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Schraegstrich 1/2023 - Vergangenheit und Zukunft

In der neuen Schraegstrich-Ausgabe drehen sich wissenswerte Artikel, Kommentare und persönliche Geschichten um das Thema der Vergangenheit und Zukunft.

In der neuen Schraegstrich-Ausgabe drehen sich wissenswerte Artikel, Kommentare und persönliche Geschichten um das Thema der Vergangenheit und Zukunft.

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AUSGABE NR. 1 // 2023

//SCHRÆGSTRICH

DAS MAGAZIN FÜR INTERESSIERTE

//WISSENSWERT

//ZUM THEMA

//LEBENSART

Das Gedächtnis und

seine Erinnerungen

Theresa Frai

Dystopie oder Utopie –

was ist Realität?

Ani MG

Meine Geschichte

Georg Hoffmann


EDITORIAL // Vergangenheit und Zukunft

Diese Ausgabe, deren Titel

mit „Vergangenheit & Zukunft“

überzogen ist, befasst

sich mit temporären

Abschnitten, die dem Jetzt

bzw. der Gegenwart/Präsenz

vorausgehen oder

nachfolgen.

„Gegenwart ist der Raum, in

dem alle Prozesse ablaufen.

Nur durch Aufzeichnung der

ablaufenden Prozesse in der

Gegenwart entsteht eine fiktive

Vergangenheit. Die aufgezeichnete

Vergang-enheit

gibt nur ungefähr den kausalen

Verlauf der Prozesse wieder,

eine hundertprozentige

Auf-zeichnung von Prozessen

ist praktisch unmöglich.

Als das einzige real Existente

wird nach Platon lediglich

die Gegenwart angesehen.

Úbi sum?

– Wo bin ich? –

Die Vergangenheit ist demnach

ein nicht existentes

theoretisches Gebilde, da für

ihre Existenz weder Raum

noch Materie zur Verfügung

steht. Dieselbe Materie, die

Bestandteil vergangener Ereignisse

war, ist in der Gegenwart

bereits Bestandteil

neuer Ereignisse und kann

deshalb der Vergangenheit

keine Existenz mehr bieten.

Genau genommen bezeichnet

das Wort „Gegenwart“

auch nicht den Ablauf von

Ereignissen, sondern es bezeichnet

Raum bzw. Entität.

Der reflektierende Verstand

lebt, nach Meinung vieler

Philosophen, nur in der Vergangenheit.

Um einen Gedanken

hervorzubringen,

bedürfe es ebenso einer

gewissen Zeit und möge diese

auch nur allzu kurz sein.

Weiterhin müsse diese Idee

zum Ausdruck gebracht werden,

was wiederum eine gewisse

Zeit dauert. Sobald ein

Geschehen reflektiert wird,

wäre es somit schon Vergangenheit.

Damit lässt sich

sagen, dass der denkende

Geist nur in der Vergangenheit,

in der Erinnerung lebt.

Gegenwart kann man somit

nur unmittelbar, also ohne

die Abstraktion des Verstandes

erfahren.“ [1]

Quelle:

[1] … https://

de.wikipedia.org/wiki/

Vergangenheit

IMPRESSUM

Eigentümer/Herausgeber/Verleger:

Teilnehmer*innen der Tagesstruktur

per arte, pro mente steiermark GmbH,

Stiftingtalstraße 322, 8010 Graz,

Tel: +43 (0)664 88 69 13 24, E-Mail:

perarte@promentesteiermark.at

Redaktion:

Franz L. Raaber, Theresa Frai,

Ani MG, Michael Zejdlik, Armin

Glawischnig, Georg Hoffmann,

Silvia Fegerl, Ananda Frei

Layout: per arte

Bildredaktion: per arte

Trainer*innen: Miriam Tuider

Michael Wehovz

Coverbild: https://www.miklaw-paarberatung.de/prinzip-3-zukunftsorientierung/

Quelle:

https://www.aktiv-online.de/news/die-wichtigsten-faktenrund-um-die-zeit-17279

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//SCHRÆGSTRICH


INHALT // Vergangenheit und Zukunft

WISSENSWERT //

ZUM THEMA //

INNENWELTEN //

LEBENSART//

DIES UND DAS //

Vergangenheit & Zukunft der individuellen

Größe Zeit

Franz L. Raaber

Das Gedächtnis und seine Erinnerungen

Theresa Frai

Das Hier und Jetzt

Theresa Frai

Dystopie oder Utopie – was ist Realität?

Ani MG

Ins Glück stolpern – Buchrezension

Ani MG

Heast as net...

Michael Zejdlik

Und täglich grüßt das Murmeltier

Armin Glawischnig

Meine Geschichte

Georg Hoffmann

Märchen und Kindergeschichten

Ananda Frei

Rätselseite

4 - 9

10 - 15

16 - 19

20 - 23

24 - 27

28 - 33

34 - 36

37 - 40

41

42

SCHRÆGSTRICH // SEITE 3


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Vergangenheit & Zukunft der individuellen Größe Zeit

Ein Titel, der sich der Zeit widmet, steht voran – wobei es sich um temporäre Abschnitte

des/eines Individuums handelt bzw. einen Zeitpunkt oder -abschnitt der dem Wesentlichen

– nämlich dem JETZT [1] – temporär vorangeht oder nachfolgt.

Damit ist ein wesentlicher Begriff – der der Zeit´ – gegeben, welcher hier näher betrachtet

bzw. zu erörtern versucht wird.

Dies kann als komplexe Aufgabe gesehen werden, da dieser Begriff zunächst physikalisch

wie auch philosophisch betrachtet werden kann; um die Bereite und Tiefe dieses

Begriffes auch durchschauend erläutern zu können. Um in den Anfängen schon fündig

zu werden, ist zumindest ein Zeitraum von vor ca. 2.500 Jahren unter die Lupe zu nehmen.

Dort haben sich schon die Philosophen wie Heraklit, Platon, Aristoteles und später

Augustinus mit dem Begriff der Zeit befasst.

Eingebettet in ein “temporäres Muster“, ist – von der Geburt bis zum Dahinscheiden –

jedes Individuum, welches wir mit dem Wort ‘Zeit‘ umschreiben. Diese – auch physikalische

– Größe ist in der Einheit ‚Sekunde‘ [2] definiert, die eine SI-Einheit [3] darstellt.

Die Zukunft folgt der Gegenwart – sie geht der Vergangenheit voraus – nach.

Die Erläuterung der Zeit kann wie folgt beschrieben werden:

„DIE ZEIT beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also

eine eindeutige, nicht umkehrbare Richtung.

Mit Hilfe der physikalischen Prinzipien der Thermodynamik kann

diese Richtung als Zunahme der Entropie,

d. h. der Unordnung in einem abgeschlossenen System, bestimmt werden.

Aus einer philosophischen Perspektive beschreibt die Zeit das Fortschreiten der Gegenwart

von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend. Nach der Relativitätstheorie

bildet die Zeit mit dem Raum eine vierdimensionale Raumzeit, in der die Zeit

die Rolle einer Dimension einnimmt. Dabei ist der Begriff der Gegenwart nur in einem

einzigen Punkt definierbar, während andere Punkte der Raumzeit, die weder in der Vergangenheit

noch der Zukunft dieses Punkts liegen, als „raumartig getrennt“ von diesem

Punkt bezeichnet werden.“ [2]

Dieser Abschnitt schildert beispielsweise die SI-Definition der Zeit [2] , die sich auch auf den

in Graz lehrenden und lebenden Physiker und Philosophen Ludwig Boltzmann [3] , der die

SEITE 4

//SCHRÆGSTRICH


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Atomistik [4] verteidigte, fußen lässt.

Somit handelt es sich, beim – in der Überschrift angeführten – Titel dieses Artikels um

Punkte der Raumzeit, die dem momentanen Zeitpunkt nicht betreffen, bzw. um Punkte

der Raumzeit, die dem Jetzt vorangehend oder nachfolgend sind.

Auch auf Prof. Dr. Albert Einsteins [5] Überlegungen und Berechnungen wird zurückgegriffen,

wobei auch der Aspekt zu betrachten ist, dass diese Zeit keine unabhängige Entität [6] ,

welche die jeweiligen Individuen erfahren, ist! D.h., dass die Zeit bzw. das Empfinden und

Erfahren über deren Verlauf kein gleichmäßiges Partizipieren jedes Individuums darstellt,

sondern von physikalischen Zuständen, in welchen sich das betrachtete Individuum befindet

bzw. bewegt, abhängt bzw. gegeben ist;

womit die Zeit eine individuelle Größe ist!

Ein erster Gedanke ist, dass „die Zeit“ jene Größe ist, die sich ändert, wenn sich der

Zustand des Universums bzw. jener der Umgebung ändert; sprich, wenn die Entropie [9]

einem Nullwert nicht entspricht!

Die Entropie eines Systems steigt mit jedem Prozess, der innerhalb des Systems spontan

abläuft und mit jeder Zufuhr von Wärme oder Materie von außen verbunden ist. Spontan

ablaufende Prozesse sind z.B. Vermischung, Wärmeleitung, chemische Reaktion, aber

auch Umwandlung von mechanischer Arbeit in innere Energie durch Reibung. Abnehmen

kann die Entropie eines Systems nicht durch innere Prozesse, sondern nur durch Abgabe

von Wärme oder Materie nach außen.

Somit ist – einfacher erklärt – die Zeit eine individuelle Größe, die – wie die Einstein‘sche

Relativitätstheorie erläutert – vom Objekt, die mit dessen sich fortbewegender Geschwindigkeit

des Objektes, in der Raumzeit, korreliert; bzw. abhängig von der Objektgeschwindigkeit

(in der Raumzeit) variiert.

Je schneller sich ein Objekt bewegt, desto langsamer ändert sich die Größe der Zeit für

das Individuum. Festgestellt, dass die Zeit eine individuelle Größe ist, macht es erforderlich,

auf die Psychologie [10] zurückzugreifen.

Zu erwähnen ist diesbezüglich auch Philosoph und Wirtschaftspädagoge Prof. Dr. Karlheinz

A. Geißler [11] , der auch ein Zeitforscher war. Dr. Karlheinz Geißler – der weder Führerschein

noch Uhr besaß – stellt fest, „dass wir zu einem guten Leben viele unterschiedliche

lebendige Zeitformen brauchen.“ [12]

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WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Abbildung 1: Zeitforscher

Prof. Dr. Karlheinz A.

Geißler

(* 20.10.1944 - †

09.11.2022)

Auch das von Dr. Karlheinz Geißlers Sohn Jonas Geißler mitherausgegebene timesandmore.com

[14] befasst sich tiefer mit dem Thema Zeit. Hier [15] ist unter anderem auch der

bekannte Spruch

„Wie schnell die Zeit vergeht, hängt davon ab,

auf welcher Seite der Toilettentür wir uns befinden“,

den Jonas Geißler im Interview mit Doris Oberneder zum Besten gab.

Schon Dr. Karlheinz Geißler, stellte fest, dass

„Wer zur Ruhe kommt, hat einfach mehr vom Leben!“ [16] .

Wie am 26. März 2017 in der Süddeutschen Zeitung publiziert, behauptet Dr. Karlheinz

Geißler „Die Leute suchen die Zeit, aber sie finden sie nicht!“ [17]

Wie auch? Jonas Geißler hält nicht nur Vorträge, er arbeitet als Coach in großen

Unternehmen oder mit Privatleuten, „da geht es ganz konkret darum:

Was kann ich tun?“ [18] . Eine Musterlösung gebe es nicht, sagt er. Wichtig sei,

die eigenen Ressourcen zu entdecken, sich zu fragen: Wo spüre ich mich? [18]

„Jeder hat sein eigenes Tempo, manchmal muss man schnell sein, manchmal langsam.

Je mehr Qualität man lebt, desto stärker wird man.“ [18]

„Was ist eigentlich Zeit?“ [18] fragt Karlheinz Geißler und meint:

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//SCHRÆGSTRICH


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Wir wissen, unsere Zeit läuft ab. Und weil wir das wissen, hadern wir mit der Zeit, lassen

sie nicht einfach vergehen, sondern möchten sie, wie alles andere auch, beherrschen.

Aber genau das Gegenteil ist der Fall:

Sie beherrscht uns. [19]

Weiters spricht Geißler über den Zeitwohlstand in den Worten:

„Zeitwohlstand erlangt man eher über das »Lassen« als

über das »Machen«; Das

»Sein-lassen«, das

»Sich-ein-lassen« und das

»ver-lassen«.

Der Zustand, der sich dann im besten Falle einstellt, ist

»Ge-lassenheit«“. [20]

Abbildung 2: Die Zeit

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WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Quellen:

[1] … Was den momentanen, unmittelbaren Augenblick der temporären Art meint bzw.

die Gegenwart.

[2] … „Die Sekunde, Einheitenzeichen s, ist die SI-Einheit der Zeit. Sie ist definiert, indem

für die Cäsium frequenz Δν, der Frequenz des ungestörten Hyperfeinübergangs

des Grundzustands des Cäsiumatoms 133, der Zahlenwert 9 192 631 770

festgelegt wird, ausgedrückt in der Einheit Hz, die gleich s −1 ist.“

https://www.google.com/search?q=SI-Einheit+Zeit&client=firefox-b-d&ei=5yOgY

7-IKPl7_UPqIGxgAI&ved=0ahUKEwj_rO7epIX8AhWj8rsIHahADCAQ4dUDCA4

&uact=5&oq=SI-Einheit+Zeit&gs_lcp=Cgxnd3Mtd2l6LXNlcnAQAzIFCAAQgAQy

BAgAEB4yBggAEAgQHjoKCAAQRxDWBBCwAzoKCCEQwwQQChCgAToIC

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[3] … Eine SI-Einheit ist eine – von sieben – physikalische Größe, des

Internationalen Einheitssystems, zu der die sieben Einheiten „Sekunde“(s),„Meter“(m),

„Kilogramm“ (kg), „Ampere“ (A), „Kelvin“ (K), „Mol“ (mol) und „Candela“ (cd)

gehören.

https://www.google.com/search?q=SI-Einheit&client=firefox-b-d&ei=Oyeg

Y4DvB9KG9u8PwKW-kAc&ved=0ahUKEwjA-Pf0p4X8AhVSg_0HHcCS

D3IQ4dUDCA4&uact=5&oq=SI-Einheit&gs_lcp=Cgxnd3Mtd2l6LXNlcnAQAzI

FCAAQgAQyBQgAEIAEMgQIABBDMgUIABCABDIFCAAQgAQyBQgAEIA

EMgUIABCABDIFCAAQgAQyBQgAEIAEMgUIABCABDoKCAAQRxDWBB

CwAzoGCAAQBxAeSgQIQRgASgQIRhgAUNcHWPEYYKAbaAFwAXgAg

AFyiAHbAZIBAzAuMpgBAKABAcgBCMABAQ&sclient=gws-wiz-serp

[4] … https://de.wikipedia.org/wiki/Zeit

[5] … https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Boltzmann

[6] … Die Atomistik verteidigt die reale und objektive Existenz der Atome; gegen

welche Auffassung sich beispielsweise der bedeutende österreichische

in Graz, Wien und Leipzig lehrende Physiker Ernst Mach

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Mach, wie auch der deutschbaltische Chemiker

und Philosophen Wilhelm Oswald https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Ostwald

stellten.

[7] … https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Einstein

[8] … Unter „Entität“ versteht man eine Größe bzw. Einheit, die sich vom Wesen der

Dinge unterscheidet und ein Maß der Unordung des Systems angibt.

[9] … „Entropie“ ist eine thermodynamische Zustandskenngröße in [J/K]. Joule (die

Einheit der Energie) in Bezug auf die Temperatur [in Kelvin] stellt die Entropie dar.

https://de.wikipedia.org/wiki/Entropie

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//SCHRÆGSTRICH


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

[10] … Die Psychologie (von altgriechisch ψυχή psȳchḗ für „Seele, Gemüt“, und

λόγιος lógios für „Kunde, Wissenschaft“) ist eine empirische Wissenschaft, deren Ziel

es ist, menschliches Erleben und Verhalten, deren Entwicklung im Laufe des Lebens

sowie alle dafür maßgeblichen inneren und äußeren Faktoren und Bedingungen sowie

Verfahren zu ihrer Veränderung zu beschreiben und zu erklären. Personen, deren

Berufsbild durch die Anwendung psychologischen Wissens charakterisiert ist und deren

Bezeichnung in Deutschland ein Hochschulstudium im Hauptfach Psychologie

voraussetzt, sind Psychologen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Psychologie

[11] … (* 20. Okt. 1944, Deuerling; † 9. November 2022, München), der Professor für

Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr in München

[12] … Worauf auch die Herausgeberin Ulrike Lehmkuhl in ihrem Werk „Die Bedeutung

der Zeit.‘‘ eingeht; Die Bedeutung der Zeit. Zeiterleben und Zeiterfahrung aus

Sicht der Individual psychologie. Gefälligkeitsübersetzung: The meaning of time.

Time experiences from the viewpoint of individual psychology.“, Lehmkuhl,

Ulrike (Hrsg.), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (2005); ISBN: 3-525-45011-7

[13] … https://de.wikipedia.org/wiki/Karlheinz_Gei%C3%9Fler

[14] … https://timesandmore.com/was-ist-eigentlich-zeit-zeitforscher-karlheinz-geisslerim-gespraech-auf-egofm/

[15] … https://timesandmore.com/wie-schnell-die-zeit-vergeht-haengt-davon-ab-aufwelcher-seite-der-toilettentuer-wir-uns-befinden-interview-mit-jonas-geissler-vondoris-oberneder/

[16] … „Immer mit der Ruhe“; Karlheinz A. Geißler; ISBN: 978-3-451-82563-7

[17] … https://www.sueddeutsche.de/muenchen/zeitforscher-puenktlichkeit-ist-eine-ueber

fluessige-erfindung-1.3434281

[18] … https://www.sueddeutsche.de/muenchen/zeitforscher-puenktlichkeit-ist-eineueberfluessige-erfindung-1.3434281-2

[19] … https://www.oekom.de/beitrag/es-wird-zeit-3-fragen-an-harald-lesch-karlheinzgeissler-und-jonas-geissler-201

[20] … https://www.oekom.de/beitrag/es-wird-zeit-3-fragen-an-harald-lesch-karlheinzgeissler-und-jonas-geissler-201

ABBILDUNGEN:

Abb. 1…

Abb. 2…

https://www.sueddeutsche.de/image/sz.1.5694691/1408x792?v=1668192019&

format=webp in: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/karlheinz-geissler-zeitnachruf-1.5694554

[30.08.2023]

https://timesandmore.com/forscher-zur-zeitumstellung-gehorsamkeit-gegenueberder-uhr-nimmt-ab/

[30.08.2023]

Franz L. Raaber

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WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Das Gedächtnis und seine Erinnerungen

Erinnerungen – wofür sind sie da? Ab wann entwickeln sie sich? Wie speichert unser

Gehirn Erinnerungen ab?

Jeden Tag nimmt das menschliche Gehirn neue Erfahrungen auf und bildet damit neue

Gedankenmuster.

Aufgrund einer Großzahl von Geschehnissen entstehen sogenannte episodische

Erinnerungen an räumliche und zeitliche Abläufe. Diese werden wiederum

im Hippocampus als Aktivierungsmuster von Nervenzellen gespeichert.

Wie jedoch eine Studie enthüllt, legt unser Hirn für jede Erinnerung ein ganzes Netzwerk an.

Somit werden beim Abspeichern und Abrufen der Erinnerungen Neuronen aktiv, welche

im Mittelhirn und Hirnstamm liegen.

Abbildung 1: Was ist Gedächtnis?

Nichtsdestotrotz bleibt unser Hippocampus die Kontrollzentrale.

Eine essenzielle Rolle spielen hierbei Synapsen, welche änderbar sowie anpassungsfähig

sind. Während sich das Gedächtnis ausbildet, erhalten Nervenzellgruppen eine andere

Funktion sowie eine andere Struktur. Bei dem genannten Vorgang, welcher „synaptische

Plastizität“ genannt wird, ändert sich die Stärke der Synapsen.

Für die Gedächtnisbildung sind Synapsen, von hemmenden als auch von erregenden

(auch EPSP genannt) Nervenzellen, relevant. So kann eine erregende Nervenzelle die

Zelle aktivieren, eine hemmende Zelle schaltet diese jedoch ab. Die Funktion der hemmenden

Nervenzelle (auch IPSP genannt) ist somit ebenso wichtig wie die der erregenden.

Denn durch Erstere können ähnliche Gedächtnisinhalte voneinander getrennt

werden.

SEITE 10

//SCHRÆGSTRICH


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Was hätten wir nur für ein Chaos im Kopf, wenn dieser Effekt nicht gegeben wäre?

Unser Körper funktioniert jeden Tag. Blut rinnt, unser Herz klopft. Viel zu selten

bedanken wir uns für dieses Wunder, das uns Minute für Minute am Leben hält.

Jeder von uns ist einzigartig, auf seine Weise.

Generell unterscheidet man das individuelle vom kollektiven Gedächtnis. Nicht nur für die

Zukunftsgestaltung, sondern auch für die Vergangenheitsbewältigung ist unser kollektives

Gedächtnis bedeutend.

Doch was ist eigentlich der Unterschied zwischen Erinnerung und Gedächtnis?

Mit dieser Frage beschäftigen sich heute die Geistes- und Sozialwissenschaften, da das

Gedächtnis die Erinnerung erst möglich macht.

Um sich zu erinnern, benötigt man nicht nur das Gehirn als organische Basis, sondern

ebenso große Erinnerungsspeicher. Diese ermöglichen es, Bewusstseinsakte

zu erzeugen, welche als „Erinnerung“ bezeichnet werden. Es ist nur möglich,

sich zu erinnern, wenn man sich durch den Austausch mit anderen mitteilen kann.

Dies wiederum benötigt ein Kommunikationsmedium wie die Sprache, Zeichen oder Gesten.

Abbildung 2: Glückliche Kinder

Erst mit 18 Monaten wird sich ein Kleinkind an Ereignisse erinnern können. Und ab dem Eintritt in die

Schule ist es möglich, eine stabilere und beständigere Vorstellung der Erinnerungen zu bekommen.

SCHRÆGSTRICH // SEITE 11


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Die Forschung beschäftigt sich grundsätzlich mit zwei Perspektiven:

• Soziale Geprägtheit von individuellen Erinnerungsprozessen

• Untersuchung von Gruppenerinnerungen

Davor begegnen Kinder Situationen, erleben abenteuerliche Geschichten, blicken jedoch

noch nicht zurück. Diese Erfahrungen kann man dem prozeduralen Gedächtnis zuordnen.

Hierzu zählt alles, was automatisiert passiert, wie z.B. Schwimmen, Fahrradfahren und

Laufen.

Auf der anderen Seite gibt es noch das deklarative Gedächtnis. Hier speichert

das Gehirn ein erworbenes Wissen ab. Ebenso haben hier auch noch die Erinnerungen

Platz. Unsere Sinne haben einen festen Zusammenhang mit dem Gehirn.

Somit wird ein Tannengeruch eine andere Erinnerung hervorrufen als der Duft nach Honig

und Wein.

Ein kurzer Sprung in die Psychologie:

Genau durch diese Verbindung zwischen Sinnesreizen und Geist können bisher unbewusste

Erlebnisse ins Bewusstsein gerufen werden. Ob es nun Gerüche, Geschmäcker

oder Empfindungen sind, es hinterlässt Spuren im Gehirn.

Bei traumatisierten Personen ist die Kombination aus Therapie und Empfindungssreize

eine essenzielle Methode. Dazu aber in einem anderen Artikel mehr.

Können sich Kinder eigentlich besser erinnern als Erwachsene?

Diese Frage kann von der Wissenschaft nicht ganz klar gelöst werden.

Kleinkinder nehmen unsere Welt ganz anders wahr, fokussieren andere Momente, sehen

anders auf die Umwelt. Selbst noch so kleine Reize nehmen sie wahr und sind davon

begeistert. Diese winzigen Details geben unseren Jüngsten ein reiches Repertoire an

Vielfalt und an buntem Wissen.

Das unterscheidet sie auch von den Erwachsenen, denn wir nehmen „leider“ solche vermeintlich

unwichtigen Feinheiten nicht mehr wahr. Nicht nur wegen der Entwicklung unseres

Gedächtnisses, sondern ebenso wegen der immer unpersönlicheren Gesellschaft

verändert sich der Bezug zum Besonderen. Ich selbst hatte lange Zeit die Fähigkeit, mich

über kleine Besonderheiten zu erfreuen und sie bis ins Detail verstehen zu wollen. Immer

SEITE 12

//SCHRÆGSTRICH


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

mehr wurden mir aber genau diese wunderbaren Dinge von damaligen Freundschaften

versagt oder verspottet. Heute weiß ich, das waren keine Freunde. Wer sich nicht über

das Einzigartige erfreuen kann und sich über jene, die es tun, lustig macht, fällt meiner

Meinung nach nicht mehr in diese Kategorie der Freund*innen.

Nun aber zurück zum Gehirn bzw. zum Gehirn eines Babys: Das Einspeichern von Erlebnissen

gestaltet sich noch als schwierig. Das Kleine kann hören, sehen, schmecken. Es

nimmt auch wahr, wenn es gestreichelt wird. Tiefere Verbindungen finden jedoch noch

nicht statt. Momente, die sprachlich begleitet bzw. vermittelt werden, graben sich viel

stärker ins Hirn als andere. So kann man auch unseren Nachkommen eine Unterstützung

bei der Vermittlung und Erhaltung des Gelernten mit auf ihren Lebensweg geben. Als Elternteil

sollte man mit dem Nachwuchs über das Erlebte sprechen. Es sollte zum Erzählen

wie eigenem Nachdenken angeregt werden, wobei ich wieder auf die sehr wichtige

Rolle der Eltern verweise.

Wie man ebenso das Erinnern fördern kann: Durch den Sehsinn. Gemeinsam mit dem

Knirps alte Bilder angucken und sich dabei lustige Geschichten zu erzählen, kann nicht

nur Spaß machen, sondern ebenso bereichern. Somit werden diese Erlebnisse besser

im Gehirn verankert.

Abbildung 3: Kind beim Spielen

Schlussendlich kann das Vergangene niemals ungeschehen gemacht werden.

Es zeichnet uns. Es prägt uns.

Auch wenn ein Ereignis ununterbrochen an einem nagt, es ist passiert.

SCHRÆGSTRICH // SEITE 13


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Ich möchte Ihnen zum Schluss noch mitgeben:

Jeder neue Tag kann besser werden als der alte. Ihre Erinnerungen machen Sie zu dem,

was Sie sind. Sie formen Ihre Persönlichkeit, und das ist auch gut so. Eines Tages muss

jede*r von uns die Vergangenheit akzeptieren und im Optimalfall aus ihr lernen. Ihre individuellen

und einzigartigen Erinnerungen bestimmen Ihre Zukunft.

Aber nur Sie selbst können entscheiden, wie!

Gestern war sie dort.

Doch holt sie dich ein.

Heute ist sie fort.

Stellt dir ein Bein.

sie haltet dich fest,

auch wenn du nicht willst.

Baut dir ein Nest

Auch wenn du nicht hilfst.

Vergangenes kommt dir so nah

Und zeigt dir den richtigen Weg.

Auch wenn es furchtbar war.

Es ist noch nicht zu spät.

Vor der Zukunft hast du die Wahl

Entscheidest du dich für den bewussten Weg?

Wenn ja, dann wird es für dich eine Qual.

Doch stehst du am End nicht allein auf dem Steg.

Die Zukunft wird es dir schon zeigen.

Du kannst es dann nicht mehr vermeiden.

Entscheidest du dich dafür?

Gibt’s für dich nur eine Tür.

Theresa Frai

SEITE 14

//SCHRÆGSTRICH


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Quellen:

Hainmüller T., Thieme, https://www.thieme.de/de/neurologie/so-entstehen-erinnerungen-64594.htm

[25.01.2023]

Studyflix, https://studyflix.de/biologie/epsp-ipsp-2803 [25.01.2023]

Podbregar Nadja, Scinexx, https://www.scinexx.de/news/psychologie/erinnerungen-sindhirnweite-netzwerke/

[23.01.2023]

Greshko Michael, National Geographic, https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2019/03/das-gedaechtnis-so-formen-und-vergessen-wir-erinnerungen

[23.01.2023]

Moller Sabine, Docupedia Zeitgeschichte, https://docupedia.de/zg/Erinnerung_und_

Ged%C3%A4chtnis [30.01.2023]

Weichs Barbara, Apotheken Umschau, https://www.apotheken-umschau.de/familie/ent-

wicklung/meilensteine/gedaechtnis-ab-welchem-alter-koennen-sich-kinder-an-dinge-er-

innern-791455.html [30.01.2023]

Abbildung 1: Was ist Gedächtnis?

https://www.badische-zeitung.de/was-ist-das-gedaechtnis--207642277.html [01.03.2023]

Abbildung 2: Glückliche Kinder,

https://de.123rf.com/photo_75272130_gl%C3%BCckliche-kinder-werfen-bunte-konfettiin-einem-raum.html

[01.03.2023]

Abbildung 3: Seifenblasen für Kinder,

https://www.eltern-aktuell.de/seifenblasen-fuer-kinder/ [01.03.2023]

SCHRÆGSTRICH // SEITE 15


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Das Hier und Jetzt

Im folgenden Artikel möchte ich mich mit der Zeit zwischen Vergangenheit und Zukunft

beschäftigen.

Was versteht man unter dem „Hier und Jetzt“? Können wir es erzwingen oder haben wir

es in uns? Schafft es jeder Mensch; sich seines Lebens bewusst zu werden? Und was

bedeutet es eigentlich, wenn man „sich bewusst“ ist? Nimmt man es als Gefühl wahr oder

muss man es zuerst auf logischer Ebene verstanden haben?

Die genannten Fragen wie weitere sollen in diesem Text geklärt, Missverständnisse bereinigt

sowie Informationen vereinfacht dargestellt werden.

Vergangenheit war, Zukunft wird und im Hier und Jetzt leben wir.

Es ist der einzige Zeitpunkt, wo Leben stattfindet!

Generell kann gesagt werden, dass Bewusstheit etwas anderes als Bewusstsein ist und

sich ebenso von Selbstbewusstheit unterscheidet. Wenn ein Mensch weiß, was er will

und welche Ziele er verfolgt, ist er selbstbewusst. Vielleicht ist er in manchen Bereichen

nicht so gut, aber er ist sich dessen „bewusst“, was er kann. Ein anderer ist achtsam,

mit sich und seinem Umfeld. Das bedeutet, dass er über Bewusstheit verfügt. Wiederum

bedeutet Bewusstsein, die innere Haltung zu besitzen, seinen Zielen nachzugehen. „Bewusstsein“

ist auch die Summe der Lebenserfahrungen und das Wissen über sich selbst.

Deine Gedanken erschaffen deine Zukunft:

Um deine Zukunft zu „deiner“ Zukunft zu machen, solltest du dir über Gefühle und Gedanken

„bewusst“ werden; sie kennenlernen. Deine Gedanken können viel Gutes, aber

auch Schlechtes in dir entstehen lassen. Sie sind ein mentales Kraftzentrum, welches

stets zur Verfügung steht. Es ist möglich, sich immer wieder einzureden, dass man eine

Sache meistern wird. Doch wenn die „unbewussten“ Gedanken dabei nicht mitspielen,

bringt das alles nichts.

Stelle dir dein Unbewusstes als riesengroßen Elefanten vor, auf dem ein Reiter sitzt und

den bewussten Teil darstellt. Auch wenn der Reiter noch so sehr in eine Richtung zieht,

heißt es noch lange nicht, dass das Tier ihm folgt. Schreitet jedoch der Elefant wild nach

rechts, so wird er dorthin gehen können, egal was ober ihm geschieht. Das Unbewusste

SEITE 16

//SCHRÆGSTRICH


WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

hat somit die Zügel in der Hand, nicht umgekehrt. Schlussendlich kann man sich nicht

selbst belügen. Körper und Geist wissen, was auf unbewusster Ebene gedacht wird und

wovon man überzeugt ist. Immer wieder nähren unbewusste Menschen diesen Boden

der Lügen, welcher durch Unwahrheiten vergiftet wird. Wer kennt die Phrasen nicht: „Ein

Indianer kennt keinen Schmerz!“ oder „Du musst gute Leistung erbringen!“ Unsere Vergangenheit

bestimmt die Zukunft und das zurecht. Denn diese (negativen) Glaubenssätze

pflanzen sich in unser Hirn. Wir denken, sie seien wahr, übernehmen sie unreflektiert

und sind auch noch von ihnen überzeugt.

Grundsätzlich hilft es, sich mit zwei einfachen Fragen zu beschäftigen.:

„Wer möchte ich sein?“,

„Wie möchte ich sein?“

Zumeist hat es jede*r selbst in der Hand, die eigene Zukunft zu bestimmen und die negativen

Glaubenssätze zu verändern. Niemand sagt, es sei leicht, doch es ist auf alle Fälle

möglich. Ein*e gute*r Therapeut*in kann viel Hilfestellung bieten.

In jedem einzelnen Moment hast du recht. Egal, was du über dich glaubst. Dein Glaube

gewinnt – immer. Positiv wie auch negativ!

Angst und Vertrauen:

Alles, was man denkt und fühlt, basiert auf einem Grundgefühl, der Angst bzw. dem Vertrauen.

Mal so, mal so. Sich von der Angst zu verabschieden, ist, wie jede*r weiß, nicht

einfach. Zuerst muss man ohnehin durch sie hindurch, was für die meisten schon den

schrecklichsten Punkt überhaupt darstellt. Doch die Angst tötet Vertrauen, was die ganze

Sache erheblich erschwert. Als Erbe der Evolution tragen wir die Angstgefühle ständig

mit uns, sie ziehen uns runter und nehmen uns den Halt. Hier ist es essenziell, sich im

ersten Schritt über die eigenen Ängste im Klaren zu werden, sie anzuerkennen und sein

zu lassen. Schließlich sind sie in der Vergangenheit entstanden und haben eine Funktion.

Zumindest denken sie, dass sie noch eine Funktion hätten. Achtsam bzw. bewusst

mit sich selbst und seinen Emotionen zu werden, ist ein lebenslanger Weg, der nicht von

heute auf morgen geschieht. Man darf sich dabei jedenfalls Zeit lassen.

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WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Der Schlüssel für zukünftige Persönlichkeitsentwicklung:

Dankbarkeit fühlen

Emotionen wahrhaftig erleben

Positive Bestätigung an sich selbst

Das Trio im Umgang mit Gefühlen:

Die Emotion wahrnehmen und da sein lassen

Es durchleben

Das Gefühl eventuell aufarbeiten und

wieder gehen lassen.

Abbildung 1:

Spuren im Sand

Achtsames Ein- und Ausatmen hilft, sich besser in der Gegenwart zu verankern. Man

kann sich auch an der Beschreibung von der eigenen Wahrnehmung versuchen und das,

was man sieht, ob fern oder nah, ganz genau reflektieren.

Je mehr wir bewusst leben, desto emotionaler und intensiver nehmen wir Dinge in der

Umgebung wahr. Wir spüren den Wind, der durch die Haare streift, fühlen das kühle Nass

der Regentropfen, welches auf unserer nackten Haut tanzt und riechen die Luft, welche

nach frisch gemähtem Rasen duftet. Einmal mehr wahrgenommen, zwei Mal mehr empfunden

und drei Mal mehr einen Beitrag geleistet für eine Zukunft, in der man leben wird!

Theresa Frai

Abbildung 2:

Fühlen

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WISSENSWERT // Vergangenheit und Zukunft

Quellen:

Bischoff, Christian: Bewusstheit, 7. Auflage, München: Ariston Verlag, 2020, S. 25-133

Anne, Open Mind Akademie, https://open-mind-akademie.de/leben-im-hier-und-jetzt/

[15.05.2023]

Abbildung 1: Spuren im Sand, https://pixers.de/fototapeten/spuren-im-sand-15082972

[17.05.2023]

Abbildung 2: Fühlen, https://www.fotocommunity.de/photo/fuehlen-bodeulrike/44065939

[17.05.2023]

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

Dystopie oder Utopie – was ist Realität?

Ein Blick auf die Zukunft – aus der Sicht der Vergangenheit

„Dystopie“: fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung o. Ä. mit negativem Ausgang

“Flies are buzzing around my head

Vultures circling the dead

Picking up every last crumb

The big fish eat the little ones …

Not my problem, give me some

You can try the best you can …

The best you can is good enough …

This one‘s optimistic

This one went to market

This one just came out of the swamp

This one drops a payload

Fodder for the animals

Living on animal farm”

Radiohead: “Optimistic” (von mir gekürzte Version),

erschienen auf dem Album „Kid A“ (2000)

Abbildung 1: Radiohead

Als die bekannte Band Radiohead im Jahre 2000 ihr viertes Album „Kid A“ veröffentlichte,

war sie vom Genre „Britpop“ zu „Electronica“ gewechselt und ihre Zukunftsvisionen um

die Jahrtausendwende waren wie die vieler anderer Menschen – alles andere als rosig.

Wie der Sänger Thom Yorke in einem Interview vom Jahr 2001 zugibt, gab es damals

Krisen in der Band, und er wendete sich innerlich vom Rock und der damit einhergehen-

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

den obligatorischen „Rock-Attitüde“ ab, um eine komplett andere Richtung einzuschlagen.

Das Album „Kid A“ klingt düster, melancholisch und zeichnet ein pessimistisches

Zukunftsbild vom neuen Jahrtausend, was auch im vorangegangenen Album „OK Computer“

zu spüren war. Dort sang Thom bereits über „fake plastic trees“ und stimmt damit

die Kritik an unserer verschwenderischen westlichen Welt an. Im Song mit dem wohl

sarkastisch gemeinten Titel „Optimistic“ [„Optimistisch“] spricht er meiner Einschätzung

nach von seiner damaligen Depression und der kapitalistischen Wirtschaft, die nach dem

Prinzip „das Recht des Stärkeren“ funktioniert. Radiohead wurde immer vorgeworfen, die

Musik wäre „zu depressiv“ – in diesem Lied vergleicht Thom die Gesellschaft mit „Tieren,

die auf der Farm der Tiere leben“. Dies ist eine direkte Anspielung auf die dystopische

Fabel „Farm der Tiere“ des Schriftstellers George Orwell aus dem Jahre 1945, in dem

dieser die Politik der kommunistischen Sowjetunion mit dem entscheidenden Satz „Alle

Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher“ kritisiert.

„We are the youth, we‘ll take your fascism away

We are the youth, apologize for another day

We are the youth and politicians are so sure

We are the youth and we are knocking on death‘s door

Never knew we were living in a world

With a mind that could be so sure

Never knew we were living in a world

With a mind that could be so small

Never knew we were living in a world

And the world is an open court

Maybe we don‘t wanna live in a world

Where our innocence is so short

We‘ll make it up to you in the year 2000

Build it up for you in the year 2000

Make it up to you in the year 2000

Build it up for you in the year 2000 with you“

Silverchair: “Anthem for the Year 2000” (von mir gekürzte Version),

erschienen auf dem Album „Neon Ballroom“ (1999)

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

Abbildung 2: Silverchair

In diesem Lied der Grunge-Band Silverchair wird etwas anderes vernehmbar – neben der

Kritik an der Welt, in der so einiges falsch läuft, verlautete die Band ihre Hoffnungen: Sie

will die Welt zum Positiven verändern. Anscheinend hat die Jahrtausendwende Hoffnung

gegeben, dass alles besser werden könnte; dass korrupte Politiker*innen zur Rechenschaft

gezogen und die Jugendlichen gegen die schiefen Machtverhältnisse revoltieren

würden. Diese Ideen beinhalten einen Handlungsgedanken, der nicht passiv macht, sondern

voraussetzt, dass man aktiv die Zukunft dieser Erde gestalten kann, wenn man

gemeinsam daran arbeitet. Alles andere als apathisch also stellt sich Silverchair im Jahre

1999 dem neuen Jahrtausend und diese Energie hört man auch in dieser eingängigen

Rock-Hymne.

Was ist in diesem Jahrtausend bisher eingetroffen? Eine Revolution und bessere Lebensbedingungen

für die Menschen? Oder ist alles schlechter geworden? Ist es besser,

wenn man das Negative schon im Voraus erwartet, um nicht enttäuscht zu werden? Oder

soll man sich besser alles wunderbar ausmalen, z.B. dass die Menschen in Zukunft nur

noch gut sein werden, wenn erst einmal die Moral siegt? Ich denke, es ist die goldene

Mitte. Wir sind Menschen und nicht perfekt – wir haben das Potenzial, Gutes und Böses

zu tun und es gibt auch viele Graubereiche dazwischen. Eine Welt, in der Geld und Macht

das Erstrebenswerteste sind, kann unser eigenes Verderben werden, doch es haben

sich in den letzten zwanzig Jahren auch viele Dinge zum Positiven entwickelt. Immer

nur schwarzzusehen, bringt einem persönlich nicht viel. In gleichem Maße kann man die

vorhandenen Missstände aber auch nicht leugnen oder einfach so tun, als würden Menschen

keinen Schaden anrichten und als wäre alles auf der Welt in Ordnung.

Für die psychische Gesundheit ist es wohl wichtig, zu erkennen, dass fast nie etwas

ausschließlich „schwarz“ oder „weiß“ ist. Die ganze Welt und alle Lebewesen, die auf

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

ihr hausen, sind so komplex, dass wir vieles davon gar nicht verstehen. Dieses „allesoder-nichts-Denken“

aufzugeben, führte für mich persönlich zu einer Verbesserung der

Lebensqualität. Es ist einiges gut auf der Welt und einiges schlecht – aber es gibt auch

unzählige Abstufungen dazwischen und die Bewertung hängt auch immer vom Standpunkt

ab. Im Allgemeinen würde ich sagen, es wäre hilfreich, optimistisch zu bleiben,

aber dennoch das Negative nicht zu ignorieren, sondern sich bewusst zu sein, dass man

viel aktiv in seinem Leben tun kann, damit es besser wird.

Kleine Schritte, oft getan, schaffen Großes

Ani MG, 25.08.2023

Quellen:

https://theboar.org/2020/10/radioheads-kid-a-foretells-2020s-dystopia/

http://www.songlyrics.com/radiohead/kid-a/

https://de.wikipedia.org/wiki/Kid_A

https://en.wikipedia.org/wiki/Fake_Plastic_Trees

Thom Yorke Interview: https://www.youtube.com/watch?v=U7-wTWhp5UU

https://de.wikipedia.org/wiki/Farm_der_Tiere

https://en.wikipedia.org/wiki/Neon_Ballroom

https://www.songtexte.com/songtext/silverchair/anthem-for-the-year-2000-63d602ff.html

Abbildung 1: https://www.npr.org/2021/12/09/1062519603/radiohead-kid-a-amnesiacthroughline-thom-yorke-stanley-donwood

Abbildung 2: https://consequence.net/2021/10/silverchair-history-what-happened/

[für alle obigen Links gilt: Stand 25.08.2023]

Definition „Dystopie“: https://www.duden.de/rechtschreibung/Dystopie [14.06.2023]

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

Ins Glück stolpern – Buchrezension

Wie beeinflusst uns unser „Zukunftsdenken“?

Daniel Gilbert ist Harvard-Professor und Psychologe sowie

Glücksforscher. In seinem Buch „Ins Glück stolpern“ 1

schreibt er über unsere Fähigkeit, sich die Zukunft vorzustellen,

und darüber, ob wir überhaupt voraussagen können,

was uns in Zukunft glücklich machen wird bzw. ob uns dieses

„Zukunftsdenken“ weiterbringt.

„Zukunftsdenken [engl. future thinking], [KOG], ist ein Überbegriff

für versch. Formen zukunftsorientierter Kognitionen

wie Vorstellungen über die Zukunft, Erwartungen sowie Ziele

und Pläne.“ 2

Abbildung 1: Daniel Gilbert

„Ins Glück stolpern“ sei laut Daniel Gilbert kein Selbsthilfebuch,

sondern er berichte darin auf wissenschaftliche Weise

über die menschliche Fähigkeit des „Zukunftsdenkens“ und ziehe dabei unterschiedliche

Disziplinen – darunter die Psychologie, Philosophie und Neurowissenschaft – heran. Das

Buch vermittle den Leser*innen also nicht, wie man glücklicher werden könne, sondern

warum man oft nicht vorhersagen könne, was einen in Zukunft glücklich machen werde.

Der Autor definiert dabei den Begriff „Prospektion“ – in die Zukunft „blicken“, also sich

über die Zukunft Gedanken machen. Ich verwende in diesem Artikel den Begriff „Zukunftsdenken“

dafür. Wir stellen uns viele Varianten der Zukunft vor und treffen Entscheidungen

auf Basis dessen, was uns laut unserer Vorstellung in Zukunft am glücklichsten

machen würde. Doch wenn wir diese Dinge (z.B. einen lukrativen Job, eine Familie, ein

Haus etc.) erreichen – ist es tatsächlich das, was uns glücklich macht?

Zu Beginn stellt Daniel Gilbert eine Hypothese auf: Der Mensch sei das einzige Tier,

dass bewusst an die Zukunft denke. Der Autor behauptet, dass bei Tieren „Programme“

gestartet würden, wenn sie z.B. im Winter Futter suchen müssten. Er prägt dabei den

Begriff „nexten“ (englisch: „nexting“), das sich vom Wortstamm „next“ (das Nächste) ableitet.

Dieser Begriff beschreibt die Theorie, dass Tiere sehr wohl Voraussagen über die

unmittelbare Zukunft vor Ort machen könnten, aber nicht per se an die Zukunft denken

würden wie wir Menschen. Wir Menschen könnten auch „nexten“, wir täten es ständig,

z.B. wenn wir lesen, sagt unser Gehirn automatisch vorher, welches Wort als nächstes

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

kommen könnte, so der Autor. Doch wir Menschen würden noch weit darüber hinaus an die

ferne Zukunft denken können. Diese Vorstellungskraft würde uns von den Tieren abheben

und sie sei von „gänzlich anderer Natur“ (S.30).

Menschen würden sich ständig die Zukunft vorstellen und würden Schlussfolgerungen aus

der jetzigen Situation ziehen, welche Bedingungen vorhanden sein müssten, damit wir uns

in Zukunft glücklich fühlen würden. Doch diese Vorstellungen seien von verschiedenen Irrtümern

geprägt, von Fehlern, die unser Gehirn durch verschiedene „Tricks“ zu kompensieren

versuche – Fehler, denen sogar unsere Erinnerung und die momentane (visuelle) Wahrnehmung

unterliege. Als Beispiel nennt der Autor verschiedene Studien, die beweisen, dass Situationen

falsch erinnert werden können bzw. ihnen sogar neue Informationen hinzugefügt

werden. In der momentanen visuellen Wahrnehmung spiele der „blinde Fleck“ des Auges

eine Rolle – ein Bereich am Auge, an dem wir Menschen nichts sehen können, was das

Gehirn jedoch geschickt überspielt, indem es einfach die fehlenden visuellen Informationen

(Bilder) hinzufügt, wodurch wir glauben, alles vor uns sehen zu können.

Warum ist also das Zukunftsdenken kein geeigneter Weg, Glück zu finden? Durch die Evolution

des menschlichen Gehirns sei der Frontallappen des Menschen rapide gewachsen,

so der Autor. Darum sei der Homo sapiens dazu fähig, in eine Zukunft zu blicken und „was

wäre, wenn ...“ zu spielen. Doch wir könnten eben nicht genau voraussagen, was uns in

fünf, in zehn, in fünfzig Jahren glücklich mache, da unser Urteilsvermögen durch verschiedene

Faktoren getrübt sei. Zum Beispiel würden Details in der fernen Zukunft weggelassen,

in der nahen Zukunft sich aber sehr wohl genauer vorgestellt. Der Mensch könne sich

außerdem viele Details gar nicht vorstellen und würde wichtige Informationen hinzufügen

sowie auslassen. Das bedeute also, dass wir uns vieles vorstellen können, doch wie wir

uns in einer Situation wirklich fühlen würden, könnten wir in der Gegenwart nicht wirklich

beurteilen. Der Mensch ist eben kein perfektes Wesen und besitzt keine hellseherischen

Fähigkeiten. Zukunftsdenken ist sinnvoll, jedoch ist es kein genaues Abbild der Zukunft und

kann uns demnach auch nur die Richtung zeigen, wo wir hinwollen. Sie sagt jedoch nicht

hundertprozentig voraus, was uns später glücklich machen wird, worüber wir uns bewusst

sein müssen.

Das Buch ist humorvoll geschrieben, der Autor verspricht im Vorwort des Buches nicht,

dass es einem gefallen werde, sondern, dass die Leser*innen zumindest einen Einblick

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

bekommen würden, warum sie vor dem Lesen nicht wissen könnten, ob es sie zufrieden

mache, dieses Buch zu lesen. Tatsächlich liest es sich nicht wie ein Selbsthilfebuch,

sondern stellt viele wissenschaftliche Erkenntnisse und Befunde aus der Psychologie

und den Neurowissenschaften dar. Es ist somit ein relativ leicht verständliches Buch, um

an die menschliche Psyche heranzuführen. Ich bekam das Gefühl, dass wir Menschen

keinen großen Nutzen daraus ziehen, dass unser Frontallappen evolutionär so groß und

leistungsfähig geworden ist, sondern dass diese Planungsfähigkeit eher im Wege stehe,

wirklich glücklich zu sein. Der Autor führt sogar ein paar Beispiele an, weshalb Menschen,

die eine Läsion (Verletzung) des Frontallappens erlebt haben, glücklicher seien. Doch

was ist nun der Weg, wie wir über unser Glück „stolpern“ können?

Abbildung 2: Glück

Mein persönliches Fazit nach dem Lesen des Buches „Ins Glück stolpern“ entspricht

dem, was die Mediationslehre und die Lehre über Achtsamkeit empfiehlen: Lebe mehr im

Moment, suche Dinge, die dich im Jetzt glücklich machen und sei dankbar für das, was

du hast; sei achtsam für die Schönheit der Welt und des Lebens, dann erst kannst du das

Glück im Hier und Jetzt finden. Versuch, ab und zu dein Gehirn „abzuschalten“ und nicht

das Glück in der Zukunft zu suchen, denn du weißt noch nicht, wie diese Zukunft genau

aussehen wird. Es gibt fast immer Schönheit und Freude im Hier und Jetzt, doch manch-

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ZUM THEMA // Vergangenheit und Zukunft

mal denkt man, dass Dinge in Zukunft besser wären, sodass wir das Leben gar nicht

mehr genießen können. Diese Philosophie halte ich für mich am sinnvollsten, auch wenn

ich aufgrund meiner psychischen Erkrankung oft weit davon entfernt bin, mich glücklich

zu fühlen. Zu oft steht mein Leiden, mein körperliches und psychisches Unwohlsein mir

im Wege, um mich glücklich zu fühlen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich glücklicher wäre, hätte ich keine Depression, weshalb

es wichtig ist, seine psychische Erkrankung behandeln zu lassen – mit Psychotherapie

und wenn nötig mit Medikamenten sowie psychologischen Angeboten, die in meinem

Wohnort Graz reichlich vorhanden sind. Ich schätze darum mein jetziges Leben, in dem

ich eine soziale Wärme spüre, mir Behandlungsmöglichkeiten zu Verfügung stehen und

es darum immer wieder auch Situationen und Momente gibt, in denen ich glücklich bin.

Nach dem Lesen des Buches, ist mir bewusst geworden, dass Glück kein Dauerzustand

ist, sondern ein Gefühl. Ein Gefühl, nach dem die Menschen streben und wofür es sich

zu leben lohnt. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die Schattenseiten des Lebens anzuerkennen,

denn diese bleiben niemandem verwehrt. Im Großen und Ganzen gibt es

immer Licht und Dunkelheit, doch die Graustufen zu erkennen und zu akzeptieren sowie

in Balance zu kommen, das erscheint mir als gute Aufgabe für dieses Leben.

Ani MG

Quellen:

1 Daniel Gilbert _ „Ins Glück stolpern“; amerikanische Originalfassung: „Stumbling on

happiness“ (New York, 2006)

2 Definition „Zukunftsdenken“: https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/zukunftsdenken

[29.08.2023]

Abbildung1: https://www.manager-magazin.de/harvard/selbstmanagement/wir-machenaus-allem-das-beste-a-00000000-0002-0001-0000-000084505158

[29.08.2023]

Abbildung2: https://www.geo.de/geolino/wissen/21000-rtkl-glueckszitate-die-schoensten-zitate-ueber-glueck

[29.08.2023]

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

Heast as net…

…wia die Zeit vergeht? – so heißt es in einem 1992 veröffentlichten Lied von den Alpinkatzen

mit Hubert von Goisern. Dass dies keine triviale Frage ist, bemerkt man schnell,

wenn man sich mit dem Thema „Zeit“ ein wenig genauer auseinandersetzt. Menschen

haben, jeder für sich, ihre eigene Vorstellung von Zeit. Zeit lässt sich nicht aufhalten, wir

können sie nicht beschleunigen und nicht verlangsamen, und dennoch fühlt sich „Zeit“

nicht immer gleich an. Der Eigenrotation der Erde sowie dem Umkreisen der Sonne verdanken

wir, dass die Erde in 24 Zeitzonen eingeteilt ist und wir einen 24-Stunden-Tag

haben.

„Zeit“ ist viel und gleichzeitig nichts. Sie kann sich lang oder kurz anfühlen, sie kann sich

erträglich oder unerträglich, spaßig oder traurig anfühlen. Wir können uns fragen, ob sie

überhaupt existiert, denn wie lange dauert die Gegenwart? Kinder haben zu Beginn ihres

Lebens, noch keinen Begriff von gestern und morgen, sondern leben in dem Moment, in

dem sie gerade sind – sollten wir uns dies wieder mehr zu eigen machen im Hinblick auf

eine gute psychische Gesundheit? Patient*innen in der Depression fühlen häufig, dass

sie in der Zeit stecken bleiben, dass die Zeit nicht voranschreitet.

Ein Grundbedürfnis der Menschen scheint es gewesen zu sein, die Zeit messbar zu

machen. Wir haben Methoden gefunden, dies auf unterschiedliche Weise zu tun. Römische

Sonnenuhren, ägyptische Wasseruhren, mittelalterliche Kerzenuhren, chinesische

Glimmuhren sind einige Beispiele dafür. Sie waren zwar, nach unseren heutigen Standards,

nicht exakt, aber für die vergangenen Zeiten durchaus ausreichend. Die ersten

mechanischen Uhren wurden um 1300 erfunden. Eine erste mechanische Räderuhr wird

1372 in Tulln (NÖ) erwähnt. Diese Uhren hatten nur einen Stundenzeiger, was ebenfalls

ausreichte.

Aber die Entwicklung blieb nicht stehen. Man strebte nach einer immer genaueren Zeitmessung.

Allen voran, waren die Eisenbahnen die Triebfeder. Zu Anfang hatten unterschiedliche

Städte unterschiedliche Zeiten, wodurch an einen einheitlichen Zugfahrplan

nicht zu denken war. In Deutschland wurde erst 1891 die Eisenbahnzeit eingeführt, seither

stimmten alle Bahnhofsuhren überein.

1415 wurde die erste öffentliche Uhr in Wien am Südturm des Stephansdoms montiert.

Seither wurden öffentliche Uhren immer wichtiger und immer mehr.

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

Um die Jahrhundertwende gab es in Wien 69 öffentliche Uhren, deren Genauigkeit aber

eher zu wünschen übrig ließ. Mit teils schlecht lesbaren Zifferblättern sprach man gar von

der Wiener Uhrenmisere.

Einen Meilenstein der Zeit, stellte die Einführung der Normalzeit dar (in Österreich 1916).

Die Erde wurde in 24 Stundenzonen aufgeteilt und der Nullmeridian in Greenwich (England)

festgelegt. Als „Vater“ dieser Idee galt der schottisch/kanadische Ingenieur Sandford

Fleming.

So schnell die Uhren mehr wurden, so schnell debattierte man auch das neu entstandene

Diktat der Zeit (und man debattiert es bis heute). Heute sind die genauesten Uhren die

Atomuhren, sie messen schwingende Atome und geben uns so weltweit den Takt vor.

Aber wie sieht es mit unseren inneren Uhren aus? Die Natur hat viele verschiedene,

funktionierende Uhren in Tieren, Pflanzen, Pilzen und Bakterien hervorgebracht. Sie finden

sich überall in der Umwelt; der Zug der Vögel, der Wechsel der Jahreszeiten, unser

Herzschlag, der weibliche Zyklus, der Zeitpunkt, wann unsere Haustiere gefüttert werden

wollen. Innere Uhren gehen auf die ursprünglichsten und kleinsten Bewohner dieser Erde

zurück, den Cyanobakterien. Selbst sie haben bereits eine, nach einem 24-Stunden-

Rhythmus laufende, innere Uhr. Aber nicht nur unsere Umwelt besitzt innere Uhren. Auch

wir Menschen funktionieren danach. Jede Zelle in unserem Körper besitzt einen circadianen

Rhythmus (circa = ungefähr) (dies = Tag). Unser Uhrwerk besteht aus verschiedenen

Genen und den mit ihnen verbundenen Proteinen (Eiweiße), die die circadiane Rhythmik

steuern.

Je nach Person beträgt der Rhythmus etwas mehr als 24 Stunden. Als großer Taktgeber

fungiert der sogenannte Nucleus suprachiasmaticus. Er reguliert die täglichen Schwankungen

der Körpertemperatur, den Blutdruck, die Zellteilungsrate und andere lebenswichtige

Funktionen und wird mit jedem Einsatz des Tageslichtes neu gestartet. Mit zunehmendem

Alter nimmt die Qualität dieser suprachiasmatischen Uhr ab. Der Zeitmesser

wird alt.

Die Prozesse im Gehirn, laufen in einem Zeitmaßstab von Millisekunden ab (1 Millisekunde

ist eine tausendstel Sekunde; d.h. 1000 Millisekunden sind 1 Sekunde).

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

Licht ist für unsere inneren Uhren enorm wichtig. Haben wir dieses nicht, laufen sie falsch.

Wenn es dunkel wird, wird das Hormon Melatonin produziert, das uns schläfrig macht.

Sein Gegenspieler ist das Cortisol. Eine Störung der inneren Uhren wirkt sich negativ auf

unseren Körper aus, es drohen Übergewicht, Diabetes, Probleme mit dem Verdauungssystem

und psychische Probleme. Im Gegenzug können Krankheiten wie Depression

oder Alzheimer die innere Uhr stören. Wie die inneren Uhren genau funktionieren, wie

Gene und Proteine arbeiten, haben u. a. drei US-amerikanische Forscher herausgefunden

und bekamen dafür 2017 den Nobelpreis für Medizin (Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash

und Michael W. Young).

Wenn wir von Zeitwahrnehmung sprechen, dann sprechen wir von der Wahrnehmung einer

bestimmten Dauer. Wie lange zieht mein Tee, wie lange warte ich schon auf den Arzt.

Es gibt auch die Wahrnehmung von Gleichzeitigkeit. Das «Jetzt», das wir registrieren, ist

in Wahrheit immer bereits Vergangenheit. Z.B. das Geräusch, das entsteht, braucht Zeit,

um zu entstehen. Es braucht Zeit, an unser Ohr zu gelangen, und die Nervenbahnen

brauchen Zeit, um das Geräusch zum Gehirn zu bringen. Aber diese Signale brauchen

unterschiedlich lange. Lichtgeschwindigkeit ist schneller als der Schall und trotzdem synchronisiert

unser Gehirn die Signale und setzt sie zu einem «Jetzt» zusammen. Im Kinderbuchklassiker

«Momo» von Michael Ende heißt es, dass es die Gegenwart nur gibt,

weil sich die Zukunft in Vergangenheit verwandelt!

Da es im Bereich der Zeitwahrnehmung viele Ideen und Gedanken gibt, was die Zeitwahrnehmung

überhaupt ausmacht, bleibt viel Platz, um darüber zu philosophieren. Ein

berühmter Philosoph, der sich mit dem Thema Zeit beschäftigte, war Augustinus, der im

4. Jhr. n. Chr. lebte. Er sprach von einer „Dehnung der Seele“, da wir immer Vergangenheit,

Gegenwart und Zukunft, für uns zeitgleich erleben. Die Schlussfolgerung daraus ist,

dass Zeit in uns selbst existiert. Bei Leo Tolstoi (russ. Schriftsteller) heißt es: „Die zwei

mächtigsten Krieger sind Geduld und Zeit“. Albert Einstein sagt: „Ich sorge mich nie um

die Zukunft; sie kommt schon früh genug“.

Im Podcast von Christian Köpke, «ZEIT», über «Kinder und die Zeit» unterhalten sich 4

Kinder im Alter von 9 und 10 Jahren über die Zeit. Sie unterhalten sich, ob die Zeit schon

immer die gleiche Zeit war, und kommen zu dem Schluss: „Ja, aber sie haben halt erst

angefangen zu zählen, wie Gott dann da war“. Sie unterhalten sich auch über einen

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

wichtigen, festgelegten, täglichen Rhythmus. Aber dies scheint den Mädchen wichtiger

zu sein als den Buben. Eine spannende Frage ist das Thema Zeitreise. „Wenn ich jetzt

1 Woche in die Zukunft reise, wo bin ich dann während der Woche? Bin ich dann weg?

Irgendwo muss ich ja sein“. Die Kinder denken sich auch, dass man vor der Zeit nicht

weglaufen kann, da sie immer da ist. Sie fragen auch, ob in den Nudeln Zeit drinnen ist,

weil die eine gewisse Zeit brauchen, um fertig zu sein.

Beatris Uhlig behandelt in ihrem Buch «Tickst du richtig?» die Polychronen und Monochronen

Zeittypen und Gesellschaften. Im polychronen Weltbild ist Zeit praktisch unbegrenzt

vorhanden. Man ist in verschiedene Aktivitäten eingebunden und bleibt bei spontanen

Veränderungen flexibel. Monochronen ist das Einhalten eines Zeitplans enorm

wichtig. Ein*e Einzeitler*in muss immer so viel: abwaschen, einkaufen, die Abrechnung

machen etc. Das Einzeitlerleben ist ein deutliches schnelleres als das Vielzeitlerleben.

Wenn man, egal welche der beiden Typen, ins Extreme treibt, wird dabei niemand glücklich,

ganz im Gegenteil. Frei sind keine der beiden extremen Formen, weil sie in ihren

Mustern festhängen. Frei werden wir dann, wenn wir es schaffen, in gewissen Situationen

aus unseren Mustern herauszutreten. Wenn wir in Eile sind, versuchen wir ständig

der Zeit hinterherzujagen. Wenn wir älter werden, wird uns die eigene, bald bevorstehende

Vergänglichkeit bewusst. Wenn wir jugendlich sind, haben wir scheinbar endlos Zeit.

Wir wissen auch, dass sich eine Zeitdauer in extremen Momenten länger anfühlen kann.

Beispielsweise ein Sturz mit dem Motorrad, bei dem man sich noch genau erinnert, wann

man die Hände Richtung Boden gestreckt hat. Oder der Sprung vom 5-Meter-Turm im

Schwimmbad, der gefühlt länger dauert, als er ist. In Lewis Carrolls «Alice im Wunderland»

heißt es: „Entweder war der Schacht sehr tief oder sie fiel sehr langsam, denn sie

hatte im Fallen hinreichend die Zeit, sich umzusehen und sich zu fragen, was wohl als

Nächstes geschehen würde“.

Im Buch «Die neue Psychologie der Zeit» von Philip Zimbardo und John Boyd geht es

um den Versuch einer Feineinstellung, einer Justierung unserer Zeitperspektive. Weg

von der „negativen Vergangenheit“ und fatalistischen (Fatalismus = vorherbestimmtes

Schicksal) Gegenwart hin zu einer zukunftsorientierten Zukunft, einer hedonistischen

(lustvollen) Gegenwart und einer Vergangenheit, die Wurzeln gibt.

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

Die Menschheit hat viel überlegt und nachgedacht, was das Thema «Zeit» betrifft. Physiker

gingen lange davon aus, dass Zeit eine ganz und gar lineare Angelegenheit ist, die

sich stetig fortbewegt. Erst der Physiker Albert Einstein erklärte die Zeit zu einer relativen

Sache. Wie schnell die Zeit vergeht, hängt tatsächlich von der Geschwindigkeit ab.

Je schneller man sich bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit. Das erscheint einem

zunächst falsch, doch 1971 zeigte das Hafele-Keating-Experiment genau das: Eine Uhr

wurde in einem Flugzeug platziert, das zweimal rund um die Erde flog. Die andere Uhr

blieb am Boden. Für die reisende Uhr verging die Zeit tatsächlich langsamer, sodass

sie im Vergleich zu der ruhenden Uhr, etwas nachging. Dies war eindeutig messbar und

wurde mit genaueren Uhren 1996 und 2010 nochmal wiederholt. Beide Wiederholungen

bestätigten das Ergebnis.

Es gibt nicht die eine Wahrheit über die Zeit, und was die Zukunft bringt, weiß niemand

genau. Menschen wollen individuell mit der Zeit verfahren. Die einen wollen sie anhalten,

andere sie beschleunigen. Einige wollen sie sogar zurückdrehen. Das Wissen und Gefühl

von Zeit macht uns zu Menschen. Wir sind uns bewusst, wo wir herkommen und das wir

sterben werden.

Ein Zitat aus Michael Endes Buch «Momo»: Einer fragte: „Wann bist du denn geboren?“.

Momo überlegte und sagte schließlich: „Soweit ich mich erinnern kann, war ich immer

schon da“.

In Francois Lelords Buch «Hector und die Entdeckung der Zeit» heißt es wunderschön:

„Das Leben [...] ist wie eine Musik, die manchmal weniger gelungene oder langweilige

Stellen hat und manchmal sehr intensive. Die Musik vermittelt uns eine sehr gute Vorstellung

von der Zeit. Eine einzelne Note berührt Sie nur, weil Sie sich an die Vorangegangene

erinnern und die Nächste erwarten. Jede gewinnt ihren Sinn nur dadurch, daß sie

in ein wenig Vergangenheit ist und in ein wenig Zukunft gehüllt ist“. Musik ist wie Gegenwart,

die unaufhörlich zu Vergangenheit wird. Und dennoch existiert die Musik.

Und so beschließen wir unsere Gedanken, so wie wir begonnen haben, mit Hubert von

Goisern:

Die Jungen san alt word› und die Altn san g›storbn...

Und gestern is› heit word›n und heit is› bald morg›n...

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

1. Fun fact: Am Mittwoch, 28. Juni 2023, trat in Südkorea ein Gesetz in Kraft, das die

Berechnung des Lebensalters neu und nach internationalen Standards regelt. Bisher galt

jedes Neugeborene mit der Geburt als ein Jahr alt. Mit dem neuen Gesetz sind die Südkoreaner

heute jünger als gestern.

2. TIPP: Ganz wunderbare Orte, um Zeitreisen zu machen, sind Museen. Jedes Bild, jedes

Exponat erzählt eine eigene Geschichte und damit eine eigene Sicht auf die Zeit, in

der es entstand. Also besuchen Sie doch Ihr nächstgelegenes Museum.

3. TIPP: Ein Blick in die Sterne relativiert den Blick auf die Zeit. Besuchen Sie doch Ihr

nächstgelegenes Planetarium oder reisen Sie auf eine abgelegene Wiese, um in den

Nachthimmel zu blicken.

Michael Zejdlik

Quellen und Literaturempfehlungen:

- Der Kinderbrockhaus (c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim

2007, ISBN 978-3-7653-1786-6

- Die synchronisierte Stadt, Peter Payer, Verlag Holzhausen,

ISBN 978-2-902868-53-4

- Hector und die Entdeckung der Zeit, Francois Lelord, Verlag Piper, ISBN 978-3492252676

- Warum die Zeit verfliegt- eine größtenteils wissenschaftliche Erkundung, Alan Burdick,

Verlag Blessing, ISBN 978-3-89667-347-3

- Podcast Zeit, Folge Zeitwahrnehmung, Folge Kinder und die Zeit, Folge Zeitmanagement,

Marc Wittmann, Label Yapola, Spotify

- Momo, Michael Ende, Verlag Thienemann, ISBN 978-3522202756

- Zeit als biografische Strukturkategorie, Mikula Regina, im Magazin erwachsenenbildung.at

(2020) Nr. 41, S. 9

- Tickst du richtig? Für Pünktliche und Zuspätkommer, Beatris Uhlig, Goldegg Verlag

GmbH, ISBN 978-3902991164

- Podcast Sternengeschichten Folge 518, Florian Freistetter, Label Matteo, Spotify

- Neue Psychologie der Zeit, Philip G. Zimbardo und John Boyd, Spektrum Akademischer

Verlag, ISBN 978-3827421036

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

Und täglich grüßt das Murmeltier

Phil Connors ist Wetteransager aus Pittsburgh. Genervt berichtet er zum vierten Male

hintereinander über den Murmeltiertag. Er reist mit seinem Team und seiner neuen Kollegin

Rita schon am Vortag schlecht gelaunt an. Am nächsten Tag rasselt er die Reportage

gekonnt herunter und möchte ehestmöglich wieder zurück in seine Heimat. Ein Schneesturm

verhindert aber den Rückweg über den Highway und so ist das Team gezwungen,

noch einmal in Punxsutawney zu übernachten.

Es ertönt der Radio mit dem Song „I got you babe“. Zunächst glaubt Phil an ein Deja-Vu.

Doch als er den gleichen Leuten zur gleichen Zeit mit den gleichen Worten wie am Vortag

über den Weg läuft und die Leute zum Festplatz stürmen sieht, erkennt er, dass er den

Murmeltiertag erneut erlebt. Verwirrt berichtet er zum zweiten Mal über den Murmeltiertag

und kann auch nach erledigter Arbeit nicht wieder zurück in seine Heimat wegen des

Schneesturms.

Der Tag wiederholt sich für ihn auf seltsame Weise immer und immer wieder. Er geht mit

seinem Problem zu verschiedensten Leuten und spricht sie darauf an. Diese empfehlen

ihm aber lediglich, nur zum Arzt zu gehen. Der Neurologe kann nichts erkennen und der

Psychotherapeut bietet Phil nur einen Termin am nächsten Tag an, was ihm natürlich

nicht viel hilft. Phil muss sich also mit der Tatsache zufriedengeben, dass er jeden Tag

auf dieselbe Weise erlebt.

Abbildung 1: Phil das Murmeltier

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

Dieser eine Tag ist jedoch nicht fix festgelegt. Phil kann jederzeit mit seinem Eingreifen

den Tag verändern. Allerdings beginnt der Tag am nächsten Morgen wieder von vorne.

Er ist der Einzige der weiß, was in Zukunft alles passieren wird. Da Phil auch keine

Konsequenzen mehr fürchten muss, probiert er alle Mittel aus, um sich zum Beispiel zu

bereichern.

Seine Bemühungen, sämtliche Details Tag für Tag aus seiner Aufnahmeleiterin und Kollegin

Rita herauszuholen, damit sie sich in ihn verliebt, scheitern jedoch kläglich. Er kommt

immer an einen Punkt an, wo sie ihn durchschaut und eine Ohrfeige gibt. Schließlich,

nach unzähligen Versuchen, gibt er auf, und will sich das Leben nehmen. Doch da Phil in

der Zeitschleife festsitzt, gelingt ihm auch dies nicht.

Pünktlich um 06:00h ertönt der Wecker mit demselben Lied. Er wendet sich schlussendlich

an Rita, in die er sich dann auch verliebt, und nimmt ihre Ratschläge entgegen.

Phil versucht, für sich Ziele zu finden, indem er anfängt, Leuten zu helfen und sich auch

selbst weiterbildet. Sein Klavierspiel verbessert sich von Tag zu Tag. Er schnitzt Eisskulpturen,

rettet zwei Menschen das Leben und wird zum beliebtesten Mann der Stadt. Als

sich auch Rita in Phil verliebt, endet letztendlich die Zeitschleife und am nächsten Tag,

am 3. Februar, beschließen beide, für immer in Punxsutawney ihr Leben miteinander zu

verbringen.

3 Fakten über „Und täglich grüßt das Murmeltier“

1. Die Pfütze

Gefilmt wurde nicht in Punxsutawney,

sondern in Woodstock, Illinois. Beim

Treffen mit Ned Ryerson, bei dem Phil

immer wieder in eine Pfütze tritt, erinnert

eine Plakette daran: „Bill Murray stepped

here“ 2 .

Abbildung 2

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INNENWELTEN // Vergangenheit und Zukunft

2. Dauer der Zeitschleife

Der Murmeltiertag dauert in seiner Zeitschleife

für Phil stolze 8 Jahre, 8 Monate und 16 Tage.

Abbildung 3

3. Vom Murmeltier gebissen

Bill Murray wurde während der Dreharbeiten zweimal von einem Murmeltier gebissen

und musste sich sogar gegen Tollwut impfen lassen.

Abbildung 4

Armin Glawischnig

Quellen:

Abbildung 1: https://www.journalistenfilme.de/murmeltier/ [30.09.2023]

https://de.wikipedia.org/wiki/Und_t%C3%A4glich_gr%C3%BC%C3%9Ft_das_Murmeltier

[30.09.2023]

Abbilund 2-4: https://www.cinema.de/bilder/groundhog-day-zehn-fakten-ueber-undtaeglich-gruesst-das-murmeltier-18179_ga.html

[30.09.2023]

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LEBENSART// Vergangenheit und Zukunft

Meine Geschichte

Ich wurd in Ulm geboren vor 29 Jahrn, meine Mutter war ne Frau das war mir sofort klar…

so beginnt ein vielleicht manchen bekannter Liedtext von Mike Krüger. Die Wahrheit liegt

oft im Auge des Betrachters, aber ich kann euch sagen: Nein, ich bin nicht in Ulm geboren

und auch nicht vor 29 Jahren, dazu vielleicht später mehr. Weil ich gerade dabein war,

Mike Krüger zu zitieren, sag ich: Aller Anfang ist schwer! Dieses Lied trifft wohl besonders

auf meine Geburt zu. Nach circa 40 Wochen im Dunkeln erblickte ich endlich das

Licht der Welt, doch als ich es sah, fehlte mir Entscheidendes! Ich bekam keine Luft!

Warum, werden sich jetzt viele fragen. Das ist einfach erklärt: Meine Arterien an meinem

Herzen waren falsch angewachsen. Dass es kein Vorteil ist, dass bei meiner Pumpe mit

vier Anschlüssen zwei vertauscht wurden, ist wohl jedem klar. Mit neun Tagen wurde ich

am offenen Herzen operiert. Es war kurz nach Weihnachten und ich kann mir vorstellen,

dass meine Familie damals nicht die fröhliche Weihnacht zelebrierte. Was ich aber von

Erzählungen von meiner leider bereits verstorbenen Patentante erfuhr, war: Alle beteten

für mich und meine Genesung! Und Dank sei Gott war es nicht vergeblich. Mein Überleben

war zur damaligen Zeit ein Wunder. Anfang der neunziger Jahre eine Switch-OP an

einem Neugeborenen durchzuführen, bedurfte viel Können. Einen herzlichen Dank an

alle, die damals bei meiner OP dabei waren und mir somit meinen holprigen Start ins Leben

erst zusätzlich ermöglicht haben. Ich danke auch Gott heute oft dafür. Heute ist mein

Herz im wahrsten Sinne des Wortes pumperlgesund, doch die Wunden in meiner Seele

waren und sind schwerwiegend.

Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich als Kleinkind panische Angst vor Menschen in

weißen Mänteln gehabt habe. Das ging sogar so weit, dass ich nicht mit meiner Mutter in

die Apotheke mitgehen wollte. Ich war trotz allem ein eher ruhiges Kind, ab und zu traurig,

aber oft auch sehr fröhlich und gut gelaunt.

Was mich in frühen Kindheitstagen schon sehr geprägt hat war der Zugang zur katholischen

Kirche. Ich wurde, wie meine um zwei Jahre ältere Schwester, katholisch erzogen,

jedoch ging ich als kleines Kind nicht mit voller Freude sonntags in die Kirche, nein, ich

und meine Schwester wurden dazu gezwungen. Es ging immer die gesamte Familie

in die Kirche. Eine meiner frühen Kindheitserinnerungen war folgende: Sonntagmorgen

8:00 Uhr riss uns unsere Mama aus dem Bett mit dem Worten: „Aufstehen, Kirche ist um

neun!“ Meine Oma und mein Opa waren zu diesem Zeitpunkt sicher schon mindestens

zwei Stunden wach. Opa versorgte die Tiere Stall, Oma war schon wieder am Rotieren,

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LEBENSART // Vergangenheit und Zukunft

weil Opa sich im Stall für alle Tiere recht viel Zeit genommen hatte, obwohl er noch gar

nicht gefrühstückt hatte. Wer auch auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, versteht, dass

Kühe, Schweine, Hühner und auch Enten immer zuerst versorgt wurden. Oma hatte alle

Schuhe für die Kirche schon Samstagnachmittag geputzt. Als Opa wieder aus dem Stall

zurückkam, war er hungrig. Sein Standard-Frühstück, das er zu sich nahm, war Sterz,

oder wie man heute sagen würde Polenta. Oma richtete einen tiefen Teller mit Sterz an.

Dazu stellte sie einen Häferlkaffee. Opa trank ihn gerne, nur in diesen Fall wurde der

Kaffee über den Sterz gekippt. Anschließend kam der Zuckerstreuer zum Einsatz. Er ließ

den Zucker mit der rechten Hand immer circa fünf Sekunden runter rieseln. Als krönendes

Topping legte er noch ein paar getrocknete Kürbiskerne aus eigenem Anbau oben

drauf, dazu noch Grammeln, um das Frühstück perfekt zu machen.

Mein Frühstück war ein anderes. Ich liebte, so wie mein Opa, den süßen Geschmack,

war aber kein großer Fan von Sterz. Ich nahm ein Joghurt mit Früchten zu mir, dazu einen

Kakao. Der Sonntag begann bei fast allen Familienmitgliedern mit ein wenig Stress, denn

ich habe noch heute die mahnenden Worte meiner Mutter im Ohr: „Tuats nocha, es is

scho holwa neine!“ Dann wurde die Essensaufnahme beschleunigt, schnell wurden Zähne

geputzt, Opa und Papa rasierten sich flott. Umziehen musste ich mich damals mit der

Hilfe von meiner Mutter, die mir ab und zu auch der kratzige Wollpullover drübergezogen

hat, „dass es dem armen Buam jo net kolt wird“. Wir waren zu sechst. Normalerweise

fuhren wir dann mit zwei Autos in die Kirche, auch deshalb, weil mein Onkel gerne mal

die Kirche schwänzte und wir dann meine gut beleibte Tante und natürlich auch meine

Cousine und meinen Cousin mit nach Hause nahmen.

Dieser Sonntag, an den ich mich konkret erinnere, war anders. Wir waren nur mit einem

PKW unterwegs, wahrscheinlich war meine Schwester krank und die Oma war bei ihr

daheim. Ich musste wie immer in die Kirche und war angepisst. Der komischen Predigt

des Pfarrers konnte ich nicht folgen. Ich verstand nicht, warum die anderen Kinder in

der Pfarrgemeinschaft irgendwelche Bilderbücher über Jesus ansahen, obwohl sie nicht

einmal lesen konnten! Ich war schlecht drauf. Und was machen Kleinkinder, wenn sie

schlecht drauf sind? Richtig! Sie fangen an zu weinen. Meine Mama wollte mich beruhigen,

aber es gelang ihr nicht. Ich wollte nur schnell heim, um dann endlich wieder mit

meinen Matchbox-Feuerwehrautos zu spielen. Wieso durfte ich sie nicht mit in die Kirche

nehmen. Es war genug Platz da, um die wildesten Verkehrsunfälle nachzustellen, die ich

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LEBENSART// Vergangenheit und Zukunft

mir in meiner Phantasie ausmalte. Die heilige Messe war endlich vorüber, jedoch war

Mama nicht gut auf mich zu sprechen, weil ich die ganze Messe keine Ruhe gab. Leider

wurde trotz allem meine Stimmung auf dem Heimweg nicht besser. Wahrscheinlich deshalb,

weil Papa und Opa sich noch beim Pfarrkaffee mit anderen Leuten unterhielten, ich

aber zu Fuß mit meiner Mama heimgehen musste. Ich bekrittelte diese Vorgangsweise

natürlich lautstark. Ehrlich gesagt, ich schreite wie am Spieß. Ich wollte nicht bei Mama

sein, ich wollte zurück zu Opa und Papa, um zu erfahren, welche Neuigkeiten es im Ort

gab. Wer war alles beim letzten Feuerwehreinsatz? Was war wirklich passiert? Usw.…

Diese Infos waren für mich schon als Kleinkind sehr wichtig. Wie sollte ich sonst meinen

„Autobahnunfall“ gut abarbeiten, damit zum Schluss auch alle Matchbox-Autos wieder

gut geborgen wurden und alle Matchbox-Feuerwehrautos wieder ins imaginäre Rüsthaus

einrückten.

Der Sonntag war sowieso schon verhaut. Meine Oma bereitete daheim eines der Hendeln

zu, die der Opa vor drei Wochen abgestochen hatte und die seitdem in der Kühltruhe

auf den Verzehr warteten. Ein klassisches Brathendl sollte es werden. An dieser Stellte

sei erwähnt, dass ich als Kind nicht besonders von Fleisch angetan war. Mir wären die

Apfel-Nockerl vom Vortag viel lieber gewesen, doch leider war von denen nichts mehr

übrig. Ich aß ein wenig, weil mich Mama dazu überreden konnten wenigstens „a bissl

was zu kosten“. Geschmeckt hat es mir nicht, aber es hieß oft mal „Gessn wird, des wos

am Tisch kummt“. Eigentlich wollte ich ja nach dem Essen noch mit den Matchbox-Autos

spielen, aber meine Eltern hatten andere Pläne. Wir machten uns auf den Weg zu meinen

anderen Großeltern. Ich freute mich zwar grundsätzlich auf die Verwandtschaft, weil

auch Tante und Onkel mit ihren zwei Kindern dort waren. Ich war kein Freund von der Anfahrt,

weil mir bei längeren Fahrten oft schlecht wurde und ich kotzen musste. Dort angekommen

ging es mir rasch besser. Nach der obligatorischen Begrüßung zog es mich zur

Schaukel hin. Es war ein angenehm warmer Maitag. Mein Blick beim Schaukeln fiel auf

den Kirschbaum, dessen Kirschen waren noch nicht reif, aber ich wusste, in zwei bis drei

Wochen würde es so weit sein. Anschließend durfte auch das Ballspielen sowie Abfangen-

oder Versteckenspielen nicht zu kurz kommen. Der Nachmittag war meist schnell

vorbei. Langeweile gab es dort nicht. So circa um halb sechs rief meine Tante uns Kinder

zusammen zum „Jausnen“. Der Tisch wurde von meiner Oma reichlich gedeckt. Es gab

allerhand pikante Sachen, ich aß ein Stück Schwarzbrot mit selbst gemachtem Liptauer.

Leider war nach der Jause auch schon die Zeit des Abschiedes gekommen und ich stieg

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LEBENSART // Vergangenheit und Zukunft

nur ungern wieder ins Auto ein. Bei der Heimfahrt wurde mir wie durch ein Wunder nicht

schlecht, vermutlich deshalb, weil es schon ein wenig dunkel wurde und der Abend anbrach.

Zu Hause angekommen waren meine Großeltern schon mit der Stallarbeit fertig.

Opa saß am Küchentisch, um sein Abendessen einzunehmen. Es war noch eine Portion

Brathendl vom Mittagessen übrig, die er genüsslich verspeiste. Oma hatte ihr Nachtmahl

schon eingenommen und las das „Sonntagsblatt“. Ich wurde langsam müde. Meine

Schwester und ich wollten aber noch nicht schlafen, wir wollten noch ein bisschen fernsehen.

Mama erlaubte uns noch, die ersten Minuten von „Das Traumschiff“ mitanzusehen.

Dann war es Zeit fürs Bett. Ich ließ den Tag Revue passieren und schlief bald ein. Dass

um halb zwölf wieder die Sirenen heulten und mein Vater zum Einsatz auf der Autobahn

mitausrücken musste, hörte ich nicht. Davon erfuhr ich erst am nächsten Tag.

Georg Hoffmann

Abbildung 1: Spielendes Kind

Tanja Kohlbacher

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LEBENSART // Vergangenheit und Zukunft

Märchen und Kindergeschichten

Früher hat man entweder Andersen, Grimm oder Astrid Lindgren gelesen. Heute gibt es mehr

Robert Brezina, Finger Tips oder die modernen Märchen von ZDF. Die sind ganz gut, nur alle

paar Minuten gibt es Werbung für den ZDF. Es gibt auch die Möglichkeit, selber Märchen zu

schreiben. Fachsprachenmärchen sind z.B. eine kreative Variante. Walt Disney hat auch

Märchen verfilmt, so wie Cinderella oder Aurora. Das sind wunderschöne Geschichten und

obwohl sie schon älter sind, ist es auch heute noch schön, sie anzuschauen. Disney plus gibt

einem die Möglichkeit, „Rapunzel neu verföhnt“ oder „Küss den Frosch“ anzusehen. Allerdings

gibt es in den neueren Verfilmungen Abweichungen zu den originalen Geschichten.

Also wenn man heute einen Frosch küsst, wird man selbst zum Frosch und der Prinz

lässt auf sich warten.

Es gibt herzzerreißende Geschichten wie z.B. „Der kleinen Prinz“ von Antoine de Saint

Exupery oder „Der Grüffelo“, „Prinzessin Lillifee“ etc. Während man früher Austin oder

Lucy Montgomery gelesen hat, gibt es heute „Freche Mädchen, freche Bücher“ oder

„Ostwind“. Popeye wird ersetzt durch Superman oder Batman.

Was sich von früher bis heute nicht geändert hat, ist, dass es begeisternde Geschichten

und Texte sind, die manchmal nicht nur für Kinder, jedoch zum Nachdenken sind. Schöne

Geschichten.

Ananda Frei

Bildhinweis: Adobe Stock

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DIES UND DAS // Vergangenheit und Zukunft

Testen Sie Ihr Wissen!

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O

N

H

6

2

L

E

R

H

1. Was hat eine eindeutige, unumkehrbare Richtung?

2. Wie heißt Lewis Carrolls berühmte Märchenfigur?

3. Wofür steht die Abkürzung Desoxyribonukleinsäure?

4. Wie nennt man eine rekursive Verkettung der Zeit?

5. Ab wievielen Monaten kann sich

ein Kleinkind an Ereignisse erinnern?

6. Welcher Sinn fördert das Erinnern bei einem Kleinkind?

7. In welcher Stadt verkündet Phil Connors ständig seine Reportage

über den Murmeltiertag?

8. Wie heißt das Schlafhormon?

9. Griech. Vorsilbe für „auf“, „über“, „bei“?

10. Mit welchem Tier kannst du dein Unbewusstes vergleichen?

11. Wie nennt man die Unordnung eines abgeschlossenen Systems?

12. Gedanken sind ein mentales ... ?

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