2401 Bambolino 123 ENDVERSION Einseitig
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Hingeschaut<br />
Die Perfektionismus-Falle<br />
Sie wollen alles richtig machen? –<br />
Verabschieden Sie sich davon!<br />
Viele Menschen träumen von einer perfekten Familie:<br />
Sie wünschen sich einen tollen, intelligenten<br />
und einfühlsamen Partner/in, wohlerzogene,<br />
gehorsame und kluge Kinder. Alle wohnen zusammen<br />
in einem wunderschönen Haus mit großem<br />
Garten. In diese Idylle passen weder Konflikte,<br />
Streitigkeiten noch Enttäuschungen. Auch unsere<br />
sozialen Netzwerke gaukeln eine Welt voller<br />
Illusionen und Perfektion vor, die keineswegs der<br />
täglichen Wirklichkeit von Familien entspricht.<br />
Was treibt Eltern an, deren Ziel ein perfektes, makelloses<br />
Familienleben ist und was macht ein derartiger<br />
Erziehungsstil mit ihren Kindern? Diesen<br />
Fragen widmet sich Benedicta Becker-Balling,<br />
Diplom-Sozialpädagogin und Heilpraktikerin für<br />
Psychotherapie, im folgenden Beitrag.<br />
Eltern wollen meistens nur das Beste für ihre Kinder.<br />
Doch genau „dieses Beste“ aus Elternsicht<br />
kann für Kinder zu einer Last werden, die sie in ihrem<br />
weiteren Leben begleiten wird.<br />
Eltern haben in unserer leistungsorientierten Gesellschaft<br />
oft sehr hohe Anforderungen an sich<br />
selbst, die sie teils unbewusst an ihre Kinder weitergeben.<br />
In ihrem Streben nach Perfektion sehen<br />
sie daher oft nicht, was ihr Kind / ihre Kinder wirklich<br />
brauchen – Liebe, Zeit, Empathie und Fürsorge.<br />
Vergleiche mit anderen Familien, in denen es<br />
scheinbar perfekt läuft, erhöhen zusätzlich den<br />
Stresslevel für alle Beteiligten.<br />
Wochenpläne von kleinen Kindern ähneln oft denen<br />
von Managern/innen: Ein Termin jagt den anderen<br />
– Sport, Musik, Spielgruppe … Überfordert<br />
kehren die Kleinen am Abend nach Hause zurück<br />
und fallen erschöpft ins Bett.<br />
Auch die unerfüllten Wünsche und Träume der Eltern<br />
seien hier erwähnt, für die das Kind benutzt<br />
wird. Da geht es z.B. um Hobbys, die Mutter und Vater<br />
gerne selbst ausgeübt hätten – jedoch nie durften:<br />
Jetzt soll das eigene Kind „den Geigenunterricht“<br />
erhalten, der den Eltern versagt worden ist.<br />
Perfektionistische Eltern könnten den Erfolg ihrer<br />
Kinder als eine Spiegelung ihrer selbst sehen, so<br />
die Psychologie, und sie könnten sich in dem Bemühen,<br />
„perfekte“ Ergebnisse zu erzielen, auf eine<br />
überfürsorgliche Erziehung verlegen. So wäre der<br />
Erfolg im Geigenunterricht indirekt ein Erfolg für<br />
Mutter oder Vater. Manche Eltern legen großen<br />
Wert auf ihren sozialen Status. Dieser kann zum<br />
Beispiel auch durch die perfekten Leistungen und<br />
Fähigkeiten ihrer Kinder noch zusätzlich erhöht<br />
werden. Wie wirkt sich dieser elterliche Perfektionismus<br />
auf die eigenen Kinder aus?<br />
Wir wissen aus Forschungen, dass perfektionistische<br />
Verhaltensweisen der Eltern das kindliche<br />
Denken einengt, was sich auch in einem geringeren<br />
Spektrum an Kreativität zeigt. Kinder, die erfahren,<br />
dass z.B. nur angepasstes Verhalten von<br />
ihren Eltern erwünscht ist, sind oft unfähig und<br />
unflexibel eigenmächtig auf neue Situationen<br />
zu reagieren. Sie werden abhängig vom Ergebnis<br />
ihres Tuns und der damit verbundenen Anerkennung<br />
und Belohnung durch die Eltern.<br />
Diese Kinder entwickeln oft nicht das notwendige<br />
Selbstvertrauen, das sie brauchen, um sich in ihrer<br />
kleinen Welt behaupten zu können. Sie verfügen<br />
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bambolino Februar / März ’24