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MÄA-2526-23 online

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Münchner Ärztliche Anzeigen TITELTHEMA 5<br />

Frau König, wie ist die derzeitige<br />

Stimmung bei den MFA und warum?<br />

Sie sind nach wie vor sehr frustriert,<br />

weil sie in der Pandemie beim Thema<br />

Coronabonus dreimal bewusst<br />

vergessen wurden und unsere Bundesregierung<br />

auch aktuell zu einer<br />

Inflationsausgleichsprämie kein Signal<br />

sendet, dass sie die Leistungen<br />

der MFA sieht. Natürlich ist die<br />

Belastung in den Praxen derzeit<br />

nicht mehr ganz so hoch wie während<br />

der Pandemie, aber inzwischen<br />

greift der Fachkräftemangel. Bereits<br />

2022 haben wir eine Online-Umfrage<br />

unter rund 3.000 MFA zu ihrer<br />

Berufszufriedenheit gemacht. Den<br />

Ergebnissen zufolge hatte mit 46<br />

Prozent fast die Hälfte der Befragten<br />

innerhalb eines Jahrs mindestens<br />

mehrere Male im Monat darüber<br />

nachgedacht, aus ihrem Beruf auszusteigen.<br />

Im Juni / Juli dieses Jahres<br />

waren es immerhin noch rund 39<br />

Prozent. Das ist ein Alarmzeichen<br />

und sollte nicht nur ärztliche Arbeitgeber*innen<br />

wachrütteln, sondern<br />

auch die Politik.<br />

Was müsste sich ändern, damit<br />

MFA zufriedener sind?<br />

Die Hauptstellschraube ist das<br />

Gehalt. Aktuell beträgt das Einstiegsgehalt<br />

in Arztpraxen 13,22 Euro<br />

pro Stunde. An einem Gesundheitsamt<br />

oder in einer Klinik des öffentlichen<br />

Diensts sind es 15,26 Euro,<br />

also über zwei Euro mehr. Im März<br />

2024 werden diese Gehälter erneut<br />

um mehr als zwei Euro auf 17,34<br />

Euro steigen. Und wenn sich der<br />

Mindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte<br />

mit einjähriger Ausbildung<br />

ab dem 1. Mai 2024 auf 16,50 Euro<br />

erhöht, frage ich mich, wie niedergelassene<br />

Ärztinnen und Ärzte ihre<br />

MFA in den Praxen halten sollen. Die<br />

Konkurrenzsituation der niedergelassenen<br />

Arztpraxen ist derzeit<br />

schon schwierig, wird sich aber im<br />

nächsten Jahr erneut dramatisch<br />

verschlechtern. In den aktuellen<br />

Tarifverhandlungen (Anm. der<br />

Redaktion: Redaktionsschluss am<br />

28.11.<strong>23</strong>) müssen wir daher versuchen,<br />

das Gehalt der MFA so weit<br />

wie möglich zu steigern, damit wir<br />

nicht noch mehr Beschäftigte an<br />

andere Branchen verlieren. Bei einer<br />

ärztlichen Honorarsteigerung von<br />

lediglich 3,85 Prozentpunkten wird<br />

uns das allerdings ohne politische<br />

Unterstützung kaum gelingen. 30<br />

Jahre Budgetierung hinterlassen<br />

natürlich auch in Münchner Arztpraxen<br />

ihre Spuren. Die Abschaffung der<br />

Neupatientenregelung ist für viele<br />

Praxen ein weiterer Honorarverlust.<br />

Wie könnte eine Gehaltssteigerung<br />

gegenfinanziert werden?<br />

Sozialversicherungsfachangestellte<br />

der Krankenkassen erhalten beim<br />

Berufseinstieg, z.B. bei der IKK 17,74<br />

Euro und für dieses Jahr noch eine<br />

Inflationsausgleichsprämie. Bei<br />

ihnen hat niemand darüber diskutiert,<br />

woher das Geld dafür kommen<br />

soll, sondern dies wird ganz selbstverständlich<br />

aus dem SGB gegenfinanziert.<br />

Auch die Tarifsteigerungen<br />

für Pflegekräfte und -helfer*innen in<br />

den Kliniken um mindestens 340<br />

Euro pro Monat ab März 2024 werden<br />

sofort gegenfinanziert. Die Forderung<br />

der Kassenärztlichen Bundesvereinigung<br />

nach 300 Euro mehr<br />

für MFA hingegen ist gescheitert. Die<br />

Politik muss endlich ein deutliches<br />

Signal senden und den MFA wenigstens<br />

eine staatliche Inflationsausgleichsprämie<br />

anbieten. Oder man<br />

könnte MFA von steuerlicher Seite<br />

mehr Netto vom Brutto zahlen, etwa<br />

über einen Sondersteuertarif. Da<br />

mittlerweile viele MFA in Teilzeit<br />

beschäftigt und in einer hohen Lohnsteuerklasse<br />

sind, haben viele sehr<br />

hohe Abgaben.<br />

Langfristig wäre die Entbudgetierung<br />

eine wichtige Stellschraube. Wir<br />

brauchen außerdem eine Honorarreform,<br />

die die Einnahmensituation im<br />

niedergelassenen Bereich endlich<br />

stabilisiert. Im Krankenhauszukunftsgesetz<br />

wird über Versorgungspauschalen<br />

von 60 Prozent nachgedacht.<br />

Warum sichert man nicht<br />

auch die Einnahmen der Arztpraxen<br />

über Versorgungspauschalen ab?<br />

Dadurch könnten auch neu niedergelassene<br />

Ärztinnen und Ärzte die<br />

Personalkosten stemmen. Wir müssen<br />

weg von der Unterfinanzierung<br />

der Leistungen im ambulanten<br />

Bereich! Diese Quadratur des Kreises<br />

funktioniert nach 30 Jahren Budgetierung<br />

einfach nicht mehr.<br />

Geht es den MFA also nur ums Geld?<br />

Nein. Auch Stressbelastung und<br />

Wertschätzung sind grundsätzliche<br />

Themen. Bereits 2017 wurde dies<br />

von der Universität Düsseldorf intensiv<br />

erforscht. Schon damals<br />

wünschten sich MFA nicht nur eine<br />

bessere Bezahlung, sondern auch<br />

weniger Dokumentation, mehr Anerkennung<br />

durch die Gesellschaft,<br />

weniger Multitasking, eine bessere<br />

Organisation des Praxisablaufs und<br />

mehr Fortbildungen für sich selbst<br />

und ihre Arbeitgeber*innen, z.B. zum<br />

Thema Personalführung.<br />

Bei unserer Umfrage gaben 82 Prozent<br />

an, ihnen sei Stressprävention<br />

wichtig bis sehr wichtig. Wenn niedergelassene<br />

Ärztinnen und Ärzte<br />

ihre Mitarbeiter*innen halten möchten,<br />

sollten sie hier ansetzen. Das<br />

Gleiche gilt für flexible Arbeitsmodelle:<br />

99 Prozent der MFA sind Frauen.<br />

Viele haben eine Doppelbelastung<br />

durch Familie oder pflegebedürftige<br />

Angehörige. MFA wünschen<br />

sich mehr Verständnis und eine<br />

höhere Akzeptanz ihrer Leistungen,<br />

z.B. durch einen zusätzlichen freien<br />

Tag. Auch ein gutes Betriebsklima<br />

spielt eine wichtige Rolle für die<br />

Berufszufriedenheit – dass ich<br />

gehört werde und mitgestalten kann.<br />

Seit der Pandemie ist das fordernde<br />

Verhalten der Patient*innen ein weiteres,<br />

sehr großes Problem. Jede<br />

fünfte MFA hat in den letzten drei<br />

Jahren Erfahrungen mit Gewalt am<br />

Arbeitsplatz gemacht. Doch in den<br />

Medien wird leider fast immer nur<br />

von Polizei, Feuerwehr, Pflegekräften<br />

und evtl. noch von Ärztinnen und<br />

Ärzten gesprochen.<br />

Wie könnte die Ärzteschaft Ihnen<br />

und den MFA den Rücken stärken?<br />

Echte Wertschätzung und echtes<br />

Lob sind genauso wichtig wie regelmäßige<br />

Gespräche. Die Arbeitgeber*innen<br />

sollten ihren Angestellten<br />

etwas zutrauen, Aufgaben an sie<br />

delegieren und ihnen Fortbildungen<br />

anbieten. Den größten Schaden hat<br />

allerdings die Politik durch das permanente<br />

Vergessen der Leistungen<br />

der MFA in der Pandemie angerichtet.<br />

Ich hoffe auf konstruktive Tarifverhandlungen<br />

mit der Ärzteschaft. Wir

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