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Ralph Kunz: Fasten (Leseprobe)

Gefastet wird seit jeher in allen Religionen und Kulturen. Was treibt Menschen dazu? Offensichtlich versprechen sie sich etwas davon, dem natürlichen Bedürfnis der Sättigung zu entsagen. Tatsächlich gibt es dafür gute Gründe. Fasten ist gesund und sozial. Was man sich vom Mund abspart, kann man anderen schenken. Als aszetische Praktik verstanden, hat das Fasten zudem religiöse Motive. Darum fasten auch Christen. Sie erhoffen sich eine intensive Glaubenserfahrung und verstehen die Unterbrechung der Essensroutine als eine Form von Buße und leibhaftigem Beten. Darum fragen heute auch Protestanten: Hilft das Fasten, geistlich in Form zu bleiben? Vielleicht geht nicht nur die Liebe, sondern auch der Glaube durch den Magen …  Es lohnt sich, darüber theologisch nachzudenken.

Gefastet wird seit jeher in allen Religionen und Kulturen. Was treibt Menschen dazu? Offensichtlich versprechen sie sich etwas davon, dem natürlichen Bedürfnis der Sättigung zu entsagen. Tatsächlich gibt es dafür gute Gründe. Fasten ist gesund und sozial. Was man sich vom Mund abspart, kann man anderen schenken. Als aszetische Praktik verstanden, hat das Fasten zudem religiöse Motive. Darum fasten auch Christen. Sie erhoffen sich eine intensive Glaubenserfahrung und verstehen die Unterbrechung der Essensroutine als eine Form von Buße und leibhaftigem Beten. Darum fragen heute auch Protestanten: Hilft das Fasten, geistlich in Form zu bleiben? Vielleicht geht nicht nur die Liebe, sondern auch der Glaube durch den Magen …  Es lohnt sich, darüber theologisch nachzudenken.

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3. Aufs <strong>Fasten</strong> gekommen – empirische Kost<br />

3.2 Ist <strong>Fasten</strong> eine religiöse Praktik?<br />

Die richtige und wichtige Beobachtung, dass von einer Verflüssigung<br />

oder gar Verflüchtigung des Religiösen im zeitgenössischen<br />

<strong>Fasten</strong> ausgegangen werden kann, aber immer<br />

noch eine Präsenz der Tradition erkennbar ist, verlangt nach<br />

einer differenzierteren Betrachtung. Eine 2021 publizierte<br />

Studie von Patrick Heiser liefert dafür eine fundierte Grundlage.<br />

Heisers Leitfrage lautet, inwiefern das <strong>Fasten</strong> auch unter<br />

den säkularen Bedingungen der späten Moderne und auch<br />

beim Vollzug jenseits konfessioneller Kontexte als religiöse<br />

Praktik verstanden werden kann. 37<br />

Die Daten der Untersuchung wurden während der vorösterlichen<br />

<strong>Fasten</strong>zeit im Jahr 2020 mittels einer offenen standardisierten<br />

Online-Befragung erhoben. 38 Die Ergebnisse<br />

decken sich weitgehend mit den Resultaten der Forsa-Studie<br />

2023. Ein Befund ist besonders aufschlussreich: Rund zwei<br />

Drittel der Befragten halten an den traditionellen <strong>Fasten</strong>zeiten<br />

fest. Die »institutionell verbrieften <strong>Fasten</strong>zeiten mit langer<br />

Tradition erfüllen für die Befragten eine kontingenzmindernde<br />

Funktion« 39 . Die vorösterliche <strong>Fasten</strong>zeit hat so<br />

gesehen eine vergleichbare Funktion für die fastenden wie<br />

der St. Jakobsweg für pilgernde Menschen. Es fällt den <strong>Fasten</strong>den<br />

leichter, mit dem <strong>Fasten</strong> zu beginnen und es bis zum<br />

Ende durchzuziehen. Allerdings nennen und bekennen nur<br />

17 % eine religiöse <strong>Fasten</strong>motivation. Auch dieses Ergebnis<br />

deckt sich mit Erkenntnissen der Pilgerforschung. 40<br />

37 Im Folgenden beziehe ich mich auf Patrick Heiser, <strong>Fasten</strong> (s. Anm. 27).<br />

38 Zu den abhängigen und unabhängigen Variablen, Heiser, a. a. O., 61–63.<br />

39 A. a. O., 64.<br />

40 Vgl. Patrick Heiser/Christian Kurrat (Hrsg.), Pilgern gestern und heute.<br />

39

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