berühmte Marken, die man aber nicht<br />

kauft (und eventuell nie kaufen wird), weil<br />

«Fällt<br />

eine Werbung<br />

nicht auf, ist alles<br />

andere nebensächlich.»<br />

kein Bedürfnis für besagtes Produkt oder<br />

besagte Dienstleistung vorhanden ist.<br />

Taucht jedoch eines Tages das Bedürfnis<br />

auf, fallen einem in der Regel<br />

genau jene Marken ein, die in irgendeiner<br />

Form sehr bekannt, berühmt oder<br />

prominent sind. Und nicht jene Marken,<br />

die sich zuoberst auf der Google-Trefferliste<br />

befinden, von denen man aber<br />

vorher noch nie was gehört hat. Werbung,<br />

die Fame für eine Marke generiert,<br />

ist eine vernünftige zukunftsorientierte<br />

Finanzabsicherung. Denn sie sorgt dafür,<br />

dass Marken nicht in Vergessenheit geraten.<br />

Zum Zeitpunkt einer Werbeschaltung<br />

befinden sich Menschen selten in<br />

einer unmittelbaren Kaufsituation. Es sei<br />

denn, man schlendert gerade durch<br />

einen Laden («Hackfleisch 40 Prozent<br />

reduziert!») oder klickt sich durch einen<br />

Onlineshop («Zu diesen Schuhen passen<br />

auch diese Hosen!»). Werbung hat nicht<br />

die Aufgabe, den Verkauf per se auszulösen,<br />

das ist komplett falsch gedacht.<br />

Werbung hat die Aufgabe, den Verkauf<br />

zu unterstützen. Diese verkaufsfördernde<br />

Unterstützung beginnt lange vor einem<br />

unmittelbaren Verkauf mit öffentlichen<br />

Auftritten, die es ins Erinnerungsvermögen<br />

von Menschen<br />

schaffen. Werbung kann dies<br />

bewerkstelligen, indem sie sich<br />

auf Unterhaltung und Kontroverse<br />

in der Kommunikation<br />

besinnt. Denn am Ende des<br />

Tages bringen Fame und Publicity<br />

im Kontext von Werbung<br />

einer Marke nur Vorteile.<br />

Bilder: PAM Advertising.<br />

Werbebeispiele von PAM<br />

Advertising: Unterhaltsame<br />

Kommunikation, die in<br />

Erinnerung bleibt.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Wir lassen<br />

Marken durchstarten.


KOLUMNE<br />

45<br />

Mit Vorsicht<br />

zu geniessen<br />

Rabattaktionen wie der «Black<br />

Friday» locken Konsument:innen –<br />

können Menschen aber auch<br />

ziemlich aggressiv machen, wie<br />

eine Studie zeigt.<br />

Illustration: Silvan Borer.<br />

D<br />

er kürzliche «Black Friday» hat manchen<br />

von uns Hochgefühle beschert:<br />

Neue Elektronikprodukte, Haushaltsgeräte<br />

et cetera fanden zu «unschlagbaren»<br />

Preisen den Weg in<br />

unsere Haushalte. Stolz erzählt man im Freundeskreis,<br />

was man «geschossen» hat, sprich welches<br />

Produkt man zu einem sehr günstigen Preis erwerben<br />

konnte. Der «Black Friday» baut hier auf<br />

einer Knappheit der Güter auf, denn diese Sonderangebote<br />

gibt es nur in begrenzten Mengen<br />

zu einem eingegrenzten Zeitpunkt.<br />

Knappheit wird hier als eine Marketingtaktik<br />

eingesetzt und löst folgenden Mechanismus in<br />

unserem Gehirn aus: Je knapper ein Gut ist, desto<br />

besonderer, exklusiver, besser muss es auch sein.<br />

Es handelt sich hier also nicht um eine tatsächliche<br />

Knappheit, sondern um Knappheit als psychologisches<br />

Konzept, welches letztendlich die<br />

Käufer:innen mit einem Dopaminrausch beglückt.<br />

Und dies funktioniert so gut, dass es neben dem<br />

Black Friday auch noch andere bekannte Konsumtage<br />

wie den Valentinstag oder auch den «Single’s<br />

Day» gibt – für jeden Beziehungsstatus wird<br />

einem also Konsum nahegelegt.<br />

Die dunkle Seite des «Black Friday»<br />

Der «Black Friday» hat aber nicht nur eine positive<br />

Seite. Längst hat sich auch ein Unwohlsein bei<br />

den Käufer:innen eingestellt, da oftmals viel mehr<br />

Produkte im Einkaufswagen landen als geplant.<br />

Diese belasten dann doch wieder das Portemonnaie<br />

und den minimalistischen Einrichtungsstil,<br />

welcher mit möglichst wenigen Gegenständen<br />

zu glänzen versucht. Und mit Nachhaltigkeit will<br />

ich hier gar nicht erst anfangen.<br />

Zum<br />

Hintergrund<br />

Prof. Dr. Johanna<br />

Gollnhofer ist<br />

assoziierte Professorin<br />

für Marketing<br />

und eine der Co-Leiterinnen<br />

des Instituts<br />

für Marketing und<br />

Customer Insight an<br />

der Universität<br />

St. Gallen (IMC-HSG).<br />

In unserem Magazin<br />

schreibt sie monatlich<br />

über spannende,<br />

aufsehenerregende<br />

oder kuriose Marketingstudien<br />

aus der<br />

ganzen Welt. Grundlage<br />

diesmal:<br />

Und hiermit nicht genug! Aus der evolutionären<br />

Psychologie wissen wir, dass Menschen gewaltbereit<br />

und aggressiv werden, sobald Ressourcen<br />

wie Wasser und Essen knapp werden.<br />

Und anscheinend werden Menschen auch aggressiv,<br />

wenn es sich um eine künstliche (!) Knappheit<br />

handelt. Ein Forscherteam hat hierfür Menschen<br />

in zwei Gruppen eingeteilt: Der ersten<br />

Gruppe wurde ein iPhone-Werbespot mit dem<br />

Hinweis, dass nur drei Stück verfügbar seien, gezeigt.<br />

Die zweite Gruppe sah einfach einen Werbespot<br />

für das iPhone, ohne fiktive «Knappheit».<br />

Im Anschluss wurde analysiert, wie viele Schüsse<br />

die jeweiligen Gruppen in einem Videospiel abfeuerten.<br />

Die erste Gruppe ging sehr viel aggressiver<br />

vor – und die Forscher:innen erklären dies<br />

damit, dass wir allein durch das Gefühl der Knappheit<br />

nicht mehr klar denken können und schlechtere<br />

Entscheidungen treffen.<br />

Physische Gewalt?!<br />

Das aggressive Verhalten bei (vermeintlicher)<br />

Knappheit ist leider nicht nur auf die digitale Welt<br />

beschränkt: Auch am «Black Friday» verlieren<br />

regelmässig Menschen ihre Aggressionskontrolle,<br />

sodass hierbei schon Verletzte und sogar Tote zu<br />

beklagen waren.<br />

So rate ich allen: Bringt euch bei Knappheit in<br />

Sicherheit! Ob nun im kommenden Winter-Sale,<br />

beim Release der nächsten Playstation oder bei<br />

der Wohnungssuche in Zürich (oder jeder anderen<br />

europäischen Metropole).<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


46<br />

GROSSFLÄCHENWERBUNG<br />

Mit Wow-Effekt<br />

zum Stadtgespräch<br />

Um für Hingucker zu sorgen, nutzen Werbungtreibende gerne den grossen Auftritt im<br />

öffentlichen Raum. Ein Plakat eignet sich dafür, aber auch digitale OOH-Kanäle:<br />

von dynamischen Werbemitteln bis hin zu 3D-Animationen.<br />

Von Irmela Schwab<br />

D<br />

er Aufschrei war gelungen. Weil eine<br />

Stiftung namens Hamasil ihr Bauvorhaben<br />

in Zürich verhindert hat,<br />

brachte die Logistikfirma Welti-Furrer<br />

kurzerhand ein überdimensioniertes<br />

Plakat an einem umliegenden Parkhaus<br />

an. Mit leuchtend roten Lettern auf gelbem Hintergrund<br />

machten die Bauherren ihrer Empörung<br />

Luft: «Hamasil verhindert hier Wohnungen für<br />

1000 Franken». Die Anklage ist nun publik: Der<br />

Konflikt um das Projekt Prime<strong>12</strong>3<br />

schwelt seit vergangenem Sommer<br />

nicht mehr nur zwischen den<br />

beiden Kontrahenten. Die gesamte<br />

Zürcher Öffentlichkeit diskutiert<br />

mit.<br />

Für Nadja Mühlemann, Geschäftsführerin<br />

bei der Dachorganisation<br />

Aussenwerbung Schweiz<br />

(AWS), zeigt die grossflächige<br />

Anklage von Welti-Furrer, welche<br />

Funktion Out of Home heute einnimmt. «Die sich<br />

fortsetzende Fragmentierung der Medienkanäle,<br />

darunter auch Social-Media- und Streaming-Platformen,<br />

sowie der sich verändernde Medienkonsum<br />

machen die Aussenwerbung zum letzten<br />

reichweitenstarken Massenmedium», urteilt die<br />

Expertin. Sicher: Mit seiner provokanten Message<br />

erreichte das Transportunehmen Welti-Furrer zwar<br />

in erster Linie die Menschen in der Umgebung<br />

«Kein Wunder,<br />

dass sich die Branche,<br />

vom aktuellen<br />

Hoch beflügelt,<br />

selbst noch stärker<br />

feiert.»<br />

des Megaplakats. Die Kreation – sie stammt von<br />

der Agentur Ruf Lanz – sorgte jedoch dafür, dass<br />

sich die Debatte in den Medien und auf Social<br />

Media fortsetzte. Und darüber ein Zigfaches an<br />

Reichweite und Brisanz gewann.<br />

Aussenwerbung punktet mit Nachhaltigkeit<br />

Dass sich der Trend zum grossen Auftritt über<br />

Aussenwerbeflächen weiter durchsetzen wird,<br />

macht Mühlemann am steigenden Bedürfnis der<br />

Werbekunden fest, nachhaltig zu kommunizieren.<br />

«Die Aussenwerbung mit dem geringsten CO2-<br />

Ausstoss pro 1000 Kontakte unter<br />

allen Werbemedien hat da gute<br />

Karten», findet die AWS-Geschäftsführerin.<br />

Kein Wunder also,<br />

dass sich die Branche, vom aktuellen<br />

Hoch beflügelt, selbst noch<br />

stärker feiert: Beim neuen Kreativwettbewerb<br />

«Woohw», der erstmals<br />

im Herbst stattfand, wurden<br />

die besten OOH-Auftritte ausgezeichnet.<br />

Die Gewinnerkampagne:<br />

«Stark reduziert» von Einzelhändler Denner<br />

und der Agentur Thjnk Zürich. Auf Plakaten in<br />

verschiedenen Formaten und Grössen waren die<br />

«stark reduzierten Produkte» des Lebenmitteleinzelhändlers<br />

in allen 26 Kantonen der Schweiz in<br />

den jeweiligen Landessprachen zu sehen. Weil<br />

die Artikel auch in der Darstellung auf den Plakaten<br />

stark reduziert waren, mussten die Betrachter<br />

erst innehalten und raten, um was es sich<br />

Bild: unsplash.com / Rudy Nardone.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


47<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


48<br />

M&K Grösser, höher,<br />

weiter: Gilt dieses Motto<br />

auch 2024 in der Aussenwerbung?<br />

COLIN FERNANDO Ein ganz<br />

klares Ja – vor allem, weil<br />

immer mehr spannende<br />

Technologien neue<br />

Akzente setzen. Im Trend<br />

liegen derzeit computeranimierte<br />

Werbeauftritte,<br />

die mit 3D-Effekten<br />

spielen. Die Beauty-<br />

Marke Maybelline hat<br />

beispielsweise einen<br />

Londoner Doppeldeckerbus<br />

und eine Bahn im<br />

Underground mit überdimensionalen<br />

Wimpern<br />

am Fahrzeugkopf ausgestattet.<br />

Während der Fahrt<br />

streiften die XXL-Wimpern<br />

riesige Mascarabürsten.<br />

Diese effektvolle<br />

OOH-Kampagne existiert<br />

jedoch nicht wirklich, es<br />

handelt sich vielmehr um<br />

computeranimierte<br />

Bilder, sogenannte<br />

CGI-Ads. Entworfen hat<br />

sie der 3D-Künstler Ian<br />

Padgham.<br />

Eignen sich solche<br />

Inszenierungen für jede<br />

Marke?<br />

Marken, die auf grosse<br />

öffentliche Werbeauftritte<br />

setzen, müssen sich vor<br />

allem überlegen, wie der<br />

Auftritt zur eigenen<br />

Identität passt. Reine<br />

Aufmerksamkeitshascherei<br />

bringt nämlich<br />

nichts, die Brand muss<br />

erst in den Köpfen der<br />

Menschen verankert sein<br />

und dort für etwas stehen.<br />

Oatly zeigt, wie das<br />

gelingt: Der Hersteller<br />

von Haferersatzgetränken<br />

aus Schweden schafft es<br />

NACHGEFRAGT<br />

«Computeranimierte Auftritte<br />

liegen im Trend»<br />

Colin Fernando,<br />

Partner bei Brand Trust<br />

mit grossflächigen, aber<br />

auch frechen Botschaften<br />

immer wieder, zum Talk of<br />

Town zu werden. Neulich<br />

versprach Oatly Produzenten<br />

der Milchindustrie via<br />

eine OOH-Kampagne,<br />

demjenigen Mediaplatzierungen<br />

im Wert von<br />

140 000 Euro zu schenken,<br />

der seine Klimawirkung<br />

preisgibt. Um eine solche<br />

provokante Botschaft zu<br />

verbreiten, muss eine<br />

gewisse Markenbindung<br />

vorausgehen. Dann schafft<br />

es die Kampagne auch, in<br />

den sozialen Medien viral<br />

zu gehen.<br />

Welche Möglichkeiten gibt<br />

es für Unternehmen mit<br />

kleinerem Geldbeutel?<br />

Guerilla-Marketing, wozu<br />

im Übrigen auch die<br />

computeranimierten<br />

Werbeinstallationen zählen,<br />

ist hier stark im Kommen.<br />

Ein schönes Beispiel liefert<br />

die Kampagne von Best<br />

Drive by Continental, die<br />

für den Reifenwechsel im<br />

Winter die Aarauer Innenstadt<br />

mit Logos der Frima<br />

versprayt hat. Solche<br />

Werbung müsste, streng<br />

genommen, natürlich erst<br />

bei den Behörden genehmigt<br />

werden, was sie meist<br />

nicht ist.<br />

handelte. Das verlängerte automatisch die Betrachtungslänge.<br />

In einem solchen Involvement der Zielgruppen<br />

tritt für Mühlemann die gesamte Kraft von OOH<br />

zutage. Klassische Plakatwerbung steht für die<br />

Geschäftsführerin dabei an erster Stelle. «Das<br />

Plakat ist und bleibt in der Kreation und Gestaltung<br />

die Königsdisziplin. Auf den Punkt gebrachte<br />

Botschaften entfalten ihre beste Wirkung.» Andererseits<br />

spielen auch digitale Formate zunehmend<br />

eine Rolle. Weil sie für neuen Wind sorgen,<br />

tragen die animierten Werbeformate merklich<br />

dazu bei, dass die Gattung der Aussenwerbung<br />

weiter wächst: Laut Statista Market Insights soll<br />

das Marktvolumen von Out of Home in der<br />

Schweiz von derzeit 417,80 Millionen auf 472,30<br />

Millionen Euro im Jahr 2027 ansteigen. Das entspricht<br />

einem jährlichen Umsatzplus von mehr<br />

als drei Prozent. Während klassisches OOH dabei<br />

auf konstantem Niveau bleibt, klettert der DOOH-<br />

Anteil immer weiter.<br />

Neuer Trend: Die dritte Dimension<br />

Als letzter Schrei unter den digitalen Formaten<br />

gelten dreidimensionale Installationen, die bald<br />

auch den deutschsprachigen Raum erobern sollen.<br />

Noch finden sich die 3D-Werbeformate vor<br />

allem in ausländischen Metropolen. Auf dem<br />

Times Square etwa liess Samsung für sein Galaxy-<br />

Handy zur Verblüffung vieler Passanten einen<br />

Tiger aus dem Billboard springen. Zum Verwechseln<br />

ähnlich, kommen immer<br />

«Als letzter Schrei<br />

unter den digitalen<br />

Formaten gelten<br />

dreidimensionale<br />

Installationen.»<br />

häufiger auch 3D-Kampagnen<br />

vor, die es in Realität gar nicht<br />

gibt und die im Fachjargon<br />

«Fake Out of Home», kurz<br />

FOOH, heissen. Jüngstes Beispiel:<br />

Der britische Sportmodehändler<br />

JD Sports, der Marken<br />

wie Adidas und Nike im Sortiment<br />

führt, hat den Big Ben in London mit einer<br />

Daunenjacke von The North Face eingepackt.<br />

Aus der gelb-schwarzen Jacke ragte gerade noch<br />

die Uhr des Turms heraus. Dabei war der berühmte<br />

Uhrturm am Westminster Palace nicht<br />

wirklich verhüllt, es handelte sich um eine digitale<br />

Illusion, die die Kampagneninitiatoren über ein<br />

Video in Umlauf brachten. Zahlreiche Medien aus<br />

aller Welt griffen es auf, etliche User teilten es auf<br />

ihren Social-Media-Kanälen. Von derartigen Formen<br />

des Guerilla-Marketings wird künftig mehr<br />

zu sehen sein, da ist sich Colin Fernando sicher.<br />

Für die Umsetzung solcher Sonderinszenierungen<br />

hat der Partner bei der Markenberatung Brand<br />

Trust einige Tipps parat (siehe Interview).<br />

Für Wow-Effekte sorgen zusehends auch programmatische<br />

Kreationen. Dass Botschaften sich<br />

dabei an tagesaktuelle Situationen anpassen<br />

Bild: zVg.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


49<br />

Bild: Intertia Studios.<br />

EXPLAINER<br />

Wichtige<br />

Trends kurz<br />

erklärt<br />

1<br />

3D-Billboards<br />

Bei einem 3D-Billboard<br />

wird moderne<br />

Technologie eingesetzt,<br />

um für die<br />

Betrachter:innen eine<br />

optische Täuschung<br />

zu erzeugen: Ein<br />

Motiv auf einem<br />

digitalen Screen ragt<br />

scheinbar heraus<br />

oder «kommt auf die<br />

Passant:innen zu».<br />

2<br />

Fassadenkunst<br />

In Kooperation mit<br />

Kreativen oder<br />

Museen werden<br />

Baustellen, Hauswände<br />

oder sonstige<br />

ungenutzte Flächen<br />

mit Kunstwerken<br />

veredelt – besonders<br />

reizvoll ist dies, da<br />

die Flächen meist nur<br />

für sehr begrenzte<br />

Zeit zur Verfügung<br />

stehen. Wer die<br />

Fassadenkunst sehen<br />

will, muss sich also<br />

sputen.<br />

3<br />

CGI-Advertising<br />

Social-Media-Videos<br />

lassen Realität und<br />

Fiktion verschwimmen.<br />

Der Londoner<br />

Glockenturm Big Ben<br />

trägt Daunenjacke,<br />

U-Bahnen werden<br />

mit XXL-Mascara<br />

«geschminkt».<br />

User:innen müssen<br />

ganz genau hinschauen,<br />

um die<br />

Illusion zu erkennen.<br />

3D-Werbung für die Streaming-Plattform «Tubi», ausgespielt vor dem Super Bowl <strong>2023</strong>.<br />

können, bedeutet für Caroline Nünlist, Co-Geschäftführerin<br />

bei ZipMedia, mehr Werbewirkung.<br />

Für die Sektion Zürich des Touring Club Schweiz<br />

(TCS) hat ihre Mediaagentur die Möglichkeiten<br />

des Programmatic Buying voll ausgeschöpft und<br />

die Motive der Kampagne «Made Visible» ausschliesslich<br />

in der Dämmerung ausgespielt – passend<br />

zur Botschaft. Denn in der Kampagne leuchten<br />

Kleidung und Accessoires hervor, die<br />

Fahrradfahrer oder Spaziergänger auf der Strasse<br />

besser sichtbar machen. Ein Hingucker, freut sich<br />

Nünlist. Die Mediaexpertin prophezeit: «Im Zug<br />

der fortschreitenden Digitalisierung von bestehenden<br />

analogen Flächen wird Programmatic<br />

DOOH an Relevanz gewinnen.»<br />

Dieser Meinung ist auch Diego Quintarelli. Der<br />

Chief Sales & Marketing Officer von Goldbach<br />

Neo stellt mehr programmatisch buchbare Werbeflächen<br />

in Aussicht, aber auch einen «gereifteren»<br />

Umgang mit der Werbeform. «Wo bislang vieles<br />

aus einem technischen Selbstzweck heraus getan<br />

wurde, werden künftig die tatsächlichen Stärken<br />

des programmatischen Einkaufs besser zur Geltung<br />

kommen», glaubt er und verweist auf dynamische<br />

Werbemittel, die dem Betrachter noch<br />

relevantere Botschaften vorsetzen sollen. «Der<br />

Einsatz von DCO ist immer dann sinnvoll, wenn<br />

es um die Kommunikation aktueller Ereignisse<br />

geht.» Als Beispiele nennt Quintarelli Echtzeit-<br />

Wetterdaten, Live-Spielstände oder Wettquoten<br />

von Sportereignissen. Im vergangenen Sommer<br />

beispielsweise übertrugen 92 Hochformat-Screens<br />

in Genf aktuelle Spielstände zu den Tennispartien<br />

der Gonet Geneva Open <strong>2023</strong> an hoch frequentierten<br />

Orten wie in Einkaufs- und Fitnesscentern<br />

sowie an Strassen und im Flughafen.<br />

Location spielt eine wichtige Rolle<br />

Location – so zeigen es der Times Square in New<br />

York, der Picadilly Circus in London oder der<br />

Mailänder Dom – ist beim wirkungsvollen Auftritt<br />

letztlich alles. Für die Schweiz nennt Ariane Piccino<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


50<br />

vor allem grosse Plätze in Städten, Shoppingcenter,<br />

Hauptbahnhöfe, Skigebiete.<br />

Piccino verantwortet Kommunikation und<br />

Marketing bei Richnerstutz in Villmergen,<br />

einem Unternehmen, das für effektvolle<br />

grossformatige Umsetzungen bekannt<br />

ist. Zu den Spezialitäten der Firma zählt<br />

es auch, Baustellen und Umbauten in<br />

Hingucker zu verwandeln. Gelungen ist<br />

das jüngst beim Kaufhaus Globus in Basel.<br />

Um die dreijährige Renovierungszeit<br />

des historischen Gebäudes angenehmer<br />

zu gestalten und gleichzeitig Markenbildung<br />

zu betreiben, hat der Händler<br />

gemeinsam mit dem Kunstmuseum Fondation<br />

Beyeler die Initiative «Globus<br />

Public Art Project» gestartet, bei dem<br />

Künstler sich mit dem Gebäude und seiner<br />

Fassade auseinandersetzen sollen.<br />

Die Schweizer Künstlerin Claudia Comte<br />

debütierte im vergangenen Sommer mit<br />

«Waves, Cacti and Sunsets». Motive wie<br />

Wüsten landschaften und brechende<br />

Wellen verkleiden nun die Baustelle. Für<br />

Piccino, die das Kunstwerk ihrem Team<br />

von Richner stutz an die Fassade brachte,<br />

war das ein «persönliches Highlight», wie<br />

sie sagt.<br />

Grossformatige Installationen fallen<br />

natürlich allein schon durch ihr Format<br />

auf. Jedoch, weiss Piccino, bleibt das<br />

Motiv nur in Erinnerung, wenn es überrascht<br />

und unterhält «durch Kreativität,<br />

«Grossformatige<br />

Installationen<br />

fallen auf. In<br />

Erinnerung<br />

bleiben sie aber<br />

nur, wenn sie<br />

überraschen<br />

oder unterhalten.»<br />

CGI-Ads für<br />

JD Sports und<br />

Maybelline, ein<br />

Megaplakat in<br />

Zürich: Für Brands<br />

gibt es diverse<br />

Wege, um im<br />

Stadtbild aufzufallen.<br />

Schönheit, Witz oder Interaktivität». Das<br />

ist für die Werbeexpertin denn auch der<br />

Schlüssel dafür, um einen bühnenwirksamen,<br />

strahlenden Auftritt zu inszenieren.<br />

Das Gute daran: Um zum Stadtgespräch<br />

zu werden, muss es nicht immer<br />

eine kostspielige Inszenierung sein, eine<br />

gute Idee reicht, so die Richnerstutz-Managerin.<br />

«Im Bereich Beschriftungen und<br />

Folierungen gibt es viel Potenzial, um<br />

auch mit kleinerem Budget den Wirkungskreis<br />

zu vergrössern.» Wie wäre es<br />

zum Beispiel mit einer verrückten Schaufensterverklebung<br />

oder einer auffälligen<br />

Folierung von Firmenfahrzeugen? Das<br />

könnte – wie bei der Verkleidung des Big<br />

Ben oder der Welti-Furrer-Kampagne – zu<br />

vielen Fotos und Kommentaren auf Social<br />

Media führen.<br />

Bilder: Screenshot TikTok JD Sports / Screenshot TikTok Maybelline / zVg.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Mein Ort,<br />

der mich<br />

weiterbringt.<br />

Ob Seminar, Teamevent, Bankett oder Trainingslager. Im CAMPUS SURSEE erwartet dich ein einzigartiges<br />

Angebot mit unzähligen Möglichkeiten – genau auf deinen Anlass und deine Wünsche abgestimmt. Selbstverständlich<br />

musst du nach einem erlebnisreichen Tag bei uns nicht die Heimreise antreten, sondern kannst<br />

direkt vor Ort in einem unserer komfortablen Hotelzimmer übernachten. Wir freuen uns auf dich!<br />

campus-sursee.ch<br />

Bringe deine<br />

Botschaft<br />

in Form mit<br />

KuvertExtra<br />

+41 58 580 58 00<br />

swisspaperclub@papyrus.com<br />

swisspaperclub.ch


52<br />

BLUEGLASS | TEAM FARNER<br />

Eine Ehe<br />

auf Augenhöhe<br />

BlueGlass | Team Farner ist seit Januar Teil der Farner-Familie.<br />

m&k war am Helvetiaplatz, wo die Digital-Marketing-Agentur mit 45 Mitarbeitenden<br />

auf zwei Stockwerken agiert. Unabhängig und doch verbunden, so entsteht<br />

eine Win-win-Situation. Vor allem die Kunden profitieren.<br />

Von Anna Kohler<br />

Bilder Chris Reist<br />

E<br />

igentlich hatte BlueGlass | Team Farner<br />

gar nicht vor, zu heiraten. Aber wie das<br />

Leben manchmal spielt, ist die Digital-<br />

Marketing-Agentur seit diesem Jahr<br />

den Bund fürs Leben eingegangen.<br />

In den letzten 15 Jahren ist BlueGlass | Team<br />

Farner organisch gewachsen, abgesehen von<br />

zwei Zukäufen, die die Agentur<br />

getätigt hat. Anna-Lena Wohlschlag<br />

und Nicole Treipl sind<br />

schon lange dabei, sie haben als<br />

Praktikantinnen angefangen.<br />

Anna-Lena vor acht Jahren, jetzt<br />

ist sie Managing Director. Nicole<br />

kam vor elf Jahren zur Agentur,<br />

ihre Funktion ist Director SEO &<br />

Content Marketing. «Als ich anfing,<br />

waren wir zu fünft», sagt<br />

Nicole Treipl. Inzwischen zählt<br />

BlueGlass | Team Farner 45 Mitarbeitende.<br />

Die beiden Frauen<br />

bildeten zusammen mit dem ehemaligen CEO<br />

Raphael Bienz in den letzten Jahren die Geschäftsleitung.<br />

Er sitzt inzwischen in der Geschäftsleitung<br />

von Team Farner und ist als Chief Digital Officer<br />

ein Bindeglied im täglichen Business. Dies auch<br />

für die anderen drei Digital-Agenturen, die Team<br />

Farner geheiratet hat: Jim &Jim, SEMSEA und<br />

Yoveo. Anna-Lena Wohlschlag, Nicole Treipl und<br />

«Wir haben<br />

uns drei Monate<br />

Zeit gelassen, um<br />

uns wirklich<br />

kennenzulernen<br />

und zu schauen, ob<br />

wir zueinander<br />

passen.»<br />

neu Christoph Emch sind jetzt das Trio an der<br />

Spitze von BlueGlass | Team Farner.<br />

Christoph Emch war acht Jahre bei Farner, bevor<br />

er zur Geschäftsleitung von BlueGlass wechselte.<br />

«Wir haben uns drei Monate Zeit gelassen, um uns<br />

wirklich kennenzulernen und zu schauen, ob wir<br />

zueinander passen», sagt Anna-Lena. Die Chemie<br />

stimmte, die Wertevorstellungen auch. Seit April<br />

ist es amtlich. Christoph wird als wertvolles Neumitglied<br />

in der Geschäftsleitung<br />

wahrgenommen. Er kennt Farner<br />

von innen heraus, kann also auch<br />

bei Diskussionen die Perspektive<br />

des Ehepartners beisteuern.<br />

«Diese Hochzeit bringt<br />

allen etwas»<br />

Die Themen, die in der Geschäftsleitung<br />

besprochen werden, sind<br />

vielfältig. Es geht um Marktentwicklung,<br />

Personalentwicklung,<br />

Marketinginvestitionen. Aber<br />

auch um Employer Branding.<br />

Fachkräftemangel ist bei BlueGlass | Team Farner<br />

ein Thema – zumindest bei manchen Profilen.Das<br />

Team ist eher jung und kann dadurch mit viel<br />

Digital-Native-Expertise überzeugen. Man begegnet<br />

sich auf Augenhöhe, die Agentur pflegt<br />

flache Hierarchien. Alle an Bord werden motiviert,<br />

mitzugestalten. Und wie steht es mit dem Gender-<br />

Gap, der gerade in Digitalagenturen oft noch<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


53<br />

Die Geschäftsleitung von BlueGlass | Team Farner (v.l.n.r.): Nicole Treipl, Anna-Lena Wohlschlag und Christoph Emch.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


54<br />

Anna-Lena<br />

Wohlschlag,<br />

Managing Director<br />

und Teil der<br />

Geschäftsleitung<br />

von BlueGlass |<br />

Team Farner.<br />

Christoph Emch, Director Client Success und Teil der<br />

Geschäftsleitung von<br />

BlueGlass | Team Farner.<br />

Nicole Treipl, Director<br />

SEO & Content Marketing und<br />

Teil der Geschäftsleitung von<br />

BlueGlass | Team Farner.<br />

ausgeprägt ist? Anna-Lena lacht. «Wir haben mehr<br />

Frauen als Männer, aber das schreiben wir uns<br />

nicht auf die Fahne.» Das habe sich seit den Anfängen<br />

so ergeben, man stelle nicht nach Geschlecht<br />

ein, sondern nach Qualifikation. Und<br />

wenn das dabei herauskomme, sei das natürlich<br />

gut und nah am Zeitgeist.<br />

«Diese Hochzeit soll allen etwas bringen», sagt<br />

Christoph. Team Farner schärft seine Expertise<br />

im Digitalbereich, BlueGlass | Team Farner kann<br />

auf breite Kommunikationskompetenz und spezifische<br />

Branchenexpertise zurückgreifen. Aber<br />

sehr wichtig ist allen im Raum, dass sich die Mitarbeitenden<br />

von BlueGlass | Team Farner weiterentwickeln<br />

können. Und das im gesamten Farner-<br />

Universum. «Wir sind ein grosses und auch<br />

internationales Team. Da kommt so viel Inspiration<br />

zusammen, dass man eher Sorge haben muss,<br />

dass man nicht alles mitbekommt. Wir sind am<br />

Puls», fasst es Christoph zusammen. Mit Daniel<br />

Jörg hat Team Farner einen Chief Innovation Officer,<br />

der sich darum kümmert, dass alle im Team<br />

immer einen Schritt voraus sind. «Wir können es<br />

uns nicht leisten, stillzustehen», sagt Anna-Lena.<br />

Team Farner ist nun breit aufgestellt. War<br />

Farner schon vorher die grösste Kommunikationsagentur<br />

der Schweiz, ist sie nun ein wahres<br />

Schwergewicht. Gerade hat Farner International<br />

noch Lansons gekauft, eine Reputationsmanagementfirma<br />

aus Grossbritannien. Team Farner<br />

möchte aber auf keinen Fall als Netzwerkgruppe<br />

verstanden werden. «Wir sind eine zusammenarbeitende<br />

Allianz, das ist etwas ganz anderes<br />

als ein Netzwerk, die Verbindung zwischen uns<br />

ist tiefer und enger», fasst Christoph zusammen.<br />

Eigenständigkeit, trotz Ehe<br />

Und doch sind die Team-Members in sich unabhängig,<br />

haben nach wie vor eigene Kunden,<br />

können schnell agieren, sind also wie Schnellboote<br />

in geschützter See. BlueGlass | Team Farner<br />

ist nun aber zusätzlich zu der Arbeit mit bestehen-<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


55<br />

Bild: zVg<br />

den Kunden auch Teil neuer Projekte, zu denen<br />

die Agentur vorher keinen Zugang hatte, die<br />

Mitarbeitenden können auf einen Pool an Knowledge<br />

zugreifen, können vermehrt integrierte<br />

Leistungen anbieten. Die Kunden haben nun die<br />

Möglichkeit, mit ihrem Kommunikationsprojekt<br />

von Anfang an die Expertise aller Units an einem<br />

Tisch vereint zu haben. Das sehen alle drei als<br />

grossen Vorteil. «Komplexe Herausforderungen<br />

von Unternehmen lösen wir interdisziplinär,<br />

das ist die Vision», sagt Nicole. Und Anna-Lena<br />

fügt hinzu: «Wir haben kein Interesse, Dinge bei<br />

uns zu halten. Wenn Jim & Jim | Team Farner für<br />

ein Projekt zielführenderen Content erstellen<br />

kann, geben wir es gerne ab, wenn Yoveo | Team<br />

Farner noch eine Videokampagne beisteuern<br />

kann, unbedingt, sie gehören alle mit an den<br />

Tisch.»<br />

Zukunftspläne<br />

«BlueGlass<br />

ist nun aber<br />

zusätzlich zu der<br />

Arbeit mit bestehenden<br />

Kunden<br />

auch Teil neuer<br />

Projekte, zu denen<br />

die Agentur vorher<br />

keinen Zugang<br />

hatte.»<br />

Die Ehe mit Team Farner ist noch in der Honeymoon-Phase,<br />

aber alle drei denken natürlich auch<br />

weiter. An die Zeiten, wenn sich dieser Verbund<br />

im Alltag bewähren muss, wenn erste Schwierigkeiten<br />

entstehen, die Beziehung vielleicht sogar<br />

mal auf die Probe gestellt wird. Für Anna-Lena,<br />

Nicole und Christoph stehen die Mitarbeitenden<br />

immer an erster Stelle. Die Work-Life-Balance ist<br />

ein grosses Thema. Christoph wünscht sich, dass<br />

er mit dazu beitragen kann, die Agenturlandschaft<br />

dahin zu bringen, dass Familie<br />

und Job zusammenkommen.<br />

Bei BlueGlass | Team<br />

Farner gibt es viele Eltern,<br />

dieses Potenzial dürfe man<br />

nicht verlieren, sagt er.<br />

Anna-Lena ist es wichtig,<br />

dass die Arbeit allen Spass<br />

macht, dass jede:r gerne<br />

kommt, sich gesehen fühlt<br />

und ausleben kann. Sie ergreift<br />

Möglichkeiten, treibt<br />

Dinge voran, immer da, wo<br />

sie Potenzial sieht.<br />

Für Nicole bringen Veränderungen<br />

auch immer Chancen.<br />

Nebst zufriedenen Kunden sei das Wichtigste<br />

das Team und der starke Team Spirit, daher freut<br />

sie sich, wenn die Samen, die gemeinsam gepflanzt<br />

wurden, reifen und Früchte tragen.<br />

Und gibt es Herausforderungen, werden die<br />

drei sie sicher konstruktiv diskutieren und zusammen<br />

mit dem Team durchstehen. Wie es sich<br />

für eine gute Ehe gehört.<br />

M&K Welche Strategie<br />

verfolgt die Geschäftsleitung<br />

mit Team Farner?<br />

RAPHAEL BIENZ Unternehmen<br />

und Organisationen<br />

stehen heute vor gewaltigen<br />

Herausforderungen –<br />

und viele davon kann<br />

man mit kommunikativen<br />

Strategien lösen, beispielsweise<br />

in den Bereichen<br />

Digitalisierung,<br />

ESG, Inklusion, Datenschutz<br />

oder Stakeholder-<br />

Engagement. Wir haben<br />

unsere Dienstleistungen<br />

so vervollständigt, dass<br />

wir unseren Kund:innen<br />

über unseren einzigartigen<br />

Expertise-Mix in<br />

sämtlichen relevanten<br />

Themenkreisen zur Seite<br />

stehen können.<br />

Kreation, PR und Daten,<br />

wie gut passt das zusammen?<br />

Genau diese strategischen<br />

Verknüpfungen<br />

sind notwendig, um für<br />

unsere Kund:innen<br />

ganzheitlich und integriert<br />

agieren zu können.<br />

Wir gehen aber noch<br />

einen Schritt weiter und<br />

können diese Kernkompetenzen<br />

mit spezialisiertem<br />

Wissen unserer<br />

Branchenexpert:innen<br />

NACHGEFRAGT<br />

«Der Expertise-Mix von Team<br />

Farner ist einzigartig»<br />

Raphael Bienz, Partner,<br />

Chief Digital Officer von<br />

Farner | Team Farner.<br />

und durch Spezialthemen<br />

wie ESG, Behavioral<br />

Science oder Employer<br />

Branding ergänzen.<br />

Farner International hat<br />

Lansons im UK gekauft,<br />

eine Reputationsmanagementagentur.<br />

Ist das die<br />

Zukunft? Per SEO/SEA die<br />

Reputation im Netz geradebiegen?<br />

Vor meinem Engagement<br />

im Team Farner durfte ich<br />

während 13 Jahren die<br />

Agentur BlueGlass | Team<br />

Farner aufbauen. Die DNA<br />

von BlueGlass liegt seit Anbeginn<br />

in der Schaffung<br />

von organischer Sichtbarkeit<br />

für Unternehmen. Und<br />

das funktioniert nicht über<br />

das Geradebiegen von<br />

Rezensionen, den Aufbau<br />

von ein paar Likes oder die<br />

Schaltung von ein paar<br />

Search Ads. Wir haben es<br />

uns schon immer zur<br />

Aufgabe gemacht, unseren<br />

Kund:innen zu einer<br />

starken digitalen Reputation<br />

des Brands und des<br />

Leistungsangebots zu<br />

verhelfen.<br />

Reputation Management<br />

verstehen wir als aktive,<br />

gestaltende Disziplin. Der<br />

Aufbau einer glaubhaften,<br />

nachhaltigen Reputation<br />

ist Ausgangspunkt und<br />

Inbegriff eines jeden<br />

Brands.<br />

Was passt da besser zu<br />

unserem Leistungsangebot<br />

– von Branding bis<br />

SEO/SEA – als der UK-<br />

Markteintritt über ein<br />

derart renommiertes<br />

strategisches Reputationshaus?<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


56<br />

PUBLIREPORTAGE<br />

Einzigartige Events<br />

zum Staunen und<br />

Geniessen<br />

Im Circus Knie erleben die Gäste magische Momente, nicht<br />

nur bei der Show, sondern auch im Rahmen der vielfältigen<br />

Hospitality-Angebote. Kunden profitieren dabei von einer<br />

Gesamtlösung.<br />

Kontaktdaten<br />

Gebrüder Knie –<br />

Schweizer National-Circus AG<br />

St. Wendelinstrasse 10<br />

8640 Rapperswil<br />

Tel. 055 560 10 85<br />

marketing@knie.ch<br />

www.knie.ch<br />

S<br />

eit über einem Jahrhundert begeistert<br />

der Schweizer National-<br />

Circus Knie Jung und Alt mit<br />

seinen atemberaubenden Vorstellungen.<br />

Mit einer Mischung aus Tradition<br />

und Innovation ist der Circus Knie<br />

nicht nur ein Symbol der Schweizer Kultur,<br />

sondern auch eine Quelle endloser<br />

Faszination. Doch der Circus Knie bietet<br />

mehr als nur Zirkus – er schafft Erlebnisse,<br />

die in Erinnerung bleiben. In diesem Artikel<br />

tauchen wir ein in die faszinierende<br />

Welt der Knie-Events und entdecken,<br />

welche Möglichkeiten der Circus Knie<br />

im Bereich Live-Kommunikation bietet.<br />

Circus Knie: Eine Eventplattform<br />

auf Rädern<br />

In den letzten Jahren hat der Circus Knie<br />

sein Angebot erweitert und bietet eine<br />

breite Palette an Events an, vom Apéro<br />

für kleinere Gruppen über Backstage-<br />

Führungen bis hin zu exklusiven Buchungen.<br />

Auch im Bereich Marketing bietet<br />

der Circus Knie einen grossen Baukasten<br />

an Möglichkeiten. Dabei kann die<br />

faszinierende Zirkuswelt ideal genutzt<br />

werden, um die eigene Marke oder das<br />

neue Produkt in Szene zu setzen. Storytelling<br />

und gezielter, direkter Kundenkontakt<br />

stehen dabei im Fokus. Inszenierungen<br />

im Umfeld des Circus Knie<br />

machen neugierig und sind mit positiven<br />

Emotionen verbunden, denn die<br />

fahrende Stadt auf Rädern und die internationale<br />

Artistentruppe faszinieren seit<br />

Generationen. Im Circus Knie werden<br />

die Bereiche Hospitality, Werbung und<br />

Sponsoring ideal miteinander verbunden.<br />

Die Markenvisibilität kann beispielsweise<br />

erhöht werden, indem Werbung<br />

auf unseren Screens oder den<br />

hoch frequentierten Plakatstellen gebucht<br />

wird. Auch die Fahrzeuge des<br />

Circus Knie können als Werbefläche<br />

genutzt werden. So werden rund zwei<br />

Millionen Schweizerinnen und Schweizer<br />

pro Jahr erreicht. Interaktive Gewinnspiele,<br />

Tastings und Samplings bis hin<br />

zur Integration von Produkten in die<br />

Show sind weitere Möglichkeiten, die<br />

eine persönliche Begegnung mit der<br />

Marke ermöglichen. Ergänzt werden<br />

diese Massnahmen beispielsweise mit<br />

Einladungen zur Vorstellung mit vorhergehendem<br />

Apéro im reservierten Bereich.<br />

Da der Circus Knie jedes Jahr in<br />

allen Landesteilen der Schweiz reist, ist<br />

auch der lokale Bezug stets gegeben.<br />

Bilder: T. Stahel und M. Hutzli<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


57<br />

Exklusiv buchbare Vorstellungen<br />

Wer den Circus Knie in seiner ganzen<br />

Pracht nutzen möchte, kann dies im Rahmen<br />

einer Exklusivvorstellung tun. Ob für<br />

Firmenveranstaltungen, Jubiläen oder<br />

besondere Anlässe, diese exklusiven Vorstellungen<br />

bieten den Gästen die Möglichkeit,<br />

den Zirkus hautnah zu erleben<br />

und im Vorfeld die verschiedenen Zeltanlagen<br />

für Präsentationen, Kongresse<br />

und Dinners zu nutzen. Mit Platz für bis<br />

zu 2100 Personen und einer mobilen Infrastruktur<br />

kann auf die individuellen Bedürfnisse<br />

eingegangen werden. Da der<br />

Circus Knie nicht nur die Show, sondern<br />

auch das Catering, die Technik und das<br />

Ticketing aus einer Hand bietet, erleichtert<br />

sich die Eventplanung für den Kunden.<br />

Persönliche Ansprache statt<br />

Massenwerbung<br />

Die Zielgruppe des Circus Knie ist dabei<br />

so vielfältig wie die Schweizer Bevölkerung.<br />

Diese sehnt sich gerade in unserer<br />

hochdigitalisierten Zeit nach persönlichen<br />

Erlebnissen. Der Circus Knie spricht<br />

dabei seit jeher alle Sinne an. Entsprechend<br />

sind auch die Möglichkeiten für<br />

unsere Partner ausgestaltet. Wer im Circus<br />

Knie eine Live-Kommunikationsmassnahme<br />

umsetzt, kann sich sicher sein,<br />

dass alle Sinne der Kunde angesprochen<br />

werden; und dies in einer positiv besetzten<br />

Atmosphäre.<br />

Knies Weihnachtswelt: Zauberhafte<br />

Festtage unter dem Zirkuszelt<br />

Besonders festlich ist diese Atmosphäre<br />

an Weihnachten, wenn Familien und<br />

Freunde zusammenkommen, um die<br />

Wärme und die Magie des Festes zu geniessen.<br />

In Knies Weihnachtswelt wird<br />

dieser Zauber auf ein völlig neues Level<br />

gehoben. Hier findet man ein winterliches<br />

Wunderland, das nicht nur Kinderaugen<br />

zum Leuchten bringt. Die festliche Beleuchtung,<br />

weihnachtliche Dekorationen<br />

und die Klänge von Weihnachtsmusik<br />

schaffen eine einzigartige Stimmung, die<br />

einem sofort in festliche Laune versetzen<br />

wird. Auch dieses Ambiente kann für Live-<br />

Kommunikation genutzt werden, zum<br />

Beispiel verbunden mit einem Weihnachtsevent<br />

für treue Kunden.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


58<br />

TECHNOLOGIE<br />

«Live» auf<br />

neuem Level<br />

Live-Events sind gefragt – vorausgesetzt, der Besuch lohnt sich für die Gäste.<br />

Dabei helfen neue Technologien wie Holografie, Augmented Reality, das Metaverse<br />

oder KI. Wie sie die Branche verändern und die Grenzen zwischen der echten<br />

und der virtuellen Welt immer mehr auflösen.<br />

Von Julia Gundelach<br />

G<br />

enau 60 Jahre ist es her, dass Martin<br />

Luther King in seiner Rede beim<br />

Marsch auf Washington für Arbeit<br />

und Freiheit seine berühmten Worte<br />

sprach: «I have a Dream.» Und auch<br />

heute noch ist dieser Satz fast jedem ein Begriff.<br />

Es gibt Songs, die danach benannt sind, Bücher,<br />

Filme – und wer möchte, kann der historischen<br />

Ansprache des bedeutenden Bürgerrechtlers<br />

einfach noch einmal beiwohnen. Live und in<br />

Farbe.<br />

Möglich macht das ein Besuch<br />

in der glitzernden Markenwelt<br />

von Swarovski: Im österreichischen<br />

Wattens erweckt der Kristallhersteller<br />

King und andere<br />

Freiheitskämpfer:innen in einer<br />

seiner «Wunderkammern» zum<br />

Leben, als holografische Projektion<br />

in Originalgrösse. In einem<br />

dunklen Raum stehen die Besucher:innen<br />

vor der Bühne und<br />

erleben King, Gandhi & Co. in 3D zum Greifen<br />

nah. Für die Gäste ein eindrucksvolles Erlebnis<br />

– und für Swarovski eine innovative Möglichkeit,<br />

mit Technologie für echte Emotionen und ein<br />

unvergleichliches Markenerlebnis zu sorgen.<br />

Doch nicht nur Brand-Spaces stehen vor der<br />

Herausforderung, Gäste zu begeistern. Auch die<br />

Messe- und Eventbranche steht unter dem Druck,<br />

«Die<br />

Eventbranche<br />

steht unter Druck,<br />

die Teilnehmenden<br />

zu überraschen<br />

– heute mehr<br />

denn je.»<br />

die Teilnehmenden zu überraschen – heute mehr<br />

denn je. «Neue Technologien machen Events<br />

wieder relevant», sagt Siegfried Haider. Der Geschäftsführer<br />

des Speakernetzwerks Experts4-<br />

Events weiss, dass sich die Menschen nach der<br />

Coronapause noch immer nach Begegnung sehnen.<br />

«Doch die Menschen wissen inzwischen,<br />

dass man nicht wegen jeder Veranstaltung verreisen<br />

muss. Wer heute live veranstaltet, muss<br />

daher mehr bieten als vor der Pandemie.»<br />

Holografie ist eine von vielen Möglichkeiten,<br />

die zeigen, was Technologie dabei leisten kann.<br />

Eine, die seit einigen Jahren nicht<br />

nur immer besser wird, sondern<br />

auch preisgünstiger. Für Kongresse<br />

oder Keynotes eröffnen<br />

sich damit neue Chancen: Denn<br />

dank Holografie lässt sich der<br />

gesamte Bühnenraum mit Elementen<br />

bespielen, die weit über<br />

das hinausgehen, was die Speaker<br />

erzählen. So können in einem<br />

Vortrag über Wein edle Châteaus<br />

in 3D neben dem Speaker erscheinen,<br />

dunkelrote Reben oder glänzende<br />

Flaschen, die über die Bühne schweben. Wenn<br />

dann auch noch der Duft nach schwerem Rotwein<br />

durch den Saal strömt, ist das sinnliche Erlebnis<br />

wohl perfekt.<br />

Wer über erklärungsbedürftige Produkte aus<br />

der Medizintechnik spricht, kann Gegenstände,<br />

Worte oder Maschinen auf der Bühne erscheinen<br />

Bild: unsplash.com / Nick Fancher<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


59<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


60<br />

M&K Wie verändern neue<br />

Technologien die Livekommunikation?<br />

TOBIAS KUNZ Neue Technologien<br />

ermöglichen es,<br />

Eventformate in einer<br />

anderen Form zu gestalten<br />

als bisher. So lassen<br />

sich damit etwa die reale<br />

und die virtuelle Welt<br />

verbinden und bieten<br />

eine neue Dimension des<br />

Vor-Ort-Erlebnisses.<br />

Wenn Technologien es<br />

schaffen, Sinne und<br />

Erfahrungen zu erweitern,<br />

dann ist das ein<br />

Mehrwert für den Veranstalter<br />

sowie für die<br />

Besucher.<br />

Warum ist jetzt der<br />

richtige Zeitpunkt, in der<br />

Eventbranche mit Technologien<br />

wie diesen<br />

einzusteigen?<br />

TIM HARMS Diese Technologien<br />

können Prozesse<br />

verschlanken und effizienter<br />

gestalten. Vor allem<br />

im produzierten Gewerbe<br />

ergeben sich gerade<br />

ganz neue Möglichkeiten,<br />

Maschinen virtuell darzustellen<br />

und diese mit<br />

Echtzeitdaten zu füttern.<br />

Digitale Zwillinge werden<br />

den Arbeitsalltag revolutionieren!<br />

Unternehmen<br />

können sich so aber auch<br />

als innovativen Arbeitgeber<br />

präsentieren, und das<br />

ist heute extrem wichtig.<br />

Könnt ihr einen Blick in<br />

die Zukunft wagen und<br />

abschätzen, wie Messen<br />

oder Events im Jahr 2040<br />

aussehen werden? Wird<br />

es Events, wie wir sie<br />

kennen, dann überhaupt<br />

noch geben?<br />

TIM HARMS Wir glauben,<br />

dass Messen und Events<br />

zunehmend immersiver<br />

NACHGEFRAGT<br />

«Veranstaltungsflächen werden<br />

zu interaktiven Spielflächen»<br />

Tim Harms, Innovation<br />

Manager, Future Candy<br />

Tobias Kunz, Gründer<br />

von Toku Studio und<br />

VR-Experte bei Future<br />

Candy<br />

werden, um die Besuchererfahrung<br />

zu verbessern<br />

und nachhaltig in den<br />

Köpfen der Menschen<br />

zu bleiben. Veranstaltungsflächen<br />

werden zu<br />

interaktiven Spielflächen,<br />

bei denen man<br />

das Produkt erleben<br />

kann, anstatt sich lineare<br />

Informationen über<br />

Banner oder Roll-ups<br />

anzuschauen. Erlebniswelten<br />

werden um Produkte<br />

gebaut werden,<br />

dieses spiegelt sich dann<br />

am Eventstand in Design<br />

und Konzeption wider. Die<br />

Besucher werden eingeladen,<br />

mit den Produkten auf<br />

eine gemeinsame Reise zu<br />

gehen. Dabei werden<br />

Technologien helfen, diese<br />

Reise zu visualisieren.<br />

Sicher ist: Neue Technologien<br />

werden dann auf<br />

jedem Event zu finden<br />

sein!<br />

«Die neue<br />

Generation möchte<br />

Informationen<br />

heute spielerisch<br />

erfahren und auch<br />

interagieren<br />

können.»<br />

lassen; und eine berühmte Sportlerin ihr Equipment,<br />

eindrucksvolle Berggipfel oder Informationen<br />

zu einer Route. Mit einem speziellen dünnen<br />

Netz, das unsichtbar vor dem Redner hochgezogen<br />

wird, entstehen komplett neue 3D-Welten.<br />

Selbst die Speaker können per Hologramm-Avatar<br />

vor Ort sein – während sie eigentlich zu Hause<br />

auf dem Sofa sitzen. Weiterer Vorteil: Geschäftsführende,<br />

die nicht gerne auf der Bühne stehen,<br />

rhetorisch nicht sicher sind oder die an mehreren<br />

Standorten gleichzeitig sprechen sollen, können<br />

damit perfekt auf der Bühne inszeniert werden<br />

und erscheinen auf der Bühne als holografischer<br />

Avatar ihrer selbst. Ab Reihe zehn, weiss Experte<br />

Haider aus Erfahrung, merken die Gäste kaum<br />

einen Unterschied.<br />

Information spielerisch erfahren<br />

Auch Technologien wie Augmented oder Virtual<br />

Reality reichern das Erlebnis vor Ort mit digitalem<br />

Mehrwert an. «Damit lassen sich komplexe Produkte<br />

einfach darstellen, etwa, indem sich eine<br />

Windturbine aufklappt und man die einzelnen<br />

Elemente darin sieht, die sonst im Verborgenen<br />

geblieben wären», erklärt Tobias Kunz, Gründer<br />

von Toku Studio und VR-Experte bei Future Candy.<br />

Die Agentur, die sich als «Innovationsanpackerin»<br />

bezeichnet, zeigt anhand zahlreicher Cases, was<br />

in der Eventbranche bald Normalität sein könnte.<br />

«Wichtig ist, dass Technologien die Interaktion<br />

fördern», so auch Tim Harms, Innovation Manager<br />

bei Future Candy, denn «die neue<br />

Generation möchte Informationen<br />

heute spielerisch erfahren».<br />

Jüngere Zielgruppen stehen aber<br />

nicht nur auf Gaming, sondern<br />

haben auch eine immer kürzere<br />

Aufmerksamkeitsspanne – eine<br />

Keynote von 45 Minuten wird<br />

dann schnell zur Qual. Wie es<br />

zeitgemässer geht, erfahren die<br />

Besuchenden etwa im «Avatunnel»,<br />

einer Anwendung, in der<br />

Future Candy diese auf eine virtuelle Reise schickt:<br />

Über eine Kamera wird ein individueller Avatar<br />

erstellt, mit dem die Gäste sich per VR-Brille ins<br />

Metaverse begeben und eine neue Welt erkunden.<br />

Und diese neue Welt spielt in der Eventbranche<br />

eine immer wichtigere Rolle: So gaben für<br />

eine Studie der internationalen Eventagentur Vok<br />

Dams 83 Prozent der Befragten an, ein grosses<br />

Potenzial für Veranstaltungen im Metaverse zu<br />

sehen. Die virtuelle Welt werde, heisst es, «zu<br />

einem völlig neuen Ökosystem für Events. Hier<br />

können Dinge erschaffen, besessen, verkauft und<br />

es kann investiert werden.» Konferenzen, Produktvorstellungen<br />

oder Pressemeetings könnten wie<br />

Bilder:zVg<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


61<br />

Bild: unsplash.com / Nick Fancher<br />

«Neue Technologien lassen die<br />

Welten verschmelzen, sie reichern reale<br />

Veranstaltungen mit digitalen Inhalten<br />

an, sorgen für Interaktion, Spass<br />

und Relevanz.»<br />

alle anderen Eventformate auch im Metaverse<br />

stattfinden – Vok Dams ermutigt Veranstaltende:<br />

«Lassen Sie sich ihre gebrandete, individuelle<br />

und nicht an die physikalischen Gesetze gebundene<br />

Welt erschaffen und ermöglichen Sie Ihren<br />

Teilnehmenden einzigartige, ganz neue Erlebnisse»<br />

– von zu Hause aus oder vor Ort.<br />

KI verändert Live-Events<br />

Auch Künstliche Intelligenz hält in der Live-Kommunikation<br />

Einzug. So beobachten die Expert:innen<br />

von Vok Dams etwa, dass «KI langfristig die<br />

Welt der Live-Events verändert» – und zwar von<br />

der Organisation bis zur Interaktion, der personalisierten<br />

Bereitstellung von Inhalten und der<br />

Sicherheit. KI, ist man hier überzeugt, werde «zu<br />

noch beeindruckenderen und innovativeren<br />

Eventerlebnissen führen». Sie ist etwa in der Lage,<br />

die perfekte Location für eine Veranstaltung auszuwählen<br />

– unter Berücksichtigung von Verkehr,<br />

Besucherstrom oder Energieverbrauch. KI kann<br />

aber auch durch die Auswertung von Nutzerdaten<br />

– soweit es der Datenschutz zulässt – individualisierte<br />

Angebote oder spezifische Inhalte anbieten<br />

und sogar die Stimmung der Teilnehmenden<br />

analysieren. Siegfried Haider hat einen Redner<br />

im Portfolio, der das als unterhaltsames Gimmick<br />

nutzt: Die Publikumsstimmung wird mit AI analysiert<br />

und in Echtzeit als Stimmungsbarometer<br />

immer wieder an die Wand projiziert. Auch<br />

Sprachbarrieren kann KI abbauen und Vorträge,<br />

Keynotes oder Gespräche live übersetzen – und<br />

Events damit inklusiver machen.<br />

Neue Technologien lassen die Welten verschmelzen,<br />

sie reichern reale Veranstaltungen<br />

mit digitalen Inhalten an, sorgen für Interaktion,<br />

Spass und Relevanz. In einigen Jahren, meint<br />

Experte Haider, wird es sogar möglich sein, dass<br />

jeder einen Roboter – «seinen persönlichen<br />

James» – auf Veranstaltungen schicken kann, wenn<br />

man selbst verhindert ist. Dieser kann Learnings<br />

festhalten, Videos erstellen, Kontakte knüpfen<br />

oder seine Eindrücke nach Hause schicken. Praktisch.<br />

Aber es wäre doch schade, wenn wir die<br />

Events der Zukunft nicht selbst erleben.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


62<br />

MINIMALISMUS<br />

Wenn<br />

weniger<br />

mehr ist<br />

Weniger materieller Besitz, weniger unnötige Entscheidungen, weniger<br />

Unordnung und dafür mehr sich selbst sein, mehr Zufriedenheit,<br />

mehr Erfolg – wer würde dazu schon Nein sagen? Zum Minimalismus<br />

als Trend und seinen wirtschaftlichen Implikationen.<br />

Von Dr. Julia Wentzlaff-Eggebert<br />

Bild: unsplash.com / Emile Seguin.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


63<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


64<br />

K<br />

ein Wunder, dass der Megatrend<br />

des Lifestyle-Minimalismus<br />

grossen Erfolg feiert und<br />

längst auch die Werbewelt erobert<br />

hat. Doch bei genauerer Betrachtung<br />

wirft das Phänomen Fragen auf: Wie<br />

kann etwas weniger sein, daraus aber<br />

mehr werden? Wird hier das Prinzip des<br />

«Weniger» nicht in eine neue Form des<br />

Materialismus verkehrt? Und wer profi-<br />

tiert eigentlich von diesem «Mehr» durch<br />

«Weniger»?<br />

Ein widersprüchliches Prinzip<br />

In seinem Selbstverständnis ist der Lifestyle-Minimalismus<br />

eine Gegenbewegung<br />

zur Verschwendungskultur unserer<br />

Zeit. Er kritisiert einerseits den unachtsamen<br />

Umgang mit Ressourcen und<br />

Gütern, und er bietet andererseits eine<br />

«Die Sehnsucht nach Verzicht ist vor allem<br />

ein Phänomen der Wohlstandskultur und für<br />

Bevölkerungsgruppen nachvollziehbar,<br />

die im Überfluss leben.»<br />

Technik, um mit der überfordernden Üppigkeit<br />

des Marktes und mit der ständigen<br />

Erfüllbarkeit aller materiellen Begehren<br />

zurechtzukommen. Die Sehnsucht<br />

nach Verzicht ist daher vor allem ein<br />

Phänomen der Wohlstandskultur und für<br />

Bevölkerungsgruppen nachvollziehbar,<br />

die im Überfluss leben. Der Verzicht auf<br />

Konsum drückt den tiefen Wunsch aus,<br />

in einer gesättigten, oberflächlichen und<br />

überfordernden Welt wieder mit archaischen<br />

und immateriellen Bedürfnissen<br />

jenseits konsumierbarer Güter in Verbindung<br />

zu treten.<br />

Als eine Reaktion auf das Problem des<br />

Zuviels liegt die Triebfeder für diesen<br />

Sinneswandel nicht zuletzt in den wiederholten<br />

Manifestationen der verheerenden<br />

Folgen des übermässigen Konsumierens<br />

und Wirtschaftens, die im letzten<br />

Jahrzehnt offenbar wurden: allen voran<br />

die Finanzkrise im Jahr 2008, ein Symptom<br />

der schuldenfinanzierten Überakkumulation,<br />

und die UN-Klimakonferenz<br />

COP21, ein international anerkanntes<br />

Zeugnis für die klimaschädlichen Konsequenzen<br />

unseres Wirtschaftens. Als<br />

Folge dieser Krisen wuchs der gesellschaftliche<br />

Wunsch nach alternativen,<br />

weniger wachstumsorientierten Wirtschaftssystemen.<br />

Diese «de-growth»-Systeme<br />

priorisieren soziales Wohlergehen,<br />

wirtschaftliche Gerechtigkeit und ökologische<br />

Regeneration gegenüber kontinuierlichem<br />

Wachstum und der Akkumulation<br />

von Kapital. Da aber gleichzeitig das<br />

Wachstumsdenken in den gesellschaftlichen<br />

Normen, statistischen Standards<br />

und der internationalen Wirtschaftspolitik<br />

noch immer fest verankert ist, führen<br />

diese Bemühungen zu einem Konflikt.<br />

– Er wird im paradoxalen Prinzip des Lifestyle-Minimalismus<br />

manifest: Einerseits<br />

werden das verschwenderische Konsumieren<br />

und Wachstumsdenken unterlaufen.<br />

Andererseits wird versprochen,<br />

aus dem Verzicht wieder Gewinn zu ziehen.<br />

So heisst das Prinzip des Minimalismus<br />

nicht «weniger ist weniger», sondern<br />

«weniger ist mehr»: eine paradoxale<br />

Verschränkung also, ein Minimieren um<br />

des Maximierens willen.<br />

Konkret äussert sich dieser Zusammenhang<br />

zum Beispiel so, wie in Marie<br />

Kondos Bestseller «The Life-Changing<br />

Bild: unsplash.com / Mika Baumeister.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


65<br />

Bild: unsplash.com / Yoann Siloine.<br />

«In seinem Selbstverständnis ist der<br />

Lifestyle-Minimalismus eine Gegen bewegung<br />

zur Verschwendungskultur unserer Zeit.»<br />

Magic of Tidying Up»: Hier werden die<br />

Leser:innen dazu aufgefordert, sich beim<br />

Ausmisten ihrer Wohnungen (oder anderer<br />

Bereiche ihres Lebens) zu fragen,<br />

ob ein bestimmter Gegenstand oder<br />

eine Tätigkeit ihnen Freude bereite oder<br />

nicht. Denn Ordnung, so Kondo, hänge<br />

von persönlichen Werten ab, davon also,<br />

wie eine Person leben möchte. Nach<br />

Kondo ist für das «Mehr» im «Weniger»<br />

also nicht der Gebrauch eines Gegenstands<br />

ausschlaggebend, sondern das<br />

individuelle Befinden und die Selbstdarstellung<br />

des Einzelnen. – So kennt der<br />

Lifestyle-Minimalismus zwei Gesichter:<br />

Nebst seinen vorbildlichen Motiven birgt<br />

er auch die Gefahr, dass die kritisierten<br />

Verhaltensweisen nicht wirklich unterbrochen,<br />

sondern nur auf individuelle<br />

Praktiken der Selbstdarstellung übertragen<br />

werden.<br />

Luxus im Zeitalter des Individualismus<br />

Minimalismus als Lebensstil stellt Askese<br />

in den Vordergrund. Gleichzeitig ist er<br />

ein Trend, der auf Instagram eher nach<br />

hochpreisigen Designer- und Einzelstücken<br />

aussieht. Denn inzwischen haben<br />

viele Unternehmen den Versuch unternommen,<br />

den Lifestyle in ihre Firmenidentität<br />

zu integrieren: Minimalist Cooking,<br />

Capsule Wardrobe, Minimalist<br />

Digital Design, Minimalist Interior Design<br />

usw. – allesamt Produktfamilien, welche<br />

sich zur Selbstdarstellung eines minimalistischen<br />

Lebenswandels eignen, und<br />

gleichzeitig die Reduktion von Konsum,<br />

allerdings durch Konsum, versprechen.<br />

Sogar in Lifestyle-Ratgebern wie demjenigen<br />

von Dominique Loreau oder Fumio<br />

Sasaki tritt diese Widersprüchlichkeit<br />

zutage: Loreau fordert beispielsweise<br />

dazu auf, alte Schals und Decken wegzuwerfen,<br />

um sie durch hochwertigere<br />

Kaschmirvarianten zu ersetzen. Wie die<br />

weggeworfenen Produkte wieder aufgewertet<br />

werden könnten, ist allerdings<br />

nicht Teil der minimalistischen Bewegung.<br />

Oder in Sasakis «Goodbye, Things»<br />

werden nicht nur Gegenstände aufgezählt,<br />

von denen man sich verabschieden<br />

könne, sondern auch jene Dinge, welche<br />

sich besonders für Simple Living eigneten:<br />

Allem voran Apple-Produkte mit<br />

ihrem reduzierten Design und einfachen<br />

Handling. So ehrenvoll die Absichten<br />

dahinter auch sein mögen: diese Formen<br />

des Lifestyle-Minimalismus unterliegen<br />

selbst wieder den kommerziellen Prinzipien,<br />

die sie konterkarieren. Vielleicht<br />

wird dabei insgesamt weniger konsumiert,<br />

dafür werden aber teurere und<br />

hochwertigere Varianten gewählt.<br />

Diese Tendenz zeichnet sich im zeitgleichen<br />

Boom des Luxusmarktes ab –<br />

wobei Luxus (ganz im Einklang mit den<br />

minimalistischen Prinzipien) tendenziell<br />

nicht mehr Prestige und Besitz bedeutet,<br />

sondern Purpose, Erlebnis, Zeit für sich<br />

selbst und die Möglichkeit, sein Leben<br />

in vollen Zügen zu geniessen. Das ist<br />

eine Entwicklung, die insbesondere in<br />

einer Welt auf fruchtbaren Boden stösst,<br />

in welcher Individualismus als Teil einer<br />

freiheitlichen Gesellschaft gilt. Denn in<br />

diesem Selbstverständnis werden Handlungen<br />

nicht primär aus ethischer Pflicht<br />

ausgeführt, sondern weil sie zum persönlichen<br />

Wachstum und Wohlbefinden<br />

beitragen. So gesehen ist ein minimalistischer<br />

Lebenswandel wie derjenige nach<br />

Marie Kondo Luxus schlechtweg: Hier<br />

kommt es stets darauf an, «wie es für<br />

mich ist». Die Selbstdarstellung des Einzelnen<br />

und das Sichkümmern um sich<br />

selbst ersetzen Fragen der Notwendigkeit,<br />

Nachhaltigkeit oder Funktionalität.<br />

Darf’s wieder ein bisschen mehr sein?<br />

So wie der Lifestyle-Minimalismus zwei<br />

Gesichter hat und sein Prinzip von einem<br />

Widerspruch geprägt ist, lassen ihn neue<br />

Trends bereits wieder alt aussehen:<br />

Nachdem der Minimalismus insbesondere<br />

die Millennials und ältere Generationen<br />

beeinflusst hat, hypt die Generation<br />

Z wieder den Krimskrams. Gegen<br />

die müslifarbenen, aufgeräumten Wohnzimmer<br />

der Millennials erhebt die neue<br />

Wohnästhetik «Cluttercore» das Horten<br />

von Nippes zur Kunstform: Unter dem<br />

entsprechenden Hashtag findet man auf<br />

Instagram und TikTok unzählige Bilder<br />

von Räumen, übervoll mit vorsichtig kuratierten<br />

Fotografien, Konzertkarten,<br />

bunten Papierschnipseln, kleinen Stofftierchen<br />

und Figürchen, Stickern, Pflanzen,<br />

Leuchtelementen … Doch obwohl<br />

dieser Alptraum jede:r Minimalist:in zunächst<br />

wie eine Antibewegung aussieht,<br />

fördert er die noch implizit vorhandene,<br />

affirmative Haltung gegenüber dem individualistischen<br />

und luxusorientierten<br />

Konsumverhalten zutage: Das individuelle<br />

Begehren und die Definition der<br />

eigenen Persönlichkeit über Materielles<br />

werden von der Generation Z auf die<br />

Spitze getrieben. Ob dies schon die<br />

Spitze des Eisberges oder noch steigerungsfähig<br />

ist, wird wohl erst die nächste<br />

Generation Alpha entscheiden.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


66<br />

KOLUMNE<br />

Wie entsteht<br />

eine Idee?<br />

Überlegungen zu einer Frage, die<br />

fast so alt ist wie die Menschheit<br />

selbst (und die trotzdem nicht aus<br />

der Mode kommt).<br />

Z<br />

um Ende des Jahres <strong>2023</strong> hin wird es<br />

auch in dieser Kolumne etwas … besinnlich?!<br />

Nein, das nicht, aber es wird<br />

«besonnen-reflektiert»: Denn während<br />

meine Texte für gewöhnlich Emphasis<br />

auf die strategische Bedeutung von Kommunikation<br />

in diversen Zusammenhängen legen,<br />

möchte ich diesmal – zusammen mit Ihnen, liebe<br />

Leser:innen – über ein Meta-Thema nachdenken.<br />

Es ist schwierig, das Thema exakt zu benennen,<br />

denn es changiert im Kontext von Innovation,<br />

Inspiration, Kreativität und Kollaboration. Einen<br />

singulären Begriff, der diesen Kontext praktisch<br />

«auf ein Wort» bringt, habe ich nicht gefunden.<br />

Also erzähle ich Ihnen einfach, wie ich zur Reflexion<br />

über besagten Kontext gekommen bin:<br />

Vor einigen Wochen nahm ich an einem Abendessen<br />

mit Sir John Hegarty teil – eine kleine, private<br />

Runde, die in Zürich zusammengekommen<br />

war, ehe Hegarty am kommenden Tag eine Keynote<br />

bei einer grossen Marketing-Veranstaltung<br />

halten sollte. Der Struktur der Gästeliste sei Dank<br />

kam das Gespräch unweigerlich auf die Frage<br />

nach der Genese von Ideen – und auf die Frage,<br />

wie Ideen nicht bloss entstehen, sondern wie sie<br />

zu grossartigen Ideen werden.<br />

Rick Rubin: «The Creative Act»<br />

Sir John berichtete dazu von einer Lektüre, die<br />

ihn sehr beeindruckt hatte (und die einige von<br />

Ihnen vielleicht mit in die Feiertage nehmen möchten):<br />

«The Creative Act» des amerikanischen Spitzen-Musikproduzenten<br />

Rick Rubin. Das Werk ist<br />

ein Versuch, etwas eigentlich Unsagbares in Tinte<br />

und Papier festzuhalten; den erwähnten Kontext<br />

von Innovation, Inspiration, Kreativität und Kollaboration<br />

für Aussenstehende so «greifbar» wie<br />

möglich zu machen. Rick Rubin wehrt sich dabei<br />

einerseits dagegen– das hatte Hegarty besonders<br />

gefallen –, als «Genie» klassifiziert zu werden, dem<br />

gute Ideen «in den Schoss fallen»; er weigert sich<br />

allerdings auch, eine feste Methodik aufzustellen,<br />

die als universelles Rezept für Kreativität ausgegeben<br />

wird. Vielmehr macht er Vorschläge, setzt<br />

sanfte Impulse und proklamiert maximale (!) Offenheit.<br />

Offenheit für die Umgebung, für die Menschen,<br />

Farben, Klänge und Gerüche um einen<br />

herum. Der Musikproduzent (der beispielsweise<br />

Johnny Cash eine zweite Karriere ermöglichte)<br />

fordert eine vorurteilsfreie Aufnahme der mannigfaltigen<br />

Einflüsse, die die Welt bereithält.<br />

Ideen am Wasser – oder via Kontakte<br />

Nun bin ich selbst kein Kreativer in unserer Agentur<br />

und hoffe deshalb, mein Team verzeiht mir<br />

diesen Exkurs, aber ich halte Rubins Ideen, sekundiert<br />

vom grossen Sir John Hegarty, für absolut<br />

richtig. Wichtige Gespräche führe ich gerne<br />

bei einem Spaziergang am See, weil Bewegung<br />

und der Blick auf das Wasser mir helfen, klarere<br />

Gedanken zu fassen und zu formulieren. Ich habe<br />

einen digitalen «Zettelkasten». Und ich umgebe<br />

mich mit Menschen, die ich intellektuell stimulierend<br />

finde: bei einem spontanen Espresso im<br />

Büro, auch ohne, dass ein Meeting in der Agenda<br />

stehen muss – oder im Privatleben, wo es ganz<br />

unerheblich ist, was das Gegenüber beruflich<br />

macht. So komme ich auf Ideen, und mitunter<br />

sind – hoffentlich – grosse Ideen dabei. Vielleicht<br />

möchten Sie das im neuen Jahr auch einmal versuchen.<br />

Oder mindestens einmal durch Rick Rubins<br />

Buch blättern. Es lohnt sich.<br />

Der Autor ist CEO der<br />

Publicis Groupe Switzerland.<br />

Illustration: Silvan Borer.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Ihr nächster<br />

Firmenevent?<br />

Wir kümmern uns um alles.<br />

Jetzt<br />

anfragen:<br />

olma-messen.ch/firmenevent<br />

Ja,<br />

ich will<br />

1’158’000 Personen<br />

zwischen 50 und 70 Jahren<br />

nutzen wöchentlich<br />

unadressierte Werbung.<br />

59.3% sagen: «Vor dem Einkaufen informierte ich<br />

mich häufi g darüber, wo Aktionen stattfi nden.»<br />

Quelle: WEMF MACH Strategy Consumer 2022<br />

Erreichen auch Sie diese Werbeabonnenten.<br />

dm-company.ch<br />

Basel – Bern – Bussigny – Genf – Niederbipp – Pregassona – St. Gallen – Urdorf


68<br />

SINNHAFTIGKEIT<br />

Profit oder<br />

Purpose?<br />

… am besten beides. Doch manchmal machen es Marken mit einer<br />

starken Meinung nicht allen Kunden recht. Warum es sich trotzdem lohnt,<br />

Flagge zu zeigen.<br />

Von Julia Gundelach<br />

D<br />

as Erfrischungsgetränk Coca-Cola<br />

gibt es mit Zucker und ohne, mit<br />

Kirsche und Vanille, mit Koffein, mit<br />

Zitrone, mit Orange, mit Guarana –<br />

und manchmal auch mit politischer<br />

Botschaft: «Wir setzen uns ein für eine bunte und<br />

diskriminierungsfreie Gesellschaft», hiess es in<br />

einer grossflächigen Anzeige, die der Getränkekonzern<br />

2020 in verschiedenen<br />

Schweizer Medien schaltete, auf<br />

der Titelseite. «Für eine Schweiz<br />

des #mitenand.» Der Zeitpunkt<br />

war kein Zufall. Denn ein paar<br />

Wochen später stimmte das Land<br />

über die Erweiterung der Anti-<br />

Rassismus-Strafnorm um die sexuelle<br />

Orientierung ab. Doch die<br />

regenbogenfarbene Botschaft<br />

war nicht nach jedermanns Geschmack:<br />

So stellte die Junge SVP schon einen<br />

Tag nach Erscheinen der Anzeige fest: «Coca-Cola<br />

schmeckt mir nicht mehr! Zum Glück gibt es noch<br />

Pepsi oder den Schweizer Konkurrenten Vivi Kola.»<br />

Wer eine Meinung hat, muss mit<br />

Gegenstimmen rechnen<br />

Wer eine Meinung hat und diese kundtut, der<br />

muss mit Gegenstimmen rechnen. Das weiss nicht<br />

nur Coca-Cola, auch andere Konzerne werden<br />

für ihre klaren Statements von der Kundschaft<br />

immer wieder abgestraft. So musste Bud Light in<br />

«Produkte<br />

verkaufen allein<br />

reicht nicht mehr,<br />

es braucht<br />

Identität und<br />

Sinn.»<br />

diesem Frühjahr nicht nur deutliche Umsatzeinbussen<br />

und einen Rückgang des Aktienwerts<br />

verkraften, sondern verlor auch ihren Platz als<br />

beliebteste Biermarke der US-Amerikaner. Der<br />

Grund für die Talfahrt: die Kooperation mit einem<br />

Transgender-Model, das seine 1,8 Millionen Instagram-Follower<br />

über ein Gewinnspiel der Marke<br />

informiert hatte. Den Konservativen unter der<br />

bierseligen Kundschaft war das viel zu «woke»,<br />

allen voran Kid Rock machte seinem Unmut Luft.<br />

«Opa ist heute ein bisschen ausgelassen»,<br />

raunte der Rocksänger<br />

in einem Video – und schoss mit<br />

einer Maschinenpistole mehrere<br />

Bud-Bierdosen nieder. «Dieses<br />

Bier werde ich nie wieder anrühren»,<br />

pflichtete ein Youtube-Nutzer<br />

bei, «get woke go broke.»<br />

Auch Nike spaltete die Öffentlichkeit,<br />

als die Sportmarke 2018<br />

ihr neues Werbegesicht präsentierte:<br />

Football-Spieler Colin Kaepernick, der<br />

gegen Polizeigewalt und Rassismus protestierte.<br />

Den Kritikern, allen voran Donald Trump, gefiel<br />

das gar nicht, sie riefen zum Boykott auf, zerstörten<br />

öffentlich Nike-Produkte und teilten Kurzfilme<br />

davon in den sozialen Medien: #justburnit statt<br />

Just do it.<br />

Marken in der Zwickmühle<br />

Die Zwickmühle für Marken: Eine klare Position,<br />

ein Purpose, wird von den Verbrauchern heute<br />

fast vorausgesetzt. Produkte verkaufen allein<br />

Bild: unsplash.com / Ave Calvar<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


69<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


70<br />

reicht nicht mehr, es braucht Identität und Sinn.<br />

Das zeigt auch eine Studie des Vermarktungsverbundes<br />

Ad Alliance: Demnach wirkt sich eine<br />

erfolgreiche Markenkommunikation für Purpose-<br />

Themen positiv auf Sympathie und Attraktivität<br />

der Marke aus, selbst die Kaufbereitschaft steigt.<br />

65 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen<br />

Toleranz und die Nichtdiskriminierung aufgrund<br />

von sexueller Orientierung wichtig seien. Eine<br />

Meinung zu vertreten ist also Voraussetzung in<br />

der Kommunikation – doch die gefällt nun mal<br />

nicht jedem. Was können Unternehmen tun, um<br />

es allen recht zu machen?<br />

Das müssen sie gar nicht, sagt Diana Brasey.<br />

Die Zürcher Reputationsexpertin weiss: «Der<br />

Markt verlangt einen guten Ruf.» Das Problem:<br />

Den guten Ruf will man sich bei allen Kunden<br />

bewahren und nicht mit zu viel Wokeness zerstören.<br />

Trotzdem ist Brasey sich sicher, dass es<br />

besser ist, sich zu positionieren, als das nicht zu<br />

tun – unter einer Bedingung: Der Purpose darf<br />

nicht nur aus einem regenbogengefärbten Logo<br />

bestehen, es muss mehr dahinterstecken. Das,<br />

wofür ein Unternehmen sich in der Kommunikation<br />

stark macht, muss es wirklich leben, nach<br />

aussen wie nach innen. Produkte sind austauschbar,<br />

die nächste Marke steht nur einen Griff daneben.<br />

Wer stark auftritt, glaubwürdig ist und sich<br />

für etwas Gutes einsetzt, schafft es, sich von der<br />

«Eine Meinung zu vertreten ist Voraussetzung<br />

in der Kommunikation – doch die gefällt nun mal<br />

nicht jedem. Was können Unternehmen tun,<br />

um es allen recht zu machen?»<br />

Konkurrenz abzuheben und bindet die Kunden<br />

langfristig; vor allem die, die dieselben Werte<br />

vertreten wie man selbst.<br />

Purpose als Chefsache<br />

Kampagnen, die für<br />

Kontroversen sorgten:<br />

Nike-Werbung mit<br />

American-Football-Spieler<br />

Colin Kaepernick und<br />

Bud-Light-Clips mit<br />

Transgender-Influencerin<br />

Dylan Mulvaney.<br />

Und: «Purpose ist Chefsache», sagt die Reputationsexpertin.<br />

Es brauche dringend eine Schnittstelle,<br />

die Marketing, Human Resources, Produktion<br />

und alle Abteilungen einbezieht in den<br />

Prozess, den Unternehmenszweck ganzheitlich<br />

zu verankern. «Erst, wenn im Inneren alle an einem<br />

Strang ziehen und der Purpose hier verankert ist,<br />

dann kann man damit auch nach aussen gehen<br />

und ihn kommunizieren», erklärt die Expertin. Bei<br />

Bud Light gab es eine solche Schnittstelle vermutlich<br />

nicht, und Diana Brasey findet: «Es war<br />

gut gemeint, aber der Schritt mit dem Transgender-Model<br />

war viel zu gross.» Der Marketing-Fail<br />

Collage: Bud Light Instagram / Nike Wieden+Kennedy<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


71<br />

wäre vermeidbar gewesen, hätte man die Aktion<br />

zu Ende gedacht.<br />

Wie es besser geht, zeigten kürzlich Maison<br />

Blanche und Jung von Matt Limmat auf der Fashion<br />

Week in New York: Mit der Awareness-<br />

Kampagne «Tags Against Crime» macht sich das<br />

Schweizer Modelabel stark gegen sexualisierte<br />

Gewalt, indem es auf den Waschetiketten in seinen<br />

Kleidungsstücken eine wichtige Botschaft<br />

platziert: «Do not wash if you’ve just been sexually<br />

assaulted» – auf keinen Fall waschen, wenn du<br />

sexuellen Missbrauch erlebt hast. Denn wenn<br />

Kleidung nach einem Übergriff gereinigt wird,<br />

geht wertvolles DNA-Beweismaterial verloren.<br />

Mit der Kampagne soll nicht nur aufgeklärt werden,<br />

sondern der Diskurs um den gesellschaftlichen<br />

Umgang mit sexualisierter Gewalt weiter<br />

vorangeführt werden, sagte der Gründer Yannik<br />

Zamboni. Ein klares Statement, das zur Marken-<br />

DNA passt wie angegossen. In einem Interview<br />

mit «20 Minuten» erzählte der Designer, dass er<br />

selbst sexuelle Übergriffe erlebt hat – hier geht<br />

es nicht um «Wokewashing». Sondern um echte<br />

Werte.<br />

Das Wichtigste ist es zu wissen, wofür ein<br />

Unternehmen oder der CEO einstehen möchte<br />

und welche Werte dazu passen, erklärt Diana<br />

Brasey. Wird diese Key-Message im Unternehmen<br />

nicht gelebt, müsse man auch nicht jeden Trend<br />

mitmachen. «Da gilt: Weniger ist mehr.»<br />

Bild: Maison Blanche / Jung von Matt / Messmer<br />

Auch Traditionsunternehmen können sich<br />

offen zeigen<br />

Offenheit kommunizieren können auch Traditionsunternehmen,<br />

wie «Meßmer Tee» zeigt. Seit 1852<br />

gibt es die Marke, die seit einigen Jahren immer<br />

wieder mit gleichgeschlechtlicher Liebe und diversen<br />

Models in ihren Spots und Kampagnen<br />

auftritt. Mal küssen sich zwei Frauen, mal umarmen<br />

sich Männer, mal wird ein Kind mit zwei Müttern<br />

gezeigt – nach dem Motto: «Gelassenheit ist, wenn<br />

alles ganz natürlich ist.» Und natürlich findet diese<br />

Art der Werbung nicht jeder so natürlich, negative<br />

Kommentare sind vorprogrammiert. «Disqualifiziert»,<br />

lästern Facebook-User über die Spots und<br />

Anzeigen, «na super, wieder ’ne Firma, die man<br />

boykottieren kann!» Doch die Teemarke bleibt<br />

gelassen und hält an ihren bunten Pärchen fest.<br />

Auch im neuen Spot der Kaugummimarke<br />

Wrigley‘s Extra zeigt man sich<br />

divers, zwei Frauen küssen sich gut gelaunt<br />

im Auto. Die Botschaft: «Mach dein<br />

Ding!» So weit, so normal – doch auch<br />

dieser Spot erhitzt die Gemüter. Auf<br />

Youtube schimpft die konservative Kaugummifraktion<br />

lauthals und droht, Wrigley’s<br />

Extra nie wieder zu kaufen. Na ja.<br />

Dann eben nicht.<br />

Purpose-Marketing ohne «Shitstorm»:<br />

Maison Blanche und Meßmer-Tee.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


72<br />

PORTRÄT<br />

«Viele<br />

wissen zu wenig<br />

über Geld»<br />

Olga Miler war über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen bei der UBS tätig, baute dort<br />

die Frauensegmentstrategie sowie den UBS Gender ETF auf. Mit ihrem Unternehmen<br />

SmartPurse ist sie im Bereich Finanzbildung im B2B- und B2C-Markt aktiv.<br />

Von Anna Kohler<br />

W<br />

as um Himmels Willen hat Olga<br />

Miler mit Pokémon am Hut? Sie<br />

grinst. «Meine Familie ist verrückt<br />

nach Pokémon. Sie sammeln<br />

die Bilder, spielen online,<br />

mein älterer Sohn hat sogar einen Pokémon-Shop,<br />

und der Jüngere spielt auf Weltklasseniveau.»<br />

Okay …Eine ganz normale Familie<br />

also? «Keiner ist normal bei<br />

uns, das ist ja das Schöne», sagt<br />

sie lachend. Aber was ist schon<br />

normal? Der Werdegang von<br />

Olga Miler auf keinen Fall.<br />

Die Lehrjahre<br />

Olga wird in Prag geboren, zieht<br />

im Alter von sieben Jahren mit<br />

ihrer Mutter in den Schwarzwald, und mit zwölf<br />

wandert die Familie in die Schweiz ein. Olga besucht<br />

in Baden die Kantonsschule und studiert<br />

danach Betriebswirtschaft an der HSG. Natürlich<br />

gibt es auch dazu eine Geschichte. «Mein Urgrossvater<br />

hat schon an der HSG studiert, das<br />

schien mir ein gutes Omen.» Besagter hatte für<br />

«Mein<br />

Urgrossvater<br />

hat schon an der<br />

HSG studiert,<br />

das schien mir ein<br />

gutes Omen.»<br />

ein Semester aus der Tschechischen Republik<br />

nach St.Gallen an die Uni gewechselt.<br />

Im fünften Semester beginnt Olga ein Praktikum<br />

bei PwC und begeistert dort die Chefetage.<br />

Mit ihrer unkonventionellen, direkten und kompetenten<br />

Art sichert sie sich schon vor Studienabschluss<br />

einen Arbeitsvertrag mit PwC. Sie<br />

scheint immer zur rechten Zeit am richtigen Ort<br />

zu sein. Für den Kunden Nestlé geht sie nach<br />

Vevey, anfangs sind sie 3 Leute,<br />

ein paar Jahre später über 400.<br />

Sie beschreibt diese Zeit als «die<br />

goldenen Jahre des Consulting».<br />

Von PwC wechselt sie zu Nestlé<br />

in Brasilien, wo sie über zwei<br />

Jahre arbeitet. Sie ist eine der<br />

wenigen Frauen im Team, lernt<br />

Portugiesisch. Als man ihr die USA<br />

oder Kanada als nächste Arbeitsdestination<br />

vorschlägt, sagt sie ab, sie möchte<br />

näher an ihrem Partner sein, der gerade ein Startup<br />

in Zürich gründet. Sie pendelt ein Jahr zwischen<br />

Mailand, Zürich und Frankfurt. Fühlt sich<br />

aber einsam. Schliesslich kündigt sie und startet<br />

als Consultant bei der UBS, die sie dann fest anstellt.<br />

Die nächsten zehn Jahre ist sie in den ver-<br />

Bild: Olga Miler<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


73<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


74<br />

schiedensten Funktionen beim Finanzdienstleister<br />

tätig, unter anderem baut<br />

sie den UBS Gender ETF auf und zusammen<br />

mit Mara Harvey das Frauenförderprogramm,<br />

das 2017 erfolgreich lanciert<br />

wird und bis heute Bestand des Wealth<br />

Management ist. «Ich hatte mich vorher<br />

nicht gross um frauenspezifische Themen<br />

gekümmert. Da ich von Hause aus emanzipiert<br />

aufgewachsen bin, habe ich nie<br />

den Drang verspürt, den Fokus darauf<br />

zu setzen.» Aber zusammen mit Arbeitskollegin<br />

Mara Harvey fällt ihr auf, dass<br />

beim Wealth Management die Frauen<br />

nicht angesprochen werden. In jahrelanger<br />

Arbeit baut Olga an dem Programm.<br />

Das ist dann auch ihr offizieller<br />

Titel: Managing Director Global Programm<br />

Architect UBS Unique.<br />

Die Start-up-Gründerin<br />

Als sie sich 2019 entschliesst, die UBS<br />

zu verlassen, weiss sie genau, was sie im<br />

nächsten Schritt tun wird. Denn: «Ich<br />

habe in all den Jahren gemerkt, dass die<br />

meisten Menschen viel zu wenig über<br />

Geld wissen.» Das will sie ändern. Unabhängige<br />

Finanzbildung ist der Kern<br />

von SmartPurse, dem Start-up, das sie<br />

2019 gründet. «Ich hatte festgestellt, dass<br />

Menschen, die sich mit ihrem Vermögen<br />

beschäftigen, gern unabhängig beraten<br />

werden», sagt Olga Miler und schaut für<br />

einen Moment in die Ferne, formt ihre<br />

nächsten Sätze im Kopf, dann fährt sie<br />

fort. «Irgendwie ist alles andere ja auch<br />

Marketing», sinniert sie. Natürlich sei jedes<br />

Geldinstitut bemüht, die eigenen<br />

Angebote im Bereich Wealth Management<br />

zu pushen. Das seien aber nicht<br />

«Ich habe festgestellt, dass Menschen,<br />

die sich mit ihrem Vermögen beschäftigen,<br />

gern unabhängig beraten werden.»<br />

immer die besten Lösungen. Genau deshalb<br />

gründet Olga Miler SmartPurse, um<br />

Menschen zu befähigen, eigene Entscheidungen<br />

in Sachen Finanzen zu treffen.<br />

Zusammen mit einer Freundin gründet<br />

sie das Start-up. Diese kommt aus<br />

London, und auch das Startkapital kommt<br />

vom Freundeskreis in UK. Als alles «ready<br />

to go» ist, kommt die Pandemie. Und ein<br />

Angebot, das Rebranding einer Bank zu<br />

orchestrieren. Sie nimmt den Job, stellt<br />

SmartPurse zurück, und erst 2021 lässt<br />

sie ihr Business-Baby wieder an den Start.<br />

Diesmal based in der Schweiz. Olga startet,<br />

indem sie «Geld unterrichtet». Soll<br />

heissen, per Zoom gibt sie Workshops,<br />

Webinare und generiert so eine Klientel,<br />

die sich stetig vermehrt. Frauen stehen<br />

anfangs noch im Fokus. Aber inzwischen<br />

hat sich das Bildungsangebot versachlicht,<br />

es geht um Finanzbildung für alle.<br />

«Geld ist in der ganzen Gesellschaft<br />

omnipräsent.»<br />

Erntejahre<br />

Jetzt hat das Start-up die nächste Finanzierungsrunde<br />

mit 700 000 Franken<br />

erfolgreich abgeschlossen, um weiter<br />

durchzustarten. Den grössten Teil der<br />

Kunden bedienen sie im B2B-Sektor. «Wir<br />

machen Finanzbildung für Unternehmen,<br />

die ihre Kund:innen besser beraten wollen»,<br />

fasst sie es zusammen. Die erste<br />

Partnerin ist die Frauenzentrale Zürich,<br />

inzwischen sind etliche dazugekommen,<br />

wie Advance Schweiz und Swiss Life<br />

Wealth Managers. Auch für Alpian hat<br />

SmartPurse ein Konzept entwickelt, zusammen<br />

mit Marion Fogli, die als Deputy<br />

CEO der Alpian Frauenförderung vorantreibt.<br />

«Jedes Unternehmen hat eine<br />

Changemakerin oder eine Art Pippi<br />

Langstrumpf, die Dinge anpackt, Veränderungen<br />

vorantreibt. So eine bin ich<br />

auch, wir erkennen uns untereinander.»<br />

Finanzdienstleister steckten, so Olgas<br />

Meinung, in einer Krise. Studien würden<br />

bestätigen, dass die Kund:innen ihre<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


75<br />

Illustrationen: Silvan Borer<br />

MILER-TIPPS<br />

Top 5<br />

1<br />

Regelmässiger Geldputz<br />

Alle drei Monate das Budget<br />

und Kreditkarten von<br />

ungewollten Kostenfressern,<br />

wie z.B. nicht gebrauchte<br />

Abos, befreien. Kann<br />

Tausende von Franken im<br />

Jahr sparen.<br />

2<br />

Über Geld sprechen<br />

Ist einer der effizientesten<br />

Wege, sich Wissen anzueignen,<br />

neue Anbieter kennen<br />

zu lernen und praktische<br />

Tipps zu bekommen. Zudem<br />

lernt man das Gegenüber<br />

auf eine neue Art kennen.<br />

3<br />

Automatisieren, wo’s geht<br />

Beträge für grössere<br />

Anschaffungen, Vorsorge,<br />

Investieren direkt automatisch<br />

mit Daueraufträgen<br />

abzweigen. Einmal aufgesetzt,<br />

läuft es auf Autopilot.<br />

4<br />

Auf Kosten achten<br />

Der Kostenvergleich bei den<br />

Finanzen ist etwas vom Mühsamsten,<br />

lohnt sich aber, da<br />

die Kosten erheblich ins<br />

Gewicht fallen. Einmal im<br />

Jahr Anbieter überprüfen<br />

und den Wechsel nicht<br />

scheuen.<br />

5<br />

Auch kleine Beträge<br />

nutzen<br />

Regelmässigkeit und<br />

Langfristigkeit machen einen<br />

grossen Teil des Erfolgs zum<br />

Aufbau des Vermögens aus.<br />

Breit diversifizierte, kostengünstige<br />

Anlage suchen,<br />

starten, mit Dauerauftrag auf<br />

Autopilot setzen.<br />

Gelder abziehen, zu Onlineanbietern<br />

wechseln, und auch die Kryptoszene<br />

drücke in den Markt. Es sei deshalb wichtig,<br />

gerade junge Menschen für das<br />

Thema Finanzbildung zu interessieren,<br />

diese seien die Invester der Zukunft.<br />

Was haben Finanzen und Humor<br />

gemeinsam?<br />

Olga Miler ist in allem, was sie macht,<br />

gründlich. Es ist ihr wichtig, Menschen<br />

auf vielen Kanälen zu erreichen und auch<br />

nie den Kontakt zu den Customern zu<br />

verlieren. Deshalb ist neben dem B2Bauch<br />

das B2C-Geschäft wichtig für sie.<br />

Seit bald vier Jahren schreibt Olga Miler<br />

bei Watson einen Finanzblog. Das erste<br />

Jahr hiess er «Frauen und Geld», dann<br />

aber schrieben so viele Männer, wie<br />

interessant dieser Blog auch für sie sei.<br />

2021 wird er umbenannt in «Moneytalks».<br />

Alle zwei Wochen am Donnerstag<br />

packt sie ein Thema aus der Finanzwelt<br />

beim Schopf und beleuchtet es von verschiedenen<br />

Perspektiven. Der Blog ist<br />

sehr erfolgreich und wird auch für die<br />

Welschschweiz übersetzt. Bei welchen<br />

Themen hat sie die meisten Klicks? «Bei<br />

Tipps und Tricks, also Ratgeberthemen,<br />

die werden super geklickt», erzählt sie.<br />

Man würde meinen, diese Frau hat<br />

genug zu tun. Der Tag hat 24 Stunden,<br />

sie hat zwei Kinder, einen Haushalt, eine<br />

Ehe und ein Business. Jetzt schreibt sie<br />

ein Buch. Ein Finanzbuch für alle, wie<br />

Olga Miler und Co-Chefredaktorin<br />

von m&k, Anna<br />

Kohler, nach dem Interview.<br />

Olga es nennt. Natürlich humoristisch<br />

untermalt. Pippi Langstrumpf-Style. Das<br />

Buch erklärt die 30 wichtigsten Konzepte<br />

zum Thema Geld, die wir alle schon in<br />

der Schule hätten lernen sollen. Gespickt<br />

mit humoristischen Karikaturen. «Das<br />

wird ganz vielen Menschen helfen, denn<br />

mit Humor bleibt alles besser hängen.»<br />

Ihr Traum wäre es, wenn alle Jugendliche<br />

ab 14 Jahren dieses Buch als Pflichtlektüre<br />

in der Schule lesen würden. Mit 140<br />

Seiten und den vielen Karikaturen ist es<br />

schnell gelesen. Der Beobachter-Verlag<br />

bringt das Werk im März heraus.<br />

Innehalten<br />

Olga Miler kommt aus einer Familie mit<br />

starken Frauen. Schon früh lernt sie, dass<br />

finanzielle Unabhängigkeit für das Wohlergehen,<br />

aber auch die Augenhöhe in<br />

Beziehungen wichtig ist. Sie geht ihren<br />

Weg, und als sie mit 24 auf der Streetparade<br />

ihren Mann kennenlernt, beginnt<br />

eine Reise, die in keiner Form so geplant<br />

war. «Ich hatte mir nie Gedanken übers<br />

Heiraten gemacht, ich wusste nicht, ob<br />

ich Kinder wollte. Die guten Dinge, da<br />

ist sich Olga Miler sicher, passieren auf<br />

dem Weg. Wichtig ist: Sie hat immer gut<br />

zugehört und hingeschaut. Da könnte<br />

man viel begreifen. Und auch Glück<br />

spielt eine Rolle. Am richtigen Ort zur<br />

richtigen Zeit sein. Ihre Geschichte wirkt<br />

wie eine Aneinanderreihung von ergriffenen<br />

Chancen. Sieht sie das auch so?<br />

Nein, sagt Olga, und wieder hält sie eine<br />

Weile inne, reflektiert vor dem inneren<br />

Auge. Es hätte viele Chancen gegeben,<br />

die sie nicht gepackt hätte, sie wisse<br />

nicht, wo sie wäre, hätte sie zugegriffen.<br />

Aber eben, das Leben passiere jetzt und<br />

hier und wolle gelebt werden. Olga lächelt:<br />

«Aber wenn jemand mal die<br />

Pokémon-Karten vom Boden unserer<br />

Wohnung aufräumen würde, wäre ich<br />

nicht sauer.»<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


76<br />

LINK<br />

«Qualität<br />

und Schweizer<br />

Expertise bleiben»<br />

Seit zwei Jahren ist das Markt- und Sozialforschungsinstitut Link<br />

Teil der internationalen You Gov-Gruppe. Der nächste Schritt ist das offizielle<br />

Rebranding, damit wird Link zu You Gov Schweiz. m&k hat sich mit<br />

CEO Lukas Theiler und Stefan Reiser, Managing Director der Marketingforschung,<br />

über die Chancen und Herausforderungen der Integration unterhalten.<br />

Von Anna Kohler Bilder Chris Reist<br />

M&K Link ist Teil von You Gov? Wer ist<br />

die You Gov-Gruppe?<br />

LUKAS THEILER You Gov ist ein internationales<br />

Unternehmen für Markt- und<br />

Sozialforschung und gehört zu den<br />

grössten Marktforschungsnetzwerken<br />

weltweit. Ursprünglich gegründet von<br />

Stephan Shakespeare im Jahr 2000,<br />

hat Steve Hatch seit August dieses<br />

Jahres die Unternehmensführung<br />

inne. You Gov hat inzwischen mehr<br />

als 30 Standorte weltweit. Link ist seit<br />

Dezember 2021 Teil der You Gov-<br />

Gruppe, und als Nächstes vollziehen<br />

wir den letzten Schritt und gleichen<br />

auch unser Kleid sowie den Namen an.<br />

Wir werden zu You Gov Schweiz.<br />

Welche Vorteile und Chancen bietet<br />

dies?<br />

STEFAN REISER Man erkennt die Vorteile<br />

am deutlichsten an den zusätzlichen<br />

Services und Produkten, die wir bieten,<br />

sowie am Umfang der Länder, in<br />

denen wir nun Befragungen in unternehmenseigenen<br />

Panels durchführen<br />

können. Gleichzeitig behalten wir<br />

unsere Schweizer Identität und<br />

Expertise: Sowohl Projektleitung und<br />

Beratung, Datenspeicherung, Interviewdurchführung<br />

als auch Unternehmensleitung<br />

verbleiben wie gewohnt<br />

in der Schweiz.<br />

LUKAS THEILER Link war bisher sehr auf<br />

den lokalen Markt in der Schweiz<br />

fokussiert. Dabei haben wir hier über<br />

die Jahre methodische und qualitative<br />

Benchmarks in der Marktforschung<br />

gesetzt. Als Teil der international in der<br />

Branche für Innovation und Datenqualität<br />

bekannten You Gov-Gruppe sind<br />

wir noch näher am Puls der Zeit, wovon<br />

auch unsere Kund:innen profitieren.<br />

Unsere Schweizer Qualität bleibt auch<br />

künftig klar unser wichtigstes Asset.<br />

Wie kann ich mir das genau vorstellen<br />

mit dem Mehrwert für die Kund:innen?<br />

STEFAN REISER Wir können unseren<br />

Kund:innen eine weitaus grössere<br />

Reichweite in der Marktforschung<br />

bieten – neben zusätzlichen Ländern<br />

geht es hier auch um ein zusätzliches<br />

Lösungsportfolio und ergänzende<br />

Kompetenzen. Seit wir Teil der Gruppe<br />

sind, haben You Gov-Kund:innen zudem<br />

die Möglichkeit, Umfragen über unsere<br />

wertvolle Panel-Community durchzuführen<br />

und umfassende Expertise für den<br />

Schweizer Markt zu erhalten. Gerade<br />

internationale Unternehmen, die ihren<br />

Sitz in der Schweiz, aber auch internationale<br />

Standorte haben, profitieren von<br />

den weltweiten Forschungskapazitäten<br />

und davon, Ergebnisse aus einer Hand<br />

von gewohnten Ansprechpartner:innen<br />

erhalten zu können.<br />

Auf wie viele Panelist:innen kann Link<br />

bzw. künftig You Gov Schweiz im<br />

Moment zugreifen?<br />

LUKAS THEILER Aktuell umfasst unser<br />

Panel <strong>11</strong>5 000 Panelist:innen in der<br />

Schweiz, die künftig Teil eines mehr als<br />

24 Millionen Panelist:innen umfassenden<br />

Marktforschungsnetzwerks<br />

werden.<br />

Wird sich durch die Transition von Link<br />

zu You Gov Schweiz etwas am Angebot,<br />

am Service oder an der Qualität<br />

der Daten ändern?<br />

STEFAN REISER Das Angebot vergrössert<br />

sich natürlich, die Qualität des Services<br />

bleibt aber genauso hoch wie vorher.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


77<br />

Stefan Reiser, Managing<br />

Director der Marketingforschung<br />

(links), und<br />

Lukas Theiler, CEO von<br />

Link.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


78<br />

Erreichen ihrer unternehmerischen<br />

Ziele liefern.<br />

Unsere Kund:innen werden künftig<br />

auch davon profitieren, dass wir an<br />

über 30 Standorten in der Welt zusammenarbeiten<br />

und voneinander lernen.<br />

Gleichzeitig können sich unsere<br />

Kund:innen darauf verlassen, dass die<br />

Wertschöpfung in der Schweiz bleibt,<br />

ebenso die Daten. Link wird für die<br />

hohe Qualität der Daten, die umfassende<br />

Beratung und die Expertise auf<br />

dem Schweizer Markt geschätzt, daran<br />

ändert sich durch den Namenswechsel<br />

zu You Gov Schweiz nichts. Wir bleiben<br />

eine Schweizer Firma – dem wird in der<br />

neuen Firmierung ganz klar Rechnung<br />

getragen.<br />

Bleiben alle Mitarbeitenden bei Link<br />

auch nach der You Gov-Integration an<br />

Bord?<br />

STEFAN REISER Link zeichnet sich als<br />

Arbeitgeberin durch eine geringe<br />

Mitarbeiterfluktuation aus. Dies wissen<br />

auch unsere Kund:innen zu schätzen,<br />

und so soll es auch bleiben. Im Rahmen<br />

der Integration und des Rebranding<br />

ist kein Stellenabbau geplant. Es<br />

bleiben alle bestehenden Funktionen<br />

hierzulande erhalten.<br />

und für die Sozialforschung. Neben<br />

strategischen und finanziellen Zielen<br />

wollen wir uns auch von Linkianer:<br />

innen zu You Gover:innen entwickeln<br />

(lacht). Dieser Integrationsprozess<br />

braucht viel Fingerspitzengefühl, wir<br />

nehmen alle unsere Mitarbeitenden<br />

auf diese Reise mit. Das ist ein wichtiges<br />

Thema. Hinzu kommt das Rebranding<br />

der Marke. Und selbstverständlich<br />

werden wir unsere Kund:innen der<br />

Marketing- und Sozialforschung<br />

weiterhin mit gewohnter Qualität und<br />

starkem Service bei ihren Forschungsfragen<br />

begleiten und Insights zum<br />

Wie steht es um die Sektoren- und<br />

Methodenexpertise von Link auf dem<br />

Schweizer Markt nach dem Rebrand,<br />

welche Entwicklungen haben nationale<br />

und internationale Kund:innen<br />

von Link zu erwarten? Und wie kann<br />

Link diese Stärken in die You Gov-<br />

Gruppe einbringen?<br />

STEFAN REISER Unser Credo ist, dass wir<br />

stets innovativ in die Zukunft blicken.<br />

Daher stehen wir nicht still, sondern<br />

sind konstant dabei, unsere Sektorenund<br />

Methodenexpertise, mit der wir<br />

uns am Markt auszeichnen, weiterzuentwickeln.<br />

Wir profitieren sehr vom<br />

grossen internationalen You Gov-Netzwerk,<br />

insbesondere mit Blick auf die<br />

Fachexpertise. Auch durch die Produkte,<br />

die in der You Gov-Gruppe<br />

weltweit verfügbar sind, entsteht ein<br />

Mehrwert. Schliesslich hat eine grosse,<br />

internationale Gruppe auch viel weitreichendere<br />

Möglichkeiten, in neue<br />

Technologien und Lösungen zu investieren.<br />

Das öffnet uns neue Türen, und<br />

davon werden auch unsere Schweizer<br />

Kund:innen enorm profitieren.<br />

Profitiert You Gov auch von Link und<br />

dessen Expertise?<br />

LUKAS THEILER Ja, natürlich – enorm<br />

sogar. Stefan treibt mit seinem Team<br />

den Ansatz von Thought Leadership<br />

Sprechen wir über die Ziele von Link/<br />

You Gov Schweiz im Jahr 2024. Was<br />

steht an?<br />

LUKAS THEILER Für 2024 haben wir<br />

verschiedene Pfeiler gesetzt – wir<br />

haben übergreifende Ziele der<br />

Gruppe, für die Marketingforschung<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


79<br />

Stefan Reiser (links),<br />

Managing Director der<br />

Marketingforschung, und<br />

Lukas Theiler (unten),<br />

CEO von Link.<br />

seit langer Zeit stark voran. Wir testen<br />

konstant neue Herangehensweisen,<br />

Methoden und Lösungsansätze, stets<br />

am Nabel der Zeit und ganz nah an<br />

unseren Kund:innen.<br />

STEFAN REISER Die Schweiz liegt nach<br />

den Esomar-Verbandszahlen weltweit<br />

unter den Ländern, in denen verhältnismässig<br />

am meisten in die Markt- und<br />

Sozialforschung investiert wird. Gleichzeitig<br />

ist die Erwartungshaltung der<br />

Schweizer Unternehmen an die Marktforschung<br />

enorm hoch. Wir bringen<br />

hohe Qualitätsstandards und innovative<br />

Lösungen aktiv in die Gruppe ein.<br />

Davon profitieren natürlich wiederum<br />

auch die anderen Länder.<br />

Können Sie das noch ein wenig präzisieren?<br />

STEFAN REISER Ich denke da unter anderem<br />

an die Expertise unserer Forscher:<br />

innen in den Bereichen<br />

Advanced Analytics,<br />

Agile Marktforschung<br />

und Customer Experience.<br />

Technologieseitig<br />

sind wir in der Gruppe<br />

ausserdem führend im<br />

praktischen Einsatz von<br />

Machine-<br />

Learning-Algorithmen<br />

und KI-Anwendungen.<br />

Welche Herausforderungen bringt ein<br />

Markenwechsel mit sich?<br />

STEFAN REISER Link besteht seit über<br />

40 Jahren – und ist eine starke, in der<br />

Schweiz fest verankerte Marke. Bei<br />

einem Namenswechsel hin zu You Gov<br />

Schweiz ist es eine zentrale Aufgabe,<br />

unsere Kund:innen davon zu überzeugen,<br />

dass wir unser Schweizer Leistungsangebot<br />

sowie unsere hohen<br />

«Unsere<br />

Schweizer Qualität<br />

bleibt auch<br />

künftig klar<br />

unser wichtigstes<br />

Asset.»<br />

Qualitätsmassstäbe aufrechterhalten.<br />

Wir beschäftigen uns damit sehr<br />

intensiv, und wir sind all unseren<br />

Mitarbeitenden sehr dankbar, dass sie<br />

diese Übergangsphase aktiv begleiten.<br />

LUKAS THEILER Wir sind sehr transparent<br />

und informieren unser gesamtes Team<br />

in regelmässigen Abständen über die<br />

Transition – auch über mögliche<br />

Knackpunkte. You Gov<br />

wächst sehr schnell, und<br />

genau das birgt Chancen:<br />

Unsere Mitarbeitenden<br />

bringen eine enorme<br />

Menge an Expertise mit,<br />

was bei You Gov natürlich<br />

auf offene Ohren stösst.<br />

Und unsere Transparenz<br />

gilt nicht nur nach innen,<br />

sondern auch nach aussen<br />

– wir wollen alle auf diese Reise<br />

mitnehmen, auch unsere Kund:innen.<br />

You Gov hat in den vergangenen zehn<br />

Jahren ein gigantisches Wachstum<br />

hingelegt und wächst weiterhin stark –<br />

wie werden die Unternehmung und<br />

Ihre Kund:innen davon profitieren?<br />

STEFAN REISER Neue Produkte, neue<br />

Technologien – You Gov verfolgt den<br />

Ansatz von «Living Data»: Das weltweite<br />

Forschungsnetzwerk generiert<br />

einen kontinuierlichen Datenstrom, auf<br />

den die Kund:innen jederzeit zugreifen<br />

können und bei dem alle erhobenen<br />

Datenpunkte miteinander verknüpft<br />

und analysiert werden können. Das ist<br />

in dieser Art einzigartig und wird nun<br />

auch in der Schweiz ausgebaut. Auch<br />

ist You Gov ein stabiles, etabliertes<br />

Unternehmen mit sehr guten Zahlen<br />

und kontinuierlichem Wachstum, das<br />

gibt Rückhalt für unser Schweizer<br />

Business. Durch unsere Zugehörigkeit<br />

zur Gruppe wollen wir unsere Belegschaft<br />

in der Schweiz perspektivisch<br />

ausbauen.<br />

Link ist heute Marktführerin – wie hilft<br />

Ihnen You Gov, diesen Vorsprung in<br />

der Schweiz weiter auszubauen?<br />

LUKAS THEILER Weil You Gov auf der<br />

ganzen Welt agiert, können Trends<br />

schneller ausgemacht werden. Davon<br />

profitieren natürlich auch wir hier in<br />

der Schweiz. Mithilfe aller neuen<br />

Möglichkeiten durch You Gov als<br />

Mutterhaus werden wir unsere lokale<br />

Marktführerschaft noch weiter ausbauen<br />

können – wir freuen uns sehr auf<br />

dieses spannende nächste Kapitel in<br />

unserer Geschichte.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


INSCRIVEZ-VOUS<br />

MAINTENANT !<br />

Die Jagd ist eröffnet!<br />

La chasse est ouverte!<br />

La caccia è aperta!<br />

Einreichung bis 19. Februar 2024<br />

Soumission jusqu’au 19 février 2024<br />

I <br />

ISCRIVETEVI<br />

ORA!<br />

swiss<br />

print<br />

award<br />

2024<br />

JETZT<br />

ANMELDEN!<br />

PATRONAT<br />

SPONSORS<br />

Award night — 23 may 2024<br />

JED Events Zurich<br />

MEDIAPARTNER


81<br />

Bild: zVg. Saatchi&Saatchi / zVg. Transworld Publishers.<br />

Kreativity<br />

Warte<br />

nicht auf<br />

Inspiration.<br />

Sie kommt zu<br />

dir, während<br />

du arbeitest.<br />

Henri Matisse<br />

Maler<br />

JOBCHANGE<br />

Luitgard Hagl wechselt zu Saatchi & Saatchi<br />

D<br />

ie Topkreative Luitgard Hagl kehrt nicht nur der Schweiz, sondern<br />

auch ihrem bisherigen Arbeitgeber Jung von Matt Limmat den<br />

Rücken: Ab Februar 2024 startet sie als Managing Director Kreation<br />

bei Saatchi & Saatchi in Düsseldorf und wird fachlich an<br />

Groupe-CCO Dennis May berichten. Bei Jung von Matt Limmat war Hagl<br />

zuletzt als Managing Creative Director und Agency Lead tätig. Frühere<br />

berufliche Stationen waren unter anderem Serviceplan, Jung von Matt<br />

Hamburg und Grabarz und Partner. Für ihre kreativen Leistungen wurde<br />

sie vielfach ausgezeichnet, war Jurymitglied zahlreicher nationaler und<br />

internationaler Awards und ist Mitglied des Art Directors Club Deutschland.<br />

Zu ihrer neuen Aufgabe sagt Hagl: «Wir wollen mit Saatchi & Saatchi für<br />

Kreation stehen, die aus sich heraus etwas bewegt.»<br />

K R EATI V PR EIS<br />

Drei Schweizer:innen in der ADCE-Jury<br />

Die Juror:innen für die ADCE Awards <strong>2023</strong>, der «Champions League of<br />

Creativity», sind bekannt: Insgesamt 56 Kreative aus 21 europäischen<br />

Ländern werden über die besten kreativen Arbeiten aus ganz Europa<br />

debattieren. Auch drei Schweizer:innen sitzen in der Jury: Stefanie Huber<br />

(Kategorie «Integrated & Innovation»), Dominique Magnusson (Kategorie<br />

«Design») und Michael Hinderling (Kategorie «Interactive & Mobile»). Die<br />

Resultate des Wettbewerbs werden Anfang Dezember <strong>2023</strong> in einer feierlichen<br />

Zeremonie bekannt gegeben.<br />

BUCHTIPP<br />

«Creativity, Inc.»<br />

von Ed Catmull<br />

Ed Catmull ist nicht<br />

nur einer der Mitbegründer<br />

der legendären<br />

Pixar-Animationsstudios<br />

– sondern wird<br />

von vielen als regelrechtes<br />

«Kreativgenie»<br />

betrachtet. Sein<br />

bereits 2014 veröffentlichtes<br />

Buch «Creativity,<br />

Inc.» lohnt sich als<br />

Weihnachtsgeschenk<br />

oder Feiertagslektüre,<br />

denn Catmull erklärt<br />

nicht nur, wie man zu<br />

richtig guten Ideen<br />

gelangt; er zeigt auch,<br />

wie man damit ein<br />

profitables Business<br />

aufzieht.<br />

EINREICHUNG<br />

DOOH Creative<br />

Challenge<br />

Die DOOH Creative<br />

Challenge 2024 vom<br />

Institute for Digital<br />

Out of Home Media<br />

(IDOOH) geht in die<br />

vierte Runde. Bis zum<br />

<strong>12</strong>. April 2024 können<br />

Kampagnen dafür ins<br />

Rennen geschickt<br />

werden:<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


82<br />

TRENDS<br />

Gut gebrüllt,<br />

Löwe<br />

Warum ist ein Festival im besten Rentenalter attraktiver als jemals zuvor?<br />

Was macht die Cannes Lions zum Pulsgeber für die ganze Branche?<br />

Südfrankreich, teure Villen, grosse Yachten und Austern vielleicht?<br />

Von Moritz Weischer<br />

D<br />

as International Festival of<br />

Creativity, oder kurz Cannes<br />

Lions, ist das wohl wichtigste<br />

Event für die internationale<br />

Kreativbranche.<br />

Jedes Jahr werden an der Croisette die<br />

besten Werber:innen gekührt. Die kreativsten<br />

Arbeiten gewinnen die heissbegehrten<br />

Löwen – die «Oscars der Werbung».<br />

Anders als bei den Oscars gibt<br />

es Gold, Silber oder Bronze. Für die<br />

grössten Spitzenleistungen der Kreativen<br />

aus rund 100 Ländern werden Grand-<br />

Prix-Löwen verliehen. Wer in Cannes<br />

gewinnt, kann sich zur globalen Werber:innen-Elite<br />

zählen.<br />

Das Cannes Lions Festival ist darüber<br />

hinaus auch eines der ältesten Festivals<br />

der Branche. Es feierte dieses Jahr seinen<br />

70. Geburtstag. Zum Geburtstag war das<br />

Festival vor allem eines: voll. Praktisch<br />

alle Strände warteten mit Austeller:innen<br />

auf, überall wurden Networking Events<br />

angeboten und das Palais platzte aus<br />

allen Nähten – es war so voll wie nie. Das<br />

hatte aber nichts mit dem Geburtstag zu<br />

tun.<br />

Von den Cannes-Trends lernen<br />

Das Cannes Lions Festival liefert uns neue<br />

Impulse für unsere Arbeit. Denn die<br />

Trends, die wir in Cannes sehen, sind die<br />

kumulierten Learnings von inspirierenden<br />

Kampagnen aus der ganzen Welt.<br />

Dieses Jahr haben sich vier Trends abgezeichnet,<br />

die uns mindestens bis zum<br />

Festivalstart 2024 begleiten werden und<br />

von denen wir unbedingt lernen sollten.<br />

1<br />

The New Tool Kit<br />

Es war absehbar:<br />

Dieses Jahr war AI an der Croisette<br />

ganz vorne dabei.<br />

Anders als bei unseren Nachbar:innen<br />

in Deutschland war man sich in Cannes<br />

aber sehr einig: AI ist das neue Werkzeug<br />

der Kreativcommunity und es ist an uns,<br />

zu lernen, wie man es bedient. AI ist die<br />

Lösung für einen der grössten Schrecken<br />

der Kreativen: das leere Blatt. Endlich<br />

können erste Gedanken schnell und unkompliziert<br />

zu Papier gebracht werden.<br />

So wird die Vision im Kopf schnell zur<br />

Wirklichkeit. Aber nicht nur AI wurde diskutiert.<br />

Diversity steht weiterhin hoch im<br />

Kurs. Bestes Beispiel ist hier der Direct<br />

Grand Prix Gewinner Adidas mit der<br />

Kampagne «Runner 321». Die Zahl 321<br />

steht für das Chromosom, das das<br />

Der Autor<br />

Moritz Weischer ist ein<br />

Enkel von Hans Weischer,<br />

der 1954 den Kinovermarkter<br />

WerbeWeischer in<br />

Hamburg gegründet hat. Er<br />

arbeitet seit März 2019 für<br />

Weischer. War Moritz<br />

Weischer zunächst im<br />

Bereich Corporate Innovation<br />

tätig, übernahm er im<br />

April die neugeschaffene<br />

Position des CMO. Die<br />

Werbebranche kennt er aus<br />

seiner Zeit als Account<br />

Manager bei den Agenturen<br />

BBDO Proximity und thjnk.<br />

Moritz Weischer ist Absolvent<br />

der HS Fresenius (BA),<br />

seinen Master im International<br />

Marketing schloss er an<br />

der Hult International<br />

Business School ab. Zudem<br />

absolvierte er an der<br />

Antwerp Management<br />

School ein Studium zum<br />

Master of Innovation and<br />

Entrepreneurship.<br />

Bild::Cannes Lions Press Center<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


83<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


84<br />

Down-Syndrom verursacht. Über Markengrenzen<br />

hinweg kooperierte der Sportartikelhersteller<br />

weltweit mit Marathonverbänden,<br />

um die Läufernummer «321»<br />

zum Symbol für Menschen mit Down-<br />

Syndrom zu machen. So konnte Visibilität<br />

für die Gruppe geschaffen werden<br />

und ein verbesserter Zugang zum Sport.<br />

Herzergreifend, ehrlich und divers – so<br />

sollte es sein. Auch Sustainability bestimmt<br />

weiterhin einen grossen Teil der<br />

Einreichungen in Cannes. Renault zeigte<br />

beispielsweise mit seiner Arbeit «Plug-<br />

Inn», einer Art AirBnB für Elektrofahrzeuge,<br />

wie man durch smarte und nachhaltige<br />

Ideen Barrieren der Elektromobilität<br />

überwindet. Rausgekommen sind<br />

nicht nur gleich zwei Innovationen, sondern<br />

auch der Grand Prix für Creative<br />

Strategie. Wir müssen diese Themen als<br />

Tools verstehen. Gekoppelt mit unseren<br />

Talenten helfen sie uns, Teil des Projektes<br />

zu werden. Sie machen unsere Arbeit<br />

nachhaltiger, effizienter und schneller.<br />

Und sie zeigen auch, dass neue Plätze<br />

für Menschen und Technologien entstehen,<br />

die das Endprodukt noch besser<br />

machen.<br />

2<br />

You look younger than ever<br />

«Best Ager» die angesagte<br />

Zielgruppe: Sie brillieren mit<br />

hoher Kaufkraft und stetigem<br />

Wachstum.<br />

Das Spannungsverhältnis war nie grösser,<br />

die Themen nie breiter und die Kanäle<br />

nie so unterschiedlich. Bis vor Kurzem<br />

hatte man das Gefühl, eine andere<br />

Zielgruppe als die Gen Z existiere nicht;<br />

heute ist ein:e Seniorenbeauftragte:r<br />

genauso gefragt und «Best Ager» die<br />

angesagte Zielgruppe. Dabei wurden<br />

sie stets zu Unrecht vernachlässigt, weil<br />

sie als Zielgruppe «nicht sexy genug»<br />

schienen. Dabei brillieren sie mit hoher<br />

Kaufkraft und stetigem Wachstum. Denn,<br />

was wir in Zeiten des demografischen<br />

Wandels beobachten: Unsere Mitbürger:innen<br />

werden immer älter und damit<br />

entstehen neue Märkte für die Themen<br />

dieser rasant wachsenden Gruppe. Themen,<br />

die bei einer jüngeren Zielgruppe<br />

gar nicht mehr adressiert werden müssen,<br />

werden dort wieder aktuell. Denn<br />

während die einen gerade ihren eigenen<br />

Look akzeptieren lernen, spielen die anderen<br />

mit der neugewonnenen Selbstverständlichkeit<br />

von Sexualität. Es entstehen<br />

spannende, neue Märkte für<br />

Brands, die sich in dieser Welt neu erfinden<br />

müssen. Oft lassen sich Assets der<br />

Vergangenheit im jetzigen Zeitgeist<br />

wieder neu verankern. Für Brands und<br />

Agenturen eine grosse Herausforderung<br />

und zugleich riesige Chance. Hier liegt<br />

verborgenes Potenzial und die, die es<br />

schaffen, beide Seiten gleichermassen<br />

zu bedienen, gehören definitiv zu den<br />

Gewinner:innen.<br />

3<br />

The Rise of the CMO<br />

Identifizierung von weissen Flecken<br />

und neuen Möglichkeiten<br />

Wir alle haben eine gewisse Vorstellung,<br />

wie die Arbeit einer/s Chief Marketing<br />

Officer (CMO) aussieht. Aber in Cannes<br />

– und einer Welt nach Covid – zeichnete<br />

sich für diesen Job eine neue Definition<br />

ab:<br />

«Die grösste Veränderung für<br />

CMOs ist die Verlagerung von der<br />

Kreativität und dem zentralen Fokus<br />

auf das Marketing hin zum Chief<br />

Growth Officer der/s CEOs und der<br />

Identifizierung von weissen Flecken<br />

und neuen Möglichkeiten, das Geschäft<br />

und das Unternehmen zu<br />

vergrössern.» Remi Kent, CMO, Progressive<br />

Insurance.<br />

In Zeiten, in denen zuerst das Marketing<br />

gestrichen wurde, um Geld zu sparen,<br />

haben sich CMOs eine ganz neue Strategie<br />

zurechtgelegt. Mit ihren Massnahmen<br />

reagieren sie auf die unruhigen<br />

Zeiten, in denen sich die meisten Wirtschaftszweige<br />

befinden, und sind so ganz<br />

flexibel auf den Markt. Mehr als jemals<br />

zuvor brauchen die CMOs den engen<br />

Austausch zwischen CEO und dem ehemaligen<br />

Erzfeind: den CFOs. Dabei<br />

mussten erst einmal alle Parteien die<br />

neue Rolle der CMOs verstehen lernen<br />

und sehen, was Marketer schon immer<br />

im Blick hatten: Kampagnen und Massnahmen<br />

zu erschaffen, die das Produkt<br />

in den Fokus der Käufer:innen rücken.<br />

Spätestens als verstanden wurde, dass<br />

auch Marketing einen ROI hat, hat sich<br />

die Rolle der CMOs neu definiert. Sie<br />

bewegen sich heute über die unterschiedlichen<br />

Bereiche eines Unternehmers<br />

hinweg, um in wirtschaftlich unsicheren<br />

Zeiten erfolgreich zu sein,<br />

Innovationen voranzutreiben und Wachstum<br />

zu generieren. Um diese neue Position<br />

zu untermauern, müssen sie sich auf<br />

den langfristigen Marktanteil statt auf<br />

vierteljährliche Gewinne konzentrieren –<br />

und auch die ganze Company.<br />

4<br />

L.M.F.A.O =<br />

Laughter Means Financial<br />

Achievements Optimized<br />

Da Vinci war sehr wissbegierig, er<br />

liebte es zu hinterfragen, nach besseren<br />

Antworten zu suchen, seine Ideen<br />

und Bilder zu artikulieren und neue<br />

Möglichkeiten vorzuschlagen.<br />

Ein Trend, der sich von Anfang an im<br />

Palais herauskristallisierte, war Humor.<br />

Denn der steht wieder hoch im Kurs bei<br />

den eingereichten Arbeiten in Cannes<br />

und sorgte für Beifall und diverse Löwen.<br />

Andrew Robertson, Präsident und CEO<br />

von BBDO Worldwide, zeigte in seinem<br />

diesjährigen Talk auf der Debussy Stage<br />

im Palais, dass die «Unhappiness» global<br />

ansteigt. Gleichzeitig – oder gerade deswegen<br />

– ist Humor immer noch die Form<br />

der Kommunikation, die am besten verkauft.<br />

Insofern nicht verwunderlich, dass<br />

in Cannes wieder gelacht wird. Es wurden<br />

wieder besonders viele Kampagnen<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


85<br />

Bild: Cannes Lions Press Center<br />

ausgezeichnet, die uns zum Lachen gebracht<br />

haben – und das auch bei schweren<br />

Themen. Spätestens als «The last<br />

Performance» des neuseeländischen<br />

Versicherungsunternehmens Partners<br />

Life mit einem Grand Prix nach Hause<br />

ging, wurde das allen klar. Denn hier<br />

geht es um Lebensversicherungen und<br />

Opfer einer Mörder-Mysterie-Serie. Wer<br />

diese vier Trends jetzt in seine Planung<br />

implementiert, wird langfristig erfolgreicher<br />

am Markt sein.<br />

Wo das Herz der Branche schlägt<br />

Kehren wir nun an die eingangs gestellte<br />

Frage zurück. Was macht Cannes<br />

zum Pulsgeber für die ganze Branche?<br />

Wagen wir eine kurze biologische Analogie:<br />

Den Puls in einem Organismus<br />

gibt immer nur eines an: das Herz. Und<br />

das Herz der Kreativbranche schlägt im<br />

Palais. Dort werden Kreativität, Ideenreichtum,<br />

Anders- und Miteinandersein<br />

bewertet, analysiert und diskutiert. Beim<br />

«Humor steht<br />

hoch im Kurs<br />

bei den eingereichten<br />

Arbeiten<br />

in Cannes und<br />

sorgt für Beifall<br />

und diverse<br />

Löwen.»<br />

Festival kommen Menschen zusammen,<br />

die mit ihren Arbeiten für Aufsehen gesorgt<br />

und uns zum Staunen gebracht<br />

haben. Und jeder, der aus Cannes nach<br />

Hause zurückkehrt, trägt die Botschaften<br />

und Inspiration von dort weiter. Sie<br />

übertragen den Herzschlag aus dem<br />

Palais in unsere Märkte. Insofern könnte<br />

man sagen: Das Cannes Lions Festival<br />

ist das Herz der Kreativwirtschaft und<br />

gibt uns einen Puls.<br />

Cannes ist auch der Ort, an dem die<br />

Trends geboren werden, die die globale<br />

Kreativwirtschaft prägen. Sie beeinflussen<br />

die Arbeit von Kreativen und ebnen<br />

den Weg für neue Entwicklungen, Technologien<br />

und vieles mehr. Und so bauen<br />

wir kreative Brücken zu neuen Ideen,<br />

Marketingstrategien und Produktentwicklungen.<br />

Darum ist Cannes immer<br />

noch so anziehend – vielleicht sogar<br />

mehr als jemals zuvor.<br />

Und wer ganz genau hinhört, hört jetzt<br />

auch den Pulsschlag des Festivals.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


86<br />

AGENTUR<br />

Das nächste<br />

Kapitel<br />

Nach sieben Jahren Autonomie geht Sir Mary eine Partnerschaft mit<br />

dem Agenturnetzwerk Myty ein. Was bewegt die Gründer:innen dazu?<br />

Von Johannes Hapig<br />

D<br />

iese Meldung sorgte für Aufsehen:<br />

Im Oktober verkündete Sir Mary,<br />

eine der erfolgreichsten Kreativ- und<br />

Mediaagenturen der Schweiz (mit<br />

Kund:innen wie der Allianz, Samsung,<br />

CSS, Schweiz Tourismus, Sunrise …), eine<br />

Partnerschaft mit der rasch wachsenden Myty<br />

Group AG. Als junges Agency-Network mischt<br />

Myty seit 2020 die Branche – nicht nur in<br />

der Schweiz, sondern in ganz Europa – auf und<br />

bündelt bereits die Kräfte von<br />

13 Unternehmen mit mehr als<br />

700 Mitarbeitenden. Im m&k-<br />

Interview erklären die Sir Mary<br />

Co-Founder Maurizio Rugghia<br />

und Daniel Zuberbühler, wieso<br />

eine Partnerschaft mit Myty für sie<br />

den nächsten, logischen Schritt<br />

in der Entwicklung ihres Unternehmens<br />

darstellt – und was diese für das Team,<br />

die Kund:innen und die Geschäftsführung der<br />

Agentur bedeutet.<br />

M&K Daniel Zuberbühler, Maurizio Rugghia: Im<br />

September gewann Sir Mary das Schweizer<br />

Agenturranking der Media Research Group.<br />

Schon kurz darauf gaben Sie den Beitritt zum<br />

Agency Network Myty bekannt. Sie waren<br />

«alleine» enorm erfolgreich – wofür braucht es<br />

da ein Netzwerk?<br />

«Dieser Schritt ist<br />

eine Erweiterung<br />

unserer Möglichkeiten,<br />

nicht das Ende<br />

unserer Reise.»<br />

DANIEL ZUBERBÜHLER Vielen Dank für das Kompliment!<br />

Sir Mary ist gut aufgestellt für die Bedürfnisse<br />

der Werbeauftraggebenden. Der Gewinn<br />

des Rankings hat dies offiziell bestätigt, und<br />

das macht uns natürlich stolz. Nichtsdestotrotz,<br />

in unserer Branche ist es wichtig, immer am Ball<br />

zu bleiben und weiterzudenken.<br />

MAURIZIO RUGGHIA Sir Mary wurde mit der Ambition<br />

gegründet, als moderne Agentur und erste<br />

Adresse für Digital-First-Kommunikation den<br />

Agenturmarkt zu verändern. Uns geht es<br />

darum, das Spiel zu prägen, nicht nur mitzuspielen.<br />

Weil wir diesen hohen<br />

Anspruch weiterhin erfüllen<br />

wollen, läuten wir für Sir Mary<br />

die nächste Phase ein, zusammen<br />

mit Myty. Es geht also nicht<br />

darum, was wir «brauchen»,<br />

sondern darum, wie wir unser<br />

Potenzial weiter entfalten und<br />

den wachsenden und sich<br />

wandelnden Ansprüchen unserer Kund:innen<br />

auch in Zukunft gerecht werden können. Die<br />

Partnerschaft mit Myty sehen wir als Schritt, der<br />

uns neue Türen in Bezug auf technologische<br />

Ressourcen, Spezialisierung und Expertise in<br />

unterschiedlichen Disziplinen eröffnet. Wir sind<br />

immer noch die gleiche Crew, aber jetzt haben<br />

wir Zugriff auf ein beeindruckendes Spektrum<br />

an Ressourcen und Skills, die weit über das<br />

hinausgehen, was wir allein hätten erreichen<br />

können.<br />

Über<br />

Sir Mary<br />

Sir Mary ist eine<br />

Kreativ- und Mediaagentur,<br />

die 2016<br />

von Maurizio<br />

Rugghia, Daniel<br />

Zuberbühler und<br />

Florian Beck gegründet<br />

wurde. Von<br />

Beginn an fokussierte<br />

sich die Agentur auf<br />

einen Digital-First-<br />

Approach und<br />

gewann damit<br />

zahlreiche renommierte<br />

Etats – und<br />

Preise: So wurde Sir<br />

Mary beispielsweise<br />

als Schweizer<br />

Digitalagentur des<br />

Jahres 2018 und als<br />

DACH-Newcomer-<br />

Agentur des Jahres<br />

2019 ausgezeichnet;<br />

ausserdem belegte<br />

Sir Mary den ersten<br />

Platz im jährlichen<br />

Ranking der<br />

Schweizer Werbeagenturen<br />

<strong>2023</strong>.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


87<br />

Arbeiten künftig mit der Myty Group AG zusammen: das Sir-Mary-Führungsteam mit Daniel Zuberbühler, Tino Elsener, Vanessa Habisreutinger,<br />

Nicolas Hostettler, Nadine Pachoud, Florian Beck, Maurizio Rugghia und Fabian Habisreutinger (von links).<br />

Bild: zVg / Sir Mary.<br />

Myty ist – der beeindruckenden Skalierung<br />

zum Trotz – weniger bekannt und erheblich<br />

kompakter als, sagen wir … Dentsu, WPP oder<br />

die «üblichen Verdächtigen». Sind Sie trotzdem<br />

oder gerade deswegen beigetreten?<br />

DZ Unsere Bedingung für eine Partnerschaft war<br />

klar: Wir wollten unsere Identität, unsere Kultur<br />

und unseren Standort unangetastet lassen.<br />

Myty ermöglicht uns genau das und lässt uns<br />

unternehmerische und kulturelle Freiheit.<br />

MR Wir haben uns bewusst für Myty entschieden,<br />

gerade weil es sich von den üblichen<br />

Verdächtigen unterscheidet. Myty bietet eine<br />

einzigartige Kombination aus Agilität, Innovation<br />

und einer engen Gemeinschaftskultur, die<br />

mit unserer Vision bei Sir Mary perfekt harmoniert.<br />

Was fasziniert Sie an Myty?<br />

DZ Myty hat uns mit dem Motto «Just getting<br />

started» überzeugt, das perfekt zu unserem<br />

eigenen Geist passt. Was uns begeistert, ist<br />

ihre frische, unkomplizierte Herangehensweise.<br />

MR Wir wollen mithelfen, mitmachen und<br />

mitreden. Direkt mit dem Gründerteam, mit<br />

dem wir uns auf Anhieb super verstanden<br />

haben. Wir setzen uns nicht ins gemachte Nest,<br />

das ist nie unser Anspruch gewesen und wird<br />

es auch weiterhin nicht sein.<br />

Haben Sie keine Sorge, mit dem Schritt Ihre<br />

Unabhängigkeit aufzugeben?<br />

MR Was wir mit Myty gewinnen, ist weit mehr als<br />

das, was wir als einzelne Agentur hätten erreichen<br />

können. Wir glauben fest daran, dass<br />

unsere Stärken im Netzwerk noch weiter zur<br />

Geltung kommen. Es geht nicht darum, Kontrolle<br />

abzugeben, sondern unsere Fähigkeiten<br />

zu erweitern und unsere Wettbewerbsfähigkeit<br />

zu steigern. Wir sind motivierter denn je, mit<br />

den zusätzlichen Ressourcen und der kollektiven<br />

Erfahrung des Netzwerks etwas Neues zu<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


88<br />

schaffen, das den Markt prägt und unsere<br />

Kund:innen begeistert.<br />

Welche Chancen eröffnen sich Ihnen durch<br />

diesen Schritt?<br />

MR Unternehmerisch gesehen, eröffnet uns der<br />

Schritt eine einmalige Chance, aktiv an der<br />

Gestaltung eines europäischen Netzwerks<br />

mitzuwirken. Wir haben jetzt die Plattform, um<br />

unsere Vision auf einer breiteren Bühne zu<br />

präsentieren und dabei eine aktive Rolle<br />

einzunehmen.<br />

DZ Für unsere Kund:innen bedeutet das vor<br />

allem, dass wir ihnen jetzt ein noch breiteres<br />

Spektrum an Fachwissen und Dienstleistungen<br />

anbieten können. Die zusätzlichen Partnerschaften<br />

innerhalb des Myty-Netzwerks ermöglichen,<br />

noch zielgerichteter auf ihre individuellen<br />

Anforderungen einzugehen. Und nicht<br />

zuletzt profitieren unsere Mitarbeitenden von<br />

diesem Schritt. Sie erhalten Zugang zu einem<br />

grösseren Pool an Wissen und Erfahrungen<br />

und haben die Möglichkeit zum fachlichen<br />

Austausch und zur Weiterentwicklung, was in<br />

unserer Branche entscheidend ist. Das wiederum<br />

eröffnet ihnen neue Karrierewege, die<br />

zuvor vielleicht nicht möglich gewesen wären.<br />

Sagt Ihre Entscheidung auch etwas über Ihren<br />

Blick auf die Entwicklung der Kommunikationsbranche<br />

in den nächsten fünf, zehn, fünfzehn<br />

Jahren aus – und wenn ja, was?<br />

DZ Unsere Entscheidung für Myty spiegelt<br />

definitiv unsere Einschätzung wider, wohin sich<br />

die Kommunikationsbranche entwickeln wird.<br />

Wir sind überzeugt, dass eine Digital-First-<br />

Denke ein Muss ist – kein Kann. Und zwar<br />

heute, nicht erst in Zukunft. Sie ist das Fundament,<br />

auf dem Kommunikationsstrategien<br />

gebaut werden.<br />

MR Die Branche entwickelt sich in<br />

rasantem Tempo weiter, und wir sehen<br />

eine zunehmende Spezialisierung und<br />

Fragmentierung innerhalb der Kommunikationsdisziplinen.<br />

Starke und vernetzte<br />

Partnerschaften werden essenziell,<br />

um die vielfältigen Disziplinen zu<br />

bedienen und Kanäle nahtlos zu verbinden.<br />

Verändert sich nun etwas für Ihre<br />

Mitarbeitenden?<br />

MR Für die Mitarbeitenden ändert sich grundsätzlich<br />

nichts – wir sind weiterhin operativ und<br />

kulturell unabhängig. Neu haben sie Möglichkeiten,<br />

das Know-how des Netzwerks zu nutzen,<br />

können die aufstrebende Marke Myty<br />

mitgestalten und an agenturübergreifenden<br />

Projekten arbeiten. Ebenfalls stehen Arbeitsplätze<br />

an anderen Myty-Standorten zur Verfü-<br />

«Wir können<br />

jederzeit<br />

das geballte<br />

Spezialwissen<br />

von 700 neuen<br />

Kolleg:innen<br />

anzapfen.»<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


89<br />

Aktuelle Projekte<br />

von Sir Mary: Eine<br />

grosse Imagekampagne<br />

für die<br />

Versicherung CSS<br />

und eine Kollaboration<br />

zwischen<br />

Samsung und der<br />

Kultserie «Tschugger»<br />

(S. 88, unten).<br />

Bilder: zVg / Sir Mary.<br />

gung: für einfacheres «remote working» in<br />

Berlin, Hamburg, Zagreb und weiteren Metropolen.<br />

Und für die Kund:innen?<br />

DZ Neu – und sehr reizvoll für unsere Kund:innen<br />

– ist, dass wir jederzeit das geballte Spezialwissen<br />

unserer mehr als 700 Kolleg:innen<br />

unter dem Dach von Myty anzapfen können.<br />

Von Spezialdisziplinen in Web- und App-Entwicklung,<br />

E-Commerce, Artificial Intelligence,<br />

Corporate Branding und Corporate Content<br />

über Customized-Agency-Angebote zu<br />

Employer Branding bis hin zu Digital Solutions.<br />

Für unsere Kund:innen bedeutet das mehr<br />

Möglichkeiten, anspruchsvolle Projekte zu<br />

realisieren und am Puls der digitalen Transformation<br />

zu bleiben.<br />

«Wir<br />

sind keine<br />

Managertypen,<br />

sondern Unternehmer<br />

und<br />

Macher, die tief<br />

in der Branche<br />

verwurzelt<br />

sind.»<br />

Hand aufs Herz: Ist das der erste Schritt für<br />

einen «Exit» der Gründer:innen – oder können<br />

wir damit rechnen, dass Sie weiter ins Tagesgeschäft<br />

der Agentur involviert bleiben?<br />

MR Ganz ehrlich, dieser Schritt bedeutet für uns<br />

eine Erweiterung unserer Möglichkeiten, nicht<br />

das Ende unserer Reise. Das Management von<br />

Sir Mary bleibt unverändert und dem Tagesgeschäft<br />

voll verpflichtet. Das bestehende und<br />

eingespielte Team ist entscheidend für den<br />

Erfolg und die Strategie!<br />

DZ Ausserdem sind wir keine Managertypen,<br />

sondern Unternehmer und Macher, die tief in<br />

der Kommunikationsbranche verwurzelt sind.<br />

Wir haben nicht nur Spass an unserer Arbeit,<br />

sondern empfinden eine tiefe Zufriedenheit<br />

dabei, den weiteren Erfolg unserer Gruppe<br />

mitzugestalten.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


90<br />

KREATIVE TOOLS<br />

Ist Disruption<br />

noch disruptiv?<br />

Matthias Kiess, CEO von TBWA\Switzerland, nimmt m&k mit in den Diskurs<br />

über Disruption. Er stellt Fragen, öffnet Perspektiven und hinterfragt den Bruch<br />

oder die Zerschlagung von Strukturen zur Neusortierung.<br />

Von Matthias Kiess<br />

J<br />

ean-Marie Dru, damals Chairman von<br />

TBWA\Worldwide, postulierte 1992 erstmalig<br />

das Potenzial von Creative Disruption<br />

im Marketing. Dabei bezog er sich<br />

auf einen radikalen Wandel in einem<br />

Markt, der durch das Umstürzen bestehender<br />

Konventionen herbeigeführt wird. Er führte das<br />

Konzept der Disruption als Marketinginstrument<br />

ein, indem er eine ganzseitige Anzeige mit der<br />

Überschrift «Disruption» im «Wall Street Journal»,<br />

in der «Frankfurter Allgemeinen»<br />

und in «Le Figaro» gleichzeitig<br />

veröffentlichte. Diese erklärte die<br />

disruptive Methodik von BDDP<br />

(heute TBWA\). Jean-Marie Dru<br />

war der Erste, der das Wort in der<br />

Geschäftswelt verwendete und<br />

den Begriff schon bald schützen<br />

liess. Es war das erste Mal, dass<br />

Disruption eine positive Bedeutung<br />

bekam. Seitdem wurde das<br />

Wort nach und nach von der Geschäftswelt übernommen<br />

und in unzähligen Presseartikeln, in<br />

Publikationen wie «Forbes», «Fast Company» und<br />

«AdAge» erwähnt.<br />

Doch wie verstehen wir Disruption? Schauen<br />

wir auf Innovationen, die unsere Welt veränderten.<br />

Im Frühling 1973 führte Motorola-Ingenieur Martin<br />

Cooper auf offener Strasse erstmals ein Mobiltelefon<br />

vor: Das Gerät war klobig und 25 Zenti-<br />

«Unkonventionelles<br />

Denken<br />

birgt nicht nur<br />

Risiken, sondern<br />

auch viele<br />

Chancen.»<br />

meter lang – aber dennoch eine Sensation. Am<br />

6. August 1991 ging die erste Webseite des britischen<br />

Informatikers Berners-Lee live, und am<br />

9. Januar 2007 wurde das erste iPhone von Steve<br />

Jobs präsentiert. Seither jagen sich die technischen<br />

Errungenschaften in hoher Taktfrequenz,<br />

Normen werden durchbrochen, neue Märkte<br />

geschaffen und neuartige Werte generiert. Schon<br />

bald folgen Bitcoins, Blockchain, NFTs und Metaverse.<br />

Aktuell bewegt uns die künstliche Intelligenz<br />

– was wohl als Nächstes kommt? Die Gesellschaft<br />

wird durchgeschüttelt und kommt kaum<br />

aus dem Wirbelsturm der laufenden<br />

Veränderung heraus.<br />

Diese Veränderung, gerne<br />

auch Disruption genannt, wird oft<br />

als der Prozess beschrieben, bei<br />

dem bestehende Geschäftsmodelle,<br />

Produkte oder Dienstleistungen<br />

durch innovative Technologien,<br />

Ansätze oder Ideen<br />

grundlegend verändert oder<br />

verdrängt werden. Dies kann<br />

dazu führen, dass etablierte Unternehmen und<br />

Märkte von neuen Akteuren oder Innovationen<br />

herausgefordert werden, was zu tiefgreifenden<br />

Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft<br />

führen kann. Disruption kann sowohl positive als<br />

auch negative Auswirkungen haben, da sie Chancen<br />

für Wachstum und Fortschritt bieten, aber<br />

auch bestehende Strukturen und Arbeitsplätze<br />

gefährden können.<br />

Bild: unsplash.com / Ezekiel Elin<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


91<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


92<br />

«Setzen wir heute wirklich noch<br />

die richtigen Prioritäten? Könnte Disruption, anstatt<br />

zur ständigen Verschnellerung, nicht auch zur<br />

Verlangsamung eingesetzt werden? Gar zur Disruption<br />

des laufenden Wachstums?»<br />

Der Begriff «Disruption» leitet sich von<br />

dem englischen Wort «disrupt» (also<br />

«zerstören», «unterbrechen») ab. Es ist<br />

lateinischen Ursprungs (der Begriff der<br />

Disruption hat seinen Ursprung im lateinischen<br />

Wort «disruptio») und ein Wort,<br />

das die Franzosen in die englische Sprache<br />

einführten und das später doch wieder<br />

aus dem Französischen verschwand.<br />

Es bedeutet «Bruch» oder vielmehr den<br />

Akt des «Erzeugens eines Bruchs» bis<br />

hin zum Zerschlagen oder Zerstören.<br />

Gerne geht mit Disruption eine Konnotation<br />

des Negativen einher, was aber<br />

nicht zwingend so sein muss.<br />

Disruption schafft Platz für Neues<br />

Bei TBWA\ definieren wir Disruption als<br />

Bruch mit dem Status quo (i.e. Regelbruch)<br />

verbunden mit der Suche nach<br />

unerwarteten Lösungen. Dabei sprechen<br />

wir nicht von einem allmählichen Wandel<br />

oder einer marginalen Entwicklung. Wir<br />

glauben, dass der beste Weg, Marken<br />

beim Wachstum zu helfen, meist in Strategien<br />

liegt, die einen Bruch erfordern.<br />

Gerne erlaube ich mir in diesem Kontext<br />

einen Ausflug in die Evolutionsbiologie.<br />

Denn Disruption ist auch eine Form der<br />

Selektion (frei nach Wikipedia): Bei der<br />

disruptiven (aufspaltenden) Selektion<br />

werden die am häufigsten vorkommenden<br />

Formen zurückgedrängt, zum Beispiel<br />

aufgrund von Parasiten, Fressfeinden<br />

oder ansteckenden Krankheiten.<br />

Individuen mit seltenen Merkmalen haben<br />

dann einen Vorteil – so zum Beispiel<br />

die besonders kleinen oder die besonders<br />

grossen Individuen. Diese Individuen<br />

können durch ihre spezifischen<br />

Merkmale sog. ökologische Nischen<br />

besetzen, was ihnen einen evolutionären<br />

Vorteil bringen kann. Sie sind selektionsbegünstigt.<br />

Der Selektionsdruck sorgt<br />

für eine geringere Häufigkeit der Tiere<br />

mit «durchschnittlichen» Merkmalen; diejenigen<br />

mit den extremen Phänotypen<br />

sind selektionsbegünstigt.<br />

Das Thema Selektion ist auch im Kontext<br />

der Kommunikationsbranche essenziell.<br />

Beginnend bei einer immer selektiveren<br />

Wahrnehmung, induziert von über<br />

3000 Werbebotschaften pro Person und<br />

Tag. Und daraus abgeleitet folgt schliesslich<br />

auch die Selektion bzw. die Wahl<br />

einer Marke, eines Services oder eines<br />

Produkts durch die Konsument:innen.<br />

Unkonventionelles Denken als Chance<br />

Also, Disruption steht hier klar als Chance<br />

für das Überleben und die Weiterentwicklung.<br />

Die Natur sollte für uns Vorbild<br />

sein, wenn es darum geht, sich selber zu<br />

hinterfragen. Der Fortschritt ist nur durch<br />

die fortwährende Optimierung oder die<br />

unbeständige Suche nach dem gezielten<br />

Konventionenbruch möglich. So entsteht<br />

Neues, welches wieder Neues zulässt – so<br />

wie in den obigen Beispielen im Bereich<br />

der Technologie geschildert. Es ist also<br />

nicht nur eine Frage des Überlebens,<br />

dem Muster des Bruchs zu folgen und<br />

sich immer wieder zu motivieren, gegen<br />

vermeintliche Widerstände anzutreten,<br />

Matthias Kiess<br />

Der Autor dieses<br />

Texts, Matthias Kiess,<br />

ist CEO von TBWA\<br />

Switzerland und<br />

Präsident der<br />

International Advertising<br />

Association<br />

(IAA).<br />

sondern es erschliessen sich daraus<br />

Potenziale, die es zu entdecken gilt.<br />

So ist es auch in der Unternehmenswelt.<br />

Dies haben verschiedene Führungskräfte<br />

bewiesen, die zum Teil noch aus<br />

der alten Business-Welt stammen, aber<br />

auch Teil der neuen Geschäftswelt geworden<br />

sind. Sie alle haben Spuren hinterlassen,<br />

die über ihre eigene Branche<br />

hinausgehen, und wirklich disruptive<br />

Geschäftsphilosophien entwickelt. So<br />

haben Unternehmensleiter wie Steve<br />

Jobs, Jeff Bezos, Herb Kelleher, Bernard<br />

Arnault, Zhang Rimin, Elon Musk oder<br />

Jack Ma gezeigt, dass unkonventionelles<br />

Denken nicht nur Risiken, sondern auch<br />

viele Chancen birgt. Sie alle haben sich<br />

geweigert, sich starren Denk- und Handlungsweisen<br />

anzupassen. Sie haben sich<br />

als Freigeister erwiesen, die sich nicht<br />

durch konventionelle Muster einschränken<br />

lassen und keinerlei Hindernisse auf<br />

dem Weg zu ihren Zielen dulden. Sie alle<br />

verfüg(t)en über die wesentlichen Qualitäten<br />

grosser Führungskräfte: eine klare<br />

Vision, technische Kompetenz und die<br />

Fähigkeit, schnelle Entscheidungen zu<br />

treffen. Und damit Erfolg zu haben.<br />

#ChangeTheBrief-Allianz<br />

Wir sind alle gefordert, uns zu öffnen,<br />

Neues zuzulassen bzw. es gar einzufordern.<br />

In England wurde beispielsweise<br />

eine Allianz gegründet, die es sich zum<br />

Ziel gemacht hat, die Marketingdenke<br />

in neue Bahnen zu lenken. Die #Change<br />

TheBrief-Allianz ist eine Partnerschaft<br />

zwischen Agenturen unterschiedlicher<br />

Grösse und Art (Media-, Kreativ-, Designund<br />

PR-Agenturen) und ihren Kunden,<br />

die gemeinsam lernen und agieren, um<br />

die Herausforderung der Klimakrise direkt<br />

anzugehen, indem sie Nachhaltigkeit<br />

über alle ihnen zur Verfügung stehenden<br />

Mittel und Kanäle fördern. Die Allianz<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


93<br />

Bild: unsplash.com / Ussama Azam<br />

bietet allen ihren Mitgliedern ein On-Demand-<br />

und ein persönliches Lernprogramm<br />

und eine Community an, die<br />

Einblicke und fachliche Beratung zur<br />

Verfügung stellt, wie wir unser Tun anpassen<br />

können, um nachhaltigere Entscheidungen<br />

und Verhaltensweisen im<br />

Einklang mit einer CO2-reduzierten Welt<br />

zu fördern. Sogenannte Purpose Disruptors<br />

haben dazu beigetragen, aus einer<br />

Einzelinitiative der Agentur Mindshare<br />

eine Bewegung zu machen, welche die<br />

gesamte kollektive Kraft der Branche<br />

vereint, um mehr zu erreichen.<br />

Man mag über so einen Ansatz denken,<br />

was man will, doch zeigt er auf, dass<br />

wir nicht nur aufgrund eines Selbsterhaltungstriebs,<br />

sondern auch aus purer<br />

Überzeugung unsere Haltungen und<br />

Einsichten immer wieder hinterfragen<br />

sollten, ob wir das Richtige tun und das<br />

Beste damit erreichen.<br />

Setzen wir die richtigen Prioritäten?<br />

Unser ganzes Wirtschaftssystem und<br />

auch wir selber sind darauf ausgerichtet,<br />

zu wachsen. Alles, was wir tun, wird weitgehend<br />

dem Fortbestand unseres Wohlstands<br />

und Wohlergehens unterworfen.<br />

«Die Triebkraft<br />

der Veränderung<br />

hält uns in<br />

ihrem Sog, warum<br />

sollten wir also<br />

nicht versuchen,<br />

diese selber zu<br />

steuern?»<br />

Wir treiben uns ständig an, weiterzukommen.<br />

Technischer Fortschritt, medizinischer<br />

Fortschritt etc., etc. Doch stellt sich<br />

die Frage, ob es uns wirklich besser geht?<br />

So reiht sich Katastrophe an Katastrophe,<br />

ohne dass wir es verhindern können.<br />

Setzen wir heute wirklich noch die richtigen<br />

Prioritäten? Könnte Disruption,<br />

anstatt zur ständigen Verschnellerung,<br />

nicht auch zur Verlangsamung eingesetzt<br />

werden? Gar zur Disruption des laufenden<br />

Wachstums?<br />

Wie wir obenstehend bereits gelernt<br />

haben, basiert die disruptive Selektion<br />

auf der Tatsache, dass das Überleben<br />

einer Spezies («survival of the fittest»)<br />

in der Veränderung beziehungsweise<br />

Andersartigkeit zu suchen ist. Wie wäre<br />

es, wenn wir diese Denke nutzen würden,<br />

um unsere Energie zukünftig dafür einzusetzen,<br />

Prioritäten neu zu setzen und,<br />

anstatt nach optimiertem Wachstum zu<br />

streben, danach streben würden, mehr<br />

für eine nachhaltige strukturelle Entwicklung<br />

zu tun? Die Triebkraft der Veränderung<br />

hält uns in ihrem Sog, warum sollten<br />

wir also nicht versuchen, diese selber<br />

zu steuern? Denn wir haben die Wahl:<br />

«Disrupt or die.»<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


94<br />

FRAGESTUNDE<br />

Keine Angst<br />

vor Tacheles<br />

Die designierte LSA-Geschäftsführerin Audrey Arnold möchte ihre Persönlichkeit<br />

in den Verband einbringen, ihn mitprägen. Wir wollten mit schnellen Fragen<br />

(und schnellen Antworten!) wissen, was das bedeuten könnte.<br />

Von Beat Hürlimann<br />

Illustration Silvan Borer<br />

Bald übernehmen Sie die Position<br />

der Geschäftsführerin beim LSA. Darf<br />

ich Ihnen einige Fragen stellen, die<br />

dazu beitragen, den Vorhang zur<br />

Persönlichkeit von Audrey Arnold ein<br />

Stück weit zu lüften?<br />

Gerne, ich bin gespannt, was Sie über<br />

mich wissen möchten.<br />

Ihr Blick aus dem Fenster?<br />

Ziemlich trüb und regnerisch.<br />

Ich hoffe natürlich nicht, dass dies<br />

meinen Einstieg als Geschäfts -<br />

führerin beim LSA widerspiegelt<br />

und mich stürmische Zeiten erwarten.<br />

Ihr Vorbild?<br />

Ich strebe niemandem nach. Im Leben<br />

begegnet man so vielen interessanten<br />

und spannenden Menschen, die einen<br />

inspirieren können.<br />

Ihr grösster Traum?<br />

Ich würde mir wünschen, dass die<br />

Menschen endlich verstehen, dass das<br />

Konzept «Krieg» nicht funktioniert, und<br />

den Dialog miteinander suchen.<br />

Persönlich würde ich gerne ins Weltall<br />

reisen. Von da oben muss die Erde<br />

fantastisch aussehen.<br />

Ihr Lieblingsmenü?<br />

Selbstgemachtes Ossobucco, zwei bis<br />

drei Stunden im Ofen geschmort, und<br />

dazu ein guter Rotwein. Fantastisch.<br />

Ihr Antrieb?<br />

Eine Aufgabe, die mich erfüllt und<br />

Sinn ergibt. Und das gemeinsam mit<br />

Menschen, mit denen ich gerne Zeit<br />

verbringe.<br />

Ihr grösstes Talent?<br />

Egal, was rundherum passiert, mein<br />

Lachen vergeht mir nie.<br />

Ihre grösste Macke?<br />

Da müssten Sie meinen Partner fragen.<br />

Er sagt, im Haushalt bin ich zuweilen<br />

fast schon nervig pingelig.<br />

«Der LSA<br />

ist für mich einer<br />

der besten Branchenverbände,<br />

welchen es in der<br />

Schweizer Landschaft<br />

gibt.»<br />

Ihr Repertoire im Umgang mit<br />

Widerstand?<br />

Warum kommt es zu Widerstand?<br />

Hierbei gilt es, gut zuzuhören und zu<br />

versuchen, den Grund dafür zu verstehen.<br />

Also die Ursache erforschen und<br />

den Dialog suchen.<br />

Ihr Rezept, erfolgreich<br />

zu vermitteln?<br />

Zuhören, verstehen, Bedürfnisse<br />

und Herausforderungen der einzelnen<br />

Dialoggruppen kennen.<br />

Sie sprechen viele Sprachen.<br />

Eine davon ist Tacheles. Ihre Kostprobe?<br />

Ich scheue mich nicht, Dinge beim<br />

Namen zu nennen. Ob das in Zukunft<br />

notwendig sein wird, wird sich zeigen.<br />

Wie haben Sie in die Werbung<br />

gefunden?<br />

Die Welt der Werbung hat mich<br />

schon von jeher fasziniert. Vor über<br />

20 Jahren bot sich mir die Gelegenheit,<br />

das Marketing für eine Transportunternehmung<br />

im öffentlichen Verkehr<br />

mitaufzubauen. Von der Strategie<br />

bis zur Umsetzung – es war eine<br />

lehrreiche Zeit und hat meinen Einstieg<br />

in die Kommunikationsbranche<br />

bestärkt.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


95<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


96<br />

scher Krisen wie der Ukraine-Russland-<br />

Krieg oder Israel-Palästina, Energiemangel<br />

oder die Klimakrise und der<br />

Fachkräftemangel.<br />

Ihre erste Begegnung mit Werbung?<br />

Die Palmolive-Werbung mit Tante Tilly<br />

in den frühen 80ern hat mich nachhaltig<br />

beeinflusst. Ich benutze heute noch<br />

Palmolive.<br />

Ihre Lieblingswerbung?<br />

Werbung, die nicht primär gemacht ist<br />

für Awards, sondern zur Zielerreichung.<br />

Die vielfach preisgekrönte Mobiliar-<br />

Kampagne fand ich schon sehr gut.<br />

Ihr Love-Brand?<br />

Alle Brands, die den Mut haben, etwas<br />

Neues auszuprobieren, aus ihrer<br />

Komfortzone herauskommen und<br />

allenfalls auch anecken.<br />

Ihr Hate-Brand?<br />

Brands, die nur verwalten. Jedoch ist<br />

hassen ein zu starkes Wort.<br />

Ihr erster Gedanke, als der LSA an Sie<br />

herantrat?<br />

Es war ja eine öffentliche Ausschreibung<br />

mit diversen Runden. Als Beat<br />

Krebs, der Präsident des LSA, mich<br />

anrief, um mir zur neuen Stelle zu<br />

gratulieren, habe ich mich enorm<br />

gefreut, jedoch dachte ich auch:<br />

«Oops, auf was habe ich mich da<br />

eingelassen, jetzt wird es ernst.»<br />

Ihre Überzeugung, das Amt erfolgreich<br />

auszufüllen?<br />

Meine langjährigen Erfahrungen auf<br />

Kunden- wie Agenturseite. Die Fähig-<br />

Natürlich ist<br />

auch Audrey<br />

Arnold Leserin<br />

des Magazins<br />

m&k.<br />

keiten, Brücken zu bauen und Herausforderungen<br />

anzunehmen. Auch<br />

Verbandskommunikation ist für mich<br />

nichts Neues.<br />

Ihr Führungscredo?<br />

Ohne Vertrauen, offene und transparente<br />

Kommunikation und Wertschätzung<br />

geht nichts.<br />

Ihr Lob an den LSA, so wie er ist?<br />

Der LSA ist für mich einer der besten<br />

Branchenverbände, welchen es in der<br />

Schweizer Landschaft gibt. Er unterstützt<br />

und setzt sich für seine Mitglieder<br />

ein, er fordert und fördert sie mit<br />

breiten Weiterbildungsangeboten.<br />

Ihr Tadel an den LSA?<br />

Fragen Sie mich das in einem Jahr<br />

nochmals.<br />

Ihre grösste Sorge um den Agenturstandort<br />

Schweiz?<br />

Ich mache mir keine Sorgen um den<br />

Agenturstandort Schweiz. Bei den<br />

internationalen Auszeichnungen sind<br />

auch immer Schweizer Agenturen<br />

dabei. Wir können locker mit den<br />

ausländischen Agenturen mithalten.<br />

Ihre demnach grösste Herausforderung<br />

für die LSA-Mitglieder?<br />

Die LSA-Mitglieder kämpfen mit<br />

Herausforderungen, die auf die ganze<br />

Wirtschaft zu übertragen sind: eine<br />

unsichere Lage aufgrund weltpoliti-<br />

Welche Schwerpunkte sehen Sie für<br />

den LSA?<br />

Primär geht es um die stetige Weiterentwicklung<br />

des bereits sehr gut aufgestellten<br />

Verbands. In meiner Anfangszeit<br />

werde ich zusammen mit dem Vorstand<br />

die Verbandsstrategie neu ausrichten<br />

bzw. überarbeiten, die dringendsten<br />

Themen definieren und die Position des<br />

Verbands sowie unserer Mitglieder<br />

stärken. Ebenfalls möchte ich auf die<br />

Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen<br />

eingehen und versuchen,<br />

Brücken zu bauen.<br />

Wo sehen Sie den grössten Bedarf, die<br />

Position der Agenturen zu stärken?<br />

In Sachen Nachhaltigkeit haben wir<br />

grosse Aufgaben vor uns. Auch die<br />

sich ständig ändernden Datenschutzverordnungen<br />

müssen sorgfältig<br />

geprüft und umgesetzt werden. Und<br />

letztlich beschäftigt uns die rasante<br />

Entwicklung neuer Technologien, wie<br />

z.B. künstliche Intelligenz. Hier sehe ich<br />

aber ebenso viele Chancen für unsere<br />

Berufe. Wir leben diesbezüglich in<br />

spannenden Zeiten.<br />

Sehen Sie sich eher als Verwalterin<br />

eines Erbes oder als Erneuerin in einer<br />

Zeit der grossen Umwälzungen?<br />

Wohl ein bisschen von beidem. Ich<br />

übernehme eine hervorragend geführte<br />

Geschäftsstelle mit einem<br />

motivierten und gut eingespielten<br />

Team, einem breiten Weiterbildungsangebot<br />

für die LSA-Mitglieder, und<br />

doch gilt es nun, auch den Verband für<br />

die zukünftige Zeit zu stärken und<br />

weiter voranzutreiben.<br />

Abschliessende Worte von Audrey<br />

Arnold.<br />

Ich freue mich sehr auf die neue<br />

Herausforderung als Geschäftsführerin<br />

des LSA, mit meinem Team sowie dem<br />

Vorstand zu wirken, und bedanke mich<br />

bei m&k für das Interview.<br />

Bild: Beat Hürlimann<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


ICH MUSS ES NICHT WISSEN. ICH WILL.<br />

ALLES ÜBER ABSTIMMUNGEN. AUF WATSON.CH<br />

JETZT APP DOWNLOADEN<br />

Google Play ist eine Marke von Google LLC.<br />

Apple logo ® und App Store ® sind Marken von Apple Inc.


Die grösste<br />

Reichweite<br />

der Schweiz<br />

Rund 380 000 Auflage<br />

Über 1 Mio. Leser*innen<br />

Mit 29 Regionalausgaben<br />

Gemäss MACH Basic <strong>2023</strong>-2 ist Schweiz am Wochenende die meistgelesene Zeitung der Schweiz.<br />

Nationale Präsenz mit regionaler Stärke. Jetzt buchen! www.chmediawerbung.ch


99<br />

Medien<br />

ZIELVORGABE<br />

«Republik» will<br />

expandieren<br />

Beim Onlinemagazin<br />

Republik heisst das<br />

neue Credo «Nicht<br />

kleckern, sondern<br />

klotzen»: Das Team<br />

des Mediums will bis<br />

in fünf Jahren die<br />

Anzahl der Abonnements<br />

auf 100 000<br />

verdreifachen. Aktuell<br />

sei das Magazin zu<br />

stark auf Zürich<br />

fokussiert, sagt<br />

Verwaltungsratspräsident<br />

Michel Huissoud.<br />

Es gebe jedoch «auch<br />

noch andere Kantone»,<br />

und «neben<br />

der Schweiz könnte<br />

auch Süddeutschland<br />

ein Markt sein».<br />

RADIO- UND FERNSEHGEBÜHREN<br />

Bilder: unsplash.com, Planet Volumes / zVg. Republik.<br />

Die erste<br />

Freiheit der<br />

Presse sollte<br />

darin bestehen,<br />

kein<br />

Gewerbe zu<br />

sein.<br />

Karl Marx<br />

Philosoph<br />

Wird der Medienkonsum bald günstiger?<br />

D<br />

ie Gebühren, die Schweizer Haushalte und Unternehmen für den<br />

Empfang öffentlich-rechtlicher TV- und Radiosender entrichten<br />

müssen, sind weiterhin Gegenstand politischer Diskussionen.<br />

Neu will der Bundesrat die Volksinitiative «200 Franken sind<br />

genug!» (SRG-Initiative) kontern, die er zur Ablehnung empfiehlt. Mit einem<br />

«Ja» zu besagter Initiative würde der Abgabenanteil am Budget der SRG<br />

von heute 1,25 Milliarden auf rund 650 Millionen Franken sinken; die<br />

Erfüllung der SRG-Kernaufträge (etwa neutrale Berichterstattung und das<br />

Kontern von Populismus und Fake News) wären gefährdet. Deswegen<br />

schlägt der Bundesrat quasi präventiv vor, die Empfangsgebühren für<br />

Radio und Fernsehen pro Jahr und Haushalt ab 2029 von zurzeit 335 auf<br />

300 Franken zu senken. Auch sollen 60 000 Unternehmen von der Abgabe<br />

befreit werden. Die Vernehmlassung dazu dauert bis Anfang Februar 2024.<br />

«Tages-Anzeigerin»<br />

startet wieder<br />

Nach einer «kreativen Pause»<br />

startet der Tamedia-Podcast<br />

«Tages-Anzeigerin» mit<br />

einem neuen Host-Trio und<br />

einem neuen Konzept.<br />

Zudem soll der Podcast ab<br />

sofort auch öfter erscheinen.<br />

TOP<br />

FLOP<br />

Zuckerberg verhindert<br />

Jugendschutz<br />

Dokumente implizieren, dass<br />

Meta-Chef Zuckerberg nicht<br />

nur von einer Jugendgefährdung<br />

durch Instagram<br />

wusste, sondern Gegenmassnahmen<br />

aktiv verhindert<br />

hat. Folge: Anklage!<br />

DIE ZAHL<br />

150<br />

… Mitarbeitende wird<br />

das Medienunternehmen<br />

CH Media in den<br />

kommenden Monaten<br />

entlassen. Der Grund<br />

laut Geschäftsleitung:<br />

Fehlende Werbeeinnahmen<br />

im wichtigen<br />

Herbstquartal und die<br />

dringende Notwendigkeit,<br />

Kosten zu<br />

reduzieren.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


100<br />

GOLDBACH<br />

20 Jahre<br />

Crossmedia<br />

Award<br />

Im kommenden Jahr wird bereits zum 20. Mal der Goldbach<br />

Crossmedia Award verliehen. Was macht eine gute Crossmedia-<br />

Kampagne aus und was braucht es, um sich diese prestigeträchtige<br />

Auszeichnung schlussendlich zu holen? Wir schauen mit den<br />

wichtigsten Exponent:innen in die Vergangenheit und die Zukunft.<br />

Von Mark Baer<br />

Illustration: pexels.com<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


101<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


102<br />

S<br />

eit 20 Jahren glaubt die<br />

Werbevermarkterin aus<br />

Küsnacht an den Erfolg<br />

der crossmedialen<br />

Kommunikation und hat zu<br />

deren Förderung den Goldbach<br />

Crossmedia Award<br />

(CMA) ins Leben gerufen. Jahr<br />

für Jahr werden die herausragendsten<br />

crossmedialen<br />

Kampagnen ausgezeichnet.<br />

Von einer unabhängigen und<br />

hochkarätigen Jury wird dabei<br />

vor allem auf eine kreative Leitidee<br />

geachtet. Um am <strong>11</strong>. April<br />

2024 den goldenen Würfel<br />

zu erhalten, braucht es aber<br />

auch eine ausgeklügelte Strategie,<br />

wie eine Kampagne<br />

über verschiedene Medien<br />

eingesetzt wird. Geachtet wird<br />

zudem auf Innovation, beispielsweise<br />

durch Nutzung neuer Medien, Formen<br />

und Technologien. Die Chance auf den<br />

Gewinn hat nur, wer eine Kampagne mit<br />

einer besonderen gestalterischen Umsetzung<br />

und einer medien- und zielgruppengerechten<br />

Inszenierung und Markensprache<br />

vorweisen kann. «Es braucht eine<br />

Botschaft, eine einheitliche Bildwelt und<br />

mehrere Kanäle», sagt CMA-<br />

Jurymitglied Christina Jaldón.<br />

Im Vergleich zu früher<br />

müsse man heutzutage viel<br />

näher an den Interessenten<br />

sein. So müsse man diese<br />

über die gesamte Customer<br />

Journey begleiten: am richtigen<br />

Ort zum richtigen Zeitpunkt<br />

und über den richtigen<br />

Kanal. Auch sei es wichtig,<br />

das zu vermitteln, was relevant<br />

sei. «Und eine einheitliche<br />

Story erzählen, sodass am Schluss<br />

die Interessenten oder Konsumenten<br />

nachhaltig ein tolles Markenerlebnis haben<br />

und natürlich auch ein Abschluss<br />

generiert werden kann», sagt Jaldón, die<br />

bei Opel als Head of Marketing amtet.<br />

Der CMA unterscheidet sich laut Matthew<br />

Katumba von anderen Auszeichnungen.<br />

«Der Goldbach Crossmedia<br />

«Der Goldbach<br />

Crossmedia Award<br />

ist der Award,<br />

der nicht nur die<br />

Kreativität beurteilt,<br />

sondern<br />

auch die Messbarkeit.»<br />

TIPPS &TRICKS<br />

Damit bei der Einreichung<br />

alles klappt<br />

1<br />

Gute Vorbereitung<br />

Involvierung aller<br />

relevanten Personen,<br />

wie Kunde bzw.<br />

Mediaagentur.<br />

2<br />

Beachtung<br />

aller Einreichungskriterien<br />

Alle fünf Jury-Punkte<br />

müssen erfüllt sein.<br />

3<br />

Hohe Verständlichkeit<br />

Auch bei ganz komplexen<br />

Ideen sollte die<br />

Kampagne von der<br />

Jury sofort verstanden<br />

werden.<br />

4<br />

Auf das Wesentliche<br />

konzentrieren<br />

Auch bei umfangreichen<br />

Kampagnen darf<br />

man sich nicht in den<br />

Details verlieren.<br />

5<br />

Saubere visuelle<br />

Auf bereitung<br />

Wer zu allen Fragen<br />

zusätzliche Visualisierungen<br />

hochlädt,<br />

punktet bei der<br />

Darstellung.<br />

6<br />

Am Schluss der<br />

Oma-Test<br />

Es lohnt sich, die<br />

Einreichung einem<br />

Laien zu geben, um die<br />

Verständlichkeit zu<br />

prüfen.<br />

Illustration: pexels.com<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


103<br />

NACHGEFRAGT<br />

Michi Frank: «Viele glückliche, lachende und teilweise auch<br />

überraschte Gesichter bei der Würfelübergabe.»<br />

M&K Wie unterscheidet sich der Goldbach<br />

Crossmedia Award heute von der<br />

ersten Auszeichnung vor 20 Jahren?<br />

MICHI FRANK Der Award war deutlich<br />

einfacher gehalten. Aufgrund der<br />

Feedbacks der Teilnehmenden und<br />

der Jurymitglieder haben wir ihn<br />

jedoch konstant weiterentwickelt und<br />

dabei auch den Wandel der Werbeund<br />

Medienbranche berücksichtigt.<br />

Da wir stetig am Ball geblieben sind,<br />

konnte der Goldbach Crossmedia<br />

Award auch Relevanz und Bekanntheit<br />

im Markt gewinnen.<br />

Welche Kampagnen sind Ihnen<br />

persönlich in Erinnerung geblieben?<br />

Es wurden so viele herausragende<br />

Kampagnen eingereicht, dass ich<br />

keine Entscheidung treffen kann. Ich<br />

bin jedes Jahr wieder aufs Neue<br />

beeindruckt und freue mich wahnsinnig,<br />

dass wir mit dem Goldbach<br />

Crossmedia Award die besten Umsetzungen<br />

der crossmedialen Kommunikation<br />

würdigen können.<br />

Wie oft werden Sie darauf angesprochen,<br />

dass heute ja eh schon alles<br />

crossmedial ist und es Ihren Award<br />

deshalb gar nicht mehr braucht?<br />

Natürlich haben sich die crossmedialen<br />

Kampagnen über die Jahre stark<br />

verändert. Mit der rasanten Entwicklung<br />

digitaler Technologien sind<br />

Kanäle dazugekommen, welche aus<br />

einem Media-Mix nicht mehr wegzudenken<br />

sind. Moderne crossmediale<br />

Kampagnen beinhalten heutzutage<br />

personalisierte Inhalte, sind interaktiv<br />

und ermutigen die Zielgruppe zur<br />

Teilnahme. Darüber hinaus muss die<br />

Markenansprache authentisch rüberkommen,<br />

was eine grosse Herausforderung<br />

für die Werbeschaffenden<br />

darstellt,<br />

um die gesetzten Ziele<br />

effektiv und erfolgreich<br />

zu realisieren. Dieser<br />

Umstand zeigt, dass<br />

die kluge Vernetzung<br />

verschiedener Medien<br />

heute wichtiger denn<br />

je ist, um die richtige<br />

Zielgruppe zum<br />

richtigen Zeitpunkt<br />

und am richtigen Ort<br />

zu erreichen.<br />

Die wichtigsten Gründe für die<br />

Durchführung des Crossmedia<br />

Award?<br />

«Mit dieser<br />

Auszeichnung<br />

möchten wir<br />

die besten crossmedialen<br />

Kampagnen<br />

der<br />

Schweiz würdigen.»<br />

Mit dieser Auszeichnung möchten<br />

wir die besten crossmedialen Kampagnen<br />

der Schweiz würdigen.<br />

Mit unserem Award können wir die<br />

Innovation und Kreativität fördern<br />

und dazu beitragen, die Werbebranche<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Was gab es in den letzten 20 Jahren<br />

für Reaktionen der Gewinnerinnen<br />

und Gewinner?<br />

Da kommen mir spontan die vielen<br />

glücklichen, lachenden und teilweise<br />

auch überraschten<br />

Gesichter bei der<br />

Würfelübergabe in den<br />

Sinn. Die Freude der<br />

Sieger:innen mit ihren<br />

Teams ist einzigartig.<br />

Was ist für Sie<br />

eine gute Crossmedia-<br />

Kampagne?<br />

Für mich muss vor<br />

allem die Idee in sich<br />

stimmig, kreativ und auf<br />

den entsprechenden Medienkanal,<br />

wie TV, Audio, Print, OOH, Online<br />

oder Social Media, abgestimmt sein.<br />

Wenn mich die Botschaft gezielt<br />

anspricht, kann ich eine tiefere<br />

Bindung zur Marke entwickeln. Die<br />

Gewinnerkampagnen aus den letzten<br />

Jahren sind tolle Beispiele, dass die<br />

crossmediale Kommunikation funktioniert.<br />

Was geht kampagnenmässig<br />

heute gar nicht mehr?<br />

Eine Kampagne, die versucht, die<br />

Idee generisch über alle Kanäle<br />

umzusetzen. Heutzutage müssen<br />

die Botschaften an die spezifischen<br />

Bedürfnisse und Vorlieben der<br />

Zielgruppen angepasst werden.<br />

Bild: Goldbach<br />

Michi Frank, CEO der Goldbach Group AG.<br />

Wird es den Goldbach Crossmedia<br />

Award auch 2044 noch geben?<br />

(Lacht) Das hoffe ich doch.<br />

Und dann mit Ihnen als Jurypräsident?<br />

Wieso nicht? Wir werden sehen.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


CALL FOR<br />

E N T R I E S<br />

Bereits seit 20 Jahren fördert der Goldbach Crossmedia<br />

Award die crossmediale Kommunikation in der Schweizer<br />

Medien- und Werbebranche.<br />

Machen Sie mit und werden Sie Teil davon: Wir suchen<br />

Kampagnen, die durch kreative Ideen überzeugen und<br />

über verschiedene Medienkanäle hinweg eine einzigartige<br />

Wirkung erzielen.<br />

Reichen Sie Ihre Kampagne bis zum 1. Februar 2024 ein!<br />

Weitere Infos:


105<br />

Award ist der Award, welcher nicht nur<br />

die Kreativität wirklich beurteilt, sondern<br />

auch die Messbarkeit.» Das mache die<br />

Auszeichnung aus und sei das, was es<br />

schlussendlich auch für die Kunden<br />

spannend mache. «Darum,<br />

glaube ich, ist es auf<br />

der einen Seite für die<br />

Kreativen, aber auf der<br />

anderen Seite auch für<br />

die Kunden und die Mediaagenturen<br />

ein Award,<br />

welcher absolut spannend<br />

und einmalig ist.»<br />

Jurymitglied Lara Jelinski<br />

weist noch auf einen weiteren<br />

Faktor hin: «Man<br />

kann seine eigene Kampagne<br />

nicht nur von einer<br />

oder vielleicht zwei<br />

Agenturen bewerten lassen, sondern<br />

von einer ganz grossen Jury, die aus<br />

verschiedenen Fachbereichen zusammenkommt.»<br />

Das gebe dem Ganzen<br />

natürlich noch mal eine ganz andere<br />

Qualität, sagt die CEO von dentsu Media<br />

Switzerland.<br />

Wer häts erfunde?<br />

«Als Vermarktungsorganisation<br />

muss<br />

man immer die<br />

beste Leistung<br />

bringen und<br />

gleichzeitig auch<br />

die Branche<br />

fördern.»<br />

Als Klaus Kappeler, der Mitgründer von<br />

Goldbach, in der Ausbildung war, hiess<br />

die Zauberformel «Multimedia». «Wenn<br />

man vor mehr als 40 Jahren nicht nur<br />

ein Inserat in der Zeitung schaltete, sondern<br />

auch gleichzeitig mit Plakaten warb,<br />

war man bereits multimedial unterwegs»,<br />

lacht der heute 70-Jährige. Dann als es<br />

mit Radio, Fernsehen und später auch<br />

mit dem Internet weiterging, war «Crossmedia»<br />

plötzlich in aller Munde und für<br />

die Branche so etwas wie ein Heilsbringer.<br />

«Wenn alle davon sprechen, muss<br />

man etwas machen», sagte sich Kappeler<br />

damals und lancierte mit seinem Team<br />

im Jahr 2005 die erste Ausgabe des<br />

Goldbach Crossmedia Award. «Als Vermarktungsorganisation<br />

muss man immer<br />

die beste Leistung bringen und gleichzeitig<br />

auch die Branche fördern», war<br />

KKs (wie Klaus Kappeler alle nannten)<br />

Strategie. Bereits in den 90er-Jahren<br />

gründete er auch den Radio Day und<br />

die screen-up. «Als Organisator der<br />

Branchenanlässe rund um die neuen<br />

Medien, wie sie seinerzeit genannt wurden,<br />

wollten wir Know-how-Transfer erzielen<br />

und Goldbach als Leader positionieren.»<br />

Die grösste Herausforderung<br />

sei die Bildung einer neutralen und<br />

professionellen Jury gewesen. Um<br />

entsprechende Glaubwürdigkeit<br />

zu erlangen,<br />

musste die ganze Branche<br />

in der Jury vertreten<br />

sein.<br />

Es wurde absolute Perfektion<br />

angestrebt. Und<br />

der erste CMA im Hürlimann-Areal<br />

ging vollkommen<br />

reibungslos<br />

über die Bühne. «Die<br />

fachliche Kompetenz ist<br />

das Wichtigste», sagt der<br />

frühere CEO und Delegierte<br />

des Verwaltungsrats<br />

von Goldbach. Und eine grosse Party<br />

durfte nicht fehlen, weil die Werbebranche<br />

solche Events damals wie heute<br />

liebe, erklärt Klaus Kappeler gegenüber<br />

Anmeldungen bis<br />

Februar 2024<br />

Sein Projekt für den Goldbach<br />

Crossmedia Award<br />

2024 reicht man online ein.<br />

Alle Details für eine Teilnahme<br />

gibt’s auf www.<br />

crossmediaaward.ch.<br />

Einreichungen werden noch<br />

bis zum 1. Februar 2024<br />

berücksichtigt. Seit 2018<br />

wird der CMA an der Award<br />

Night von «Best of Swiss<br />

Web» verliehen. Die grosse<br />

Gala-Nacht findet im<br />

kommenden Jahr am<br />

<strong>11</strong>. April in The Hall in<br />

Dübendorf statt. Die<br />

Teilnahmegebühr für den<br />

Goldbach Crossmedia<br />

Award beträgt 975.– Franken,<br />

darin enthalten sind<br />

auch zwei Tickets für die<br />

«Best of Swiss Web» Award<br />

Night im Wert von je<br />

290.– Franken.<br />

m&k. Von KK und seinem damaligen<br />

CMO Paul Riesen wurde Marco Taborelli<br />

bereits 2009 als Jurypräsident an Bord<br />

geholt. Der heute 62-Jährige war damals<br />

auf der Auftraggeberseite beschäftigt<br />

und hatte dort wichtige Brands selbst<br />

aufgebaut und betreut. Taborellis Hauptaufgabe<br />

als Präsident ist vor allem die<br />

Durchführung und Moderation der<br />

Jurierung. Daneben hat er mit Vertreter:innen<br />

der Goldbach Group über die<br />

vergangenen 15 Jahre den Bewerbungsprozess<br />

und die Bewertungskriterien<br />

stetig weiterentwickelt und über die Zusammensetzung<br />

der Jury entschieden.<br />

An der Award Night überreicht der Jurypräsident<br />

zusammen mit Goldbach-CEO<br />

Michi Frank den Gewinner:innen jeweils<br />

die Preise. Vor 20 Jahren habe man den<br />

Leuten noch erklären müssen, was crossmediales<br />

Denken und Entwickeln bedeutet.<br />

«Heute ist das eine Selbstverständlichkeit»,<br />

schmunzelt er. Die meisten<br />

Kampagnen sind aktuell crossmedial<br />

aufgezogen. «Es ist daher umso spannender<br />

und auch herausfordernder, zusammen<br />

zu beurteilen, welche Elemente<br />

dazu führen, dass eine Kampagne erfolgreicher,<br />

innovativer und letztendlich auch<br />

effizienter ist als eine andere», erklärt der<br />

Multi-Verwaltungsrat, der vor 17 Jahren<br />

seine eigene Coaching-Firma gegründet<br />

hat und als Verwaltungsratspräsident<br />

heute auch auf Agenturseite tätig ist.<br />

Jurierung als Austauschplattform<br />

Braucht es einen solche Auszeichnung<br />

überhaupt, wenn heute eh alles crossmedial<br />

aufgezogen wird? «Weil Werbung<br />

keine Wissenschaft ist, ist es<br />

wichtig, dass wir uns regelmässig zu<br />

erfolgreicher Werbung austauschen.»<br />

Die gemeinsamen Stunden, in denen<br />

sich die Jury austausche und zu einem<br />

Gesamturteil komme, seien immer ein<br />

Gewinn für die einzelnen Jurymitglieder.<br />

Zudem begründe das Konsortium an<br />

der Award Night dem Publikum jeweils<br />

seine Entscheidungen. Das heisst, dass<br />

auch dort jeweils eine Art Austausch<br />

stattfinde. «Bei der Zusammensetzung<br />

der Jury achten wir mit unserem Jurypräsidenten<br />

Marco Taborelli auf einen<br />

guten Mix zwischen Media- und Kreativagenturen»,<br />

sagt Simone Schulz, die bei<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


106<br />

Goldbach den Bereich Brand & Content<br />

Marketing leitet. «Aber auch die Werbeauftraggeber<br />

dürfen nicht fehlen.» Wichtig<br />

für die Auszeichnung sei ausserdem<br />

ein ausgewogener Anteil an Frauen und<br />

Männern.<br />

Die Hauptkriterien, auf welche die<br />

CMA-Jury bei den Einreichungen besonders<br />

genau achtet, sind der crossmediale<br />

Einsatz, Innovation, Kreation, die<br />

bisherigen Erfolgsausweise der Kampagne<br />

und der Gesamteindruck. Die wichtigsten<br />

Punkte sind laut dem Zürcher, der<br />

bei Wollerau lebt, über die Jahre gleich<br />

geblieben. Jedes dieser fünf Kriterien<br />

hat jedoch eine unterschiedliche Gewichtung:<br />

Beispielsweise zählt die crossmediale<br />

Vernetzung doppelt so viel wie<br />

die Innovation oder die Kreation. Die<br />

Gewichtungen hätten sich über die Jahre<br />

allerdings verschoben. So sei zum Beispiel<br />

die Gewichtung für die Erfolgsausweise<br />

in den letzten Jahren immer<br />

grösser geworden. So müssen heute<br />

Angaben zu Strategie, Zielsetzungen,<br />

Vernetzung, Mitteleinsatz und erzielten<br />

bzw. gemessenen Resultaten aufgezeigt<br />

werden. Was ist für Marco Taborelli persönlich<br />

eine gute Crossmedia-Kampagne?<br />

«Bei einer erfolgreichen crossmedialen<br />

Kampagne sind die einzelnen<br />

Medien nicht nur intelligent miteinander<br />

verknüpft, sondern profitieren wechselseitig<br />

voneinander.»<br />

Keine Angebote von der Stange<br />

Philipp Skrabal hat an den Goldbach<br />

Crossmedia Award in den vergangenen<br />

Jahren neben diversen Silber- und<br />

Bronze-Auszeichnungen auch viermal<br />

Gold geholt (20<strong>12</strong>: IKEA/Wirz, 2014:<br />

Mobiliar/Wirz, 2018 TCS/Farner, 2021:<br />

Autoschweiz/Farner). «Das schaffst du<br />

nicht alleine», sagt der heutige Chief<br />

Creative Officer bei Farner. Da müsse<br />

«Die Hauptkriterien, auf die die CMA-Jury<br />

achtet, sind der crossmediale Einsatz, Innovation,<br />

Kreation, die bisherigen Erfolgsausweise der<br />

Kampagne und der Gesamteindruck.»<br />

«Bei der Zusammensetzung der Jury<br />

achten wir mit unserem Jurypräsidenten<br />

Marco Taborelli auf einen guten Mix<br />

zwischen Media- und Kreativagen turen.»<br />

schon alles stimmen. Kunde, Briefing,<br />

Idee, Team, Ambition, dies sei alles entscheidend.<br />

«Für einen brillanten crossmedialen<br />

Case brauchst du Topspezialistinnen<br />

und -spezialisten, die sich alle<br />

der einen tragenden Idee verschreiben<br />

und sie in ihren Verästelungen zum Leben<br />

erwecken.» Für den CMA gibt es<br />

heute keine Preissumme mehr, der<br />

grösste Nutzeffekt für den heutigen<br />

Farner-Partner war bei all seinen Siegen<br />

jeweils der Stolz seiner Kundinnen und<br />

Kunden auf den Award. «Das ist für mich<br />

der grösste Benefit, denn die Auszeichnung<br />

schafft Vertrauen und die Basis für<br />

den nächsten gemeinsamen Coup.»<br />

Heute sitzt Philipp Skrabal selber in der<br />

CMA-Jury. Ein Rezept, wie man sich einen<br />

Goldbach Crossmedia Award angelt, hat<br />

der 51-Jährige nicht, aber einen Tipp:<br />

«Arbeitet mit Leuten, die eure Kampagnenidee<br />

verstehen und euch nicht einfach<br />

0815-Angebote von der Stange<br />

liefern.»<br />

Zugelassen werden alle in der Schweiz<br />

konzipierten und entwickelten Kampagnen.<br />

Bei den internationalen Projekten<br />

müssen Ergebnisse ausgewiesen werden,<br />

welche sich auf den Schweizer Markt<br />

beziehen. Laut der Award-Projektleiterin<br />

Monika Heiniger gibt es immer mehr<br />

internationale Kampagnen, welche in<br />

verschiedenen Ländern einfach adaptiert<br />

werden. «Die Mehrheit der Projekte wird<br />

allerdings nur für die Schweiz konzipiert<br />

und umgesetzt, weil dadurch besser auf<br />

die Gegebenheiten des Marktes bzw.<br />

die Zielgruppe eingegangen werden<br />

kann», erklärt die 34-Jährige gegenüber<br />

m&k. Von Heiniger wollen wir wissen,<br />

welches jeweils die grösste Challenge<br />

bei der ganzen Planung und Ausführung<br />

des ganzen Anlasses ist. «Die grösste<br />

Herausforderung ist vermutlich die laufende<br />

Optimierung des Awards an die<br />

Entwicklungen in der Werbebranche, um<br />

die Relevanz dieser Auszeichnung stets<br />

aufrechtzuerhalten.» Dies mache das<br />

ganze Projekt und jede Ausgabe des<br />

Awards jedoch so besonders.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Dreikönigstagung<br />

Jahresauftakt der Schweizer Medienbranche<br />

für Entscheidungsträger aus Medien,<br />

Kommunikation, Politik und Wirtschaft<br />

Mittwoch, 10. Januar 2024<br />

Vierte Gewalt in der Krise. Was tun?<br />

Jon Pult, Nationalrat, Präsident Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen KVF,<br />

Vizepräsident SP Schweiz<br />

Navigating the future of news business in the age of AI<br />

Greg Piechota, Researcher-In-Residence International News Media Association INMA<br />

«Democracy Dies in Darkness». Fake News, Big Tech, AI:<br />

Hat die Wa(h)re Nachricht eine Zukunft?<br />

Clemens Pig, Geschäftsführender Vorstand APA – Austria Presse Agentur<br />

Corporate Media Responsability – WIR müssen handeln.<br />

Manfred Kluge, Chairman D-A-CH Omnicom Media Group<br />

Podiumsdiskussion<br />

Ladina Heimgartner, CEO Ringier Medien Schweiz | Thomas Kundert, CEO Somedia |<br />

Jessica Peppel-Schulz, CEO Tamedia | Michael Wanner, CEO CH Media<br />

Infos &<br />

Anmeldung<br />

Premiumpartner<br />

Partner Medienpartner Kooperationspartner


108<br />

MEDIA<br />

«Was für ein Jahr»<br />

Das Jahr <strong>2023</strong> ist am Ausklingen. m&k hat bei Medienhäusern<br />

und Mediaagenturen nachgefragt, wie das Jahr<br />

im Rückblick wahrgenommen wurde und wo 2024 die<br />

Prioritäten liegen.<br />

W<br />

as für ein Jahr! Dies gilt besonders<br />

für mich, da ich im<br />

Januar den Schritt gewagt<br />

habe, nach über zehn Jahren<br />

in ein anderes Agenturnetzwerk zu<br />

Havas Media Schweiz zu wechseln. Die<br />

Zeit war besonders aufregend, da bei<br />

Havas in diesem Jahr ein bedeutender<br />

Kulturwandel stattfindet. Nach fast elf<br />

Monaten bei Havas bin ich dankbar und<br />

stolz, Teil eines hochmotivierten Teams<br />

zu sein, das mit grosser Begeisterung<br />

Samia Montaque,<br />

Managing Director Havas<br />

Media.<br />

forderung war, digitale Spezialist:innen<br />

zu rekrutieren, setzen wir nun darauf,<br />

diese aus den klassischen Medien nicht<br />

zu vernachlässigen. Projekte wie Streaming<br />

Data oder OTV seitens Mediapulse<br />

schaffen immer bessere Grundlagen für<br />

die einheitliche Messung von klassischen<br />

und digitalen Kanälen, was letztendlich<br />

die Spezialist:innen immer näher zueinander<br />

bringen wird. In diesem Zusammenhang<br />

haben wir dieses Jahr damit<br />

begonnen, ein Tool einzuführen, das für<br />

die Planung aller Mediakanäle die Automatisierung<br />

weiter vorantreiben soll, um<br />

somit mit künstlicher Intelligenz Effizienzen<br />

in unserer Arbeit zu steigern. Dieses<br />

komplexe Thema ist ein weiteres, das<br />

mich als Leiterin von Havas Media im<br />

Jahr <strong>2023</strong> beschäftigt hat und weiterhin<br />

beschäftigen wird. Nicht zuletzt beschäftigt<br />

mich auch das Thema Nachhaltigkeit<br />

in der Werbung. Unternehmen richten<br />

ihre Botschaften und Werbekampagnen<br />

zunehmend auf umweltfreundliche Praktiken<br />

aus, um ein Bewusstsein für soziale<br />

Verantwortung zu schaffen. Es erfreut<br />

mich besonders, dass Havas ab 2024<br />

seinen Kund:innen das browserbasierte<br />

Tool «Havas Carbon Impact Calculator»<br />

anbieten kann, mit dem wir die CO2-Auswirkungen<br />

ihrer Kampagnen berechnen<br />

und optimieren können.<br />

Insgesamt war das Jahr <strong>2023</strong> für mich<br />

eine spannende Reise, geprägt von beruflichen<br />

Herausforderungen und aufregenden<br />

Entwicklungen in der Medienlandschaft.<br />

Der Wechsel zu Havas Media<br />

Schweiz war eine Entscheidung, die sich<br />

als äusserst bereichernd erwiesen hat.<br />

«Havas wird seinen Kund:innen ab 2024 ‹Havas Carbon Impact<br />

Calculator› anbieten, mit dem wir die CO2-Auswirkungen ihrer Kampagnen<br />

berechnen und optimieren können.»<br />

Alle Illustrationen: fiverr.com / Art Cofam<br />

Kampagnen für unsere geschätzten<br />

Kund:innen entwickelt und umsetzt.<br />

Die digitale Transformation schreitet<br />

weiter voran, wobei die Präferenz der<br />

Nutzer:innen für interaktive Inhalte zunimmt<br />

und die Art und Weise, wie Werbung<br />

präsentiert wird, verändert. Interaktive<br />

Werbekampagnen, sei es in Form<br />

von Spielen oder Augmented-Reality-<br />

Anwendungen, erfreuen sich wachsender<br />

Beliebtheit. Daher haben wir unsere<br />

Zusammenarbeit mit innovativen Partner:innen<br />

in diesem Bereich bereits in<br />

diesem Jahr verstärkt und werden sie im<br />

Jahr 2024 weiter ausbauen.<br />

Während digitale und innovative Werbemassnahmen<br />

florieren, verzeichnet<br />

die Nachfrage nach traditionellen Werbeformaten<br />

einen spürbaren Rückgang.<br />

Dennoch behalten diese Medien ihre<br />

Berechtigung, und obwohl es vor ein<br />

paar Jahren für Agenturen eine Herausm&k<br />

<strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


109<br />

Moritz Schneider, CEO Mediaschneider.<br />

«Das Jahr <strong>2023</strong><br />

stand ganz im Zeichen<br />

von künstlicher<br />

Intelligenz. Neben dem<br />

Makrotrend war das<br />

Thema Privacy in der<br />

Medienbranche omnipräsent.»<br />

D<br />

as Jahr <strong>2023</strong> stand ganz im<br />

Zeichen von künstlicher Intelligenz.<br />

Die erst kürzlich aufgetauchten<br />

Metaverse-Spezialist:innen<br />

haben sich innert kürzester<br />

Zeit zu sogenannten Promptern gewandelt.<br />

So beeindruckend die Möglichkeiten<br />

und Potenziale von generativer AI<br />

auch sind, stellen sich in der Realität<br />

grundsätzliche juristische und gesellschaftliche<br />

Fragen: Dürfen durch künstliche<br />

Intelligenz erzeugte Bilder kommerziell<br />

verwendet werden? Wem<br />

gehören die Rechte an diesen Bildern?<br />

Wer haftet für Falschinformationen, die<br />

durch künstliche Intelligenz generiert<br />

wurden? Lassen sich künstlich generierte<br />

Inhalte von menschengemachten Inhalten<br />

unterscheiden?<br />

Neben diesem Makrotrend war das<br />

Thema Privacy in der Medienbranche<br />

omnipräsent. Die zunehmenden technischen<br />

Einschränkungen und gesetzlichen<br />

Vorgaben hinsichtlich Privatsphäre und<br />

Datenschutz verunmöglichen eine übergreifende<br />

Kampagnenmessung. Solange<br />

eine Person keine explizite Einwilligung<br />

in die Nutzung ihrer Daten gibt, sind die<br />

Optionen beschränkt. Davon profitieren<br />

in erster Linie die Big Tech, da sie die<br />

nötige Zustimmung in der Regel bereits<br />

über die Nutzungsbedingungen der<br />

Plattform, wie etwa Youtube oder Instagram,<br />

eingeholt haben. Vor diesem Hintergrund<br />

erstaunt es wenig, dass der<br />

Anteil von Google an den Schweizer<br />

Netto-Werbeausgaben auf knapp 30 Prozent<br />

gestiegen ist (Quelle: Stiftung Werbestatistik<br />

Schweiz). Dieser Trend dürfte<br />

sich ohne staatliche Regulierung der<br />

Monopolstellung von Google in den<br />

nächsten Jahren weiter fortsetzen.<br />

Im <strong>2023</strong> kam auch Bewegung in den<br />

Schweizer Bewegtbildmarkt. Die Replay<br />

Ads im zeitversetzten Fernsehen können<br />

endlich gemessen werden, und mit<br />

Disney+ startete der erste Streaming-<br />

Anbieter mit einem werbefinanzierten<br />

Angebot, weitere werden folgen. Bei der<br />

TV-Vermarktung steht Admeira wieder<br />

genau da, wo die Publisuisse, das Vorgängerunternehmen,<br />

vor sieben Jahren<br />

aufgehört hat: bei der ausschliesslichen<br />

Vermarktung der öffentlich-rechtlichen<br />

Kanäle. Die Privatsender, allen voran TF1,<br />

werden ab 2024 von Goldbach vermarktet.<br />

Doch nicht nur beim TV kehrt Altbekanntes<br />

zurück, auch beim Plakat entsteht<br />

mit Goldbach Neo durch den<br />

Zukauf von Clear Channel wieder das<br />

altbekannte Duopol mit der APG auf der<br />

Gegenseite.<br />

Ein bewegtes Jahr im Schweizer<br />

Medienkarussell neigt sich dem Ende<br />

entgegen und wir sind gespannt, was<br />

das neue Jahr bringt.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>11</strong>0<br />

G<br />

eht denn überhaupt noch jemand<br />

ins Kino?» Eine Frage,<br />

die mich – die uns alle – als<br />

Kinowerbevermarktende verfolgt.<br />

Rückblickend betrachtet, wurde<br />

diese Frage spätestens in diesem Jahr<br />

eindeutig beantwortet. Dies dank dreier<br />

internationaler Phänomene im <strong>2023</strong>:<br />

Zunächst sei «Avatar: The Way of Water»<br />

genannt. Der Film startete 2022 und<br />

spielte sich dieses Jahr auf den dritten<br />

Platz der weltweit erfolgreichsten Filme<br />

aller Zeiten. In der Schweiz sicherte sich<br />

dieser Blockbuster den zehnten Platz<br />

und das mit weit über einer Million Zuschauer:innen<br />

in unserem Land. Und<br />

dabei nicht zu vergessen ist die beachtliche<br />

Filmlänge von 192 Minuten.<br />

Im März gab es eine weitere Schlagzeile:<br />

Apple und Amazon nehmen das<br />

Kino ins Visier – mit Milliardeninvestitionen.<br />

«Cinema First» für Filme aus Eigenproduktionen.<br />

Sie folgen damit anderen<br />

Filmverleihenden und Streaming-Anbietenden,<br />

die bereits auf diese Erfolgsschiene<br />

vertrauen oder teilweise dorthin<br />

zurückgekehrt sind.<br />

Verwandt mit der Einstiegsfrage:<br />

«Geht denn im ‹Sommer› überhaupt jemand<br />

ins Kino?» – als Antwort das Sommermärchen<br />

<strong>2023</strong> schlechthin: «Barbenheimer».<br />

Barbie und Oppenheimer<br />

gingen weltweit viral und lockten allein<br />

in der Schweiz fast 1,2 Millionen Kinobesucher:innen<br />

in die bequemen Sessel.<br />

Wer hätte das geahnt? Rückblickend<br />

stärkt uns dies und bekräftigt, dass das<br />

Kino lebt und ein hervorragendes Umfeld<br />

für Werbung bietet. Dazu noch voll<br />

und ganz im «Flow». Dieses Jahr wurde<br />

erstmals im Bereich der Werbung und<br />

ihrer Wirkung wissenschaftlich «Flow»<br />

«Barbie und Oppenheimer gingen weltweit<br />

viral und lockten allein in der Schweiz fast<br />

1,2 Millionen Kinobesucher:innen in<br />

die bequemen Sessel.»<br />

Juliane Merz,<br />

Director of Sales,<br />

Weischer. Cinema<br />

Schweiz.<br />

«Ich freue mich auf alles, was die Zukunft<br />

bringt, und wünsche uns allen für 2024 vor<br />

allem eines: Grosses Kino.»<br />

erforscht, in einer Studie der HSG. «Flow»<br />

ist ein konzentrierter Glücksmoment, und<br />

Kino setzt damit in der Werbewirkung<br />

einzigartige und überdurchschnittliche<br />

Akzente.<br />

Damit geht im wahrsten Sinne des<br />

Wortes ein für mich blockbusterreifes<br />

Jahr zu Ende. Das Kinoerlebnis bleibt<br />

lebendig und ist für Überraschungen<br />

gut. Als junggebliebene «Mutter» der<br />

Bewegtbildmedien ist unser und somit<br />

mein Anspruch, innovativ zu sein und zu<br />

bleiben. So ist beispielsweise Werbung<br />

auf den digitalen Screens im Foyer neu<br />

auch programmatisch buchbar. Ich freue<br />

mich auf alles, was die Zukunft bringt,<br />

und wünsche uns allen für 2024 vor allem<br />

eines: Grosses Kino.<br />

Anzeige<br />

Die Jobplattformen für Kommunikation & ICT:<br />

• reichweitenstark und trotzdem zielgruppenfokussiert<br />

• CV-Datenbank mit Matchingtool «QualiProfil»<br />

• Social Media-, Partnernetzwerk- und Fachmedien-Präsenz<br />

VON FACHLEUTEN FÜR FACHLEUTE: Kommunikation, Marketing, Medien, Informatik & Telekommunikation<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>11</strong>1<br />

N<br />

ationale Präsenz mit regionaler<br />

Stärke. Ein Werbesatz – und<br />

gerade darum so richtig einprägsam.<br />

Für mich bedeutet<br />

er aber noch mehr: CH Media im Kern.<br />

So viele positive Mitteilungen sind in<br />

diesem Jahr der schrecklichen Verwerfungen<br />

untergegangen oder einfach zu<br />

kurz gekommen. Wir hatten wichtige<br />

Jubiläen mit 100 Jahren «Wir Eltern»,<br />

20 Jahren Swissmom.ch und bereiten<br />

gerade die Geburtstage von 30 Jahren<br />

TeleZüri und 10 Jahren Watson im<br />

kommenden Jahr vor. Wir geniessen<br />

mit unserer TV-Sendergruppe höchste<br />

Marktanteilswerte im Entertainment und<br />

erreichen erstmals über 1 Mio. Leser:innen<br />

mit der «Schweiz am Wochenende»,<br />

die mit 29 Regionalausgaben Qualitätsjournalismus<br />

für die ganze Deutschschweiz<br />

bietet. Unser Newsportal watson.<br />

ch/fr zeigt das stärkste relative Wachstum<br />

allein im September und hebt sich deutlich<br />

von den Mitbewerbern der Westschweiz<br />

ab.<br />

Was für ein Jahr! In einer Zeit, in der<br />

traditionelle Printmedien massiv unter<br />

Druck geraten, haben digitale Nachrichtenportale<br />

und soziale Medien an Bedeutung<br />

gewonnen. Diese Transformation<br />

stellt auch uns vor die Herausforderung,<br />

unsere innovativen Geschäftsmodelle<br />

weiterzuentwickeln und die digitale Präsenz<br />

zu stärken. Aber es geht noch um<br />

viel mehr: um die Integrität des Journalismus<br />

und dessen Beitrag zur Meinungsbildung,<br />

um den Kampf gegen die Verbreitung<br />

von falschen Informationen und<br />

manipulierten Inhalten auf Social Media<br />

und anderen Kanälen. Verlässliche<br />

Marken, wie sie CH Media hat, werden<br />

wieder wichtiger, ihre Glaubwürdigkeit<br />

ist für uns eine Chance. Welche Strategien<br />

entwickeln wir zur Bekämpfung von<br />

Desinformation und zur Förderung von<br />

Medienkompetenz?<br />

«In einer Zeit,<br />

in der traditionelle<br />

Printmedien massiv<br />

unter Druck geraten,<br />

haben digitale<br />

Nachrichtenportale<br />

und soziale Medien<br />

an Bedeutung<br />

gewonnen.»<br />

Tarkan Özküp,<br />

Chief Commercial Officer, CH Media<br />

Wir sehen uns in der Pflicht. Um unserer<br />

Verantwortung nachzukommen, brauchen<br />

wir solide Finanzierungsmodelle.<br />

Darum steht finanzielle Nachhaltigkeit an<br />

vorderster Front, denn sie sichert eine<br />

unabhängige Publizistik. Anzeigenumsätze<br />

sind rückläufig, auch wenn mit<br />

geringer Volatilität in der Planbarkeit.<br />

Wachstum sehe ich in All-Media-Ansätzen<br />

und damit in der Entwicklung von vertrauensbildenden<br />

Konzepten für Marketingziele<br />

und promotionellen Abverkaufsherausforderungen.<br />

Wir haben in diesem<br />

Jahr nochmals in Expert:innen investiert<br />

und bilden im kommenden Jahr gezielt<br />

weiter aus. Hier startet der Kundenaustausch<br />

auf qualitativer, nicht rein verkäuferischer<br />

Ebene, und nur so wird von<br />

Kunden Vertrauen zu unseren Mitarbeitenden<br />

aufgebaut. Mit diesem Ansatz<br />

machen wir die Stärke von CH Media<br />

erlebbar – eines Medienhauses, das Journalismus<br />

schon immer als Basis für Erfolg<br />

definiert hat. Dazu arbeiten wir gerade<br />

an einer breiten und starken Imagekampagne<br />

für unsere Zeitungen und<br />

Newsportale im kommenden Jahr.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>11</strong>2<br />

«‹Umarmt die Veränderung!› Ich glaube,<br />

das passt für 2024 auch gut zu uns.»<br />

F<br />

ür die Blick-Gruppe war <strong>2023</strong><br />

ein Jahr des Aufbruchs. Mit dem<br />

Launch unseres digitalen Abomodells<br />

Blick+ wagten wir im<br />

Sommer den Schritt hin zu Bezahlinhalten.<br />

Unsere Erwartungen wurden erfüllt,<br />

teils sogar übertroffen. Heute freuen wir<br />

uns über eine fünfstellige Zahl an Aboabschlüssen<br />

(rund 25% davon sind Jahresabos)<br />

und unzählige Learnings, die<br />

wir seit dem Start gewinnen konnten.<br />

Das Angebot zählt: vertiefte Analysen,<br />

konkreten Service, starke Recherchen –<br />

verpackt in modernes Storytelling und<br />

getragen von unserer Blick-spezifischen<br />

Art, die Vorteile eines Abos ins Scheinwerferlicht<br />

zu rücken. Ein weiteres Plus:<br />

Für Blick+ müssen praktisch alle Einheiten<br />

in der Blick-Gruppe eng zusammenarbeiten<br />

und sich miteinander abstimmen.<br />

Silos werden nach und nach<br />

aufgebrochen, «Cooperation is King».<br />

Und last but not least: Parallel wird auch<br />

intensiv an der stetigen Erhöhung der<br />

eingeloggten Nutzung gearbeitet. Die<br />

Learnings von Blick+ befruchten die<br />

Login-Bemühungen und umgekehrt.<br />

«Cooperation is King» gilt auch für<br />

unseren Umgang mit künstlicher Intelligenz.<br />

Eine Welle, die sich weiter auftürmt<br />

und längst noch nicht gebrochen ist, aber<br />

die Gefahr beinhaltet, alte Geschäftsmodelle<br />

wegzuspülen. Nach ersten Erweckungsmomenten<br />

starteten wir bereits<br />

im April die Initialzündung mit einer eigenen<br />

AI-Week. Bei diesem Hackathon<br />

bauten wir bewusst auf die Zusammenarbeit<br />

von Entwicklerinnen und Journalisten.<br />

Im Mai gaben wir uns als eines der<br />

ersten Medienunternehmen überhaupt<br />

KI-Richtlinien. Im Rahmen des AI-Boost-<br />

Projekts entwickeln wir unsere bestehenden<br />

Geschäftsprozesse inkrementell und<br />

systematisch weiter mit dem Ziel, effizienter<br />

und immer besser zu werden. Im<br />

Blick-Newsroom schufen wir eine eigene<br />

AI-Stelle und arbeiten heute schon sehr<br />

konkret mit AI-Werkzeugen wie dem Interview-Transkribierungstool<br />

Blis per, AI-<br />

Zusammenfassungen von Agenturen und<br />

dem Toxicity-Score von Leserkommentaren.<br />

Alles Hilfsmittel, die von den Journalist:innen<br />

mit grosser Neugier und<br />

auch Lust aufgenommen wurden. Quasi<br />

als neuer Arbeitskollege, der vielleicht<br />

hier und da noch ein paar<br />

Macken hat – aber am Ende des Tages<br />

den Job um einiges erleichtert.<br />

Apropos neue Kolleg:innen. Mit dem<br />

Zusammenschluss der Blick-Gruppe und<br />

den Medientiteln von Ringier Axel Springer<br />

Schweiz steht auch 2024 im Zeichen<br />

Ladina Heimgartner,<br />

Head Ringier Media &<br />

CEO Ringier Medien Schweiz<br />

der Kooperation. Wir stärken Blick.ch mit<br />

neuen Inhalten, erweitern das Portfolio<br />

mit spannendem Content und fördern<br />

so die Sichtbarkeit der Zeitschriften und<br />

Magazine im Digitalen.<br />

Beim Motto fürs neue Jahr zitiere ich<br />

gerne Fussballcoach Ted Lasso, meinen<br />

aktuellen Streaming-Helden. Der gibt<br />

seiner Mannschaft gerne mit auf den<br />

Weg: «Most of the time, change is a good<br />

thing. Now, I think that’s what it’s all<br />

about. Embracing change», also «Umarmt<br />

die Veränderung!». Ich glaube, das<br />

passt für 2024 auch gut zu uns!<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Regionales<br />

Denken.<br />

Nationale<br />

Erfolge.<br />

dein Partner für erfolgreiche<br />

Werbemassnahmen in der Westschweiz<br />

mit dem Romandie Combi.<br />

LIVE-SPORT 2024<br />

Entdecken Sie jetzt die<br />

sportlichen Highlights 2024<br />

auf den Sendern der SRG SSR.<br />

Jetzt scannen<br />

und Werbeplatz<br />

sichern!<br />

admeira.ch


Weiterbildung in Digital Marketing<br />

Hier lernst Du von den Profis aus der Praxis!<br />

FR & ON<br />

Die IAB Academy bietet genau, was Du suchst:<br />

viel Praxiswissen zum attraktiven Preis. Gleich informieren<br />

und anmelden! www.iab-academy.ch<br />

Diplomlehrgang Digital Marketing Basic – DACH<br />

Einsteigerkurs mit breitem Themenspektrum und<br />

Praxisbezug.<br />

7 Tage nur CHF 990.– | 25.01. – 14.03.2024<br />

Diplomlehrgang Digital Marketing Advanced<br />

Vertiefung aller relevanten Themen für Fortgeschrittene.<br />

6,5 Tage nur CHF 1490.– | 06.03. – 17.04.2024<br />

Programmatic Advertising Deep Dive<br />

Umfassender, neutraler Überblick von ausgewiesenen<br />

Experten.<br />

2 Tage nur CHF 770.– | 9. und 10. April 2024<br />

Digital Marketing Overview for Executives<br />

Kompakter Kurs für Führungskräfte aus Unternehmen,<br />

Agenturen und Verlagen.<br />

Kursdaten folgen<br />

Rabatt für IAB-Mitglieder!<br />

Die Regionalzeitung mit Amtsblatt<br />

und der Fridolin+ App<br />

2 dynamische Wirtschaftsräume<br />

Oberer Zürichsee und Glarnerland<br />

2 starke Wochenzeitungen<br />

Auskunft und Buchung<br />

1 attraktiver Kombi-Tarif<br />

Auflage 100‘000 Ex.<br />

055 647 47 47 055 220 81 18<br />

fridolin@fridolin.ch<br />

inserate@obersee-nachrichten.ch<br />

www.fridolin.ch<br />

www.obersee-nachrichten.ch


<strong>11</strong>5<br />

« KI ist ein<br />

Gebiet, das uns<br />

in den nächsten<br />

Jahren noch<br />

viele Möglichkeiten<br />

bieten<br />

wird.»<br />

Lars Holtschmit, Director<br />

Marketing & Product<br />

Management SRG<br />

A<br />

uch <strong>2023</strong> konnten wir Teil eines<br />

spannenden Medienjahres<br />

sein, in dem, wie es scheint,<br />

nichts mehr ist wie früher. Themen<br />

wie Messtechniken, Kollaborationen<br />

und die vermehrte Nutzung von Videoinhalten<br />

über Streaming-Plattformen<br />

zusätzlich zur linearen TV-Nutzung bestimmen<br />

die Gespräche. Ganz besonders<br />

in Erinnerung bleiben mir die vielfältigen<br />

Gespräche mit zahlreichen Kolleg:innen<br />

im In- und Ausland, die aufzeigen, dass<br />

der Medienmarkt weltweit in sehr starker<br />

Bewegung ist und die enorme Angebotserweiterung<br />

an Medieninhalten eine<br />

immer komplexere Betrachtungsweise<br />

notwendig macht. Schön zu sehen, dass<br />

dabei auch weiterhin in grossem Masse<br />

auf Qualität gesetzt wird. Hier konnten<br />

wir unter anderem mit den Top-Newsund<br />

Informationsformaten der SRG sowie<br />

dem riesigen Livesportangebot wieder<br />

attraktive Werbeplatzierungen anbieten.<br />

Und das nächste Jahr bietet mit der Fussballeuropameisterschaft<br />

in Deutschland<br />

und den Olympischen Sommerspielen<br />

in Paris wieder grossartige Highlights auf<br />

dem Big Screen und darüber hinaus.<br />

Mit der Ausrichtung der Screen-up im<br />

September konnten wir einmal mehr<br />

zeigen, dass der TV-Markt weiterhin ein<br />

sehr grosses Interesse weckt. Mir ist dabei<br />

wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen,<br />

dass eine saubere und zuverlässige<br />

Vergleichbarkeit von Medien<br />

angestrebt werden muss. Insbesondere<br />

im Bewegtbild- und Videobereich haben<br />

wir hier offenbar noch sehr grosse Anstrengungen<br />

an Überzeugungsarbeit vor<br />

uns, da hier doch zu oft Äpfel mit Birnen<br />

verglichen werden. Natürlich beschäftigte<br />

uns in diesem Jahr auch das Thema<br />

Nachhaltigkeit, und ebenso war es spannend,<br />

erste positive Erfahrungen mit<br />

Projekten auf dem Gebiet der künstlichen<br />

Intelligenz im Bereich der Angebotssteuerung<br />

zu begleiten. Den Lerneffekt<br />

nutzen wir nun für weitere Projekte.<br />

KI ist ein Gebiet, das uns in den nächsten<br />

Jahren noch viele Möglichkeiten bieten<br />

wird.<br />

Zum Ende des Jahres freue ich mich<br />

nun auf so starke Produktionen wie «Davos»<br />

bei SRF, bei der die eindrucksvolle<br />

Szenerie, Kostüme und Story ein grossartiges<br />

Serienerlebnis versprechen.»<br />

«Themen wie Messtechniken, Kollaborationen und die vermehrte<br />

Nutzung von Videoinhalten über Streaming-Plattformen zusätzlich<br />

zur linearen TV-Nutzung bestimmen die Gespräche.»<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


PUBLIREPORTAGE<br />

Kontext, bitte!<br />

Das Umfeld ist entscheidend für die Werbewirkung. Wenn sich die Werbung dem<br />

Umfeld anpasst, wirkt sie umso besser. Das Brand Studio von Ringier Advertising<br />

hat mit seinen Contextual Ads die Lösung dafür.<br />

Das Umfeld ist entscheidend für die Werbewirkung.<br />

Passt die Werbung zum Umfeld, ist<br />

sie umso wirkungsvoller. Die richtige Message<br />

zum Kontext bzw. Thema herstellen –<br />

das schafft das Brand Studio von<br />

Ringier Advertising mit den selbst entwickelten<br />

Contextual Ads. Täglich. In Real-<br />

Time. Bei 100-prozentiger Brand Safety.<br />

Produkte, Dienstleistungen oder Message<br />

und Haltung werden dabei so adaptiert,<br />

dass sich diese perfekt ins Umfeld ein fügen.<br />

Humorvoll, emotional, bold, edgy. Funktioniert<br />

digital, auf Social Media und im Print.<br />

Damit Ihre Werbung auf charmante Art<br />

auffällt. Weil sie User:innen auf dem Thema<br />

anspricht, das sie gerade beschäftigt. Mehr<br />

Kontext geht nicht. Mehr Aufmerksamkeit<br />

auch nicht. Die Cookie-Thematik ist so<br />

ebenfalls gegessen.<br />

Natürlich lassen sich auch ganze Themenfelder<br />

besetzen: etwa Sportereignisse, Produkte-Vorstellungen,<br />

Wahlen – oder einfach<br />

ein eigenes, dediziertes Umfeld erschaffen.<br />

Für ein noch genaueres inhaltliches Targeting.<br />

Für noch mehr Impact. Und zum Abrunden<br />

einer Kampagne.<br />

Brauchen Sie mehr Kontext, wie das<br />

im Detail funktioniert? Einfach melden<br />

bei: brandstudio@ringier.ch<br />

*Steigerung der<br />

Kaufabsicht um bis zu<br />

5%<br />

**Erhöhung der<br />

Sympathiewerte um bis zu<br />

<strong>11</strong>%<br />

Durchschnittlicher CTR<br />

>0,5%<br />

Blumen werden am<br />

TV verschenkt. Blumen<br />

sollten auch privat<br />

mehr verschenkt<br />

werden. Fleurop nutzt<br />

die Spielwiese für<br />

kreative Werbung.<br />

Out-of-Context-Anfragen zu Content &<br />

Kampagnen? Ebenfalls melden bei:<br />

brandstudio@ringier.ch<br />

Quellen: *sotomo, **GfK


DE FR 14˚<br />

ZENTRALSCHWEIZ<br />

| | | |<br />

Schweiz Zentralschweiz Zug Autofahrer fährt mit seinem Jaguar in Zugersee<br />

Falschfahrt mit Folgen<br />

Autofahrer landet mit<br />

seinem Jaguar im<br />

Zugersee<br />

Ein ortsunkundiger Autofahrer ist beim Hafen in der Stadt Zug in den<br />

Zugersee gefahren. Er blieb unverletzt.<br />

MEISTGELESEN<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Änderungen im Strassenverkehr<br />

Diese 4 neuen Regeln musst<br />

du jetzt kennen<br />

«Absolut verrückt»<br />

Rekord-September macht<br />

Forscher fassungslos<br />

Crash auf Sardinien<br />

«Der Fahrer hat ganz klar das<br />

Risiko gesucht»<br />

Ein Bundesratsreisli, das mit<br />

einer medialen Bruchlandung<br />

endete. USZIT nimmt mit dem<br />

Nur/Aber-Duktus des Claims<br />

die Berset-Story auf.<br />

Publiziert: 22.09.<strong>2023</strong> um 13:51 Uhr | Aktualisiert: 22.09.<strong>2023</strong> um 14:38 Uhr<br />

0<br />

DANIEL HEGGLIN<br />

1/5<br />

Ein Autofahrer ist bei einer Falschfahrt im Zuger See gelandet.<br />

Am Donnerstagabend fuhr ein ortsunkundiger Autofahrer beim Hafen in der<br />

Stadt Zug ungewollt die dortige Einwasserungsrampe hinunter. Als der 62-<br />

Jährige das Missgeschick bemerkte, befand sich der Jaguar bereits im Wasser<br />

und die Falschfahrt konnte nicht mehr korrigiert werden.<br />

Niemand kam zu Schaden<br />

(ausser einem Auto).<br />

Für Toyota die Chance, auf<br />

den nachhaltig mit Wasserstoff<br />

angetriebenen Mirai<br />

hinzuweisen.


MITTWOCHS • 20:15<br />

WE LOVE TO ENTERTAIN YOU


<strong>11</strong>9<br />

Bilder: Christian Bircher, Nikin, WWF<br />

Sustainability<br />

Jeweils links: Matterhorn und Rheinfall im Jahr <strong>2023</strong>,<br />

rechts KI-basiert im Jahr 2085.<br />

WWF<br />

KI zeigt, wie die Natur in Zukunft aussehen wird<br />

L<br />

aut Berechnungen der Organisation «Climate Action Tracker»<br />

führen die weltweiten Klimagesetze voraussichtlich zu einer globalen<br />

Erwärmung von etwa 2,7 Grad bis Ende des Jahrhunderts.<br />

Weil die Schweiz als Alpenland besonders von dieser Erwärmung<br />

betroffen ist, könnte die prognostizierte Erwärmung hier fast doppelt so<br />

hoch ausfallen. Der WWF liess mithilfe von Data-Spezialisten eine KI lernen<br />

und fütterte diese mit Veränderungen, wie sie nach dem IPCC-Emissionsszenario<br />

RCP 8.5 zu erwarten sind. Einfluss in die Berechnung fanden zudem<br />

Klimaindikatoren wie Hitzetage, Sommertage, mittlere maximale Temperatur<br />

über 14 Tage, Frosttage oder Eistage für den Zeitraum von 2070 bis<br />

2099. Gemäss WWF wurden die Veränderungsszenarien und die entstandenen<br />

KI-Visualisierungen von Klimaexpert:innen überprüft.<br />

WA H R H A F T NAC H H A LT I G<br />

Essenz der Menschen einfangen<br />

Wenn Menschen sterben, gehen auch viele Weisheiten,<br />

Erinnerungen und Erfahrungen verloren. Deshalb hat es<br />

sich Mike Fuhrmann mit seinem Projekt Eternal Echo zur<br />

Aufgabe gemacht, Menschen und ihre individuellen<br />

Lebens geschichten filmisch einzufangen.<br />

TREECHIC<br />

Für jedes Selfie<br />

ein Baum<br />

Im November posierten<br />

Bäume, in T-Shirt<br />

und Sweatjacke<br />

gekleidet, auf der<br />

Bahnhofstrasse in<br />

Zürich. Unter dem<br />

Hashtag «Treechic»<br />

sollten Interessierte<br />

ein Selfie mit den<br />

Bäumen auf Instagram<br />

posten. Hinter<br />

der Aktion steckt der<br />

nachhaltige Schweizer<br />

Kleiderbrand<br />

Nikin. Pro verkauftes<br />

Produkt pflanzt er<br />

einen Baum – und nun<br />

auch für jedes Selfie,<br />

das mit den Bäumen<br />

gemacht wurde. Für<br />

die kreative Umsetzung<br />

ist Christian<br />

Bircher verantwortlich.<br />

WIRZ<br />

Grüne<br />

Kommunikation<br />

Ein Sustainability-<br />

Leitfaden, den die<br />

Agentur Wirz zusammen<br />

mit der HSG<br />

erarbeitet hat, erleichtert<br />

es Unternehmen,<br />

sich im Labyrinth<br />

«grüner Kommunikation»<br />

zurechtzufinden.<br />

Die ersten fünf<br />

Snippets lesen Sie ab<br />

Seite <strong>12</strong>8, weitere<br />

folgen in den nächsten<br />

Ausgaben.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>0<br />

PORTRÄT<br />

Herr der Lüfte,<br />

Diener der Erde<br />

Als Pilot sah Daniel Lüscher die Erde 26 Jahre von oben, er sah<br />

die brutalen Veränderungen und entschied sich, etwas zu unternehmen.<br />

Mit dem Verein My Blue Planet will er dazu beitragen, die Schönheit<br />

der Erde zu bewahren.<br />

Von Anna Kohler<br />

Bilder: Chris Reist<br />

D<br />

aniel Lüscher war Pilot. Das war immer<br />

sein Traumberuf und er hat ihn<br />

sich erfüllt. 26 Jahre sah er den<br />

blauen Planeten von oben, flog in<br />

die verschiedensten Länder, Städte,<br />

Kulturen, kehrte auf gleichem<br />

Weg, über die Lüfte, wieder<br />

zurück in die Schweiz, seine Heimat.<br />

Daniel Lüscher ist heute kein<br />

Pilot mehr. Er hat sich voll und<br />

ganz der Erde verschrieben, seinem<br />

geliebten blauen Planeten.<br />

2007 gründete er zusammen mit<br />

Gleichgesinnten den Verein My<br />

Blue Planet. Eigentlich wollten sie<br />

eine Bewegung gründen, aber<br />

2007 war Klimaschutz noch kein<br />

Mainstreamthema in der Schweiz, deshalb starteten<br />

sie mit dem Verein. Ziel oder Vereinsmission:<br />

die Gesellschaft mitnehmen auf dem Weg zu<br />

Netto-Null. Wer ist dieser faszinierende Mann,<br />

der aus dem Cockpit steigt, die Uniform an den<br />

Nagel hängt und fortan Klinken putzt für seinen<br />

geliebten Planeten?<br />

Der Junge aus dem Appenzell<br />

Der kleine Daniel wächst wohlbehütet im Dorf<br />

Speicher im Kanton Appenzell Ausserrhoden auf.<br />

Die Kinder sind viel draussen in der Natur, selbst-<br />

«Was als<br />

Verein bei einem<br />

Glas Bier geboren<br />

wurde, ist inzwischen<br />

eine Klimabewegung<br />

mit<br />

22 Mitarbeitenden.»<br />

verständlich sind heisse Sommer und weisse<br />

Winter. Baden und Ski fahren bestimmen die<br />

jeweilige Saison. Die Freude an der Natur prägt<br />

ihn. Als sein Vater ihn eines Tages mitnimmt zum<br />

Flughafen, um den Onkel zu besuchen, der Pilot<br />

ist, weiss der Junge, was er werden will, wenn er<br />

gross ist. Pilot. Aber natürlich nur mit dieser herrlichen<br />

Uniform, die sein Onkel<br />

trägt. Der ist bei der Swissair. Mit<br />

der Natur im Herzen und dem<br />

Traum vor Augen beginnt er ein<br />

Studium zum Elektroingenieur.<br />

Das ist notwendig, um sich für die<br />

Prüfung zum Piloten anzumelden.<br />

Die Zeit in der Wohngemeinschaft<br />

in St.Gallen ist tief im Herzen<br />

verankert, die Mitbewohnerin<br />

Gabi ist heute seine Frau, der<br />

Mitbewohner wird viele Jahre<br />

später gemeinsam mit Daniel My<br />

Blue Planet gründen. Der dritte im WG-Bunde,<br />

ein Paradiesvogel mit unglaublich kreativem<br />

Potenzial, ist heute noch Inspirationsgeber.<br />

Herr der Lüfte<br />

Aus 800 Bewerbern schaffen es 80 in die Ausbildung<br />

zum Piloten. Daniel Lüscher ist einer von<br />

ihnen. Mit 25 Jahren hat er sich seinen Traum<br />

erfüllt. Er ist Pilot, hat die Wunschuniform an und<br />

ist ready für das Cockpit. Er erinnert sich an einen<br />

Satz, den ein Instruktor ihm während der Ausbildung<br />

mitgegeben hat: «Schau gut raus, es hat<br />

My Blue Planet<br />

Die Klimaschutzbewegung<br />

My Blue<br />

Planet wurde im Jahr<br />

2007 von Daniel<br />

Lüscher gegründet.<br />

Inzwischen arbeiten<br />

22 Mitarbeitende<br />

rund um die Uhr an<br />

Projekten, die helfen,<br />

das Bewusstsein für<br />

ein klimaschonendes<br />

Leben zu schaffen.<br />

> myblueplanet.ch<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>1<br />

Daniel Lüscher, hier in Winterthur im Gartencafé des Volkart-<br />

Hauses, wo My Blue Planet sein Büro hat.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>2<br />

Netto-Null, hat sich wie Blütenstaub im<br />

Wind über das Land verteilt. Es entstehen<br />

Kooperationen mit der Zürcher Hochschule<br />

für Angewandte Wissenschaften<br />

(ZHAW), die in einer Partnerschaft mit<br />

dem Swiss Green Economy Symposium<br />

mündet. Die Klimalandsgemeinde entsteht<br />

20<strong>12</strong> und ist eine Initiative von My<br />

Blue Planet, Club of Rome, ZHAW und<br />

Stadt Winterthur, daraus entstanden<br />

Give&Take, RestEssbar, Wiederverwerkle<br />

und bare Ware.<br />

Unzählige Projekte wurden seitdem<br />

angestossen und auch erfolgreich umgesetzt.<br />

Als der Verein beginnt, seine<br />

Projekte zu skalieren, wird klar, dass mehr<br />

Mitarbeitende benötigt werden, und<br />

auch Daniel Lüscher spürt, dass er den<br />

nächsten Schritt gehen möchte, um das<br />

Fundament zu legen, seinen Traum auf<br />

eine nächste Ebene zu heben. Er macht<br />

einen MBA. «Meine Diplomarbeit habe<br />

ich unter dem Motto ‹Climate Actions for<br />

Companies› geschrieben. Mit dem Ziel,<br />

möglichst viele Menschen von da, wo sie<br />

stehen, abzuholen in Richtung Netto-<br />

Null», sagt Lüscher. Und wie sahen die<br />

Aktionen aus? Der Schlüssel seien die<br />

KMU, erklärt er. Das Employer Engagement.<br />

Mit einem Core-Team von Unternehmen,<br />

die mitgemacht haben, habe<br />

er grobe Analysen angefertigt, Milestones<br />

erarbeitet, in den Teams die Planung<br />

und Implementierung von Handlungen<br />

festgeschrieben und dann in die<br />

Umsetzung gebracht. Dies klappte so<br />

gut, dass dieses Konzept jetzt skaliert<br />

wird. «Die Unternehmen müssen ja laut<br />

dem Pariser Klimaabkommen in Richtung<br />

Netto-Null gehen, wenn die ihre Mitarbeitenden<br />

mitnehmen, kann das gelingen,<br />

ist sich Lüscher sicher. Seit<br />

Neuestem ist auch Innotour vom Seco<br />

mit an Bord und unterstützt die Projektarbeit<br />

von My Blue Planet.<br />

Das zweite Standbein, um die Bevölkerung<br />

mitzunehmen, sind die Schulen.<br />

My Blue Planet arbeitet mit Schüler:innen<br />

an Projekten, die diese einfach auf die<br />

Strasse bringen können. So haben sie<br />

Erfolge, bringen ihr Wissen und die Begeisterung<br />

in die Familien, die sich im<br />

besten Fall mitreissen lassen. Eine kluge<br />

Skalierungsstrategie. Hat er ein konkretes<br />

Beispiel? Die Schüler:innen erarbeije<br />

länger, je weniger Schnee.» Der Blick<br />

aus dem Cockpit fasziniert ihn, die Erde<br />

von oben zu sehen, so schön und auch<br />

so fragil. «Die Veränderungen sind brutal.»<br />

So sein Fazit nach Jahren des Fliegens.<br />

Es kommt zum nächsten prägenden<br />

Ereignis, das ihn endgültig davon überzeugt,<br />

etwas tun zu müssen für die Umwelt.<br />

Auf einem Flug von Zürich nach<br />

New York ist Bundespräsident Moritz<br />

Leuenberger an Bord. Daniel Lüscher<br />

lädt ihn ein ins Cockpit und, statt zu staunen,<br />

was man als Pilot alles macht, erzählt<br />

Leuenberger, dass er auf dem Weg sei<br />

zur UNO-Klimakonferenz. Es wird ein<br />

Gespräch, das sich einbrennt bei Lüscher.<br />

In New York schaut er mit seiner Crew<br />

den Film von Al Gore, «An Inconvenient<br />

Truth». Das ist der Start zu Daniel Lüschers<br />

zweitem Traum: die Menschen<br />

mitnehmen auf dem Weg zu Netto-Null.<br />

Diener der Erde<br />

«Er bekommt<br />

eine Woche pro<br />

Monat frei, um sich<br />

um My Blue Planet<br />

zu kümmern. Bei<br />

vollem Lohn.»<br />

Zurück in der Schweiz, sitzt Daniel mit<br />

Freunden bei einem Bier und berichtet<br />

von seinem Aha-Erlebnis bei Al Gores<br />

Film. Sein WG-Kollege von früher rät ihm,<br />

den Film in einem Winterthurer Kino<br />

gratis zu zeigen. Gesagt, getan. Eine Woche<br />

läuft der Film, es kommen weit über<br />

15 000 Interessierte. Viele von ihnen<br />

melden sich anschliessend und wollen<br />

helfen, etwas beitragen. Aber wie? «Wir<br />

hatten ja nichts zu bieten, keine Plattform.»<br />

Also gehen sie den nächsten<br />

Schritt und gründen My Blue Planet.<br />

Immer noch 100 Prozent als Pilot angestellt,<br />

wird der Arbeitsaufwand auf<br />

Seiten des Vereins immer intensiver.<br />

Nach einem Gespräch mit dem CEO der<br />

Fluggesellschaft erhält er eine Woche<br />

pro Monat frei, um sich um My Blue Planet<br />

zu kümmern und die Projekte voranzutreiben.<br />

Bei vollem Lohn. Davon ist er<br />

heute noch begeistert. Dies gibt ihm den<br />

Raum, seine beiden Träume zu leben.<br />

Sieben Jahre lang geht das so, bis sich<br />

Lüscher entscheidet, die Uniform ganz<br />

an den Nagel zu hängen und sich zu 100<br />

Prozent der Erde zu verschreiben. Was<br />

als Verein bei einem Glas Bier geboren<br />

wurde, ist inzwischen eine Klimabewegung<br />

mit 22 Mitarbeitenden. My Blue<br />

Planet wäre ohne finanzielle Unterstützung<br />

von Menschen, die an die Bewegung<br />

glauben, nicht in der Form handlungsfähig.<br />

Es scheint ein Licht um Daniel<br />

Lüscher zu existieren, das ihm wie eine<br />

Laterne den Weg erhellt, der ihn geradewegs<br />

zu Gleichgesinnten führt. Oder<br />

kann man auch Netzwerk dazu sagen?<br />

«Ja», lacht Daniel Lüscher, netzwerken<br />

sei wichtig, aber eben, man müsse auch<br />

seine Hausaufgaben machen. Dies tut<br />

Lüscher. Mit der Volkart-Stiftung findet<br />

My Blue Planet einen Unterstützer, aber<br />

die Stiftung will eine klare Struktur, einen<br />

Businessplan samt Budgetvorstellung.<br />

Alles vorgelegt, fliesst Geld. Lüscher<br />

kann ein Büro im Volkart-Haus mieten<br />

und mit seinen Mitarbeitenden von hier<br />

sein Projekt vorantreiben.<br />

Wie genau sieht die Arbeit aus?<br />

My Blue Planet, das klingt nach grossen<br />

Ambitionen. Wie genau übersetzt sich<br />

der Name ins Handeln? Von 2007 bis<br />

heute hat sich viel verändert. Die Idee,<br />

die Menschen mitzunehmen zum Ziel<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>3<br />

Daniel Lüscher war 26 Jahre lang Pilot. Erst bei der Swissair, Swiss, dann wechselte er zur PrivatAir nach Genf.<br />

ten an «Impact Days» Projekte, die sie<br />

dann mithilfe der Lehrpersonen, aber<br />

auch der Eltern umsetzen, und von den<br />

erfolgreichen Erlösen setzen sie neue<br />

Projekte um. In dieser Form hat My Blue<br />

Planet nun schon mit mehr als <strong>12</strong> 000<br />

Schüler:innen gearbeitet. Das dritte<br />

Standbein heisst Social Media. Zusammen<br />

mit Influencer:innen wird die Reichweite<br />

auf Plattformen wir Instagram und<br />

Tiktok in Höhen katapultiert, die sich<br />

Daniel Lüscher nicht besser hätte erträu-<br />

men können. Immer mehr junge, fähige<br />

und begeisterte Menschen bieten Hilfe,<br />

wollen mitarbeiten.<br />

Next Level<br />

Das braucht Koordination, Strategie und<br />

Geld. Koordinieren und Strategien entwickeln<br />

kann Daniel Lüscher mit seinem<br />

Core-Team von 22 Personen, aber Gelder<br />

für die Skalierung fehlen. «Wir sind wie<br />

ein Start-up, das eine neue Finanzierungsrunde<br />

braucht. Was wird benötigt?<br />

«Eine halbe Million wäre gut», sagt<br />

Lüscher. Aber nicht nur Geld wird gebraucht.<br />

Auch möchte Lüscher von den<br />

Schulen, den Betrieben nun zu den<br />

Unternehmen. Was wünscht er sich für<br />

den nächsten Schritt? Da muss er nicht<br />

lange überlegen. «Die Unternehmen<br />

könnten die besten Talente in den jeweiligen<br />

Bereichen zur Verfügung stellen,<br />

ihnen Raum und Zeit zugestehen. Einen<br />

kreativen Hub bilden, einen «Dauer-<br />

Doing-Workshop», der es ermöglicht,<br />

dass jede:r, der sich für Netto-Null einsetzen<br />

möchte, dies dort tun kann. So<br />

wie er selbst einst die Möglichkeit bekam,<br />

eine Woche pro Monat seinem Plan<br />

zu widmen. «Den Schnee in Speicher<br />

werden wir nicht zurückholen können,<br />

aber wir können verhindern, dass der<br />

ganze Hang abrutscht», sagt Daniel Lüscher,<br />

und auch da wird deutlich, wie er<br />

vom Kleinen ins Grosse skaliert.<br />

Bild im Cockpit: zVg<br />

Daniel Lüscher, Gründer von<br />

My Blue Planet, im Gespräch mit<br />

Co-Chefredaktorin Anna Kohler.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>4<br />

STUDIE<br />

Das Plastik-Glas-<br />

Paradoxon<br />

In einem Report zeigen die Publicis Groupe Switzerland, die Universität St. Gallen<br />

und die Grownate AG: Kund:innen und Unternehmen sind beim Thema Nachhaltigkeit<br />

selten auf einer Linie. Wir haben mit zwei der Initiator:innen des Reports gesprochen.<br />

Zur Studie<br />

Von Johannes Hapig<br />

M&K Vor einigen Wochen haben Sie den<br />

Medien und der Öffentlichkeit Ihren<br />

«Scopes-Report» vorgestellt. Wie sind die<br />

ersten Reaktionen ausgefallen?<br />

DR. ALEXANDER HALDEMANN Es gab Unternehmen,<br />

die sich mit uns in Verbindung gesetzt haben,<br />

weil sie in der Rangliste wahrgenommener<br />

Nachhaltigkeit ganz oben standen. Die waren<br />

natürlich happy, positiv. Aber<br />

wir wurden auch von einigen<br />

Kund:innen und Nichtkund:innen<br />

unserer Agenturgruppe<br />

kontaktiert, die in der Rangliste<br />

wahrgenommener Nachhaltigkeit<br />

weiter unten standen. Sie<br />

sagten: «Das ist bemerkenswert.<br />

Wir möchten verstehen,<br />

warum.» Damit erfüllt der<br />

Report einen Zweck, den wir<br />

a priori definiert haben: die<br />

Lücke zwischen den Nachhaltigkeitsaktivitäten<br />

von Firmen und<br />

der Perzeption der Verbraucher:innen kleiner<br />

zu machen. Kurzum – wir sind mit den ersten<br />

Reaktionen wirklich zufrieden.<br />

Sie haben es selbst angedeutet: «Scopes»<br />

evaluiert nicht, was Schweizer Firmen im<br />

Bereich Sustainability de facto tun – sondern<br />

fokussiert darauf, wie die Firmen von der<br />

«Ich bin<br />

überzeugt, dass<br />

nachhaltiges<br />

Wirtschaften die<br />

grosse Herausforderung<br />

unserer<br />

Epoche darstellt.»<br />

Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Und er<br />

fragt die Verantwortlichen in den Unternehmen,<br />

welche Challenges sie bei der Vermittlung<br />

ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten erleben.<br />

AH Genau. Ich bin überzeugt, dass nachhaltiges<br />

Wirtschaften die grosse Herausforderung<br />

unserer Epoche darstellt. Nur wenn die Verbraucher:innen<br />

die Aktivitäten der Unternehmen<br />

in diesem Bereich verstehen, können sie<br />

informierte – sprich: nachhaltige – Entscheidungen<br />

treffen. Klare Kommunikation<br />

hilft den Verbraucher:innen,<br />

die «richtigen» Marken<br />

auszuwählen – um allerdings<br />

klar zu kommunizieren, muss<br />

man erst einmal verstehen, was<br />

die Menschen hören wollen.<br />

Was haben Sie diesbezüglich<br />

herausgefunden?<br />

AH Ein Top-Thema, das die<br />

Schweizer:innen beschäftigt, ist<br />

das Recycling. Recycling ist für<br />

die Menschen in unserem Land<br />

praktischer gelebter Umweltschutz. Ich habe<br />

beispielsweise einen Kollegen, der nach<br />

zwanzig Jahren in Australien in die Schweiz<br />

zurückgekehrt ist und mir erzählte, wie sehr er<br />

sich darauf freue, endlich wieder den Müll zu<br />

trennen (lacht). Auch die Herkunft eines Produkts<br />

– wir sprechen in der professionellen<br />

Kommunikation gern von der «Swissness» –<br />

«Scopes – The Swiss<br />

Consumer Perception<br />

of Sustainability»<br />

ist ein gemeinsamer<br />

Report der Publicis<br />

Groupe Switzerland,<br />

der Grownate AG<br />

und zweier akademischer<br />

Institute: des<br />

Instituts für Marketing<br />

und Customer<br />

Insight sowie des<br />

Instituts für Wirtschaft<br />

und Ökologie der<br />

Universität St. Gallen<br />

(HSG). Zusammen<br />

haben sie sich der<br />

Frage gewidmet, wie<br />

es um die Nachhaltigkeitskommunikation<br />

in der Schweiz<br />

bestellt ist – und<br />

sowohl die Wahrnehmung<br />

der Verbraucher:innen<br />

als auch<br />

die Innenansicht von<br />

Unternehmen<br />

analysiert. Mehr<br />

Informationen:<br />

Bild: unsplash.com / Ave Calvar.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>5<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>6<br />

wird von den Verbraucher:innen mit Nachhaltigkeit<br />

konnotiert. Und, das hat mich besonders<br />

überrascht: Es ist keinesfalls so, dass nur<br />

jüngere Verbraucher:innen Unternehmen nach<br />

wahrgenommener Nachhaltigkeit bewerten.<br />

Sondern es sind insbesondere die älteren<br />

Menschen, die sich über das Thema Gedanken<br />

machen – die überlegen, welche Welt sie ihren<br />

Kindern und Enkeln hinterlassen und wie sie<br />

diese Welt durch ihr Konsumverhalten mitprägen.<br />

All diese Erkenntnisse können Firmen<br />

nutzen, um ihre Kommunikation auf die Interessen<br />

der Kund:innen auszurichten.<br />

Spannend ist, dass teilweise eine enorme<br />

Diskrepanz zwischen den tatsächlichen<br />

Nachhaltigkeitsaktivitäten von Firmen und<br />

der Aussenwahrnehmung selbiger herrscht.<br />

Nestlé etwa engagiert sich seit Jahren<br />

enorm im Bereich Sustainability und kann<br />

das auch beweisen. Trotzdem nehmen<br />

die Teilnehmer:innen Ihrer Studie Nestlé als<br />

wenig nachhaltig wahr.<br />

PROF. JUDITH WALLS Tatsächlich ist Nestlé eines der<br />

Unternehmen, welche gemäss unserer Studie<br />

nicht als sehr nachhaltig wahrgenommen<br />

werden. Beschäftigt man sich hingegen mit<br />

den konkreten Nachhaltigkeitsbemühungen<br />

von Nestlé, wird deutlich, dass sie in diesem<br />

Bereich weiter sind als manch andere Firmen.<br />

Hier sieht man die Lücke zwischen Markenwahrnehmung<br />

und Unternehmensrealität, die<br />

Alexander vorhin angesprochen hat.<br />

Welche Gründe mag es für diese Lücke geben?<br />

JW Am Beispiel Nestlé zeigen sich einige<br />

Aspekte, die auch generell für die wahrgenommene<br />

Nachhaltigkeit von Unternehmen gelten.<br />

So spielt die Vergangenheit zum Beispiel eine<br />

Rolle. Wir alle wissen, dass Nestlé in Aktivitäten<br />

involviert war, die der Unternehmensreputation<br />

stark geschadet haben. Gleiches gilt für öffentliche<br />

Aussagen, die von Vertreter:innen des<br />

Unternehmens getätigt wurden. Ein beschädigter<br />

Ruf lässt sich nur sehr schwer reparieren.<br />

Gleichzeitig wissen Verbraucher:innen leider<br />

weniger über die tatsächlichen Nachhaltigkeitsbemühungen,<br />

als viele Unternehmen glauben<br />

oder sich wünschen würden. Ein Beispiel:<br />

Während der Energiekrise zu Beginn des<br />

Ukrainekrieges erhielten viele Firmen wütende<br />

Anrufe und Briefe, weil sie angeblich das Licht<br />

zu lange brennen liessen. Die Menschen haben<br />

das bei ihrem Abendspaziergang wahrgenommen.<br />

Die Firmen reagierten dann und schalteten<br />

das Licht früher aus, wenngleich sie sagen:<br />

«Die Einsparungen sind eigentlich marginal,<br />

die Beleuchtung war schon maximal effizient,<br />

bevor wir die Lampen eine Stunde früher<br />

ausgeschaltet haben.» Man sieht: Die Verbraucher:innen<br />

beurteilen aus der Ich-Perspektive;<br />

sie gewichten Emotionen stärker als Fakten.<br />

Mir fällt da noch ein Beispiel ein: In der breiten<br />

Wahrnehmung gilt Glas bei Verpackungen<br />

tendenziell als gut, Plastik als schlecht. Aber so<br />

einfach ist das nicht, oder?<br />

JW Nein, so einfach ist das nicht. Hier zeigt sich,<br />

welche Rolle die Medienberichterstattung in<br />

der Wahrnehmung der Verbraucher:innen<br />

spielt: Wir alle lesen immer wieder Artikel<br />

darüber, wie schlecht Plastik sei – und natürlich<br />

hat das Material zahlreiche Nachteile. Aber um<br />

ein konkretes Beispiel zu nennen: Heute<br />

Nachmittag mache ich mit meinen Student:innen<br />

eine Exkursion zu Coca-Cola. In der Vorbereitung<br />

hatte ich die Möglichkeit, die internen<br />

Lebenszyklusanalysen diverser Verpackungen<br />

einzusehen. Es ist sehr interessant, wie stark ins<br />

Detail die Abwägungen zwischen Glas- und<br />

Plastikverpackungen gehen, die Coca-Cola<br />

treffen muss. Wie dünn darf eine Glasflasche<br />

sein, damit sie beim Transport nicht zerbricht,<br />

aber trotzdem möglichst viele Flaschen in<br />

einen Lastwagen passen, um die Transportemissionen<br />

pro Flasche zu senken? Wenn man<br />

Plastik verwendet, ist das im Transport allenfalls<br />

leichter, aber man hat dafür andere Probleme,<br />

beispielsweise beim Recycling. Und das sind<br />

jetzt nur zwei Faktoren, es gibt noch Dutzende<br />

weitere. Am Ende sehen die Verbraucher:innen<br />

nur das Produkt – und nicht, warum es so<br />

verpackt und gestaltet wurde, wie es in die<br />

Läden kommt. Das muss irgendwie in einen<br />

Zu den<br />

Personen<br />

Dr. Alexander<br />

Haldemann ist CEO<br />

der Publicis Groupe<br />

Switzerland und<br />

Co-Initiator des<br />

«Scopes-Reports».<br />

Darüber hinaus<br />

agiert er als globaler<br />

Chairman der<br />

Branding-Agentur<br />

MetaDesign und<br />

engagiert sich als<br />

Lehrbeauftragter an<br />

der Universität<br />

St. Gallen (HSG).<br />

Prof. Judith Walls ist<br />

Professorin und<br />

Lehrstuhlinhaberin<br />

für Nachhaltigkeitsmanagement<br />

und<br />

Direktorin des<br />

Instituts für Wirtschaft<br />

und Ökologie (IWÖ)<br />

sowie Delegierte für<br />

Verantwortung &<br />

Nachhaltigkeit an der<br />

Universität St. Gallen<br />

(HSG).<br />

«Die Verbraucher:innen gewichten Emotionen<br />

stärker als Fakten.»<br />

Bilder: zVg.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>7<br />

simplen Slogan gepackt werden – zum Glück<br />

ist das nicht meine Aufgabe, sondern die von<br />

Alexander (lacht).<br />

AH Mir fällt gerade eine schöne Headline für<br />

unser Gespräch ein: Das Plastik-Glas-Paradoxon<br />

(lacht). Ich bin übrigens nicht ganz unschuldig,<br />

wenn es um die Wahrnehmung von Glas<br />

als gut und Plastik als schlecht geht: Bei unseren<br />

Agentur-Events galt früher das Credo, dass<br />

wir ausschliesslich Glasflaschen verwenden.<br />

Mittlerweile weiss ich, dass PET-Flaschen eine<br />

nachhaltigere Lösung sein können. Einen<br />

solchen Switch intern zu realisieren ist das<br />

eine – ihn aber für Kund:innen der Agenturgruppe<br />

in klare und wirksame Marketingbotschaft<br />

zu verpacken, das ist die wahre Herausforderung.<br />

Eine Herausforderung, derer sich auch die<br />

Unternehmen selbst bewusst sind. Sie haben<br />

für «Scopes» ja nicht nur die Wahrnehmung<br />

der Verbraucher:innen, sondern auch die<br />

Innenperspektive der Firmen untersucht und<br />

dort mit Sustainability-Verantwortlichen gesprochen.<br />

Welche Erkenntnisse haben Sie<br />

dabei gewonnen?<br />

JW Zunächst ist es so, dass die Herausforderungen<br />

in der Nachhaltigkeitskommunikation von<br />

Unternehmen zu Unternehmen<br />

stark variieren. Die Wahrnehmung<br />

der Verbraucher:innen – also die<br />

B2C-Komponente – haben wir<br />

bereits diskutiert. Für Firmen<br />

kommt aber noch die B2B-Komponente<br />

hinzu, in der kommunikativ<br />

komplett andere Bedürfnisse<br />

herrschen und andere Regeln<br />

gelten. Je nachdem, welche<br />

Gruppe im Fokus steht, müssen<br />

Unternehmen bei der Kommunikation<br />

ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen ihre<br />

Käufer:innen und Lieferant:innen unterschiedlich<br />

abholen. Darüber hinaus gibt es noch eine<br />

weitere Herausforderung: Wer kommuniziert<br />

überhaupt, was eine Firma in Bezug auf Nachhaltigkeit<br />

macht? Nur selten sind das «Allrounder»,<br />

die als Nachhaltigkeitsexpert:innen<br />

gleichzeitig über professionelle Kommunikationskenntnisse<br />

verfügen, oder umgekehrt. Oft<br />

sind Kommunikationsprofis Generalist:innen.<br />

Dazu kommt, dass entlang der Wertschöpfungskette<br />

verschiedene Personen thematisch<br />

involviert sind: jemand aus der Rechtsabteilung,<br />

aus dem Innovationsbereich, aus dem<br />

operativen Betrieb und so weiter. Jede:r hat<br />

«Vielleicht<br />

kann man – hin<br />

und wieder –<br />

die Komplexität<br />

selbst zum<br />

Thema<br />

machen?»<br />

«Eine sorgsam angelegte<br />

Vereinfachung ist kein Risiko<br />

für einen Shitstorm.»<br />

andere Inhalte zu kommunizieren. Dazu kommt<br />

dann noch die unterschiedliche Aufbereitung<br />

nach B2B- oder B2C-Zielgruppe. Sie merken,<br />

dass das höchst komplex ist.<br />

Was können Kommunikationsagenturen tun,<br />

um diese Komplexität zu mitigieren?<br />

AH Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass uns<br />

zunächst ein Bildungsauftrag gegeben ist. Wir<br />

müssen den Unternehmen erklären, was die<br />

Verbraucher:innen hören möchten – und ihnen<br />

dann zeigen, wie sie die Komplexität ihrer<br />

Bemühungen im Bereich Sustainability kommunikativ<br />

reduzieren können. Natürlich will ich<br />

niemandem den wissenschaftlichen, juristisch<br />

korrekten Nachhaltigkeitsbericht wegnehmen –<br />

aber man muss klar sehen: Das ist ein Dokument<br />

für die B2B-Partner:innen, nicht für die<br />

Endkund:innen. Letztere wollen «Infotainment»,<br />

sie wollen leicht zugängliche Inputs zur Nachhaltigkeit<br />

einer Marke, einer Firma. Wenn ich<br />

das sage, erlebe ich immer<br />

wieder, dass Unternehmensverantwortliche<br />

die Sorge vor Greenwashing<br />

äussern. À la: «Wenn wir<br />

nicht detailliert genug argumentieren,<br />

wirft man uns das am Ende<br />

vor und wir bekommen riesige<br />

Probleme.» Aber Sorgen sind ein<br />

schlechter Ratgeber, und eine<br />

sorgsam angelegte Vereinfachung<br />

ist kein Risiko für einen Shitstorm.<br />

Gar nicht zu kommunizieren – das<br />

ist das viel grössere Problem.<br />

JW Und vielleicht könnte man – hin und wieder –<br />

die Komplexität selbst zum Thema machen?<br />

Vielleicht könnte man auch einfach mal darüber<br />

sprechen, dass es bei einigen Fragen der<br />

Nachhaltigkeit – wir kommen wieder zurück zu<br />

Glas und Plastik – keine universelle Lösung<br />

gibt, sondern dass von Fall zu Fall entschieden<br />

werden muss? Vielleicht darf man den Leuten<br />

auch mal sagen, dass man an besseren Verpackungen<br />

arbeitet; dass man kontinuierlich in<br />

Entwicklung investiert, aber dass man für die<br />

Forschung Zeit braucht? Als Konsumentin<br />

würde ich so etwas viel lieber hören, als überhaupt<br />

nichts zu hören.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>8<br />

NACHHALTIGKEIT<br />

Im grünen<br />

Labyrinth<br />

Ein Sustainability-Workshop-Konzept,<br />

das die Agentur Wirz zusammen mit der HSG<br />

erarbeitet hat, erleichtert es Unternehmen, sich im<br />

Labyrinth «grüner Kommunikation» zurechtzufinden.<br />

Im Folgenden fünf Snippets, die es im Bereich<br />

Nachhaltigkeitskommunikation zu kennen gilt.<br />

Von: Marleen Diener*<br />

#1<br />

Die 17 SDGs und warum sie für<br />

Marken und Kommunikation wichtig<br />

sind<br />

Workshop<br />

Nachhaltigkeit<br />

Im Sustainability Workshop<br />

hat die Agentur Wirz im<br />

Sparring mit der HSG<br />

erarbeitet, wie Unternehmen<br />

sich glaubwürdig positionieren<br />

und ihre Aktivitäten<br />

effektiv kommunizieren<br />

können. m&k bringt weitere<br />

Snippets in den folgenden<br />

Ausgaben.<br />

lenswert, marken- und kommunikationsstrategisch<br />

auf 1 bis 2 der 17 SDGs zu<br />

fokussieren. Bestenfalls ist es ein Feld,<br />

welches bereits mehrere Anknüpfungspunkte<br />

zur Marken-DNA aufweist. So kann<br />

die entsprechende Nachhaltigkeitspositionierung<br />

über einen längeren Zeitraum<br />

etabliert und bei der entsprechenden<br />

Zielgruppe verankert werden.<br />

#2<br />

Nachhaltigkeit als starker Treiber<br />

im Employer Branding<br />

Mit der Gen Z wächst die wichtigste Zielgruppe<br />

unserer Zeit heran. Diese schwer<br />

fassbare Zielgruppe erwartet von Unternehmen<br />

und Marken, dass sie etwas für<br />

Nachhaltigkeit tun. Ein Zusammenhang<br />

dieser beiden Themen ist im Employer<br />

Branding spürbar: Die Anforderungen<br />

an Arbeitgeber punkto Nachhaltigkeit<br />

steigen, wie die Studie von StepStone &<br />

Handelsblatt Research Institute zeigt:<br />

drei von vier Befragten ist es wichtig,<br />

dass Nachhaltigkeit bei ihrem (möglichen)<br />

Arbeitgeber einen hohen Stellenwert<br />

hat. Gleichzeitig hat der Fachkräftemangel<br />

– verstärkt durch Coronakrise<br />

und Ukrainekrieg – den «War for talents»<br />

zusätzlich angeheizt. Eine aus dem Unternehmen/Marke<br />

gedachte Positionierung<br />

im Bereich Nachhaltigkeit wird darum<br />

Die Sustainable Development Goals (kurz<br />

SDGs) bilden das Kernstück der Agenda<br />

2030 für die globale nachhaltige Entwicklung<br />

der UNO-Mitgliedstaaten. Auch im<br />

Bereich Markenentwicklung und Kommunikation<br />

sind sie hilfreich und geben einen<br />

Überblick, in welchen thematischen Feldern<br />

eine Marke/Unternehmen tätig werden<br />

kann. Auch wenn z.B. eine komplexe<br />

Lieferkette eines Unternehmens unterschiedliche<br />

SDGs tangiert, ist es empfehnicht<br />

nur aus Konsumentensicht immer<br />

zentraler, sondern auch für das Recruiting<br />

bzw. Employer Branding, um (junge)<br />

Talente für sich zu gewinnen.<br />

#3<br />

Gibt es «nachhaltige» Produkte?<br />

In der Kommunikation von Produkten<br />

und Dienstleistungen werden Begriffe<br />

wie «nachhaltig», «klimaneutral» oder<br />

gar «klimapositiv» verwendet. Jedoch<br />

hinterlässt jedes neu hergestellte Produkt<br />

einen ökologischen Fussabdruck und<br />

belastet somit die Umwelt – mit entsprechenden<br />

Bemühungen sind sie darum<br />

bestenfalls «nachhaltiger» oder «klimaneutralisiert».<br />

In der Nachhaltigkeitskommunikation<br />

werden Botschaften<br />

zunehmend stärker präzisiert. Armedangels<br />

– eine Bekleidungsmarke, bekannt<br />

durch ihre nachhaltige Mode – reagiert<br />

beispielsweise mit radikaler Ehrlichkeit.<br />

Ihre Kampagne «Sustainable products<br />

don’t exist» schafft Awareness, um das<br />

eigene Konsumverhalten zu überdenken,<br />

unsplash.com / Peter Burdon<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


<strong>12</strong>9<br />

und setzt ihren Purpose über mögliche<br />

Umsatzpotenziale.<br />

#4<br />

Die Verantwortung der Marketingund<br />

Kommunikationsbranche<br />

Nachhaltigkeit ist ein Thema, mit dem sich<br />

viele Marketing- und Kommunikationsmenschen<br />

auseinandersetzen. Im Zuge<br />

unserer Werbeintegrität darf dabei nicht<br />

vergessen gehen, dass wir Verantwortung<br />

in zwei Richtungen tragen. Einerseits die<br />

Verantwortung, unsere Kunden vor Greenwashing-Skandalen<br />

zu schützen, indem<br />

man dort hinschaut, wo es wehtut, und<br />

sie fachkompetent berät. Gleichzeitig<br />

tragen wir eine Verantwortung den Konsument:innen<br />

gegenüber, sie vor Täuschung<br />

und Falschinformationen zu schützen.<br />

Nachhaltigkeitskommunikation hat<br />

das Potenzial, Orientierung im «Sustainable-Jungle»<br />

zu liefern, Menschen zu nachhaltigeren<br />

Entscheidungen zu befähigen,<br />

und damit einen echten Impact für unsere<br />

Umwelt zu leisten.<br />

#5<br />

Green Attitude Behaviour Gap<br />

Wir kennen es alle: Unsere persönliche<br />

Einstellung zu Klima und Umweltschutz<br />

übertragt sich oftmals nicht zu 100% in<br />

unser tatsächliches Kaufverhalten. In der<br />

Wissenschaft hat man für diesen sogenannten<br />

Green Attitude Behavior Gap<br />

vielfältige Gründe identifiziert – von begrenzter<br />

Verfügbarkeit über Preisdifferenzen<br />

hin zu fehlendem Vertrauen in<br />

die Wirksamkeit. Sich davon entmutigen<br />

zu lassen ist nicht sinnvoll. Statt mit dem<br />

Finger auf Konsument:innen zu zeigen<br />

und die Schuld auf sie abzuwälzen, sollten<br />

nachhaltige Kaufentscheidungen so<br />

zugänglich wie möglich gestaltet werden.<br />

Je mehr der positive Impact, den<br />

jeder/jede Einzelne beitragen kann, motivierend<br />

vermittelt wird, desto stärker<br />

wird persönliches Engagement fester<br />

Bestandteil der eigenen Lebensrealität.<br />

*Marleen Diener, Head of Strategy<br />

Consulting & Leitung Kompetenzzentrum<br />

für Nachhaltigkeit der Wirz Group.<br />

FA Z I T<br />

Nachhaltigkeitskommunikation<br />

1<br />

Die 17 SDGs<br />

Fokus auf ein bis zwei<br />

Sustainable Development<br />

Goals der Agenda 2030 für<br />

die globale nachhaltige<br />

Entwicklung der UNO-Mitgliedstaaten<br />

legen.<br />

2<br />

War for Talents<br />

Positionierung im Bereich<br />

Nachhaltigkeit wird immer<br />

zentraler, auch für das<br />

Recruiting bzw. Employer<br />

Branding, um (junge)<br />

Talente für sich zu gewinnen.<br />

3<br />

Sustainable products<br />

don’t exist<br />

Jedes neu hergestellte<br />

Produkt hinterlässt einen<br />

ökologischen Fussabdruck<br />

und belastet die Umwelt –<br />

mit Bemühungen sind sie<br />

darum bestenfalls «nachhaltiger»<br />

oder «klimaneutralisiert».<br />

4<br />

Verantwortung<br />

Nachhaltigkeitskommunikation<br />

hat das Potenzial,<br />

Orientierung im «Sustainable-Jungle»<br />

zu liefern,<br />

5<br />

Green Attitude<br />

Behaviour Gap<br />

Statt mit dem Finger auf<br />

Konsument:innen zu zeigen<br />

und die Schuld auf sie<br />

abzuwälzen, sollten nachhaltige<br />

Kaufentscheidungen so<br />

zugänglich wie möglich<br />

gestaltet werden.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


130<br />

PROGRAMMATIC AD<br />

Nachhaltige<br />

Werbung<br />

Die Auslieferung von 1000 programmatisch ausgespielten<br />

Ad Impressions verbraucht die gleiche Menge an Energie<br />

wie ein Waschmaschinengang. Eine durchschnittliche<br />

Onlinekampagne stösst gegen fünf Tonnen CO2 aus.<br />

Von Fabrice Lalive*<br />

A<br />

ngesichts des wachsenden<br />

Bewusstseins für die Klimakrise<br />

und der Auswirkungen<br />

des Internets sowie der<br />

digitalen Werbung in der<br />

Gesellschaft und unserer Branche ist es<br />

wichtiger denn je, als Werbetreibende<br />

Verantwortung zu übernehmen und den<br />

ökologischen Aspekt einer Werbekampagne<br />

nicht zu ignorieren. Die Integration<br />

von Nachhaltigkeit in die Bewertung<br />

und Strategie von Programmatic Advertising-Kampagnen<br />

bietet Unternehmen<br />

und Brands die Möglichkeit, sich verantwortungsbewusst<br />

und zukunftsorientiert<br />

zu positionieren. Im Vergleich zu<br />

anderen Branchen gibt es leicht und<br />

schnell umsetzbare Massnahmen, um<br />

die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren.<br />

Darüber hinaus zeigt sich, dass<br />

nachhaltige Werbung nicht nur ökologisch,<br />

sondern auch effizienter ist und<br />

die Performance einer Werbekampagne<br />

verbessern kann.<br />

Supply Path Optimization<br />

Um solche Strategien sinnvoll umzusetzen,<br />

ist es unerlässlich, die anfallenden<br />

CO2-Emissionen einer programmati-<br />

schen Kampagne durch eine genaue und<br />

relevante Messung zu berechnen.<br />

Bevor eine Ad Impression vor den<br />

Augen des Users landet, durchläuft sie<br />

eine komplexe Supply Chain von Rechenzentren<br />

und Netzwerken, an deren zahlreichen<br />

Stopps stets Energie verbraucht<br />

und somit CO2 freigesetzt wird. Nur etwa<br />

20 Prozent der durch eine Ad Impression<br />

verursachten Kohlenstoffemissionen<br />

stammen vom Nutzer bzw. von dessen<br />

Gerät. Der Grossteil der Emissionen resultiert<br />

aus einem überfüllten Supply Path,<br />

den eine programmatische Ad Impression<br />

während ihres Life Cycle durchläuft.<br />

Supply Path Optimization (SPO) wird<br />

bereits seit einiger Zeit aufgrund ihres<br />

Effekts auf die Kampagnen-Performance<br />

gelobt und dürfte nun durch den ökologischen<br />

Aspekt noch weiter an Bedeutung<br />

gewinnen. Weitere wichtige Faktoren<br />

in der Messung von CO2-Emissionen<br />

sind Media Distribution (CMS, CDN<br />

und Hosting-Faktoren) sowie Creative<br />

Distribution (Data Transfer).<br />

Unter Berücksichtigung dieses breiten<br />

Spektrums an Faktoren wurden in jüngster<br />

Zeit verschiedene Benchmarks für die<br />

CO2-Emissionen in der Werbebranche<br />

erarbeitet. Da es (noch) keine standardisierte<br />

Methodik für die Messung dieser<br />

Emissionen gibt, ist es umso wichtiger,<br />

dass die Auswahl der verwendeten Messlösungen<br />

auf einer soliden wissenschaftlichen<br />

Grundlage beruht. Drop8 stützt<br />

sich dabei auf Benchmarks, die von<br />

Scope3 in Zusammenarbeit mit Ebiquity<br />

und BiScience ermittelt wurden. Demnach<br />

stösst eine einzelne Display Impression<br />

durchschnittlich 0,67g an CO2 aus<br />

(der globale Durchschnitt liegt bei 0,52g,<br />

unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede<br />

und eines vorsichtshalber bewusst<br />

konservativen Approach verwendet<br />

Drop8 etwas höhere Werte.) Um diese<br />

Information mit allgemein anerkannten<br />

Branchenzahlen zu vereinheitlichen, setzt<br />

Drop8 auf die neue Metrik gCO2pm – für<br />

Display bedeutet dies 670 Gramm CO2<br />

(und äquivalente Treibhausgase), die pro<br />

1000 Impressions ausgestossen werden.<br />

Solche Benchmarks und weitere erlauben<br />

es, dass für sämtliche Kampagnen – ob<br />

online, PDOOH oder audio – ein Carbon<br />

Footprint berechnet werden kann, den<br />

eine Kampagne generieren wird. Dies<br />

wiederum erlaubt es, einen monetären<br />

Wert zur Kompensation der anfallenden<br />

Emissionen zu berechnen.<br />

Das Messen von Emissionen ist jedoch<br />

nur der erste Schritt. Erst durch die<br />

Reduktion dieser Emissionen anhand<br />

Bild: unsplash.com<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


131<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


132<br />

jeder einzelnen Werbekampagne<br />

können wir eine<br />

nachhaltigere Zukunft anstreben.<br />

Es gibt sehr effektive<br />

und schnell umsetzbare<br />

Massnahmen, die in<br />

jeder programmatisch umgesetzten<br />

Onlinekampagne<br />

berücksichtigt werden<br />

sollten.<br />

Ausmerzen von<br />

Data-Waste Websites<br />

Eine grosse Zahl an Resellers<br />

und Ad Bombardments<br />

sind Anzeichen für sogenannte Madefor-Advertising<br />

(MFA) Websites. Eine<br />

hohe Werbedichte, Clickbait Content<br />

und hoher Inbound Traffic sind nicht nur<br />

schädlich für die Effizienz der eingekauften<br />

Werbung, sondern erzeugen auch<br />

einen signifikant höheren CO2-Fussabdruck.<br />

Durch die Verwendung von Custom<br />

Allowlists und spezifischen Blocklists<br />

können und sollten solche Websites in<br />

jeder Kampagne vermieden werden.<br />

Domain-Level Measurement Data oder<br />

Lösungen wie das ClimateShield Targeting<br />

von Scope3 können ebenfalls helfen.<br />

Fokus auf Green Media<br />

Im Gegenzug sollten qualitativ hochwertige<br />

Werbeumfelder Priorität in der<br />

Kampagnenstrategie haben. Weniger<br />

Reseller und ein kürzerer Supply Path<br />

führen zu geringeren CO2-Emissionen.<br />

Natürlich sollte dies nicht auf Kosten der<br />

Kampagnenleistung gehen – viele Studien<br />

zeigen jedoch ohnehin eine Korrelation<br />

zwischen Performance Benefits<br />

und tieferem CO2-Fussabdruck.<br />

Streaming statt Download<br />

Grosse Player wie Netflix setzen bereits<br />

auf energieeffizienteres Adaptive Streaming.<br />

Dabei wird ein Video in kleine<br />

Datenpakete aufgeteilt und gestreamt,<br />

anstatt es vollständig herunterzuladen,<br />

«Nachhaltigkeit<br />

sollte nicht<br />

als Hindernis<br />

für das Streben<br />

nach Effizienz<br />

in der Werbung<br />

betrachtet<br />

werden.»<br />

bevor es abgespielt wird. In der Werbung<br />

ist diese Technologie noch nicht weit<br />

verbreitet, aber die Umsetzung erfolgt<br />

auf die gleiche Weise: Statt Download<br />

von zum Teil mehreren MBs an Daten<br />

kann mit adaptiver Streaming-Technologie<br />

unnötige Datenübertragung vermieden<br />

werden, was in einer Ersparnis<br />

an CO2-Emissionen resultiert. Das Beste<br />

daran: Sofortige Anzeigenaufrufe ohne<br />

Ladezeiten führen nebst einer verbesserten<br />

User Experience auch zu einem<br />

Uplift an Kampagnen-Performance.<br />

Qualität vor Quantität<br />

Effektive Werbung ist Werbung, die die<br />

richtige Zielgruppe erreicht und von<br />

dieser auch wahrgenommen wird. Viel<br />

wichtiger als der Wahn nach Reichweite<br />

und hohen Volumen ist der qualitative<br />

Sichtkontakt jeder einzelnen Ad Impression.<br />

Die Überprüfung von vertrauenswürdigen<br />

und transparenten Datenanbietern<br />

ist ebenso wichtig wie die<br />

Messung quantitativer KPIs wie Sichtbarkeit<br />

und Aufmerksamkeit.<br />

Nachhaltigkeit als Chance<br />

Die Fortschritte bei den Möglichkeiten<br />

der Messung des Einflusses von programmatischer<br />

Werbung auf die Umwelt<br />

sind ermutigend. Immer genauere und<br />

zuverlässigere Emissionsdaten bieten<br />

eine solide Grundlage für den Wandel<br />

zu mehr Nachhaltigkeit in der digitalen<br />

Werbebranche. Letztendlich sind es jedoch<br />

die Entscheidungen und Investitionen<br />

zugunsten von ökologisch freundlicheren<br />

Werbekampagnen, die den<br />

notwendigen Wandel vorantreiben<br />

werden. Nachhaltigkeit sollte nicht als<br />

Hindernis für das Streben nach Effizienz<br />

in der Werbung betrachtet werden,<br />

sondern als Chance, eine langfristig<br />

ausgerichtete und zukunftsorientierte<br />

Werbebranche zu gestalten.<br />

* Fabrice Lalive, Director Innovation &<br />

Technology, zeichnet verantwortlich für das<br />

Thema Sustainability bei Drop8.<br />

Bild: unsplash.com<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Customer Data Platform<br />

Sie wissen viel mehr über Ihre<br />

Kundschaft, als Sie wissen.<br />

Schöpfen Sie das Potential Ihrer Daten voll aus. Die Customer<br />

Data Platform führt alle Ihre Kundendaten automatisch<br />

zusammen. So lassen sie sich in Echtzeit analysieren und<br />

Sie gewinnen wertvolle 360° Einblicke. Für eine effektive,<br />

personalisierte Kommunikation über alle Kanäle hinweg – und<br />

ein gesteigertes ROI. Erfahren Sie mehr: www.pwc.ch/cdp


134<br />

FINANZEN<br />

«Grün»<br />

investieren<br />

Immer mehr Anleger:innen wollen ihr Geld gemäss<br />

nachhaltigen Prinzipien investieren. Mit ihrem<br />

«Responsible»- und «Sustainable»-Ansatz deckt die Zürcher<br />

Kantonalbank einen Grossteil der entsprechenden Bedürfnisse<br />

ab – neu auch in der digitalen Vorsorge.<br />

Von Fabio Pellizzari*<br />

D<br />

ie Entwicklung ist spektakulär:<br />

Innerhalb von nur<br />

fünf Jahren hat sich das<br />

Volumen der Investments<br />

mit Nachhaltigkeitsbezug<br />

in der Schweiz von 716,7 Millionen Franken<br />

im Jahr 2018 auf 1,61 Milliarden<br />

Franken im Jahr 2022 mehr als verdoppelt.<br />

Nach jahrelangen zweistelligen<br />

Wachstumsraten hat das anspruchsvolle<br />

Anlagejahr 2022 deren Entwicklung gebremst.<br />

Doch selbst in diesem schwachen<br />

Börsenjahr ist der Trend zu nachhaltigen<br />

Anlagen laut der Marktstudie<br />

«Nachhaltige Anlagen <strong>2023</strong>» von Swiss<br />

Sustainable Finance ungebrochen geblieben.<br />

Der steile Anstieg zeigt: Kundinnen<br />

und Kunden wollen ihr Geld nachhaltig<br />

investiert. Nach welchen Prinzipien dies<br />

genau erfolgen soll, ist individuell. Die<br />

Zürcher Kantonalbank bietet deshalb ein<br />

entsprechend umfassendes Angebot an.<br />

Als Swisscanto vor einem Vierteljahrhundert,<br />

also bereits 1998, mit dem<br />

Fonds «Swisscanto Green Invest» ihren<br />

ersten Nachhaltigkeitsfonds aufgelegt<br />

hatte, richtete sich dieser in erster Linie<br />

an ökologieaffine Personen. Zusammen<br />

mit dem WWF Schweiz und einem Nachhaltigkeitsbeirat,<br />

bestehend aus kompetenten<br />

Persönlichkeiten verschiedener<br />

Gesellschaftsbereiche, entwickelte der<br />

Vermögensverwalter einen Katalog, der<br />

die genaue Nachhaltigkeitsphilosophie<br />

umfasste. Angewendet wurde ein System<br />

mit Ausschlusskriterien, mit ausgedehnter<br />

Nachhaltigkeits- und abschliessender<br />

Finanzanalyse, um die nachhaltigsten<br />

und gleichzeitig erfolgversprechendsten<br />

Werte für die Portfolios zu identifizieren.<br />

Ausgeschlossen wurden Unternehmen,<br />

die zu einer Beschleunigung der Klimaerwärmung<br />

beitrugen, genauso wie<br />

Kernenergie, Rüstung oder Tabak.<br />

Standards und Vergleichbarkeit<br />

Viele dieser Ausschlusskriterien sind auch<br />

heute noch gültig. Doch in der Zwischenzeit<br />

hat sich einiges getan – sowohl in der<br />

Forschung als auch was die<br />

Einstellung und das Knowhow<br />

der Investorinnen und<br />

Investoren zum Thema betrifft.<br />

Verbessert haben sich<br />

die wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

genauso wie die<br />

Verfügbarkeit von Daten,<br />

welche die Nachhaltigkeit<br />

der Unternehmen erst bewertbar<br />

machen. Mit der<br />

Messung des CO2-Ausstosses<br />

gelingt es, die Externalitäten der einzelnen<br />

Betriebe nachzuvollziehen. Und<br />

dank internationaler, privat organisierter<br />

Institutionen wie dem Carbon Disclosure<br />

Project (CDP) existieren Standards für die<br />

Erfassung und Rapportierung nicht finan-<br />

«Inzwischen hat<br />

das Thema<br />

Nachhaltigkeit<br />

die gesamte<br />

Gesellschaft und<br />

auch den Gesetzgeber<br />

erreicht.»<br />

zieller Daten, wie des CO2-Ausstosses.<br />

Dies ermöglicht eine globale Vergleichbarkeit.<br />

Nachhaltigkeit hat sich etabliert<br />

Nachhaltigkeit ist längst kein Nischenthema<br />

mehr. Unter anderem wegen des<br />

Fortschreitens des menschengemachten<br />

Klimawandels beschäftigen sich heute<br />

nicht nur einzelne Interessengruppen<br />

und Unternehmen intensiv mit dem<br />

Thema. Inzwischen hat die Angelegenheit<br />

die gesamte Gesellschaft und auch<br />

den Gesetzgeber erreicht. Entsprechend<br />

hat sich Nachhaltigkeit auch in der Finanzindustrie<br />

etabliert. Viele der führenden<br />

Anbieter im Sektor haben sich zu<br />

den Prinzipien der Nachhaltigkeit<br />

bekannt. Swisscanto<br />

und das Asset-Management<br />

der Zürcher<br />

Kantonalbank beispielsweise<br />

bieten in ihren eigenen<br />

aktiven Anlagegefässen<br />

nur noch Produkte an,<br />

die entweder der «Sustainable»-<br />

oder der «Responsible»-Strategie<br />

entsprechen<br />

und damit nachhaltige<br />

Ziele verfolgen. Mit den genannten Ansätzen<br />

trägt das Finanzinstitut dem Anliegen<br />

vieler Kundeninnen und Kunden<br />

Rechnung, die mit ihren Investitionen auf<br />

einen nachhaltigen Wandel abzielen und<br />

zugleich Rendite erwirtschaften wollen.<br />

Bild: unsplash.com / Pat Whelen.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


135<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


136<br />

Die «Responsible»-Strategie steht<br />

primär für Ausschlusskriterien sowie<br />

Stimmrechtsausübung und zielt auf die<br />

Transition der Wirtschaft ab. Das Anlageuniversum<br />

ist deshalb breiter gefasst und<br />

investiert in fast alle Sektoren und Länder,<br />

die ihre wirtschaftlichen Aktivitäten nach<br />

nachhaltigen Vorgaben ausrichten. Der<br />

Grund dafür ist einfach und eng mit dem<br />

Prinzip der Transition verknüpft, bei dem<br />

es darum geht, bestehende konventionelle<br />

Geschäftsmodelle in nachhaltige<br />

Geschäftsmodelle umzubauen. In der<br />

Praxis ist dies sehr komplex, teuer und<br />

zeitaufwendig. Dabei ist es umso wichtiger,<br />

dass grossen Konzernen die Transition<br />

gelingt. Denn einerseits sind ihre<br />

Produkte oft essenziell, um den Wandel<br />

zu vollziehen. Andererseits ist auch die<br />

Wirkung deutlich grösser, wenn Konzerne<br />

wie Apple beispielsweise jedes<br />

ihrer Produkte mit sauberer Energie und<br />

mehr rezyklierten und erneuerbaren Materialien<br />

herstellen, als wenn ein kleines<br />

lokales Unternehmen elektronische Geräte<br />

rezykliert.<br />

«Responsible»: Klare Restriktionen<br />

und Vorgaben<br />

Trotz des breiteren Anlageuniversums<br />

bestehen auch in der «Responsible»-Strategie<br />

zahlreiche Restriktionen und Vorgaben.<br />

So geht «Responsible» beispielsweise<br />

über die vom Schweizer Verein für<br />

verantwortungsbewusste Kapitalanlagen<br />

(SVVK-ASIR) empfohlene Blacklist hinaus.<br />

Die Strategie schliesst Unternehmen aus,<br />

die etwa Waffen und Munition herstellen,<br />

Kinderarbeit tolerieren, Pornografie produzieren<br />

oder in der Kohleindustrie tätig<br />

sind.<br />

Gleichzeitig integriert der «Responsible»-Ansatz<br />

zusätzliche ESG-Kriterien<br />

und Klimazielvorgaben wie das «weniger<br />

als 2-Grad-Klimaziel». Dieses soll über<br />

einen CO2-Absenkpfad in den entsprechenden<br />

Produkten erreicht werden.<br />

Hinzu kommt der kontinuierliche Dialog<br />

mit den Unternehmen. In den Gesprächen<br />

mit dem Management und dem<br />

Verwaltungsrat werden allfällige UN-Global-Compact-Verstösse<br />

adressiert, CO2-<br />

Reduktionsziele definiert oder Themen<br />

der guten Unternehmensführung angesprochen.<br />

Sollte ein Dialog mittel- bis<br />

langfristig nicht erfolgreich verlaufen,<br />

besteht die Möglichkeit via Stimmrechtswahrnehmung,<br />

Verwaltungsratsmitglieder<br />

abzuwählen, ihre Décharge zu verweigern<br />

oder die Vergütungsanträge<br />

abzulehnen. Als zusätzliche Massnahmen<br />

kann der Gesellschaft kein weiteres Kapital<br />

zugeführt oder der Aktienanteil im<br />

Portfolio untergewichtet und schliesslich<br />

ganz veräussert werden.<br />

«Sustainable»: 1,5-Grad-Ziel im Visier<br />

Da für viele Kundinnen und Kunden eine<br />

nachhaltige Finanzanlage trotz allem<br />

nicht mit Investments in derzeit noch<br />

CO2-intensive Unternehmen einhergeht,<br />

ist die Zürcher Kantonalbank in ihrem<br />

«Sustainable»-Ansatz restriktiver: Die<br />

Ausschlusskriterien sind umfassender<br />

und es gilt – abgesehen von den Themenfonds<br />

– das sehr ambitionierte<br />

1,5-Grad-Ziel. Zudem investieren «Sustainable»-Produkte<br />

nur in Geschäftsmodelle,<br />

die schon heute Lösungen für die<br />

Zukunft bieten, mit denen sie angesichts<br />

der sozialen und ökologischen Probleme<br />

in den kommenden Jahren überdurchschnittlich<br />

wachsen werden. Aufgrund<br />

der Ausschlusskriterien und der Positivselektion<br />

verbleiben rund 30 Prozent des<br />

ursprünglichen Anlageuniversums.<br />

Wie die Zürcher Kantonalbank konkret<br />

auf die Bedürfnisse ihrer Kundschaft reagiert,<br />

zeigt auch ein aktuelles Beispiel<br />

aus der privaten Vorsorge: Nachdem die<br />

Vorsorgesparerinnen und -sparer in der<br />

digitalen Säule-3a-App frankly schon<br />

länger in «Responsible»-Produkte investieren<br />

können, erweiterte die Zürcher<br />

Kantonalbank jüngst ihr Vorsorgeangebot<br />

auf vielfältigen Kundenwunsch um<br />

die «Sustainable»-Anlagen. Damit haben<br />

sie nun auch auf dem digitalen Weg umfassende<br />

Optionen, um nachhaltig zu<br />

investieren – verantwortungsvoll in die<br />

Transition mit «Responsible» oder restriktiver<br />

mit dem «Sustainable»-Ansatz.<br />

* Der Autor ist Leiter ESG-Strategie und<br />

-Entwicklung im Asset-Management<br />

der Zürcher Kantonalbank.<br />

Bild: unsplash.com / Pat Whelen.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


Die Beiträge unserer Partner<br />

friends<br />

Die Marketing-Community hat starke Verbände –<br />

hier sagen sie, was sie beschäftigt.<br />

137<br />

Swiss Marketing ist der führende Berufsverband für Marketing & Verkauf und<br />

das stärkste branchenübergreifende Netzwerk aus Fach- und Führungskräften.<br />

> swissmarketing.ch<br />

Der Schweizer Werbe-Auftraggeberverband vertritt seit 1950 die Interessen<br />

der Werbeauftraggeber im Bereich Marketing, Werbung, Medien, Sponsoring<br />

und Public Relations.<br />

> swa-asa.ch<br />

Der SDV ist der Dachverband der Dialogmarketing-Branche in der Schweiz und<br />

ist auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene das entscheidende<br />

Sprachrohr für alle Belange des Dialogmarketings.<br />

> sdv-dialogmarketing.ch<br />

Swiss Distribution bezweckt die Förderung von Vertriebsorganisationen wie Lizenz-,<br />

Franchise- oder Agentursystemen sowie den Austausch unter Führungskräften. Der<br />

Verband ist branchen-unabhängig und politisch ungebunden.<br />

> swissdistribution.org<br />

SWISSFILM ASSOCIATION ist der Branchenverband der Schweizer Unternehmen<br />

aus der Filmproduktionsbranche, die professionell Auftragsfilme und weitere<br />

audiovisuelle Auftragsproduktionen herstellen.<br />

> swissfilm.org<br />

CallNet.ch ist der Branchenverband für Contact-Center- und Kundenkontakt-<br />

Management. Der Verband wurde 1997 gegründet, um den Austausch zu fördern.<br />

> callnet.ch<br />

Der Branchenverband PROMOSWISS wurde 1983 gegründet.<br />

Unser Motto: Wir denken und handeln unternehmerisch; wir stärken<br />

und fördern den Werbe- und Verkaufsförderungsartikel!<br />

> promoswiss.ch<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


138<br />

SWISSMARKETING.CH<br />

CLUBS<br />

Vernetzt mit<br />

Swiss Marketing<br />

VERBANDSNEWS<br />

Andreas<br />

Wild<br />

Nach den Sternen greifen<br />

20 Clubs bieten monatlich vielseitige Veranstaltungen live und digital an.<br />

Bei den hier aufgeführten Veranstaltungen handelt es sich um einen<br />

Auszug aus dem Veranstaltungskalender auf unserer Website<br />

> swissmarketing.ch/events.<br />

Ad Astra. So lautet der Titel eines Science-<br />

Fiction-Thrillers aus dem Jahr 2019. Der Weltraum-Ingenieur<br />

Roy McBride (Brad Pitt) reist im<br />

Film zum Planeten Neptun, um dort seinen<br />

Vater (Tommy Lee Jones) zu suchen. Dieser<br />

wird verdächtigt, der Auslöser von elektromagnetischen<br />

Stürmen zu sein, die die Erde<br />

bedrohen. Der Titel «Ad Astra» kann frei mit<br />

«Zu den Sternen» übersetzt werden und bedeutet,<br />

dass für den Griff nach den Sternen<br />

eine gewisse Anstrengung notwendig ist. Wie<br />

diese Anstrengung aussieht, darüber gibt das<br />

Zitat leider keinen Aufschluss. Und es ist gerade<br />

das Wie, das uns manchmal davon abhält,<br />

die nächsten Karriereschritte zu wagen, beispielsweise<br />

weil wir nicht wissen, welche<br />

Möglichkeiten sich uns bieten. Es ist aber auch<br />

das Wie, auf welches wir zurückblicken, wenn<br />

unsere Anstrengungen von Erfolg gekrönt<br />

werden. Dann nämlich, wenn andere fragen,<br />

wie man an dieses Ziel gekommen ist.<br />

Club Zug - Fachkräftemangel – Aufbau<br />

eines Talent Management in Zeiten von rasanten<br />

Arbeitsweltveränderungen<br />

Demografische Veränderungen, zunehmende Veränderungsdynamik<br />

im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld<br />

sowie der aktuell bestehende Arbeitnehmermarkt fordern die<br />

Unternehmen, die eigenen Talente zu erkennen, zu fördern<br />

und 1fordern und weiterzubringen. Das setzen wir doch alles<br />

bereits um – oder doch nicht? Referent Michael Hurni, Leiter<br />

Brand Kommunikation bei er WWZ AG, gibt Antworten.<br />

Wann: <strong>12</strong>.<strong>12</strong>.<strong>2023</strong> /<br />

Wo: WWZ AG, Chollerstrasse 26, 6301 Zug<br />

https://www.swissmarketing.ch/fachkraeftemangel-aufbaueines-talent-management-in-zeiten-von-rasanten-arbeitsweltveraenderungen/Z<br />

Anmeldung<br />

Viel Spass beim Lesen!<br />

Andreas Wild,<br />

Geschäftsführer Swiss Marketing<br />

CLUB MITGLIEDSCHAFT<br />

Als Clubmitglied (Einzelmitgliedschaft)<br />

gehörst du zu einem der 20 regionalen Swiss-<br />

Marketing-Clubs. Dort bringst du deine Erfahrungen<br />

in regelmässigen Treffen aktiv ein – und<br />

profitierst im Gegenzug von der Erfahrung<br />

deiner Clubkolleg:innen. Du erhältst regelmässig<br />

Einladungen zu Clubveranstaltungen, deren<br />

Kern meistens ein Schwerpunktreferat bildet.<br />

Darüber hinaus profitierst du von allen Dienstleistungen<br />

unseres Marketingverbands.<br />

> swissmarketing.ch/clubs/mitgliedschaft<br />

Club Zürich - Gemütliches Treffen<br />

zum Jahresausklang<br />

Verweile mit uns in der urbanen Stadtoase Binz und Kunz im<br />

Wiediker Industriequartier. Wir starten mit einem gemütlichen<br />

Apéro draussen bei der Feuerschale, um anschliessend im<br />

Winterchalet oder -pavillon mit einem traditionellen Käsefondue<br />

weiterzumachen.<br />

Wann: <strong>12</strong>.<strong>12</strong>.<strong>2023</strong> / Binz und Kunz, Räffelstrasse 17,<br />

8045 Zürich<br />

https://swissmarketingzuerich.ch/event/jahresausklang/<br />

Weitere Events<br />

Mit rund 150 Events pro Jahr ist Swiss Marketing<br />

in der gesamten Schweiz in Sachen Marketing, Verkauf<br />

und Kommunikation präsent. Schon neugierig?<br />

Weitere Informationen gibt es hier:<br />

Anmeldung<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


SWISSMARKETING.CH<br />

139<br />

SENIOR MARKETING PROFESSIONAL<br />

Das internationale Zertifikat<br />

für deine Kompetenzen<br />

Willst du dein aktuelles Wissen und deine Fachkompetenzen für den<br />

internationalen Markt ausgewiesen und bestätigt haben? Willst du in<br />

internationalen Firmen mitarbeiten? Das Zertifikat Senior Marketing<br />

Professional (SMP) unterstützt dich genau da.<br />

Über die EMC<br />

Die European<br />

Marketing Confederation<br />

(EMC) ist eine<br />

der grössten Marketing-Mitgliedsorganisationen<br />

Europas<br />

und vertritt Marketing-,<br />

Vertriebs- und<br />

Kommunikationsverbände<br />

verschiedener<br />

Länder. Swiss<br />

Marketing repräsentiert<br />

die Schweiz<br />

innerhalb der<br />

Organisation.<br />

> swissmarketing.ch/<br />

smp-de/<br />

Bild: Swiss Marketing<br />

D<br />

as Zertifikat zeigt die Berufserfahrung<br />

und das damit verbundene Engagement<br />

auf. Alle Aus- und Weiterbildungen<br />

und die beruflichen Engagements<br />

werden international bewertet. Dies bedeutet,<br />

dass die Berufserfahrung von jedem Einzelnen<br />

beurteilt ist.<br />

«Das SMP-Zertifikat für moderne<br />

Arbeitnehmer stellt eine<br />

Bestätigung meines kontinuierlichen<br />

Lernens dar. Die Plattform<br />

gibt Arbeitgebern eine<br />

Übersicht diverser Diplome<br />

und Zertifikate. Ebenso zeigt es das Engagement<br />

und die Identifizierung einer Person mit<br />

dem übergeordneten Begriff Marketing.<br />

Schliesslich ist der Titel auch dienlich zur<br />

internationalen Erkennung und Einordnung.»<br />

André Forrer, Geschäftsführer Verband Schweizer<br />

Coiffeurgeschäfte (Coiffure Suisse)<br />

Mit dem SMP wird das<br />

Lifelong Learning unterstützt,<br />

indem regelmässig<br />

die beruflichen Schritte auf<br />

der Plattform digital nachgeführt<br />

werden. Nur einige<br />

Klicks und du erwirbst dir<br />

die Punkte und bist für die<br />

Arbeitswelt im internationalen<br />

Umfeld vorbereitet.<br />

«Das SMP-Zertifikat für Arbeitnehmer<br />

bestätigt meine<br />

erworbene Berufserfahrung,<br />

verbunden mit meinem<br />

kontinuierlichen Lernen und<br />

Weiterentwickeln in einer sich fortlaufend<br />

wandelnden Branche, die sich durch die Digitalisierung<br />

immer schneller verändert.»<br />

Luciano Michelacci, Managing Director Kraftwerk<br />

Switzerland AG<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


140<br />

SWISS MARKETING<br />

«Lifelong Learning»<br />

als Brücke in die Zukunft<br />

campus.swiss, das Bildungsinstitut für Unternehmer:innen und Praktiker:innen,<br />

ist die Kompetenzplattform für Lifelong Learning at work. Sie fördert und zertifiziert<br />

praxisrelevante Kompetenzen in Marketing, Verkauf und Kommunikation.<br />

Bettina Wertli erzählt im Interview, wie campus.swiss entstand und warum Lifelong<br />

Learning und transformatives Lernen am Arbeitsmarkt an Relevanz gewinnen.<br />

Bettina Wertli<br />

Bettina Wertli ist Geschäftsführerin<br />

bei campus.swiss und hat<br />

das Unternehmen von Grund<br />

auf aufgebaut. Als langjährige<br />

Führungsperson in Marketing,<br />

Verkauf sowie im tertiären<br />

Bildungssektor und als<br />

Mitglied des Leitungsteams<br />

der Prüfungskommission für<br />

Marketing- und Verkaufsfachleute<br />

engagiert sie sich mit<br />

Leidenschaft, Herz und Seele<br />

für die Wissens- und Könnenskultur<br />

in der Schweiz.<br />

bettina.wertli@campus.swiss<br />

SWISS MARKETING Lebenslanges Lernen<br />

ist ein Konzept, welches von campus.<br />

swiss prominent bearbeitet wird. Was<br />

steckt hinter diesem Begriff?<br />

BETTINA WERTLI Lifelong Learning zielt<br />

darauf ab, dass Menschen während<br />

ihres gesamten Lebens kontinuierlich<br />

Wissen und Kompetenzen aufbauen<br />

und weiterentwickeln. In einer Zeit, in<br />

der die Komplexität in Gesellschaft<br />

und Wirtschaft stetig zunimmt, in der<br />

sich die Ansprüche und Technologien<br />

schnell verändern, ist die Offenheit<br />

und Neugierde, mit der wir diesen<br />

Entwicklungen begegnen, von entscheidender<br />

Bedeutung, um den<br />

zukünftigen Anforderungen Rechnung<br />

zu tragen. Der Sinn besteht somit<br />

darin, Kompetenzen zu erlangen, um<br />

in einer sich ständig verändernden<br />

Welt erfolgreich zu sein. Dies schliesst<br />

berufliche Weiterentwicklung, persönliche<br />

Interessen und die Anpassung an<br />

gesellschaftliche Veränderungen mit<br />

ein. Lifelong Learning beinhaltet für<br />

campus.swiss auch transformatives<br />

Lernen, bei dem der Umgang mit<br />

Unsicherheit und Komplexität ein<br />

unverzichtbarer Zukunfts-Skill ist. Wir<br />

bieten eine breite Palette von Weiterbildungsmöglichkeiten<br />

an, die Unternehmen<br />

und ihren Mitarbeitenden in<br />

verschiedenen Arbeits- und Lebenssituationen<br />

zugänglich sind, um das<br />

volle Potenzial auszuschöpfen und<br />

erfolgreich in der modernen Gesellschaft<br />

und Wirtschaft zu agieren.<br />

Wie ist die Idee zu campus.swiss<br />

entstanden?<br />

Swiss Marketing ist der Berufs- und<br />

Fachverband für Spezialist:innen in<br />

Marketing und Verkauf und bündelt<br />

landesweit Kompetenzen von Fachund<br />

Führungskräften aus unterschiedlichen<br />

Branchen. Als Mitglied der<br />

European Marketing Confederation<br />

(EMC) hat Swiss Marketing zudem<br />

Zugang zum grössten europäischen<br />

Marketing-Netzwerk und Knowhow. An<br />

zahlreichen regionalen, nationalen und<br />

internationalen Anlässen findet ein<br />

reger Erfahrungs- und Wissenstransfer<br />

zu aktuellen Themen sowie zukünftigen<br />

Trends und Herausforderungen in<br />

Marketing und Verkauf statt. Um<br />

diesen Transfer zu fördern und ihn<br />

Unternehmen und Mitarbeitenden in<br />

der ganzen Schweiz zugänglich zu<br />

machen, wurde campus.swiss ins<br />

Leben gerufen.<br />

campus.swiss positioniert sich als<br />

Kompetenzplattform. Welche Kompetenzen<br />

werden dabei abgedeckt?<br />

Wir entwickeln, fördern und zertifizieren<br />

Handlungskompetenzen, bestehend<br />

aus Fach-, Methoden-, Sozialund<br />

Selbstkompetenzen in den<br />

Bereichen Marketing, Verkauf und<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


141<br />

Kommunikation. Eine unserer Kernkompetenzen<br />

ist die Vernetzung. So<br />

vernetzen wir topaktuelle und praxisrelevante<br />

Themen mit den Ansprüchen<br />

der Wirtschaft und der Zielgruppen.<br />

Wir bringen interessierte und motivierte<br />

Fach- und Führungsleute zusammen.<br />

Das Wissen vernetzen wir mit<br />

dem Können und dem Tun.<br />

Der Schweizer Bildungsmarkt ist<br />

bereits breit gefächert. Wo passt<br />

campus.swiss da rein und was<br />

sind die Mehrwerte?<br />

Die steigende Komplexität, wie Digitalisierung<br />

und vierte industrielle Revolution,<br />

zeigt den künftigen Aus- und<br />

Weiterbildungsbedarf am Arbeitsmarkt.<br />

Unser Netzwerk von ausgewiesenen<br />

Spezialist:innen unterstützt im<br />

Rahmen gezielter Veranstaltungen die<br />

Schweizer Wirtschaft mit seiner Expertise,<br />

damit Unternehmen und Mitarbeitende<br />

heute und morgen noch erfolgreicher<br />

agieren können. Wir setzen auf<br />

aktuelle und praxisrelevante Inhalte.<br />

Für uns sind alle Unternehmen und<br />

Mitarbeitende einzigartig. Entsprechend<br />

bietet unser Bildungsansatz<br />

dank Vielfalt und Flexibilität eine<br />

grösstmögliche Individualisierung in<br />

Bezug auf Lerninhalte und Lernformate.<br />

Bettina Wertli,<br />

Geschäftsführerin<br />

campus.swiss<br />

Wie wird bei campus.swiss gelehrt?<br />

Unser Konzept ermöglicht den Handlungskompetenzaufbau<br />

durch praktische<br />

Erfahrungen, kontextgebundene<br />

Aufgaben, Lernbegleitung und<br />

Übungsgelegenheiten. Verschiedene<br />

Lernformen werden in unterschiedlicher<br />

Kombination gezielt auf Zielgruppen<br />

und Inhalte abgestimmt.<br />

campus.swiss ist eine 100%ige Tochter<br />

von Swiss Marketing. Können die<br />

Mitglieder des Verbandes von diesem<br />

Angebot profitieren?<br />

Ja, die Mitglieder profitieren von<br />

speziellen Konditionen.<br />

Kann man sich bei campus.swiss<br />

bereits anmelden?<br />

Auf unserer Website campus.swiss<br />

sind die ersten Veranstaltungen<br />

ausgeschrieben, weitere werden<br />

folgen. Zudem bieten wir aktuell<br />

kostenfrei den Zugang zu zwei Keynotes<br />

im digitalen Marketing auf unserer<br />

Kompetenzplattform an. Wir freuen<br />

uns auf Interessierte und stehen gerne<br />

für individuelle Beratungsgespräche<br />

zur Verfügung.<br />

Die drei Säulen von<br />

campus.swiss<br />

1.<br />

Wir prüfen die Prüfenden<br />

Wir bereiten die Prüfungsexpert:innen<br />

der Berufsund<br />

höheren Fachprüfungen<br />

in Marketing und<br />

Verkauf auf ihre Aufgaben<br />

vor.<br />

2.<br />

Wir zertifizieren Lifelong<br />

Learning<br />

Wir bieten ein grosses<br />

Bildungs- und Zertifizierungsangebot<br />

an. Wir<br />

setzen auf bewährte Partnerschaften<br />

und die enge<br />

Zusammenarbeit mit<br />

Bildungsanbietern. Mit dem<br />

Ziel, auch unsere langjährigen<br />

Partner zu stärken,<br />

bieten wir diesen Partnerschaften<br />

spezifische Geschäftsmodelle<br />

an.<br />

3.<br />

Wir sind Bildungspartner<br />

der Wirtschaft<br />

Wir sind exklusiver Bildungspartner<br />

der Wirtschaft<br />

und helfen Unternehmen,<br />

ihre Mitarbeitenden auf<br />

dem neusten Stand zu<br />

halten und sich gezielt auf<br />

die Anforderungen von<br />

morgen vorzubereiten.<br />

> campus.swiss<br />

Bilder: campus.swiss<br />

Welche Zielgruppen will campus.swiss<br />

ansprechen?<br />

campus.swiss ist auf drei Säulen aufgebaut:<br />

Wir prüfen die Prüfenden,<br />

zertifizieren Lifelong Learning und wir<br />

sind Bildungspartner der Wirtschaft.<br />

(Siehe Kasten.)<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


142<br />

SWISS MARKETING<br />

Bühne frei für<br />

die Marketing Stars<br />

Schaffhausen im September und es hiess «Vorhang auf für die neue Marketing Arena».<br />

Diese fand erstmals im Kino Kinepolis statt. Doch nicht nur der Ort hat sich geändert, auch<br />

das gesamte Konzept wurde überarbeitet. Zum ersten Mal wurden im Rahmen der Marketing<br />

Arena die exklusiven «Marketing Stars» an auserwählte Marketeers verliehen.<br />

B<br />

ereits zum 13. Mal ging in Schaffhausen<br />

die Marketing Arena über die Bühne –<br />

die Plattform für Wissensaustausch<br />

rund um die Themen Marketing, Kommunikation<br />

und Verkauf – organisiert<br />

vom Swiss Marketing Club Schaffhausen. Dabei<br />

folgte die Marketing Arena einem ganz neuen<br />

Konzept und fand zum ersten Mal im Kino Kinepolis<br />

statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung<br />

standen versierte «Marketing Stars», welche das<br />

Publikum in ihren Referaten zu diversen Marketing-<br />

und Verkaufsthemen mittels ihrer einzigartigen<br />

Erfahrungen und Erfolge inspirierten.<br />

Yves Heer, Getränkeerfinder und CEO,<br />

demonstrierte, wie man in einer Markenvielfalt<br />

eine neue Marke erfolgreich platziert, und die<br />

schönste Fussballerin der Welt, Ana Maria Markovic,<br />

erzählte, wie sie als Schweizer Influencerin<br />

zu mehr als 2,9 Millionen Follower kam. Zum<br />

Thema Change Management zeigte Raphael<br />

Pedroncelli, Managing Director Operations im<br />

Zürcher Hotel Storchen, auf, weshalb Stillstand<br />

immer ein Rückschritt ist, und als einer der erfolgreichsten<br />

Schweizer Spitzensportler begeisterte<br />

Heinz Frei das Publikum als Motivator. Im Anschluss<br />

gab Yves Dähler, Geschäftsleiter Rigert<br />

Liftsysteme und ehemaliger Leiter globaler<br />

Vertrieb bei Victorinox, Einblicke in seine erfolgreichen<br />

Zielsetzungen sowie Vertriebs- und<br />

Sponsoringstrategien. Moderiert wurde der<br />

Anlass von Andrea Imthurn und Ralph Aichem,<br />

zwei Vorstandsmitgliedern von Swiss Marketing<br />

Schaffhausen.<br />

Die rund 200 Teilnehmer:innen konnten zudem<br />

live in der Marketing Arena mittels digitaler Abstimmung<br />

bestimmen, wer den Pokal «Marketing<br />

Andrea Imthurn und Ralph Aichem führten die rund 200 Teilnehmenden<br />

durch den Abend.<br />

Weitere<br />

Informationen<br />

zur Veranstaltung:<br />

Star Schaffhausen <strong>2023</strong>» mit nach Hause nehmen<br />

darf. Hierzu wurden vom OK der Marketing Arena<br />

im Vorfeld drei Überraschungs kandidat:innen<br />

aus Schaffhausen für besondere Leistungen im<br />

Bereich Marketing nominiert. Zu den drei Nominierten<br />

gehörten Fabienne Spiller mit dem<br />

Konzept «Living Museum», Bruno Bosshard mit<br />

dem regionalen Lieferservice «Regio-Puur» sowie<br />

Francis Batali mit seinem eigenen Modelabel<br />

«William». Vom Publikum zum «Marketing Star<br />

Schaffhausen <strong>2023</strong>» gewählt wurde Bruno Bosshard<br />

mit dem Regio-Puur-Konzept, dem regionalen<br />

Lieferservice von einheimischen, saisonalen<br />

Lebensmitteln. Geliefert werden die Produkte<br />

nach Hause und ins Büro, individuell oder im<br />

Abo.<br />

Bild: Mike Kessler, profifoto.ch<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


HERZLICHE GRATULATION ZUM<br />

PRÜFUNGSERFOLG!<br />

23 Marketingleiter*innen und <strong>11</strong>6 Verkaufsleiter*innen haben<br />

die anspruchsvolle eidgenössische Prüfung erfolgreich bestanden.<br />

Swiss Marketing gratuliert den Absolventinnen und<br />

Absolventen und ist stolz sie in den Reihen der<br />

Marketing- und Verkaufs-Profis willkommen<br />

zu heissen. Viel Freude und Erfolg<br />

auf dem Weg nach oben.<br />

MARKETINGLEITER*INNEN <strong>2023</strong><br />

Alario Nadine, Ballmer Andreas Pascal, Berger<br />

Chantal, Bergmann Andrea Corinne, Brülisauer Patricia Marlis,<br />

Eichenberger Joël Michel Walter, Grab Stefanie, Hunkeler Carla Anna,<br />

Kuster Flavia Irène, Mader Noemi Melanie, Meddeb Mohamed Amine, Meier<br />

Yvonne, Meierhofer Sandra, Memeti Lumturije, Pecelli Elena, Rimensberger Wegmann<br />

Mirjam Ursula, Savoldelli Shadia, Schmuki Michael, Schwaller Jennifer Deborah, Sommer Reto<br />

Adrian, Wernli Manuela, Wittwer Simon, Wüthrich Patrick Michel VERKAUFSLEITER*INNEN <strong>2023</strong><br />

Morgenthaler Philipp, Annen Pascal, Bickel Pascal Manuel, Buntschu Andreas Armin, Carra-Gratz<br />

Andreas, Hauri Alain, Hofstetter Philipp, Keller Luca, Landolt Janine, Leuzinger Vanessa Maria-Laura,<br />

Lnenicka Ronny Sidney, Nadenbousch Elisabeth, Neher Luzia, Schmid Christoph, Tomeo Domenico, Urwyler<br />

Jean-Claude, Artmann Kevin, Bannwart André, Bösch Philippe, Bruno Claudio, Burger Severin, Cetin Emre,<br />

Di Benedetto Stefania, El Benna Selim, Flütsch Aaron Luc, Graf Marc, Gross Patric, Gubler Tanja, Ingold Manuela,<br />

Kaneshalingam Janush, Lüscher Joel Albin, Mertingk Ken Benno, Padula Claudio, Petriella Sabrina Verena, Racaj<br />

Besart, Schneiter Daniel Luis, Stadelmann Stefan, Willems Maike, Zürcher Stefan Roger, Robbiano Kay Alan,<br />

Tinguely Marc, Binz Patrick, Bosshard Philip, Dietsche Nick, Facchinetti Marco, Haziri Blerim, Koller Roman Niklaus,<br />

Kuonen Tiffany, Michienzi Alessio, Morea Michelangelo, Mulaj Besart, Nydegger Roberto, Rinderer Marcel, Affolter<br />

Rainer Andreas, Caduff Manuel, Cazzola Alessio, Guéron Stéphanie, Guerriche Pasquale Silvano, Häfliger Marco,<br />

Istrefi Ilirida, Izairi Bekim, Kunz Elia Sacha, Kunz Pascal, Müller Tobias Michael, Riechsteiner Marco, Schneider<br />

Daniel, Schnider Oliver, Zimmermann Tamara Tatjana Alissa Jasmin, Cozzio Mario Antonio, Demont Claudio<br />

René, Küpfer Nico, Ruggiero Renzo, Wagnières Christopher Bernard Michel, Achermann Stefan, Albert<br />

Philipp, Bächli Daniel Alex, Furrer Sibylle, Hauert Marco, Kläui André Pascal, Marcolongo Roger Adrian,<br />

Mengeu Marcel Maurice, Müller Reto, Rauch Thomas Niklaus, Schmid Yannik, Scollo Luca, Wenzel<br />

Oliver, Broger Patrick, De Barros Araujo Lopes José Raul, Kneuss Lea Celina, Kuhn Stephan<br />

Walter, Peter Julian, Wasserer Markus Anton, Wiprächtiger Adrian Roland, Bangerter<br />

Daniel, Fürst Jean-Paul, Ghislini Flavio Marco, Hochuli Jérôme Rafael, Kämpf Dominic,<br />

Mäder Christoph, Müller Thomas Christian, Pfister Ivan, Scherrer Hans-Luzi, Hertach<br />

Patrick, Vigato Patric, Hüsler Patrick, Müller Martin Richard Hans, Piubel<br />

Nico Lorenzo, Tischer Christina, Ernst Timon, Ortner René, Schlegel<br />

Urs, Güntensperger Tobias Sebastian Gideon, Probst Michael<br />

Luca, Kaufmann Jasmin Nicole, Saladin Samuel<br />

Florian, Rankovic Aleksandar<br />

Swiss Marketing<br />

Langwiesstrasse 30<br />

8050 Zürich<br />

swissmarketing.ch<br />

Mitglied werden: swissmarketing.ch/mitglied-werden<br />

044 914 44 44<br />

bestellen<br />

Europa-Zertifikat<br />

bestellen!


144<br />

SWA<br />

Unabhängige<br />

Forschungsdaten<br />

schaffen Vertrauen<br />

Nachdem NET-Metrix ihre Geschäftstätigkeit Ende 2020 eingestellt hat,<br />

misst die Mediapulse seit mehr als zwei Jahren transparente und vergleichbare<br />

Daten für die Nutzung von Websites und Apps der Schweizer Onlinemedien.<br />

Diese Daten sind für Agenturen und Werbeauftraggeber von grosser Bedeutung,<br />

weil diese einen unabhängigen Blick auf die Web-Angebote ermöglichen.<br />

Von Isabelle Waser (Mediapulse) und<br />

Roland Ehrler (SWA)<br />

E<br />

ine der vielen Paradoxien der digitalen<br />

Medienwelt besteht darin, dass wir<br />

einerseits über eine nie dagewesene<br />

Masse an Daten zur Nachfrage und zur<br />

Nutzung digitaler Angebote verfügen<br />

und wir anderseits allein mit diesen «neuen»<br />

Daten ein bestenfalls diffuses Gesamtbild der<br />

Onlinenutzung in einem Land wie der Schweiz<br />

zeichnen können. Während die einzelnen Medienanbieter<br />

und allen voran die grossen internationalen<br />

Plattformen das Verhalten ihrer jeweils<br />

eigenen Userinnen und User umfassend, sekundengenau<br />

und in all seinen Facetten tracken<br />

können, ist allein schon die Frage nach einem<br />

Ranking der erfolgreichsten Onlineangebote der<br />

Schweiz mit diesen Daten kaum zu beantworten.<br />

Ganz zu schweigen von einer verlässlichen Aufschlüsselung<br />

eines solchen Rankings nach einfachen<br />

soziodemografischen Zielgruppen. Dies<br />

zum einen, weil es für die Erfassung dieser Daten<br />

keine Standards gibt und deshalb meist Äpfel mit<br />

Birnen verglichen werden müssen. Zum anderen,<br />

weil Informationen über die Personen hinter den<br />

technischen Abrufen in der Regel nur geschätzt,<br />

aber selten nach den Regeln der empirischen<br />

Forschung validiert werden. Wollte man die Situation<br />

metaphorisch zuspitzen, dann verstellen in<br />

der digitalen Welt eine gewaltige Anzahl verschiedener<br />

Bäume den freien Blick auf den Wald.<br />

Bei den traditionellen Medien ist die Situation<br />

genau spiegelverkehrt. In Ermangelung von Rückkanaldaten<br />

stützt sich das Wissen über deren<br />

Publika seit jeher auf nutzerzentrierte Erhebungen<br />

mithilfe von Stichprobenansätzen. Diese small<br />

data sind in Umfang und Granularität den big data<br />

der digitalen Welt hoffnungslos unterlegen, gleichzeitig<br />

aber bestens geeignet, um sich ein Gesamtbild<br />

darüber zu verschaffen, welche Angebote<br />

von welchen Zielgruppen wie häufig und wie lange<br />

genutzt werden. Dies gilt insbesondere für die<br />

Daten grosser Währungsstudien, deren Erhebung<br />

auf einem generellen Branchenkonsens beruht<br />

und die deshalb einen fairen und transparenten<br />

Vergleich zwischen den jeweils erfassten Angeboten<br />

erlauben, weshalb sie von Werbeauftraggebern<br />

als Grundlage von Investitionsentscheidungen<br />

geschätzt und intensiv genutzt werden.<br />

Bild: pexels.com / Rostislav Uzunov<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


145<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


146<br />

Brands Average Visits CH Visits (in %) Average Duration per Visit Average IDs<br />

per Day per Day (in Min.)<br />

20 Minuten 3 <strong>11</strong>3 700 91.5% 4.3 1 379 700<br />

Blick 2 729 300 88.2% 5.1 1 252 100<br />

SRF 2 326 700 92.8% 3.3 1 282 700<br />

blue News 1 042 200 91.5% 4.6 556 500<br />

20 Minutes 854 000 88.5% 3.8 376 700<br />

watson 533 600 84.0% 3.7 306 200<br />

RTS 5<strong>12</strong> 400 83.5% 4.2 305 300<br />

Tages-Anzeiger 486 000 87.7% 5.1 260 300<br />

Le Matin 328 800 84.7% 3.8 176 200<br />

tio.ch 276 900 85.4% 3.9 140 500<br />

Auszug aus dem Brand-Ranking von September <strong>2023</strong> der Online Traffic Data.<br />

Mediapulse Online Traffic Data<br />

In der Schweiz wurden solche Branchendaten<br />

zu Onlineangeboten lange<br />

Zeit durch die Firma NetMetrix bereitgestellt,<br />

deren methodischer Ansatz aber<br />

zunehmend unter Druck geriet, weshalb<br />

die entsprechende Datenerhebung auf<br />

Initiative der einheimischen Publisher im<br />

Jahr 2020 eingestellt wurde. Nachdem<br />

der erste Versuch gescheitert war, eine<br />

Nachfolgeforschung unter dem Titel<br />

Swiss Media Data Hub (SMDH) aufzubauen,<br />

wurde der Forschungsauftrag an<br />

die Mediapulse vergeben, die seit vielen<br />

Jahren für die Reichweitenmessung in<br />

den Gattungen Radio und TV verantwortlich<br />

zeichnet. Seit dem Sommer 2021<br />

publiziert Mediapulse die Ergebnisse<br />

der neuen Onlineforschung unter dem<br />

Sammelbegriff «Mediapulse Online<br />

Data».<br />

Das Beste aus zwei Welten: der<br />

hybride Forschungsansatz<br />

Als methodische Basis dient ein sogenanntes<br />

hybrides Forschungsdesign,<br />

dessen Grundprinzip darin besteht, anbieterzentrierte<br />

Zählungen von Nutzungsvorgängen<br />

auf Basis einer Vollerhebung<br />

mit nutzerzentrierten Informationen<br />

auf Basis eines Stichprobenansatzes zu<br />

kombinieren und so das Beste aus beiden<br />

Datenwelten zu extrahieren.<br />

Bei der Zählung von Nutzungsvorgängen<br />

setzt Mediapulse dabei auf ein<br />

sogenanntes Messtag, welches die Anbieter<br />

gemäss einheitlichen, für alle<br />

Marktteilnehmer verbindlichen und von<br />

Mediapulse kontrollierten Marktstandards<br />

auf der eigenen Webseite oder<br />

App implementieren (Tagging). Mit diesem<br />

Messtag werden sämtliche technischen<br />

Zugriffe auf ein teilnehmendes<br />

«In der<br />

digitalen Welt<br />

verstellt eine<br />

gewaltige Anzahl<br />

verschiedener<br />

Bäume den<br />

freien Blick auf<br />

den Wald.»<br />

Angebot, inkl. Zeitpunkt, Dauer technische<br />

ID und Herkunft (CH vs. Ausland),<br />

erfasst und anschliessend aggregiert.<br />

Als Analyseeinheit gelten die abrufenden<br />

Geräte (Clients), weshalb die getaggten<br />

Daten alleine noch keine Aussagen über<br />

Grösse und Profil der Nutzerschaft erlauben.<br />

Diese nutzerbezogenen Informationen<br />

werden im hybriden Ansatz von<br />

Mediapulse mithilfe eines Messpanels<br />

erfasst. Dabei handelt es sich um das von<br />

Kantar betriebene Media-Panel. Das Mediapanel<br />

wird auf Haushaltsebene rekrutiert<br />

und besteht aus ca. 5000 Personen,<br />

die disproportional über die drei<br />

Sprachregionen der Schweiz verteilt sind<br />

und die Schweizer Bevölkerung repräsentativ<br />

abbilden. Die eigentliche Messung<br />

erfolgt, indem a) die Onlinezugriffe<br />

der einzelnen Mitglieder eines Panelhaushaltes<br />

über ihre individuellen Devices<br />

in den Tagging-Daten identifiziert<br />

werden und b) die dort per Messtag erfassten<br />

Nutzungsinformationen der Nut-<br />

zungshistorie des jeweiligen Panelmitglieds<br />

zugeordnet werden. Anschliessend<br />

werden die individuellen Messdaten der<br />

Panelisten wiederum aggregiert und auf<br />

die Grundgesamtheit der Mediapulse<br />

Onlineforschung hochgerechnet.<br />

Ein Forschungsgegenstand, zwei<br />

Forschungsprodukte<br />

Der hybride Ansatz kombiniert nicht nur<br />

das Beste aus zwei Welten, sondern erlaubt<br />

zudem die Bereitstellung von zwei<br />

Datenprodukten oder Datensätzen, die<br />

den gleichen Forschungsgegenstand<br />

auf zwei unterschiedliche Arten abbilden<br />

können.<br />

Die «Online Traffic Data», die seit Sommer<br />

2021 veröffentlicht werden, bilden<br />

direkt die mit dem Messtag erfassten<br />

Zugriffszahlen ab und erlauben eine<br />

Quantifizierung der technischen Abrufe<br />

je teilnehmendem Angebot mit den Metriken<br />

Visits, Duration und IDs per Day.<br />

Diese kontinuierlich erfassten Informationen<br />

werden monatlich über ein Dashboard<br />

auf der Website von Mediapulse<br />

allen interessierten Marktteilnehmern in<br />

Form von Rankings gratis zugänglich gemacht<br />

(siehe Tabelle).<br />

Die «Online Audience Data» sind seit<br />

Sommer 2022 erhältlich und ermöglichen<br />

die Quantifizierung der Nutzer und<br />

der Nutzung eines Angebotes (Reichweite,<br />

Nutzungsdauer, Nutzungszeitpunkt,<br />

Nutzungshäufigkeit) sowie die<br />

Aufschlüsselung der Nutzungsindikatoren<br />

nach diversen Zielgruppenmerkmalen<br />

auf Personen- und Haushaltsmerkmale<br />

oder die Analyse von Überschneidungen<br />

zwischen verschiedenen Brands. Abgedeckt<br />

wird mit den Online Audience Data<br />

die Nutzung über alle Small Screen De-<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


147<br />

Illustration und Tabelle: zVg<br />

6,000<br />

5,000<br />

4,000<br />

3,000<br />

2,000<br />

1,000<br />

0<br />

Le Matin<br />

167.6<br />

Angebotskombination<br />

Brandüberschneidung Net Reach in ’000 (month)<br />

Le Matin and<br />

Tribune de Genève<br />

63.7<br />

Le Matin and 24heures<br />

<strong>11</strong>8.3<br />

Le Matin and Tribune de Genève<br />

and 24heures<br />

93.1<br />

Tribune de Genève<br />

90.5<br />

Tribune<br />

de Genève<br />

and 24heures<br />

18.8<br />

Zielgruppe nach Personeneigenschaften<br />

4,845.1<br />

Auszug aus Mediapulse Online Audience Data<br />

4,688.0<br />

Alter, Net Reach in ’000 (month)<br />

157.1<br />

700.3 813.8 814.3 922.9<br />

Total Universe 15+y 3–14y 15–29y 30–39y 40–49y 50–59y 60+y<br />

Auszug aus Mediapulse Online Audience Data<br />

24heures<br />

100.3<br />

1,436.8<br />

«Eine möglichst vollständige Forschung<br />

steigert nicht nur die Transparenz und somit<br />

das Vertrauen in die Anbieter, sondern auch<br />

die generelle Sichtbarkeit des Schweizer<br />

Online-Markts.»<br />

vices (Smartphone, Tablet, PC, Laptop)<br />

und an allen Nutzungsorten (in and out<br />

of home). Angebote, die nicht an der<br />

tagbasierten Messung der Traffic Data<br />

teilnehmen, können auch in den Audience-Daten<br />

nicht erfasst und ausgewiesen<br />

werden. Die Ergebnisse der Audience<br />

Data sind repräsentativ für alle<br />

Personen ab drei Jahren, die in Schweizer<br />

Privathaushalten leben. Die Audience<br />

Data werden täglich produziert, gewichtet,<br />

auf das Universum hochgerechnet<br />

und dem Markt innerhalb des Auswertungstools<br />

Audience Analytics im Monatsrhythmus<br />

kostenpflichtig zugänglich<br />

gemacht (siehe Grafik).<br />

Eine etablierte Forschung,<br />

aber mit Lücken<br />

Die Mediapulse Onlineforschung läuft<br />

seit ihrer Markteinführung stabil. Das<br />

hybride Messsystem und die Daten, die<br />

es liefert, sind mit der Finanzierung durch<br />

die Publisher für die nächsten Jahre gesichert.<br />

Gleichzeitig werden aktuell verschiedene<br />

Ideen der Weiterentwicklung<br />

mit den Marktpartnern evaluiert.<br />

Während sich die meisten grossen<br />

Medienhäuser der Schweiz von Anfang<br />

an zu einer gemeinschaftlichen Branchenforschung<br />

bekannt haben und ihre Angebote<br />

von Mediapulse mit grosser<br />

Selbstverständlichkeit messen lassen, gibt<br />

es auch Anbieter, die eine Teilnahme verweigern<br />

und nicht bereit sind, ihre Leistungen<br />

transparent zu machen. Zu nennen<br />

sind hier in erster Linie die grossen internationalen<br />

Plattformen. Ebenfalls gibt es<br />

vereinzelte einheimische Web-Anbieter,<br />

die sich ebenfalls über Werbung finanzieren,<br />

jedoch einem Vergleich mit der<br />

Konkurrenz lieber aus dem Weg gehen.<br />

Hierzu zählen traditionelle Verlagshäuser<br />

ebenso wie nationale Web-TV-Plattformen,<br />

grosse Service-Plattformen sowie<br />

Anbieter von Onlineverzeichnissen oder<br />

Online-Marktplätzen.<br />

Im Interesse der Werbeauftraggeber<br />

und Agenturen sollten diese Lücken im<br />

Schweizer Onlinewald bald geschlossen<br />

werden. Eine möglichst vollständige Forschung<br />

steigert nicht nur die Transparenz<br />

und somit das Vertrauen in die Anbieter,<br />

sondern auch die generelle Sichtbarkeit<br />

des Schweizer Online-Markts.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


148<br />

SWISSFILM ASSOCIATION<br />

Transparenz,<br />

Fairness und<br />

Wertschätzung<br />

Die Swissfilm Association präsentiert neue Pitch-Standards.<br />

Ziel ist ein harmonisiertes Pitch-Verfahren<br />

in Europa im kommenden Jahr.<br />

Von Lilian Räber<br />

E<br />

in Thema, das den Verband<br />

der Werbe- und Auftragsfilmproduzierenden<br />

in den vergangenen<br />

Jahren ständig und<br />

mit zunehmender Intensität<br />

beschäftigt hat, ist der Pitch. Wer einen<br />

Film benötigt, sei es zu Werbezwecken<br />

oder um das Unternehmen zu positionieren,<br />

fragt verschiedene Produktionsfirmen<br />

nach einem Angebot dafür.<br />

Solche Pitches haben für die Auftraggebenden<br />

den Vorteil, dass sie Budgets<br />

und Ideen vergleichen können. Den<br />

Produktionsfirmen ermöglichen Pitches,<br />

ihre Ideen zu präsentieren und am Wettbewerb<br />

um einen Auftrag teilzunehmen.<br />

So weit, so klar.<br />

Pitch-Leitfaden<br />

Auf der Website<br />

> www.swissfilm.org stehen<br />

der Pitch-Leitfaden (für<br />

Commercials und Corporate)<br />

sowie weitere das<br />

Pitch-Verfahren betreffende<br />

Dokumente zum Download<br />

bereit. Hier geht es direkt<br />

zur Website:<br />

Nun hat sich im vergangenen Jahrzehnt<br />

aber eine schleichende Erweiterung<br />

der angeforderten Informationen<br />

ergeben. Kunden und Kundinnen, seien<br />

es nun Agenturen, die für ihre Auftraggebenden<br />

pitchen lassen oder Unternehmen,<br />

die direkt auf die Filmproduktion<br />

zugehen, verlangen diesbezüglich<br />

immer mehr. Der Pitch, einst eine Offerte<br />

mit einem Regievorschlag ab Rolle, ist<br />

zu einem seitenlangen Dokument geworden.<br />

Es umfasst eine Directors Interpretation,<br />

eine entsprechende Kalkulation<br />

und ein Timing. Gleichzeitig ist für<br />

jene, die dieses Angebot erstellen, die<br />

Chance gesunken, den Auftrag zu bekommen.<br />

Bis zu sechs Filmproduktionsfirmen<br />

arbeiten manchmal parallel an<br />

einem Pitch. Tauschen sie sich aus, merken<br />

sie vielleicht sogar, dass sie nicht die<br />

gleichen Vorgaben haben. Im Verband<br />

mehrten sich deshalb in den vergangenen<br />

Jahren die Stimmen der Mitglieder,<br />

die sich unfair behandelt fühlten oder<br />

sich beklagten, weil sich der ganze Aufwand<br />

nicht mehr lohnt.<br />

Pitch-Verfahren brauchen Regeln<br />

Vor etwas mehr als zwei Jahren hat die<br />

Swissfilm Association deshalb beschlossen,<br />

zu handeln. Eine Arbeitsgruppe,<br />

bestehend aus Mitgliedern verschiedener<br />

Bereiche, hat das Thema aufgenommen.<br />

«Die Aufgabe des Verbandes ist es, für<br />

unsere Mitglieder einzustehen», sagt Derya<br />

Tuna. Sie und Rudi Haller vertreten<br />

den Vorstand beim Thema Pitch. «Wegen<br />

Ein Leitfaden für Wertschätzung, Fairness<br />

und Transparenz.<br />

der wachsenden Anforderungen, der gestiegenen<br />

Kosten und der kleiner werdenden<br />

Einnahmen kam die Frage nach<br />

Regeln auf. Aus diesem Grund haben wir<br />

einen Pitch-Leitfaden entwickelt.»<br />

Dieser Leitfaden ist eine Guideline, die<br />

auf Werten basiert: Transparenz, Fairness<br />

und Wertschätzung. Zur Transparenz gehören<br />

zwei Punkte, die festhalten, dass<br />

der Budgetrahmen und die Mitbewerbenden<br />

offengelegt werden. Nur so kann<br />

eine Produktionsfirma entscheiden, ob<br />

sie sich am Pitch beteiligen will oder<br />

nicht. Fair ist ein Pitch-Verfahren, wenn<br />

es sich auf maximal drei Firmen beschränkt<br />

und erst auf der Basis eines<br />

konkreten Projektes und reellen Auftrags<br />

ausgeschrieben wird. Zur Wertschätzung<br />

der kreativen Arbeit gehört auch der<br />

Pitch-Cost-Share. Ein Anteil der erheblichen<br />

Kosten, die eine Filmproduktionsfirma<br />

hat, wenn eine Directors Interpretation,<br />

ein Timing und eine detaillierte<br />

Bild: pexels.com / Nathan Hilton<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


149<br />

Rudi Haller,<br />

Vorstandsmitglied<br />

SFA<br />

den Partnerverbänden und Agenturen,<br />

zu einem marktreifen Ergebnis geschafft.»<br />

Andere Länder schliessen sich an<br />

Bilder: Swissfilm Association<br />

«Im Verband<br />

mehrten sich<br />

die Stimmen der<br />

Mitglieder,<br />

die sich unfair<br />

behandelt<br />

fühlten.»<br />

Derya Tuna,<br />

Vorstandsmitglied SFA<br />

Kalkulation abgegeben werden müssen,<br />

soll zurückerstattet werden, wenn der<br />

Auftrag an eine andere Firma geht. Dieser<br />

Share ist abhängig vom Budgetrahmen.<br />

Die Swissfilm Association versteht<br />

ihn als Anerkennung des Wertes von<br />

kreativer Arbeit.<br />

Mit der Veröffentlichung der neuen<br />

Standards will der Verband Agenturen<br />

und Auftraggebende für den immensen<br />

Aufwand sensibilisieren, den Filmproduktionsfirmen<br />

in einem Pitch haben.<br />

Rudi Haller sagt, dass mit diversen grossen<br />

Werbekundinnen und -kunden Gespräche<br />

geführt werden konnten: «Der<br />

Leitfaden wurde mit klarer Zustimmung<br />

angenommen.» Auch eine Veranstaltung<br />

mit Agency-Producerinnen und -Producern<br />

zu diesem Thema verlief positiv.<br />

Nun stellt der Verband diese Standards<br />

für die beiden Bereiche Commercials<br />

und Corporate als Guideline allen in der<br />

Branche zur Verfügung (siehe Box). Rudi<br />

Haller meint dazu: «Der Pitch-Leitfaden<br />

hat es von der Evaluationsphase, bzw.<br />

der Abstimmung mit Auftraggebenden,<br />

Allein war der schweizerische Verband<br />

mit seinen Problemen nämlich nicht.<br />

Auch in anderen Ländern war das Thema<br />

akut. So wurde der Pitch-Leitfaden zum<br />

Diskussionsthema im Verband Commercial<br />

Film Producers of Europe (CFP-E).<br />

«Es war wichtig, dass wir die Guideline<br />

mit anderen europäischen Verbänden<br />

zusammen entwickeln konnten», sagt<br />

Rudi Haller. Auch wenn es von Land zu<br />

Land Unterschiede gab – die Veränderung<br />

in der Branche durch neue Technologien<br />

und Kanäle und auch neue Player<br />

führte überall zur gleichen Problemlage.<br />

Anfang Oktober hat auch der deutsche<br />

Regie-Verband (DRCT) zusammen<br />

mit den Werbefilmverbänden in Deutschland<br />

breit über die neuen Standards<br />

informiert. Derya Tuna erläutert: «Die<br />

zeitgleiche Lancierung des Pitch-Leitfadens<br />

in Europa ist wichtig, weil unsere<br />

Partner:innen auch mit ausländischen<br />

Produktionen arbeiten und umgekehrt.»<br />

Der Vorteil einer europäisch abgestimmten<br />

Praxis besteht unter anderem darin,<br />

dass bei grenzüberschreitenden Projekten<br />

in Zukunft möglichst gleiche Regeln<br />

gelten. «Pitchen gehört zu unserer täglichen<br />

Arbeit. In Zukunft sollen aber nicht<br />

mehr als drei Produktionsfirmen gegeneinander<br />

pitchen und die Auftraggebenden<br />

sollen sich mit einem Pitch-Cost-<br />

Share an den Kosten beteiligen», sagt<br />

Derya Tuna. «Wir erhoffen uns ein transparentes<br />

und partnerschaftliches Zusammenspiel<br />

in der Branche.»<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


150<br />

SWISS DISTRIBUTION<br />

«Food for friends»<br />

Mit diesem Vorsatz sprang das Start-up TINYFISH 2020<br />

ins kalte Wasser und mischte die Zürcher Sushi-Take-away-<br />

Szene auf. Swiss Distribution erkundigte sich bei den<br />

Gründern Tobias Bischoff und Luca Orlando nach Herausforderungen<br />

und Chancen.<br />

Von Melanie Käser*<br />

MELANIE KÄSER TINYFISH startet gerade<br />

mächtig durch. In wenigen Jahren ist<br />

das Zürcher Sushi-Unternehmen in der<br />

Limmatstadt (und mittlerweile auch<br />

Zug) nicht mehr wegzudenken. Was ist<br />

euer Geheimnis?<br />

TOBIAS BISCHOFF, LUCA ORLANDO Wir geben<br />

täglich unser Bestes, um qualitativ<br />

hochwertige Sushi in einzigartiger<br />

Form anzubieten. Wir entscheiden uns<br />

bewusst für ausgewählte Zutaten und<br />

glauben daran, dass die Qualität<br />

unserer Produkte unsere Kund:innen<br />

überzeugen muss. Wir helfen trotz<br />

vielseitiger Aufgaben auch heute noch<br />

täglich dort aus, wo es gerade brennt.<br />

Eure Take-aways sind japanisch minimalistisch<br />

und liebevoll ansprechend<br />

gestaltet. Was ist die Idee dahinter?<br />

Alle sollen sich in unseren Filialen<br />

wohl- und zu Hause fühlen. Gleichzeitig<br />

orientiert sich das Layout an effizienten<br />

Prozessen und einer «TINY»Prise<br />

«Wow». Hochwertige Materialien<br />

unterstreichen den Qualitätsanspruch<br />

und widerspiegeln die Wertschätzung.<br />

Ohne unsere coole Sales-Crew wären<br />

es aber nur herzlose Retailflächen.<br />

Wir probieren, einen familiären, aber<br />

professionellen Raum zu gestalten.<br />

Es ist schön zu sehen, dass dies viele<br />

Kund:innen in ihren Reviews auch so<br />

bestätigen.<br />

Wie lange habt ihr von der Idee bis<br />

zur Eröffnung des ersten Standortes<br />

gefeilt?<br />

Die Idee ist schon etwas älter. Wir<br />

haben parallel zu unseren vorherigen<br />

Jobs immer etwas an diesem Projekt<br />

getüftelt. Von der Entscheidung zur<br />

Umsetzung bis zum Launch ging es<br />

<strong>12</strong> Monate.<br />

Food Waste, Überfischung, umweltschädigende<br />

Fischzuchten sind Themen<br />

unserer Zeit. Wie geht ihr damit um?<br />

Wir sind der Überzeugung, dass<br />

speziell die Anbieter bei diesen<br />

Themen in der Verantwortung stehen.<br />

Konsument:innen können nur abnehmen,<br />

was der Markt ihnen anbietet.<br />

Gleichzeitig kann ein kleiner Fisch –<br />

wie wir – in den ersten Jahren auch<br />

nicht die ganzen Weltmeere verändern.<br />

Wir handeln darum pragmatisch,<br />

«Unsere<br />

Vision ist es,<br />

die fairsten und<br />

innovativsten<br />

Sushi anzubieten.»<br />

Tobias Bischoff und Luca Orlando haben<br />

vor der Gründung von TINYFISH in der<br />

Finanzbranche resp. als Rechtsanwalt<br />

gearbeitet. Sie leiten zusammen mit Moritz<br />

Weber die Geschäfte.<br />

setzen aber, wo möglich, einen einzigartigen<br />

Standard, der weit über die<br />

Branchenpraxis hinausgeht. Wir bieten<br />

kein Fleisch an, setzen ausschliesslich<br />

auf Biolachs aus Irland sowie mit Handleinen<br />

gefangenen, zertifizierten<br />

Thunfisch und haben für unsere<br />

California-Rolle extra Surimi-Sticks<br />

produzieren lassen, die aus nur einer<br />

Fischsorte bestehen. Mehr als die<br />

Hälfte unseres Angebotes ist vegan.<br />

Sind wir deshalb ein nachhaltiges<br />

Unternehmen? Der von uns im täglichen<br />

Take-away-Betrieb verursachte<br />

Abfall spricht wohl dagegen. Wir<br />

schauen aber auch hierbei darauf, dass<br />

dieser – unsere Verpackungen – recycelbar<br />

ist und wir die Herkunft des<br />

verwendeten Kartons genau kennen.<br />

Beim Kartonhersteller wachsen bspw.<br />

mehr Bäume, als dieser für die Produktion<br />

jährlich fällen muss.<br />

Ihr habt acht Take-away-Standorte.<br />

Denkt ihr auch an Restaurants?<br />

Bilder:zVg<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


151<br />

Unsere Vision ist es, die fairsten und<br />

innovativsten Sushi anzubieten. Unsere<br />

TINYFriends finden sich bis jetzt noch<br />

sehr stark im urbanen Zentrum von<br />

Zürich und Zug. Wir sind aber überzeugt,<br />

dass auch die anderen Gebiete<br />

und Bevölkerungsgruppen der<br />

Schweiz gerne Sushi essen. Wir möchten<br />

darum vermehrt auch ausserhalb<br />

der Stadt wachsen. Restaurants sind im<br />

Moment nicht geplant.<br />

Wäre euer Geschäftsmodell nicht<br />

optimal, um mit selbstständigen<br />

Partnern, im Agenturmodell oder<br />

Franchising, zu expandieren?<br />

Wir sind ein Start-up, das sich inmitten<br />

der Entwicklung zu einem jungen<br />

Unternehmen befindet. Deshalb hat<br />

die Erweiterung des Geschäftsmodelles<br />

über selbstständige Partner im<br />

Moment keine Priorität.<br />

Welche Herausforderungen und<br />

Chancen seht ihr im aktuell herausfordernden<br />

Umfeld (Stichwort Fachkräftemangel,<br />

steigende Energiekosten)?<br />

Es gibt wohl in jedem Marktumfeld<br />

Herausforderungen für junge wie auch<br />

ältere Unternehmen. Im Moment<br />

versuchen wir diese – neben allen<br />

üblichen Wachstums-Challenges –<br />

irgendwie unter einen Hut zu bringen.<br />

Dabei ein attraktiver Arbeitgeber zu<br />

sein, hat jedoch eine hohe Priorität.<br />

Wenn wir mit einem loyalen und<br />

motivierten Team noch mehr von dem<br />

umsetzen können, was wir bereits tun<br />

und tun möchten, sehen wir gute<br />

Chancen, in einem transparenteren,<br />

bewusster entscheidenden und immer<br />

mehr fordernden Markt mehr TINY-<br />

FISH zu sehen.<br />

Noch eine letzte Frage: Wo lasst ihr<br />

euch inspirieren?<br />

Wir möchten Sushi für jede und jeden<br />

anbieten. Das grosse Lob gebührt<br />

unserer Produktentwicklerin Claire. Sie<br />

ist seit dem Start mit dabei und überrascht<br />

uns immer wieder mit neuen<br />

Ideen.<br />

*Melanie Käser, Geschäftsführerin von<br />

Swiss Distribution, befasst sich in ihrer<br />

täglichen Arbeit als Rechtsanwältin mit<br />

rechtlichen und konzeptionellen<br />

Fragen rund um Vertriebssysteme mit<br />

selbstständigen Partnern.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


152<br />

SWISSFILM ASSOCIATION<br />

«Wir setzen<br />

Branchenstandards»<br />

Die Swissfilm Association hat zehn Lineproducing-Persönlichkeiten ausgebildet.<br />

Darunter auch den CEO einer Schweizer Filmschmiede. Der Verband der<br />

Schweizer Auftragsfilmproduktionsbranche will solche und andere Weiterbildungen<br />

in Zukunft noch mehr ausbauen.<br />

Von Mark Baer<br />

A<br />

uf dem Schweizer Markt gibt<br />

es seit ein paar Wochen<br />

zehn neue Lineproducing-<br />

Spezialist:innen. Die Weiterbildung<br />

der Swissfilm Association<br />

(SFA) hiess «Von der Produktionsassistenz<br />

zum Lineproducing». Während<br />

die Produktionsassistenz weitgehend<br />

eine ausführende Funktion ist, benötigt<br />

eine Lineproducing-Person ausgeprägte<br />

Management-Skills. «Im Gegensatz zur<br />

Produktionsassistenz haben diese meist<br />

Personalverantwortung, müssen über<br />

allgemeine Management qualifikationen,<br />

kaufmännisches Wissen, Kommunikationsfähigkeit<br />

und Verhandlungsgeschick<br />

verfügen», erklärt Susann Vogel, Geschäftsführerin<br />

der SFA.<br />

Vanessa Krummenacher ist Produzentin<br />

und hat die mehrere Tage dauernde<br />

SFA-Ausbildung absolviert. Für Mediafisch<br />

produziert sie verschiedene TV-Sendungen.<br />

Immer sei die 33-Jährige interessiert<br />

daran, sich weiterzubilden und<br />

dazuzulernen. «Vor allem die Möglichkeit,<br />

einen Einblick in die Produktion von<br />

Auftragsfilmen zu erhalten und sich mit<br />

anderen aus der Branche auszutauschen,<br />

fand ich inspirierend.»<br />

Als ein Highlight empfand die Produzentin<br />

den «Legal»-Block. Das Thema<br />

Recht sei sehr spannend, aber auch extrem<br />

umfassend gewesen. Der Swissfilm<br />

Association-Kurs habe ihr einen guten<br />

Überblick verschafft und ihr wichtige<br />

Informationen vermittelt.<br />

«Ich habe noch mehr gespürt, was<br />

mir Spass macht»<br />

Mit unter den Teilnehmenden der Lineproducing-Weiterbildung<br />

war auch Stefan<br />

Jäger. Der 42-Jährige ist Mitinhaber<br />

und CEO der Filmwerkstatt Konzept 2.<br />

Wie kommt es, dass der Chef himself<br />

sich für eine solche Ausbildung interessiert?<br />

«In Zukunft werde ich mich mehr<br />

um Produktionen und Planungen als um<br />

die eigentlichen Dreharbeiten kümmern»,<br />

verrät er gegenüber m&k. «Dies<br />

ist jetzt schon Teil meiner Arbeit, aber<br />

ich möchte das mehr gewichten, zumal<br />

ich aufgrund der Ausbildung nun noch<br />

mehr gespürt habe, was mir liegt und<br />

Spass macht.»<br />

Für die Mitglieder der SFA sind die<br />

Ausbildungen jeweils gratis. Der Aargauer<br />

habe sich angemeldet, weil Konzept<br />

2 Mitglied im Verband sei. Zudem<br />

habe er auch sein Netzwerk und Knowhow<br />

weiter ausbauen wollen, um zukünftig<br />

interne Abläufe zu optimieren. Als<br />

Highlight bezeichnet Stefan Jäger ganz<br />

klar die 1:1-Showcases realer Projekte<br />

inklusive der Kostenrechnungen anderer<br />

grösserer Produktionsfirmen am Markt.<br />

Eine gute Lineproducing-Persönlichkeit<br />

habe eine Mischung aus kreativer Träumerei<br />

und knallharter Finanzkalkulation,<br />

sagt der Konzept-2-CEO weiter. «Es<br />

braucht ein Verständnis für das filmische<br />

Handwerk.» Aber gleichzeitig benötige<br />

man als Lineproducer:in auch ein Flair<br />

für Zahlen und müsse gute Organisationsskills<br />

mitbringen. «Kurz gesagt, muss<br />

man ein:e Anpacker:in mit dem nötigen<br />

Feingefühl für den Kunden sein.» Je grösser<br />

das Projekt, desto wichtiger sei es,<br />

eine Lineproducer:in an Bord zu holen,<br />

erklärt Mona Bertschinger, die für die<br />

Swissfilm Association eine der Referentinnen<br />

beim Lehrgang war. «Sobald die<br />

Crew gross wird, Cast und Statisten involviert<br />

sind, verschiedene Drehorte berücksichtigt<br />

werden müssen, kann eine<br />

Lineproducing-Person von entscheidender<br />

Bedeutung sein», so die 32-Jährige.<br />

Die Partnerin der Zürcher Filmproduktion<br />

Hillton zeigte den Teilnehmenden anhand<br />

einer von ihr umgesetzten Produktion<br />

verschiedene Herangehensweisen.<br />

«Es hat mich sehr gefreut, so viele begeisterte<br />

und wissbegierige Menschen<br />

kennengelernt zu haben.» Da alle Teilnehmenden<br />

des Lehrgangs selber in<br />

Produktionen tätig sind, sei es eine<br />

Freude gewesen zu sehen, wie sich die<br />

Partizipanten auch untereinander ausgetauscht<br />

hätten. «Ich finde den Austausch<br />

zwischen den Produktionen sehr<br />

wichtig und der passiert in meinen Augen<br />

leider viel zu wenig in der Schweizer<br />

Filmbranche», sagt die SFA-Ausbildnerin.<br />

«Wenn wir dies unserem Nachwuchs zu-<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


153<br />

Die Swissfilm Association fördert die Weiterbildung ihrer Mitglieder.<br />

Bild: unsplash.com / Jakob-Owens<br />

künftig anders vermitteln können und<br />

der Verband es schafft, die Produktionen<br />

einander näherzubringen, freut mich das<br />

sehr», so Bertschinger.<br />

Nachwuchsförderung<br />

stellt Qualität sicher<br />

«‹Profis dozieren für Profis› sei jeweils<br />

die Devise des Verbands.»<br />

Weiterbildungen zum Thema Lineproducing<br />

hat die SFA bereits schon früher<br />

angeboten. Zudem führt der Verband<br />

für seine Mitglieder regelmässig Informationsanlässe<br />

und Referate zu aktuellen<br />

Themen durch. Ein weiterer Lineproducing-Lehrgang<br />

ist im kommenden Jahr<br />

bzw. spätestens 2025 geplant. «Es ist<br />

meiner Meinung nach grundsätzlich die<br />

Aufgabe eines Verbands, sich um die<br />

Nachwuchsförderung zu kümmern und<br />

somit die Qualität sicherzustellen bzw.<br />

auch zu steigern», sagt SFA-Geschäftsführerin<br />

Susann Vogel. Heute würden in<br />

der Schweiz zu wenig gut ausgebildete<br />

Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Es<br />

sei deshalb die Pflicht eines Verbands,<br />

auch Diskussionen zu schwierigen und<br />

kontroversen Themen anzustossen. «Bildung<br />

ist ganz sicher ein solches Thema»,<br />

sagt Susann Vogel.<br />

Laut Michel Alraun, der mit anderen<br />

bei SFA den Bereich «Corporate» vertritt,<br />

sind Weiterbildungen, die der Verband<br />

organisiert, immer sehr praxisorientiert.<br />

«Profis dozieren für Profis» sei jeweils die<br />

Devise des Verbands. «Branchenstandards<br />

zu setzen ist ein wichtiger Task in<br />

unserer Agenda», erklärt der 43-Jährige.<br />

Dafür seien diverse Massnahmen nötig.<br />

«Weiterbildungen sind meiner Meinung<br />

nach ein enorm relevantes Tool, um das<br />

Mindset langfristig zu prägen.» Am Ende<br />

würde es immer darum gehen, den Kunden<br />

Qualität zu liefern. «Oder anders<br />

gesagt, langfristig das Vertrauen in das<br />

Schweizer Auftragsfilmschaffen zu festigen»,<br />

bringt es Alraun auf den Punkt. Die<br />

Konkurrenz aus dem Ausland sei nicht<br />

zu unterschätzen. «Und da können wir<br />

nur mit Qualität und Effizienz entgegen-<br />

treten.» Das SFA-Vorstandsmitglied ist<br />

Gründer und Mitinhaber von Maybaum<br />

Film. «Wir befinden uns auf einem<br />

schnelllebigen Markt und es ist enorm<br />

wichtig, dass man sich stetig auf einem<br />

aktuellen Wissensstand hält.»<br />

Im letzten Jahr sind rund 420 Mediamatiker<br />

EFZ auf den Markt gekommen.<br />

Der Job ist in der Schweiz also sehr beliebt.<br />

2024 wird es bei dieser Berufslehre<br />

zu einer Revision kommen. Die Trägerschaft<br />

möchte hier prüfen, ob der Bereich<br />

Bewegtbild ausgebaut werden kann. Die<br />

Swissfilm Association ist neu stolzer Teil<br />

der Arbeitsgruppe. Zudem soll für den<br />

Bereich Content Creation zukünftig ein<br />

Diplomlehrgang geschaffen werden. Mit<br />

einer eidgenössischen höheren Fachprüfung<br />

soll gewährleistet werden, dass<br />

die jeweiligen Absolvent:innen den Standards<br />

des Markts gerecht werden. «Wir<br />

sind total happy, dass wir bei diesem<br />

Diplomlehrgang zusammen mit ICT-Berufsbildung<br />

Schweiz ebenfalls mitsprechen<br />

und -gestalten können», sagt Alraun<br />

und strahlt über das ganze Gesicht.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


154<br />

PROMOSWISS<br />

Touch <strong>2023</strong> mit<br />

Besucherrekord<br />

Das Schweizer Werbeartikel-Messedoppel mit<br />

dem PSF (Promo Swiss Forum) und der Touch fand dieses<br />

Jahr erneut im Herbst in der Umweltarena Spreitenbach<br />

statt. Mit Besucherrekord.<br />

A<br />

m ersten Messetag fand in der<br />

bewährten Umweltarena in<br />

Spreitenbach das PSF statt,<br />

eine reine Fachhändlermesse.<br />

An dieser nahmen knapp über 100 Personen<br />

aus rund 45 Firmen teil.<br />

Im Anschluss an das Forum gab es bei<br />

schönstem Sonnenscheinwetter einen<br />

geselligen Apéro im Freien und infolgedessen<br />

lud der Promo-Swiss-Verband<br />

die Gäste zur spektakulären Gala Night<br />

mit Verleihung der PromoSwiss Awards<br />

ein. Urs Germann, der Präsident von<br />

Promo swiss, dem führenden Verband für<br />

Werbeartikel, begrüsste die rund 170<br />

Gäste in einem festlichen Saal in der<br />

Arena.<br />

Musikalische Unterhaltung<br />

Die Sängerin und Songwriterin Elle, Gewinnerin<br />

von The Voice Kids in Deutschland<br />

2014 und Sängerin von Art on Ice<br />

<strong>2023</strong>, unterhielt die Gäste mit musikalischen<br />

Leckerbissen zwischen den einzelnen<br />

Verleihungen. Durch den Abend<br />

führte die Moderatorin Ina Klingele.<br />

Eine auserwählte Fachjury stimmte im<br />

Vorfeld des Events über die eingereichten<br />

Produkte ab.<br />

Eröffnung der Touch<br />

Am zweiten Messetag um 10 Uhr öffnete<br />

die Touch ihre Türen. Bei der zweiten<br />

Austragung unter dem Namen Touch<br />

war insbesondere am Morgen der Ansturm<br />

sehr gross, daher war von den<br />

Besucher:innen am Einlass ein wenig<br />

Geduld gefragt. Die elf Trägeragenturen<br />

hatten schon im Vorfeld die Industriekunden<br />

eingeladen, welche dann am<br />

Messetag die grosszügig gestaltete und<br />

sehr ansprechende 3000 m² grosse Umweltarena<br />

besuchten. Rund 70 Aussteller<br />

zeigten ihre Neuheuten, warben mit Innovationen<br />

und setzten Trends. Am Mittag<br />

konnten sich sowohl Aussteller:innen<br />

wie auch Besucher:innen am Pasta-Buffet<br />

stärken.<br />

Insgesamt fanden an der Touch 860<br />

Interessierte den Weg nach Spreitenbach.<br />

Doch nicht nur die zahlreichen<br />

Besucher:innen hinterliessen Eindruck<br />

bei den Organisatoren, sondern auch<br />

die Good Vibes – die spürbar gute Stimmung<br />

in der Halle.<br />

Der Promo-Swiss-Verband bedankt<br />

sich herzlich beim Organisationsteam<br />

für die professionelle und reibungslose<br />

Messeorganisation. Ebenso geht ein<br />

grosses Dankeschön an den GWW für<br />

die gute Zusammenarbeit und die wertvolle<br />

Unterstützung. Präsident Urs Germann:<br />

«Überwältigt von den vielen guten<br />

Rückmeldungen, freuen wir uns bereits<br />

jetzt auf die Messe 2024.» Diese findet<br />

am 24./25.9.2024 statt – wiederum in der<br />

Umweltarena in Spreitenbach.<br />

Die stolzen Gewinner<br />

pro Kategorie, welche die<br />

PromoFritz-Trophäe<br />

überreicht bekommen<br />

haben, sind in diesem<br />

Jahr wie folgt:<br />

• Nachhaltigkeit<br />

«Made in Europe»<br />

Sieger: SIGG /<br />

Flasche aus recyceltem<br />

Aluminium und mit<br />

Zellulosedeckel<br />

• Werbeartikel<br />

des Jahres<br />

Sieger: FARE – Guenther<br />

Fassbender<br />

GmbH / Filigraner<br />

Handöffner-Taschenschirm,<br />

ultraleicht<br />

• Sonderproduktion<br />

des Jahres / Unikat<br />

Sieger: bb trading<br />

werbeartikel ag /<br />

Raclette-Schaber-Set<br />

• Kollektion des Jahres,<br />

mindestens 5 Produkte<br />

Sieger: Pandinavia AG /<br />

Zermatt-Bergbahnen-<br />

Kollektion<br />

Bilder: Promoswiss<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


155<br />

Die Gewinner:innen des Promo Fritz Awards<br />

Präsident<br />

Urs Germann<br />

spricht zu den<br />

Gästen der<br />

Award Night.<br />

Sängerin Elle<br />

Moderatorin Ina Klingele<br />

Zeit für Gespräche an der Touch<br />

Viel los an der Touch <strong>2023</strong><br />

Neuheiten und Trends wurden von den Besucher:innen bestaunt.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


156<br />

MEETING POINTS<br />

Konzert Seminar Bankett Simultan -<br />

anlage<br />

Mikrofon<br />

Projektion Klimaanlage<br />

• Installiert<br />

• auf Anfrage<br />

– nicht vorhanden<br />

Aargau<br />

Bern<br />

Seerose Resort & Spa<br />

Seerosenstrasse 1, 5616 Meisterschwanden<br />

anlassorganisation@seerose.ch<br />

www.seerose.ch<br />

T +41 56 676 68 65<br />

Seelichtsaal 135 m² 90 50 100 • • • •<br />

Seespiegel 30 m² 20 <strong>12</strong> 18 • • • •<br />

Elements 1–5 250 m² 200 <strong>12</strong>0 200 • • • •<br />

Cocon 1–4 94 m² 65 36 64 • – • •<br />

Eintauchen am Hallwilersee<br />

Das Seerose Resort & Spa bietet alles, was für ein inspirierendes Seminar notwendig ist.<br />

Moderne Seminarräume mit Top-Infrastruktur, mehrere Restaurants mit abwechslungsreicher<br />

Küche, 91 Zimmer und Suiten mit Stil und Charme sowie ein Naturparadies am Sonnenufer<br />

des Hallwilersees als erholsame Zugabe direkt vor der Tür.<br />

EIN LEBENDIGER ORT DER BALANCE FAMILIE.<br />

BERNEXPO AG<br />

Mingerstrasse 6<br />

3014 Bern<br />

events@bernexpo.ch<br />

www.bernexpo.live<br />

T 031 340 <strong>12</strong> 00<br />

Auditorium 41 000 m² 20–5000 28–2000 30–3400 • • • •<br />

Freigelände 100 000 m² – – – –<br />

Spielraum für Ihre Events<br />

Für Ihre Veranstaltungen bieten wir Ihnen 8 Messehallen und ein voll ausgestattetes Kongresszentrum<br />

mit verschiedenen Breakout-Räumen, variabel nutzbare Foyers, zwei einzigartige<br />

Dachterrassen und ein vielseitig nutzbares Freigelände.<br />

Basel-Landschaft<br />

Zentrum Paul Klee<br />

Monument im Fruchtland 3, 3006 Bern<br />

events@zpk.org, www.zpk.org/events<br />

T 031 359 01 59, F 031 359 01 02<br />

Bern<br />

Auditorium 390 m² 300 300 – • • • •<br />

Forum 310 m² 200 132 250 • • • •<br />

4 Seminarräume Nord+Süd 40–80 m² 40–70 24–40 50 • • • •<br />

Pulsierendes Kunst- und Kulturzentrum<br />

Modernste Kommunikationsmittel und Veranstaltungstechnik inmitten inspirierender Architektur<br />

und Kultur. Wir garantieren jederzeit eine persönliche Betreuung und nach Wunsch ein kreatives<br />

Rahmenprogramm, an das sich Ihre Gäste noch lange erinnern werden. Perfekte Anbindung an<br />

den öffentlichen Verkehr und 2 Minuten von der Autobahnausfahrt entfernt.<br />

Bad Ramsach Quellhotel<br />

Ramsachstrasse 40, Häfelfingen<br />

4448 Läufelfingen<br />

anlassorganisation@badramsach.ch<br />

www.badramsach.ch<br />

T +41 62 285 15 15<br />

Weitsicht 1+2 100 m² 40 32 – – – • –<br />

Ramsberghof 75 m² 90 40 80 – – • –<br />

Ramstal <strong>11</strong>2 m² 100 45 80 – • – –<br />

Ramsem 32 m² 20 <strong>12</strong> 18 – • – –<br />

Waldsicht im Haus Waldruhe 86 m² – 15 – – – – –<br />

Durchatmen am Wisenberg<br />

Das Bad Ramsach Quellhotel liegt am Fuss des Wisenberg, am Rand des Naturschutzgebietes.<br />

Ideale Grundrisse mit viel Tageslicht bringen gute Lernstimmung in die Seminar- und Tagungsräume.<br />

60 helle Wohlfühlzimmer mit Balkon runden das Angebot ab. Der grosse Umschwung mit<br />

Wiesen und Wald lädt ein um draussen zu arbeiten.<br />

EIN LEBENDIGER ORT DER BALANCE FAMILIE.<br />

Hotel Eden Spiez<br />

Seestrasse 58, 3700 Spiez am Thunersee<br />

Meeting & Event Managerin: Martina Seiler<br />

meeting@eden-spiez.ch<br />

www.eden-spiez.ch<br />

T 033 655 99 00, F 033 655 99 01<br />

Panoramasaal 100 63 80 • • • •<br />

Inspiration I–III 42 16 18 • • • •<br />

Boardroom 33 <strong>12</strong> 10 • • • •<br />

Einmalige Panoramasicht auf die Bergwelt des Berner Oberlandes<br />

Das 4-Sterne-Superior Hotelresort hat 45 Zimmer und Juniorsuiten – alle mit WLAN und<br />

Klimaanlage. Sämtliche Meetingräume bieten einmalige Panoramasicht auf die Bergwelt des<br />

Berner Oberlandes. – Hoteleigene Parkgarage vorhanden.<br />

Bad Bubendorf Hotel<br />

Kantonsstrasse 3, 4416 Bubendorf BL<br />

anlassorganisation@badbubendorf.ch<br />

www.badbubendorf.ch<br />

T +41 61 935 55 55<br />

Historic Burgensaal 145 m² 100 60 80 • • • –<br />

Design Uno & Due 177 m² 160 80 <strong>12</strong>0 • • • •<br />

Design Nord & Sud 50 m² 25 15 – • • • •<br />

Zusammenkommen im Baselbiet<br />

Das Bad Bubendorf Hotel liegt im schönen Baselbiet. Ideale Verkehrsanbindung – fünf Minuten<br />

ab Autobahn, Bahn und Bus mit eigener Haltestelle. Raum für gute Gespräche im historischen<br />

Haus oder Design-Erweiterungsbau. WLAN im ganzen Haus sowie Parkplätze sind kostenlos. Eine<br />

persönliche Betreuung vor und während Ihres Aufenthalts ist Ihnen im Haus mit Herz garantiert.<br />

EIN LEBENDIGER ORT DER BALANCE FAMILIE.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


MEETING POINTS<br />

157<br />

Grand Casino Luzern<br />

Haldenstrasse 6, 6006 Luzern<br />

info@grandcasinoluzern.ch<br />

www.grandcasinoluzern.ch<br />

T 041 418 56 56<br />

Luzern<br />

Panoramasaal 500 250 460 • • • •<br />

Casineum 150 60 100 • • • •<br />

Spiegelsalon 48 16 22 – • • –<br />

Olivo 80<br />

Ihr Firmenanlass in stilvoller Atmosphäre<br />

Erleben Sie eine traumhafte Lage, eine wundervolle Aussicht und flexible Raumkonzepte, welche<br />

keine Wünsche offenlassen! Ob Tagung, Firmenanlass, Generalversammlung, Traumhochzeit,<br />

Diplomfeier oder hybride Events – das direkt am Vierwaldstättersee gelegene Grand Casino<br />

Luzern bietet vielfältige Möglichkeiten für Anlässe auf höchstem Niveau.<br />

Hotel Continental Park<br />

Murbacherstrasse 4, 6002 Luzern<br />

hotel@continental.ch, www.continental.ch<br />

T 041 228 90 48<br />

3 Säle, Castel-Monte-Sasso 62–268 m² 240 <strong>12</strong>0 250 • • • •<br />

10 Meetingräume 15–30 m²<br />

Alle Tagungsräume verfügen über Tageslicht & Klimaanlage<br />

Tagen am Vierwaldstättersee im ersten Bike Hotel Luzerns!<br />

Im Zentrum, gegenüber Bahnhof an ruhiger Seitenstrasse, eigene Tiefgarage, kostenloses WiFi,<br />

ClickShare System, 88 Boutique-, Design- & Lifestyle-Zimmer, eigene E-Bikes & Bikes zur<br />

Vermietung. Ein Restaurant, die Bellini Locanda Ticinese, auf Tessiner Küche spezialisiert.<br />

Seeblick Höhenhotel<br />

Hugenstrasse 24, 6376 Emmetten<br />

anlassorganisation@hotelseeblick.ch<br />

www.hotelseeblick.ch<br />

T +41 41 624 41 41<br />

Seeblick-Saal 150 m² <strong>12</strong>0 85 37 • • • –<br />

Waldhorn/Zeder/Eiche 220 m² 250 130 – • • • –<br />

Birke 55 m² 40 28 19 • • • –<br />

Buche, Zypresse, Ahorn je 35 m² 30 16 <strong>12</strong> • • • –<br />

Akazie, Linde je 26 m² 20 – 10 • • • –<br />

Innehalten im Herzen der Schweiz<br />

Das Seeblick Höhenhotel ist nur 30 Minuten von Luzern und fünf Minuten von der A2 entfernt.<br />

Hochzentral mit traumhaftem Blick über den Vierwaldstättersee und die vor alpine Bergwelt.<br />

100 Gästezimmer, 600 m² Schulungsraum und ein vielfältiges Angebot für Rahmenprogramme<br />

macht den Seeblick zum beliebten Veranstaltungsort für Seminare und Tagungen.<br />

EIN LEBENDIGER ORT DER BALANCE FAMILIE.<br />

Impressum<br />

DAS MAGAZIN FÜR MARKETING UND KOMMUNIKATION<br />

51. Jahrgang, erscheint 8× pro Jahr<br />

ISSN 1023-8913<br />

Herausgeber<br />

Galledia Fachmedien AG<br />

Baslerstrasse 60 · 8048 Zürich<br />

T +41 58 344 98 98<br />

Redaktion<br />

Baslerstrasse 60 · 8048 Zürich<br />

T +41 58 344 98 82<br />

redaktion@m-k.ch · www.werbewoche.ch<br />

Anna Kohler (Co-Chefredaktorin)<br />

anna.kohler@galledia.ch<br />

Johannes Hapig (Co-Chefredaktor)<br />

johannes.hapig@galledia.ch<br />

Sarah Willi (Leitung Onlineredaktion)<br />

sarah.willi@galledia.ch<br />

Julia Gundelach (Onlineredaktorin)<br />

julia.gundelach@galledia.ch<br />

Beat Hürlimann (Onlineredaktor)<br />

beat.huerlimann@galledia.ch<br />

Freie Mitarbeiter:innen dieser Ausgabe<br />

Julia Gundelach, Julia Wentzlaff,<br />

Irmela Schwab, Mark Baer, Beat Hürlimann<br />

Verlagsmanager<br />

Stefan Zimmermann<br />

T +41 58 344 96 22<br />

stefan.zimmermann@galledia.ch<br />

Abonnentenservice<br />

Galledia Fachmedien AG<br />

Burgauerstrasse 50 · 9230 Flawil<br />

T +41 58 344 95 66 · F +41 58 344 97 83<br />

www.werbewoche.ch/p/abonnieren<br />

abo.mk@galledia.ch · www.galledia.ch<br />

Abo Jahresabonnement CHF <strong>11</strong>6.–<br />

Einzelnummer CHF 14.50 (Preise inkl. MWST)<br />

Satz / Druck Galledia Print AG<br />

Mediaberatung<br />

Tanja Ruckstuhl · T +41 58 344 98 66<br />

tanja.ruckstuhl@galledia.ch<br />

Urs Dick · T +41 58 344 98 09<br />

urs.dick@galledia.ch<br />

Mediadaten<br />

www.werbewoche.ch/p/inserieren<br />

Druckauflage 15 500 Ex.<br />

Offizielles Publikationsorgan<br />

Swiss Marketing (SM)<br />

Schweizer Dialogmarketing Verband (SDV)<br />

Swiss Distribution<br />

Schweizer Werbe-Auftraggeberverband<br />

SWA-ASA<br />

Promoswiss<br />

Swissfilm<br />

Case Studies, Publireportagen<br />

sind kommerzielle Seiten, für deren Inhalt<br />

der Werbeauftraggeber verantwortlich ist.<br />

© Alle Rechte vorbehalten.<br />

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit<br />

ausdrücklicher Genehmigung des Verlages.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


158<br />

MEETING POINTS<br />

Konzert Seminar Bankett Simultan -<br />

anlage<br />

Mikrofon<br />

Projektion Klimaanlage<br />

• Installiert<br />

• auf Anfrage<br />

– nicht vorhanden<br />

Luzern<br />

St.Gallen<br />

Sonne Seehotel<br />

Seestrasse 23, 6205 Eich LU<br />

anlassorganisation@sonneseehotel.ch<br />

www.sonneseehotel.ch<br />

T +41 41 202 01 01<br />

Sonnenschein 1–3 50–150 m² 150 <strong>11</strong>2 60 • • • •<br />

Sonnenlicht 1–3 50–150 m² 150 <strong>11</strong>2 60 • • • •<br />

Auftanken am Sempachersee<br />

Das Sonne Seehotel bietet alles, was für ein erfolgreiches Seminar notwendig ist. Moderne<br />

Seminar räume mit Top-Infrastruktur, ein stilvolles Restaurant, eine traumhaft gelegene Terrasse<br />

samt Lounge, eine ausgezeichnete und abwechslungsreiche Küche, persönliche Betreuung,<br />

42 behaglich eingerichtete Zimmer sowie ein Naturparadies und ein idyllisches Seebad am<br />

Sonnenufer des Sempachersees.<br />

EIN LEBENDIGER ORT DER BALANCE FAMILIE.<br />

Einstein St.Gallen ****S<br />

Berneggstrasse 2, 9000 St.Gallen<br />

Geschäftsleitung: Michael Vogt<br />

congress@einstein.ch, www.einstein.ch<br />

T +41 71 227 55 55, F 071 227 55 77<br />

Einstein Saal (Galerie/Foyer) 342 m² 300 160 240–400 • • • •<br />

Fröhlichsegg 59.5 m² 35 18 24 • • • •<br />

Liebegg 56 m² 35 18 24 • • • •<br />

Spisegg* 76 m² 60 32 32 • • • •<br />

Friedegg* 80 m² 60 32 32 • • • •<br />

Buchegg* 68 m² 50 26 32 • • • •<br />

Ringelberg 56 m² 35 18 24 • • • •<br />

Rosenberg** 80 m² 60 32 32 • • • •<br />

Wienerberg** 80 m² 60 32 32 • • • •<br />

Singenberg (Boardroom) 64 m² – – 14 • • • •<br />

4× Gruppenräume à 28 m² – – <strong>12</strong> • • • •<br />

* kombinierbar, ** kombinierbar<br />

Das Einstein – St.Gallen im Herzen<br />

Zentrale Lage in Gehdistanz zu Hauptbahnhof und Innenstadt. 250 Parkplätze. <strong>11</strong>3 Zimmer,<br />

2 Restaurants, 1 Bar mit Davidoff Cigar Lounge, 3000 m² Fitnesspark mit Spa.<br />

St.Gallen<br />

Würth Haus Rorschach<br />

Churerstrasse 10, 9400 Rorschach<br />

www.wuerth-haus-rorschach.ch<br />

events@wuerth-management.com<br />

T +41 71 225 10 40<br />

Erdgeschoss<br />

Carmen Würth Saal 630 200 300 • • • •<br />

1 – Meersburg 40 30 – – • • •<br />

2 – Fischbach 30 20 – – • • •<br />

3 – Friedrichshafen 40 30 – • • • •<br />

4 – Lindau 40 30 – • • • •<br />

5 – Lochau 30 20 – – • • •<br />

6 – Wasserburg 40 30 – – • • •<br />

2er-Raumkombi 70 50 – • • • •<br />

3er-Raumkombi 150 100 – • • • •<br />

1. Obergeschoss<br />

4 weitere Seminarräume – 8 – – – • •<br />

6 weitere Seminarräume 30 18 – – – • •<br />

Restaurant Weitblick – – 200 – • • •<br />

Einmalige Erlebniswelt in der Ostschweiz<br />

Bestehend aus dem Carmen Würth Saal und 16 weiteren Seminarräumen, bietet die Lokalität<br />

Platz für Veranstaltungen jeglicher Art – egal ob Kleinmeeting oder Grosskonferenz, Mitarbeiterfest<br />

oder Kundenanlass, Produktpräsentation oder Galaveranstaltung. Nebst den Tagungsräumen<br />

sind auch die öffentlichen Flächen sowie das Restaurant Weitblick für Events buchbar. Das Würth<br />

Haus Rorschach versteht sich als einmalige Erlebniswelt in der Ostschweiz, worin Begegnung,<br />

Kunst, Genuss und Dienstleistung auf allerhöchstem Niveau vereint sind. Das Zusammenspiel<br />

aus der Kunst vom Forum Würth Rorschach, der Bodensee-Lage und der modernen, aber<br />

dennoch zeitlosen Architektur sind Alleinstellungsmerkmale, mit denen das Haus<br />

als einzigartiger Ort am Bodensee auffällt.<br />

Hotel Oberwaid<br />

Rorschacher Strasse 3<strong>11</strong>, 9016 St. Gallen<br />

Kontaktperson: Enrico Dittler<br />

seminare@oberwaid.ch<br />

www.oberwaid.ch<br />

T +41 (0)71 282 0466<br />

Raum Baldegg 65 45 16 – • • •<br />

Raum Guggeien 27 18 20 – • • •<br />

Raum Baldegg & Guggeien <strong>12</strong>2 72 30 – • • •<br />

Raum Dr. Theodor Hahn – – 8 – • • •<br />

Sitzungszimmer 18 – <strong>12</strong> – • • •<br />

Raum Bodensee 30 20 16 – • • •<br />

Olma Messen St.Gallen<br />

Splügenstrasse <strong>12</strong><br />

9008 St.Gallen<br />

info@congressevents.ch<br />

T +41 71 242 01 66<br />

Halle 1 (hälftig teilbar) 9000 m² 7560 – 4800 • • • •<br />

Foyer (hälftig teilbar) 4500 m² – – 1000 • • • •<br />

Die neue Halle 1 – Mehr Raum für besondere Momente in St.Gallen<br />

Modern, wirkungsvoll, vielseitig, stützenfrei, zentral und ab Frühling 2024 nutzbar – die neue<br />

Halle 1 bietet mehr Raum z.B. für Firmenfeiern, Generalversammlungen oder Konzerte. Mit der<br />

professionellen Unterstützung vom Team von Congress Events sind besondere Momente garantiert.<br />

m&k <strong>11</strong>-<strong>12</strong>/<strong>2023</strong>


MEETING POINTS<br />

Konzert Seminar Bankett Simultan -<br />

anlage<br />

Mikrofon<br />

Projektion Klimaanlage<br />

• Installiert<br />

• auf Anfrage<br />

– nicht vorhanden<br />

Schwyz<br />

Zürich<br />

SEEDAMM PLAZA<br />

Seminar-, Kongress- und Eventhotel<br />

Seedammstrasse 3, 8808 Pfäffikon SZ<br />

Direktor: Heinz Brassel<br />

info@seedamm-plaza.ch<br />

www.seedamm-plaza.ch<br />

T +41 55 417 17 17, F +41 55 417 17 18<br />

Plaza Event Hall 500 – 500 • • • •<br />

Konferenzraum, gross 550 230 300 • • • •<br />

6 Seminarräume, gross 80–150 46–80 • • • •<br />

8 Seminarräume, mittel 60 32 • • • •<br />

14 Meetingräume – 21–32 • • • •<br />

7 Banketträume 10–200 Personen<br />

Jeder Anlass ist bei uns in den besten Händen<br />

Das 4 Sterne Hotel SEEDAMM PLAZA empfängt Sie ganz oben am Zürichsee. Mit seinen 142 Zimmern<br />

und 40 hellen Seminar- und Kongressräumen sowie grosszügigen Banketträumen ist das Hotel<br />

ein beliebter Ort für Events aller Art. Für Online Meetings stellt das SEEDAMM PLAZA die<br />

Infrastruktur bereit und betreibt ein hauseigenes Streaming Studio.<br />

Swiss Science Center Technorama<br />

Technoramastrasse 1, 8404 Winterthur<br />

www.technorama.ch<br />

Seminare & Events: events@technorama.ch<br />

T 052 244 08 44<br />

Gastronomie: technorama@zfv.ch<br />

Auditorium 180 – – – • • •<br />

Seminarraum 1, 2, 3 50 14–24 – – • • •<br />

Seminarraum 1&2 60 48 – – • • •<br />

Schweiz<br />

Hotel Ländli<br />

Im Ländli 16, 6315 Oberägeri<br />

Leitung Réception/Tagungen: Marco Quero<br />

seminare@laendli.ch<br />

www.hotel-laendli.ch<br />

T 041 754 91 <strong>11</strong><br />

Zug<br />

SBB AG<br />

SBB Charter<br />

charter@sbb.ch<br />

sbb.ch/charter<br />

T +41 51 222 <strong>11</strong> 22<br />

Salonwagen 30 • • •<br />

Exklusive Gruppenfahrten.<br />

Der Salonwagen «Salon Suisse» ist das Transportmittel für Ihre massgeschneiderte Gruppenreise.<br />

Ausgestattet mit modernster Technik und hochwertigen Materialien bietet er ein Erlebnis der<br />

besonderen Art. Ob für Meetings, Konferenzen, Feiern oder Tanzanlässe: Wir richten den<br />

Salonwagen nach Ihren Wünschen ein.<br />

6 Seminar- und 4 Gruppenräume 10–<strong>12</strong>0 8–70 <strong>12</strong>–60 – • • –<br />

«Mis Ländli»<br />

Das Hotel Ländli – ein Seminarhotel mit Qualität an fantastischer Lage, feiner Gastronomie,<br />

Wellness-Oase und persönlichem Service – alles was nötig ist, damit Ihr Seminar oder Meeting<br />

ein Erfolg wird und Ihnen lange in guter Erinnerung bleibt.<br />

ANZEIGE<br />

Kommunizieren<br />

einfach. persönlich. wirkungsvoll.


Did you know you can unlock<br />

CHF 1’000’000 within six weeks<br />

– just by optimizing your processes?<br />

Scan the QR code<br />

and get the secret.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!