DP 135 ONLINE Ausgabe
Gemeindebrief der Lutherkirche Neu Wulmstorf
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500 JAHRE EVANGELISCHES LUTHERKINDERGARTEN| GESANGSBUCH 15
Das Singen änderte sich aber tiefgreifend
mit der Reformation – aus zwei
Gründen: Die Print-Revolution des 16.
Jahrhunderts hatte erstens auch einen
Effekt auf die Verbreitung des neuen
lutherischen Liedgutes. Zweitens wurde
der Gesang der Gemeinde, der
„Laien“, fest in der Liturgie der evangelischen
Gottesdienste verankert.
Schon vor dem ersten Nürnberger Gesangbuch
legte Luther einen Plan vor,
deutsche Kirchenlieder zu schreiben,
„damit das Wort Gottes auch durch
den Gesang unter den Leuten bleibt“.
Wenn gesungen wird, redet die Gemeinde
mit Gott, und er redet mit ihr.
Zum Kontakt mit Gott wird also gesungen,
und das Konzept des Gesangbuches
war in dieser Idee mitgesetzt.
Daraus wurden dann jene 8000 Gesangbücher.
Alles gab und gibt es:
Ausgaben mit und ohne Noten, hochwertige
Ausgaben oder billige Heftchen,
solche mit Illustrationen oder
karge Editionen, solche, die althergebrachte
Lieder modernisieren, und
solche, die entschieden die ursprünglichen
Formen bewahren. Einige Gesangbücher
sind „Vollsortimenter“
und bieten ein Programm vom Choral
bis zu Worship-Songs, andere sind
zielgruppenorientiert. Gesangbücher
sind eine Collage von Frömmigkeitsprofilen
und Moden, sie sind je eigen
profilierte „Vehikel“, um den Glauben
zu leben.
Dass es an die 8000 wurden, lag an
der territorialen Zersplitterung
Deutschlands und auch daran, dass
Gesangbücher „work in progress“
sind. Unter der Nutzung entwickeln
sie sich beständig und regional differenziert
weiter: Einige Lieder werden
Hits, andere Ladenhüter. An ihre Stelle
treten bei einer Neuauflage solche
Lieder, die aus anderer Frömmigkeit,
einer anderen Region oder einem neuen
religiösen Trend schöpfen.
Erst im 20. Jahrhundert entstand ein
einheitliches evangelisches Gesangbuch
für ganz Deutschland; zu nennen
sind hier vor allem das Evangelische
Kirchengesangbuch (EKG, 1950) und
das aktuelle Evangelische Gesangbuch
(EG, 1993). Hier gibt es einen für alle
Landeskirchen identischen Stammteil
(Nr. 1 bis 535) sowie einen für jede
Landeskirche unterschiedlichen Regionalteil.
Und ein neues Gesangbuch ist
bereits in Arbeit. Eine digitale Datenbank
wird das gedruckte Buch flankieren.
Auch dieses Gesangbuch wird
Erkennungszeichen evangelischer
Christinnen und Christen sein.
Wenn dir also vor dem Gottesdienst
ein Gesangbuch in die Hand gedrückt
wird, dann denke nicht zu klein davon.
Du trägst da ein Reservoir von Trost
und Spuren eines zum Teil unfassbaren
Gottvertrauens, eine Tradition der
frommen Resilienz, die du nur zu gern
anzapfen kannst.
Florian Schneider