DP 135 ONLINE Ausgabe
Gemeindebrief der Lutherkirche Neu Wulmstorf
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ANGEDACHT |3
Konfirmation!
„Ausspielung“ – so nannten wir damals
die bevorstehende Konfirmation.
Ich kann nicht leugnen, dass neben
allem Interesse an Schrift und Bekenntnis
auch finanzielle Anreize den
Besuch des Konfirmandenunterrichts
motiviert hatten. Gitarre und Verstärker
waren fest einkalkuliert. Am Nachmittag
des großen Tages wurden verhuscht
eine Menge Umschläge aufgerissen.
Es hat gereicht. Das Instrument
konnte erworben werden, ist aber lange
schon nicht mehr in meinem Besitz.
Irgendwo im Keller aber liegt noch ein
Geschenk von damals. Es konnte mich
seinerzeit überhaupt nicht begeistern.
Der Patenonkel hatte mir einen Rasierapparat
geschenkt. Natürlich wäre mir
der Gegenwert in bar lieber gewesen.
Doch der alte Pädagoge glaubte, Begeisterung
mit einer Erläuterung des
Symbolcharakters entfachen zu können:
„Du trittst nun ein in die Welt der
Erwachsenen. Bald wirst du dich nicht
nur rasieren können – du wirst es
müssen.“ Ich jubelte wahrscheinlich
mehr nach innen.
Und doch – den Rasierer habe ich
noch. Inzwischen denke ich an dieses
Geschenk mit Respekt. Der Onkel hatte
Recht, gegen meine Erwartungshaltung
etwas gegeben, das mich bis heute
nachdenken lässt: über den Charakter
der Konfirmation. Sie kommt für
die meisten Jugendlichen zu früh.
Erich Kästner hat das schon vor 100
Jahren gewusst:
Da steht er nun, als Mann verkleidet,
und kommt sich nicht geheuer vor.
Fast sieht er aus, als ob er leidet.
Er ahnt vielleicht, was er verlor.
Er trägt die erste lange Hose.
Er spürt das erste steife Hemd.
Er macht die erste falsche Pose.
Zum ersten Mal ist er sich fremd.
Auch der Rasierer kam etwas zu früh.
Erstens spross da lange nichts, zweitens
war ich damals nicht geneigt,
über die Botschaft des Geschenks zu
reflektieren. Ich stand mit dem Ding in
der Hand wie Falschgeld vor dem Spiegel,
kam mir nicht geheuer vor, in falscher
Pose, mir fremd.