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Materialflusssysteme für variable Fertigungssegmente - Herbert Utz ...

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme<br />

Ein Titeldatensatz <strong>für</strong> diese Publikation ist<br />

bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich<br />

Herausgegeber:<br />

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Willibald A. Günthner<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, fml<br />

Prof. Dr.-Ing. Gunther Reinhart<br />

Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, iwb<br />

Technische Universität München<br />

Redaktion: Dipl.-Ing. W. Handrich<br />

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere<br />

die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung,<br />

der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in<br />

Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten.<br />

Copyright © 2000 <strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong> Verlag GmbH<br />

Printed in Germany<br />

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in<br />

diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass<br />

solche Namen in Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu<br />

betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.<br />

ISBN 3-89675-927-2<br />

<strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong> Verlag GmbH, München<br />

Tel.: 089-277791-00<br />

Fax: 089-277791-01<br />

http://utzverlag.com


Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort<br />

1 Das Verbundforschungsprojekt MATVAR - Einführung und Ausblick<br />

Prof. Dr.-Ing. W. Günthner<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />

Dynamische Fertigungsstrukturen<br />

MATVAR<br />

2 Wandlungsfähigkeit durch die Verbindung von verrichtungs- und produktorientierten<br />

Strukturen in der Fertigung<br />

Dipl.-Ing. A. Hirschberg und Dipl.-Ing. W. Broser<br />

Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, TU München<br />

3 Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln im Sinne kurzer<br />

Wege und schneller Reaktionszeiten<br />

Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Leicher<br />

Leicher GmbH & Co., Unterföhring<br />

4 Entwicklung eines Materialfluss-Analyse- und Planungshilfsmittels. Auf<br />

dem Weg zum Logistik-Controlling?<br />

Dipl.-Ing. H. Balk<br />

Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, Traunreut<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong><br />

5 Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren Leichtfördersystems<br />

im Überflurbereich<br />

Dipl.-Ing. W. Handrich<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />

6 Integration eines Hängebahn- /Hängekransystems in den innerbetrieblichen<br />

Materialfluss<br />

Dipl.-Ing. A. Bambynek<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />

7 Der Kranbaukasten KBK - Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

Dipl.-Ing. S. Müller, u. a.<br />

Mannesmann Dematic AG, Wetter<br />

i


Informationstechnische Unterstützung<br />

MATVAR<br />

8 Gestaltung der Materialflusssteuerung in dynamischen Produktionsstrukturen<br />

Dr.-Ing. S. Blessing<br />

Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, TU München<br />

9 Konfigurierbare Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dynamische Produktionsumfeld<br />

Dipl.-Ing. G. Schuster<br />

OBTec Steuerungstechnik GmbH, Schechen<br />

10 Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

D. Schwarz und Dipl.-Ing. W. Brendel<br />

HBC-radiomatic GmbH, Crailsheim<br />

Werkzeuge zur Einsatzplanung<br />

11 Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Dipl.-Ing. U. Kohler und Dipl.-Ing. M. Werner<br />

Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik GmbH, Aschheim-Dornach<br />

12 Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Dr.-Ing. F. Allgayer<br />

Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />

13 Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer Berücksichtigung<br />

des Schnittstellenaspektes<br />

Dipl.-Ing. W. Dohmen<br />

Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, TU München<br />

ii


Vorwort<br />

MATVAR<br />

In vielen Branchen werden die eingesetzten Produktionsstrukturen den Anforderungen<br />

bei sich verkürzenden Produktlebenszyklen, hoher Variantenvielfalt und kleiner werdenden<br />

Losgrößen nicht gerecht. Fertigungs- und Materialflusseinrichtungen lassen<br />

sich aufgrund mangelnder Flexibilität oft nur unter großen Problemen verändern.<br />

Im Projekt MATVAR sind deshalb flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> und Produktionsstrukturen<br />

entwickelt worden. Gestützt auf geeignete Planungswerkzeuge und Informationstechnik<br />

lassen sie sich zu einem „wandelbaren Materialflussnetz“ verknüpfen.<br />

Hierzu haben sich Industriepartner und Hochschulinstitute zu einem Verbund zusammengeschlossen.<br />

Zu den beteiligten Projektpartnern gehören Bosch Siemens Hausgeräte,<br />

HBC-radiomatic, MAN Nutzfahrzeuge, Mannesmann Dematic, OBTec Steuerungstechnik,<br />

Leicher und das Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik, das Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen<br />

und Betriebswissenschaften und der Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss<br />

Logistik. Gefördert wurden die Arbeiten vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und<br />

Forschung über das Forschungszentrum Karlsruhe, Projektträger <strong>für</strong> Fertigungstechnik<br />

und Qualitätssicherung, innerhalb des Rahmenprogramms „Produktion 2000“.<br />

Nach drei Jahren geht das Verbundforschungsprojekt MATVAR nun zu Ende. Dieser<br />

Abschlussbericht dokumentiert die bisher erreichten Ergebnisse. Hervorheben möchten<br />

wir die Umsetzung der Entwicklungen und deren prototypenhaften Aufbau in den Pilotanlagen<br />

der Hochschulinstitute.<br />

Über das Projektende hinaus stellen diese Anlagen die Grundlage <strong>für</strong> Verbesserungen,<br />

zukünftige Entwicklungen und weiterführende Projekte dar.<br />

Prof. Dr.-Ing. W. Günthner Prof. Dr.-Ing. G. Reinhart


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

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MATVAR<br />

1-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

1 Einleitung<br />

MATVAR<br />

MATVAR – <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> <strong>variable</strong> <strong>Fertigungssegmente</strong> im dynamischen<br />

Produktionsumfeld – ist ein Verbundforschungsprojekt, das im Rahmen des Programms<br />

"Produktion 2000" mit Mitteln des Bundesministeriums <strong>für</strong> Bildung, Wissenschaft,<br />

Forschung und Technologie (BMBF) über das Forschungszentrum Karlsruhe,<br />

Projektträger <strong>für</strong> Fertigungstechnik und Qualitätssicherung (PFT), gefördert worden<br />

ist. Das Projekt MATVAR arbeitet an Lösungen <strong>für</strong> die Produktion im Jahr 2000+.<br />

Der rasche Wandel in den Wirtschaftskreisläufen erfordert technologische Maßnahmen,<br />

die eine neue Flexibilität und Agilität der Produktionseinrichtungen erlauben.<br />

Dabei beeinflusst die „Lösung interner und zwischenbetrieblicher logistischer Probleme<br />

die Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen zunehmend“<br />

(BMBF 1995).<br />

Von den jährlich in Deutschland anfallenden Logistikkosten entfallen ca. 70% auf den<br />

innerbetrieblichen Bereich. Das entspricht rund 350 Mrd. DM. Durch geeignete technische<br />

wie auch strukturelle Maßnahmen lassen sich davon 50 %, also rund 175<br />

Mrd. DM, als mögliches Rationalisierungspotential ausschöpfen (GÜNTHNER U.<br />

ALLGAYER 1997).<br />

Die Fabrik der Zukunft wird aus autonomen, dezentralen Einheiten bestehen. Die<br />

Bildung eigenverantwortlicher, autonomer Einheiten bezieht sich sowohl auf technische<br />

als auch auf organisatorische Maßnahmen und schließt die am Wertschöpfungsprozess<br />

beteiligten Mitarbeiter ein. Anstelle der noch vorherrschenden Befehlshierarchien<br />

werden autonome Einheiten wie z.B. Fertigungsinseln, Segmente und<br />

Fraktale stehen, die die Informationen und das Material austauschen, um auf dieser<br />

Basis erfolgreiche Lösungen und Auftragsabläufe zu erarbeiten.<br />

Zur Umsetzung derartiger Konzepte wird die Fähigkeit zur schnellen Veränderung<br />

gefordert (EVERSHEIM 1995), die nur aus einer Kombination von strukturellen und<br />

technischen Maßnahmen zu erreichen ist. Hier müssen Regeln <strong>für</strong> die logistikgerechte<br />

Layout- und Ablaufgestaltung aufgestellt (BMFT 1994), technische Elemente<br />

zur Realisierung entwickelt, Methoden und Simulationen zum Entwurf und zur Prüfung<br />

logistischer Systeme sowie Kommunikations- und Kooperationsprobleme an<br />

den vielfältigen Schnittstellen in der logistischen Kette gelöst werden.<br />

Um dem Anspruch an zukünftige Produktionsstrukturen gerecht werden zu können,<br />

sollen im Projekt MATVAR Lösungen <strong>für</strong> die Fertigung in <strong>variable</strong>n und sich schnell<br />

ändernden Strukturen erarbeitet werden. Flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> und die <strong>für</strong><br />

die Steuerung notwendige Informationstechnik sollen sich als Baukasten zu einem<br />

wandelbaren Materialflussnetz - gestützt auf geeignete Planungswerkzeuge - zusammenfassen<br />

lassen.<br />

1-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

2 Zielsetzung<br />

Statische Strukturen<br />

Produktionsstruktur<br />

Anpassungsfähige Strukturen<br />

Layoutflexibilität<br />

Einbindung ortsfester Maschinen<br />

in Fertigungsinselstrukturen<br />

Externe Anforderungen<br />

Stückzahlflexibilität<br />

Produktflexibilität<br />

Variantenflexibilität<br />

Kosten der innerbetrieblichen Logistik<br />

in Deutschland jährlich ca. 350 Mrd DM<br />

Ziele<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong><br />

Bild 1: Ziele des MATVAR-Projektes<br />

Geringe Integration<br />

der MF-Komponenten<br />

Wandelbare Materialflussnetze<br />

Kostengünstige, flexible MF-Systeme<br />

MATVAR<br />

Kombination von MF-Komponenten<br />

mit skalierbarem Automatisierungsgrad<br />

Ziel des Forschungsvorhabens MATVAR ist es, flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> <strong>variable</strong><br />

Fertigungsstrukturen im dynamischen Produktionsumfeld zu erarbeiten.<br />

Hierbei ist die Strukturierung von Fertigungen in Segmenten oder Inseln unter praxisrelevanten<br />

Bedingungen, wie z.B. ortsfesten Maschinen oder unteilbaren Kapazitäten,<br />

technisch zu realisieren. Anhand dieser Realisierungen werden die Anforderungen<br />

an die innerbetriebliche physische und informatorische Logistik abgeleitet, um<br />

die Entwicklung der Materialflusskomponenten innerhalb des Forschungsvorhabens<br />

zielgerichtet und anwenderbezogen durchführen zu können.<br />

Technische Konzepte werden zur Verfügung gestellt, die die geforderten Anpassungen<br />

an unterschiedliche Produktionsstrukturen jederzeit und mit geringem Anpassungsaufwand<br />

ermöglichen. Bei allen Entwicklungen soll eine kostengünstige Lösung<br />

im Mittelpunkt stehen, damit auch Einzel- und Kleinserienfertiger, speziell kleinund<br />

mittelständische Unternehmen, diese Techniken <strong>für</strong> die Produktion nutzen und<br />

ausbauen können. Dazu ist ein innerbetriebliches Materialflusssystem zur Versorgung<br />

von dezentralen autonomen Produktionsstrukturen zu entwickeln. So bietet z.B.<br />

ein als kostengünstiges Baukastensystem entwickelter Leichtkran, der sich dem Bedarf<br />

nach stufenweise automatisieren lässt und den Anforderungen dynamischer<br />

1-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

Produktionsstrukturen genügt, große Vorteile (GÜNTHNER U. HANDRICH 1998). Die einzelnen<br />

Transportmittel sollen nicht als Einzelsysteme nebeneinander stehen, sondern<br />

als wandelbares Netz einen flexiblen Materialfluss gewährleisten. Entsprechend<br />

sind auch die Schnittstellen zu gestalten, um die Flexibilität der Struktur zu ermöglichen.<br />

Wesentlicher Vorteil dieser Strategie ist die schnelle Reaktionsmöglichkeit auf<br />

geänderte Produktionsbedingungen. Dies bedeutet die Schaffung geeigneter Systeme,<br />

die flexibel jeden Punkt einer Produktionsfläche erreichen und damit verschiedene<br />

Maschinen- und Arbeitsplatzanordnungen ermöglichen sowie unterschiedliche<br />

Materialflussströme bewältigen können. Anstelle starrer Steuerungsabläufe sind dynamische<br />

Steuerungsstrategien zu entwickeln, die je nach Auftragslage und Betriebssituation<br />

(z.B. Störfällen) Materialflüsse planen und steuern können. Mit geeigneten<br />

Planungswerkzeugen lassen sich diese Materialflüsse einfach und schnell planen.<br />

3 Gliederung des Projektes in Arbeitspakete<br />

AP 4:<br />

Methoden und Werkzeuge<br />

zur Einsatzplanung<br />

AP 3:<br />

Informations- und<br />

Datenmanagement<br />

AP 5:<br />

Energetische, informatorische<br />

und physische Schnittstellen<br />

Komponentenentwickler<br />

MATVAR<br />

AP 2:<br />

Physische Logistik<br />

Bild 2: Integration der Arbeitspakete im Verbundprojekt MATVAR<br />

Anwender<br />

AP 1:<br />

Dynamische<br />

Fertigungsstrukturen<br />

Die derzeit eingesetzten starren Produktions- und <strong>Materialflusssysteme</strong> sind aufgrund<br />

mangelnder Umbau- und Umrüstflexibilität nicht oder nur mit hohem zeitlichen<br />

und finanziellen Aufwand umrüstfähig. Den sich dynamisch ändernden Anforderungen<br />

aufgrund schneller Produktlebenszyklen, den ständig sich ändernden Zuliefer-<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

bedingungen und hoher Variantenvielfalt bei kleiner werdenden Losgrößen entsprechen<br />

sie nicht.<br />

Aus der geschilderten Zielsetzung leiten sich fünf Problemfelder und Arbeitspakete<br />

ab:<br />

• Dynamische Fertigungsstrukturen<br />

• Anpassbare <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

• Anpassbare Informations- und Datenmanagement<br />

• Einfache Planungsmethoden und –werkzeuge<br />

• Einheitliche Schnittstellen<br />

Bei der Aufteilung in die genannten Arbeitspakete handelt es sich lediglich um eine<br />

thematische Gliederung. Die Zusammenarbeit der Projektpartner geschieht über die<br />

Arbeitspaketgrenzen hinweg, so dass einige Projektpartner Problemstellungen in<br />

mehreren Arbeitspaketen bearbeiten.<br />

Die Arbeitspakete bauen dabei aufeinander auf:<br />

Anpassungsfähige Produktionsstrukturen legen die Anforderungen an anpassungsfähige<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong> fest. Damit sich diese bestmöglich in den innerbetrieblichen<br />

Materialfluss integrieren lassen, müssen die energetischen, informatorischen<br />

und vor allem die physischen, d.h. mechanischen Schnittstellen festgelegt sein<br />

(GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998). Die zur Verfügung gestellten <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

wiederum legen die Anforderungen an das Informations- und Datenmanagement<br />

fest. Zuletzt können neue Planungswerkzeuge die zuerst genannten anpassungsfähigen<br />

Produktionsstrukturen planen.<br />

4 Zielsetzungen der einzelnen Arbeitspakete<br />

4.1 Arbeitspaket 1: Dynamische Fertigungsstrukturen<br />

Folgende Einzelziele sind zur Strukturierung von Fertigungen in Segmenten oder<br />

Inseln unter technischen Rahmenbedingungen unabdingbar und beinhalten Konzepte<br />

<strong>für</strong> Maschinen, Anlagen und <strong>Materialflusssysteme</strong>:<br />

• Eröffnung von Möglichkeiten zur Einbindung von ortsfesten Maschinen und Anlagen<br />

in produktorientierte Fertigungskonzepte durch organisatorische und technische<br />

Konzepte, wie z.B. der Schaffung einer Gruppenstruktur bei räumlich verteilten<br />

Arbeitsplätzen<br />

• Einbindung von unteilbaren Kapazitäten in mehrere Fertigungsinseln bzw. Segmente<br />

durch geeignete Steuerungsstrategien<br />

1-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

• Flexible Verkettung des inselinternen und -externen Materialflusses im Sinne kurzer<br />

Wege und schneller Reaktionszeiten durch die Verbindung von zentral und<br />

dezentral gesteuertem Materialfluss<br />

• Aufbau von Pilotstrukturen bei den Anwendern<br />

• Formulierung der Anforderungen an die Materialfluss- und Informationstechnik <strong>für</strong><br />

dezentrale flexible Fertigungssysteme<br />

Informations - und<br />

Datenmanagement (AP3):<br />

- Entwicklung einer skalierbaren<br />

Informationstechnik <strong>für</strong> MF-Systeme<br />

- Nutzung dezentraler Steuerungskonzepte bei<br />

der Routenplanung und Auftragsverwaltung<br />

von Fahrzeugen<br />

- Entwicklung von schnell und einfach<br />

konfigurierbarer Steuer- und Leittechnik <strong>für</strong><br />

ein wandelbares MF-Netz<br />

Energetische , informatorische und<br />

physische Schnittstellen (AP5):<br />

- Kombination bestehender und neuer MF-<br />

Systeme zu einem flexiblen MF-Netz<br />

- Entwicklung geeigneter Übergabestellen<br />

zur Anbindung von MF-Komponenten<br />

- Einbindung von <strong>Fertigungssegmente</strong>n in<br />

den Materialfluss<br />

- Verkürzung der Inbetriebnahme durch<br />

vereinheitlichte Schnittstellen<br />

Methoden und Werkzeuge<br />

zur Einsatzplanung (AP4):<br />

- Aufbau von Planungsregelkreisen<br />

- Dynamischer Abgleich von Planung<br />

und Realität<br />

Dynamische<br />

Fertigungsstrukturen (AP1):<br />

- Aufbau einer produkt- und<br />

mengenflexiblen, segmentierten<br />

Fertigungsstruktur<br />

- Bildung von dynamischen Strukturen<br />

aus bestehenden Systemen<br />

Physische Logistik (AP2):<br />

- Einbindung von MF-Komponenten in ein<br />

wandelbares MF-Netz<br />

- Entwicklung eines rüstflexiblen und gestuft<br />

automatisierbaren Leichtfördersystems im<br />

Überflurbereich<br />

Bild 3: Die wichtigsten Ziele der einzelnen Arbeitspakete<br />

4.2 Arbeitspaket 2: <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

Für ein innerbetriebliches Transportsystem zur Versorgung von dezentralen autonomen<br />

Produktionsstrukturen sind flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> neu bzw. weiterzuentwickeln<br />

und zu einem Gesamtkonzept zu integrieren. Daraus ergeben sich folgende<br />

Einzelziele:<br />

• Entwicklung eines rüstflexiblen, gut einpassbaren Leichtkrans im Baukastensystem,<br />

der mit verschiedenen Automatisierungsstufen den Produktionsanforderungen<br />

angepasst werden kann und damit universell einsetzbar ist<br />

• Weiterentwicklung und Integration eines Staplermanagementsystems, das innerhalb<br />

des wandelbaren Materialflussnetzes vor allem die Bedürfnisse der KMU abdeckt<br />

• Erstellung eines Konzeptes <strong>für</strong> ein wandelbares Materialflussnetz mit den neuen<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong>n automatisierter Leichtkran und gemanagte Stapler mit ge-<br />

1-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

eigneten Schnittstellen untereinander, einer offenen Schnittstelle zu konventionellen<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong>n (z.B. Rollenbahnen) und der Schnittstelle zur Fertigungszelle<br />

• Bewertungskatalog <strong>für</strong> die vorhandene Materialflusstechnik unter dem Aspekt<br />

„Einsatz und Kombination als flexibles Materialflusssystem zur Versorgung von<br />

Fertigungsinseln bzw. Segmenten“<br />

• Aufbau von Pilotanlagen mit den neuen <strong>Materialflusssysteme</strong>n zu Test- und Demonstrationszwecken<br />

der Einzelsysteme, der Schnittstellen und des Verbundbetriebes<br />

4.3 Arbeitspaket 3: Informations- und Datenmanagement<br />

Aus dem Gesamtziel, ein integriertes und einfach konfigurierbares Informations- und<br />

Datenmanagement <strong>für</strong> den Einsatz in dynamischen Strukturen zu entwickeln, leiten<br />

sich die folgenden Einzelziele:<br />

• Entwicklung einer offenen, modularen Architektur <strong>für</strong> Materialflusssteuerungssysteme,<br />

die schnell und einfach konfigurierbar sind, wobei Insellösungen durch den<br />

Einsatz von gängigen Betriebs- und Datenbanksystemen auf Standardhardware<br />

vermieden werden sollen<br />

• Entwicklung einer Schnittstelle der Materialflusssteuerung zu Materialflussplanungstools,<br />

um bei Layoutveränderungen mit möglichst wenig Aufwand das neue<br />

Layout in der Materialflusssteuerung abbilden zu können<br />

• Konzeption einer Anbindung an Simulationswerkzeuge zur Optimierung der eingesetzten<br />

Steuerungsstrategien, um bei Strukturveränderungen die Ergebnisse der<br />

Materialflussplanung in die Materialflusssteuerungsstrategien einfließen zu lassen<br />

• Integration von Materialfluss und Informationsfluss durch die Erweiterung bestehender<br />

Materialflussmanagementsystemen zu mobilen Informationsplattformen<br />

• Integration von Online-Prozesskontrollen<br />

• Dezentrale Steuerungskonzepte zur Bahn- und Routenplanung sowie dezentrale<br />

Auftragsverwaltung bei Transportfahrzeugen<br />

• Steuerungstechnische Integration verschiedener <strong>Materialflusssysteme</strong> unter Nutzung<br />

ihrer spezifischen Fähigkeiten und Eigenschaften<br />

4.4 Arbeitspaket 4: Planung des Materialflusses<br />

Die folgende Einzelziele sind <strong>für</strong> eine schnellere und qualitativ hochwertigere Planung<br />

notwendig, um so den Anforderungen bei der Planung von Materialflüssen im<br />

dynamischen Produktionsumfeld zu genügen:<br />

• Reduzierung des Datenbereitstellungs- und Datenaufbereitungsaufwands durch<br />

Übernahme von Informationen aus PPS-Systemen und durch die Verarbeitung<br />

bestehender EDV-gestützter Layouts<br />

1-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

• Automatisierung des Simulationsmodellaufbaus, insbesondere <strong>für</strong> die Betriebsund<br />

Fördermittel, durch Kopplung von CAD und Simulation<br />

• Rückübertragung layoutrelevanter Ergebnisse aus der Simulation an die CADgestützte<br />

Layoutplanung<br />

• Erweiterung der Optimierungsstrategien um die Aspekte Nachbarschaftsbeziehungen,<br />

Transportwege, Fördermittel und -hilfsmittel, Standortverträglichkeitsbedingungen,<br />

Umzugsaufwand, Betriebsmittelflächen sowie Bildung von produktbezogenen<br />

<strong>Fertigungssegmente</strong>n<br />

• Entwicklung eines Planungsmoduls zur Berücksichtigung der innerbetrieblich vorhandenen,<br />

konventionellen Materialflusstechnik, die auch im wandelbaren Materialflussnetz<br />

genutzt werden muss<br />

• Entwicklung von CAD- und Simulationsbausteinen <strong>für</strong> die rechnerintegrierte Planung<br />

der flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong> automatisierter Leichtkran, autonome<br />

Transportfahrzeuge und gemanagte Stapler<br />

4.5 Arbeitspaket 5: Schnittstellenproblematik<br />

Das wandelbare Materialflussnetz erfordert die Überwindung vielfältiger Schnittstellen.<br />

Diese Aufgabe hat folgende Einzelziele:<br />

• Bewertungskatalog <strong>für</strong> herkömmliche Materialflusstechnik, der Schnittstellen und<br />

Einsatzmöglichkeiten als flexibles Materialflusssystem zur Versorgung von dezentralen<br />

Fertigungsstrukturen berücksichtigt<br />

• Gestaltungskatalog zur Forcierung durchgängiger standardisierter Schnittstellen<br />

zwischen inselinternem und -externem Materialfluss<br />

• Entwicklung einer Planungsvorgehensweise zur Überwindung von Materialflussschnittstellen,<br />

wobei die spezifischen organisatorischen, mechanischen und informatorischen<br />

Anforderungen dezentraler Produktionsstrukturen berücksichtigt werden<br />

• Sinnvolle Verknüpfung verschiedener <strong>Materialflusssysteme</strong> wie automatisierter<br />

Leichtkran, Elektrohängebahn und neu zu entwickelnder Materialflusstechnik zu<br />

einer flexiblen, möglichst flurfreien Systemlösung<br />

• Schaffung von rüstflexiblen Schnittstellen zwischen den Komponenten automatisierter<br />

Leichtkran, autonomes Transportfahrzeugsystem, gemanagte Stapler und<br />

autonomen Fertigungszellen<br />

• Schaffung einer offenen Schnittstelle im Rahmen des wandelbaren Materialflussnetzes<br />

zur Anbindung bestehender konventioneller <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

1-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

Bild 4: MATVAR-Pilotanlage am Lehrstuhl fml<br />

MATVAR<br />

1-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

5 Integration der Arbeiten und prototypenhafte Umsetzung<br />

Im Rahmen dieses Verbundforschungsprojektes wurden die Entwicklungen prototypenhaft<br />

umgesetzt und entweder bereits bei den Anwenderfirmen realisiert oder in<br />

den Pilotanlagen an den Hochschulinstituten aufgebaut.<br />

Die am Lehrstuhl LSR aufgebaute Pilotanlage (Bild 4) besteht aus folgenden, am<br />

Materialfluss beteiligten Komponenten:<br />

• stufenweise automatisierbares Leichtfördersystem im Überflurbereich bestehend<br />

aus Leichtkranen und Hängebahnen<br />

• konventionelle Fördertechnik: Schwerlastrollenbahn und Stauförderer<br />

• Stapler über ein Staplermanagementsystem angebunden<br />

• angewandte Regaltechnik <strong>für</strong> die Bedienung mit Kranen<br />

• Übergabeplätze als Schnittstelle zu den Fertigungsinseln<br />

• Terminals <strong>für</strong> die informationstechnische Unterstützung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

• Leitstand <strong>für</strong> die Integration aller Materialflusskomponenten in ein wandelbares<br />

Materialflussnetz<br />

Neben der Pilotanlage am fml wurde eine Verbindung zur iwb-Modellfabrik realisiert,<br />

die aus zwei automatischen Flurförderfahrzeugen sowie insgesamt vier Produktionszellen<br />

besteht: einer Montagestation, zwei Bearbeitungszentren und einem Lager.<br />

Der Materialfluss geschieht mit den gemanagten Staplern, der Informationsfluss<br />

durch die Anbindung der Materialflusssystemsteuerungen an einen Leitrechner.<br />

1-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

6 Struktur des Verbundes<br />

6.1 Projektpartner<br />

Bild 5: Beteiligungsmatrix der Projektpartner des inneren Kreises<br />

Zu den beteiligten Projektpartnern gehören die<br />

• Anwender: Bosch Siemens Hausgeräte, Leicher und MAN Nutzfahrzeuge<br />

MATVAR<br />

• Entwickler: HBC-radiomatic, Mannesmann Dematic, OBTec Steuerungstechnik<br />

und das Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik und<br />

• Hochschulinstitute: das Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften<br />

und der Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik.<br />

Sie bilden den sogenannten inneren Kreis.<br />

1-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

Die Gruppe der industriellen Anwender setzt bereits innovative Produktionsstrukturen<br />

pilothaft um und prüft diese hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Flexibilität. Außerdem<br />

zeigt sie die Randbedingungen und Anforderungen dynamischer Produktionsstrukturen<br />

bezüglich des Materialflusses auf und soll potentieller Nutzer der entwickelten<br />

Materialflusskonzepte sein.<br />

Die beteiligten Hochschulinstitute integrieren innerhalb ihrer eigenen Arbeitspunkte<br />

die Ergebnisse und Neuentwicklungen. Bei der Durchführung gemeinsamer Entwicklungen<br />

mit ausgewählten Industriepartnern bieten sie eine wissenschaftliche Begleitung<br />

und Unterstützung. Weiterhin gewährleisten sie eine Verallgemeinerung des<br />

gewonnenen Wissensvorsprungs durch Systematisierung und präsentieren das gewonnene<br />

Wissen der Öffentlichkeit. Durch das Umsetzen in einer zeitgemäßen Lehre<br />

werden die Ergebnisse des Projekts jungen Ingenieuren zugänglich gemacht und<br />

langfristig Denkanstöße <strong>für</strong> den Aufbau dynamisch wandelbarer Produktionsstrukturen<br />

gegeben. Der Aufbau einer Pilotanlage an den Lehrstühlen macht die gewonnenen<br />

Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit zugänglich.<br />

Im assoziierte Kreis sind interessierte Industriepartnern, Vereinen und Verbänden<br />

zusammengefasst. Sie sind erster Ansprechpartner im Projekt. Sie helfen bei der<br />

Problemlösung durch Wissenstransfer und -akquisition. Durch eine flächendeckende<br />

Vernetzung hilft der assoziierte Kreis bei der Verbreitung der Entwicklungsergebnisse.<br />

Bild 6: Struktur und Transfer des Verbundprojektes MATVAR<br />

1-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

6.2 Ablaufstruktur und Meilensteine<br />

MATVAR<br />

Das Projekt gliedert sich ausgehend von einer Analyse- und Konzeptphase in Konstruktions-<br />

und Realisierungsphasen. Gerade bei der Umsetzung neuer Konzepte<br />

sind die Übergänge zwischen den Phasen fließend. Die Koordination aller Projektbeteiligten<br />

hat hier eine zentrale Bedeutung. Interne Statustreffen aller Projektpartner<br />

und eine Vielzahl von Arbeitspakettreffen sind da<strong>für</strong> notwendig.<br />

Externe Treffen fanden jeweils nach jedem Projektjahr als Zwischenpräsentationen<br />

statt, um interessierte Firmen über die Zwischenstände und bisher erzielten Ergebnisse<br />

des Projektes zu informieren. So konnten auch weitere Partner wie die Fa.<br />

HBC-radiomatic gewonnen werden.<br />

1. Jahr<br />

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal<br />

Analysen<br />

1. Meilenstein/<br />

Analysen<br />

Konzepte<br />

1. Zwischenpräsentation<br />

2 Jahr<br />

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal<br />

2. Meilenstein/<br />

Konzepte<br />

Entwicklung / Konstruktion<br />

2. Zwischenpräsentation<br />

3. Meilenstein/<br />

Konstruktion<br />

3. Jahr<br />

1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal<br />

Prototypen<br />

4. Meilenstein/<br />

Prototypen<br />

Pilotanlagen<br />

Verbreitung von Ergebnissen<br />

Bild 7: Ablaufübersicht des MATVAR-Projektes<br />

5. Meilenstein/<br />

Pilotanlage<br />

Testphase<br />

3. Abschlusspräsentation<br />

1-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

7 Bedeutung des Projektes<br />

MATVAR<br />

Die verschärfte Wettbewerbssituation <strong>für</strong> Produktionsunternehmen hat in den letzten<br />

Jahren zu erweiterten Anforderungen an flexible Produktionskonzepte geführt. Bestehende<br />

Ansätze sowie aktuelle Konzepte in der Forschung und in der Praxis werden<br />

diesen Anforderungen vielfach nicht gerecht. In diesem Zusammenhang zeigen<br />

dezentrale Produktionssysteme, die durch verteilte Strukturen und autonome Einheiten<br />

gekennzeichnet sind, neue Perspektiven auf. Die Autonomie schafft die Voraussetzungen<br />

zur besseren Nutzung dezentral vorhandener Potenziale, die in herkömmlichen<br />

zentralen Strukturen weitgehend ungenutzt bleiben. Gleichzeitig bildet<br />

die Erfüllung globaler Zielvorgaben in dezentralen Strukturen eine Grundvoraussetzung<br />

<strong>für</strong> den unternehmerischen Erfolg (REINHART U. KOCH 1995). Das Projekt zeigt<br />

anhand von zu realisierenden Pilotsystemen Wege zur Strukturierung, Planung und<br />

Umsetzung derartiger Produktionsstrukturen auf.<br />

Neben Änderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation (AWF 1990) müssen dynamische<br />

Strukturen auch durch layoutflexible Fördermittel wie Verkettungseinrichtungen,<br />

Handhabungssysteme, Lager- und <strong>Materialflusssysteme</strong> ermöglicht werden.<br />

Die Materialflusstechnik und Informationslogistik muss die Forderung nach ständig<br />

möglicher Umkonfiguration der Produktionsstruktur mit geringstmöglichem Anpassungsaufwand<br />

erfüllen. Hier<strong>für</strong> ist die Entwicklung layoutflexibler Logistikstrukturen<br />

erforderlich. Das Verbundprojekt erarbeitete in dieser Richtung einen Lösungsvorschlag.<br />

Im Rahmen der physischen Logistik nimmt die Entwicklung und Produktion in<br />

Deutschland einen nationalen und internationalen Spitzenplatz ein. Der Wirtschaftszweig<br />

Fördertechnik ist der größte Fachzweig im deutschen Maschinenbau mit den<br />

höchsten Zuwachsraten und weltgrößter Exporteur (Quelle: VDMA Statistik). Damit<br />

das auch in Zukunft so bleibt, haben sich namhafte Hersteller, Anwender und Hochschulinstitute<br />

zusammengefunden, um im Rahmen des Projekts MATVAR einen großen<br />

Schritt hin zu einem wandelbaren Materialflussnetz zur flexiblen Versorgung von<br />

autonomen dezentralen Produktionsstrukturen zu gehen. Als technisch bedeutende<br />

Innovationen seien hier stellvertretend die Entwicklung eines Leichtkranes erwähnt,<br />

der als Baukastensystem mit stufenweiser Automatisierung eine kostengünstige und<br />

sehr flexible Materialflusslösung darstellt; gleiches gilt <strong>für</strong> die Einbindung von intelligenten<br />

Transportfahrzeugen und gemanagten Staplern. Diese Systeme sind als<br />

Materialflussbausteine prädestiniert <strong>für</strong> eine Integration innerhalb eines wandelbaren<br />

Materialflussnetzes. Speziell <strong>für</strong> KMU können sich hieraus neue Produktionsansätze<br />

ergeben.<br />

Die innerhalb des Projekts entwickelten und beispielhaft realisierten Systeme zur<br />

Materialflusssteuerung und Informationslogistik ermöglichen die schrittweise Um-<br />

1-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

MATVAR<br />

wandlung bestehender Systeme, so dass diese die Anforderungen der Produktion<br />

der Zukunft erfüllen.<br />

Der Einsatz der zu entwickelnden Produktionsstruktur und Logistik <strong>für</strong> dynamische<br />

Systeme fordert eine angepasste Planungssystematik unter Einbezug möglichst vieler<br />

der zur Verfügung stehenden Betriebsdaten, um einen Vergleich zwischen Sollund<br />

Ist-Werten zu forcieren. Erstmals soll im Rahmen des Projekts durch eine Kopplung<br />

von statischen und dynamischen Planungsschritten ein Planungsregelkreis, bestehend<br />

aus Layoutplanung und Ablaufsimulation, aufgebaut werden. CAD- und Ablaufsimulationssysteme<br />

greifen dabei auf eine identische und übergreifende Datenbasis<br />

zu, wodurch der Datenaufbereitungs- und Dateneingabeaufwand deutlich verringert<br />

wird. Aus diesem Grund können auch unter Berücksichtigung vielfältiger Einflussfaktoren<br />

mehr Planungsvarianten entwickelt und daher eine gesteigerte Planungssicherheit<br />

und -qualität erzielt werden. Weiterhin sind durch verbesserte Planungsergebnisse<br />

verkürzte und kostengünstigere Inbetriebnahmen zu erreichen, da<br />

teure Nachbesserungen an der bereits aufgestellten Anlage, verursacht durch Planungsfehler,<br />

vermieden werden.<br />

Die Struktur des Projekts ermöglicht nicht nur die Entwicklung, Realisierung und<br />

Kombination moderner flexibler Materialflusskomponenten, sondern weist Wege auf,<br />

mittels Integration von Komponenten unterschiedlichsten Alters und verschiedenster<br />

Entwickler auch bestehende Einrichtungen und Anlagen zu durchgängig dynamischen<br />

Systemen umzubauen. Dies wird durch eine flexible Gestaltung der Schnittstellen<br />

gewährleistet.<br />

Das Forschungsvorhaben soll Wege aufzeigen, propagierte Konzepte und Theorien<br />

zur Erhöhung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit technisch zu realisieren.<br />

Die dabei entwickelten Systeme und marktfähigen Komponenten werden Wettbewerbsvorteile<br />

<strong>für</strong> deutsche Unternehmen sichern. Weiterhin stärkt das Projekt die<br />

industrielle Forschungs- und Entwicklungslandschaft am Standort Deutschland und<br />

fördert den wissenschaftlichen Austausch zwischen Unternehmen und Forschungsinstituten.<br />

1-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />

8 Literatur<br />

MATVAR<br />

AWF 1990<br />

AWF: Integrierte Fertigung von Teilefamilien. Band 1 u. 2: Das Konzept Fertigungsinseln<br />

und seine Gestaltungskomponenten. Köln, TÜV Rheinland<br />

Verlag, 1990<br />

BMBF 1995<br />

BMBF: Rahmenkonzept „Produktion 2000“ Hrsg. vom Bundesministerium <strong>für</strong><br />

Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Bonn: 1995<br />

BMFT 1994<br />

BMFT: Strategien <strong>für</strong> die Produktion im 21. Jahrhundert. Bericht einer Untersuchung<br />

zu Entwicklungen, Visionen und Handlungsbedarf <strong>für</strong> Industrie, Forschung<br />

und Staat zur Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland.<br />

Stuttgart: 1994<br />

EVERSHEIM 1995<br />

Eversheim, W.: Prozeßorientierte Unternehmensorganisation. Berlin, Heidelberg:<br />

Springer-Verlag 1995<br />

GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997<br />

Günthner, Allgayer: Verbundforschungsprojekt „MATVAR“ ist angelaufen,<br />

Logistik im Unternehmen, Nr. 10 Oktober 1997, S. 28-30.<br />

GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998<br />

Günthner, Bambynek: Schnittstellenbaukasten: Integrierbarkeit eines flurfreien<br />

Leichtfördersystems, Hebezeuge und Fördermittel, Band 38 (1998) Heft<br />

12, S. 593-595.<br />

GÜNTHNER U. HANDRICH 1998<br />

Günthner, Handrich: Einsatzmöglichkeiten eines Leichtfördersystems im Überflurbereich,<br />

Logistik aktuell: Automatisierte Krane- Einsatzerfahrungen<br />

und Entwicklungstendenzen, Dresden, 15. Mai 1998, Hrsg.: H.-G. Marquardt.<br />

PFT 1995<br />

PFT: Die Notwendigkeit einer neuen Strategie industrieller Innovation. Broschüre<br />

des Forschungszentrums Karlsruhe GmbH 1995<br />

REINHART U. KOCH 1995<br />

Reinhart, G.; Koch, M. R.: Competition and Cooperation in Autonomous Manufacturing<br />

Systems. In: Soliman, J. I.; Roller, D. (Edts.): 28th International<br />

Symposium on Automotive Technology and Automation, Stuttgart. Croydon:<br />

Automotive Automation Limited 1995, S. 263-275.<br />

1-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

:DQGOXQJVIlKLJNHLW GXUFK GLH<br />

9HUELQGXQJ YRQ<br />

YHUULFKWXQJV XQG SURGXNWRULHQWLHU<br />

WHQ 6WUXNWXUHQ LQ GHU )HUWLJXQJ<br />

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LZE<br />

7HFKQLVFKH 8QLYHUVLWlW 0 QFKHQ<br />

%ROW]PDQQVWU<br />

*DUFKLQJ<br />

2-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

Bild 1: Zahlreiche Veröffentlichungen fordern Wandlungsfähigkeit<br />

MATVAR<br />

1 Reorganisationsbedürfnis deutscher Fertigungsbetriebe<br />

Deutsche Unternehmen unterliegen unzweifelhaft einer hohen Umfeldturbulenz. Somit<br />

stellt sich sofort die Frage, welche Möglichkeiten zum Umgang mit der Turbulenz<br />

existieren? Eine Antwort lautet: Unternehmen müssen sich in ihren Organisationsstrukturen<br />

wandeln (LAY U.A. 1997). Aus dem turbulenten Umfeld der Unternehmen<br />

ergibt sich die Notwendigkeit der ständigen Anpassung an die äußeren Veränderungen<br />

(REINHART U.A. 1999).<br />

Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die Ergebnisse einer Studie des Institutes<br />

<strong>für</strong> Medienentwicklung und Kommunikation (IMK 1998 S. 11) plausibel, demzufolge<br />

aktuell bei 55% der deutschen Unternehmen ein Reorganisationsbedarf besteht. Mit<br />

66% ist der Reorganisationsbedarf im Maschinenbau besonders groß. Die Strukturen<br />

im Maschinenbau werden als nicht innovativ und aufgebläht eingeschätzt (IMK 1998<br />

S. 12). Es wurde weiterhin festgestellt, dass die meisten Reorganisationen im Maschinenbau<br />

erst Mitte der 90er Jahre begannen und dass die metallverarbeitende<br />

Industrie zumeist an der Linienorganisation festhält.<br />

2-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

ambivalent<br />

26%<br />

gut organisiert<br />

20%<br />

reorganisationsbedürftig<br />

54%<br />

MATVAR<br />

Bild 2: Reorganisationsbedürfnis der deutschen Unternehmen (IMK 1998,S. 11)<br />

Obwohl durch die Einführung von produktorientierten Strukturen wie beispielsweise<br />

Fertigungsinseln oder Segmenten in den letzten Jahren viele Produktionsunternehmen<br />

ihre Durchlaufzeit und Bestände deutlich reduzierten (BURBIDGE 1994, DECKER<br />

1995, TÖNSHOFF U.A. 1995, GERLACH U.A. 1996, GRONAU & BRINKMANN 1996), konnten<br />

diese nicht überall Anwendung finden (LAY U.A. 1997, S. 9). Ein wesentlicher Grund<br />

<strong>für</strong> den zeitlichen Rückstand vieler Produktionsunternehmen und das Festhalten an<br />

der tradierten funktionsorientierten Organisation sind nach LUTZ (1996) die technischen<br />

Hindernisse, die insbesondere im Maschinenbau der produktorientierten Ausrichtung<br />

entgegenstehen. Wesentliche kostenrelevante Hindernisse eines flächendeckenden<br />

Aufbaus der produktorientierten Strukturen sind die Umzugsaufwände der<br />

Maschinen und die Notwendigkeit auf Skaleneffekte durch die Nutzung vorhandener<br />

Anlagen und Maschinen durch verschiedene Produktgruppen nicht verzichten zu<br />

können. Insbesondere gewachsene Produktionsbetriebe stehen vor scheinbar unlösbaren<br />

Problemen bei der Reorganisation ihrer Fertigungen (TÖNSHOFF & GLÖCKNER<br />

1994). LAY U.A. (1997, S.4) beklagen, dass die Reorganisationskonzepte der letzten<br />

Jahre in den Produktionsbetrieben als Rezepte missverstanden wurden. Dieser Rezeptcharakter<br />

zusammen mit einer Vielfalt von Botschaften führte zu Verwirrungen<br />

und hatte fatale Konsequenzen: Die Begriffe zur Charakterisierung der neuen Produktionskonzepte<br />

wurden zu inhaltsleeren Modebegriffen mit immer kürzerer Halbwertszeit.<br />

Wie sehen diese vorhandene Konzepte aber aus?<br />

2-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

Funktionsorientierung<br />

Tayloristische Grundidee:<br />

Zusammenfassung ähnlicher<br />

Tätigkeiten<br />

Synergien:<br />

Nutzung von Skaleneffekten<br />

Akkumulation des<br />

technologischen Wissens<br />

Anwendungsfelder:<br />

Neue Technologien<br />

Technologisch<br />

anspruchsvolle<br />

Tätigkeiten<br />

MATVAR<br />

Produktorientierung<br />

Grundidee:<br />

Integration von Prozessketten<br />

Synergien:<br />

Optimierung der Prozessketten<br />

Abstimmung einzelner<br />

Arbeitschritte<br />

Anwendungsfelder:<br />

Produktoptimierung durch Zusammenarbeit<br />

mit indirekten Bereichen<br />

Kurze Durchlaufzeiten<br />

Bild 3: Funktions- und Produktorientierung<br />

2 Ansätze und Defizite in der Fertigungsorganisation<br />

Grundsätzlich sind zwei Richtungen der Ausrichtung der Fertigungsstruktur zu unterscheiden:<br />

Funktions- und Produktorientierung. Der Produktorientierung wird eine<br />

schnelle Anpassung bei Produktmodifikationen zugeschrieben, während die Funktionsorientierung<br />

eher langfristige, tiefgreifende Produktänderungen ohne aufbauorganisatorische<br />

Anpassungen abfangen kann. Beide Aspekte sind notwendig, um eine<br />

Wandlungsfähigkeit des Gesamtunternehmens zu erreichen. Einer schnellen Umsetzung<br />

stehen in produktorientierten Bereichen Unverträglichkeiten verschiedener<br />

Maschinen, wie beispielsweise einer Presse und einer Messzelle, entgegen. Diese<br />

Hindernisse können nur mit großem technischen bzw. finanziellen Aufwand überwunden<br />

werden.<br />

Die eingehende Auswertung des Standes der Forschung und Technik im Bereich der<br />

Fertigungsstrukturen zeigte, dass ein Strukturkonzept bisher noch fehlt, welches die<br />

Funktions- und die Produktorientierung verbindet, um so die Vorteile der jeweiligen<br />

Konzepte synergetisch zu verknüpfen.<br />

Neben dem fehlenden Strukturkonzept zur Verbindung von Funktions- und Produktorientierung<br />

sind die vorliegenden Planungsverfahren zumeist strukturspezifisch<br />

ausgerichtet. Es gibt Planungsverfahren <strong>für</strong> Fertigungsinseln, Segmente oder Fraktale,<br />

die eigentliche Strukturentscheidung <strong>für</strong> Produkt- bzw. Funktionsorientierung ist<br />

2-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

zu diesem Zeitpunkt aber schon gefallen. Es kann somit das Fehlen einer neutralen<br />

Planungsmethodik <strong>für</strong> Fertigungsstrukturen festgestellt werden.<br />

Besondere Probleme bestehen aber auch in der Steuerung der funktionsorientierten<br />

Einheiten in einer sonst produktorientierten Umgebung. Gerade KMUs scheuen den<br />

Einsatz aufwendiger EDV-Systeme zur Steuerung hybrider (Mischung aus produktund<br />

funktionsorientierten) Fertigungsstrukturen, wie sie von vielen Veröffentlichungen<br />

(bspw. KATH 1994) vorgeschlagen werden. Es fehlen bisher Ansätze, die es Unternehmen<br />

auf einfache Weise erlauben, diese Strukturen zu steuern.<br />

Aus den kurz skizzierten Defiziten und Zielen lässt sich zusammenfassend folgender<br />

Handlungsbedarf ableiten: Die Entwicklung<br />

• eines Konzepts zur Verbindung der Vorteile von produkt- und funktionsorientierten<br />

Strukturen <strong>für</strong> die Klein- und Mittelserienfertigung,<br />

• eines ergebnisneutralen Planungsverfahren unter Berücksichtigung der vorhandenen<br />

Betriebsmittel,<br />

• eines einfachen Auftragssteuerungskonzept <strong>für</strong> den Einsatz in hybriden Strukturen.<br />

3 Konzeption - Kerninsel-Dienstleisterkonzept<br />

Das grundlegende Strukturkonzept Kerninsel-Dienstleister bildet die Basis dieses<br />

Kapitels. Aufbauend darauf wird eine Planungssystematik zur Erarbeitung der unternehmensspezifischen<br />

Struktur dargestellt. Der darauf folgende Abschnitt wird auf die<br />

Auftragssteuerung innerhalb dieser neuen Strukturen eingehen.<br />

3.1 Strukturkonzept<br />

Die Produktorientierung steht <strong>für</strong> die Nutzung der Vorteile aus der Prozesskettenoptimierung<br />

entlang der Wertschöpfungskette. Synergetische Effekte werden durch die<br />

bessere technische und organisatorische Abstimmung der Prozesse aufeinander erreicht.<br />

Diese Optimierungsmaßnahmen sollen ganz wesentlich über die direkten Bereiche<br />

hinausgehen (WILDEMANN 1993, S. 254). Beispielsweise sollen diese Einheiten<br />

bei der langfristigen Produktgestaltung Einfluss nehmen.<br />

Diese wesentliche Aufgabe übernimmt im Kerninsel-Dienstleiterkonzept die Kerninsel.<br />

Die Kerninsel ist eine organisatorische Einheit bestehend aus Maschinen und<br />

Mitarbeitern, die eindeutig einer Produktgruppe (Teilefamilie) zugeordnet werden<br />

können, bzw. die in der Planungssystematik beschriebenen Kriterien zur Zuordnung<br />

zu einem Produkt erfüllen.<br />

2-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

Kerninseln<br />

Hoher Auslastungsanteil durch<br />

einen Produktbereich<br />

Geringes Spezialistenwissen<br />

Kernprozesse der Teilefamilie<br />

Übergreifende Optimierungspotentiale<br />

Bild 4: Strukturkonzept<br />

Dienstleister<br />

MATVAR<br />

Zugriff verschiedener Inseln<br />

Große Spezialisierungsvorteile<br />

Randprozeß<br />

Skaleneffekte<br />

Flexibilitätspotential<br />

Unverträgliche Technologie<br />

Den Mittelpunkt der funktionsorientierten Optimierung bilden im Kerninsel-<br />

Dienstleisterkonzept die Dienstleister. Genutzt werden sollen die Spezialisierungsvorteile,<br />

die durch eine Konzentration auf bestimmte Tätigkeiten innerhalb einer Einheit<br />

erreicht werden können. Als Dienstleister können alle an der Gesamtprozesskette<br />

beteiligten Organisationseinheiten bezeichnet werden, die außerhalb der Kerninsel<br />

zur Durchführung der Aufträge in der Produktion notwendig sind. Die<br />

Dienstleister werden durch die verschiedenen produktorientierten Kerninseln angefragt<br />

und beauftragt. Grundlage dieser Beziehung ist das Kunden-<br />

Lieferantenverständnis.<br />

Die Fertigungsstruktur nach dem Kerninsel-Dienstleisterkonzept stellt sich somit als<br />

eine Kombination aus funktions- und produktorientierten Einheiten dar. Spezielle<br />

Teile der Prozesskette werden spezifisch über Prozessketten hinweg in<br />

Dienstleistern oder innerhalb der Prozesskette in den Kerninseln zusammengefasst.<br />

Folgende Definitionen sind gültig:<br />

Definition Dienstleister:<br />

Dienstleister sind funktionsorientierte, aufbauorganisatorische Einheiten, die<br />

ihre Dienstleistung verschiedenen Auftraggebern (später Kerninseln genannt)<br />

anbieten. Dienstleistungen sind Funktionen in der Fertigung, wie beispielsweise<br />

das Lackieren, das Bohren, das Fräsen.....<br />

2-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

I. Zuordnung von Betriebsmittel zu Produktgruppen auf der<br />

Basis klassischer Fertigungsinselplanungsmethoden.<br />

II. Planungsschritt:<br />

Bewertung der einzelnen Betriebsmittel mittels des Planungsoktogons<br />

III. Planungsschritt:<br />

Mustervergleich und Abweichungsberechnung von Standardlösung<br />

IV. Planungsschritt:<br />

Ableitung von Umsetzungsstrategien<br />

Definition Kerninsel:<br />

Bild 5: Planungsvorgehensweise in vier Schritten<br />

MATVAR<br />

Die Kerninsel ist eine produkt- und gruppenorientierte, aufbauorganisatorische<br />

Einheit, deren Aufgabe darin besteht, eine termin- und qualitätsgerechte Erstellung<br />

bestimmter Produktgruppen zu gewährleisten. Die Arbeit trägt die<br />

Kennzeichen der autonomen Gruppenarbeit, wie sie in Kapitel 3 definiert wurden.<br />

Die Kerninseln beauftragen <strong>für</strong> bestimmte Tätigkeiten die vorhandenen<br />

Dienstleister, führen aber auch möglichst viele Tätigkeiten, insbesondere produktorientierte<br />

Kernaufgaben, selbst mit zugeordneten Betriebsmitteln durch.<br />

3.2 Das Planungsverfahren<br />

Es wird eine 4-stufige Vorgehensweise (siehe Bild) zur Lösung des Planungsproblems<br />

vorgeschlagen.<br />

3.2.1 I. Planungsschritt: Produktgruppenanalyse<br />

Der erste Schritt des Planungsverfahren zur Planung der Kerninsel-<br />

Dienstleisterstruktur beruht auf Methoden der klassischen Fertigungsinselplanung.<br />

An dieser Stelle wird auf klassische Verfahren zur Teilefamilienbildung zurückgegriffen.<br />

2-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

Integrationsaufwand<br />

(Umzug-, Kapselung..)<br />

Skaleneffekt<br />

hcoh<br />

Integration in<br />

die Abläufe<br />

hoch<br />

niedrig<br />

mittel<br />

Gesamtauslastung<br />

mittel<br />

mittel<br />

hcoh<br />

mittel<br />

mittel<br />

niedrig<br />

mittel<br />

mittel<br />

Qualitätsbestimmung<br />

durch Prozess<br />

Produktgruppenauslastung<br />

mittel<br />

niedrig<br />

Bild 6: Planungsoktogon zur Betriebsmittelanalyse<br />

hcoh<br />

hcoh<br />

Mitarbeiterqualifizierung<br />

MATVAR<br />

Unsicherheit<br />

der Nutzung<br />

Es sei hier auf die Arbeiten von OPITZ 1966, BURBIDGE 1994 bis LULAY & DECKER 1996<br />

verwiesen. Diese Verfahren unterscheiden sich im wesentlichen nach der Anzahl und<br />

Art der berücksichtigten Kriterien bzw. dem notwendigen Aufwand der Analyse und<br />

der Datenbeschaffung vor der Verfahrensdurchführung.<br />

3.2.2 II. Planungsschritt: Betriebsmittelanalyse<br />

Im folgenden Schritt müssen die einzelnen Betriebsmittel mittels eines Bewertungshilfsmittels<br />

im Hinblick auf die wesentlichen Kriterien zur Aufstellung eines Betriebsmittels<br />

als Dienstleister oder innerhalb der Kerninsel bewertet werden.<br />

Eine textuelle Beschreibung ist natürlich nicht hinreichend, da eine schnelle Erfassbarkeit<br />

der Situation <strong>für</strong> alle am Planungsprozess teilnehmenden Personen wesentlich<br />

ist. Die Zuordnung eines Betriebsmittels zu einer Strukturform stellt somit einen<br />

komplexen Entscheidungsvorgang dar, der durch geeignete Hilfsmittel unterstützt<br />

werden muss.<br />

Um diese Forderungen erfüllen zu können und die Entscheidungsprozesse transparent<br />

darzustellen, wird ein Polaritätsprofil (DAENZER 1989, S. 241) vorgeschlagen.<br />

2-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

Integrationsaufwand<br />

(Umzug-, Kapselung..)<br />

Abweichung<br />

von Standardtyp<br />

Einordnung<br />

einer Maschine<br />

Abweichungsfläche<br />

Skaleneffekt<br />

Integration in<br />

die Abläufe<br />

Gesamtauslastung<br />

Qualitätsbestimmung<br />

durch Prozess<br />

Produktgruppenauslastung<br />

Mitarbeiterqualifizierung<br />

MATVAR<br />

Unsicherheit<br />

der Nutzung<br />

Bild 7: Mustervergleich zur Typklassifizierung der Dienstleister bzw. Kerninseln<br />

Acht wesentliche Kriterien wurden ausgewählt; deshalb wird im folgenden vom Planungsoktogon<br />

gesprochen. Das Planungsoktogon, wie in Bild 7 dargestellt, hat den<br />

Aufbau eines Polaritätsprofils, jedes der hier ausgewählten acht Kriterien wird an einer<br />

der radialen Achsen angetragen. Die Ausprägung des Kriteriums, welches auf<br />

eine Aufstellung innerhalb der Kerninsel hinweist, wird in das Zentrum des Planungsoktogons<br />

gelegt. Daraus wird festgelegt, dass je kleiner das spezifische Oktogon<br />

ist, desto eher einer Kerninsel entspricht. Es erfolgt eine Normierung der Maßstäbe<br />

<strong>für</strong> alle quantifizierbaren Größen auf Kostenbasis, d.h. dass der maximale<br />

Kostenwert jedes Kriteriums auf dem Maßstab gleich ist, um eine optische Vergleichbarkeit<br />

der Kriterien zu erreichen. Qualitative Kriterien werden in einem kontinuierlichen<br />

Maßstab von niedrig bis zur hohen Ausprägung dargestellt.<br />

3.2.3 III. Planungsschritt: Mustervergleich<br />

Um den Entscheidungsprozess zur Einordnung der Betriebsmittel in die Strukturformen<br />

zu erleichtern, wird ein Vergleich mit Standardtypen vorgenommen. Diese Methode<br />

soll den Entscheidungsprozess beschleunigen und Problembereiche schnell<br />

und einfach identifizieren.<br />

2-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

Die Standardtypen entsprechen verschiedenen Formen der Dienstleister bzw. Kerninseltypen.<br />

Für jeden Strukturtyp, wie beispielsweise den Maschinenpark, wird festgelegt,<br />

<strong>für</strong> welche Kriterienausprägungen dieser Typ geeignet erscheint.<br />

Jedes Betriebsmittel wird dem Standardtyp zugeordnet, zu dem die geringsten Abweichungen<br />

bestehen. Somit ergibt sich eine einfache Möglichkeit zur Automatisierung<br />

des Entscheidungsvorganges. Diese Vorgehensweise kann sicherlich nicht eine<br />

automatisierte Entscheidung <strong>für</strong> alle Betriebsmittel ermöglichen. Es wird dem Planer<br />

aber ein Medium an die Hand gegeben, schnell und einfach die Grenzfälle zu ermitteln,<br />

die eine unternehmerische Entscheidung auf Basis einer intensiven Einzelanalyse<br />

erfordern. In diesen Fällen sollten alternative technische Lösungen geprüft werden,<br />

die ein strukturkonformes Handeln innerhalb der Standardtypen ermöglichen.<br />

Das heißt, dass auch neue Lösungen mit Hilfe der Standardtypen zur Beurteilung<br />

eingeordnet werden sollten. Aus dieser Einordnung in die Standardtypen werden nun<br />

die Organisationseinheiten gebildet. Dienstleister werden zusammengefasst, Aufstellungsvarianten<br />

überprüft. An dieser Stelle wird auf die entwickelten und geprüften<br />

Vorgehensweisen der klassischen Fabrikplanung zurückgegriffen (KETTNER U.A.<br />

1984, AGGTELEKY 1981).<br />

3.2.4 IV. Planungsschritt: Ableitung von Umsetzungsstrategien<br />

Unternehmen scheuen sich in vielen Fällen vor einer radikalen Neustrukturierung<br />

ihrer Produktion in kurzer Zeit, da beispielsweise eine Produktionsunterbrechung<br />

nicht möglich bzw. mit großen Kosten verbunden wäre oder große Investitionsmittel<br />

nicht zur Verfügung stehen. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen<br />

sehen sich dieser Situation gegenüber. Restrukturierungen unterbleiben, obwohl sie<br />

als notwendig erachtet werden (vgl. Kapitel 1/ IMK 1998).<br />

Aus der Bewertung mit dem Planungsoktogon kann nicht nur ein Planungsergebnis<br />

<strong>für</strong> die Gesamtfertigungsstruktur abgeleitet werden, sondern es ergibt sich auch<br />

durch die Abweichungsbewertung zusätzlich die Möglichkeit, eine Abschätzung des<br />

Potenzials der einzelnen strukturellen Maßnahmen zu erhalten. Einzelne Maßnahmen<br />

können beurteilt und die Abweichung vom Standardtyp und der Ist-Situation<br />

transparent dargestellt werden. Betriebsmittel, die einem Standardtyp in allen Kriterien<br />

entsprechen und gleichzeitig bisher diesem Typ nicht zugeordnet sind, sollten<br />

sofort umstrukturiert werden, da dort ein großes Potenzial erwartet wird. Negative<br />

Auswirkungen sind nicht zu erwarten.<br />

2-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

x<br />

4<br />

3<br />

4<br />

2<br />

1<br />

Rohrbiegerei München<br />

2<br />

2<br />

1<br />

1<br />

1<br />

MATVAR<br />

Werk Penzberg<br />

Rohrbiegerei aus München Betroffene Bereiche<br />

Rohrbiegerei Penzberg Nicht betroffene Bereiche<br />

Schlafliegenfertigung Wege<br />

Reihenfolge der Umzugsschritte<br />

Bild 7: Integration einer neuen Rohrbiegerei in die Penzberger Fertigung<br />

4 Umsetzung<br />

4.1 Anwendungsbeispiel: Integration einer neuen Fertigungseinheit<br />

in die Produktion MAN Nutzfahrzeuge AG, Werk Penzberg<br />

Die Firma MAN Nutzfahrzeuge AG produziert am Standort Penzberg ein großes Teilespektrum<br />

an Blechteilen <strong>für</strong> LKWs und Busse <strong>für</strong> das Stammwerk in München in<br />

mittleren bis kleinen Stückzahlen. Einzelne Teile werden zu kleinen Baugruppen<br />

montiert. Die Produktion teilt sich daher in die Einzelteil- und die Gruppierungsfertigung,<br />

die Einzelteile z.B. zu Baugruppen verschweißt, auf. Dazwischen befindet sich<br />

ein großes Zwischenlager. Aufgrund der gewachsenen Produktion und der traditionellen<br />

Werkstattfertigung gibt es lange Transportwege, hohe Durchlaufzeiten und<br />

geringe Transparenz in der Fertigung. Daher sollten im Zuge des anstehenden Umzugs<br />

der Kostenstelle Rohrbiegen inkl. Löten und Nachbearbeitung von München<br />

nach Penzberg die alten Strukturen optimiert werden. In einem Vorgängerprojekt<br />

wurde bereits das Kerninsel-Dienstleisterkonzept bei der MAN Penzberg <strong>für</strong> einen<br />

kleineren Fertigungsbereich realisiert. Da es sich dort in einjährigem Einsatz bewährt<br />

hatte, sollte es bei diesem Projekt bei allen betroffenen Fertigungsbereichen angewendet<br />

werden.<br />

2-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

Bisher: Neu:<br />

Sägen<br />

Waschen Ausblasen<br />

Arbeiten in der Rohrbiegerei<br />

Entgraten<br />

(Auf Gärung)<br />

sägen<br />

Wulsten<br />

Schweißen<br />

Pulverbe-<br />

schichten<br />

Waschen<br />

Heften<br />

Schweißen<br />

Lackieren<br />

Biegen<br />

Auf Maß<br />

sägen<br />

Entgraten<br />

Wulsten,<br />

sicken, bohren<br />

Raus: Lager /<br />

ans Band /<br />

E-Lager<br />

Waschen<br />

Schweißen<br />

Lackieren<br />

Sägen<br />

Waschen Ausblasen<br />

Arbeiten in der Rohrbiegerei<br />

Entgraten<br />

(Auf Gärung)<br />

sägen<br />

Wulsten<br />

Schweißen<br />

Pulverbe-<br />

schichten<br />

Waschen<br />

Heften<br />

Schweißen<br />

Lackieren<br />

Rohrbiegerei Extern<br />

Biegen<br />

Auf Maß<br />

sägen<br />

Entgraten<br />

Wulsten,<br />

sicken, bohren<br />

Raus: Lager /<br />

ans Band /<br />

E-Lager<br />

MATVAR<br />

Waschen<br />

Schweißen<br />

Lackieren<br />

Bild 8: Abstrahierter Gesamtmaterialfluss durch die Rohrbiegerei alt - neu: Integration<br />

von Arbeitsschritten in die neue Kerninsel<br />

Durch die Vielzahl der Varianten, die große Zahl an Maschinen und Arbeitsplätzen<br />

und gebäudebedingte Restriktionen bzw. teilweise ortsunflexiblen Produktionsbereichen<br />

war die Erstellung eines Umstrukturierungskonzeptes eine komplexe Aufgabenstellung.<br />

Diese erforderte die systematische Vorgehensweise der neuen Methode,<br />

welche die Umstellung von Werkstattfertigung zu produktorientierter Fertigung<br />

trotz teilweise unteilbaren oder unversetzbaren Maschinen ermöglichte. Ferner<br />

mussten die Entscheidungen über die Zuordnung jeder Maschine zur Fertigungsinsel<br />

oder der Definition als Dienstleister nachvollziehbar und in der Menge beherrschbar<br />

sein.<br />

Das Kerninsel-Dienstleisterkonzept wurde in diesem Projekt bei zwei Fertigungsgruppen<br />

angewendet. Zum einen bei der zu integrierenden Kostenstelle der Rohrbiegerei<br />

zum anderen bei der bereits in Penzberg vorhandenen Schlafliegenfertigung.<br />

2-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

Arbeitsschritte: Alt: Neu: Strukturgründe in Penzberg<br />

Lagerung Extern Intern Lagererweiterung <strong>für</strong> neue Rohrdurchmesser<br />

Sägen Extern Intern Auslastung des Sägezentrums & neue Säge<br />

Entgraten (Ablängen) Intern & extern Intern Integration des Arbeitschritts in die Sägen<br />

Ausblasen Extern Intern Integration des Arbeitschritts in die Sägen<br />

Waschen Extern Extern Unteilbare Kapazität, Kapazitätsbedarf vieler Kostenstellen<br />

Biegen Intern Intern Kernkompetenz<br />

Auf Maß / Gärung sägen Intern Intern Kernkompetenz<br />

Entgraten (Sägen a. Maß) Intern Intern Kernkompetenz<br />

Wulsten, sicken bohren Intern & extern Intern Integration der Arbeitschritte in die Kerninsel<br />

Handschweißen Intern & extern Intern Integration der Arbeitschritte in die Kerninsel<br />

Roboterschweißen Extern Extern Keine wirtschaftliche Auslastung der Anlage möglich<br />

Heften Intern & extern Intern Integration der Arbeitschritte in die Kerninsel<br />

Grundieren Extern Extern Unteilbare Kapazität, Kapazitätsbedarf vieler Kostenstellen<br />

Pulverbeschichten Extern Extern Unteilbare Kapazität, nur bei MAN-München vorhanden<br />

Lackieren Extern Extern Unteilbare Kapazität, nur bei MAN-München vorhanden<br />

Intern = In der<br />

Rohrbiegerei<br />

Extern = In einer anderen Kostenstelle oder bei<br />

einem externen Dienstleister<br />

In In Penzberg sind sind Rohrlager, Sägerei, Biegen und und NachNachbearbeitung zu zu einer einer Kerninsel zusammengefasst.<br />

Verbleibende Maschinen werden als als Dienstleister<br />

der der Kerninsel zugeordnet.<br />

Bild 9: Zuordnung der einzelnen Fertigungsschritte zum neuen Kerninsel-<br />

Dienstleisterkonzept<br />

Die Ansiedlung der neuen Produktionsmittel und des Lagers <strong>für</strong> das benötigte Material<br />

in der Nähe der schon existierenden Rohrfertigung wurde realisiert. Das Konzept<br />

wurde wie folgt bei der Integration der Kostenstelle berücksichtigt. Zuerst wurden alle<br />

Arbeitsvorgänge, die bisher in anderen Kostenstellen angesiedelt waren, auf Integrationsfähigkeit<br />

in die Kostenstelle überprüft und soweit möglich in der Kostenstelle als<br />

Insel zusammengefasst (Bild 8 und Bild 9). Die verbleibenden Arbeitsschritte, die<br />

aufgrund von unteilbaren Kapazitäten oder dem Nichtvorhandensein von Anlagen an<br />

diesem Standort nicht in die Insel aufgenommen wurden, wurden als Dienstleister<br />

der Insel zugeordnet. Das Sägen und die anderen vorgelagerten Arbeitsschritte wurden<br />

ebenso wie Schweißen, Sicken und Wulsten der neuen Rohrbiegeinsel zugeordnet.<br />

Die Arbeitsschritte Waschen und Grundieren können nur an der einzigen in<br />

Penzberg vorhandenen Anlage durchgeführt werden. Die Arbeitsschritte Pulverbeschichten<br />

und Lackieren können dagegen nur in München oder bei externen Firmen<br />

durchgeführt werden, da die benötigten Anlagen nicht in Penzberg vorhanden sind<br />

und der in Penzberg anfallende Kapazitätsbedarf nicht die Auslastung einer eigenen<br />

Anlage ermöglicht. Für die integrierbaren Arbeitsschritte wurden die bisher benötigten<br />

Kapazitäten auf den jeweils erforderlichen Anlagen ermittelt. Das Roboterschweißen<br />

in München in einer anderen Kostenstelle kann auch in Penzberg nicht<br />

2-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

wirtschaftlich in die Kerninsel nach dem Umzug integriert werden. Daher wird diese<br />

Arbeit an die Automatenschweißerei in Penzberg vergeben. Diese fungiert daher<br />

auch als Dienstleister <strong>für</strong> die neue Kerninsel Rohrbiegen. Das Heften und das Handschweißen<br />

der Rohrbiegerei und einer anderen Kostenstelle in München werden in<br />

der neuen Kerninsel vereinigt. Eine gründliche Prüfung von benötigter Kapazität und<br />

Anlagenpotenzial wurde <strong>für</strong> Schweissen, Heften, Sicken, Wulsten etc. durchgeführt.<br />

Es stellte sich heraus, dass Synergien genutzt und Optimierungen durchgeführt werden<br />

konnten.<br />

Für die in Penzberg gelegenen Dienstleister wurde die durch die Integration der<br />

Kostenstelle hinzukommende Auslastung ermittelt und mit der Kapazität der Anlagen<br />

abgeglichen. Für die nur bei der MAN München vorhandenen Anlagen ändert sich<br />

die durch diese Kostenstelle bedingte Auslastung nicht. Bei der Steuerung der Arbeitsvorgänge<br />

ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Transport von Penzberg<br />

nach München innerhalb der Prozesskette dazukommt.<br />

2-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

Werk Penzberg Grundierung Waschanlage<br />

Roboterschweissen<br />

Werk München: Pulverbeschichten und Lackieren<br />

Richtpressen Sandstrahlen<br />

MATVAR<br />

Kerninsel 1: Rohrbiegerei aus München Betroffene Bereiche<br />

Kerninsel 2: Rohrbiegerei Penzberg Nicht betroffene Bereiche<br />

Kerninsel 3: Schlafliegenfertigung Wege<br />

Dienstleister Kerninsel aus 1. Projekt<br />

Bild 10: Neues Layout nach Integration der Rohrbiegerei und dem Bilden von<br />

Kerninseln und Dienstleistern<br />

4.2 Schlafliegenfertigung<br />

Ein weiteres Beispiel einer Kerninsel-Dienstleisterstruktur ist die Schlafliegenfertigung.<br />

Folgende Arbeitsfolge ist dabei zu beachten: Zusägen der Rahmenteile, Fließbohren<br />

in die Rahmenteile, Verschweißen der Rahmenteile zu einem Rahmen, Lackieren,<br />

Bespannen und Polstern des Rahmen. Bisher wurde jeder Arbeitsschritt<br />

dem Werkstattprinzip entsprechend in räumlich getrennten Kostenstellen durchgeführt.<br />

Im Zuge der Integration der Rohrbiegerei wurde eine Zusammenlegung mehrerer<br />

Arbeitschritte zu einer Inselfertigung vorgeschlagen. Lediglich das Sägen und Lackieren<br />

sind aufgrund der Unversetzbarkeit dieser Anlagen als Dienstleister in den<br />

Fertigungsfluss zu integrieren. Zusammengelegt wurden das Fließbohren in die<br />

Rahmenteile und das Verschweißen der Rahmenteile. Ferner wurde die Schlafliegenbespannung<br />

versetzt, so dass sie neben den Aufzug zur Polsterung der Schlafliegen<br />

aufgestellt wurde. Das Zusammenfassen aller Fertigungsschritte in einem Bereich<br />

ist aufgrund der engen räumlichen Verhältnisse nicht möglich. Durch eine mögliche<br />

Verlagerung der Montage einer Baugruppe in das Ausland, kann in Zukunft eine<br />

Halle vom Werksgelände von MAN Penzberg frei werden, in der die Schaffung dieser<br />

großen Fertigungs- und Montageinsel angedacht ist. Das Sägen und Grundieren als<br />

unteilbare Kapazitäten würden diese Insel als Dienstleiter mit Zuschnitten versorgen<br />

und die geschweißten Rahmen beschichten.<br />

2-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

7.00<br />

7.30<br />

8.00<br />

8.30<br />

9.00<br />

9.30<br />

10.00<br />

10.30<br />

11.00<br />

11.30<br />

12.00<br />

13.00<br />

13.30<br />

14.00<br />

14.30<br />

15.00<br />

15.30<br />

16.00<br />

16.30<br />

17.00<br />

100%<br />

1. Produktgruppe Fixtermin<br />

100%<br />

2. Produktgruppe Fixtermin<br />

100%<br />

Option<br />

100%<br />

1. Produktgruppe Fixtermin<br />

100%<br />

3. Produktgruppe-Optional<br />

100%<br />

Option<br />

100%<br />

3. Produktgruppe-Fixtermin<br />

100%<br />

2. Produktgruppe - Optional<br />

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />

Bild 9: Graphik der Zeitrastertafel zur Produktionssteuerung<br />

4.3 Produktionssteuerung <strong>für</strong> Dienstleister<br />

100%<br />

Option<br />

150%<br />

Service<br />

100%<br />

50%<br />

Option<br />

100%<br />

100%<br />

MATVAR<br />

Heterogene Strukturen, wie sie hier im Kerninsel-Dienstleisterkonzept vorgeschlagen<br />

und geplant werden, erfordern neben einem Instrument zum ständigen Strukturmonitoring<br />

auch ein System zur Steuerung zentraler Ressourcen durch dezentrale Einheiten.<br />

Das vorzustellende Konzept basiert auf einer zeitgerasterten Plantafel. Die<br />

Methode der angepassten, zeitgerasterten Plantafel soll die Lücke zwischen einfachen<br />

Prioritätsregeln und EDV-gestützten Planungssystemen schließen, um den<br />

Kerninseln die Möglichkeit zu geben, einfach und schnell Aufträge bei den unterschiedlichen<br />

Dienstleistern einlasten zu können.<br />

Mit dieser zur Feinterminierung herangezogenen Steuerung wird versucht, ein fest<br />

vorgegebenes Kapazitätsangebot in der Ressource Dienstleister anhand einer Zeitrasterung<br />

über einen festgelegten Zeitraum zur Auftragseinlastung <strong>für</strong> die Kerninseln<br />

zur Verfügung zu stellen. Die Zeitrasterung bedient sich einer rollierenden Planung,<br />

die einen kontinuierlichen Dispositionshorizont vorgibt. Die Zeitrasterung wird auf<br />

einer Tafel visualisiert und im Werkbereich, idealerweise am Dienstleistungsbereich,<br />

aufgestellt. Somit ist eine ständige Kontrolle und einfache Belegung durch die Mitarbeiter<br />

möglich.<br />

Eine Belegung erfolgt grundsätzlich durch die Kerninselmitarbeiter (Kunden) mittels<br />

Anstecken einer Belegungskarte zum vorgesehenen Einlastungstermin eines Auftrages<br />

in die Zeitrastertafel des Dienstleisters. Auf dieser Belegungskarte ist die Auf-<br />

1. Produktgruppe Fixtermin<br />

2. Produktgruppe Fixtermin<br />

3. Produktgruppe-Optional<br />

100%<br />

Option<br />

2-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

tragsnummer und die Belegungszeit <strong>für</strong> den Auftrag angegeben. Dem jeweiligen<br />

Disponenten der Kerninsel stehen aufgrund der Übersicht über Kapazitätsangebot<br />

und Ressourcenauslastung sowie den noch offenstehenden Bearbeitungszeiträumen<br />

Entscheidungshilfen zur Verfügung, um eine optimale Belegung sicherstellen zu<br />

können.<br />

Es sind verschiedene Staffelungen der Terminraster möglich, die unterschiedlich früh<br />

durch die Kunden (Kerninseln) belegt werden dürfen. Diese Maßnahme gewährleistet<br />

eine gleichmäßige Auslastung des Dienstleisters. Verschiedene Terminraster<br />

können auch einer Kerninsel fest zugeordnet werden, was dieser Kerninsel auch<br />

kurzfristige Belegungsmöglichkeiten eröffnet. Diese Variante ist insbesondere dann<br />

zu wählen, wenn sich die Vorlaufzeiten der Kerninseln maßgeblich unterscheiden. Im<br />

Allgemeinen kann jedoch von einer recht frühzeitigen Belegung durch das Kerninselpersonal<br />

ausgegangen werden, da bereits aus der Erfahrung der Werker bei Beginn<br />

der Auftragsbearbeitung abzusehen ist, zu welchem Zeitpunkt die Nutzung der<br />

Dienstleister erfolgen muss, um dem Endkundentermin gerecht zu werden. Die Werker<br />

berücksichtigen hierbei die Auslastung der Kerninsel, die Anwesenheit der Kollegen,<br />

die Motivation und vieles mehr, insbesondere auch Dinge, die in einer zentralen<br />

Planung nicht oder nur aufwendig erfasst werden können.<br />

Als Anwendungsbeispiel wird an dieser Stelle auf den Beitrag der Firma Leicher verwiesen,<br />

bei der dieses Hilfsmittel zur Auftragssteuerung erfolgreich eingesetzt wird.<br />

5 Zusammenfassung<br />

In den letzten Jahren berichteten viele Autoren von großen Erfolgen durch die Verbindung<br />

von Gruppenarbeit und Produktorientierung. Eine große Zahl an Konzepten<br />

im Bereich der Produktorientierung war die Folge. Die vorliegenden Strukturkonzepte<br />

<strong>für</strong> die Fertigung sind aber zumeist streng produktorientiert. Die strenge Produktorientierung<br />

konnte jedoch in vielen Produktionsunternehmen aufgrund der vorhandenen<br />

Betriebsmittel bzw. des schnell wechselnden Auftragsspektrums nicht eingeführt<br />

werden. Die schnelle Veränderung des Umfeldes steht der Einführung produktorientierter<br />

Strukturen diametral entgegen.<br />

Verschiedene Ansätze wurden erarbeitet, die kurzfristige, auftragsorientierte Strukturen<br />

erlauben. In diesen Ansätzen wird aber auf die Vorteile der Gruppenarbeit in<br />

weiten Teilen verzichtet. Die Kurzfristigkeit der Strukturen und der Verbindung zu<br />

bestimmten Produktgruppen kann eine Gruppendynamik nicht ausreichend aufkommen<br />

lassen. Neueste Arbeiten weisen darauf hin, dass die optimale Fertigungsstruktur<br />

eine Kombination aus Produkt- und Funktionsorientierung sein muss und so<br />

die spezifischen Merkmale des Unternehmens am besten unterstützt werden können.<br />

2-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

Die vorliegenden Strukturplanungsverfahren sind bisher entweder zur Planung funktionsorientierter-<br />

oder produktorientierter Strukturen erarbeitet worden. Die eigentliche<br />

Entscheidung über eine Strukturausrichtung muss schon vor der Anwendung<br />

dieser Methoden gefällt sein.<br />

Aber nicht nur die Methoden der einmaligen Planung stellen sich noch lückenhaft<br />

dar, sondern auch die Ansätze zur Weiterentwicklung der Strukturen. Die Anwendbarkeit<br />

der Methoden zur Planung in der Betriebsphase der Strukturen wurde bisher<br />

nur in wenigen Ansätzen untersucht. Die Weiterentwicklung wird in der Mehrzahl der<br />

Arbeiten entweder den Kräften der Selbstorganisation oder den klassischen Controllingmaßnahmen<br />

überlassen. Es lassen sich somit drei Handlungsfelder identifizieren:<br />

• die Verbindung der Vorteile von prozess- und funktionsorientierten Strukturen,<br />

• die Ergebnisneutralität der Planungsverfahren und<br />

• die Konzeption eines Strukturmonitoringinstrumentes.<br />

In diesem Beitrag wurde das Kerninsel-Dienstleisterkonzept, eine Verbindung aus<br />

Funktions- und Produktorientierung beschrieben. Die Funktionsorientierung spiegelt<br />

sich in den Einheiten der Dienstleister wider, die Prozessorientierung in den Kerninseleinheiten.<br />

Um eine derartige hybride Fertigungsstruktur zu planen, wurde eine neuartige Planungsvorgehensweise<br />

vorgeschlagen. Dieses Planungskonzept kann die komplexe<br />

Aufgabe der Einordnung der Betriebsmittel in die Fertigungsstruktur durch die Nutzung<br />

eines spezifischen Verfahrens auf der Basis von Polaritätsprofilen zur Visualisierung<br />

und Bewertung sowie den Mustervergleich effizient lösen.<br />

Aus der vorgestellten Vorgehensweise kann nicht nur der Zielzustand der Fertigungsstruktur<br />

abgeleitet, sondern auch die Einzelmaßnahmen priorisiert werden, um<br />

eine Umsetzungsstrategie erarbeiten zu können. Zur Abrundung des Strukturkonzeptes<br />

und dessen Betrieb wurde ein Steuerungskonzept <strong>für</strong> Dienstleister auf der<br />

Basis einer zeitgerasterten Plantafel vorgestellt.<br />

Das Gesamtkonzept zeigt Wege auf, wie ein Produktionsunternehmen in der Fertigung<br />

eine kombinierte Struktur aus produkt- und funktionsorientierten Bereichen planen,<br />

aufbauen, aber auch betreiben und überwachen kann. Es eröffnen sich durch<br />

die Kombination von Produkt- und Funktionsorientierung Möglichkeiten, dynamisch,<br />

sich anpassende, aber trotzdem unternehmensspezifische Strukturen zu planen und<br />

diese mit Hilfe des Monitoringinstruments zu überwachen. Die Wandlungsfähigkeit<br />

der Fertigungsstrukturen rückt in greifbare Nähe.<br />

2-18


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

6 Literatur<br />

AGGTELEKY 1981<br />

MATVAR<br />

Aggteleky, B.: Fabrikplanung - Werksentwicklung und Betriebsrationalisierung.<br />

Band1: Grundlagen, Zielplanung, Vorarbeiten. München: Carl<br />

Hanser, 1981.<br />

BURBIDGE 1994<br />

Burbidge, J. L. ; Halsall, J.: Group Technology an growth at Shalibane.<br />

Production Planning & Control (1994) Vol. 5 No. 2 S. 213-218.<br />

DAENZER 1989<br />

Daenzer, W. F.: Systems Engineering. 6. Aufl. Zürich: Industrielle Organisation,<br />

1989.<br />

DECKER 1995<br />

Decker, F.: Methoden der Auftragsteuerung in produktorientierten Fertigungsstrukturen.<br />

In: Reinhart, G.; Milberg, J.: Leittechnik und Informationslogistik<br />

- Mehr Transparenz in der Fertigung. München: <strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong><br />

Verlag Wissenschaft 1995, S. 29-49. (iwb-Seminarberichte 19).<br />

GERLACH U.A. 1996<br />

Gerlach, H.-H.; Bissel, D.; Kühling, M.: Virtuelle Fertigungsinseln. Industrie<br />

management 12 (1996) 3, S. 21 - 24.<br />

GRONAU & BRINKMANN 1996<br />

Gronau, N.; Brinkmann, N.: Produktionsplanung und Steuerung einer<br />

Fertigungsinsel <strong>für</strong> Verschleißteile. Industrie Management 12 (1996) 3, S.<br />

34- 38.<br />

IMK 1998<br />

IMK: Wie Unternehmen erfolgreich reorganisieren - Die Bewertung von<br />

teamorientierten Arbeitsstrukturen aus Expertensicht. Berichtsband Institut<br />

<strong>für</strong> Medienentwicklung und Kommunikation, Frankfurt 1998.<br />

Kath 1994<br />

Kath, H.: Horizontale Abstimmung dezentraler Leitstandsysteme. Bochum:<br />

Dissertation Univ., 1994. (Schriftenreihe des Lehrstuhl <strong>für</strong> Produktionssysteme<br />

Nr. 93.1).<br />

2-19


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />

KETTNER U.A. 1984<br />

MATVAR<br />

Kettner, H.; Schmidt, J.; Greim, H.-R.: Leitfaden der systematischen Fabrikplanung.<br />

München: Carl Hanser, 1984.<br />

LAY U.A. 1997<br />

Lay, G.; Kinkel, S.; Mies, C..: Alle reden – Wenige handeln. In: Lay, G.,<br />

Mies, C. (Hrsg.): Erfolgreich reorganisieren. Berlin: Springer 1997, S. 3 –<br />

11.<br />

LULAY & DECKER 1996<br />

Lulay, W.; Decker, F.: Im Dialog optimierte Planung. Schweizer Maschinenmarkt<br />

(1996) 37, S. 28-33.<br />

LUTZ U.A. 1996<br />

Lutz, B.; Hartmann, M.; Hirsch-Kreinsen, H.: Produzieren im<br />

21.Jahrhundert,. Frankfurt: Campus, 1996.<br />

OPITZ 1966<br />

Opitz, H.: Werkstückbeschreibendes Klassifizierungssystem. Essen: Girardet,<br />

1966.<br />

REINHART U.A. 1999<br />

Reinhart, G.; Dürrschmidt, S.; Hirschberg, A.; Selke, C.: Wandel - Bedrohung<br />

oder Chance? Sollen Unternehmen Turbulenz vermeiden oder beherrschen.<br />

io-management 68 (1999) 5, S. 20–24.<br />

TÖNSHOFF & GLÖCKNER 1994<br />

Tönshoff, H. K.; Glöckner, M.: Logische Fertigungsinseln - Ein alternatives<br />

Konzept <strong>für</strong> Einzel- und Kleinserienfertiger. ZWF 89 (1994) 12, S.<br />

607-609.<br />

TÖNSHOFF U.A. 1995<br />

Tönshoff, H. K; Rotzoll, M. A.; Verweij, M. J.; Schröder, A.: Benchmarking<br />

von Fertigungsstrukturen. ZWF 90 (1995) 11, S. 548 – 550.<br />

Wildemann 1993<br />

Wildemann, H.: Fertigungsstrategien. München: TCW-Transfer-Centrum<br />

GmbH, 1993.<br />

2-20


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

MATVAR<br />

5HDOLVLHUXQJ IOH[LEOHU 9HUNHWWXQJHQ<br />

YRQ )HUWLJXQJVLQVHOQ LP 6LQQH NXU<br />

]HU :HJH XQG VFKQHOOHU 5HDNWLRQV<br />

]HLWHQ<br />

'LSO ,QJ 'LSO :LUWVFK ,QJ 0DUNXV /HLFKHU<br />

*HVFKlIWVOHLWXQJVDVVLVWHQW<br />

/HLFKHU *PE+ &R<br />

)HULQJDVWU<br />

8QWHUI|KULQJ<br />

3-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

1 Ziel des Vorhabens<br />

Bild 1: Unternehmensgruppe Leicher<br />

MATVAR<br />

Spezifisches Ziel ist die flexible Verkettung der existierenden Fertigungsinseln im<br />

Sinne kurzer Wege und schneller Reaktionszeiten durch die Verbindung von zentral<br />

und dezentral gesteuertem Materialfluss. Die Kombination aus zentraler und dezentraler<br />

Inselversorgung soll eine optimale Auslastung der vorhandenen Ressourcen<br />

(Personal und MF-Kapazität) ermöglichen und durch geeignete Steuerungsmechanismen<br />

unterstützt werden. Die Gesamtdurchlaufzeit bezogen auf die Fertigungsinseln<br />

soll dabei wesentlich verkürzt sowie die Bestände und Fehlerkosten deutlich<br />

gesenkt werden. Das bestehende Inselkonzept soll da<strong>für</strong> so weiterentwickelt werden,<br />

dass ortsfeste Maschinen und Anlagen mit Hilfe organisatorischer und technischer<br />

Maßnahmen eingebunden werden können.<br />

Im ersten Projektteil wurde dazu beispielhaft eine geeignete Steuerungsstrategie <strong>für</strong><br />

eine vorhandene Lackieranlage entwickelt, die in drei bereits bestehende Fertigungsinseln<br />

eingegliedert werden soll.<br />

Im zweiten Teil wurde eine dezentrale Feinsteuerung entwickelt, die sich an der Veränderung<br />

der tatsächlichen Umlaufbestände vor Ort orientiert und berücksichtigt,<br />

dass in der Praxis ständig wechselnde Engpässe oft auch überraschend auftreten<br />

können.<br />

3-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

Vorfertigung<br />

Produktgruppe 1<br />

Produktgruppe 2<br />

Produktgruppe 3<br />

Engineering<br />

Engineering<br />

Sonstige<br />

Bestellwesen<br />

Bestellwesen<br />

Planung<br />

Vorbereitung<br />

Vorbereitung<br />

Endkontrolle<br />

Produktion Endkontrolle<br />

Bild 2: Fertigungsinselorganisation Werk Unterföhring<br />

Lack<br />

Verpacken<br />

Auslieferung<br />

Auslieferung<br />

MATVAR<br />

Die Steuerungen sollen das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter vor Ort mit<br />

einbeziehen und die steuerungsrelevanten Größen <strong>für</strong> die Gruppe transparent machen.<br />

Das Konzept steht im Gegensatz zur Funktionsweise herkömmlicher PPS-Systeme,<br />

die unvorhersehbare Ereignisse vor Ort nicht in ausreichender Schnelligkeit berücksichtigen<br />

können.<br />

2 Beschreibung des Testumfeldes<br />

Die Produktion im Werk Unterföhring ist eine Einzelfertigung (selten Kleinserien) mit<br />

hoher Variantenzahl und hoher Fertigungstiefe. Die Fertigung ist charakterisiert<br />

durch einen hohen Anteil an Montagetätigkeiten, der Automatisierungsgrad ist vergleichsweise<br />

gering. Die ehemals funktionale Ausrichtung der Fertigung wurde 1996<br />

durch ein produkt-/teilebezogenes Fertigungsinselkonzept ersetzt, das neben einer<br />

umfangreichen Maschinenumstellung die Einführung der Gruppenarbeit nach sich<br />

zog. Gruppenarbeit bei Leicher beinhaltet neben der Integration der indirekten Tätigkeiten<br />

und der Mehrfachqualifikation insbesondere die Verlagerung der Termin- und<br />

Zeitverantwortung in die Gruppen. Das PPS-System dient lediglich zur Grobplanung,<br />

die Feinsteuerung wird weitgehend von den Gruppen selbst vorgenommen. Dies<br />

3-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

MATVAR<br />

setzt eine hohe Transparenz voraus, die u.a. durch den Einsatz visueller Managementmethoden<br />

sichergestellt wird.<br />

Bild 2 zeigt die vier Fertigungsinseln im Werk Unterföhring. Bis auf die Vorfertigung<br />

durchlaufen alle anderen Fertigungsinseln eine Lackiererei. Die Vorfertigung versorgt<br />

die übrigen Inseln mit Halbfertigteilen. Die Inseln zeichnen sich durch die Integration<br />

sämtlicher Funktionen aus, die zur kompletten Abwicklung des Produktes ab der<br />

technischen Klärung bis zur Auslieferung ausgeführt werden müssen. Dazu zählen<br />

insbesondere auch die Funktionen Planen, Bestellabrufe direkt beim Lieferanten und<br />

Verpacken.<br />

3 Konzeption „Zugriffssteuerung Lackieranlage“<br />

Das bestehende Fertigungsinselkonzept wurde dahingehend erweitert, dass ortsfeste<br />

Maschinen und Anlagen mit Hilfe organisatorischer und technischer Maßnahmen<br />

eingebunden werden können. Dazu wurde exemplarisch eine Steuerungsstrategie<br />

<strong>für</strong> eine vorhandene Lackieranlage entwickelt.<br />

3.1 Ausgangssituation<br />

In den Fertigungsinseln werden aus gegebenem Ausgangsmaterial Produktteile oder<br />

Endprodukte möglichst vollständig gefertigt. Die notwendigen Betriebsmittel sind<br />

räumlich und organisatorisch in den Fertigungsinseln zusammengefasst.<br />

Ausnahmen bilden Maschinen bzw. Anlagen, die aufgrund von technischen, wirtschaftlichen<br />

oder arbeitsschutzrechtlichen Gründen ortsgebunden sind, wie z.B. Lackieranlagen.<br />

Für derartige Anlagen fehlen bisher integrative flexible Konzepte, die<br />

den sich dynamisch ändernden Anforderungen aufgrund kürzerer Produktlebenszyklen<br />

und hoher Variantenvielfalt bei kleiner werdenden Losgrössen standhalten.<br />

Dadurch existieren in den meisten Fällen immer noch Schnittstellen zu abhängigen<br />

Fertigungseinheiten, die zum einen den Materialfluss behindern und zum anderen<br />

einer angestrebten Kongruenz zwischen Verantwortung und Beeinflussbarkeit der<br />

Gruppenleistung innerhalb der Inseln im Wege stehen.<br />

Im konkreten Fall war, bedingt durch die oben genannten Probleme, der Informationsfluss<br />

zwischen den Fertigungsinseln und der Lackiererei unzureichend. Der<br />

Zugriff erfolgte weitgehend ungesteuert, Engpässe bzw. Unterlasten wurden zu spät<br />

erkannt. Daraus resultierten vor der Lackiererei häufige Auftragsstaus, die nicht nur<br />

die Gesamtdurchlaufzeit stark erhöhten, sondern auch zu hohen Effizienzverlusten<br />

durch Suchen, Umtransporte und Zwischenlagerungen führten sowie einen hohen<br />

Koordinationsaufwand von außen verursachten. Die Komplexität vor der Lackiererei<br />

war zeitweise so hoch, dass trotz des hohen Koordinationsaufwandes von außen die<br />

vor- und nachgelagerten Fertigungsinselkapazitäten falsch eingesetzt wurden.<br />

3-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

3.2 Beschreibung der Steuerungsstrategie<br />

MATVAR<br />

Zentrales Anliegen war die Entwicklung einer möglichst „offenen“ Steuerung, die die<br />

Vorteile einer inselstrukturierten Fertigung weitestgehend unterstützt.<br />

Durch den gemeinsamen Zugriff mehrerer Fertigungsinseln auf eine Ressource waren<br />

unterschiedliche Aufgaben und Ziele durch die Steuerung in Einklang zu bringen:<br />

• Hohe Termintreue<br />

• Kurze Durchlaufzeiten<br />

• Hohe Reaktionsgeschwindigkeit auf Änderungen<br />

• Vermeidung von Kapazitätsüberlastungen<br />

• Weitgehende Selbststeuerung durch die Inseln<br />

• Hohe Transparenz und Übersichtlichkeit<br />

Die Situationsanalyse bezüglich Fertigungsinselstrukturen weist einen hohen Dispositionsspielraum<br />

sowie eine weitgehende Selbststeuerung und Planung der Produktionsprozesse<br />

durch die Inselmitarbeiter als charakteristische Ausprägung <strong>für</strong> diese<br />

Form der Fertigung aus.<br />

Uhrzeit<br />

7<br />

8<br />

9<br />

10<br />

11<br />

12<br />

13<br />

14<br />

15<br />

16<br />

17<br />

MF-FIX<br />

GEA-FIX<br />

Option<br />

MF-FIX<br />

TT-Option<br />

Option<br />

TT-Fix<br />

GEA-Option<br />

Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />

Bild 3: Zeitrastertafel Lackiererei<br />

Option<br />

Service<br />

MF-Fix<br />

Option<br />

GEA-Fix<br />

MF-Option<br />

Option<br />

3-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

MATVAR<br />

Eine durchgeführte Eignungsuntersuchung verschiedener Steuerungsvarianten zur<br />

feinplanerischen Auftragseinsteuerung ergab, dass im Rahmen vorgegebener Prämissen<br />

und der speziellen Situation der auftragsorientierten Fertigung der Einsatz<br />

einer zentralen Steuerung oder einer dezentralen Steuerung mit Hilfe von Prioritätsregeln<br />

zu keinen optimalen Ergebnissen führen würde.<br />

Stattdessen wurde die verfügbare Wochenkapazität der Lackiererei auf einer Karten-<br />

Stecktafel abgebildet und mit einem Zeitraster versehen (Bild 3). Jeder Fertigungsinsel<br />

wurden darin vorab fixe Time-Slots entsprechend ihres bisherigen Kapazitätsbedarfes<br />

reserviert. Die restliche Kapazität wurde in optionale Slots aufgeteilt, die jederzeit<br />

auf first come-first serve-Basis reserviert werden können. Die Kapazitäsbelegung<br />

erfolgt durch die Fertigungsmitarbeiter selbst mit Hilfe von zweifarbigen Wendeplättchen,<br />

die im Halbstundenraster gestückelt wurden. Bei Auftragsfreigabe erhält<br />

jede Gruppe ein separates Auftragskärtchen mit der geplanten Lackierzeit. Die<br />

Gruppe bestimmt nun entsprechend ihrer eigenen Planung den Zeitpunkt der Bereitstellung<br />

vor der Lackiererei, belegt diesen mit der Auftragskarte und wendet die entsprechenden<br />

Kapazitätsplättchen auf der Rastertafel.<br />

3.3 Auswirkungen der Steuerung<br />

Die gesamtheitliche Konzeption und Integration des Systems „Zeitrasterung“ in den<br />

Fertigungsablauf ohne zusätzliche Schnittstelle ergibt eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit<br />

der Steuerung.<br />

Es wird nicht nur eine hervorragende Transparenz über die aktuelle Auftragssituation<br />

vor der Lackiererei geschaffen, sondern auch gleichzeitig die zu bearbeitende Auftragsreihenfolge<br />

eindeutig festgelegt. Engpässe werden rechtzeitig erkannt und können<br />

gemeinsamen mit den Prozessverantwortlichen abgestimmt werden. Unvorhergesehene<br />

Ereignisse in den vorgelagerten Prozessen können von der Gruppe<br />

ebenfalls umgehend berücksichtigt werden.<br />

Im Hinblick auf die Reaktionsfähigkeit konnte eine Verbesserung der Gesamtdurchlaufzeit<br />

bei allen Fertigungsinseln festgestellt werden, die in der Reduzierung der<br />

Liegezeiten, der besseren Kooperation zwischen den Inseln und Ressource und der<br />

klaren Auftragsvergabe liegt. Während beispielsweise 1995 nur 30% aller Geldeinzahlungsautomaten<br />

und nur 20% aller Schliessfachanlagen innerhalb 2 bzw. 4 Kalenderwochen<br />

gefertigt und verpackt werden konnten, waren es 1998 bereits jeweils<br />

knapp 90% aller Aufträge (Bild 4). Im Zuge der verbesserten Reaktionsfähigkeit<br />

konnte gleichzeitig die tagesgenaue Liefertreue auf einen Wert über 95% gesteigert<br />

werden.<br />

3-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

rel.Häufigkeit (Balken)<br />

rel.Häufigkeit (Balken)<br />

PG: Geldeinzahlungsautomaten PG: Schliessfachanlagen<br />

1995<br />

1995<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />

1998<br />

7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />

Klassen in Kalendertagen<br />

110,00%<br />

100,00%<br />

90,00%<br />

80,00%<br />

70,00%<br />

60,00%<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

kum. Häufigkeit (Linie)<br />

110,00%<br />

100,00%<br />

90,00%<br />

80,00%<br />

70,00%<br />

60,00%<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

kum. Häufigkeit (Linie)<br />

rel.Häufigkeit (Balken)<br />

rel.Häufigkeit (Balken)<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />

1998<br />

7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />

Klassen in Kalendertagen<br />

MATVAR<br />

110,00%<br />

100,00%<br />

90,00%<br />

80,00%<br />

70,00%<br />

60,00%<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

110,00%<br />

100,00%<br />

90,00%<br />

80,00%<br />

70,00%<br />

60,00%<br />

50,00%<br />

40,00%<br />

30,00%<br />

20,00%<br />

10,00%<br />

0,00%<br />

Bild 4: Veränderung der Durchlaufzeiten je Produktgruppe von 1995 bis 1998<br />

Auch die Wirtschaftlichkeit konnte in vielen Bereichen verbessert werden. Durch den<br />

verbesserten Materialfluss konnten die Umlaufbestände vor der Lackierei wie erwartet<br />

gesenkt werden. Die Komplexität in diesem Bereich konnte dadurch wesentlich<br />

reduziert werden und folglich auch der indirekte Aufwand zu deren Bewältigung. Zusätzliche<br />

Effizienzgewinne resultierten auch durch einen optimaleren Arbeitseinsatz<br />

in der Lackierei selbst aufgrund der transparenteren Auslastungssituation in Verbindung<br />

mit dem Einsatz flexibler Arbeitszeitmodelle sowie durch die höhere Motivation<br />

der Mitarbeiter.<br />

4 Konzeption „Umlaufbestandgesteuertes Fertigungssegment“<br />

Im Teil 2 wurde eine Steuerungsstrategie entwickelt, die den Materialfluss direkt über<br />

die Veränderung der tatsächlichen Umlaufbestände vor Ort steuert. Für die Einführung<br />

wurde ein Fertigungssegment ausgewählt, das ein externes Werk und vier<br />

nachgelagerte Montageinseln mit Standard-Halbfertigteilen versorgt.<br />

In dem betreffenden Segment sind räumlich ca. 20 Maschinen vorwiegend zur<br />

spanlosen Blechbearbeitung zusammengefasst. Der Maschinentyp reicht von der<br />

einfachen Ständerbohrmaschine bis zum CNC-Laser. Die Engpässe wechseln je<br />

kum. Häufigkeit (Linie)<br />

kum. Häufigkeit (Linie)<br />

3-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

MATVAR<br />

nach Einlastungsspektrum. Die Testgruppe umfasst 11 Mitarbeiter einschließlich<br />

Planer, NC-Programmierung und Prozessverantwortlichen.<br />

4.1 Ausgangssituation<br />

Die Ausgangssituation war durch den Stückkostengedanken gekennzeichnet: Rüstkostenoptimierung<br />

bei hoher Auslastung. Die Steuerung erfolgte nach dem Prinzip<br />

der Rückwärtsterminierung durch ein klassisches PPS-System, das unvorhersehbare<br />

Ereignisse vor Ort nicht in ausreichender Schnelligkeit berücksichtigen konnte. Die<br />

Auftragssituation war <strong>für</strong> die Gruppe vor Ort wenig transparent. Geeignete Lose wurden<br />

nach rüsttechnischen Gesichtspunkten zusammengefasst. Die Planung wurde<br />

häufig durch Schnellschüsse und sog. Chefaufträge gestört. Angefangene Aufträge<br />

wurden zugunsten der Stückkosten in Zwischenläger gebracht, vor den Maschinen<br />

herrschte Platzmangel. Die Folge waren hohe indirekte Kosten, die vor allem durch<br />

den zwangsläufigen Komplexitätsanstieg in der Produktion verursacht wurden.<br />

4.2 Beschreibung der Steuerungsstrategie<br />

Entscheidend <strong>für</strong> den Abbau von Belastungsspitzen ist der Durchsatz am Engpass.<br />

Das Problem reduziert sich somit auf das geeignete Engpassmanagement. Der oder<br />

die Engpässe werden zunächst von der Gruppe mit einem „Engpasszeiger“ markiert<br />

(Bild 5 links). Die Laufzeit wird, wenn nötig, entsprechend verlängert. Für häufig auftretende<br />

Engpässe sind Alternativkapazitäten bekannt. Diese können auch in einem<br />

anderen Fertigungsbereich liegen. Die klassische Fertigungsinsel wird damit vorübergehend<br />

bezogen auf den Engpass zu einer logischen Insel erweitert.<br />

Deutliches Warnsignal <strong>für</strong> einen Engpass sind in erster Linie wachsende Umlaufbestände<br />

vor der betreffenden Maschine, die ständig von den Mitarbeitern optisch oder<br />

mit Hilfe eines Warteschlangenzeigers kontrolliert werden (Bild 5 links).<br />

Überschreitet der Umlaufbestand vor dem Engpass eine kritische Obergrenze (Bild 5<br />

rechts), die im wesentlichen durch den Anstieg der Komplexität vor der Maschine<br />

bestimmt ist, gibt der Mitarbeiter ein Signal. Das Signal bedeutet <strong>für</strong> die vorgelagerten<br />

Maschinen, nur noch Aufträge zu fertigen, die nicht über den oder die Engpässe<br />

laufen oder anzuhalten, falls keine anderen Aufträge innerhalb eines vereinbarten<br />

Zeitfensters liegen. Die betroffenen Aufträge erkennt jeder Mitarbeiter anhand seiner<br />

Auftragsvorratsliste, die alle notwendigen Informationen <strong>für</strong> die Feinsteuerung vor Ort<br />

enthält. Das Stop-Signal gilt solange, bis der Umlaufbestand vor der Maschine den<br />

kritischen Bereich wieder verlassen hat.<br />

Der kritische Bereich muss individuell <strong>für</strong> jede Maschine bestimmt werden. Er wird<br />

nach oben durch die Komplexität bestimmt, die vor der Maschine gerade noch mit<br />

vertretbarem Aufwand zu bewältigen ist (wenig Suchen, Umtransportieren etc.) und<br />

3-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

Bild 5: Engpasszeiger mit Umlaufbestandsanzeige<br />

MATVAR<br />

nach unten durch die vorgelagerten Maschinen, die eine ständige Versorgung des<br />

Engpasses ohne Wartezeiten sicherstellen müssen.<br />

Die Bearbeitungsreihenfolge der Aufträge wird in erster Linie nach dem Kriterium<br />

Endtermin gebildet. Rüsttechnische Überlegungen spielen nicht mehr die übergeordnete<br />

Rolle, da eventueller Rüstmehraufwand in vielen Fällen durch die Zeitersparnis<br />

in den indirekten Bereichen (Lager, Transporte, Planung etc.) überkompensiert wird.<br />

4.3 Auswirkungen der Steuerung<br />

Das Konzept hat wie erwartet zu deutlichen Verbesserungen bei allen wichtigen<br />

Leistungsstandards geführt. Es konnten bereits frühzeitig deutliche Produktivitätsgewinne<br />

erzielt werden, die zu Einsparungen vorwiegend bei den indirekten Personalkosten<br />

führten. Die Durchlaufzeiten konnten durch die neue Steuerungsstrategie und<br />

den folgerichtigen Verzicht auf Zwischenläger sowie die Reduzierung der Losgrössen<br />

<strong>für</strong> 90% aller Aufträge kleiner als 4 Werktage gehalten werden (Bild 6). Der Verzug<br />

konnte entsprechend geringer gehalten werden, was insbesondere auch in den<br />

nachgelagerten Bereichen zu Produktivitätssteigerungen und besserer Arbeitszufriedenheit<br />

geführt hat. Die Umlaufbestände konnten ebenfalls deutlich gesenkt werden.<br />

2 Regalbereiche im Lager konnten abgebaut werden. Die frei gewordene Produktivfläche<br />

kann nun <strong>für</strong> weitere Ablaufverbesserungen eingesetzt werden.<br />

3-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

100,0%<br />

90,0%<br />

80,0%<br />

70,0%<br />

60,0%<br />

50,0%<br />

40,0%<br />

30,0%<br />

20,0%<br />

10,0%<br />

0,0%<br />

3. Quartal 1999<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21<br />

Kalendertage<br />

Bild 6: Durchlaufzeitverteilung in der Vorfertigung 1999<br />

MATVAR<br />

Ein vorübergehender Einbruch wurde während der Anpassung des PPS-Systems<br />

verzeichnet. Der hohe Schulungsaufwand im Vorfeld hat zunächst nicht ausgereicht<br />

um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Die vollständige Übertragung<br />

der Verantwortung auf die einzelnen Gruppenmitgliedern gelang erst nach einer<br />

dreimonatigen Anlaufzeit, in der auch System- und Datenübertragungsfehler behoben<br />

werden mussten. In dieser Zeit musste das Projektteam häufig von außen korrigierend<br />

eingreifen.<br />

Abschließend kann jedoch festgestellt werden, dass der hohe Schulungsaufwand<br />

und die Anlaufschwierigkeiten durch die oben genannten Ergebnisse leicht gerechtfertigt<br />

werden.<br />

5 Ergebnis und Ausblick<br />

Um die gesamte zeitliche Effizienz der gefundenen Lösungen beurteilen zu können,<br />

wurde in 1999 die Entwicklung der Werksproduktivität verfolgt (Bild 7). Da hohe Einzeleffizienzen<br />

nicht zwangsläufig zu einem Gesamtoptimum führen, kann die richtige<br />

Produktivitätsbetrachtung demzufolge also nur die Gesamtproduktivität einschließlich<br />

der indirekten Aufwendungen Lager, innerbetriebliche Transporte und Planung sein.<br />

Leicher ermittelt aus diesen Überlegungen heraus die Produktivitätskennzahlen auf<br />

Werks- und auf Inselebene einschließlich aller indirekten Bereiche als Verhältnis von<br />

100,0%<br />

90,0%<br />

80,0%<br />

70,0%<br />

60,0%<br />

50,0%<br />

40,0%<br />

30,0%<br />

20,0%<br />

10,0%<br />

0,0%<br />

3-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />

MATVAR<br />

geleisteter Produktivzeit zu gesamter Anwesenheitszeit plus bezahlter Krankheitszeit.<br />

6.000,00<br />

5.750,00<br />

5.500,00<br />

5.250,00<br />

5.000,00<br />

4.750,00<br />

4.500,00<br />

4.250,00<br />

4.000,00<br />

3.750,00<br />

3.500,00<br />

3.250,00<br />

3.000,00<br />

2.750,00<br />

2.500,00<br />

2.250,00<br />

2.000,00<br />

1.750,00<br />

1.500,00<br />

1.250,00<br />

1.000,00<br />

750,00<br />

500,00<br />

250,00<br />

0,00<br />

Produktivzeit<br />

Produktivitätsveränderung<br />

Anpassung<br />

PPS-System<br />

Jan Feb Mar Apr Mai Jun<br />

Monat<br />

Jul Aug Sep Okt Nov Dez<br />

Bild 7: Entwicklung der Werksproduktivität 1999<br />

130,00%<br />

125,00%<br />

120,00%<br />

115,00%<br />

110,00%<br />

105,00%<br />

100,00%<br />

Kann in Bild 7 die niedrige Ausgangsproduktivität im Januar noch auf die saisonübliche<br />

niedrige Auslastung zurückgeführt werden („geringer Druck“), ist der Anstieg um<br />

15% von Februar bis September eindeutig auf die neue Verkettung der Fertigungsinseln<br />

zurückzuführen.<br />

Die beschriebene Problemstellung ist auf eine Vielzahl von Industrieunternehmen<br />

übertragbar. Die Steuerungsstrategie könnte im Kern von vielen Unternehmen übernommen<br />

werden. Konsequenzen ergeben sich auch <strong>für</strong> die Funktionalität von PPS-<br />

Systemen in Bezug auf die Feinsteuerung. Geplante Aufträge müssten entsprechend<br />

neu priorisiert werden. Die Aufträge könnten mittels eines Datenbankfilters in 2 Klassen<br />

geteilt werden: in solche, die über den oder die Engpässe laufen und in solche,<br />

die es nicht tun. Solange der Umlaufbestand im kritischen Bereich liegt, ist der Filter<br />

aktiv und es können nur Nicht-Engpassaufträge begonnen werden. Die Aktivierung<br />

des Filters könnte dezentral vor Ort erfolgen. Eine solche Verknüpfung der entwickelten<br />

Steuerungsstrategie mit einem PPS-System wurde von uns Ende 1999 begonnen<br />

und wird in Zukunft weiter verfolgt werden.<br />

95,00%<br />

90,00%<br />

85,00%<br />

80,00%<br />

75,00%<br />

70,00%<br />

3-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

(QWZLFNOXQJ HLQHV 0DWHULDOIOXVV<br />

$QDO\VH XQG 3ODQXQJVKLOIVPLWWHOV<br />

$XI GHP :HJ ]XP /RJLVWLN<br />

&RQWUROOLQJ"<br />

'LSO ,QJ +HLNR %DON<br />

%6+ %RVFK XQG 6LHPHQV +DXVJHUlWH *PE+<br />

7HFKQLVFKH 'LHQVWH :HUNVSODQXQJ<br />

:HUQHU YRQ 6LHPHQV 6WUD‰H<br />

7UDXQUHXW<br />

MATVAR<br />

4-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

1 Ausgangssituation<br />

Bild 1: Fabrik Traunreut Herde<br />

1.1 Die Fabrik Traunreut Herde<br />

MATVAR<br />

Die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH nimmt mit dem Werk Traunreut als<br />

Anwender im Verbundprojekt MATVAR teil. Im Werk Traunreut (FTH) werden im<br />

Wesentlichen Einbauherde, Standherde, Mikrowellenherde, Kochfelder und Warmwassergeräte<br />

gefertigt. Auf 132.000 m 2 Nutzfläche werden mit 2400 Mitarbeitern<br />

1,8 Millionen Geräte jährlich produziert.<br />

Der Standort ist nach dem Prinzip „Fabrik-in-der-Fabrik“ (FIF) segmentiert. Die vier<br />

Montage-FIFs sind auf die Produktmärkte ausgerichtet. Vorfertigungs- und Oberflächenprozesse<br />

sind aufgrund fertigungstechnischer Kernkompetenzen als FIF organisiert.<br />

Eine FIF beinhaltet folgende Funktionen:<br />

• Produktion<br />

• Disposition von Montage- / Fertigungsaufträgen<br />

• Disposition der Zulieferer<br />

• Technische Planung, Industrial Engineering,<br />

• Arbeitsplanung, Zeitwirtschaft<br />

Die Segmente bilden räumlich integrierte Einheiten.<br />

4-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Vorfertiungsfabrik<br />

Oberflächenfabrik<br />

Lagerbereich<br />

Montage<br />

Montage<br />

Montage<br />

1.2 Das Planungsfeld<br />

Verpackung<br />

und<br />

Versand<br />

Montage<br />

Planungfeld<br />

Kennzahlen<br />

bezogen<br />

auf Gesamt<br />

Anzahl<br />

Mitarbeiter<br />

gesamt<br />

Anzahl<br />

Mitarbeiter<br />

indirekt<br />

Anzahl<br />

Mitarbeiter<br />

direkt<br />

Veredelungsleistung<br />

p.a.<br />

Nutzfläche<br />

Gebinde-bewegungen<br />

Bild 2: Schematische Darstellung des Planungsfelds<br />

Planungsfeld<br />

MATVAR<br />

Die Versorgung der Montagen aus vorgeschalteten Lagern erfolgt fast vollständig<br />

durch teilweise neugestaltete, automatisierte Fördersysteme, sowie durch ein fahrerloses<br />

Transportsystem. Für das Projekt wurden deshalb die <strong>Fertigungssegmente</strong><br />

Vorfertigungs- und Oberflächenfabrik als Planungsfeld definiert. In diesem Bereich<br />

sind neben anlagenorientierten Stetigförderern verschiedene Flurförderzeuge im Einsatz.<br />

Der hallenübergreifende Transport findet ab bestimmten Distanzen mittels sogenannter<br />

Schleppzüge (Stapler mit ein bis zwei Anhängern) statt.<br />

15 %<br />

10 %<br />

19 %<br />

18 %<br />

23 %<br />

30 %<br />

4-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Transferpressen<br />

Schweißen<br />

Oberflächen-<br />

beschichtung<br />

PuF-Förderer<br />

Baugruppen-<br />

montage<br />

Eigenfertigungsteile<br />

Bahn / LKW -<br />

Anlieferung<br />

Krananlage<br />

Stapler &<br />

Regale<br />

Stapler &<br />

Regale<br />

Stapler &<br />

Regale<br />

Stapler &<br />

Regale<br />

Transferpressen<br />

Schweißen<br />

PuF-Förderer<br />

Em aillieren<br />

Puffern<br />

Geräte-<br />

montage<br />

Fördersystem<br />

Stapler &<br />

Freistapel<br />

Bahn / LKW -<br />

Abtransport<br />

Bild 3: Schematische Darstellung der Fertigungsstruktur<br />

MATVAR<br />

Im Planungsfeld herrscht eine Mischstruktur aus funktionsorientierter Maschinenausrüstung<br />

und baugruppenspezifischen Prozessketten. Das Ausgangsmaterial der<br />

Blechbearbeitung sind Coils. Über ein bis vier Fertigungsstufen werden montagefertige<br />

Baugruppen erzeugt. Die Arbeitsprozesse werden nach dem Verrichtungsprinzip<br />

geführt. Die Fertigungsaufträge an den Pressen sind wegen hoher Stückleistung je<br />

Materialnummer und großen Rüstaufwands zwischen den Aufträgen durch hohe<br />

Losgrößen gekennzeichnet. Der Verbrauch montagefertiger Baugruppen richtet sich<br />

nach dem aktuellen Marktbedarf und beträgt nur einen Bruchteil der Pressenlose.<br />

Dadurch ist es zwingend notwendig, die einzelnen Fertigungsstufen durch Puffer zu<br />

entkoppeln.<br />

Kennzeichnend <strong>für</strong> das Produktionslayout sind strukturelle Invarianzen. Diese bestehen<br />

einerseits aus einer seit über 50 Jahren gewachsenen und damit suboptimalen<br />

Gebäudestruktur, andererseits aus einer Vielzahl an standortfixen Maschinen und<br />

Anlagen, wie Großpressen, Schweißanlagen, Emaillier- und Lackieranlagen.<br />

Dennoch weist die Anschaffung neuer Maschinen und Anlagen im Planungsfeld, sowie<br />

die Neueinführung bzw. Änderung von ca. 90% des Teilespektrums, verbunden<br />

mit Fertigungstiefenerhöhungen, auf ein durchaus dynamisches Produktionsumfeld<br />

hin.<br />

4-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

2 Zielsetzung<br />

MATVAR<br />

Eine konventionelle Layoutoptimierung durch Vertauschen von Produktionsstandorten<br />

stößt aufgrund der genannten Fixpunkte im Planungsfeld an ihre Grenzen. Trotzdem<br />

ist es gerade bei den o.g. Neuanschaffungen oder Teileeinführungen wichtig,<br />

die entstehenden Materialflüsse bereits in der Planungsphase zu optimieren.<br />

Vorraussetzung <strong>für</strong> die Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen, genauso wie<br />

<strong>für</strong> Neuplanungen, ist eine möglichst umfassende Transparenz in den Materialflussbeziehungen,<br />

sowie die Identifikation vorhandener Schwachstellen und Problemfelder.<br />

Aufgrund des hohen Aufwands waren bisher flächendeckende Materialflussanalysen<br />

und -planungen in der Praxis kaum durchführbar.<br />

Aus diesen Gründen war es, neben der Ableitung konkreter Maßnahmen, das<br />

Hauptziel, ein EDV-gestütztes Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittel (im<br />

Folgenden auch MATVAR-Datenbanken genannt) zu entwickeln, das aufgrund seiner<br />

Flexibilität schnell auf veränderte Verhältnisse oder Fragestellungen anzupassen<br />

ist. Dabei war gleichzeitig auf vertretbaren Aufwand bei der Anwendung des Hilfsmittels<br />

zu achten.<br />

4-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

3 Vorgehensweise<br />

Bild 4: Struktur der Datenführung<br />

MATVAR<br />

Eine erste Phase des Projekts wurde in einem Team aus FTH-Mitarbeitern zusammen<br />

mit dem ifp, Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik GmbH, durchgeführt. Das Team<br />

stand dabei in engem Kontakt mit den übrigen MATVAR-Arbeitsgruppen.<br />

3.1 Datenbasis<br />

Aufträge<br />

FISS-BDE<br />

Betriebsdatenerfassung<br />

Fortschritt<br />

SAP<br />

Betriebsw. Standardsoftware<br />

Stammdaten<br />

Aufträge<br />

FISS-R<br />

Auftragsverwaltung und<br />

Materialnachschub<br />

FISS-LV<br />

Lagerverwaltung<br />

Die Datenführung in der FTH erfolgt durch SAP/R2 in Kombination mit einem Fertigungs-Informations-<br />

und Steuerungssystem (FISS).<br />

Die Datenbasis besteht aus den im Folgenden beschriebenen Informationen zu Beständen,<br />

Lagerdaten und vor allem Materialbewegungen. Diese werden von den<br />

Systemen sonntäglich, jeweils über die vergangene Woche, als PC-lesbare Datei<br />

generiert. Grundsätzlich werden alle Materialbewegungen, wie Einlagerungen, Auslagerungen,<br />

Rücklieferungen und Direktlieferungen im FISS dokumentiert.<br />

Darüber hinaus wurden aus der VDI-Richtlinie 2391 Zeitrichtwerte <strong>für</strong> Staplerspiele<br />

herangezogen.<br />

Rückmeldungen<br />

Auslagerung<br />

Materialanforderung<br />

Einlagerung<br />

Wareneingänge<br />

Stammdaten<br />

Bestandssonderbuchungen<br />

4-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

3.1.1 Bestandsinformationen<br />

Bestandsinformationen wurden aus dem führenden SAP-System gewonnen:<br />

MATVAR<br />

Dispo- Materialbeschreibung Bestand Reichweite<br />

kennzeichen *) Nummer Kurztext Art Einheit Stück DM / 100 St. DM Tage<br />

EVA 74287587 Tuerboden HALB Stück 596 ....,.. .... 4<br />

...<br />

*) über das Dispokennzeichen ist die eindeutige Bestandsverantwortung geregelt.<br />

3.1.2 Statische Lagerdaten<br />

Quelle <strong>für</strong> Lagerspiegel und Lagerauslastung ist das Lagerverwaltungsmodul im Fertigungs-Informations-<br />

und -Steuerungs-System (FISS-LV). Jeder Datensatz steht <strong>für</strong><br />

ein eingelagertes Gebinde:<br />

Material- Lager- Bewegungs Wareneingang Lieferant Inhalt Gebinde<br />

Nummer Platz *) Art Nummer Datum lfd. Nr. Geb. Nr. Stück Art<br />

7465504 38210108 4 1470168 25.03.1998 1 719998 50 5<br />

...<br />

*) präzise Ortsangabe hier Lagerhalle 38, Regalzeile: 21, Fachnummer: 0108<br />

3.1.3 Dynamische Bewegungsdaten<br />

Die Bewegungsdaten wurden aus dem BDE-System übernommen. Jeder Datensatz<br />

steht <strong>für</strong> eine Gebindebewegung:<br />

Grund Material- Absender Empfänger Menge Transporteinheit Buchung<br />

E/L/A/R *) Nummer Kostenstelle Anlieferplatz Stück Schlüssel Kurzzeichen Uhrzeit Datum<br />

E 15827001 1000 38A10855 72 1 K01 1338 19.02.1996<br />

...<br />

*) E = Einlagerung, L = Direktlieferung, A = Auslagerung, R = Rücklieferung z.B.: Anbruchgebinde<br />

4-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

3.1.4 Materialstammdaten und Stücklisten<br />

MATVAR<br />

Zusätzlich werden, insbesondere zur Teileverfolgung entlang der Prozessketten,<br />

Materialstammdaten und Stücklisten aus SAP benötigt. Diese werden manuell, bzw.<br />

mittels automatischer Abfragen in die PC-Umgebung übertragen.<br />

3.1.5 Layout-Informationen<br />

Werks- und Hallengrundrisse, Standorte von Maschinen und Anlagen, Fahr- und<br />

Transportwege. Lokalisierung der Quellen und Senken.<br />

3.2 Hilfsmittel<br />

Um die angestrebte Flexibilität <strong>für</strong> verschiedene, zukünftige Einsatzfälle sowie geänderte<br />

Verhältnisse in der FTH zu erreichen, werden die Daten in Microsoft-ACCESS<br />

Datenbanken gesammelt und analysiert. Die Visualisierung erfolgt in Microsoft-<br />

EXCEL und -POWERPOINT.<br />

Um die Daten analysierbar zu machen, ist eine Modellierung des Planungsfelds in<br />

ACCESS erforderlich.<br />

Eine Schwierigkeit stellten hierbei die unterschiedlichen Datenarten in den Spalten<br />

„Quelle“ und „Senke“ bei den dynamischen Bewegungsdaten, dem Kernstück der<br />

Analysen, dar.<br />

Bewegungsart Datenart Quelle Datenart Senke<br />

E (Einlagerungen) Kostenstelle Lagerplatz<br />

A (Auslagerungen) Lagerplatz Linienkennzeichen<br />

(Lieferplatz)<br />

R (Rücklagerungen) Linienkennzeichen<br />

(Lieferplatz)<br />

Lagerplatz<br />

L (Direktlieferungen) Kostenstelle Linienkennzeichen<br />

(Lieferplatz)<br />

Diverse Filter, Vereinfachungen und Verdichtungen ermöglichen es, die Datenarten<br />

<strong>für</strong> Quellen und Senken auf Linienkennzeichen (Lieferplätze) und Lager (statt exaktem<br />

Lagerplatz) zu reduzieren.<br />

4-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

1<br />

2<br />

Datenbasis:<br />

BDE-Daten aus<br />

10 Wochen<br />

Verdichtung auf Lieferzonen<br />

(VF/OF), Lager<br />

und Fabriken<br />

3<br />

Ermittlung aller VF/OF-<br />

Transport-Beziehungen<br />

(Von/Nach-Matrix)<br />

4<br />

Berechnung/Ermittlung<br />

der zugehörigen<br />

Transport-Wege<br />

6<br />

Entwicklung einer Transportaufwand-Matrix<br />

<strong>für</strong> Transporte betreffend MATVAR-Planungsfeld (VF/OF)<br />

5<br />

Zuordnung:<br />

Transport-Beziehung (Von/Nach)<br />

und<br />

Transport-Fall (mit Handling-Zeit)<br />

Berechnung Transportaufwand<br />

je Transport-Beziehung (sec/Gebinde)<br />

= Handlingzeit + Fahrwegzeit (Stapler/Schleppzug)<br />

Zusätzliche Korrekturfaktoren:<br />

Leerfahrten (1,6), Ruhefaktor (1,15), Erschwernisse (1,25)<br />

Zeitbausteine <strong>für</strong><br />

Staplerbewegungen nach<br />

VDI-Richtlinie 2391<br />

Bild 5: Entwicklung einer Transportaufwand-Matrix<br />

MATVAR<br />

Erst damit ist eine Verknüpfung zur parallel ermittelten Entfernungsmatrix zwischen<br />

Linienkennzeichen (Lieferplätzen) und Lagern darstellbar. Die Entfernungsmatrix<br />

enthält <strong>für</strong> alle auftretenden Quelle-Senke-Paarungen im Planungsfeld, sowie <strong>für</strong> alle<br />

Schnittstellen, die realen Standard-Fahrstrecken der Stapler und Schleppzüge.<br />

Die Entfernungsmatrix zwischen Quellen und Senken beinhaltet jedoch noch nicht<br />

die verwendeten Fördermittel. Im Planungsfeld ergibt sich oftmals die Mischung<br />

Stapler-Schleppzug-Stapler als Transportkette. Um den Transportaufwand <strong>für</strong> einen<br />

Gebindetransport zu kalkulieren, wird <strong>für</strong> jede Quelle-Senke-Beziehung die Summe<br />

aus Handlingzeiten (aus VDI-Richtlinie 2391) und den anteiligen Fahrzeiten per<br />

Stapler oder Schleppzug angesetzt. Zusätzlich müssen noch Korrekturfaktoren <strong>für</strong><br />

Leerfahrten, und Erschwernisse, sowie ein Ruhefaktor berücksichtigt werden.<br />

4 Werkzeuge und Ergebnisse der Analyse<br />

Ermittlung aller vorkommenden Transport-Fälle<br />

z.B. "Auslagern mittels Schleppzug",<br />

"Direktlieferung ohne Schleppzug" etc.<br />

Berechnung der Handling-Zeiten <strong>für</strong> jeden<br />

einzelnen Transport-Fall<br />

(mittlere Auslastung pro Transport berücksichtigt)<br />

Übertragung in<br />

Transportaufwand-Matrix<br />

(Von/Nach = x sec)<br />

Um eine repräsentative Datenbasis <strong>für</strong> die Analyse zu erhalten, werden jeweils Daten<br />

aus 10 Wochen zusammengefasst. Die Größe des Untersuchungszeitraums wird<br />

einerseits durch Urlaubszeiten, die in der Auswertung meist nicht gewünscht sind, ,<br />

andererseits durch die Menge an zu verarbeitenden Daten begrenzt. Pro Woche entstehen<br />

in ganz FTH ca. 25000 Bewegungsdatensätze.<br />

3<br />

4<br />

2<br />

7<br />

4-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

ABC-Analyse über Transportaufkommen im Planungsfeld<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

% kumuliert<br />

1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101 1201 1301 1401 1501 1601<br />

Bild 6: Kernaussagen der ABC-Analyse nach Transportaufkommen<br />

4.1 ABC-Analyse<br />

203 A-Teile verursachen<br />

ca. 70% des Transportaufwands<br />

Einige Teile mit großer<br />

Transporthäufigkeit<br />

laufen weite Wege<br />

MATVAR<br />

Produktionsprozesse bestimmter A-<br />

Teile verursachen hohen logistischen<br />

Aufwand (z.B. Türboden-50cm, Transportweg<br />

ca. 950m; BO-Zuführteile,<br />

Transportweg ca. 1,1km)<br />

Nutzung montagenaher Pufferungsmöglichkeiten<br />

("STACHUS") <strong>für</strong><br />

Sicherheitsbestände statt Schnelldreher<br />

Die ABC-Analyse bietet sich als Werkzeug an, um die Menge der Gebindebewegungen<br />

im Planungsfeld (ca. 5300 Bewegungen pro Woche, ca. 4000 verschiedenen<br />

Materialnummern) zu strukturieren und um die Hauptumsatzträger am Materialfluss<br />

zu identifizieren. Für Beurteilung von Materialflüssen spielt jedoch nicht nur die Häufigkeit<br />

von Transporten eine Rolle, sondern auch die dabei zurückgelegten Wegstrecken.<br />

Für die Ermittlung dieses Transportaufkommens wird die Transporthäufigkeit<br />

mit der Weglänge des Transports (aus der Entfernungsmatrix <strong>für</strong> Quelle-Senke-<br />

Paarungen) multipliziert. Die so errechnete Kennzahl („Gebinde-Meter“) ist das Sortierkriterium<br />

der ABC-Analyse.<br />

Aus der Analyse lassen sich auch Teilefamilien zusammenfassen, <strong>für</strong> die eine Analyse<br />

des „Materialflusses von Baugruppen“ über die Prozessschritte hinweg interessant<br />

ist.<br />

4-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Materialfluß von Baugruppen<br />

Beispiel "BO-Zuführteile" (02/97)<br />

Ist-Zustand<br />

L32<br />

TTW Balk 11/97<br />

080B<br />

010A<br />

Institut <strong>für</strong><br />

Produktionstechnik GmbH<br />

Prof. Dr.-Ing. J. Milberg<br />

080D<br />

Hauptfluß<br />

Großpressen 080B<br />

Lager 32<br />

BO-Schweißstraße<br />

• Pufferung fast<br />

ausschließlich im<br />

Lager 32<br />

• Pufferbestand bis<br />

zu 100 Gebinde<br />

Ergebnis: Lange Wege vorhanden ⇒ Fertigungsnahe Pufferung anstreben<br />

Bild 7: Beispiel Materialfluss von Baugruppen<br />

4.2 Materialfluss von Baugruppen<br />

Materialfluß von Baugruppen<br />

Beispiel "BO-Zuführteile" (02/97)<br />

Verbesserungspotential<br />

Institut <strong>für</strong><br />

Produktionstechnik GmbH<br />

Prof. Dr.-Ing. J. Milberg<br />

MATVAR<br />

Die Analyse des Materialflusses von ausgewählten Baugruppen entlang ihres Entstehungsprozesses<br />

ermöglicht die Identifikation ungünstiger Durchläufe. Verbesserungsmöglichkeiten<br />

<strong>für</strong> die Auswahl von Wegen, Lagerorten und Maschinenbelegungen<br />

werden transparent. Mit Hilfe der Transportaufwandsmatrix (anteiliger Stapleraufwand<br />

pro Gebindetransport in Sekunden) lassen sich Ist- und Sollzustände vergleichend<br />

bewerten.<br />

080B<br />

010A<br />

L45<br />

080D<br />

Transportmatrix<br />

• A-Teile direkt liefern<br />

und an BO-Straße<br />

puffern. B/C-Teile<br />

über Lager 45.<br />

• Einsparung: ca. 40%<br />

(450 h/a) an<br />

Transportaufwand<br />

• Transparenz über<br />

Bestand der<br />

Zuführteile an BO-<br />

Straße<br />

• Entlastung des<br />

Lagers 32<br />

1<br />

4-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Arbeitsplatzanalyse: Zu-/Abflüsse<br />

Emailanlage<br />

Materialflüsse zur<br />

Email-Anlage<br />

– IST-Zustand –<br />

090F<br />

090E<br />

080B<br />

Institut <strong>für</strong><br />

Produktionstechnik GmbH<br />

Prof. Dr.-Ing. J. Milberg<br />

L45<br />

Variante 1<br />

Direkte Pufferung<br />

aller Bauteile an<br />

den Anlieferzonen<br />

der ETE- und Flachpulveranlage<br />

(090E<br />

und 090F)<br />

Variante 2<br />

Direkte Pufferung<br />

nur <strong>für</strong> A-Teile an<br />

den Anlieferzonen;<br />

B- und C-Teile werden<br />

im Lager L45<br />

gepuffert.<br />

Ergebnis: Hauptzufluß von 080B Großpressen Geb.6b<br />

Hauptabfluß nach 090E/F Aufgabezonen ETE-/Flachpulveranlage<br />

Lange Wege vorhanden ⇒ Direktlieferungen anstreben<br />

Bild 8: Beispiel Zu-/Abflüsse an Arbeitsplätzen<br />

4.3 Zu-/Abflüsse an Arbeitsplätzen (Sankey-Diagramm)<br />

MATVAR<br />

Mit dieser Methode können die Materialströme einzelner Produktionsbereiche, aber<br />

auch des gesamten Planungsfelds untersucht werden. Dabei werden die Materialzuund<br />

-abflüsse aller betrachteten Maschinen, Anlagen und Lager anhand der Grunddaten<br />

ausgewertet und in Powerpoint visualisiert. Ziel ist es, die Hauptlieferströme zu<br />

identifizieren, Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten und mit Hilfe der Transportaufwandsmatrix<br />

zu bewerten.<br />

080B<br />

090F<br />

090E<br />

080B<br />

L45<br />

L45<br />

Transportmatrix<br />

Einsparung<br />

ca. 60% an Transportzeit:<br />

540 h/a<br />

Einsparung<br />

ca. 50% an Transportzeit:<br />

465 h/a<br />

1<br />

4-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Lager Geb. 38<br />

Email-Anlage<br />

Lager Geb. 45<br />

Pressen Geb. 6b<br />

Lager Geb. 6b<br />

Coilspaltanlage<br />

Lager Geb. 20<br />

Bild 9: Prozessanalyse (2-Tages-Raster)<br />

4.4 Prozessanalyse (2-Tages-Raster)<br />

Zeit<br />

Verbauorte<br />

MATVAR<br />

Mit der Prozessanalyse wird der Entstehungsprozess einer Baugruppe im 2-Tages-<br />

Raster dargestellt.<br />

Nach jeder Fertigungsstufe wechselt eine bearbeitetes Teil die Materialnummer. Die<br />

Nummernfolgen müssen anhand der Arbeitspläne aus SAP ermittelt werden.<br />

Die Grafik zeigt die Bewegungen beginnend vom Eingangslager zum jeweils nächsten<br />

Prozessschritt. Die Glättung der Spitzen zwischen dem Pressen und dem<br />

Verbauen der fertigen Baugruppe verdeutlicht den vorhandenen Pufferbedarf, vor<br />

allem zwischen Pressen und Emailanlage. Ebenfalls deutlich sichtbar sind die Fertigungszyklen,<br />

sowie die Bandbreite der Durchlaufzeiten, die zwischen einem und<br />

mehreren Tagen liegen kann.<br />

5<br />

0<br />

20<br />

15<br />

10<br />

30<br />

25<br />

35<br />

Transportspiele<br />

Fertigungsstufen<br />

4-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Materialfluss-Bewertung verschiedener Alternativen in der Planungsphase<br />

Beispiel: Muldenrahmen: • emailliert<br />

• lackiert<br />

Muldenrahmen emailliert<br />

50 Stück<br />

50 Stück<br />

30 Stück<br />

X Stück<br />

Großpresse 080B<br />

Lager 45<br />

Emaillieranlage<br />

Muldenfabrik MF<br />

Emaillieranlage in Geb. 29<br />

(nach Umbau HF)<br />

I N P U T<br />

geplante Baugruppen<br />

mit Stücklisten<br />

geplante Jahresstückzahl<br />

Fertigungskonzept (Alternativen)<br />

Packungsdichte pro Transport<br />

Layout (Varianten?)<br />

Ergebnis: Zu erwartender Transportaufwand in Stapler-Stunden pro Jahr (siehe Grafik)<br />

Bild 10: Einsatz als Planungshilfsmittel<br />

5 Einsatz als Planungshilfsmittel<br />

Muldenrahmen lackiert<br />

X Stück<br />

Großpresse 080B<br />

Lager 45<br />

Lackieranlage<br />

Muldenfabrik MF<br />

Lackieranlage<br />

in Geb. 19<br />

MATVAR<br />

Durch seinen flexiblen Aufbau kann das Auswertungssystem nicht nur <strong>für</strong> die Analyse<br />

geänderter Materialflüsse in der bestehenden Fertigungsstruktur genutzt werden.<br />

Mit Hilfe des gewonnenen Know-How´s können auch weitreichende Neuplanungsszenarien<br />

und Umstrukturierungen bezüglich des zu erwartenden Transportaufwands<br />

und des Pufferungsbedarfs bewertet werden.<br />

So ist es möglich, bei der Fertigungsplanung <strong>für</strong> neue Produkte parallel zur technischen<br />

Planung der Prozesse auch eine Materialflussbewertung als Entscheidungskriterium<br />

zu erstellen.<br />

Die Möglichkeit, aber auch die Notwendigkeit der Adaption dieses Hilfsmittels <strong>für</strong> verschiedene<br />

Anwendungsfälle, sowie <strong>für</strong> Änderungen in der Fertigungsstruktur bewirkt<br />

dessen ständige Weiterentwicklung.<br />

50 Stück<br />

50 Stück<br />

30 Stück<br />

8<br />

4-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Materialfluss-Bewertung verschiedener Alternativen in der Planungsphase<br />

Beispiel Muldenrahmen: • emailliert<br />

• lackiert<br />

080B<br />

Geb.6b<br />

L45X<br />

010E<br />

Geb.20<br />

090E<br />

Geb.6a 090F<br />

L17P<br />

080D L17/09<br />

L20<br />

Geb.19 A060<br />

T-Aufwand:<br />

380 h/a<br />

Geb.17<br />

010D<br />

080D<br />

010A 010B 010C<br />

080C<br />

Geb. 45<br />

L45<br />

Geb.15<br />

A102<br />

A100<br />

A090<br />

Emaillierwerk<br />

Geb.18<br />

A092<br />

A091<br />

A100<br />

Geb.21<br />

Geb. 48 L48/HL L38K<br />

Geb. 38<br />

L38<br />

Geb.29<br />

Geb.33og<br />

FTW<br />

FFT<br />

T-Aufwand:<br />

910 h/a<br />

HF<br />

Kunststoffertigung<br />

A 040<br />

Geb.31nord<br />

Bild 11: Beispiel Materialfluss-Bewertung in der Planung, Alternative 1<br />

MATVAR<br />

Als Beispiel wurde hier eine Materialflussbewertung <strong>für</strong> ein neues Bauteil durchgeführt.<br />

Zwei grundsätzlich verschiedene Oberflächenbehandlungen wurden gegenübergestellt.<br />

Mit Hilfe von Dummy-Materialnummern und -Lieferplätzen und entsprechenden<br />

Einträgen in der Transportaufwandsmatrix lassen sich die voraussichtlichen<br />

Staplerbelegungsminuten kalkulieren ohne die Datenbanken <strong>für</strong> Analysen zu beeinträchtigen.<br />

EF<br />

WA<br />

A070 A120<br />

Email ?<br />

EBSF<br />

T-Aufwand:<br />

1200 h/a<br />

SFE<br />

Geb.31mitte<br />

ZHV<br />

Geb.31sued<br />

MF<br />

Lager<br />

SFE<br />

LOB-T<br />

LOB-T<br />

L35<br />

Vorraussichtlicher T-Aufwand:<br />

S 2490 h/a<br />

4-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Materialfluss-Bewertung verschiedener Alternativen in der Planungsphase<br />

Beispiel Muldenrahmen: • emailliert<br />

• lackiert<br />

080B<br />

Geb.6b<br />

L45X<br />

010E<br />

Geb.20<br />

090E<br />

Geb.6a 090F<br />

L17P<br />

080D L17/09<br />

L20<br />

Geb.19 A060<br />

T-Aufwand:<br />

380 h/a<br />

Geb.17<br />

010D<br />

080D<br />

010A 010B 010C<br />

Lackieranl. ?<br />

080C<br />

Geb. 45<br />

L45<br />

Geb.15<br />

A102<br />

T-Aufwand:<br />

980 h/a<br />

A090<br />

Emaillierwerk<br />

Geb.18<br />

A092<br />

A091<br />

A100<br />

Geb.21<br />

Geb. 48 L48/HL L38K<br />

Geb. 38<br />

L38<br />

Geb.29<br />

Geb.33og<br />

FTW<br />

FFT<br />

HF<br />

Kunststoffertigung<br />

A 040<br />

Geb.31nord<br />

Bild 12: Beispiel Materialfluss-Bewertung in der Planung, Alternative 2<br />

EF<br />

WA<br />

A070 A120<br />

KL<br />

EBSF<br />

T-Aufwand:<br />

1460 h/a<br />

SFE<br />

Geb.31mitte<br />

ZHV<br />

Geb.31sued<br />

MF<br />

Lager<br />

SFE<br />

LOB-T<br />

LOB-T<br />

L35<br />

MATVAR<br />

Vorraussichtlicher T-Aufwand:<br />

Σ 2820 h/a<br />

4-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Bestellverhalten:<br />

Materialfluss aus Lager 38/48 über Brücke B und FTS<br />

An<br />

za<br />

hl<br />

Tr<br />

an<br />

sp<br />

ort<br />

e<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

Anforderungen 02.03.1999 aus L38/48 über Brücke B<br />

FTS<br />

33 OG<br />

33 EG/SFront<br />

33 EG/SF<br />

Anforderungen von 5:00 - 6:00 Uhr<br />

Stunde 6<br />

Annahme: 4 Kisten pro<br />

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22<br />

Anforderungen 02.03.1999 über FTS, nach<br />

Empfängern<br />

Bild 13: Tagesscheibe Materialfluss aus Hauptlager<br />

6 Auf dem Weg zum Logistik-Controlling? Ein Ausblick<br />

MATVAR<br />

Bestellverhalten:<br />

Materialfluss aus Lager 38/48 über FTS,<br />

sortiert nach Kunden<br />

6.1 Einsatz des Analyse- und Planungshilfsmittels in anderen<br />

Projekten<br />

Der erfolgreiche Einsatz des Analyse- und Planungshilfsmittels in werksinternen<br />

Projekten neben MATVAR hat seine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bereits unter<br />

Beweis gestellt.<br />

So wurden beispielsweise Fragen nach einer tageszeitlichen Analyse des Materialflusses<br />

aus dem Hauptlager über die verschiedenen angebundenen Fördersysteme<br />

mit Hilfe der MATVAR-Datenbanken beantwortet. Die Grafik zeigt die Anzahl der<br />

Transporte im Stundenraster. Die auffälligen Bestellspitzen am Vormittag lassen sich<br />

hier nach Fördersystemen und im zweiten Schritt auch nach Empfängern strukturieren.<br />

Zielgerichtete Ansätze zur Glättung der Kurven sind damit möglich.<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Summe: 213<br />

Geb.<br />

6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 21<br />

Stunde<br />

MF<br />

HHDF<br />

A120<br />

A070<br />

A140<br />

FTW<br />

KL<br />

HO<br />

HF<br />

4-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

Belastung der FTS-Strecke mit Gebindetransporten (KW 38-47/97)<br />

Darstellung von 85% der gelaufenen Gebinde (ohne Leergebinde)<br />

incl. Projektion neue WA in H.38<br />

1700<br />

1500<br />

13700<br />

44<br />

43 42<br />

6900<br />

1300<br />

45<br />

10500<br />

30<br />

31<br />

1000<br />

3800<br />

Bild 14: Belastung FTS-Strecke<br />

MATVAR<br />

Ein anderes Beispiel ist die Analyse der Belastung verschiedener Streckenabschnitte<br />

des FTS (Fahrerloses-Transport-System). Sie dient als Grundlage <strong>für</strong> die Planungen<br />

eines möglichen Nachfolgesystems.<br />

Auch die Analyse von Lagerspiegelverläufen über bis zu drei Jahren fand bereits außerhalb<br />

des MATVAR-Planungsfelds vielfältige Anwendungen. Beispielsweise<br />

konnte mit Hilfe einer langfristigen Betrachtung der Lagerauslastungen eine hohe<br />

Planungssicherheit <strong>für</strong> den Abriss eines Lagerbereiches erreicht werden.<br />

Einen ersten Schritt auf dem Weg zum Logistik-Controlling stellt die mit Hilfe der<br />

MATVAR-Datenbanken seit 1998 jährlich aktualisierte Zuordnung der FTS-Kosten<br />

dar. Da<strong>für</strong> werden die FTS-Transporte des vergangenen Jahres den „Verursachern“<br />

zugeordnet und daraus ein Kostenschlüssel errechnet.<br />

Eine ähnliche Systematik wurde auch <strong>für</strong> eine aufwandsorientierte Zuordnung der<br />

Wareneingänge erarbeitet.<br />

5700<br />

21 20<br />

1400<br />

3600<br />

3600<br />

1500<br />

1500 1200<br />

41 40<br />

1600<br />

1200<br />

46 47<br />

15 14<br />

72 73<br />

75<br />

74 (70)<br />

4-18


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />

6.2 Weiterentwicklung zum Logistik-Controlling<br />

MATVAR<br />

Geplante Elemente: • Kontinuierlichen Verbesserungsprozess der MATVAR-<br />

Datenbanken fortsetzen. Ständige Aktualisierung des Datenbestands<br />

und der Modellierung der FTH in den Datenbanken.<br />

7 Literatur<br />

• Ausdehnung des Analyse- und Planungshilfsmittels auf<br />

ganz FTH (Transportaufwandsmatrix, Vereinfachungen<br />

und Verdichtungen modifizieren)<br />

• Entwicklung eines „Audit-Plans“.<br />

Ziel: - Alle Bereiche des Werks in regelmäßigen Abständen<br />

einer Materialflussanalyse unterziehen.<br />

- Verbesserungspotentiale mit den Bereichen erarbeiten.<br />

- Logistik-Kennzahlen aufstellen, um bereichsinterne<br />

Entwicklung des Materialflusses messbar<br />

zu machen.<br />

• Verursachungsgerechte Kostenschlüssel <strong>für</strong> andere bestehende<br />

Fördersysteme errechnen.<br />

• Kundenorientierte Unterstützung bei Projekten und anderen<br />

spezifischen Planungsvorhaben durch Materialflussanalysen<br />

und -gestaltungen.<br />

VDI-RICHTLINIE 2391<br />

Zeitrichtwerte <strong>für</strong> Arbeitsspiele und Grundbewegungen von Flurförderzeugen,<br />

VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf 1982<br />

4-19


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

Entwicklung eines stufenweise<br />

automatisierbaren Leichtfördersystems<br />

im Überflurbereich<br />

'LSO ,QJ :ROIJDQJ +DQGULFK<br />

/HKUVWXKO I U )|UGHUWHFKQLN 0DWHULDOIOXVV /RJLVWLN<br />

7HFKQLVFKH 8QLYHUVLWlW 0 QFKHQ<br />

%ROW]PDQQVWU<br />

*DUFKLQJ E 0 QFKHQ<br />

MATVAR<br />

5-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

1 Einführung: <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> dynamische Produktionsstrukturen<br />

Zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber konkurrierenden Unternehmen<br />

musste man bisher seine Produkte lediglich zu minimalen Kosten und höchster Qualität<br />

am Markt anbieten. Heutzutage gewinnen aber darüber hinaus die Faktoren<br />

Entwicklungszeit, Kundennähe, Lieferzeit und Flexibilität an Bedeutung. Es ergeben<br />

sich immer kürzere Produktlebenszyklen, eine höhere Variantenvielfalt und kleinere<br />

Losgrößen (GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997).<br />

Dieser rasche Wandel erfordert <strong>für</strong> die Produktion der Zukunft technologische Maßnahmen,<br />

die eine neue Flexibilität und Agilität der gesamten Fertigung bedingen.<br />

Neben den Produktionseinrichtungen müssen auch die <strong>Materialflusssysteme</strong> äußerst<br />

flexibel und anpassbar gestaltet sein.<br />

Bild 1: Anpassbare Fertigungsstrukturen und <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

Während sich in der Fertigung bereits selbständige, autonome und zuverlässige<br />

Strukturen und Organisationsformen durchgesetzt haben, die auch auf Störungen<br />

und Veränderungen flexibel reagieren können, ist <strong>für</strong> den innerbetrieblichen Materialfluss<br />

noch weiterer Entwicklungsbedarf gegeben. Herkömmliche Fördermittel ent-<br />

5-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

sprechen selten den Anforderungen dynamischer Produktionsstrukturen mit häufigen<br />

Layout- und Kapazitätsveränderungen. Vor allem <strong>für</strong> kleine und mittelständische<br />

Unternehmen fehlen flexible und preisgünstige, dem Bedarf anpassbare Materialflusslösungen.<br />

Bei flurgebundenen und flurfreien Transportmitteln mit fest installierten Fahrtrassen<br />

wie Stetigförderern und Elektrohängebahnen stellen die zusammenhängenden Verkehrswege<br />

massiv einschränkende Randbedingungen dar und verhindern deswegen<br />

bei Umstrukturierungen optimale, schnelle und kostengünstige Anpassungen.<br />

Bei manuell bedienten Flurförderern, wie z.B. Staplern, kommen hohe Personalkosten<br />

und mangelhafte Auslastung hinzu. Staplerleitsysteme können hier teilweise Abhilfe<br />

schaffen: Leerfahrten werden reduziert, Fahrtrouten optimiert und die Transportleistung<br />

erhöht. Die flurgebundene Streckenlegung beim Staplerbetrieb grenzt<br />

dessen Verwendung aber erheblich ein.<br />

Das gleiche gilt <strong>für</strong> fahrerlose Transportsysteme (FTS). Für sie konnte in den letzten<br />

Jahren keine befriedigende Lösung gefunden werden. Die hohe Komplexität der<br />

Streckenführung, die relativ geringe Verfügbarkeit und die hohen Anschaffungs- und<br />

Betriebskosten machen diese Systemtechnik <strong>für</strong> kleine und mittlere Unternehmen<br />

wenig interessant.<br />

Um von der Bindung an vorgegebene Fahrtrassen wegzukommen und den gesamten<br />

Hallenbereich <strong>für</strong> die Produktion nützen zu können, bietet sich der Kran als<br />

Transportmittel im Überflurbereich geradezu an. Auf sich ändernde Strukturen kann<br />

äußerst flexibel reagiert werden.<br />

2 Aufgabenstellung:<br />

Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

Bisher wurden größtenteils Prozesskrane <strong>für</strong> spezielle Einsatzfälle automatisiert. Beispiele<br />

sind Lauf- oder Hängekrane mit Traglasten von mehreren Tonnen zur Beschickung<br />

von Blech-, Coil- und Papierrollenlagern. Bei diesen kostenintensiven Einzellösungen<br />

standen technisch machbare Herausforderungen, Teilziele wie Lastpendeldämpfungen,<br />

Positioniergenauigkeiten, Antriebs- oder Steuerungstechnik im Vordergrund.<br />

Die sehr hohen Anforderungen und die <strong>für</strong> jeden Einzelfall neu entwickelten<br />

Automatisierungen machten diese sehr teuer. Es konnte bisher nicht auf einen günstigen<br />

Baukasten zu Kranautomatisierungen zurückgegriffen werden. Der Markt bietet<br />

bisher lediglich verschiedene, hauptsächlich mechanische Baukästen aus firmenspezifischen<br />

„Standardkomponenten“.<br />

So stellt auch das Kranbaukastensystem KBK der Fa. Mannesmann Dematic AG ein<br />

einfaches, nur in Sonderfällen automatisiertes Transport- und Handhabungssystem<br />

5-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

im Überflurbereich dar, das aus standardisierten mechanischen, modular aufgebauten<br />

und gut miteinander kombinierbaren Baueinheiten besteht. Zu den wesentlichen<br />

Komponenten zählt man Schienenelemente (Gerad- und Bogenstücke), komplexere<br />

Bahnteile (Weichen, Verriegelungen, Schwenkscheiben, Hubstationen), pendelnde<br />

Aufhängungen <strong>für</strong> Hänge- und Kranbahnen, Fahrwerke, Reibradantriebe, Kettenund<br />

Seilzüge, Handhabungsgeräte und Steuerungen. Damit lassen sich Anlagen <strong>für</strong><br />

den flurfreien Transport, wie z.B. Hängebahnen, Ein- oder Zweiträgerkrane, Portalkrane<br />

oder Säulen- und Wandschwenkkrane zusammenbauen, die sich <strong>für</strong> einen<br />

Traglastbereich von wenigen Kilogramm bis zu ca. 3 Tonnen eignen (siehe auch<br />

MÜLLER U.A.).<br />

Die Weiterentwicklung dieses Systems sollte von Beginn an möglichst marktnah und<br />

kundenorientiert geschehen, die Anforderungen an ein Materialflusssystem <strong>für</strong> dynamische<br />

Produktionsstrukturen möglichst genau festgelegt werden. Der Lehrstuhl<br />

LSR führte deswegen zu Projektbeginn in Zusammenarbeit mit der Mannesmann<br />

Dematic AG eine Marktanalyse durch (GÜNTHNER U. HANDRICH 1998). Verschiedenste<br />

Interessenten, Firmen, beteiligte Anwender und der assoziierte Kreis sind nach ihren<br />

Anforderungen befragt worden, die sie an ein Materialflusssystem <strong>für</strong> dynamische<br />

Fertigungsstrukturen stellen. Darüber hinaus konnten sie Wünsche und Zukunftsvisionen<br />

aufzeigen.<br />

Mit dieser Marktanalyse erhielt man Antworten zu den Themen Einsatzbereiche,<br />

Transportgüter, Traglasten, Lasthandling, Automatisierungsgrade, Zielpositionen und<br />

Positioniergenauigkeiten, Dynamik, Spielzeiten und übergeordnete Anbindung an<br />

Rechnersysteme. Sie diente mit als Grundlage <strong>für</strong> die Erstellung des Pflichtenheftes.<br />

Mit entsprechenden mechanischen und steuerungstechnischen Weiterentwicklungen<br />

soll aus dem Kranbaukasten KBK ein kostengünstiges, automatisierbares Materialflusssystem<br />

entstehen, das sich <strong>für</strong> die Transportaufgaben zukünftiger <strong>variable</strong>r <strong>Fertigungssegmente</strong><br />

eignet.<br />

Das zu entwickelnde Leichtfördersystem im Überflurbereich sollte folgenden Anforderungen<br />

genügen:<br />

• layoutunabhängiges Materialflusssystem, das sich <strong>für</strong> dynamische Produktionsstrukturen<br />

eignet<br />

• stufenweise Automatisierbarkeit beginnend beim manuellen Kran bis hin zur Vollautomatik<br />

• automatischer Transport von Behältern (Kunststoff-Großladungsträger bis 500kg,<br />

Gitterboxen bis 1000kg und VDA-Kleinladungsträger in den Abmessungen<br />

600x400mm bis 50kg)<br />

• automatischer Transport im <strong>für</strong> Personen zugänglichen Fertigungsumfeld<br />

5-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

• einfache Erweiter-, Kombinier- und Nachrüstbarkeit hinsichtlich Mechanik und<br />

Steuerung<br />

• Möglichkeit zur Visualisierung, Auftragssteuerung und Anbindung an übergeordnete<br />

Leitsysteme<br />

• kostengünstiges Materialflusssystem<br />

Zu den wichtigsten Aufgaben im Projekt gehört der Aufbau einer Versuchsanlage am<br />

Lehrstuhl LSR, die ein innerbetriebliches Materialflussnetz aus herkömmlicher Fördertechnik,<br />

wie Rollenförderer, gemanagten Stapler, automatisierten Leichtfördersystem<br />

darstellt.<br />

3 Zu berücksichtigende Aspekte bei der Entwicklung des<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

Bild 2 gibt einen Überblick über die wesentlichen Aspekte, die bei der Entwicklung<br />

dieses Leichtfördersystems im Überflurbereich berücksichtigt worden sind.<br />

Zunächst wurden Lösungskonzepte erstellt, um Antworten auf die folgenden Fragen<br />

zu erhalten:<br />

• Welche Einsatzfälle sollen abgedeckt werden?<br />

• Welche Automatisierungsstufen machen aus Entwicklersicht Sinn?<br />

• Welcher Einsatzfall erfordert welche Automatisierungsstufe?<br />

• Wie kann die Positionierung im Vollautomatikbetrieb realisiert werden?<br />

• Welche Auswirkungen hat dies auf die Mechanik des Systems?<br />

• Wie sieht die Bedienung dieses Materialflusssystems aus?<br />

• Wie kann die Sicherheit des Personals gewährleistet werden, das sich im Umfeld<br />

des automatisierten Fördersystems aufhält?<br />

• Wie kann ein Automatisierungsbaukasten entwickelt werden?<br />

Die Antworten hängen dabei stark voneinander ab. Beispielsweise sind <strong>für</strong> Teilautomatikstufen<br />

mit manuellem Eingriff bei der Lastübergabe keine genauen Positionierungen<br />

und damit keine besonderen Anforderungen an die Mechanik und die Seilführung<br />

der Katze und der Kranbrücke nötig. Dagegen erfordert sogar der Einsatz einer<br />

teilautomatisierten Anlage in <strong>für</strong> Personen zugänglichen Bereichen besondere Sicherheitsvorkehrungen,<br />

die Auswirkungen auf das gesamte System beginnend beim<br />

Transportgut über Lastaufnahmemittel, Seilzug bis zum Gebäudetragwerk mit sich<br />

bringen. Die höchsten Anforderungen werden an ein vollautomatisiertes Fördersystem<br />

in <strong>für</strong> Personen zugänglichen Bereichen gestellt (HESSE 1995, VDI 1995).<br />

5-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Bild 2: Zu berücksichtigend Aspekte bei der Entwicklung des Leichtfördersystems<br />

im Überflurbereich<br />

5-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Nachdem die Gesamtüberlegung sehr komplex ist, wird in diesem Beitrag auf die<br />

Themenbereiche Automatisierung, Mensch-Maschine-Schnittstelle, Positionierung,<br />

Katze, Steuerung, Einsatzfälle/Anwendungen und Kosten eingegangen.<br />

Die Arbeitspakete Sicherheit, Transportgut und Lastaufnahmemittel werden in<br />

BAMBYNEK erläutert. Allgemeine KBK-Problematik, Mechanik, Kranelektrik, Datenübertragung<br />

und Steuerungsstruktur folgt in MÜLLER U.A., die Problematik Funkbusübertragung<br />

und Funksteuerschalter in BRENDEL U. SCHWARZ und die Problematik<br />

Leitrechneranbindung in SCHUSTER.<br />

4 Automatisierungsstufen und Betriebsarten<br />

Bild 3 zeigt ein Konzept, wie sich ein Baukasten <strong>für</strong> einen in Stufen automatisierbaren<br />

Kran zusammenstellen lässt.<br />

Der manuelle Kran wird mit einem meist an der Katze befestigten Handsteuerschalter<br />

bedient. Zu den wichtigsten Funktionen gehört das Verfahren des Krans, der Katze<br />

und des Hubwerks in mehreren Geschwindigkeiten. Als einfachstes Lastaufnahmemittel<br />

(LAM) kommt ein Haken in Frage. Um die verwendeten Komponenten auch<br />

<strong>für</strong> höhere Automatikstufen verwenden zu können, sollten alle diese Komponenten<br />

busfähig sein.<br />

Bei Erweiterung des Krans zu einem Materialflusssystem mit Katzüberfahrten, Hängebahnstrukturen<br />

und angesteuertem Greifer als Lastaufnahmemittel, sind die Funktionalitäten<br />

des Handsteuerschalters entsprechend zu ergänzen.<br />

Die einfachste Kranautomatisierungsstufe stellt die automatisierte Leerfahrt dar. Der<br />

leere Kran kann vom Arbeitsplatz per Ruftaste angefordert werden. Um die Risiken,<br />

die von einem automatisch bewegten Kran ausgehen, zu minimieren, trennt man<br />

Kran- und Personenwege. Der Kran fährt mit hochgezogenem Steuerschalter und<br />

dem Lastaufnahmemittel in höchster Stellung, einer Höhe von mindestens 2,5 Metern,<br />

automatisch aus seiner Warteposition zur vorher mit dem Ruftaster gelernten,<br />

d.h. „geteachten“ Position und steht dem Bediener dort <strong>für</strong> eine manuelle Lastaufnahme,<br />

anschließenden manuellen Transport und einer manuellen Lastabgabe mit<br />

dem Handsteuerschalter zur Verfügung. Das Ende dieses Vorgangs und damit die<br />

Bereitschaft <strong>für</strong> die nächste Leerfahrtanforderung kann beispielsweise der Bediener<br />

durch ein Heben des leeren Hakens in die höchste Hakenstellung, besser aber durch<br />

ein Quittieren am Handsteuerschalter anzeigen. Das automatische Heben des leeren<br />

Hakens reduziert weitere Zeitanteile bei der Bedienung.<br />

Für die automatisierte Leerfahrt müssen folgende busfähige Komponenten hinzugefügt<br />

werden: Ruftaster, Hubwerk <strong>für</strong> Steuerschalter, Wegmesssystem <strong>für</strong> Kran- bzw.<br />

Katzfahren. Aus Sicherheitsgründen muss überprüft werden, ob sich keine Last am<br />

5-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

Bild 3: Baukasten <strong>für</strong> stufenweise automatisierbare Krane<br />

MATVAR<br />

5-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Haken und der Haken in der höchsten Hakenstellung befindet. Die anzufahrenden<br />

Positionen müssen gelernt, d.h. geteacht, und auf ca. 1m Genauigkeit angefahren<br />

werden.<br />

Darauf aufbauend ist die automatisierte Leer- und Lastfahrt als nächste Stufe eines<br />

Automatisierungsbaukastens sinnvoll. Aus Sicherheitsgründen reicht ein Haken zum<br />

Anschlagen von Lasten <strong>für</strong> den automatisierten Transport von Lasten in <strong>für</strong> Personen<br />

zugänglichen Bereichen nicht aus. Alle Komponenten müssen so ausgelegt sein,<br />

dass es zu keinem Lastabsturz kommen kann. Notfalls muss die Last in der höchsten<br />

Hubstellung verriegelt werden. Der vom Bediener mittels Ruftaster angeforderte Kran<br />

fährt zur gewünschten Position und lässt den Handsteuerschalter <strong>für</strong> eine manuelle<br />

Bedienung des Krans während der Lastaufnahme herab. Nachdem die Last sicher<br />

gegriffen und in die höchste Hubstellung gehoben ist, gibt der Bediener die Zielposition<br />

ein. Da<strong>für</strong> müssen ihm am Handsteuerschalter alle möglichen, vorher geteachten<br />

Positionen zur Auswahl angezeigt werden. Anschließend beginnt die automatische<br />

Lastfahrt, die mit dem Herablassen des Handsteuerschalters an der Zielposition<br />

endet. Die Positionierung der Last und die Lastabgabe erfolgt manuell vom Bediener<br />

am Zielort. Das Ende dieses Vorgangs und damit die Bereitschaft <strong>für</strong> die nächste<br />

Anforderung kann wie bei der automatischen Leerfahrt beispielsweise der Bediener<br />

durch ein Heben des leeren Lastaufnahmemittels in die höchste Hubstellung, besser<br />

aber durch ein Quittieren am Handsteuerschalter anzeigen. Das automatische Heben<br />

des leeren Lastaufnahmemittels reduziert weitere Zeitanteile bei der Bedienung.<br />

Soll das Kranspiel vollautomatisch ablaufen, d.h. automatische Leer- und Lastfahrt<br />

werden durch eine automatische Lastaufnahme und Lastabgabe ergänzt, so müssen<br />

aus Sicherheitsgründen abgesperrte und überwachte Übergabestellen an den Positionen<br />

geschaffen werden, an denen der Kran seine Last bzw. sein Lastaufnahmemittel<br />

automatisch absenken kann. Die Übergabestelle selbst darf während des<br />

Kranzugriffs nicht von Personen betreten werden. Neben erhöhten Sicherheitsanforderungen<br />

ändern vor allem die Positionieranforderungen die Mechanik und Steuerung<br />

des Krans. Alle Komponenten sind <strong>für</strong> eine Positioniergenauigkeit im Bereich<br />

weniger Millimeter auszulegen.<br />

Zentrale Komponente des vollautomatischen Krans wird ein KranPC. Dieser verwaltet<br />

Transportaufträge und lässt diese abarbeiten. Ist mehr als eine Katze oder ein<br />

Kran im Materialflusssystem integriert, müssen diese aufeinander abgestimmt werden.<br />

Kollisionsvermeidung, Wegplanung, Fahrstrategien, Positionsdatenverwaltung<br />

und Visualisierung aller Vorgänge sind Teilfunktionalitäten dieses Rechners. Der<br />

KranPC dient gleichzeitig auch als Bedienelement und als Schnittstelle zu einem übergeordneten<br />

Leitrechner, der den KranPC zur Durchführung von Transporten beauftragen<br />

kann.<br />

Sobald ein Leitsystem vorhanden ist, muss jeder Transport, sowohl der Leerbehältertransport<br />

als auch der Transport von Gütern, dem Leitrechner gemeldet werden.<br />

5-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Da<strong>für</strong> stehen im Einsatzbereich mehrere Terminals zur Verfügung, die mit dem Leitsystem<br />

vernetzt sind. Die Terminals haben zwei Funktionen. Sie dienen zur Eingabe<br />

von Transportaufträgen bzw. zur Fertigmeldung von Fertigungsaufträgen, die anschließend<br />

automatisch verschiedene Transportaufträge anstößt. Zum anderen stehen<br />

sie als Anzeigeinstrument von Informationen, wie beispielsweise Behälter-<br />

Identifikation, Übergabeplatz usw., dem Bediener zur Verfügung (SCHUSTER).<br />

Der Aufbau, die Struktur der Steuerung und des KranPCs des realisierten Leichtfördersystem-Prototypen<br />

ist in MÜLLER U.A. beschrieben. Die Entwicklung eines Funkbus-Datenübertragungssystems<br />

<strong>für</strong> CAN in BRENDEL U. SCHWARZ.<br />

Bild 4: Spielzeiten und Personalbindung <strong>für</strong> die Automatisierungsstufen<br />

Die Automatisierung einzelner Teilschritte eines Kranspiels bringen den Vorteil Personal<br />

zu entlasten, Vorgänge zu beschleunigen, Transporte rechnergesteuert abzuwickeln.<br />

Aus Bild 5-4 geht hervor, dass das Kranspiel bei den Automatikstufen Leerund<br />

Lastfahrt verlängert wird. Dies wird durch die zusätzlich erforderlichen Hub- und<br />

Senkvorgänge des Steuerschalters verursacht. Ein an jedem Übergabeort vorhandener<br />

Funk- oder Infrarotsteuerschalter schafft hier Abhilfe (BRENDEL U. SCHWARZ). Mit<br />

jeder höheren Automatisierungsstufe nimmt allerdings der Zeitanteil ab, an dem Personen<br />

am Ablauf des Kranspiels beteiligt sind. Die größte Ersparnis bringt dabei die<br />

Einführung der automatisierten Leerfahrt, bei der die Zeitanteile auf freien Kran warten<br />

und Kran holen entfallen.<br />

5-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

5 Positionierproblematik<br />

MATVAR<br />

Die Anforderung an die Positioniergenauigkeit (=maximal zulässige Abweichung von<br />

der Soll-Position) ist im Wesentlichen von der Automatisierung der Lastübergabe abhängig.<br />

• Wird eine Last manuell übergeben, so müssen die Antriebe lediglich positionierfähig<br />

sein. Unter Positionierfähigkeit versteht man die Eigenschaft des Antriebes,<br />

sie mit Steuerschaltern so genau ansprechen zu lassen, dass Positioniervorgänge<br />

mehr oder weniger gut durchgeführt werden können. Im Kranbaukasten KBK<br />

werden Kran-, Katz- und Hubwerksantriebe verwendet, die diese Anforderungen<br />

erfüllen.<br />

Bild 5: Positionierproblematik<br />

• Soll eine Last allerdings automatisch übergeben werden, muss die Positionierung<br />

der Last so genau erfolgen, dass eine automatisch abgesetzte Last wieder automatisch<br />

gefunden und aufgenommen werden kann. Es interessiert insbesondere<br />

die Positioniergenauigkeit der Last und des Lastaufnahmemittels in Relation<br />

zum Übergabeplatz.<br />

Die Positioniergenauigkeit hängt dabei von zahlreichen Faktoren ab:<br />

5-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

• Mechanik des gesamten Kransystems:<br />

Stahlportal, Aufhängung, Kranbahn, Kranbrücke, Krankatze, Lastführung, Lastaufnahmemittel,<br />

Behälter<br />

• Dynamik des gesamten Kransystems:<br />

Beschleunigungen, Geschwindigkeiten, Hubhöhe, Zeit zwischen Erreichen der<br />

Zielposition von Kran/Katze in höchster Hubstellung und der des Hubwerks<br />

• Positionierfähigkeit der Regelung <strong>für</strong> die Zielpunktanfahrt<br />

Die größte Ungenauigkeit entsteht meist durch das Pendeln der Last. Dieses wird<br />

verursacht durch Beschleunigungen und Verzögerungen des Krans oder durch eine<br />

Lastaufnahme außerhalb des Lastschwerpunkts. Bei bisherigen Kranautomatisierungen<br />

wurde durch Pendeldämpfungsmechanismen und sehr genauer Mechanik und<br />

Dynamik des Systems eine möglichst gute Positioniergenauigkeit (im Bereich weniger<br />

Millimeter) erreicht.<br />

Mit der Verwendung des Kranbaukastensystems KBK der Fa. Mannesmann Dematic<br />

AG hat das Projekt MATVAR allerdings den Ansatz gewählt, ein möglichst einfaches<br />

mechanisches System zu verwenden, das die Einleitung nur geringer Kräfte in die<br />

Kranbrücke zulässt. Aus konstruktiven und damit auch aus finanziellen Gründen<br />

werden hier Lasten bei automatisierten Transporten nur in der höchsten Hubstellung<br />

befördert. Die Reduzierung der Pendellänge führt zu kleineren Pendelausschlägen<br />

und zu einer kürzeren Beruhigungszeit.<br />

Sind die Lastbewegungen im Zielpunkt dann immer noch zu groß, bieten sich verschiedene<br />

Maßnahmen zur Positionierung an:<br />

a) Zentrierung des Lastaufnahmemittels auf der Last<br />

b) Zentrierung der Last am Übergabeplatz<br />

c) Zentrierung des Lastaufnahmemittels am Übergabeplatz<br />

d) Zentrierung der Last in der höchsten Hubstellung<br />

e) Zentrierung des Lastaufnahmemittels in der höchsten Hubstellung<br />

Die Anforderung, ob ein Lastaufnahmemittel zur Last zentriert werden muss oder<br />

nicht, hängt von den Greifmöglichkeiten der Last ab. Beispiel: Für ein automatisches<br />

Greifen von VDA-KLT-Behältern in den da<strong>für</strong> vorgesehenen Langlöchern ist ein Zentrieren<br />

des Lastaufnahmemittels auf der Last unabdingbar (BAMBYNEK BILD 5, 6 UND<br />

7). Dagegen lassen sich Großladungsträger und Gitterboxen mit ihren größer dimensionierten<br />

Greifmöglichkeiten ohne Zentrierungen aufnehmen.<br />

Am Übergabeplatz selbst ist grundsätzlich ein Zentrieren über die Ecken der Behälter<br />

am sinnvollsten. Beim Absenken der Last wird diese zusammen mit dem Lastauf-<br />

5-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

nahmemittel über Schrägen zur Zielposition geführt. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass das Lastaufnahmemittel nach dem Öffnen in die Ausgangslage zurückschwingt.<br />

Reichen die Möglichkeiten an den Übergabeplätzen und den Lastaufnahmemitteln<br />

nicht aus, um eine automatische Positionierung zu realisieren, helfen im einfachsten<br />

Fall Zentrierungen in der höchsten Hubstellung. Damit wird das Pendeln der Last und<br />

des Lastaufnahmemittels bei der Zielpunktanfahrt in der höchsten Hubstellung reduziert.<br />

Je nach Katz-, Kran- und Hubwerkskonstruktion hat man im Projekt MATVAR<br />

verschiedenste Positionierhilfen konzipiert, konstruiert und getestet.<br />

Wegmesssysteme<br />

Für das automatische Anfahren der Zielposition wird die Kranbrücke (x-Achse), die<br />

Krankatze (y-Achse) und das Lastaufnahmemittel bzw. die Last (z-Achse) positioniert.<br />

Je nach Automatisierungsgrad und Einsatzfall eignen sich unterschiedliche<br />

Wegmesssysteme <strong>für</strong> diese Aufgaben.<br />

Der Lehrstuhl LSR hat hier eine Marktanalyse und Bewertung durchgeführt.<br />

Die Anforderungen an Wegmesssysteme unterscheiden sich genau wie die allgemeine<br />

Positionierproblematik stark in Abhängigkeit von einer manuellen oder automatischen<br />

Lastübergabe. Bei automatischen Leerfahrten oder Lastfahrten mit manueller<br />

Lastübergabe ist eine wesentlich ungenauere Positionierung von Kranbrücke<br />

und –katze zulässig, als dies bei der automatischen Lastübergabe notwendig ist.<br />

Magnetische Prinzipien<br />

Durchlichtprinzip<br />

1 2 3 4<br />

Kran bzw. Katze<br />

Verlassen der Kranbahn<br />

nicht möglich<br />

Katze<br />

Katzüberfahrt zwischen<br />

Kranen möglich<br />

Einsatzgebiete<br />

Hängebahn<br />

Kurvengängigkeit,<br />

Weichengängigkeit<br />

inkremental X X X<br />

absolut (Code-Lineal) X X X<br />

inkremental X X X<br />

absolut (Code-Lineal) X X X<br />

Auflichtprinzip X X X<br />

Laser-Impulslaufzeitprinzip X X X<br />

Zahnriemen/Kette X<br />

Reibrad X X X X<br />

Zahnstange X X<br />

Seilzugsysteme X X<br />

diskrete Systeme X X X X<br />

Bild 6: Eignung verschiedener Messprinzipien nach Einsatzgebieten<br />

Hubwerk<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Für die Auswahl eines Wegmesssystems ist daneben auch das Einsatzgebiet bzw.<br />

die Krankomponente selbst ausschlaggebend. In Bild 6 sind folgende Fälle unterschieden:<br />

1) Kran bzw. Katze, bei der das Verlassen der Kranbrücke nicht möglich ist.<br />

2) Katze, bei der eine Überfahrt zwischen kombinierbaren Kranbrücken möglich ist.<br />

3) Hängebahnbetrieb (Kurven- und Weichengängigkeit)<br />

4) Hubwerk<br />

Anhand der Bewertungskriterien (Montageaufwand, Kosten, Zusatzaufwand <strong>für</strong><br />

Nachrüstung eines zweiten Krans, Positionserkennung nach Stromausfall, Ortsflexibilität,<br />

Erweiterung um eine Position und Messgenauigkeit) wurde eine gewichtete<br />

Punktbewertung durchgeführt. Jedes Messsystem wurde <strong>für</strong> jedes Bewertungskriterium<br />

mit 0 (nicht erfüllt) bis 10 Punkten (voll erfüllt) bewertet, mit der Gewichtung<br />

multipliziert und anschließend aufsummiert.<br />

Für den Anwendungsfall mit manueller Lastübergabe eignen sich <strong>für</strong> die Kranbrückenposition<br />

mitlaufende Reibräder, Seilzugsysteme, Lasersysteme und sogenannte<br />

diskrete Systeme (Kreuzschalter, Sensoren) am besten.<br />

Bild 7: Bewertung und Auswahl von Wegmesssystemen <strong>für</strong> den Anwendungsfall<br />

automatische Lastübergabe<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Für den Anwendungsfall mit automatischer Lastübergabe (Bild 7) eignet sich - insbesondere<br />

<strong>für</strong> den Fall mit Katzüberfahrten von Kranbrücken in Hängebahnstrukturen -<br />

ein optisches Messverfahren nach dem Durchlichtprinzip, das WCS-System der Fa.<br />

R. Stahl Fördertechnik GmbH (STAHL 1998). Hier wird neben der Kranbrücke und<br />

Hängebahnschiene eine einspurige Codeschiene mit einer Abfolge von rechteckigen<br />

Löchern und Stegen verlegt, die einen auszuwertenden Code darstellen. Ein Lesekopf<br />

kann so bis zu einer Weglänge von über 300m unterschiedlichste Muster erkennen<br />

und den exakten Positionswert als Information auf das Bussystem ausgeben.<br />

Für die Positionierung der Kranbrücke und der Hubwerke eignen sich am besten<br />

Seilzugsysteme. Sie heben sich von anderen Systemen hauptsächlich wegen der<br />

einfachen Montage und den geringen Kosten ab.<br />

6 Gestaltung von Katzen und Brücken<br />

Bei der Gestaltung von Krankatze und Kranbrücke müssen beachtet werden:<br />

• Anzahl der Seilabläufe und damit die Festlegung der Lastorientierung<br />

• Anordnung der Seilabläufe, der Seiltrommeln und Antriebe<br />

• Lagerung der Katze, Gestaltung der Kranbrücke und damit die Festlegung der<br />

Freiheitsgrade der Katze zur Brücke<br />

• Überfahrmöglichkeit der Katze und Kurvengängigkeit der Katze <strong>für</strong> Hängebahnbetrieb<br />

• Durchbiegung und Schwingung der Kranbrücke<br />

• Spurtreue der Kranbrücke<br />

• Abmaße, Bauhöhe und Möglichkeiten <strong>für</strong> Anbauten wie Zentrierungen, zusätzliche<br />

Antriebe <strong>für</strong> hochziehbaren Steuerschalter, Wegmesssysteme <strong>für</strong> Katze und<br />

Hubwerk, Energieversorgung der Lastaufnahmemittel usw.<br />

Bild 8 zeigt konzeptionell, wie sich bei Ein- und Zwei-Seil-Katze die Last bei nicht<br />

zentrischer Beladung verdrehen kann. Der Auslenkwinkel a lässt sich durch ein größeres<br />

Maß h zwischen Lastschwerpunkt und Oberkante Spreizung reduzieren.<br />

Ebenso erzeugt ein größeres Gewicht eines symmetrischen Lastaufnahmemittels<br />

ein kleineres d und damit ein kleineres a. Aufgrund der Positionierproblematik<br />

wird <strong>für</strong> automatische Übergaben auf eine Ein-Seil-Katze verzichtet, eine Zwei-Seil-<br />

Katze <strong>für</strong> den Transport der VDA-Kleinladungsträgern getestet. Die Zwei-Seil-Katze<br />

hat den Vorteil, dass sie durch eine einfache Anordnung von Seiltrommel und Antrieb<br />

so baut, dass sie in einer Einträgerkranbrücke verfahren werden kann und sich deswegen<br />

<strong>für</strong> den Einsatz in Hängebahnstrukturen mit Kurven und Weichen eignet.<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

Bild 8: Konzeption der Anzahl und Anordnung der Seile<br />

MATVAR<br />

Soll ein Drehen der Last um alle Achsen größtmöglich reduziert werden, ist eine Katze<br />

mit vier einfach eingescherten Seilen am sinnvollsten. Die Anordnung der Seilangriffspunkte<br />

(Bild 8 rechts unten) muss dabei nicht über den Behälterecken liegen.<br />

Dies hätte eine viel zu groß bauende Katze zur Folge. So werden die Seilangriffspunkte<br />

1-4 zur Behältermitte verschoben. Liegt der gemeinsame Schwerpunkt G von<br />

Transportgut, Behälter, Lastaufnahmemittel und Adapter im grau hinterlegten Viereck,<br />

so tragen alle vier Seile einen Teil der Last; es kommt zu keiner Schlaffseilbildung.<br />

Liegt G im schraffierten Bereich, tragen nur drei Seile die gesamte Last; das<br />

System ist statisch bestimmt. Liegt G außerhalb des Rechtecks 1-4, kippt der Behälter;<br />

die Anlage stoppt wegen Schlaffseilbildung. Für den Transport der Großladungsträger<br />

wird eine Vier-Seil-Katze, eine sogenannte Quadro-Blockwinde, in einer Zweiträgerkranbrücke<br />

verwendet.<br />

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Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Die Zweiträgerkranbrücke ist ab einer bestimmten Spannweite zum Erreichen der<br />

notwendigen Tragfähigkeit erforderlich. Zusätzlich verhindert sie aufgrund einer<br />

breiteren Abstützbasis ein Pendeln der Katze, hat allerdings den Nachteil, dass Kurvenfahrten<br />

nicht ohne erhöhten konstruktiven Aufwand möglich sind.<br />

Um trotz des einfachen mechanischen Kranbaukastensystems KBK eine möglichst<br />

gute Positioniergenauigkeit erreichen zu können, werden die Kranbrücken mit starren<br />

Krantraversen aufgebaut. Damit erzielt man eine ausreichende Spurtreue und verhindert<br />

das Drehen der gesamten Brücke.<br />

7 Einsatzfälle und Anwendungen<br />

Wo<strong>für</strong> eignet sich nun das bisher beschriebene Leichtfördersystem im Überflurbereich?<br />

Die Automatisierung untereinander kombinierbarer Hängekrane, die Vernetzung mit<br />

der bewährten Hängebahntechnik und die Möglichkeit mehrere Katzen auf einer<br />

Kranbrücke betreiben zu können, machen den Kran zu einem verfahrbaren Hängebahn-Schienenelement<br />

und den manuellen Kranbaukasten zu einem in Stufen automatisierten,<br />

innerbetrieblichen Materialflusssystem. Damit stehen <strong>für</strong> die flächige Erschließung<br />

des Produktionsfeldes Krane und <strong>für</strong> den linienförmigen Transport Hängebahnen<br />

zur Verfügung.<br />

Durch den Ansatz Positionierungenauigkeiten bewusst zuzulassen, ist es möglich,<br />

ein einfaches mechanisches System zu verwenden. Der Ansatz die Mechanik, die<br />

Elektrik und Steuerung modular und die einzelnen Automatik- und Ausbaustufen so<br />

zu gestalten, dass sie sich aufeinander aufbauen und miteinander kombinieren lassen,<br />

führt zu einem ersten Mechanik- und Steuerungsbaukasten.<br />

Mit dem Leichtfördersystem im Überflurbereich ergeben sich neue Perspektiven <strong>für</strong><br />

den Einsatz im Produktionsprozess: Die Anordnung der Betriebsmittel kann ohne<br />

Berücksichtigung der Transportwege geschehen. Diese werden einfach in den Überflurbereich<br />

verlagert.<br />

Grundsätzlich sind folgende Einsatzmöglichkeiten vorstellbar (GÜNTHNER U.<br />

HANDRICH 1998):<br />

• Transport zwischen Fertigungsbereichen<br />

• Versorgung einzelner Fertigungsinseln<br />

• direkte Maschinenver- und –entsorgung<br />

• Lagerbedienung<br />

• Versorgung temporäre Fertigungspuffer wie zum Beispiel: Bodenlager, Verschiebebodenregallager,<br />

Paternosterlager aber auch Hängebahnlager<br />

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Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

• Versorgung von Kommissionierbereichen: An- und Ablieferung der Ware auf<br />

standardisierten Ladungsträgern<br />

• Einsatz <strong>für</strong> Montagevorgänge<br />

• Ladebereitstellung <strong>für</strong> außerbetrieblichen Transport<br />

• Fahrzeugbe- und –entladung<br />

Einige Anwendungsfälle machen nur Sinn, wenn die Automatisierung des Krans so<br />

angepasst wird, dass die Last manuell vom Werker vor Ort feinpositioniert und übergeben<br />

wird, andere – insbesondere die Kombination mit Stetigförderern oder die<br />

Versorgung von Lagern nur wenn eine vollautomatische Lastübergabe stattfindet.<br />

Für die Versorgung von Fertigungspuffern bieten sich mehrere Möglichkeiten an:<br />

Bild 9: Lagerkonzepte <strong>für</strong> temporäre Fertigungspuffer<br />

Leider eignen sich Krane kaum als Lagerbediengerät mit seitlicher Bedieneinheit.<br />

Besondere Regelungen und Lastaufnahmemittel sind da<strong>für</strong> notwendig (HOFER,<br />

LAHRES U.A. 1999). Deshalb werden Krane meist zur Beschickung von Boden- und<br />

Blocklagern mit direktem Zugriff von oben eingesetzt. Bodenlager haben den Nachteil,<br />

dass nur in einer Lage gelagert wird und sie damit einen kleinen Flächennut-<br />

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Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

zungsgrad aufweisen. In mehrlagigen Blocklagern ist ein aufwendiges Umschichten<br />

der Lagergüter erforderlich, wenn nicht aus der obersten Ebene entnommen oder<br />

sortenrein in jeder Lagersäule eingelagert wird. Blocklager erfordern beim Einsatz<br />

des hier entwickelten Leichtkransystems <strong>für</strong> den automatischen Zugriff zusätzlich<br />

Positioniervorrichtungen, die die Last bzw. das Lastaufnahmemittel in der obersten<br />

Lage zentrieren.<br />

Für die Regalbedienung mit flurfreier, innerbetrieblicher Fördertechnik gibt es bisher<br />

Regale mit von Hand auszuziehenden Lagerböden oder Schubladen, auf die Güter<br />

von oben manuell abgestellt und aufgenommen werden können. Sie wiederum haben<br />

den Nachteil, dass der Ausfahrmechanismus bei höheren Lasten sehr groß baut,<br />

eine Bedienung bisher nur manuell möglich ist und dies in Höhen über 2 m Sicherheitsrisiken<br />

<strong>für</strong> den Bediener mit sich bringt.<br />

Abhilfe schafft ein Lager mit Böden, die sich automatisch so verfahren lassen, dass<br />

jeder Lagerplatz von oben mit Kranen erreichbar ist. Der Lehrstuhl LSR hat zusammen<br />

mit der Fa. OBTec Steuerungstechnik in einem von Bayern Innovativ geförderten<br />

Projekt ein solches Verschiebebodenregal entwickelt und aufgebaut.<br />

Bild 10: Lagersystem mit verfahrbaren Böden<br />

Dieses Regal ist geeignet <strong>für</strong> die Einlagerung von Kunststoff-Großladungsträgern mit<br />

dem Leichtfördersystem im Überflurbereich. Das Regal verfährt automatisch die einzelnen<br />

Böden, verfügt über eine Lagerverwaltung und lässt sich an ein Leitsystem<br />

anschließen.<br />

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Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

8 Pilotanlage<br />

Bild 11: Pilotanlage am Lehrstuhl LSR<br />

MATVAR<br />

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Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

MATVAR<br />

Im Rahmen dieses Projektes ist am Lehrstuhl LSR eine Pilot- bzw. Versuchsanlage<br />

als Prototyp <strong>für</strong> ein Materialflusssystem <strong>für</strong> dynamische Produktionsstrukturen entstanden.<br />

Sie besteht aus:<br />

• dem Leichtfördersystem im Überflurbereich (siehe MÜLLER U.A.)<br />

• angebundener Fördertechnik, Schwerlastrollenbahnen <strong>für</strong> Großladungsträger und<br />

Stauförderern <strong>für</strong> VDA-Kleinladungsträger<br />

• angebundener Lagertechnik wie Boden-, Block- und Verschiebebodenlager<br />

• Übergabeplätzen, die sich <strong>für</strong> eine automatisierte Lastübergabe eignen und<br />

• Staplern, die über ein Leitsystem angebunden sind.<br />

9 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Mit dem Leichtfördersystem im Überflurbereich, einer Weiterentwicklung des Kranbaukastensystems<br />

KBK der Fa. Mannesmann Dematic AG, entstand ein zukunftsweisendes<br />

Materialflusssystem, mit dem sich gesamte Fertigungsbereiche flächendeckend<br />

bedienen lassen. Durch die Verlagerung der Transportvorgänge in<br />

den Überflurbereich kann auf kurzfristige Layoutänderungen in dynamischen Produktionsstrukturen<br />

weitaus flexibler als mit herkömmlichen Fördergeräten reagiert<br />

werden. Es lassen sich geschlossene Behälter (Kunststoff-Großladungsträger bis<br />

500kg, Gitterboxen bis zu 1000kg und VDA-Kleinladungsträger bis 50kg) transportieren.<br />

Für den automatisierten Transport von Lasten mit Kranen in einem Umfeld, in<br />

dem sich Personen aufhalten, sind entsprechende Konzepte entstanden.<br />

Um <strong>für</strong> jeden Anwendungsfall die passende Automatisierungsstufe anbieten zu können,<br />

wurde ein in Stufen automatisierbares System entwickelt. Die Umsetzung eines<br />

Baukastensystems nicht nur in Mechanik, sondern auch in Elektrik, Steuerung und<br />

Programmierung ist da<strong>für</strong> notwendig. Hier wurde mit dem Einsatz von busfähigen<br />

Steuerungskomponenten im Kranbaukasten KBK ein erster Schritt getan.<br />

Der Positionierung der Last bzw. des Lastaufnahmemittels kommt bei automatisierten<br />

Anlagen immer eine besondere Bedeutung zu. Die gesamte Positionierproblematik<br />

kann umgangen werden, wenn das automatisierte Kransystem nur in der<br />

höchsten Hubstellung die Zielposition anfährt und dort der Werker im Produktionsumfeld<br />

die Lastübergabe übernimmt. Aber auch <strong>für</strong> den Fall der automatischen Lastübergabe<br />

mit dem einfachen KBK-System sind die <strong>für</strong> eine genaue Positionierung<br />

notwendigen Komponenten entwickelt worden.<br />

In einer Versuchsanlage am Lehrstuhl LSR wurden die wesentlichen Projektergebnisse<br />

umgesetzt, in Betrieb genommen und getestet. Damit steht ein geeignetes und<br />

großzügiges Testfeld <strong>für</strong> zukünftige Untersuchungen und Weiterentwicklungen zur<br />

Verfügung.<br />

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Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />

Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />

10 Literatur<br />

GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997<br />

Günthner, Allgayer:<br />

Verbundforschungsprojekt „MATVAR“ ist angelaufen ,<br />

Logistik im Unternehmen, Nr. 10 Oktober 1997, S. 28-30.<br />

MATVAR<br />

GÜNTHNER U. HANDRICH 1998<br />

Günthner, Handrich:<br />

Einsatzmöglichkeiten eines Leichtfördersystems im Überflurbereich, Logistik<br />

aktuell: Automatisierte Krane- Einsatzerfahrungen und Entwicklungstendenzen,<br />

Dresden, 15. Mai 1998, Hrsg.: H.-G. Marquardt.<br />

GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998<br />

Günthner, Bambynek:<br />

Schnittstellenbaukasten: Integrierbarkeit eines flurfreien Leichtfördersystems,<br />

Hebezeuge und Fördermittel, Band 38 (1998) Heft 12, S. 593-595.<br />

HESSE 1995<br />

Hesse:<br />

Technik und Anwendung automatisierter Krane, Hebezeuge und Fördermittel,<br />

Band 35 (1995) Heft 12, S. 521-524.<br />

HOFER, LAHRES U.A. 1999<br />

Hofer, Lahres u.a.:<br />

Regallager-Bedienung mit Automatikkran, Hebezeuge und Fördermittel, Band<br />

39 (1999) Heft 10, S.456-459.<br />

STAHL 1998<br />

N.N.:<br />

Die Stahltronic-Komponenten. F-PB-5.3-D-04.98.<br />

VDI 1995<br />

VDI-Richtlinie 3653: Automatisierte Kransysteme. Düsseldorf, März 1995<br />

5-22


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

,QWHJUDWLRQ HLQHV IOH[LEOHQ +lQJH<br />

NUDQ +lQJHEDKQV\VWHPV LQ GHQ<br />

LQQHUEHWULHEOLFKHQ 0DWHULDOIOXVV<br />

'LSO ,QJ $OH[DQGHU %DPE\QHN<br />

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MATVAR<br />

6-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

1 Einführung<br />

MATVAR<br />

Eine dynamische und sich ständig im Wandel befindliche Fertigungsstruktur erfordert<br />

anpassungsfähige Fördersysteme. Erforderlich ist da<strong>für</strong> eine hohe Flexibilität <strong>für</strong> sich<br />

ändernde Förderaufgaben. Sie werden durch zu transportierenden Lasten, durch die<br />

Transportleistung und durch sich häufig wechselnde Quellen-Senken-Beziehungen<br />

bestimmt. Die genannten Anforderungen waren der Anstoß <strong>für</strong> das Forschungsprojekt<br />

MATVAR (GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997), dessen Forschungsziel u.a. die Entwicklung<br />

von <strong>variable</strong>n <strong>Materialflusssysteme</strong>n in unterschiedlichen Automatisierungsgraden<br />

ist.<br />

Am Materialfluss sind eine Vielzahl von Komponenten zum Fördern, Lagern, Puffern<br />

und Kommissionieren beteiligt, die zusammen den Materialfluss in der Produktion<br />

abwickeln. Sie müssen, um ihre Funktion zu erfüllen und um im Verbund mit anderen<br />

operieren zu können, in das Gesamtsystem integriert werden (GÜNTHNER U.<br />

BAMBYNEK 1998). Alle Komponenten, die diese Fähigkeit besitzen, sind systemfähig<br />

<strong>für</strong> ein innerbetriebliches Materialflusssystem. Im Arbeitspakets 5: „Informatorische,<br />

energetische und physische Schnittstellen“, werden hierzu die gemeinsame Eigenschaften<br />

und Verbindungen der Komponenten festlegt, damit das flexible Materialflusssystem<br />

im Verbund mit allen daran beteiligten Komponenten funktionieren kann.<br />

Bild 1: Systemintegration eines Hängekran- Hängebahnsystems in den innerbetrieblichen<br />

Materialfluss<br />

6-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

Im Vordergrund der Betrachtung steht ein layoutflexibles, automatisiertes Hängekran-<br />

und Hängebahnsystem (Bild 1), welches nicht flurgebunden ist und damit keine<br />

Einschränkungen hinsichtlich der Transportwege erfährt. Es besteht aus einer oder<br />

mehreren parallelen Kranbahnen auf denen jeweils eine oder mehrere Kranbrücken<br />

fahren können. Auf jeder dieser Kranbrücken können mehrere Katzen fahren, die<br />

über ihren Seiltrieb ein Lastaufnahmemittel absenken, um Lasten im gesamten Arbeitsraum<br />

von Kran und Katze aufnehmen oder abgeben zu können. Die Verriegelung<br />

von je zwei Kranbrücken auf parallelen Kranbahnen ermöglicht die Überfahrt der<br />

Krankatzen. Alternativ ist die Überfahrt auf eine Hängebahn möglich. Durch eine<br />

Kombination der beschriebenen Möglichkeiten kann ein Produktionsfeld überspannt<br />

werden. Es entsteht ein Materialflussnetz im Überflurbereich mit mehren Kranen auf<br />

unterschiedlichen, parallelen Kranbahnen und Katzen. Zur Reduzierung der Personalbindung<br />

kann das Hängekran- Hängebahnsystem in Stufen automatisiert werden:<br />

• Manuellbetrieb<br />

• Automatisierte Leerfahrt<br />

• Automatisierte Lastfahrt<br />

• Automatisierte Lastauf- und Lastabgabe<br />

Das betrachtete Gesamtsystem besteht zusätzlich aus flurgebundenen Fördergeräten<br />

wie Gabelstaplern. Hinzu kommt herkömmliche Stetigfördertechnik wie Rollenbahnen,<br />

Kettenförderer und Bandförderanlagen, die zwar nicht als ortsflexibel eingestuft<br />

werden können, aber <strong>für</strong> den Materialfluss innerhalb der Produktionszellen unverzichtbar<br />

sind. Zu dem Materialflusssystems gehört auch die Lagertechnik. Im einfachsten<br />

Fall werden Blocklager als fertigungsnahe Pufferlager eingesetzt, die sowohl<br />

durch die Krananlage als auch mit dem Stapler bedient werden können. Die<br />

Anbindung an Hochregallager ist durch Übergabe an Auf- und Abgabeplätze in der<br />

Lagervorzone möglich.<br />

Das beschriebene flurfreie Leichtfördersystem <strong>für</strong> Lasten bis zu 1t soll im Rahmen<br />

des Projekts zu einer systemfähigen Materialflusskomponente entwickelt und flexibel<br />

in den Materialflussverbund integriert werden. Das Hautaugenmerk liegt auf der Anpassung<br />

an die Förderaufgabe und die Anbindung an unterschiedliche Materialflusstechnik<br />

unter Berücksichtigung von Sicherheitsanforderungen. Es gibt hierzu<br />

eine Vielzahl weiterer Aspekte (Bild 1), wie bauliche Randbedingungen, Anforderungen<br />

hinsichtlich der Bedienung und der Einbindung in ein Steuerkonzept, die hier<br />

zwar angesprochen, jedoch nicht weiterverfolgt werden.<br />

6-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

2 Vorgehensweise bei der Systemeinbindung der Kran-<br />

Hängebahnanlage<br />

MATVAR<br />

Am Anfang einer systematische Vorgehensweise zur Festlegung von Schnittstellen<br />

<strong>für</strong> ein flexibles Materialflusssystem (Bild 2) steht die funktionale Analyse des Gesamtsystems.<br />

Eine anschließende Aufteilung in Funktionsgruppen schafft unabhängige<br />

Komponenten <strong>für</strong> ein Bauprogramm. Die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten<br />

ermöglichen schließlich den Aufbau verschiedener Gesamtsysteme unter<br />

der Vorgabe, dass die Änderung einer Komponente nicht zur Änderung aller anderen<br />

des Materialflusssystems führt. Eine Anpassung darf, falls nötig, nur im vorbestimmten<br />

Rahmen vorgenommen werden. Häufig erfolgt die Systemaufteilung nach Anlagengewerken,<br />

<strong>für</strong> die jeweils ein Hersteller die Verantwortung trägt. Die Komponenten<br />

werden meist nachträglich aufeinander abgestimmt. Diese Vorgehensweise führt<br />

oft dazu, dass <strong>für</strong> unterschiedliche Gesamtsysteme nicht einheitliche Systemgrenzen<br />

spezifiziert werden. Im ungünstigsten Fall sind bei Erweiterungen oder Umrüstungen<br />

nachträgliche, funktionale Veränderungen notwendig. Die Flexibilität kann dadurch<br />

eingeschränkt werden.<br />

Anhand der Funktions- und Schnittstellenbeschreibung können bestehende Komponenten<br />

ausgewählt oder gegebenenfalls neue Komponentenkonzepte erstellt und<br />

bewertet werden. Wichtigstes Kriterium ist die Funktionalität. Darüber hinaus ist die<br />

Sicherheit der Anlage zu berücksichtigen. Eine erste Beurteilung in der Konzeptphase<br />

ist nach der EG-Maschinenrichtlinie <strong>für</strong> alle Maschinen und Anlagen vorgeschrieben,<br />

obwohl eine umfassende Zusammenstellung der Gefahrenrisiken erst nach der<br />

Umsetzung durch Produktbeobachtung möglich ist. Als Instrument dient die Gefahrenanalyse,<br />

in der alle möglichen Gefahrenursachen zusammengestellt werden. Zur<br />

Verminderung müssen Maßnahmen ergriffen und dokumentiert werden mit dem Ziel,<br />

das Restrisiko so klein wie möglich zu halten. Der Maßstab <strong>für</strong> die Bewertung sind<br />

der Stand und die Regeln der Technik. Hierzu zählen <strong>für</strong> den Einsatz von Krananlagen<br />

z.B. die Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Krane“, die UVV „Lastaufnahmeeinrichtungen<br />

im Hebezeugbetrieb“ und weitere anerkannte Regeln der Technik wie die<br />

VDI 3653 „Automatisierte Kransysteme“.<br />

Da die Funktionalität und die Sicherheit der Komponenten stets Vorrang haben, wird<br />

die Flexibilität zuletzt bewertet. Kriterien sind die Erweiterbarkeit um Komponenten<br />

und die Adaptierbarkeit bei Veränderung der Gesamtanlage. Ein Beispiel hier<strong>für</strong> ist<br />

die Erhöhung des Automatisierungsgrades der Krananlage von einem Kran mit automatisierter<br />

Leerfahrt hin zu einem Kran mit automatisierter Lastfahrt:<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

• Flexible Lastaufnahmemittel sind weiter einsetzbar, wenn sie der neuen Aufgabe<br />

angepasst werden<br />

• Geeignete Behälter können auch <strong>für</strong> den automatisierten Krantransport genutzt<br />

werden.<br />

In der Umsetzung und Testphase ist eine abschließende Bewertung nach den Kriterien:<br />

Funktionalität, Sicherheit und Flexibilität möglich. Die dabei überprüften<br />

und eventuell verbesserten Spezifikationen stellen einen Vorschlag <strong>für</strong> die flexible<br />

Integration des Hängekran-Hängebahnsystems in den Materialfluss dar.<br />

Bild 2: Vorgehensweise bei der Festlegung von Funktionalitäten und<br />

Schnittstellenspezifikationen<br />

6-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

3 Aufteilung in Systemkomponenten<br />

MATVAR<br />

Zur Spezifikation von Schnittstellen werden die in Bild 3 dargestellten Komponenten<br />

mit ihren zugeordneten Aufgaben und Eigenschaften festgelegt. Diese Aufzählung<br />

enthält u.a. getrennte Beschreibungen von automatisch bedienten Förder-, Lagerund<br />

Bodenlagerplätzen. Hinsichtlich ihrer Beziehung zum Kran treten jedoch keine<br />

Unterschiede auf, da <strong>für</strong> den Kran nur wichtig ist, ob der automatisierte Zugriff auf<br />

einen Platz mit einer gelernten Position möglich ist:<br />

1. Hängekran-Hängebahnsystem:<br />

Die in der Einführung beschriebene Anlage übernimmt die Leer- und Lastspiel in<br />

unterschiedlichen Automatisierungsstufen, angefangen vom manuellen Kran bis<br />

hin zur Vollautomatikfahrt. Das Kran- und Katzfahren erfolgt aus Sicherheitsgründen<br />

und, um Pendelbewegungen der Last zu verringern, in der höchsten Hubstellung.<br />

An den Übergabestellen wird die Last über ein Hubwerk zum An- bzw.<br />

Abschlagen abgesenkt. Im Fall einer automatischen Anfahrt oder Bedienung des<br />

Übergabeplatzes muss diese Position vorab „geteacht“, d.h. gelernt werden.<br />

2. Lastaufnahmemittel:<br />

Greifer übernehmen die formschlüssige Lastaufnahme und Lastabgabe, nachdem<br />

sie durch den Kran hier<strong>für</strong> positioniert worden sind. Sie steuern ihre Bewegungen<br />

durch eine vom Kran unabhängige Steuerung und sorgen <strong>für</strong> eine sichere Lastverriegelung,<br />

die sie selbsttätig überprüfen. Die Lastaufnahmemittel stellen nach<br />

dem Senden der Kranfreigabe fest, ob die Verriegelung nicht mehr gewährleistet<br />

ist.<br />

3. Ladehilfsmittel:<br />

Für den Transport von Lasten werden Behälter eingesetzt. Sie sichern die Ladung<br />

gegen Absturz und schaffen einheitliche Greif- und Fördermöglichkeiten.<br />

Sie ermöglichen zusätzlich die Stapelbildung in Lagern und auf Paletten.<br />

4. Fördertechnik:<br />

Rollenbahnen übernehmen den Zu- und Abfluss in den Fertigungszellen. An den<br />

Lastabgabestellen wird das Transportgut vereinzelt und positioniert. An den Lastaufgabestellen<br />

helfen Einführungen bei der Positionierung auf den Förderer. Die<br />

Belegung der Aufgabe-, Abgabe- und Stauplätze werden über Sensorik überwacht.<br />

5. Lager:<br />

Sie werden in der Fertigung überwiegend zur Zwischenpufferung eingesetzt. In<br />

einem Blocklager werden kompatible Behälter gestapelt. Ein Zugriff auf jeden Behälter<br />

ist unter Umständen nur nach Umstapeln der Behälter möglich. Eine Ausnahme<br />

bilden einlagige Bodenlager. Als Alternative hierzu bietet ein Verschiebebodenregal<br />

den Zugriff auf jeden Behälter an. Das Lager fährt den entsprechen-<br />

6-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

den Behälter in die Position, von der er vom Kran abgeholt werden kann. Die Bedienung<br />

ist manuell als auch automatisiert möglich.<br />

Bild 3: Schnittstellenbeziehungen zwischen den Systemkomponenten<br />

6-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

6. Stapler:<br />

Gabelstapler werden <strong>für</strong> Transporte zwischen den Auf- und Abgabepunkten benötigt,<br />

die vom Hängekran- Hängebahnsystem nicht erreicht werden können. Sie<br />

schaffen eine zusätzliche Redundanz <strong>für</strong> alle anderen Transportvorgänge. Ein<br />

Staplermanagementsystem koordiniert die Aufträge <strong>für</strong> den Staplerfahrer. Sie<br />

werden auf einem mitfahrenden Terminal angezeigt und können übernommen, im<br />

Störungsfall zurückgegeben und nach erfolgreicher Abarbeitung quittiert werden.<br />

7. Übergabeplätze:<br />

Sind Auf- und Abgabeplätze nicht an Fördertechnik- und Lagerkomponenten gebunden,<br />

so haben Übergabeplätze im Fall der automatischen Bedienung lediglich<br />

die Aufgabe Behälter zu positionieren. Zur Unterstützung der Lastabgabe dienen<br />

Einführungen zur Ausrichtung auf die Platzposition.<br />

8. Sicherheitstechnik:<br />

Das Auftreten einer Störung darf nicht dazu führen, dass eine Gefährdung von<br />

Personen entsteht. Absperrungen mit Zugangsüberwachung verhindern, dass<br />

Personen sich im Bereich von Übergabestellen aufhalten. Türschalter, Lichtvorhänge<br />

oder Trittmatten registrieren, dass ein umzäunter Bereich betreten oder<br />

verlassen wird. Dies führt normalerweise zum Not-Aus und damit zur Energieabschaltung<br />

<strong>für</strong> die Antriebe der Automatikkrananlage. Eine Produktionsumgebung<br />

macht es jedoch erforderlich, dass ein Betreten von Plätzen, an denen Lasten<br />

automatisch übergeben werden, während des Betriebs der Anlage möglich ist,<br />

ohne einen Not-Aus zu verursachen. Eine Erlaubnis zum Betreten ist an die Bedingungen<br />

geknüpft, dass in diesem Zeitraum der Kran den Platz nicht anfahren<br />

darf. Die Anzeige erfolgt über eine Signallampe. Ist die Erlaubnis nicht erteilt und<br />

wird die Schutzeinrichtung verletzt, so muss der Not-Aus der Krananlage gewährleistet<br />

sein.<br />

9. Leitsystem:<br />

Ein übergeordnetes Leitsystem wird benötigt, um Transportaufträge zu verwalten<br />

und an die einzelnen Fördergeräte zu versenden. Diese enthalten die Quelle, das<br />

Ziel und eine eindeutige Behälterbezeichnung. Der Auftrag kann darüber hinaus<br />

um weitere Begleitdaten erweitert werden. Ohne einen Transportauftrag darf kein<br />

Fördergerät, weder automatisiert oder manuell, einen Transport ausführen. Handelt<br />

ein Bediener dieser Vorschrift zuwider, so muss das Abbild auf dem Leitrechner<br />

manuell korrigiert werden. Im Arbeitspaket 3 „Materialflusssteuerung“ werden<br />

zur Leitrechnerschnittstelle Konzepte erarbeitet und umgesetzt.<br />

Zwischen den beschriebenen Komponenten gibt es eine Vielzahl von mechanischen,<br />

elektrischen und informatorischen Schnittstellen, die abhängig sind von der beschriebenen<br />

Funktionalität. Eine Bezeichnung enthält Bild 3. Eine nähere Beschreibung<br />

erfolgt bei der Auswahl und Konzeption der Komponenten, da die Schnittstellenspezifikationen<br />

Anforderungskriterien sind, die erfüllt werden müssen.<br />

6-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

4 Auswahl geeigneter Behältersysteme<br />

MATVAR<br />

Eine Untersuchung des Lehrstuhls <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik<br />

(GÜNTHNER U. HANDRICH 1998) hat gezeigt, dass die Transportlasten im innerbetrieblichen<br />

Materialfluss zu 93,8% unter 1t und zu 33,4% unter 50kg liegen. In Bild 4 ist<br />

die Gewichtsverteilung der Lasten und eine Zuordnung zu geeigneten Ladehilfsmitteln<br />

dargestellt, die zur Handhabung unterschiedlichster Lastgeometrien eingesetzt<br />

werden. Bemerkenswert ist, dass <strong>für</strong> 62% aller Materialflussvorgänge bereits Behälter<br />

und Paletten benutzt werden.<br />

Bild 4: Gewichtsverteilung innerbetrieblicher Transporte mit Zuweisung geeigneter<br />

Ladehilfsmittel<br />

Eine geeignete Einteilung der innerbetrieblich genutzten Ladehilfsmittel in Kategorien<br />

erfolgt nach Abmessung und Gewicht:<br />

• Kunststoff-Kleinladungsträger im Format 600 x 400 <strong>für</strong> Lasten unter 50kg.<br />

• Paletten, Gitterboxen und Kunststoffgroßladungsträger der Maße 1200x1000 und<br />

1200x800 oder 800x600 <strong>für</strong> Lasten bis zu 1t.<br />

Ein Großteil der Transporte kann in Übereinstimmung mit der Umfrage in Ladehilfsmitteln<br />

der genannten Kategorien abgewickelt werden. Eine Ausnahme bilden die<br />

Paletten, die <strong>für</strong> den automatisierten Krantransport ungeeignet sind, da eine Sicherung<br />

der Ladung gegen Absturz der Last nicht immer sichergestellt ist. Die richtige<br />

Auswahl entscheidet, ob ein durchgängiger Materialfluss möglich ist. Schließlich<br />

6-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

müssen alle am Materialfluß beteiligten Fördergeräte die Behälter handhaben oder<br />

transportieren können. Folgende Kriterien sind wichtig <strong>für</strong> die Entscheidung:<br />

• Bodenkonstruktion, als Kriterium, ob der Transport auf eingesetzten Stetigförderen<br />

wie Rollenbahnen oder Kettenförderern möglich ist.<br />

• Hohes nutzbares Volumen als Kriterium <strong>für</strong> Lagerbehälter.<br />

• Stapelfähigkeit zur kompakten Ladeeinheitenbildung und Lagerung<br />

• Geringes Leermassen-Nutzlastverhältnis<br />

• Hohe Lebensdauer<br />

• Standardisierte Abmessungen<br />

• Greifmöglichkeiten zur Handhabung<br />

• Ausreichende Maßqualität als Voraussetzung <strong>für</strong> eine automatisiertes Greifen<br />

durch ein Kranlastaufnahmemittel<br />

Die Greifmöglichkeiten und deren Maßhaltigkeit entscheiden, ob der Behälter mit<br />

dem automatisierten Kran transportiert werden kann. Der VDA-KLT (VDA-<br />

Kleinladungsträger, Bild 5a) dient hier als Referenzbebälter <strong>für</strong> die hohe Variantenvielfalt<br />

im Bereich niedriger Nutzlasten. Es bietet neben normierten Abmessungen<br />

zahlreiche Greifmöglichkeiten, die <strong>für</strong> die geforderte formschlüssige Lastaufnahme<br />

genutzt werden können. Hierzu zählen horizontale Nuten und vertikale Greifschächte.<br />

Diese ermöglichen ein Greifen von „oben“ über Schächte und eine vollständigen<br />

Lastverriegelung. Für diesen Greifvorgang wird, im Gegensatz zum Eingreifen in die<br />

horizontale Nuten oder in die seitlich angebrachten Griffe kein zusätzlicher, seitlicher<br />

Raum benötigt. Das schlechte Volumennutzungsverhältnis durch die doppelwandige<br />

Ausführung des VDA-KLT soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Zahlreiche<br />

überarbeitete Behältersysteme orientieren sich an dem in DIN 30820 T1-9 spezifizierten<br />

Standard. Hierzu zählt beispielsweise auch der KLT-Behälter in einwandiger<br />

Ausführung.<br />

Ladehilfsmittel <strong>für</strong> größere Lasten (< 1t) sind <strong>für</strong> den Transport durch Flurförderzeuge<br />

ausgelegt. Für den Krantransport können die gleichen Aufnahmen (Bild 5b) wie <strong>für</strong><br />

die Gabelstapler genutzt werden. Der Behälterboden hat <strong>für</strong> den sicheren Transport<br />

eine wichtige Funktion, da das Lastaufnahmemittel im Gegensatz zum Stapler die<br />

Last nicht vollständig, sondern nur von beiden Seiten kurz untergreift. Alternativ<br />

müsste zur Lastauf- bzw. Lastabgabe der Kran oder die Katze verfahren, um die<br />

Greifbewegung zu realisieren. Die Folge wären unerwünschte Pendelbewegungen<br />

im Seiltrieb und ein großer Raumbedarf <strong>für</strong> die Greifbewegung. Im Gegensatz zum<br />

Boden werden die Seitenwände durch den Transport nicht belastet, sichern aber die<br />

Ladung gegen Absturz und sind die Voraussetzung da<strong>für</strong>, dass ein automatisierter<br />

6-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

Transport mit dem Kran möglich ist. Beim Stapeln begrenzt ihre Belastbarkeit die<br />

Stapelhöhe.<br />

Da sich viele Ladehilfsmittel der Kategorie bis zu 1t an die genormten Abmessungen<br />

aus Bild 5b halten, kann sich die konstruktive Gestaltung der Lastaufnahmemittel an<br />

diesen Maßen orientieren.<br />

Griff<br />

horizontale Greifnut<br />

Langloch<br />

Ziehnut vertikale Greifnut<br />

a) Greifmöglichkeiten am VDA-KLT 600x400<br />

145 145<br />

100<br />

Gabelaufnahmen<br />

b) Greifmöglichkeiten an Paloxen 1200x1000 und 1200x800<br />

Bild 5: Aufnahmemöglichkeiten von systemfähigen Behältern<br />

5 Konzeption der Lastaufnahmemittel (LAM)<br />

Die Großladungsträger und die Kleinladungsträger erfordern unterschiedliche Lastaufnahmemittel.<br />

Je nach Behälterklasse werden unterschiedliche Greifmöglichkeiten<br />

genutzt. In der Entwicklung wird deshalb zwischen einem VDA-KLT-Greifer <strong>für</strong> Lasten<br />

bis 50kg und einem Großbehältergreifer <strong>für</strong> Lasten bis 1t unterschieden.<br />

145<br />

6-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

Für beide gelten jedoch gemeinsame Anforderungen. Die meisten sind erforderlich<br />

<strong>für</strong> den Vollautomatikbetrieb der Hängekran- Hängebahnanlage:<br />

• Die Behälter müssen formschlüssig und sicher gegriffen werden, um diese ohne<br />

weitere Sicherheitsvorkehrungen, wie Zwischendecken, über Personen hinweg<br />

fördern zu dürfen.<br />

• Vor dem Anheben der Last muss die Last nachprüfbar aufgenommen und verklammert<br />

oder abgesetzt sein.<br />

• Die Steuerung und Erfassung des Greiferzustands übernimmt eine eigene Steuerung,<br />

die über einen Feldbus mit der Kransteuerung kommuniziert. Sie setzt eine<br />

Meldung ab, sobald sie eine Störung feststellt.<br />

• Die Lastaufnahmemittel werden nur mit elektrischer, nicht aber mit pneumatischer<br />

oder hydraulischer Energie versorgt, um den Aufwand auf den Katzen zu reduzieren.<br />

5.1 Konzeption des VDA-KLT-Greifers<br />

Der VDA-KLT bietet mehrere Greifmöglichkeiten an. Um den Greifer jedoch universell<br />

einsetzen zu können, muss die Möglichkeit gewählt werden, die zum Greifen den<br />

geringsten Raumbedarf hat. Das Aufnehmen über die Handgriffe oder die Horizontalnuten<br />

erfordern stets seitlichen Platz. Deshalb werden die Langlöcher genutzt, in<br />

die das Lastaufnahmemittel von oben greifen kann. Um die Finger des Greifschlosses<br />

einführen zu können, muss das LAM relativ zum Behälter positioniert werden.<br />

Bei der automatisierten Lastaufnahme setzt dies eine Positionierung des Behälters<br />

voraus. Eine Einführhilfe am Lastaufnahmemittel sorgt <strong>für</strong> die erforderliche Genauigkeit.<br />

Die konstruktive Lösung <strong>für</strong> die genannten Anforderungen (Bild 6) nutzt die Schwerkraft<br />

<strong>für</strong> den Greifvorgang. Der Greifer besteht aus vier unabhängige Greifeinheiten.<br />

Diese enthalten je einen im Gehäuse drehbar gelagerten Greiffinger, der über eine<br />

Rückstellfeder gefesselt ist. An dem Finger ist eine Aufstandsrolle befestigt. Anschläge<br />

begrenzen die beiden Schwenkstellungen des Fingers. In der geschlossenen<br />

Stellung wird das Schloss durch einen mit Federkraft betätigten Bolzen verriegelt.<br />

Das Öffnen des Bolzens geschieht magnetisch. Ein Einführblech verhindert,<br />

dass der Finger in der geöffneten Stellung im Langloch des Behälters verhakt. Die<br />

beschriebenen Greifeinheiten sind mit dem Lastaufnahmemittelrahmen verschraubt.<br />

Die Einführhilfe besitzt sechs paarweise angeordneten Gleitleisten mit Begrenzungsstift.<br />

Diese werden durch die Senkbewegung und über ein Parallelogrammlenkerpaar<br />

angetrieben.<br />

Das Aufnehmen der Last beginnt mit dem Absenken des Lastaufnahmemittels. Zuerst<br />

setzen die Einführleisten auf dem Behälterrand auf. Durch das weitere Absenken<br />

6-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

wird der Greifer so zum Behälter ausgerichtet, dass die Einführbleche in die Langlöcher<br />

eingeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt begrenzen die Stifte genau die Innenkante<br />

des Behälters. Als nächstes setzen die Rollen, die auf den Greiffingern befestigt<br />

sind, auf und schwenken diesen durch das Eigengewicht des Greifers gegen eine<br />

Zugfeder bis zum Anschlag. Nach dem Einrasten der Verriegelungsbolzen ist der<br />

Greifer geschlossen und verriegelt. Der Behälter kann anschließend gehoben werden.<br />

Zum Öffnen wird, im Gegensatz zum Schließen elektrische Energie zum Betätigen<br />

der Magnete benötigt. Ist der Behälter abgesetzt, wird der Verriegelungsbolzen<br />

geöffnet und das Heben kann beginnen. Der Magnet hält den Bolzen geöffnet. Die<br />

Zugfeder schwenkt den Greifhebel während des Hubvorgangs bis zum Anschlag zurück.<br />

Das Lastaufnahmemittel ist dann geöffnet und kann weiter gehoben werden.<br />

Bild 6: KLT-Greifer ohne Steuerung und Sensorik<br />

Der Mechanismus des Greifers ist eigensicher. Ein versehentliches Öffnen des Verrieglungsbolzens<br />

führt nur dann zum Öffnen der Greiffinger, wenn der Behälter abgesetzt<br />

ist. Dies wird durch zwei Taster, die beim Absenken durch den Behälterrand<br />

geschaltet werden, abgefragt. Die vier Verriegelungsbolzen werden ebenfalls durch<br />

je einen Taster kontrolliert. Alle Schalter beschreiben jeden möglichen Zustand des<br />

Greifers und genügen zur Steuerung der Magnete.<br />

6-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

Die Konstruktion bietet eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten, wie das automatisierte<br />

Bedienen von Förderer- oder Lagerplätzen oder das manuelle Palettieren von Behältern.<br />

Die modulare Gestaltung der einzelnen Baugruppen:<br />

• Greifschloss<br />

• Einführhilfen<br />

• Rahmen<br />

erlauben eine Anpassung an unterschiedliche Greifbilder, die durchaus von Abständen<br />

des VDA-KLT abweichen dürfen. Dazu muss entweder der Rahmen ausgewechselt<br />

oder einstellbar gestaltet werden. Durch den nicht vermeidbaren seitlichen<br />

Überstand der Einführleisten wird zwar seitlicher Bauraum benötigt, ein Bedienen<br />

dicht nebeneinander stehender Behälter ist trotzdem - wenn auch nur - lagenweise<br />

möglich. Einführungen <strong>für</strong> das Absetzen der Behälters können entweder an<br />

den Ecken oder unterhalb des Behälterrands montiert werden.<br />

5.2 Konzeption des Großbehältergreifers<br />

Da Behälter mit einer Zuladung von bis zu 1t häufig mit Gabelstaplern transportiert<br />

werden, bietet es sich an, diese Greifmöglichkeiten auch <strong>für</strong> den Kran zu nutzen. Der<br />

Abstand der Aufstandspunkte auf dem Greifer sollte so groß wie möglich gewählt<br />

werden, um ein Kippen des Behälters zu vermeiden. Es ist deshalb sinnvoll, den Behälter<br />

von der Breitseite aus zu untergreifen. Der seitliche Raumbedarf hier<strong>für</strong> ist abhängig<br />

von der Eingrifflänge und der Positioniergenauigkeit des Lastaufnahmemittels<br />

durch den Kran und die Katze und der Amplitude der Pendelbewegung im Hubwerk.<br />

Die genannten Parameter bestimmen das Öffnungsmaß und damit den seitlichen<br />

Raumbedarf. Behältereinführungen zur Positionierung auf Rollenbahnen oder Übergabeplätzen<br />

sind nur an den Behälterecken möglich.<br />

Der Greifer (Bild 7) ist, um einen breiten Anwendungsbereich abzudecken, modular<br />

aufgebaut. Er besteht aus einem einstellbaren Rahmen <strong>für</strong> Behälter der Größen<br />

1200x1000 und 1200x800. An diesem werden vier Füße verschraubt, deren Länge<br />

der Behälterhöhe angepaßt ist. Daran montiert ist die Greifeinheit, die einen Schlitten<br />

zum Untergreifen des Behälters translatorisch bewegt. Das bündige Abschließen des<br />

eingefahrenen Schlittens mit der Außenkante der Fahreinheit verhindert ein Verhaken<br />

an der Last. Der Antrieb erfolgt über je einen Drehstrommotor. In den beiden<br />

Endlagen wird der Schlitten, über Federkraft betätigt, verbolzt. Das Öffnen während<br />

der Fahrbewegung übernimmt ein Hubmagnet. Taster fragen die Endlagen und die<br />

Bolzenverriegelung ab. Damit werden die geforderten Sicherheitskriterien erfüllt. Ein<br />

Öffnen ist nur möglich, wenn der Behälter abgestellt und der untere Lichttaster einen<br />

Spalt zwischen Behälter und Schlitten feststellt. Der darüber liegende Lichttaster<br />

kontrolliert, ob ein Behälter von allen vier Schlitten untergriffen wird. Das begrenzte<br />

Motormoment verhindert ein ungewolltes Öffnen bei einem Fehler in der Steuerung.<br />

6-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

Bild 7: Konzept zum Großladungsbehältergreifer<br />

5.3 Steuerung der Lastaufnahmemittel<br />

MATVAR<br />

In einer dezentral mit Feldbustechnik aufgebauten Kransteuerung ist die Lastaufnahmemittelsteuerung<br />

ein eigenständiger Busknoten am „Controller Area Network“<br />

(kurz: CAN). Sie ist verantwortlich <strong>für</strong> die Greifbewegung, die Verriegelung und wirkt<br />

unterstützend bei der Positionierung. Zur Kompatibilität mit der Kransteuerung muss<br />

sie ein Kommunikationsprofil nach dem Standard „CAN-open“ der Nutzerorganisation<br />

„CAN in Automation“ (kurz: CiA) unterstützen. Die Einstellung auf unterschiedliche<br />

Katzen wird über Einträge in ein Objektverzeichnis der Steuerung realisiert. Mit einem<br />

Konfigurationswerkzeug werden hier<strong>für</strong> Servicedatenobjekte (kurz: SDO) geschickt.<br />

Damit können u.a. die IDs der Prozessdatenobjekte (kurz: PDO) eingestellt<br />

werden. Eine einheitlich ablaufende Kommunikation zwischen Lastaufnahmemittel<br />

und Kran mit PDOs, die jeweils den gleichen Dateninhalt haben, gestattet einen<br />

Lastaufnahmemittelwechsel ohne Anpassungsaufwand in der Programmierung. Die<br />

festgelegten PDOs (Bild 8) lassen einen Hand- und Automatikbetrieb des Lastaufnahmemittels<br />

zu. Sie unterstützen außerdem die Automatisierungsstufen des Hängekran-Hängebahnsystems.<br />

Das PDO „Steuerschalter“ wird benötigt zum manuellen<br />

Öffnen und Schließen des Lastaufnahmemittels. Alternativ steht ein Taster am Greifer<br />

zur Verfügung. Das PDO „LAM Anweisungen“ übernimmt das automatisierten<br />

Betrieb. Während des Hub- und Senkvorgangs sendet die Lastaufnahmesteuerung<br />

auf Anfrage das PDO „Krananweisungen“. Der sichere Betriebszustand sowie Angaben<br />

zum Zustand enthält das PDO „LAM Status“. Die Statusinformationen sind notwendig<br />

<strong>für</strong> die automatisierte Leer- und Lastfahrt des Krans oder der Katze und werden<br />

ereignisgesteuert versendet.<br />

6-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

Sende-PDOs Empfangs-PDOs<br />

Benennung Typ Benennung Typ<br />

LAM-Status<br />

Krananweisungen<br />

ereignisorientiert<br />

RTR<br />

� LAM_keine_Stoerung<br />

� LAM_offen<br />

� LAM_geschlossen<br />

� LAM_Last<br />

� LAM_Fehler_0...7<br />

� LAM_Stop<br />

� LAM_Freigabe<br />

� LAM_Senken_Feinhub<br />

und<br />

LAM_Heben_Feinhub<br />

� LAM_Katzfahrt_rechts<br />

und<br />

LAM_Katzfahrt_links<br />

� LAM_Kranfahrt_vor<br />

und<br />

LAM_Kranfahrt_zurück<br />

� LAM_Senkweg_frei<br />

Steuerschalter<br />

LAManweisungen<br />

ereignisorientiert<br />

ereignisorientiert<br />

MATVAR<br />

� KR_Oeffnen_manuell<br />

� KR_Schliessen_manuell<br />

� KR_Aufnahme<br />

� KR_Abgabe<br />

� KR_Test<br />

� KR_Betriebsart<br />

Bild 8: Sende- und Empfangs-PDOs der Lastaufnahmemittel<br />

6 Lastübergabe auf Boden-, Förderer- und Lagerplätzen<br />

Übergabestellen können in manuell und automatisiert angefahrene Plätze unterteilt<br />

werden. Bei den automatischen gibt es überwachte und nicht überwachte Plätze. Auf<br />

Rollenbahnen beispielsweise werden die Plätze auf Belegung und auf die richtige<br />

Positionierung der Behälter hin geprüft. Bei Lagertechnik und auf Bodenplätzen findet<br />

wegen der Vielzahl der Plätze und dem damit verbundenen Aufwand keine Einzelplatzüberwachung<br />

statt. Es muss deshalb sichergestellt sein, dass das Lagerabbild<br />

mit dem des Lagerverwaltungsrechners übereinstimmt. Alle automatischen Plätze<br />

müssen eine Personenabsperrung besitzen, die ihren Zustand der Steuerung von<br />

Förder- und Lagertechnik mitteilt.<br />

Bekommt der Kran den Auftrag, von einem dieser Plätze eine Last aufzunehmen oder<br />

abzugeben, so ist keinesfalls sicher, dass ein Zugriff möglich ist, da auf Leitebene<br />

die Übergabebereitschaft nicht bekannt ist. Bei Rollenbahnen bedeutet dies <strong>für</strong><br />

die Lastaufgabe einen vereinzelten und positionierten Behälter, <strong>für</strong> die Lastabgabe<br />

keinen Behälter am Übergabeplatz. Zusätzlich darf auf diesen weder zu- noch abgefördert<br />

werden. Gleiches gilt <strong>für</strong> das Anfahren von Verschiebebodenregallagern.<br />

Der vom Kran bediente Platz muss entweder belegt sein <strong>für</strong> die Lastaufnahme oder<br />

frei sein <strong>für</strong> die Lastabgabe. Die Zugriffsbereitschaft auf den Platz setzt voraus, dass<br />

6-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

der Zugriff möglich ist und keine Lagerbewegung mehr stattfindet. Allen Plätzen ist<br />

gemeinsam, dass sich innerhalb der Platzabsperrung keine Personen aufhalten dürfen.<br />

Für die Kommunikation zwischen dem Kran und dem Förder- oder Lagergerät findet<br />

deshalb <strong>für</strong> die Sicherstellung der Voraussetzungen zur Lastübergabe der Signalaustausch<br />

auf Prozessebene statt. Die entsprechende Fördertechniksteuerung ist<br />

der jeweilige Master <strong>für</strong> alle Anfragen des Krans, die einen ihrer Plätze betreffen. Als<br />

Kommunikationsmedium wird der CAN-Bus der Hängekran- Hängebahn- Anlage genutzt.<br />

Am Beispiel einer Lastaufnahme zwischen Kran und einer gesteuerten Förderer<br />

soll der Ablauf aus Bild 9 exemplarisch erläutert werden:<br />

Bild 9: Vereinfachtes Ablaufdiagramm <strong>für</strong> die Lastaufnahme<br />

Der Kran bekommt einen Auftrag vom Leitrechner, einen Transportbehälter von einem<br />

Abgabeplatz der Rollenbahn abzuholen und die Rollenbahn, den Behälter dem<br />

richtigen Übergabeplatz zuzuführen. Die Katze ist in die korrekte Position gefahren<br />

und hat diese überprüft. Zur Übergabe sendet der Kranrechner ein PDO „Katze will“,<br />

das durch die Platzbezeichnung, die eine eindeutige Zuordnung der Anfrage zu dem<br />

gewünschten Übergabeplatz und damit auch zum richtigen Förderers erlaubt und<br />

wartet anschließend auf dessen Reaktion.<br />

Diese kann auf zwei Arten erfolgen:<br />

6-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

• Der Förderer quittiert dann den Auftag mit einem PDO „Warten“, wenn der Förderer<br />

noch mit anderen Aufträgen beschäftigt ist, gestört ist, oder sich im Handbetrieb<br />

befindet. Sind die Voraussetzungen erfüllt, setzt er das Signal „Katze_darf“.<br />

• Der Förderer ist zum Zeitpunkt der Anfrage schon <strong>für</strong> eine Übergabe bereit und<br />

antwortet direkt mit dem PDO „Katze_darf“.<br />

Der Lastzyklus wird danach automatisch gestartet und die Katze beginnt mit dem<br />

Senken aus der Sicherheitshöhe. Während dieser Periode müssen die Sicherheitseinrichtungen<br />

den Platz permanent überwachen. Sollte an der Förderersteuerung<br />

eine Störung eintreten, sendet sie das PDO „Warten“ und der Kran muss seinen<br />

Zugriff sofort unterbrechen. Ein Fortsetzung ist möglich, wenn das Signal „Katze_darf“<br />

wieder gesetzt ist. Ist der Lastzyklus nach dem Hub in die oberste Hubstellung<br />

beendet, so nimmt der Kranrechner sein Signal im PDO „Katze_will“ <strong>für</strong> diesen<br />

Platz zurück. Der Förderer quittiert den Erhalt dieses Signals mit der Rücknahme des<br />

Signals im PDO „Katze_darf“.<br />

Bild 10: Steuerungsarchitektur des Materialflusssystems bestehend aus einer<br />

Hängekran-Hängebahnanlage mit gekoppelter Förder- und Lagertechnik<br />

Nicht jede Steuerung auf dem Markt verfügt über das zur Kommunikation notwendige<br />

CAN-Interface. Abhilfe schafft ein Umsetzer von der seriellen auf die CAN-<br />

Schnittstelle. Der Dateninhalt des Empfangs-PDOs „Kran will“ und des Sende-PDOs<br />

„Kran darf“ wird kontinuierlich zwischen der Kommunikationsbauguppe der Förder-<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

technik-SPS und dem Umsetzer ausgetauscht und ereignisgesteuert auf den CAN-<br />

Bus gelegt. Der in Bild 10 dargestellte Aufbau erlaubt Erweiterungsmöglichkeiten<br />

auch um Plätze auf Fördergeräten mit eigener Steuerung. Die Schnittstelle muss<br />

dann um ein weiteres PDO „Kran darf“ erweitert werden. Dazu wird mit einem CAN-<br />

Konfigurator das neue Objekt in das Verzeichnis des entsprechenden Kranmoduls,<br />

welches den Signalaustausch durchführt, eingetragen. Eine Veränderung, z.B. durch<br />

eine Erweiterung um zusätzliche Katzen, erfordert hingegen keinen Anpassungsaufwand.<br />

Damit steht eine universelle Möglichkeit zum Austausch von Verriegelungssignalen<br />

zwischen unterschiedlichen Fördertechnikkomponenten und der Kransteuerung<br />

zur Verfügung.<br />

7 Personschutzkonzept <strong>für</strong> zugängliche Übergabeplätze<br />

Für die Platzüberwachung müssen Mechanismen <strong>für</strong> den Not-Aus der Krananlage<br />

entwickelt werden, die ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten und die auf den<br />

jeweiligen Platz nur dann wirken, wenn der Kran auch auf diesen zugreift. Zur Gewährleistung<br />

der „Ein-Fehler-Sicherheit“ während des Platzzugriffs durch den Kran<br />

müssen zwei redundante, diversitär wirkende Sicherheitsmechanismen gewährleisten,<br />

dass die Verletzung der Schutzeinrichtungen zu einem Not-Aus der Anlage führt.<br />

Der Übergabezeitraum beginnt mit dem Absenken des Lastaufnahmemittels aus der<br />

obersten Hubstellung. Das Zugriffsende wird erreicht, wenn das Lastaufnahmemittel<br />

wieder in der obersten Hubstellung angekommen ist. Für die übrige Zeit ist der Platz<br />

<strong>für</strong> Personen freigegeben, d.h. eine Verletzung der Schutzeinrichtung schaltet die<br />

Krananlage nicht ab.<br />

Türkontaktschalter an den Übergabeplätzen bewirken normalerweise eine Abschaltung<br />

der Antriebe, wenn ihr Signal nicht mehr anliegt. Nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />

soll dieses Signal überbrückt werden können. Hierzu müssen die Zustände<br />

am Übergabeplatz und an den Katzen der Krananlage bekannt sein. Da die Steuerung<br />

von der Förder- oder Lagertechnik auch die sicherheitstechnischen Einrichtungen<br />

auswertet, kann sie auch entscheiden, ob sie die manuelle Bedienung <strong>für</strong> die<br />

Plätze freigibt. Ist der Platz nicht an ein gesteuertes Fördergerät gebunden, so muss<br />

eine eigene Steuerung die Überwachungseinrichtungen auswerten. Erteilen die genannten<br />

Steuerungen die Freigabe „Kran darf“, so müssen sie vorher das Signal zur<br />

Überbrückung des Türkontaktschalters zurücksetzen. Die Kransteuerung fragt ihrerseits<br />

über einen Lichtaster den Türzustand ab. Ein Reflektorspiegel, der an der Tür<br />

montiert ist, reflektiert bei geschlossener Tür den Lichtstrahl. Damit verarbeiten die<br />

Kran- und die Förder- oder Lagertechniksteuerung verschiedene Sensorsignale und<br />

stellen dadurch die geforderte Redundanz sicher. Die an den Plätzen angebrachten<br />

Not-Aus-Taster werden von diesem Konzept nicht berührt. Sie können auch nicht<br />

überbrückt werden.<br />

6-19


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

MATVAR<br />

Bild 11: Sicherheitskonzept <strong>für</strong> vom Kran automatisiert bediente Übergabeplätze<br />

6-20


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />

8 Ausblick<br />

MATVAR<br />

Die erschlossenen Möglichkeiten der Hängekran- Hängebahnanlage im Überflurbereich<br />

mit der Verkettung zu Förder-, Lager- und Flurfördertechnik umfassen viele der<br />

in der Produktion auftretenden Materialflussvorgänge. Die beschriebenen Komponenten<br />

und Geräte wie die Hängekrane und -bahnen, Behältersysteme, Lastaufnahmemittel,<br />

Förder- und Lagertechnik wurden mit ihren spezifizierten Schnittstellen <strong>für</strong><br />

eine erste Versuchsanlage konzipiert, ausgewählt und in Betrieb genommen. Eine<br />

abschließende Beurteilung ist jedoch erst nach einer umfangreichen Testphase möglich.<br />

Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Gefahrensicherheit, die anhand einer weiterführenden<br />

Einsatzbeurteilung überprüft werden muss.<br />

Der Kran steht mit den erzielten Ergebnissen am Anfang der Entwicklung von einem<br />

Handhabungsgerät <strong>für</strong> schwere Lasten hin zu einem Materialflussgerät <strong>für</strong> innerbetrieblichen<br />

Transporte. Mit ersten Schnittstellenfestlegungen sind die Grundlagen <strong>für</strong><br />

die weitere Entwicklung zu einer systemfähigen Komponente im Materialfluss gelegt.<br />

Hinzukommen müssen Erfahrungen mit der Positionierung, um hier konkrete Vorgaben<br />

<strong>für</strong> Lastaufnahmemittel und <strong>für</strong> Einführhilfen an Übergabeplätzen machen zu<br />

können. Eine Weiterentwicklung hin zur Standardisierung hängt von weiteren Praxiserfahrungen<br />

bei Serienprodukten im industriellen Umfeld ab.<br />

9 Literatur<br />

GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997<br />

Günthner, Allgayer :<br />

Verbundforschungsprojekt „MATVAR“ ist angelaufen ,<br />

Logistik im Unternehmen, Nr. 10 Oktober 1997, S. 28-30.<br />

GÜNTHNER U. HANDRICH 1998<br />

Günthner, Handrich :<br />

Einsatzmöglichkeiten eines Leichtfördersystems im Überflurbereich,<br />

Logistik aktuell: Automatisierte Krane- Einsatzerfahrungen und Entwicklungstendenzen,<br />

Dresden, 15. Mai 1998, Hrsg.: H.-G. Marquardt.<br />

GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998<br />

Günthner, Bambynek:<br />

Schnittstellenbaukasten: Integrierbarkeit eines flurfreien Leichtfördersystems,<br />

Hebezeuge und Fördermittel, Band 38 (1998) Heft 12, S. 593-595.<br />

6-21


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

MATVAR<br />

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7-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

1 Einleitung<br />

1.1 Innerbetriebliche <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

MATVAR<br />

Der innerbetriebliche Materialfluss erfolgt unter Verwendung unterschiedlicher Systeme.<br />

Es kann unterschieden werden zwischen bodengebundenen Systemen und<br />

solchen, die im Überflurbereich angesiedelt sind.<br />

Bei beiden Systemen wurden unterschiedlich komplexe Lösungen gefunden. Im bodengebundenen<br />

Materialtransport sind beispielsweise Hubwagen, Gabelstapler, aber<br />

auch automatische, fahrerlose Transportsysteme (FTS) im Einsatz. Alle bodengebundenen<br />

Systeme vereinigen die Eigenschaft, dass Sie Verkehrswege benötigen,<br />

wobei die Erreichbarkeit der einzelnen Fertigungs- oder Lagerplätze zu gewährleisten<br />

ist. Diese Verkehrswege schränken den Materialflussplaner bei der Optimierung<br />

und damit der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ein.<br />

Transportsysteme im Überflurbereich sind seit Beginn der industriellen Fertigung im<br />

Einsatz. Hierbei ist zwischen Flächen- und Linientransport zu unterscheiden. Schon<br />

im letzten Jahrhundert sind <strong>für</strong> den Materialtransport in der Fläche handbetriebene<br />

Krane in Fertigungshallen genutzt worden. Gleichzeitig wurden Einschienenbahnen<br />

entwickelt, die einen Linientransport von Material ermöglichen. Hierdurch kann beispielsweise<br />

die Verbindung zwischen zwei Fertigungsbereichen geschaffen werden.<br />

Die Entwicklung dieser Krane und Einschienenbahnen ist weitergeführt worden durch<br />

die Nutzung von Handketten- (Haspel-) antrieben, elektrischen und pneumatischen<br />

Antrieben. Heutzutage sind sowohl manuell geführte, als auch vollautomatisch über<br />

Leitrechner gesteuerte Systeme im Einsatz.<br />

Im Jahre 1963 ist der Kranbaukasten KBK bei der heutigen Mannesmann Dematic<br />

AG in Wetter entwickelt worden. Ziel war es, dem Anwender ein modular aufgebautes,<br />

flexibles, preiswertes und leichtgängiges System <strong>für</strong> das Materialhandling am<br />

Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Der Erfolg des damals als „Junior-System“ bekannten<br />

Baukastens führte zu einer stetigen Weiterentwicklung und Erweiterung.<br />

Heute kann der Anwender zwischen verschiedenen, miteinander kombinierbaren<br />

Baukastenprofilgrößen wählen (Bild 1). Integrierte Schleifleitungen ermöglichen den<br />

kabellosen Energietransport zum Verbraucher.<br />

Die Profile werden über doppelkardanische Aufhängungen an der Oberkonstruktion<br />

befestigt. Baugruppen wie Verriegelungen, Weichen und Schwenkscheiben bieten<br />

die Möglichkeit zum Aufbau eines verzweigten Materialflusssystems (Bild 2).<br />

Dieser Baukasten bietet eine optimale Basis <strong>für</strong> die Entwicklung des modularen, flexiblen<br />

und erweiterbaren Leichtkransystems im Überflurbereich, das im Rahmen des<br />

Forschungsprojektes MATVAR zu entwickeln war.<br />

7-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

Bild 1: Profile des Kranbaukastens KBK<br />

Bild 2: Baugruppen des KBK Baukastens<br />

MATVAR<br />

7-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

1.2 Stand der Technik<br />

Allgemein gilt:<br />

MATVAR<br />

- In der Krantechnik werden überwiegend personengebundene Steuerungen eingesetzt.<br />

- Die Lastaufnahme und –abgabe erfolgt im Standardfall manuell, wobei der Bediener<br />

häufig auch die Lastführung übernimmt.<br />

- Leerfahrten des Krans werden in Standardanlagen manuell gesteuert durchgeführt.<br />

- Für den nicht automatisierten Betrieb werden weitgehend polumschaltbare Antriebe<br />

mit zwei Geschwindigkeiten eingesetzt.<br />

- Automatikkrane werden in abgesicherten, nicht <strong>für</strong> Personen zugänglichen Bereichen<br />

eingesetzt.<br />

- Steuerungen <strong>für</strong> Automatikanlagen werden <strong>für</strong> den jeweiligen Einsatzfall konstruiert.<br />

1.3 Aufgabenstellung im Verbundforschungsprojekt MATVAR<br />

Im Verbundforschungsprojekt MATVAR bestand die Aufgabe, auf Basis des oben<br />

beschriebenen Kranbaukastens KBK, ein Leichtfördersystem <strong>für</strong> den Überflurbereich<br />

zu entwickeln. Wesentliche Merkmale dieses Systems sind der modulare Aufbau und<br />

die Erweiterbarkeit. Hierbei ist zu beachten, dass diese Forderung sowohl <strong>für</strong> die<br />

mechanischen, als auch <strong>für</strong> die elektrischen und steuerungstechnischen Komponenten<br />

gilt.<br />

Im Einzelnen bedeutet dies die Erstellung eines Anforderungskatalogs auf Basis von<br />

Marktrecherchen, die Erstellung eines steuerungstechnischen Konzeptes, die Ermittlung<br />

der erforderlichen mechanischen, elektrischen und elektronischen Systemkomponenten<br />

und die Umsetzung in einer Versuchsanlage.<br />

2 Das Leichtfördersystem im Überflurbereich<br />

2.1 Anforderungen<br />

Die Anforderungen an das Leichtfördersystem sind in Zusammenarbeit mit dem<br />

Lehrstuhl fml der TU München über eine Fragebogenaktion ermittelt worden.<br />

7-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

Es wurde deutlich, dass<br />

- mehr als 90% aller zu fördernden Hublasten kleiner als 1000kg sind.<br />

- ca. 75% aller Lasten in Ladungsträgern transportiert werden können.<br />

- ca. 75% aller Befragten eine automatisierte Leerfahrt wünschen.<br />

- die Positioniergenauigkeit hierbei bei 10mm oder besser liegen soll.<br />

MATVAR<br />

- das KBK-System <strong>für</strong> die erforderlichen Geschwindigkeiten, Einsatzdauern und<br />

Arbeitsbereiche geeignet ist.<br />

Auf Basis des bewährten KBK-Baukastens sollten somit erarbeitet werden:<br />

- Lösungen <strong>für</strong> das Handling von Ladungsträgern bis 1000kg.<br />

- Die Untersuchung der Realisierbarkeit der automatischen Leerfahrt mit der Option<br />

weiterer Automatikstufen bis hin zur Vollautomatik unter Beachtung der Sicherheitsanforderungen.<br />

- Einfache Nachrüstbarkeit der weiteren Automatikstufen mit geringem Aufwand,<br />

„plug and play“-Funktionalität.<br />

- Untersuchung und ggf. Verbesserung der Positioniergenauigkeit des Systems<br />

2.2 Vorteile<br />

Gemeinsam erkannt wurden folgende Punkte:<br />

- Transportvorgänge werden in anderenfalls nicht genutzte Bereiche der Halle verlagert.<br />

- Die erforderlichen Verkehrsflächen werden reduziert.<br />

- Es besteht eine erhöhte Flexibilität bei der Materialflussplanung.<br />

- Die Kombination von Linien und Flächentransport ermöglicht die Verbindung unterschiedlicher<br />

Fertigungsbereiche.<br />

- In der Basisausstattung <strong>für</strong> den manuellen Betrieb preiswertes und bewährtes<br />

System.<br />

- Modular aufgebauter Baukasten mit der Möglichkeit der Implementierung von<br />

Automatikfunktionen.<br />

- Möglichkeit der Anbindung an einen Steuerungs-PC, BDE- und Leitsysteme.<br />

- Automatikfunktionen bedeuten Mitarbeiterentlastung.<br />

7-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

Bild 3: Layout der Versuchsanlage am Lehrstuhl fml der TU München<br />

3 Die Versuchsanlage am Lehrstuhl fml<br />

3.1 Mechanische Komponenten<br />

MATVAR<br />

Die Versuchsanlage zeigt einen Teil der in einem Materialflusssystem im Überflurbereich<br />

möglichen Komponenten und Leistungsmerkmale (Bild 3). Nicht dargestellt sind<br />

Komponenten wie Schwenkscheiben, Absenk- und Stufenstationen.<br />

Die Versuchsanlage besteht aus zwei Kranbahnen des Typs KBK II-R5 (KBK II-Profil<br />

mit innenliegender Schleifleitung DFL), einem Einträgerhängekran KBK II-R5 und<br />

einem Zweiträgerhängekran KBK III mit Schleifleitung DEL. Die Kranbahnen sind an<br />

einem speziell <strong>für</strong> diese Anlage erstellten Stahlbau über kurze, pendelnde Aufhängungen<br />

aufgehängt. Zur Vermeidung von Pendelbewegungen der Bahnen können<br />

starre Aufhängungen eingesetzt werden.<br />

7-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

Bild 4: Zweiträgerkran KBK III mit Verriegelung<br />

MATVAR<br />

Die Krane sind mit starren Krantraversen und Verriegelungen ausgerüstet. Der<br />

Zweiträgerhängekran kann mit einer Zweischienenbahn verriegeln, so dass die im<br />

System befindliche Zweiträgerkatze überfahren kann. Der Einträgerhängekran kann<br />

mit einer Einschienenhängebahn verriegeln. Die Einschienenhängebahn ist als Ringbahn<br />

mit neu entwickelten Weichen ausgelegt. Im System sind zwei Einschienenkatzen.<br />

Die Weichen und die Verriegelungen sind elektrisch angetrieben, mit Sensorik<br />

versehen und über Module an das Bussystem angeschlossen.<br />

Die Krane und Katzen sind mit Fahrmotoren und Frequenzumrichtern unterschiedlicher<br />

Bauart ausgerüstet. Als Hubwerke kommen eine Quadro-Seilwinde (Seilwinde<br />

mit vier Seilabläufen) bei der Zweischienenkatze und eine Seilwinde DS 1 (Seilwinde<br />

mit zwei Seilabläufen) bei den Einschienkatzen zum Einsatz. Die angeschlossenen<br />

Lastaufnahmemittel dienen zur Aufnahme von Großladungsträgern (Zweischienenkatze)<br />

bzw. Kleinladungsträgern der Type VDA-KLT (Einschienenkatze). Die Katzen<br />

verfügen zusätzlich über Lastmesseinrichtungen, Wegmesssysteme und diverse Sicherheitssensorik.<br />

Für den Einsatz im Automatikbetrieb können die Steuerschalter an<br />

den Katzen über einen Kettenzug hochgezogen werden. Als Wegmesssystem in der<br />

Horizontalen kommt das System WCS 3 der Firma Stahl zum Einsatz, das sich <strong>für</strong><br />

die Versuchsanlage insbesondere durch die Eignung <strong>für</strong> Kurvenfahrten anbietet.<br />

Die eingesetzten Komponenten sind zur Gewährleistung der Sicherheit der Versuchsanlage<br />

und der Bediener teilweise redundant ausgeführt.<br />

7-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

3.2 Steuerungskonzept<br />

MATVAR<br />

An der Versuchsanlage am Lehrstuhl fml wurde im Rahmen des Projektes ein dezentrales<br />

Steuerungskonzept realisiert. Zur Implementierung der Kommunikationsstruktur<br />

zwischen den Komponenten des Systems wurde die im Bereich der Anlagenautomatisierung<br />

verbreitete Bustechnologie eingesetzt. Umfangreiche Recherchen<br />

haben zur Wahl eines Bussystems auf der Basis des CAN-Bus-Protokolls geführt.<br />

Die Ergebnisse dieser Recherchen sind in Abschnitt 3.3 zusammengefasst.<br />

Die wesentlichen Vorteile eines modularen, dezentralen Steuerungskonzeptes liegen<br />

in der Offenheit des Gesamtsystems und damit dessen Erweiterbarkeit. Weiterhin<br />

entfällt gegenüber einem zentralen Steuerungskonzept ohne Einsatz von Bustechnologie<br />

ein erhebliches Maß an Verdrahtungsaufwand.<br />

Großes Gewicht wurde auf die Skalierbarkeit des Funktions- und Leistungsumfanges<br />

des Leichtkransystems gelegt. Es wurden unterschiedliche Automatisierungsstufen<br />

vorgesehen. Neben einem ausschließlichen Handbetrieb, wurde ein teilautomatischer<br />

und ein vollautomatischer Betrieb realisiert. Im teilautomatischen Betrieb besteht<br />

zusätzlich zu den Funktionalitäten des manuellen Betriebes die Möglichkeit,<br />

über Anforderungstaster eine automatisierte Leerfahrt durchzuführen, d. h. von bestimmten<br />

Positionen im Produktionsfeld über einen Anforderungstaster einen Kran<br />

anzufordern, der dann automatisch diese Position anfährt. Ist diese Position erreicht,<br />

kann handgesteuert die zu transportierende Last mit dem Lastaufnahmemittel aufgenommen<br />

und ebenfalls handgesteuert an die Zielposition verfahren werden.<br />

3.3 Auswahl eines geeigneten Bussystems<br />

Zur Gewährleistung einer ausreichenden Autonomie der Teilkomponenten wurden<br />

<strong>für</strong> die Auswahl eines geeigneten Bussystems die Topologie und das Buszugriffsverfahren<br />

als wichtigste Kriterien herangezogen. In Bild 5 ist eine Klassifizierung der<br />

auf dem Markt angebotenen Bussysteme dargestellt.<br />

Grundsätzlich wird zwischen teilnehmer- und nachrichtenorientierten Protokollen<br />

unterschieden. Während bei der ersten Protokollart der Datenaustausch auf der Basis<br />

von Teilnehmeradressen erfolgt, stellt die zweite eine verbindungslose Kommunikationsform<br />

durch Nachrichtenkennung dar. Ein weiteres Unterscheidungskriterium<br />

ist das verwendete Buszugriffsverfahren. Teilnehmerorientierte Protokolle arbeiten<br />

mit kontrolliertem bzw. deterministischem Buszugriff, nachrichtenorientierte mit unkontrolliertem<br />

bzw. zufälligem Buszugriff. Bei teilnehmerorientierten Zugriffsverfahren<br />

kann unterschieden werden, ob die Vergabe des Buszugriffsrechtes durch eine zentrale<br />

Instanz (Master) oder dezentral durch Absprache zwischen den Teilnehmern,<br />

beispielsweise durch Weitergabe eines Tokens (Token-Passing) von Teilnehmer zu<br />

Teilnehmer erfolgt.<br />

7-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

verteiltes<br />

Schieberegister<br />

kontrollierter<br />

zufälliger<br />

Zugriff<br />

Zugriff<br />

(teilnehmerorientiert) (nachrichtenorientiert)<br />

zentral dezentral CSMA<br />

Master/<br />

Slave<br />

Token-<br />

Passing<br />

Token-<br />

Passing<br />

Singlemaster Singlemaster Singlemaster Multimaster<br />

- Interbus-S<br />

- SERCOS<br />

- Bitbus<br />

- DIN-Meßbus<br />

- ASI<br />

- PROFIBUS-<br />

DP<br />

- ISP<br />

- PDV-Bus<br />

- PROFIBUS-<br />

FMS<br />

Delegated<br />

Token<br />

Singlemaster<br />

(Busarbiter)<br />

mit Kollision<br />

Erkennung<br />

(CSMA/CD)<br />

- Ethernet<br />

- LON<br />

MATVAR<br />

mit Kollision<br />

Vermeidung<br />

(CSMA/CA)<br />

- CAN<br />

- EIB<br />

- P-Net<br />

- J1850<br />

Kommunikation mit zyklischem Charakter ereignisgesteuerte Kommunikation<br />

- FIP<br />

Bild 5: Klassifizierung von Bussystemen [1]<br />

Multimaster Multimaster<br />

Bei nachrichtenorientierten Protokollen ist jeder Teilnehmer prinzipiell bezüglich des<br />

Buszugriffes gleichberechtigt und kann auf den Bus, sobald dieser frei ist, zugreifen.<br />

Somit sind Kollisionen verfahrensinhärent. Nach der Art der Auflösung dieser Kollisionen<br />

werden Bussysteme nach dieser Protokollart klassifiziert.<br />

Bei der ersten Klasse fordert ein Busarbiter über ein spezifisches Telegramm (Delegated<br />

Token), welches durch die Übertragung einer Nachrichtenkennung (Identifier)<br />

eine bestimmte Nachricht spezifiziert, einen <strong>für</strong> diese Nachricht zuständigen Busteilnehmer<br />

zum Senden auf. Sie kann dann von allen, die an ihr interessiert sind, empfangen<br />

werden. Bei einer anderen Protokollvariante werden Kollisionen erkannt (Collision<br />

Detection CD) und durch Einführen teilnehmerspezifischer, statistischer Wartezeiten<br />

Zeitpunkte eines erneuten Buszugriffs ermittelt. Eine weitere Möglichkeit besteht<br />

darin, Kollisionen von vornherein durch Priorisierung von Nachrichten zu vermeiden.<br />

Dies leisten Protokolle nach dem CSMA/CA-Verfahren (Carrier Sense Multiple<br />

Access /Collision Avoidance ) [2, 3].<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> den Aufbau einer dezentralen und skalierbaren Steuerung ist,<br />

dass die einzelnen Krankomponenten ihre Zustände unaufgefordert melden. Hiermit<br />

scheiden alle Protokolle mit kontrolliertem Buszugriff aus, da die Kommunikation bei<br />

ihnen einen zyklischen Charakter hat. Dagegen lässt sich eine ereignisgesteuerte<br />

Kommunikation prinzipiell durch Protokolle mit zufälligen Buszugriffen realisieren.<br />

7-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

MATVAR<br />

Notwendige Voraussetzung ist allerdings, dass die einzelnen Teilnehmer gleichberechtigt<br />

am Nachrichtenverkehr partizipieren (Multimasterbetrieb). Somit entfallen<br />

auch Singlemaster-Lösungen.<br />

Die Forderung nach Zuverlässigkeit schließt wiederum den Einsatz von Protokollen<br />

nach dem CSMA/CD-Verfahren aus, da im Falle einer Kollision die aufgeschalteten<br />

Nachrichten zerstört werden, und zur Auflösung des Buszugriffes eine wiederholte<br />

Belegung des Busses notwendig ist, so dass nur statistische Aussagen über den<br />

Erfolg eines Zugriffswunsches gemacht werden können.<br />

Es verbleiben Protokolle nach dem CSMA/CA-Verfahren. Ein typischer Vertreter dieser<br />

Klasse ist das CAN-Bus-Protokoll (Controller Area Network), das über zusätzliche<br />

günstige Eigenschaften verfügt. Jeder Teilnehmer kann als Master fungieren, so<br />

dass eine hohe Systemverfügbarkeit und eine Unabhängigkeit der Teilnehmer erreicht<br />

wird. Weiterhin wird durch bitweise Arbitrierung garantiert, dass im Konfliktfall<br />

eine hochpriore Nachricht immer übertragen wird. Zudem ist das CAN-Bus-Protokoll<br />

ein offenes (veröffentlichtes) Protokoll mit einem hohen Standardisierungsgrad (CAL,<br />

CANopen, Nutzerorganisation CiA) und ist in der Automobilindustrie weit verbreitet,<br />

so dass erforderliche Komponenten preisgünstig erhältlich sind.<br />

Aufgrund dieser Eigenschaften wurde das CAN-Bus-Protokoll <strong>für</strong> die Vernetzung der<br />

Krankomponenten ausgewählt.<br />

7-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

3.4 Steuerungsarchitektur des Leichtkransystems<br />

MATVAR<br />

Die Steuerung des Leichtkransystems ist in ihrem Funktionsumfang skalierbar. Sie<br />

bildet die Betriebsarten des Leichtkransystems ab.<br />

3.4.1 Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den manuellen Betrieb<br />

Die Steuerungsstruktur <strong>für</strong> diese Betriebsart ist in Bild 6 dargestellt.<br />

Kranverriegelung<br />

Weiche<br />

Fahrwerk<br />

Kran-<br />

Fahrwerk<br />

verriegelung<br />

elektrische<br />

Anpassung<br />

CAN ISO-Layer 1<br />

Energiebus<br />

Hubwerk<br />

(Last)<br />

ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />

Lastaufnahmemittel<br />

Kran Katze<br />

CAN-Bus<br />

CANopen<br />

Schleifleitungs- oder Funkbus<br />

Baugruppen<br />

CANopen<br />

Steuerschalter<br />

Bild 6: Steuerungsstruktur des Leichtkransystems <strong>für</strong> den manuellen Betrieb<br />

Die mobile Baugruppe Katze besteht dabei aus den Komponenten Fahrantrieb,<br />

Steuerschalter, Lasthubwerk und Lastaufnahmemittel. Die mobile Baugruppe Kran<br />

enthält den Fahrantrieb und die Kranverriegelung. Innerhalb der Baugruppen sind die<br />

einzelnen Komponenten über den CAN-Bus und zwei verschiedene Energiebusse<br />

miteinander verbunden.<br />

Über den CAN-Bus werden Nachrichten bzw. Daten ausgetauscht. Der erste Energiebus<br />

mit Spannungen über 230 V übernimmt die elektrische Versorgung der Antriebe.<br />

Der zweite mit einer Spannung von 24 V dient der Versorgung der Steuereinheiten.<br />

Der Einsatz eines Moduls zur elektrischen Anpassung der Datenleitung ist auf die<br />

relative Bewegung der Baugruppen „Kran“ und „Katze“ zurückzuführen. Zwei der im<br />

KBK-Profil vorhandenen Schleifleitungen werden <strong>für</strong> die Informationsübertragung<br />

verwendet (Schleifleitungsbus). Darüber hinaus ist auch eine Informationsübertragung<br />

über Funk vorgesehen, die vom Projektpartner HBC realisiert wurde.<br />

7-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

MATVAR<br />

Im manuellen Betrieb erfolgt die Steuerung aller Antriebe über den Steuerschalter.<br />

3.4.2 Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den teilautomatischen Betrieb<br />

Die Steuerungsstruktur <strong>für</strong> diese Betriebsart ist in Bild 7 dargestellt.<br />

Kranverriegelung<br />

Weiche<br />

Fahrwerk<br />

Kran-<br />

Fahrwerk<br />

verriegelung<br />

Positionserfassung<br />

(Kran)<br />

Anforderungstaster<br />

elektrische<br />

Anpassung<br />

CAN ISO-Layer 1<br />

Positionserfassung<br />

(Katze)<br />

Energiebus<br />

Hubwerk<br />

(Last)<br />

Positionserfassung<br />

(Last)<br />

ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />

Lastaufnahmemittel<br />

Kran Katze<br />

CAN-Bus<br />

CANopen<br />

Prozessebene<br />

Schleifleitungs- oder Funkbus<br />

CANopen<br />

Steuerschalter<br />

Hubwerk<br />

(Steuerschalter)<br />

Baugruppen<br />

Bild 7: Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den teilautomatischen Betrieb<br />

Im Vergleich zum manuellen Betrieb werden die einzelnen Baugruppen insbesondere<br />

um Komponenten zur Positionserfassung erweitert. Während auf der Baugruppe<br />

„Kran“ die Koordinaten einer einzigen Achse erfasst werden, sind in der Baugruppe<br />

„Katze“ zwei Positionserfassungssysteme (Katze, Last) integriert. Anforderungen<br />

werden durch die im Produktionsfeld verteilten busfähigen Anforderungstaster übermittelt.<br />

Die CAN-Bus-Knoten zur Überwachung der Ruftaster übernehmen zusätzliche <strong>für</strong><br />

die automatisierte Leerfahrt erforderliche Funktionalitäten. Dazu gehören z. B. das<br />

Teachen der anzufahrenden Positionen und die Überwachung der Anforderungstaster.<br />

Bei Anforderung eines Krans über die Taster wird zusätzlich geprüft, ob der Haken<br />

leer und in oberster Hakenstellung ist (bei beladenem Haken oder abgesenktem<br />

Haken bleibt die Anforderung unbeachtet), anschließend wird die Fahrt zu der anfordernden<br />

Position angestoßen.<br />

7-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

3.4.3 Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den Automatikbetrieb<br />

MATVAR<br />

Zentrale Komponente des Leichtkransystems im vollautomatischen Betrieb ist der<br />

Kran-PC. Er verwaltet, kontrolliert und führt Aufträge <strong>für</strong> die gesamte Anlage aus, die<br />

von einem Leitrechner oder vom Bediener vorgegeben werden. Eine komfortable<br />

Bedieneroberfläche erleichtert die Bedienung und erhöht durch die Visualisierung der<br />

Krandaten die Verfügbarkeit.<br />

Beispielhaft ist in Bild 8 ein möglicher Zustand der Bedienoberfläche abgebildet.<br />

Bild 8: Bedienoberfläche des Kran-PCs<br />

Rechts unten ist eine Übersicht der Anlage dargestellt, in der im Betriebsfall die Positionen<br />

der Krane und Katzen und die Stellungen der Weichen angezeigt werden.<br />

Ebenso werden Bewegungsrichtungen der Krane, Katzen und der Hubwerke dargestellt.<br />

Über die Icons im linken unteren Teil der Anlagenübersicht kann der Status des<br />

PC, des CAN-Busses und der Ethernet-Verbindung zum Leitrechner überwacht werden.<br />

Eventuelle Fehler werden sofort hier und detaillierter in unterlagerten Dialogfenstern<br />

angezeigt.<br />

Weiterhin kann über die Bedienoberfläche <strong>für</strong> alle Krane und Katzen der aktuelle<br />

Status abgerufen werden. Im linken oberen Teil der Bedienoberfläche ist in Bild 8<br />

exemplarisch der Statusdialog der Einschienenkatze 1 dargestellt. Darin werden die<br />

aktuelle Betriebsart und der aktuelle Bearbeitungsschritt angezeigt. Die Betriebsart<br />

7-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

MATVAR<br />

kann ebenso wie das Lastaufnahmemittel und das Lasthandling in diesem Dialog<br />

vorgewählt werden. Zusätzlich ist die Anzeige der aktuellen Last vorgesehen.<br />

Im vollautomatischen Betrieb werden zwei Unterbetriebsarten unterschieden. In der<br />

Betriebsart „Automatikbetrieb ohne Leitrechner“ (vgl. Abschnitt 3.4.3.1) ist keine Verbindung<br />

zum übergeordneten Leitrechner vorhanden. Die Fahraufträge werden vom<br />

Bediener am Kran-PC oder vom PC selbst als vordefiniertes Fahrprogramm erzeugt.<br />

In der Betriebsart „Automatikbetrieb mit Leitrechner“ (vgl. Abschnitt 3.4.3.2) gibt ein<br />

übergeordneter Leitrechner die Fahrbefehle vor.<br />

Im Automatikbetrieb ohne Leitrechner ist es zusätzlich möglich, innerhalb eines Auftrags<br />

in den Handbetrieb und nach Quittierung durch den Bediener, wieder zurück in<br />

den Automatikbetrieb zu wechseln (z. B. Lasthandling).<br />

3.4.3.1 Automatikbetrieb ohne Leitrechner<br />

In dieser Betriebsart wird das Leichtkransystem vom Kran-PC gesteuert. Dieser befindet<br />

sich in der Kommunikationshierarchie in der Prozessebene und wird an den<br />

CAN-Bus angeschlossen.<br />

Kranverriegelung<br />

Weiche<br />

Fahrwerk<br />

Kran-<br />

Fahrwerk<br />

verriegelung<br />

Positionserfassung<br />

(Kran)<br />

Steuerrechner<br />

(Kran-PC)<br />

elektrische<br />

Anpassung<br />

CAN ISO-Layer 1<br />

Positionserfassung<br />

(Katze)<br />

Energiebus<br />

Hubwerk<br />

(Last)<br />

Positionserfassung<br />

(Last)<br />

ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />

Lastaufnahmemittel<br />

Kran Katze<br />

CAN-Bus<br />

CANopen<br />

Prozessebene<br />

Schleifleitungs- oder Funkbus<br />

CANopen<br />

Steuerschalter<br />

Hubwerk<br />

(Steuerschalter)<br />

Baugruppen<br />

Bild 9: Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den Automatikbetrieb ohne Leitrechner<br />

7-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

Funktionalitäten des Kran-PC sind:<br />

• Steuerung der Krane:<br />

- Fahrten von einer definierten Position zu einer anderen<br />

- Abarbeitung definierter Fahrprogramme<br />

• Auftragsverwaltung<br />

• Synchronisation an Überfahrstellen<br />

• Kollisionsvermeidung über Steuerung und Sensorik<br />

• Weichensteuerung über CAN-Bus<br />

• Umfahrsteuerung<br />

• Bahnplanung<br />

• Ressourcenplanung (Disposition der Katzen)<br />

• Gerätevisualisierung und Statusanzeige<br />

• Protokollierung aller Aktivitäten<br />

• Protokollierung von Fehlern<br />

MATVAR<br />

Die Fahraufträge werden in dieser Betriebsart über die Bedienoberfläche eingegeben.<br />

Dazu können im Dialog „Bildschirmbetrieb“ (vgl. Bild 10) Fahraufträge manuell<br />

zusammengestellt werden. Das entsprechende Gerät wird ausgewählt und vorher<br />

eingeteachte und bezeichnete Positionen werden als Start- und Endpositionen vorgegeben.<br />

Zusätzlich kann automatisch das Lastspiel (Heben / Senken der Last)<br />

durchgeführt werden.<br />

Bild 10: Dialog zur direkten Eingabe von Fahraufträgen am Kran-PC<br />

7-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

3.4.3.2 Automatikbetrieb mit Leitrechner<br />

MATVAR<br />

Kennzeichnend <strong>für</strong> diese Betriebsart ist die Integration des Leichtkransystems in förder-<br />

oder produktionstechnische Anlagen und Systeme. Das Kransystem erhält Aufträge<br />

von einem übergeordneten Leitrechner, die dann vom Kran-PC in konkrete<br />

Fahrbefehle umgesetzt und entsprechend weitergeleitet werden. Dieser Leitrechner<br />

wurde vom Projektpartner OBTec realisiert.<br />

Bei der Auftragserteilung des Leitrechners an den Kran-PC sind unterschiedliche<br />

Transportauftragsarten vorgesehen. Möglich sind Einzelaufträge ohne und mit einer<br />

auftragsspezifischen Priorität. Weiterhin können jedoch auch Großaufträge mit Sequenzen<br />

durchgeführt werden, z. B. um bestimmte Werkstücke nacheinander auf<br />

unterschiedlichen Werkzeugmaschinen zu bearbeiten.<br />

In dieser Betriebsart hat der Kran-PC zusätzlich zu den in Abschnitt 3.4.3.1 beschriebenen<br />

Funktionalitäten den Aufbau, den Betrieb und die Überwachung der<br />

Netzwerkverbindung zum Leitrechner und gegebenenfalls zu anderen Steuerungen<br />

und einem Prozessvisualisierungsrechner vorzunehmen (Bild 11).<br />

Kranverriegelung<br />

Weiche<br />

Fahrwerk<br />

Kran-<br />

Fahrwerk<br />

verriegelung<br />

Positionserfassung<br />

(Kran)<br />

Leitrechner<br />

Steuerrechner<br />

(Kran-PC)<br />

elektrische<br />

Anpassung<br />

CAN ISO-Layer 1<br />

Positionserfassung<br />

(Katze)<br />

Prozessvisualisierung<br />

Hubwerk<br />

(Last)<br />

Positionserfassung<br />

(Last)<br />

ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />

ETHERNET (TCP-IP)<br />

Energiebus<br />

Lastaufnahmemittel<br />

Kran Katze<br />

CAN-Bus<br />

CANopen<br />

Prozessebene<br />

Schleifleitungs- oder Funkbus<br />

CANopen<br />

Steuerschalter<br />

Hubwerk<br />

(Steuerschalter)<br />

Baugruppen<br />

Leitebene<br />

Bild 11: Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den Automatikbetrieb mit Leitrechner<br />

Der Leitrechner befindet sich in der obersten Ebene der Kommunikationshierarchie<br />

und hat im wesentlichen die Aufgabe, fördertechnische Aufträge an den Kran-PC zu<br />

erteilen. Kran-PC und Leitrechner kommunizieren über das TCP/IP-Protokoll über<br />

LAN<br />

7-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

MATVAR<br />

eine ETHERNET-Verbindung. An dieses Netzwerk können weitere Prozess- und<br />

Steuerungsrechner angeschlossen werden.<br />

4 Ergebnisse<br />

Die Bauteile des Kranbaukastens KBK sind <strong>für</strong> die gestellten Aufgaben geeignet. Es<br />

sind <strong>für</strong> die Positioniergenauigkeit in der Horizontalen kurze oder starre Aufhängungen<br />

zu verwenden. Dies betrifft auch die Aufhängungen des Hubwerks am Katzrahmen<br />

und des Katzrahmens an den Fahrwerken. Es sind in den vergangenen drei<br />

Jahren spezielle Fahrwerke zur starren Lastankopplung entwickelt worden (Bild 12).<br />

Sie zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie durch eine besondere Lagerung<br />

der Fahrwerksrollen Toleranzen und Verformungen in der Bahn ausgleichen<br />

und dadurch immer gleichmäßig tragen.<br />

Bild 12: Fahrwerke <strong>für</strong> starren Lastanschluss<br />

Zusätzlich wurden durch Gummilagerungen gedämpfte Bahnaufhängungen entwickelt.<br />

Diese können Ungenauigkeiten im Stahlbau und Verformungen des Systems<br />

aufnehmen. In der Versuchsanlage kommen diese Bauteile bislang noch nicht zum<br />

Einsatz.<br />

Für die Positionierung in der Vertikalen sind geringere Durchbiegungen der Bahnen<br />

und Krane als im Standard erforderlich. In der Versuchsanlage ist daher am Einträgerhängekran<br />

eine Spannbrücke zur Versteifung nachgerüstet worden. Es sind starre<br />

Krantraversen zu verwenden.<br />

Die Fahrantriebe sind frequenzgeregelt zu steuern. Die Anbringung eines Wegmesssystems<br />

ist dann erforderlich, wenn mehrere, wechselnde Positionen anzufahren<br />

sind. Über die Nutzung von Initiatoren ist die geforderte Flexibilität nicht gegeben.<br />

Auch <strong>für</strong> geringe Automatisierungsgrade ist eine umfassende Ausrüstung des Systems<br />

mit Komponenten und Sensorik erforderlich (z.B. Hubwerk <strong>für</strong> Steuerschalter,<br />

7-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />

MATVAR<br />

Ruftaster, Wegmesssystem, Lasterkennung). Hinzu kommen die sicherheitsbedingten<br />

Erfordernisse an das Lastaufnahmemittel. Ein modulares, erweiterbares System<br />

ist zudem mit einem Bus-Steuerungssystem wie in Abschnitt 3 dargestellt auszurüsten.<br />

Hierzu sind die Komponenten des Systems mit einer entsprechenden Schnittstelle<br />

zu versehen. Diese Schnittstelle kann entweder in der Komponente eingebaut<br />

sein oder ist durch den zusätzlichen Einbau von Schnittstellenmodulen zu gewährleisten.<br />

5 Zusammenfassung<br />

Im Verbundforschungsprojekt MATVAR hat die Mannesmann Dematic AG in Zusammenarbeit<br />

mit den Projektpartnern ein modulares, flexibles und dezentral gesteuertes<br />

Leichtfördersystem erstellt.<br />

Die Möglichkeit der Aufrüstung eines handgesteuerten Krans über unterschiedliche<br />

Ausbau- und Automatisierungsstufen bis hin zu einem Materialflussnetz mit vollautomatisch<br />

fahrenden Katzen und Kranen ist insbesondere <strong>für</strong> kleine und mittelständische<br />

Unternehmen interessant, da die Anfangsinvestitionen relativ gering sind und<br />

die Anlage entsprechend den steigenden Anforderungen schrittweise ausgebaut<br />

werden kann. Die Automatisierungsstufen können dabei passend zum benötigten<br />

Einsatzfall ausgewählt werden. Das Baukastenprinzip gewährleistet eine einfache<br />

Erweiterbarkeit in mechanischer, elektrischer und steuerungstechnischer Hinsicht.<br />

Dieses Leichtfördersystem entspricht damit den hohen Anforderungen des Forschungsprojektes<br />

und bietet die Basis <strong>für</strong> Neuentwicklungen im Bereich der Materialflusstechnik.<br />

6 Literatur<br />

[1] Nitidem, E.: Dezentrales Signalverarbeitungssystem <strong>für</strong> komplexe Überwachungs-<br />

und Regelungsaufgaben, Fortschritt-Bericht VDI, Reihe 8, Nr. 746,<br />

VDI-Verlag, Düsseldorf, 1999.<br />

[2] Etschberger, K., Lorinser, A., Schlegel, Ch., Suters, T.: CAN; Grundlagen, Protokolle,<br />

Bausteine, Anwendungen, Hanser Verlag, München, Wien, 1994.<br />

[3] Lawrenz, W. (Hrsg.): CAN, Grundlagen und Praxis, Hüthig Verlag, Heidelberg,<br />

1997.<br />

[4] N.N.: KBK classic, Kranbaukasten KBK 100, I, II-L, II, III Projektierung und<br />

Bauteile, Mannesmann Dematic AG Druckschrift 20297544<br />

[5] N.N.: KBK ergo, KBK I, II-L, II, Mannesmann Dematic AG Druckschrift<br />

20330844<br />

7-18


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

*HVWDOWXQJ GHU 0DWHULDOIOXVV<br />

VWHXHUXQJ LQ G\QDPLVFKHQ 3URGXN<br />

WLRQVVWUXNWXUHQ<br />

MATVAR<br />

'U ,QJ 6WHIDQ %OHVVLQJ<br />

,QVWLWXW I U :HUN]HXJPDVFKLQHQ XQG %HWULHEVZLVVHQVFKDIWHQ<br />

LZE<br />

7HFKQLVFKH 8QLYHUVLWlW 0 QFKHQ<br />

%ROW]PDQQVWU<br />

*DUFKLQJ<br />

8-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

1 Einleitung<br />

MATVAR<br />

Das vielfach diskutierte turbulente Umfeld der Unternehmen erfordert häufige Veränderungen<br />

auf der Ebene der Produktionssysteme, zu deren Umsetzung sehr wenig<br />

Zeit besteht. Der derzeit dazu am meisten diskutierte Lösungsansatz besteht darin,<br />

Unternehmen und ihre Produktionssysteme wandlungsfähig zu machen (REINHART<br />

U.A. 1999, WESTKÄMPER U.A. 1999). Zur Definition von Wandlungsfähigkeit gibt es<br />

verschiedene Ansätze (SELKE 1998, HARTMANN & SPIEWACK 1999), die jedoch alle<br />

prinzipiell in der Forderung münden, Veränderungen jeglicher Art auf wirtschaftliche<br />

Art und Weise durchführen zu können.<br />

Dazu bestehen eine Vielzahl von Möglichkeiten, die auf allen Unternehmensebenen<br />

angesiedelt sein können. Virtuelle Unternehmensstrukturen (vgl. NABER U.A. 1996,<br />

EVERSHEIM 1999) stellen einen Ansatz auf Unternehmensebene dar. Innerhalb der<br />

Unternehmen bzw. auf der Ebene der Produktionssysteme werden ebenfalls organisatorische<br />

(z.B. KÖNIG 1997) und technische Ansätze (z.B. GALLASCH & DECKER 1996<br />

REEK 1999) entwickelt, die insgesamt die Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens<br />

steigern sollen.<br />

Dem innerbetrieblichen Materialfluss kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.<br />

Gerade die Funktionen, welche die Vernetzung eines Produktionssystems bilden,<br />

sind in besonderem Maße von Veränderungen betroffen und müssen damit der Forderung<br />

nach Wandlungsfähigkeit gerecht werden. Wandlungsfähigkeit stellt aber<br />

neue und sehr hohe Anforderungen an die zur Steuerung des Materialflusses in einem<br />

Produktionssystem eingesetzten Verfahren und Werkzeuge, die derzeit noch<br />

nicht vollständig erfüllt werden können.<br />

Die Gründe da<strong>für</strong> sind vielfältig. Besonders die Forderung, das Materialflusssystem<br />

schnell und einfach an Veränderungen des Produktionssystems anpassen zu können,<br />

scheitert an dem meist zu hohen Veränderungsaufwand der Materialflusssteuerung.<br />

Ein weiteres Manko stellt die fehlende Kompatibilität und Durchgängigkeit der<br />

eingesetzten Steuerungssysteme dar, so dass manuelle und automatisierte Elemente<br />

nicht gleichzeitig eingesetzt werden können. Die wachsende Bedeutung des<br />

Materialflusses und die bei der Steuerung des innerbetrieblichen Materialflusses bestehenden<br />

Defizite bilden den Ausgangspunkt <strong>für</strong> diese Arbeit.<br />

Der effektive Einsatz von informationsverarbeitenden Systemen in der dynamischen<br />

Produktion erfordert neue Ansätze und Systemkonzepte. Dementsprechend wird in<br />

diesem Beitrag ein grundlegendes Konzepte zur Gestaltung dynamikgerechter, informationsverarbeitender<br />

Systeme vorgestellt. Das Ziel dieses Beitrags ist, ein Konzept<br />

zur Gestaltung der Materialflusssteuerung in dynamischen Produktionsstrukturen<br />

zu entwickeln, dessen prototypische Umsetzung zu zeigen und damit die Funktionsfähigkeit<br />

des Konzepts nachzuweisen.<br />

8-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Standortübergreifender<br />

Materialfluss<br />

Innerwerklicher<br />

Materialfluss<br />

Innerbetrieblicher<br />

Materialfluss<br />

Materialfluss<br />

am Arbeitsplatz<br />

Bild 1: Betrachtungsgegenstand ist der innerbetriebliche Materialfluss<br />

MATVAR<br />

2 Auswirkungen des dynamischen Umfelds auf die Materialflusssteuerung<br />

2.1 Betrachtungsgegenstand Materialflusssteuerung<br />

Der Materialfluss ist definiert als die Verkettung aller Vorgänge beim Gewinnen, Beoder<br />

Verarbeiten sowie bei der Verteilung von Gütern innerhalb festgelegter Materialflussebenen<br />

(VDI 1970). Häufig wird in diesem Zusammenhang vom Materialfluss<br />

erster bis vierter Ordnung gesprochen (BULLINGER & LUNG 1994).<br />

Betrachtungsgegenstand des vorliegenden Beitrags ist der innerbetriebliche Materialfluss,<br />

d.h. der Materialfluss dritter Ordnung. Der Grund da<strong>für</strong> ist, dass besonders<br />

der innerbetriebliche Materialfluss entscheidend <strong>für</strong> die Qualität der logistischen<br />

Leistung eines Produktionssystems ist (NEDELJKOVIC-GROHA 1995, S. 6). Der Betrachtungsgegenstand<br />

erstreckt sich nur auf rechnergestützte Materialflusssteuerungen,<br />

da sich auf diese Veränderungen der Produktion stärker auswirken. Eine rechnergestützte<br />

Materialflusssteuerung kann dabei sowohl Teil eines übergeordneten<br />

IV-Systems sein, als auch als ein eigenständiges System in die betriebliche Informationsverarbeitung<br />

eingebunden sein.<br />

8-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

2.2 Veränderungen in der Materialflusssteuerung auf Grund<br />

von Veränderungen in der Produktion<br />

2.2.1 Veränderungen der Aufbauorganisation<br />

Veränderungen der Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung können als Reaktion<br />

auf Veränderungen des Produktionssystems erforderlich werden, ebenso aber<br />

auch eine Folge von Veränderungen innerhalb des Materialflusssystems selbst sein.<br />

Vergrößert sich ein Produktionssystem, nimmt meist auch die Anzahl der Arbeitsstationen<br />

und die Anzahl der Mitarbeiter zu und es müssen beispielsweise mehr Eingabeterminals<br />

zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden neue Transportmittel<br />

<strong>für</strong> das erhöhte Transportaufkommen in der vergrößerten Produktion erforderlich, die<br />

dem Materialflusssystem hinzugefügt und damit auch in die Materialflusssteuerung<br />

integriert werden müssen. Diese beiden Beispiele zeigen auf, wodurch Veränderungen<br />

der Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung erforderlich werden können.<br />

Mit der Vergrößerung eines Produktionssystems erfolgt meist auch eine Anpassung<br />

der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche innerhalb der Produktion. Die Strukturierung<br />

der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche innerhalb einer Materialflusssteuerung<br />

basiert auf den Gegebenheiten im Produktionssystem und muss die dort stattfindenden<br />

Veränderungen deshalb berücksichtigen.<br />

Die Vergrößerung eines Produktionssystems soll hier lediglich als ein Beispiel <strong>für</strong><br />

eine Veränderung in der dynamischen Produktion verstanden werden. Natürlich sind<br />

Verkleinerungen, Teilungen, Umstrukturierungen etc. ebenso möglich. Diese führen<br />

im Kern jedoch auf dieselben Veränderungen <strong>für</strong> die Materialflusssteuerung.<br />

2.2.2 Veränderungen der Ablauforganisation<br />

Die Strukturierung der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche des Produktionssystems<br />

sowie insbesondere der Materialflusssteuerung bestimmt in hohem Maße die in<br />

der Materialflusssteuerung verwendeten Strategien zur Planung und Steuerung der<br />

Materialflussabläufe. Darüber hinaus wirken sich organisatorische Veränderungen<br />

eines Produktionssystems, insbesondere Veränderungen der Steuerungsstrategie<br />

und der Ablaufvorschriften, direkt auf die Ablauforganisation einer Materialflusssteuerung<br />

aus.<br />

Ein Beispiel ist die Veränderung der Arbeitspläne. Ein Arbeitsplan enthält alle Angaben,<br />

die zur Herstellung eines Erzeugnisses erforderlich sind. Im Arbeitsplan sind<br />

alle Arbeitsgänge mitsamt der erforderlichen Abarbeitungsreihenfolge beschrieben<br />

(MEINBERG & TOPOLEWSKI 1995, S. 33). Eine Veränderung dieser führt zu einer Ver-<br />

8-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

änderung der Reihenfolge, in der Material von einer Bearbeitungsstation zur nächsten<br />

transportiert wird, und wirkt sich damit direkt auf den Materialfluss aus.<br />

Eine Veränderung der Produktionsstruktur, beispielsweise die Einführung von Fertigungsinseln,<br />

hat zwar direkten Einfluss auf die Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung,<br />

auf deren Ablauforganisation wirkt sich diese Veränderung jedoch<br />

nur indirekt aus. Im Zuge dieser organisatorischen Veränderung erfolgt meist auch<br />

eine Anpassung der Steuerungsstrategie des Produktionssystems, die sich wiederum<br />

direkt auf die Materialflusssteuerung auswirkt, da mit der Verteilung der Arbeit<br />

auch die Verteilung des Materials gekoppelt ist. Bei Anwendung einer Engpasssteuerung<br />

nach dem OPT-Prinzip (GOLDRATT & COX 1996) in der dynamischen Produktion<br />

wandern die Engpässe auf Grund der schwankenden Auftragslage bzw. auf Grund<br />

von technischen oder organisatorischen Veränderungen. Da vor einem Engpass<br />

Aufgaben nach dem Zieh-Prinzip und nach dem Engpass nach dem Schiebe-Prinzip<br />

verteilt werden, muss auch die Ablauforganisation einer Materialflusssteuerung zwischen<br />

den verschiedenen Steuerungsprinzipien (Bring- und Holprinzip) wechseln<br />

können.<br />

2.3 Anforderungen an die Materialflusssteuerung in der dynamischen<br />

Produktion<br />

Aus den genannten Veränderungen ergeben sich vier wesentliche Anforderungen an<br />

die Materialflusssteuerung in der dynamischen Produktion.<br />

Die wichtigste Anforderung an die Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung<br />

im dynamischen Produktionsumfeld besteht darin, Veränderungen des Produktionssystems<br />

schnell und einfach abbilden zu können. Darunter sind Veränderungen der<br />

Anordnung der Betriebsmittel, also des Layouts, ebenso zu verstehen wie Veränderungen<br />

organisatorischer Art. Der Austausch von Transportmitteln oder die Erweiterung<br />

der eingesetzten Transportmittel um weitere Komponenten muss von einer<br />

Materialflusssteuerung ebenfalls beherrscht werden können.<br />

Neben der Fähigkeit, diese Veränderungen abbilden zu können, ist von Materialflusssteuerungen<br />

in der dynamischen Produktion zu fordern, dass sie auch die Neuund<br />

Umplanungsvorgänge unterstützen. Dies kann auf unterschiedliche Arten erfolgen.<br />

Zum einen sollten aktuelle Daten z.B. über die Auslastung der Transportmittel,<br />

die benutzten Fahr- und Verkehrswege oder über die häufigsten Störungsursachen<br />

einem Materialfluss-Planer zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollte bereits<br />

das System der Materialflusssteuerung die Möglichkeit bieten, alternative<br />

Konstellationen, z.B. bezüglich der Art und Anzahl der eingesetzten Fördermittel,<br />

bewerten zu können. Damit sollte es möglich werden, Planung und Betrieb einer<br />

Materialflusssteuerung quasi zu parallelisieren und somit Planungs- und Inbetriebnahmezeiten<br />

zu verkürzen.<br />

8-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Veränderungsfähigkeit<br />

Layout<br />

Transportmittel<br />

Organisationsprinzip<br />

Aufbauorganisation<br />

Ablauforganisation<br />

Materialflusssteuerung<br />

Strategievariabilität<br />

MATVAR<br />

BRING HOL<br />

Planungsunterstützung Aktualität der Planung<br />

Vier wesentliche Anforderungen an die Gestaltung<br />

der Materialflusssteuerung<br />

Bild 2: Anforderungen an die Gestaltung der Materialflusssteuerung<br />

Auf Grund der Veränderungen, die besonders die Ablauforganisation der Materialflusssteuerung<br />

betreffen, ist an diese die Forderung zu stellen, dass sowohl ein<br />

Wechsel des Steuerungsprinzips jederzeit und einfach möglich sein muss als auch<br />

verschiedene Steuerungsstrategien innerhalb eines Materialflusssystems verwendet<br />

werden können. Das heißt, dass z.B. in einer Produktion mit einem wandernden<br />

Engpass die Steuerungsstrategie <strong>für</strong> einen Bereich von Bringprinzip auf Holprinzip<br />

umgestellt werden kann, ohne dass zuvor die gesamte Materialflusssteuerung aufgeteilt<br />

und neu eingestellt werden muss.<br />

Damit verbunden ist die Forderung nach der Optimierung der Abläufe in der Materialflusssteuerung<br />

unter Berücksichtigung der aktuellen Situation in der Produktion.<br />

Die hohe Dynamik in der Produktion bringt es mit sich, dass einmal geplante Abläufe<br />

im nächsten Moment nicht mehr optimal sind, da sich die Planungsgrundlagen verändert<br />

haben. Störungen an den Bearbeitungsstationen durch technisches oder<br />

menschliches Versagen können z.B. eine Veränderung einmal geplanter Abläufe<br />

notwendig werden lassen. Damit wird es erforderlich, mit möglichst kurzen Planungshorizonten<br />

zu planen. Allerdings schrumpft mit dem Planungshorizont auch die<br />

Möglichkeit zur Optimierung von Abläufen. Die Forderung nach der Aktualität der<br />

Planung ist deshalb mit der Forderung nach einem Optimum zwischen Planungshorizont<br />

und Abläufen verbunden.<br />

8-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Veränderungsfähigkeit<br />

Unstetig fördernde<br />

Transportmittel<br />

Materialflusssteuerung<br />

durch ein Leitsystem<br />

Strategievariabilität<br />

MATVAR<br />

Dezentrale<br />

Ansätze<br />

Handlungsbedarf<br />

Planungsunterstützung Agentenbasierte<br />

Ansätze<br />

Aktualität der Planung<br />

Anforderungen werden lediglich teilweise erfüllt<br />

Bild 3: Stand der Technik und Handlungsbedarf<br />

3 Stand der Technik und Handlungsbedarf<br />

Die Systemarchitektur einer Materialflusssteuerung ist meist von außen nicht sichtbar.<br />

Das Hauptaugenmerk bei Betrachtungen liegt eher auf der Funktion eines Systems<br />

und weniger auf seinen inneren Eigenschaften. Dies gilt jedoch dann nicht<br />

mehr, wenn Systeme und damit auch ihre innere Aufbauorganisation häufiger verändert<br />

werden müssen. Bei den aus der Literatur bekannten Ansätzen zur Materialflusssteuerung<br />

lassen sich zentrale und dezentrale Systemarchitekturen unterscheiden.<br />

Bei zentralen Ansätzen sind die Funktionen der Materialflusssteuerung in einem Leitsystem<br />

integriert (NEDELJKOVIC-GROHA 1995, S. 13). Leitsysteme können Materialflussvorgänge<br />

wie Bearbeitungsaufträge einplanen und diese an die zur Verfügung<br />

stehenden Transportmittel verteilen. Voraussetzung ist hierzu, dass Materialflussvorgänge<br />

genau wie die im Arbeitsplan aufgeführten Fertigungs- und Montagevorgänge<br />

dem Leitsystem als Planungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden.<br />

Ein Leitsystem ist unterhalb der Produktionsplanung und –steuerung angesiedelt<br />

(MERTINS U.A. 1994, S. 14-57) und plant mit einem kürzeren Zeithorizont unter Berücksichtigung<br />

der zur Verfügung stehenden Maschinen- und Personalkapazität. Besonders<br />

nach dem Werkstatt- oder Inselprinzip organisierte Produktionssysteme eignen<br />

sich <strong>für</strong> den Einsatz von Leitsystemen. Beispiele hierzu sind u.a. von SCHRÖDEL<br />

8-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

(1992), CHA & PARK (1996), PARUNAK (1998), REINHART & ANSORGE (1997) und<br />

GERDES (1997) bekannt.<br />

Dezentral aufgebaute Systeme sind in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass die<br />

Funktionen der Materialflusssteuerung von einem Steuerungssystem unterhalb der<br />

Leitebene wahrgenommen werden. Dies setzt die Entkopplung von Fertigungs- und<br />

Materialflussaufgaben voraus (NEDELJKOVIC-GROHA 1995, S. 13). Das Materialflusssteuerungssystem<br />

kann selbst wiederum aus einem oder mehreren Subsystemen<br />

bestehen. NEDELJKOVIC-GROHA (1995) beschreibt ein System eines Materialfluss-<br />

Zellenrechners. Dieser ist unterhalb der Leitebene angesiedelt und wird deshalb vom<br />

Autor als dezentral bezeichnet. Ein weiterer Schritt in der Dezentralisierung der<br />

Funktionalität einer Materialflusssteuerung führt zu agentenbasierten Ansätze, bei<br />

denen die Aufteilung der Materialfluss-Funktionen nicht nur nach funktionalen Kriterien,<br />

sondern auch anhand der Topologie der zu steuernden Anlage erfolgt. Hierzu<br />

sind Arbeiten u.a. von CASSANDRAS (1986), PARUNAK (1988), KUSIAK (1986),<br />

GAUSEMEIER U.A. (1996) und LI (1996) bekannt.<br />

Industriell eingesetzte Systeme zur Materialflusssteuerung sind meist entweder als<br />

Bestandteil eines Leitrechners oder als eigenständiger Materialflussrechner realisiert.<br />

Zwar werden letztere hier auch als dezentraler Ansatz bezeichnet, die Konzentration<br />

aller Materialflussfunktionen in einem Rechnersystem weist jedoch häufig die gleichen<br />

Eigenschaften auf, wie zentrale Lösungen (Leitrechner). Agentenbasierte Ansätze<br />

werden derzeit ausschließlich in der Forschung untersucht. Ihre Vorteile liegen<br />

in der transparenten Abbildung der realen Produktion durch entsprechende Wahl und<br />

Zuordnung einzelner Agenten. Derartige Architekturkonzepte wurden vor allem <strong>für</strong><br />

Leitsysteme entwickelt, ihre Übertragung auf Materialflusssteuerungen wurde bislang<br />

nur selten vorgenommen.<br />

Eine ideale Materialflusssteuerung <strong>für</strong> den Einsatz in der dynamischen Produktion<br />

sollte alle vier Anforderungen erfüllen, und dabei die Kriterien noch besser erfüllen,<br />

als die derzeit verfügbaren Ansätze. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass<br />

Handlungsbedarf zur Entwicklung einer Materialflusssteuerung besteht, die den Forderungen<br />

nach Veränderungsfähigkeit und Unterstützung bei Um- und Neuplanungen,<br />

Aktualität der Planung und Flexibilität der eingesetzten Steuerungsstrategien<br />

gleichzeitig genügt. Vor allem die fehlende Unterstützung bei der Planung von Veränderungen<br />

der Aufbau- und Ablauforganisation der Materialflusssteuerung erfordert<br />

eine theoretische Basis <strong>für</strong> die Entwicklung und Veränderung der Systemarchitektur.<br />

Diese muss den Planer des Steuerungssystems unterstützen und idealer weise zusätzlich<br />

eine gemeinsame Sprachbasis <strong>für</strong> die Zusammenarbeit mit dem Materialflussplaner<br />

bieten. Es besteht demnach Handlungsbedarf zur Entwicklung eines<br />

neuen Ansatzes, der unter Vermeidung dieser Defizite die Möglichkeiten schafft, den<br />

Materialfluss auch in dynamischen Produktionssystemen mit informationstechnischer<br />

Unterstützung wirtschaftlich zu betreiben.<br />

8-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Verteilte<br />

Materialflusssteuerung<br />

Lokale<br />

Materialverwaltung<br />

Materialbereitstellung<br />

Bestand verwalten<br />

Bedarf ermitteln<br />

Material anfordern<br />

Transporteinheit<br />

Umgebungsmodell<br />

Materialbesorgung<br />

Plätze verwalten<br />

Transportgut verwalten<br />

Teilaufgaben verteilen<br />

Transportmittel<br />

Transport<br />

Wege planen<br />

Wege reservieren<br />

Weg optimieren<br />

Bild 4: Die Aufbauorganisation besteht aus vier Dienstleistern<br />

MATVAR<br />

4 Konzeption einer dynamikgerechten Materialflusssteuerung<br />

4.1 Aufbauorganisation<br />

Auf Basis der in (BLESSING 1999, S. 41 FF.) entwickelten konzeptionellen Grundlagen<br />

ergibt sich eine verteilte Aufbauorganisation, die das vormals monolithische Materialflusssteuerungssystem<br />

in drei verschiedene Typen Systemelementen unterteilt. Die<br />

wichtigsten am realen Materialfluss beteiligten Komponenten Transportmittel, Transporteinheit<br />

und Quellen und Senken, wie z.B. Lager-, Bearbeitungs- und Montagezellen,<br />

werden als eigenständige Dienstleister betrachtet, die mit Hilfe ihrer informationstechnischen<br />

Abbilder in der Materialflusssteuerung Dienste erbringen bzw.<br />

Dienste anderer in Anspruch nehmen können. Als zusätzliche Informationsquelle und<br />

viertes Systemelement steht eine Datenbasis, das sog. Umgebungsmodell, zur Verfügung,<br />

die relevante Modellinformationen ermittelt und diese allen Systemelementen<br />

als Dienstleistung zur Verfügung stellt.<br />

Die Aufbauorganisation der Materialflusssteuerung ergibt sich damit zu einem Verbund<br />

verschiedener Dienstleister, die in einem Kunden-/Lieferanten-Netz zusammenarbeiten.<br />

Dies ermöglicht eine prinzipiell hohe Veränderbarkeit des Systemaufbaus.<br />

8-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Planung<br />

Ablaufsteuerung<br />

VMD /<br />

Treiber<br />

Steuerung<br />

Kommunikationsplattform<br />

Planung Planung<br />

Kran-PC<br />

Fahrerloses<br />

Transportfahrzeug Stapler Hallenkran<br />

Bild 5: Systemarchitektur der Dienstleister Transportmittel<br />

4.1.1 Transportmittel<br />

Ablaufsteuerung,Feldbusankopplung<br />

MATVAR<br />

Die Systemarchitektur der Dienstleister vom Typ Transportmittel ist gekennzeichnet<br />

durch eine Trennung der Funktionen Kommunikation, Planung, Ablaufsteuerung und<br />

Kontrolle in voneinander unabhängige Software-Agenten (vgl. Blessing 1999, S. 26).<br />

Je nach Einsatzfall sind <strong>für</strong> den Dienstleister Transportmittel entweder alle Agenten<br />

erforderlich, oder auf einzelne kann verzichtet werden, etwa wenn die Funktion von<br />

einem Bediener ausgeführt wird. Die einheitliche Kommunikationsplattform unterstützt<br />

diese Trennung der Funktionen durch kompatible Schnittstellen.<br />

Diese Architektur erlaubt es, verschiedenartige Transportmittel prinzipiell mit derselben<br />

Steuerungsarchitektur unter einem Dach zusammenzufassen. Dadurch wird es<br />

möglich, heterogene Fuhrparks mit einer Steuerung gemeinsam zu verwalten, und<br />

die Kapazitäten der einzelnen Transportmittel insgesamt optimal auszunutzen. Bild 5<br />

zeigt verschiedene Konstellationen unterschiedlicher Dienstleister vom Typ Transportmittel.<br />

Während bei automatisierten Transportmitteln (z.B. FTF) Agenten <strong>für</strong> Planung,<br />

Ablaufsteuerung und Anpassung an die maschinenspezifische Steuerung<br />

(Treiber) erforderlich sind, kommt die Integration eines Gabelstaplers unter Einbeziehung<br />

des Bedieners mit einem Planungsagenten aus.<br />

8-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Kommunikationsplattform<br />

Planung Auftragsplan Materiallisten<br />

Ablaufsteuerung<br />

Bedienober-<br />

fläche<br />

MATVAR<br />

Modellinformation<br />

Bild 6: Systemarchitektur der Dienstleister lokale Materialverwaltung<br />

4.1.2 Lokale Materialverwaltung<br />

Die Systemarchitektur der Dienstleister vom Typ lokale Materialverwaltung ist vergleichbar<br />

mit der Systemarchitektur der Transportmittel-Dienstleister. Ausgehend von<br />

der systemweiten Kommunikationsplattform ist ein Planungsagent <strong>für</strong> die Entgegennahme<br />

von Aufgaben und deren terminliche Einordnung zuständig. Zur Ausführung<br />

werden die Aufgaben an den Steuerungsagenten weitergegeben. Die Weitergabe<br />

daraus abgeleiteter einzelner Aktionen an einen Treiberagenten ist nur bei vollständig<br />

automatisierten Bearbeitungszellen erforderlich. In der Regel kommuniziert der<br />

Steuerungsagent über geeignete Bedienoberflächen mit dem Zellenbediener. Somit<br />

übernimmt der Bediener dann auch die operative Ausführung der Dienstleistungen.<br />

Dies entspricht im wesentlichen einem neuen Aufgabenverständnis der Zellenbediener,<br />

wie es z.B. von DIESCH (1999) beschrieben wird.<br />

Grundlage der Aktionen des Planungsagenten sind die aktuellen zellenspezifischen<br />

Informationen über die eingeplanten Aufgaben, das zur Verfügung stehende Material<br />

und die Topologie und Eigenschaften der Bearbeitungszelle. Zu letzteren gehören<br />

Informationen über Anzahl, Art und aktuellen Status der Lastübergabepunkte, die<br />

zelleninternen Fördermittel sowie die geometrischen Abmaße der Zelle.<br />

8-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Planung<br />

Ablaufsteuerung<br />

Bedienoberfläche<br />

Kommunikationsplattform<br />

Auftragsplan<br />

Belegungslisten<br />

Bild 7: Systemarchitektur der Dienstleister Transporteinheit<br />

4.1.3 Transporteinheiten<br />

MATVAR<br />

Die Systemarchitektur der Dienstleister vom Typ Transporteinheit ist prinzipiell ähnlich<br />

zu den Systemarchitekturen der beiden beschriebenen Systemelemente. Allerdings<br />

sind im Gegensatz zu diesen die Transporteinheiten keine aktiven Systemelemente,<br />

d.h. sie verfügen alleine über keine Möglichkeit sich oder andere physisch zu<br />

verändern. Dennoch müssen sie über die Möglichkeit verfügen, Veränderungen an<br />

sich selbst oder in ihrer Umgebung zu erfahren. Auf der untersten Agentenebene ist<br />

deshalb eine Bedienoberfläche angesiedelt, mit der ein Bediener Zustandsänderungen<br />

in der Belegung der Transporteinheit abbilden kann. Bei entsprechender sensorischer<br />

Ausstattung der Transporteinheit und des Transportguts mit einem Identifikationssystem,<br />

könnte hier auch eine VMD zum Einsatz kommen, die automatisch die<br />

aktuelle Belegung der Transporteinheit ermittelt. Der darüber liegende Steuerungsagent<br />

überwacht die Aktionen der darunter liegenden Ebene und schreitet gegebenenfalls<br />

ein.<br />

Die Grundlage <strong>für</strong> die Planungen des Planungsagenten ist die aktuelle Situation der<br />

Transporteinheit, die durch die Einträge in den Belegungs- und Auftragslisten sowie<br />

durch die Ergebnisse der Verhandlungen mit den Unterauftragnehmern gekennzeichnet<br />

ist. Den Transporteinheiten kommt bei der entwickelten Strukturierung der<br />

Materialflusssteuerung die Rolle eines Koordinators zu.<br />

8-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Umgebungsmodellserver<br />

Kommunikationsplattform<br />

Umgebungsmodell<br />

Topologie- und<br />

Positionsdaten<br />

Bild 8: Systemarchitektur des Dienstleisters Umgebungsmodellserver<br />

4.1.4 Umgebungsmodellserver<br />

MATVAR<br />

Aufgabe des Dienstleisters Umgebungsmodellserver ist es, Informationen der einzelnen<br />

Dienstleister zu kombinieren und auf Basis der angereicherten Informationen<br />

dienstleisterübergreifende Entscheidungen zu treffen. Aus dieser Aufgabenstellung<br />

ergeben sich Eigenschaften und Systemaufbau des Dienstleisters Umgebungsmodellserver,<br />

die in vielerlei Hinsicht unterschiedlich zu den zuvor beschriebenen<br />

Dienstleistern sind. Zunächst ist ein wesentlicher Unterschied zu den jeweils mehrfach<br />

vorhandenen Dienstleistern Transporteinheit, Transportmittel und lokale Materialverwaltung,<br />

dass der Umgebungsmodellserver nur ein einziges Mal im System vorhanden<br />

ist.<br />

Ein weiterer Unterschied ist der Systemaufbau. Im Gegensatz zu den beschriebenen<br />

Dienstleistern ist kein Planungsagent zur Bildung einer Ausführungsreihenfolge erforderlich.<br />

Besondere Bedeutung kommt dem Datenteil des Umgebungsmodellservers<br />

zu. Das Umgebungsmodell, das den Aktionen zu Grunde liegt, darf keine Redundanz<br />

zu den lokalen Modellen der einzelnen Dienstleister aufweisen. Sonst wäre<br />

bei Veränderungen im System ein doppelter Anpassungsaufwand erforderlich. Vielmehr<br />

soll das zentrale Umgebungsmodell ohne zusätzlichen Aufwand aus den lokalen<br />

Modellen entstehen. Dazu ist es erforderlich, dass die lokalen Modelle vereinbarten<br />

Systemstandards genügen und untereinander redundanzfrei sind. Das Gesamtmodell<br />

ergibt sich quasi als Puzzle aus den Einzelmodellen.<br />

8-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

1<br />

4<br />

2 3<br />

5<br />

Flexibles Ablaufkonzept<br />

4.2 Ablauforganisation<br />

4.2.1 Holprinzip<br />

6<br />

1<br />

4<br />

?<br />

? A B<br />

Produktionszellen,<br />

lokale<br />

Materialverwaltungen<br />

Aufgabenverteilung nach<br />

dem Verhandlungsprotokoll<br />

Transportträger<br />

Aufgabenverteilung nach<br />

dem Verhandlungsprotokoll<br />

Bild 9: Ablauforganisation Holprinzip<br />

Transportmittel<br />

MATVAR<br />

Auf Basis dieser prinzipiellen Verhaltensmuster ergeben sich nun in Abhängigkeit<br />

von der anwendungsspezifischen Aufbauorganisation und den implementierungsspezifischen<br />

Zielsystemen der einzelnen Dienstleister unterschiedliche Abläufe. Der<br />

einfachste Fall ist eine Materialflussanforderung nach dem Holprinzip.<br />

Der Materialflussvorgang wird durch eine Bearbeitungszelle ausgelöst, deren lokale<br />

Materialverwaltung aufgrund neuer Bearbeitungsaufträge einen Materialbedarf festgestellt<br />

hat. Die lokale Materialverwaltung verteilt über die Kommunikationsplattform<br />

daraufhin eine Ausschreibung an sämtliche Transporteinheiten im System (Schritt €<br />

in Bild 9). Diese wiederum prüfen die in der Ausschreibung enthaltene Aufgabe und<br />

erstellen daraufhin ein Angebot ó. Dieses Angebot wird besonders gut ausfallen,<br />

wenn das gewünschte Material bereits auf der Transporteinheit vorhanden ist und<br />

schlechter, wenn das Material erst z.B. von einem Lager besorgt werden muss. Die<br />

Transporteinheit, die den Zuschlag zur Bereitstellung des gewünschten Materials<br />

erhalten hat ì, startet anschließend eine Ausschreibung ö, um ein Transportmittel<br />

mit dem eigentlichen Transportvorgang zu beauftragen ú, ÷.<br />

8-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

1<br />

2<br />

3 3 3<br />

4 5<br />

?<br />

Produktionszellen,<br />

lokale<br />

Materialverwaltungen<br />

Ankündigung / Platzreservierung<br />

durch direkte Anfrage<br />

Transportträger<br />

? A B Aufgabenverteilung nach<br />

dem Verhandlungsprotokoll<br />

Erfüllung der Anforderungen nach<br />

– Strategievariabilität<br />

– Veränderungsfähigkeit<br />

– Planungsaktualität<br />

4.2.2 Bringprinzip<br />

Transportmittel<br />

Bild 10: Ablauforganisation Bringprinzip<br />

MATVAR<br />

Ganz ähnlich ergeben sich die Abläufe bei einer nach dem Bringprinzip organisierten<br />

Materialflusssteuerung. Allerdings entfällt hier die Suche nach der Materialquelle, da<br />

dies zu Beginn des Materialflussvorgangs bekannt ist. Ebenso ist das Ziel des Vorgangs<br />

bekannt. Damit reduziert sich der erste Teil des Ablaufs, die Kommunikation<br />

zwischen einer lokalen Materialverwaltung und einer Transporteinheit auf eine einfache<br />

synchrone Anfrage nach der Verfügbarkeit von Pufferplätzen (Schritt € in Bild<br />

10). Der zweite Teil des Materialflussvorgangs, die Bestimmung eines Transportmittels,<br />

verläuft analog zu dem Ablauf beim Holprinzip (ó, ì, ö). Neu hinzugekommene<br />

Dienstleister werden sofort in die Aufgabenverteilung integriert. Im in Bild 9 dargestellten<br />

Beispiel sind die beiden Gabelstapler jedoch wegen technischer oder kapazitiver<br />

Gründe nicht in der Lage, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen,<br />

weshalb schließlich doch das FTF mit der Transportaufgabe beauftragt wird.<br />

Welcher der Dienstleister des Systems einen Auftrag annimmt und ausführt, hängt<br />

damit vor allem von den Zielen der einzelnen Dienstleister und den Randbedingungen<br />

einer Aufgabenbeschreibung ab. Die Abstimmung zwischen Zielen und Randbedingungen<br />

erfolgt bei der initialen Konfiguration einer spezifischen Implementierung.<br />

8-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Transportmittel<br />

Planung<br />

Steuerung<br />

Treiber<br />

Transportträger<br />

Planung<br />

Ablaufsteuerung<br />

Lokale Materialverwaltung<br />

Planung<br />

Ablaufsteuerung<br />

Bedienoberfläche<br />

1:1 Abbildung des Materialflusssystems in<br />

agentenbasierter Software<br />

MATVAR<br />

Bild 11: Abbildung des realen Materialflusssystems in der Materialflusssteuerung<br />

5 Die verteilte Materialflusssteuerung in der iwb-<br />

Modellfabrik<br />

Die iwb-Modellfabrik besteht aus zwei automatischen Flurförderfahrzeugen sowie<br />

insgesamt vier Produktionszellen: einer Montagestation, zwei Bearbeitungszentren<br />

und einem Lager (GALLASCH & SCHNEIDER 1997). Jede Produktionszelle verfügt über<br />

einen Zellenrechner, der zum einen den Bediener bei der Steuerung der internen<br />

Abläufe unterstützt, zum anderen die Verbindung zur Auftragsverteilung (REINHART &<br />

ANSORGE 1997) bildet. Die Aufgabe der Materialflusssteuerung ist in diesem Produktionssystem,<br />

das von den Zellen zur Bearbeitung angeforderte Material im Produktionssystem<br />

zu besorgen und an die anfordernde Zelle zu transportieren.<br />

Die Aufbauorganisation der Materialflusssteuerung entspricht direkt zu steuernden<br />

Materialflusssystem, d.h. in der Steuerung werden so viele Objekte z. B. vom Typ<br />

Transportmittel erzeugt, wie auch reale Transportmittel vorhanden sind. Die Konfiguration<br />

der einzelnen Dienstleister, d.h. die Anpassung der Agenten an den vorliegenden<br />

Einsatzfall, erfolgt über eine Anpassung der bei (Blessing 1999, S. 110 ff.) beschriebenen<br />

Parameter. Dazu können auch Daten aus anderen Quellen, z.B. einem<br />

Layout-Planungstool verwendet werden. Die Aktivierung der einzelnen Dienstleister<br />

erfolgt durch Starten der jeweiligen Programme und Anmelden der instantiierten<br />

verteilten Objekte an der Kommunikationsplattform.<br />

Kommunikationsplattform<br />

8-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Laststand frei<br />

<strong>für</strong> Anlieferung<br />

1<br />

2<br />

3<br />

1<br />

Material in<br />

LMV vorhanden<br />

Transportträger<br />

mit Material<br />

Analyse der<br />

Einflussgrößen und Faktoren<br />

Die verteilte Materialflusssteuerung ist<br />

funktionsfähig, wenn<br />

– ausreichend Transportkapazität vorhanden und<br />

– benötigtes Material im System vorhanden ist<br />

Abk. Bedingung a a1 b<br />

LMV1<br />

TTM<br />

LMV2<br />

TMA<br />

Material in LMV<br />

vorhanden<br />

Transportträger mit<br />

Material<br />

LMV_2 mit Material und<br />

freiem Laststand<br />

Transportmittel <strong>für</strong><br />

Transport A frei und<br />

bereit<br />

1 0 0<br />

x x 1<br />

x x x<br />

x x 1<br />

Materialfluß i.O. 1 0 1<br />

Kombination der Faktoren<br />

= Versuchsplan<br />

MATVAR<br />

Bild 12: Vorgehensweise bei der Evaluierung der verteilten Materialflusssteuerung<br />

6 Evaluierung<br />

Zur Evaluierung der verteilten Materialflusssteuerung wurde ein Verfahren bestehend<br />

aus einer sorgfältigen Versuchsplanung und der Versuchsdurchführung in einem industrienahen<br />

Umfeld verwendet. Aus dem zur Verfügung stehenden Prozesswissen<br />

wurden die Einflussgrößen ermittelt, zu Faktoren zusammengefasst und ein Versuchsplan<br />

erzeugt, der nur wenige Versuche erforderte. Die Versuche wurden in der<br />

iwb-Modellfabrik durchgeführt, da dort sämtliche Bausteine eines vollständigen Produktionssystems<br />

vorhanden sind und in die verteilte Materialflusssteuerung eingebunden<br />

werden können. Die Übertragung der Versuche aus dieser Mikroumgebung<br />

in ein industrielles Umfeld (Makroumgebung) ist dann möglich, wenn dort dieselben<br />

Randbedingungen vorliegen.<br />

6.1 Überprüfung der Funktionsfähigkeit<br />

Anhand des Einsatzbeispiels in der iwb-Modellfabrik konnte die Tauglichkeit der<br />

verteilten Materialflusssteuerung <strong>für</strong> den Einsatz in einem kleinen Produktionssystem<br />

nachgewiesen werden. Wenn die <strong>für</strong> eine erfolgreiche Abwicklung einer Materialflussanforderung<br />

entscheidenden Kriterien erfüllt sind, kann davon ausgegangen<br />

werden, dass die verteilte Materialflusssteuerung auch in einer anderen Einsatzum-<br />

8-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

gebung Materialflussanforderungen ausführen und das Ziel der Materialflusssteuerung<br />

erfüllen kann.<br />

Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist allerdings, dass die in (BLESSING 1999, S. 132) ermittelten<br />

Erfolgskriterien auch in der neuen Einsatzumgebung erfüllt sind. Die verteilte Materialflusssteuerung<br />

kann in einem Produktionssystem eingesetzt werden, wenn<br />

é gemessen am Transportaufkommen ausreichend Transportkapazität (Transportmittel<br />

und Transporteinheit) vorhanden und in die verteilte Materialflusssteuerung<br />

eingebunden ist,<br />

é die entsprechende informationstechnische Infrastruktur an den Zellen vorhanden<br />

ist, um die vorhandenen Bediener in die Abläufe zu integrieren,<br />

é die Kapazitätsabschätzung der groben Auftragsplanung die Transportkapazitäten<br />

berücksichtigt und damit verhindert, dass mehr Transporte erforderlich<br />

sind, als zur Verfügung stehen und<br />

é die Materialbedarfsplanung sicherstellen kann, dass das zu den aktuellen<br />

Aufträgen gehörende Material im Materialflusssystem vorhanden ist.<br />

Besonders die beiden letztgenannten Kriterien stellen spezielle Anforderungen an die<br />

Systeme der betrieblichen Informationsverarbeitung. Heute auf dem Markt verfügbare<br />

Systeme können bei entsprechender Anpassung diese Aufgaben jedoch durchaus<br />

erfüllen.<br />

6.2 Vergleich des Veränderungsaufwands<br />

Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der vorgestellten verteilten Materialflusssteuerung<br />

zu bisher bekannten Systemen und Ansätzen ist der wesentlich geringere<br />

Aufwand, den Veränderungen des Materialflusssystems mit sich bringen. Anhand<br />

eines Vergleichs zweier Szenarien konnte dies in (BLESSING 1999, S. 136) belegt<br />

werden.<br />

Neben der größeren Anzahl an durchzuführenden Arbeitsschritten erfordern konventionell<br />

aufgebaute Systeme in der Regel auch ein höheres Qualifikationsniveau der<br />

Bearbeiter, die Veränderungen in der Produktion in der Materialflusssteuerung abbilden<br />

müssen.<br />

Die verteilte Materialflusssteuerung ist durch die leicht zu verändernde Aufbauorganisation<br />

(vgl. Abschnitt 4.1) in der Lage, die in dynamischen Produktionsstrukturen<br />

auftretenden häufigen Veränderungen in der Materialflussteuerung wesentlich einfacher<br />

und schneller abzubilden. Zusätzlich werden kleinere Veränderungen auf Grund<br />

der flexiblen Ablauforganisation (vgl. Abschnitt 4.2) im laufenden Betrieb berücksichtigt.<br />

8-18


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

Dynamiktauglichkeit heutiger<br />

Materialflusssteuerungen unzureichend<br />

Verteilte Materialflusssteuerung auf Basis<br />

des Kunden-/Lieferanten-Prinzips<br />

Wichtigste Elemente Elemente sind „Lokale „Lokale<br />

Materialverwaltungen“, „Transportmittel“<br />

und „Transportträger“<br />

Umsetzung Umsetzung in der iwb-Modellfabrik<br />

Nachweis der Funktionsfähigkeit<br />

7 Zusammenfassung<br />

Bild 13: Zusammenfassung<br />

MATVAR<br />

Wandlungsfähigkeit von Unternehmen wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor<br />

werden. Eine wesentliche Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist, dass auch das Produktionssystem<br />

eines Unternehmens wandlungsfähig ist, d.h. mit den dynamischen Veränderungen<br />

auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten mit Hilfe einer immer wirtschaftlich<br />

arbeitenden Produktion Schritt halten kann. Diese Forderung richtet sich<br />

sowohl an das Produktionssystem als Ganzes, als auch an seine Komponenten.<br />

Eine der wesentlichen Komponenten eines Produktionssystems ist der Materialfluss,<br />

der die einzelnen Bearbeitungsschritte einer Produktion verknüpft und damit von<br />

Veränderungen besonders betroffen ist. Hieraus entsteht die Forderung nach einer<br />

hohen Wandlungsfähigkeit der Materialflusssteuerung, die den Ausgangspunkt dieser<br />

Arbeit bildete.<br />

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Anforderungen an Materialflusssteuerungen<br />

ausgehend von den Anforderungen an das Produktionssystem abgeleitet. Dabei<br />

wurden die drei wesentlichen Veränderungsbereiche eines Produktionssystems<br />

identifiziert und die sich daraus ergebenden Veränderungen in der Materialflusssteuerung<br />

ermittelt. Das entwickelte Anforderungsprofil <strong>für</strong> die Aufbau- und Ablauforganisation<br />

zukünftiger Materialflusssteuerungen bildete die Ausgangsbasis <strong>für</strong><br />

die Analyse heute verfügbarer Systeme zur Materialflusssteuerung und der in der<br />

Forschung entwickelten Ansätze. Dies ergab, dass die ermittelten Anforderungen<br />

8-19


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

hinsichtlich Wandlungsfähigkeit nur unzureichend erfüllt werden. Heute verfügbare<br />

Systeme sind auf einen Typ eines Transportmittels spezialisiert und können Transportmittel<br />

anderer Typen nur mit erheblichem Aufwand verwalten und steuern. Auch<br />

fehlen bislang Systeme, die dem Benutzer erlauben, das System einfach und mit geringem<br />

Aufwand zu verändern und an die veränderte Situation in der Produktion anzupassen.<br />

Die Aufgabenstellung <strong>für</strong> diese Arbeit besteht somit aus der Konzeption<br />

und Entwicklung einer Materialflusssteuerung, die den Anforderungen der dynamischen<br />

Produktion genügt.<br />

Grundsätzliche Überlegungen zur Gestaltung von informationsverarbeitenden Systemen<br />

in der Produktion führten zu einer auf dem Kunden-/Lieferanten-Prinzip basierenden<br />

Gestaltungsmaxime. Insbesondere die Forderung nach einfacher Veränderbarkeit<br />

bei gleichzeitiger Transparenz können bei nach diesem Prinzip organisierten<br />

Systemen besser gelöst werden, als dies bei den heute immer noch üblichen zentral<br />

organisierten Systemen der Fall ist.<br />

Auf dieser Grundlage wurde ein Konzept zur Steuerung des Materialflusses in der<br />

dynamischen Produktion entwickelt. Die wichtigsten am realen Materialfluss beteiligten<br />

Komponenten Transportmittel, Transporteinheit und Quellen und Senken, wie<br />

z.B. Lager-, Bearbeitungs- und Montagezellen, werden als eigenständige<br />

Dienstleister betrachtet, die mit Hilfe ihrer informationstechnischen Abbilder in der<br />

Materialflusssteuerung Dienste erbringen bzw. Dienste anderer in Anspruch nehmen<br />

können. Diese konsequente Umsetzung des Kunden-/Lieferanten-Prinzips führt zu<br />

einem einfach wandelbaren Materialflussnetz.<br />

Die Realisierung der Dienstleister erfolgte in der iwb-Modellfabrik auf Basis der<br />

Kommunikationsplattform CORBA. Die Hauptbestandteile der Dienstleister wurden in<br />

sog. Agenten als verteilte Objekte realisiert, die untereinander über die Kommunikationsplattform<br />

beliebige Informationen austauschen können. Auftragsinformationen<br />

bzw. Dienstanforderungen werden von speziellen Kommunikationsagenten mit Hilfe<br />

eines Verhandlungsprotokolls an andere Dienstleister verteilt. Damit ist es sehr leicht<br />

möglich, neue Dienstleister in die Abläufe einzubinden und die Materialflusssteuerung<br />

zu verändern.<br />

Die Funktionsfähigkeit des entwickelten Systems, der verteilten Materialflusssteuerung,<br />

konnte anhand eines Einsatzbeispiels in der iwb-Modellfabrik gezeigt werden.<br />

Durch die Analyse der Einflussfaktoren und deren Auswirkungen auf die Materialflusssteuerung<br />

konnten die Kriterien ermittelt werden, die beim Einsatz der Materialflusssteuerung<br />

in einer größeren, industriellen Produktion erfüllt sein müssen.<br />

8-20


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

8 Literatur<br />

MATVAR<br />

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GALLASCH & DECKER 1996<br />

Gallasch, A.; Decker, F.: Information macht Dynamik erst möglich.<br />

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8-21


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

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der flexibel automatisierten Fertigung. Paderborn: HNI-<br />

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Goldratt, E.M.; Cox, J.: Das Ziel - Höchstleistung in der Fertigung.<br />

London: McGraw Hill, 1996.<br />

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produktnahe Dienstleistungen. Online im Internet<br />

http://www.stratema.de/transfer/info2/info2_07.html am 1.5.99<br />

KUSIAK 1986<br />

Kusiak, A.: Parts and Tool Handling Systems. In: Kusiak, A.<br />

(Hrsg.): Modelling and Design of Flexible Manufacturing Systems.<br />

Amsterdam: Elsevier Science Publishers B.V., 1986, S. 99-110.<br />

LI 1996<br />

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MEINBERG & TOPOLEWSKI 1995<br />

Meinberg, U.; Topolewski, F.: Lexikon der Fertigungsleittechnik.<br />

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MERTINS U.A. 1994<br />

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NABER U.A. 1996<br />

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8-22


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />

MATVAR<br />

NEDELJKOVIC-GROHA 1995<br />

Nedeljkovic-Groha, V.: Systematische Planung anwendungsspezifischer<br />

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Integrated Manufacturing. Berlin: Springer, 1988.<br />

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REINHART U.A. 1999<br />

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8-23


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

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MATVAR<br />

9-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

1 Stand der Technik zu Beginn des Verbundprojektes<br />

MATVAR<br />

Die eingesetzte materialflussbegleitende Informations- und Datentechnik wird durch<br />

relativ starre Strukturen der Hard- und Software geprägt. Es bestehen wenig Möglichkeiten<br />

alte und neue informationstechnische Systeme und unterschiedliche Steuerungsebenen<br />

zu integrieren. Diese relativ starren Steuerungsarchitekturen ermöglichen<br />

keine schnelle und kostengünstige Reaktion auf Störungen und Veränderungen,<br />

die das dynamische Produktionsfeld voraussetzt. Die Steuerungsarchitekturen<br />

sind geprägt durch hohe Komplexität und mangelnde Konfigurierbarkeit. Meist wurden<br />

zentralistische Systemarchitekturen realisiert, was zu nicht integrierbaren Insellösungen<br />

geführt hat. Die hohe Komplexität von Materialflusssteuerungen bei gleichzeitiger<br />

mangelnder Modularität, Konfigurierbarkeit und Parametrierbarkeit erschwert<br />

die Anpassung des Materialflusses an Veränderungen des Layouts, der Ablaufstruktur<br />

und der Mengengerüste, die das dynamische Produktionsfeld mit sich bringen.<br />

Bei den meisten installierten Materialfluss- und Lagersystemen ist eine stufenweise<br />

Automation nicht möglich.<br />

Die informatorischen Schnittstellen zeichnen sich vor allem durch mangelnde Datensicherheit,<br />

inkonsistente Daten und anlagenspezifische, inkompatible Lösungen aus.<br />

Die Vielfalt der spezifischen Schnittstellen verhindert dabei eine Modifizierung, die<br />

einfach und schnell durch den Anwender ausgeführt werden kann. Weiterhin wird<br />

durch unterschiedliche Datenqualitäten und Datenumfänge sowie ungeeignete Systemarchitekturen<br />

der flexible Datenaustausch in hohem Maße erschwert.<br />

Die fehlende Integration verschiedenster Informationsträger wie z.B. Barcodes oder<br />

Transponder führt häufig zu wiederholter Datengenerierung und zu unterschiedlichen<br />

Datenstrukturen und verhindert so eine durchgängige und sichere Datenhaltung.<br />

In den meisten Produktionsfeldern ist eine durchgängige Bestandsführung und eine<br />

damit eng verbundene Chargenverfolgung nicht gegeben. Meistens werden die Bestände<br />

in den Lagerstätten korrekt verwaltet, aber über die Bestände in der Produktion<br />

können die meisten Betriebe keine sichereren Aussagen treffen.<br />

Eine Schnittstelle zwischen Produktivsystemen und Planungs- und Simulationssystemen<br />

zur Verifizierung der Planungsansätze anhand von Echtdaten wurde bisher<br />

nicht angedacht.<br />

9-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

1.1 Ziele im Projekt MATVAR:<br />

MATVAR<br />

• Entwicklung eines modularen, skalierbaren Materialflusssystems, das Standardtransportelemente<br />

enthält. Als Basis <strong>für</strong> dieses System sollen gängige<br />

SQL-Datenbanken wie z.B. Oracle, Microsoft SQL-Server, Centura SQLBase<br />

unter dem Betriebssystem Windows NT zum Einsatz kommen.<br />

• Entwicklung eines informatorischen Schnittstellenbaukastens zu den Materialflusssubsystemen,<br />

Produktionssteuerungen und Planungs- und Simulationstools.<br />

• Integration von Online-Prozesskontrollen in das Leitsystem.<br />

Was kann man mit diesen Entwicklungen erreichen?<br />

1. Bestandsverwaltung<br />

• Bestandsverwaltung <strong>für</strong> das gesamte Produktionsumfeld<br />

• Bestandsidentifizierung über den gesamten Betrieb<br />

• Bearbeitungsstrategien<br />

• Auftragseinlastung, Auftragsterminierung, Auftragsoptimierung<br />

2. Materialflussverwaltung und -steuerung<br />

• Gesamtheitliche Koordination der Teilsysteme<br />

• Leitstandsfunktionen <strong>für</strong> Fertigungsinseln<br />

• Transportsteuerung<br />

• Transportoptimierung<br />

• Schnelle Reaktion durch automatisches Umlenken des Materialflusses im<br />

Störfall<br />

• Flexibilität in den Abläufen und Steuerungsstrategien<br />

3. Betriebsdatenerfassung<br />

• Messung der Laufzeiten, Maschinenverfügbarkeit und Maschinenauslastung<br />

• Stördatenerfassung und -auswertung<br />

• Rechnergestützte Störungsbehebung<br />

• Schwachstellenanalyse<br />

• Aufbereitung der Daten <strong>für</strong> Planungs- und Simulationssysteme<br />

9-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

1.2 Spezifizierung von geeigneten Datenschnittstellen<br />

MATVAR<br />

Zur Spezifizierung der informatorischen Schnittstellen kann der Datenfluss in ein Ebenenmodell<br />

eingeteilt werden.<br />

Bild 1: Schematische Einstufung des Informationsflusses<br />

Im nächsten Schritt können die einzelnen Programmpakete oder Softwaremodule<br />

diesem Ebenenmodell zugeordnet werden.<br />

Bild 2: Beispiel: Informationsfluss im dynamischen Produktionsumfeld<br />

9-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

MATVAR<br />

Bei der Analyse der Daten zwischen den einzelnen Ebenen hat sich ergeben, dass<br />

es wenige Klassen an Informationen sind, die ausgetauscht werden.<br />

Von den übergeordneten Ebenen werden Transport- und Fertigungsaufträge an die<br />

untergeordneten Ebene übertragen. Diese wiederum antworten mit Vollzugs- oder<br />

Statusmeldungen.<br />

Anhand dieser Analyse und dem Ebenenmodell ergaben sich folgende Klassen an<br />

Kommunikationselementen:<br />

1.2.1 Schnittstelle Planungsebene - Leitebene<br />

Planungsebene -> Leitebene<br />

Aktion Inhalt<br />

Layoutdaten Automatische Abbildung der physikalischen<br />

Anlagenlayouts auf dem<br />

Leitsystem/Visualisierungssystem<br />

Arbeitsabfolgen Materialflussdaten<br />

Steuerungsstrategien Entscheidungsstrategien der Leitebene<br />

Leitebene -> Planungsebene<br />

Aktion Inhalt<br />

Betriebsdaten Maschinenzeiten, Stördaten<br />

Spielzeiten Transportzeiten, Leistungsdaten auf<br />

Auftrags- Artikelebene<br />

Verfügbarkeit Störzeiten, Störanzahl<br />

Tatsächliche Leistungsdaten<br />

9-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

1.2.2 Schnittstelle Leitebene - Produktionsebene<br />

Leitebene -> Produktionsebene<br />

Aktion Inhalt<br />

Transportaufträge Herkunft (Quelle), Ziel (Senke), Termin,<br />

Reihenfolge, Priorität, Ladungsträger<br />

Auftragsstorno<br />

Produktionsaufträge Programm, Anzahl, Produktionsanweisung,<br />

Termin<br />

Produktionsebene -> Leitebene<br />

Aktion Inhalt<br />

Statusmeldung Verfügbarkeit<br />

Auftragsquittung Positiv/negativ<br />

Visualisierungstelegramm Stau, Mangel, Störung, Standort,<br />

Aktion, Auftragsstatus, Laufzeiten,<br />

Schaltspiele<br />

MATVAR<br />

9-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

1.2.3 Schnittstelle Verwaltungsebene - Leitebene<br />

Verwaltungsebene -> Leitebene<br />

Aktion Inhalt<br />

Stammdaten z.B. Artikelstamm, Kundenstamm,<br />

Lieferantenstamm<br />

Stücklisten<br />

Produktionsplanung Produktionsdaten, Mengen, Termine<br />

Avisdaten Ladeeinheiten, Stückzahlen, Termine<br />

Kundenaufträge Ladeeinheiten, Stückzahlen, Termine<br />

Leitebene -> Verwaltungsebene<br />

Aktion Inhalt<br />

Auftragszustände Produktion und Lieferung<br />

Vollzugsmeldungen Lieferaufträge und Produktionsaufträge<br />

Bestände Summarisch<br />

Bewegungsdaten Transporteinheitsverfolgung, Chargenverfolgung,<br />

Qualitätssicherung<br />

MATVAR<br />

9-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

Bild 3: Visualisierungsbild MATVAR-Pilotanlage<br />

MATVAR<br />

9-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

2 Die MATVAR-Pilotanlage<br />

Bild 4: Visualisierungsbild Blockbodenlager<br />

MATVAR<br />

Im Rahmen des Verbundprojektes MATVAR wurde die Schnittstelle zwischen der<br />

Leitebene und der Produktionsebene, insbesondere zum Kransystem der Mannesmann<br />

Dematic weiter spezifiziert (Datenformate) und realisiert. Ebenso wurden die<br />

Dateninhalte <strong>für</strong> die Schnittstelle Planungsebene und Leitebene definiert und beispielhaft<br />

realisiert.<br />

2.1 Anlagen-Konfiguration<br />

Transportmittel...<br />

• Kransystem (Einschienenkran, Zweischienenkran)<br />

• Rollenbahn (Stauförderer, Schwerlastrollenbahn)<br />

• Stapler<br />

• (Mensch)<br />

Anlagenpositionen...<br />

• Blockbodenlager<br />

9-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

• Verschiebebodenregal<br />

• I-Punkt (Aufgabepunkt <strong>für</strong> Transporteinheiten)<br />

• Arbeitsplätze 1 + 2 (Staplerübergabeplatz)<br />

• Montagezellen 1 – 3<br />

2.2 IT-Konfiguration<br />

Bild 5: IT-Konfiguration<br />

Die Pilotanlage besteht aus den IT-Komponenten<br />

• Leitrechner<br />

• Terminals (Clients)<br />

• Staplermanagementsystem<br />

• Materialfluss- und Visualisierungs-Rechner<br />

• Kran-PC<br />

• SPS (Rollenbahnen, Verschiebebodenregal)<br />

MATVAR<br />

9-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

MATVAR<br />

Der Leitrechner enthält in seiner Eigenschaft als Datenbankserver alle Informationen<br />

zur Materialflusssteuerung und Lagerverwaltung. Für die MATVAR-Pilotanlage wurde<br />

ein ORACLE 8.0.5 Server auf Basis des Betriebssystems Windows NT 4.0 eingesetzt.<br />

Als Materialflusssteuerer ist der Leitrechner <strong>für</strong> die Aufgaben Transportauftragsgenerierung,<br />

Stellplatzsuche im Lager, Reservierung von Transporteinheiten<br />

und Transportmittelauswahl zuständig.<br />

Die Datenbankstruktur teilt sich in vier logische Bereiche. Materialflussplanungsdaten<br />

enthalten Informationen zu Arbeitsplänen, Transportmitteln, –strecken und Lagerstätten.<br />

Zu den Materialflussbewegungsdaten gehören im wesentlichen Transportaufträge,<br />

Transporteinheiten und Zustände von Transportmitteln und Lagerstellplätzen.<br />

Die Stammdaten umfassen Informationen zu Artikeln, Stücklisten, Kunden, Lieferanten,<br />

etc.. Die systemadministrativen Daten betreffen die Benutzer- und Berechtigungsverwaltung<br />

und die Systemeinstellungen des Anwenderprogramms.<br />

Die vier Bereiche des Datenbankmodells:<br />

• Materialflussplanungsdaten<br />

• Materialflussbewegungsdaten<br />

• Stammdaten<br />

• Systemadministrative Daten<br />

Die Terminals als Bedienoberfläche (siehe Bild 9) <strong>für</strong> den Anwender umfassen sämtliche<br />

dialoggeführten Funktionen der Materialflusssteuerung, der Lagerverwaltung<br />

und der systemadministrativen Daten. Entsprechend der oben beschriebenen Datenbankstruktur<br />

ergeben sich <strong>für</strong> den Anwender die Bereiche Fertigungsauftragsgenerierung,<br />

Fahrauftragsverwaltung, Wareneinlagerung und -auslagerung, Stammdaten,<br />

System- und Benutzerverwaltung.<br />

Staplermanagementsystem:<br />

Das Staplermanagementsystem zeigt die dem Transportmittel Stapler zugeordneten<br />

Transportaufträge auf dem am Fahrzeug mitfahrenden Terminal an (siehe Bild 6).<br />

Der Staplerfahrer entscheidet welche Transportaufträge er ausführt und quittiert nach<br />

Vollzug der Fahrt diese am Terminal. Zudem können am Terminal manuelle Transportaufträge<br />

generiert werden. Die Touch-Screen-Technologie ermöglicht dabei den<br />

Dialog direkt auf der Bildschirmoberfläche ohne die üblichen Eingabegeräte Tastatur<br />

und Maus.<br />

9-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

Bild 6: Staplermanagementsystem<br />

MATVAR<br />

Die drahtlose Funkverbindung vom Stapler-Terminal zum LAN über sogenannte Access-Points<br />

ermöglicht die Mobilität des Fahrzeugs im innerbetrieblichen wie im betriebsübergreifenden<br />

Produktionsumfeld. Diese wurde in der Pilotanlage durch die<br />

Anbindung der Betriebsstätte iwb-Modellfabrik über einen Access-Point und ein stationäres<br />

Terminal an die fml-Krananlage realisiert (siehe Bild 7). Das Staplermanagementsystem<br />

erhöht so im Verbund mit dem Konzept der konfigurierbaren Materialflusssteuerung<br />

die Flexibilität bei der Materialflussplanung zusätzlich.<br />

Bild 7: IT-Konfiguration Staplermanagementsystem<br />

9-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

MATVAR<br />

Der Materialfluss- und Visualisierungs-Rechner bildet die informatorische Schnittstelle<br />

vom Leitrechner zu den unterlagerten IT-Systemen der automatischen Transportmittel.<br />

In einer standardisierten Kommunikation wird z.B. das Transportauftrags-<br />

Handling durchgeführt und die Verfügbarkeit von Transportmitteln gemeldet. In der<br />

Pilotanlage sind die Kommunikationspartner der Kran-PC und die speicherprogrammierbaren<br />

Steuerungen der Rollenbahnen und des Verschiebebodenregals.<br />

Die Visualisierung als Bedien- und Beobachtungsterminal zeigt schematisch die Pilotanlage<br />

mit den Signalzuständen der Sensoren und Aktoren und unterstützt so zusammen<br />

mit der statistischen Stördatenanalyse die technische Anlagenbedienung<br />

(siehe Bild 3 und 4). Unter direktem Zugriff auf die Datenbank des Leitrechners werden<br />

alle im System befindlichen Transporteinheiten mit ihrer eindeutigen Nummer<br />

und ihrer Anlagenposition am Terminal visualisiert. Dies ermöglicht eine kontinuierliche<br />

Verfolgung des Materialflusses auf Anlagenebene im engen Verbund mit dem<br />

Leitrechner.<br />

Bild 8: Transportauftrag<br />

9-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

2.3 Beispiel: Vom Fertigungsauftrag zum Transportauftrag<br />

(siehe Bild 8)<br />

MATVAR<br />

Nachfolgend ist vereinfacht der logische und datentechnische Ablauf beschrieben,<br />

wie der Leitrechner über eine Fertigungsauftragseingabe am Terminal die Transportaufträge<br />

generiert und so den Materialfluss mit den Transportmitteln in der Pilot-<br />

Anlage steuert.<br />

1.Schritt: Der Fertigungsauftrag generiert eine Artikelliste<br />

Durch die Eingabe eines Fertigungsauftrags am Terminal mit der Produktnummer<br />

und der Menge wird über die Stücklisten-Stammdaten eine Artikelbedarfstabelle generiert,<br />

welche über die Beziehungstabelle Positions-Stückliste (d.h. welcher Artikel<br />

wird in welcher Menge auf welcher Position <strong>für</strong> die Produktion benötigt) auch die<br />

Zielpositionen des einzelnen Artikels enthält. Die Arbeitsplan-Stammdaten bestimmen<br />

zudem den Weg der Leerbehälter aus dem Lager zur schrittweisen Aufnahme<br />

des Fertigprodukts.<br />

Bild 9: Fertigungsauftrag<br />

2. Schritt: Reservierung von Transporteinheiten im Lager<br />

Die in der Artikelbedarfstabelle enthaltenen Artikel werden in den im Lager zur Verfügung<br />

stehenden Transporteinheiten gesucht und bei Erfolg der entsprechende<br />

Stellplatz und die Transporteinheit <strong>für</strong> die Auslagerung reserviert.<br />

9-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

3. Schritt: Transportaufträge generieren<br />

MATVAR<br />

Mit der Annahme, dass die Artikel und die Leerbehälter zur Entsorgung der Produktion<br />

im Lager verfügbar sind, ergeben sich daraus bereits transportmittelunabhängige<br />

Transportaufträge mit den Dateninhalten...<br />

• Fertigungsauftrags-Nr.<br />

• Transportauftrags-Nr.<br />

• Quelle<br />

• Ziel<br />

• Transporteinheits-Nr.<br />

4. Schritt: Aufsplittung von Fahraufträgen über Sequenzen<br />

Vor der Zuordnung von Transportmitteln zu Transportaufträgen muss aufgrund seiner<br />

Quelle-Ziel-Daten ermittelt werden, ob ein einzelnes Transportmittel den Transportauftrag<br />

ausführen kann, oder eine Aufsplittung in mehrere sequentiell ablaufende<br />

Transportaufträge mit quasi Zwischenzielen – die dann mit unterschiedlichen Transportmitteln<br />

ausgeführt werden - nötig ist. Die Information über die einzelnen Positionen<br />

einer Sequenz finden sich in einer Sequenz-Positions-Tabelle, in der auch der<br />

Transporteinheiten-Typ (kleiner, großer Behälter) berücksichtigt werden muss.<br />

5. Schritt: Zuordnung von Transportmitteln zu Transportaufträgen<br />

Als letzter Schritt <strong>für</strong> die Transportauftragsdaten erfolgt die Zuordnung eines Transportmittels.<br />

Dazu wird als erstes auf die Stammdatentabelle Transportmittel-<br />

Positionen zugegriffen, um zu ermitteln, welche Transportmittel die Quelle-Ziel-<br />

Verbindung befriedigen können und damit grundsätzlich in Frage kommen. Anschließend<br />

werden Kriterien wie Verfügbarkeit, Auslastung und Kosten berücksichtigt und<br />

eine Transportmittelauswahl getroffen.<br />

9-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

6. Schritt: Transportauftrag starten<br />

Bild 10: Fahrauftrag<br />

MATVAR<br />

Mit der Zuordnung des Transportmittels ist der Transportauftrag vollständig beschrieben<br />

und wird in einen Bearbeitungsstatus gesetzt, der die Kommandos an die unterlagerten<br />

Transportmittel auslöst (siehe Bild 10).<br />

Der Materialflussrechner greift direkt auf die Transportauftrags-Tabelle der Leitrechner-Datenbank<br />

zu und leitet die Informationen in einem gesicherten Hand-Shake an<br />

die unterlagerten IT-Systeme der Transportmittel weiter, die ihrerseits den Vollzug<br />

des Transportauftrags in entgegengesetzter Richtung an den Leitrechner melden.<br />

In der Pilotanlage sind die unterlagerten IT-Systeme der PC des Kransystem und die<br />

SPS-Steuerungen der Rollenbahnen und des Verschiebebodenregals.<br />

Wenn alle Transportaufträge abgeschlossen sind, befinden sich sämtliche Transporteinheiten<br />

mit ihren Artikel und Fertigprodukten ebenso wie die leeren Transporteinheiten<br />

wieder im Lager und stehen dort <strong>für</strong> einen neuen Fertigungsauftrag oder<br />

eine Warenauslagerung bereit. Dem Bediener wird der Fertigungsauftrag am Terminal<br />

als beendet angezeigt.<br />

2.4 Zusammenfassung<br />

Alle Informationen, die zur Umsetzung eines Fertigungsauftrags in einzelne Transportaufträge<br />

und damit der Materialflusssteuerung einer Produktionsanlage nötig<br />

sind, befinden sich zentral in der Datenbank des Leitrechners. Das Datenbankdesign<br />

ist konsequent so gestaltet, dass alle Parameter die den Materialfluss bestimmen,<br />

9-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />

MATVAR<br />

vorgegeben und verändert werden können, um so letztendlich das Produktionsumfeld<br />

dynamisch gestalten zu können.<br />

Die gleiche Flexibilität gilt auch <strong>für</strong> die Lagerung der Transporteinheiten. D.h. Lagerstätten<br />

können flexibel in Größe, Aufstellungs-Ort und Art parametriert werden. Dabei<br />

besteht auch die Möglichkeit einzelnen Lagerpositionen (Stellplätze) unterschiedliche<br />

Transportmittel (z.B. Kran, Stapler, Personen) zuzuordnen.<br />

Gleichzeitig stehen die einzelnen Tabellen der Datenbank aber auch in einer engen<br />

und schlüssigen Beziehung zueinander und ermöglichen somit Zusammenhänge im<br />

Materialflusssystem schnell und einfach zu verstehen und Inkonsistenzen im Datenbestand<br />

zu vermeiden.<br />

Externe Materialfluss-Planungs-Tools können über standardisierte und automatisierte<br />

Schnittstellen als Datenlieferanten fungieren, so den Administrationsaufwand<br />

am Leitrechner minimieren und Datenkonsistenz gewährleisten. Detaillierte Informationen<br />

über Transportmittel, Transporteinheiten und Transportwege stehen dabei im<br />

Vordergrund.<br />

In entgegengesetzter Richtung erhalten die Planungs-Tools vom Leitrechner Feedback-Daten<br />

aus dem Produktionsumfeld, wie z.B. Statistiken über die Einsatzhäufigkeit<br />

von Transportmitteln, Transporteinheiten oder der Transportstrecken. Die Kommunikation<br />

zwischen den Systemen Leitrechner und Planungs-Tool kann so eine<br />

analytische Materialflussoptimierung unterstützen.<br />

Die Aufgabe des Leitrechners als vollständiges Lagerverwaltungssystem erzwingt<br />

darüber hinaus geradezu ein Zusammenspiel mit übergeordneten Warenwirtschaftsund<br />

Produktionsplanungssystemen. Als typisches Beispiel sei hier der Lagerbestand<br />

genannt, der <strong>für</strong> solche Systeme von großer Bedeutung ist.<br />

Erweiterungen bzw. Veränderungen im Produktionsumfeld haben zwangsläufig auch<br />

Auswirkungen auf die IT-Konfiguration. Der Einsatz eines LAN’s und die Programmierung<br />

der Materialflusssteuerung als Client-Server-Modell werden der Forderung<br />

nach Flexibilität gerecht. Denn Terminals, die den Dialog zur Materialflusssteuerung<br />

darstellen, können in beliebiger Anzahl an allen relevanten Positionen im Produktionsumfeld<br />

eingesetzt werden. Dies gilt gleichermaßen <strong>für</strong> das Visualisierungssystem<br />

und das Staplermanagementsystem.<br />

Da im Front-End der Materialflusssteuerung sämtliche Dialog-Funktionalitäten in einer<br />

Anwendung beinhaltet sind (z.B. Fertigungsaufträge generieren, Warenauslagerung,<br />

Transportauftrags-Start, Stammdatenverwaltung, etc..), sorgt eine personenbezogene<br />

Zugangsberechtigung auf die einzelnen Programmteile mit getrennten Leseund<br />

Schreibrechten auch bei einer umfangreichen Verteilung von Terminals im Produktionsumfeld<br />

<strong>für</strong> eine administrierbare und damit überschaubare Sicherheit im Gesamtsystem.<br />

9-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

,QWHJUDWLRQ YRQ )XQNVWUHFNHQ LQ<br />

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MATVAR<br />

10-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

Busteilnehmer<br />

1<br />

Busteilnehmer<br />

2<br />

1 Aufgabenstellung<br />

Funkstation mit CAN<br />

Interface<br />

Busteilnehmer<br />

3<br />

Überfahrbereich<br />

mit Unterbrechung<br />

der Schleifbahn<br />

Busteilnehmer<br />

n<br />

Funkstation mit CAN<br />

Interface<br />

CAN Bus<br />

Bild 1: Funkanbindung Krankatze zum CAN Bus<br />

MATVAR<br />

In vielen Branchen müssen die verfügbaren Produktionsmittel immer effektiver eingesetzt<br />

werden. Daher sollte die Produktionsumgebung schnell an sich verändernde<br />

Anforderungen angeglichen werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong> und Produktionsstrukturen flexibler zum Einsatz kommen.<br />

Derartige Anforderungen bedingen ein hohes Maß Flexibilität der Leitebene und der<br />

darunter arbeitenden Steuerungssysteme. Eine wichtige Komponente innerhalb dieser<br />

Systeme ist das Bussystem, über das die Antriebs- und Positionsinformationen<br />

übertragen werden. Dieses Bussystem muss oft bewegliche Elemente der Fertigungsanlagen<br />

erreichen (z.B. Kranantriebe, Krankatzen, Hängebahnkatzen, Gabelstapler<br />

o.ä.). Dies kann zum Beispiel über Schleppleitungen, Schleifbahnen, Datenlichtschranken<br />

- oder per Funk geschehen. Kabelverbindungen sind meist dann ein<br />

Problem, wenn bewegliche Elemente relativ frei durch den Raum bewegt werden.<br />

Schleifleitungen stellen hier eine deutliche Verbesserung dar.<br />

Der Montageaufwand kann sich bei Schleifleitungen jedoch deutlich erhöhen, wenn<br />

Weichen oder Überfahrbereiche vorhanden sind (Bild 1). Eine Verbindung mit Datenlichtschranken<br />

um Bögen oder Ecken ist so z.B. ein technisch nur sehr aufwendig<br />

lösbares Problem.<br />

10-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

MATVAR<br />

Die Integration von Funktechnik zur Übertragung von Bus-Informationen stellt sich in<br />

diesem Problemzusammenhang als eine sinnvolle Ergänzung zu den anderen Übertragungsmedien<br />

dar. Eine wichtige Anforderung ist dabei die Integrationsfähigkeit<br />

des Funksystems in die gesamte Busstruktur, d.h. das Funksystem sollte dem technischen<br />

Ideal eines Kabels möglichst nahe kommen. Dabei soll von der Annahme<br />

ausgegangen werden, dass die seriell vorliegenden Daten ohne vorheriges Umformen<br />

- z.B. in das Parallelformat – und ohne Bewertung des Dateninhaltes über die<br />

Funkstrecke übertragen werden sollen. Dadurch wird ein zusätzlicher Softwareaufwand<br />

bei dem Systembetreuer vermieden. Der mechanische Montageaufwand sollte<br />

nicht zu hoch sein und das Funksystem sollte auf der Basis von kostengünstigen<br />

Komponenten realisiert werden.<br />

2 Ausgangssituation/ Problemstellung<br />

Der Maschinen- und Anlagenbau ist wie keine zweite Branche dem Kostendruck und<br />

der Effizienzsteigerung ausgesetzt. Innovationszyklen beschleunigen sich zusehends.<br />

Der Druck auf die Hersteller und Dienstleister in diesem Bereich, mit immer<br />

stärker optimierten Produkten die Effizienz ihrer Kunden weiter zu steigern, nimmt<br />

stetig zu. Aus diesem Grund werden immer häufiger SPS-Systeme oder andere Mikrocomputereinheiten<br />

zur Steuerung des Fertigungsablaufes eingesetzt.<br />

Der verstärkte Einsatz mikroprozessorbasierter Steuerungssysteme macht die Datenübertragung<br />

zu einer wichtigen Komponente des Gesamtprodukts, wenn nicht<br />

sogar zur entscheidenden. Mit Feldbussystemen wie CAN ist es möglich, Komponenten<br />

verschiedener Hersteller (z.B. Kran = Hersteller 1, Ringbahn = Hersteller 2,<br />

Materialflusslogistik = Hersteller 3 etc.) miteinander zu verbinden und kommunizieren<br />

zu lassen. Dieses stellt die Grundlage <strong>für</strong> eine übergeordnete Steuerungsebene dar,<br />

mit welcher dann das Zusammenspiel der einzelnen Produktionselemente koordiniert<br />

werden kann. Je flexibler die Gesamttechnologie ist, desto effizienter können Prozessressourcen<br />

auch betriebswirtschaftlich genutzt werden. Sogar nachträgliche<br />

Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen können bei einem solchen System rationell<br />

realisiert werden, ohne dass das Gesamtsystem ineffizient wird.<br />

Ein Hauptproblem bei Bussystemen besteht darin, dass die Topographie der Leitungsführung<br />

sich im normalen Fertigungsablauf nicht ändern sollte. Auch Stichleitungen<br />

sollten in den meisten Bussystemen nicht vorkommen. Dies hat zur Folge,<br />

dass zu abgelegenen Busteilnehmern eine Leitung hin sowie auch eine Leitung zurück<br />

verlegt werden muss (Bild 2). Dadurch können sich in größeren Produktionsstätten<br />

leicht Busleitungslängen von über 1000 m ergeben. Die Folge ist, dass auf<br />

Grundlage der meisten Herstellerempfehlungen von CAN Modulen (z.B. Weidmüller<br />

WINbloc CAN) die Baudrate nicht größer als 50kBit/s eingestellt werden soll. Dieser<br />

Wert kann aber <strong>für</strong> viele Anwendungen zu langsam sein. Üblicherweise werden<br />

Baudraten von 125 oder 250kBit/s benötigt. Daher sollte bei der Leitungsplanung<br />

10-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

CAN-Knoten<br />

Schleppleitung Kabellänge: 20m 40 m Busleitung<br />

Bild 2: Beispiel Schleppleitung an Krankatze<br />

MATVAR<br />

versucht werden, die Gesamtlänge nicht über 500m (max. 125kBit/s) ausdehnen zu<br />

müssen.<br />

3 Vorgehensweise<br />

CAN Bus hat die Eigenschaft, die Datenbits einzeln auf den Bus zu legen und gleichzeitig<br />

zu prüfen, ob die Busleitungen den richtigen Zustand haben (Busarbitrierung).<br />

Diese Fähigkeit ist die Grundlage <strong>für</strong> die Prioritätensteuerung im gesamten CAN<br />

Bussystem.<br />

Das zeitkritische Prüfen der Leitungszustände über eine Funkverbindung wäre allerdings<br />

nur mit extrem hohen Aufwand möglich, daher scheidet diese Möglichkeit aus<br />

Kostengründen vorerst aus. Angestrebt wird, CAN-Knoten-Gruppen zusammenzufassen<br />

und zu segmentieren. Solch ein Segment - oder „Insel“ - kann dann per Funk<br />

mit dem Gesamt-Bussystem verbunden werden, d.h. CAN-Telegramme einer Insel<br />

werden von einem Funkknoten genau wie von jedem anderen CAN-Knoten aufgenommen.<br />

Danach erfolgt eine Aufbereitung <strong>für</strong> die Übertragung auf dem Funkweg.<br />

Dieser Datensatz wird dann auf einen Hochfrequenz (HF)-Träger aufmoduliert.<br />

10-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

Z.B. SPS KPC<br />

Position<br />

Katzfahrt<br />

Hubwerk<br />

RX/TX 1.1<br />

RX/TX 1.2<br />

Antriebe<br />

Katzfahrt<br />

Hubwerk<br />

Funkempfänger<br />

Steuerschalter<br />

mit CAN Interface<br />

Position<br />

Katzfahrt<br />

Hubwerk<br />

RX/TX 2.1<br />

RX/TX 2.2<br />

Antriebe<br />

Katzfahrt<br />

Hubwerk<br />

Funkempfänger<br />

Steuerschalter<br />

mit CAN Interface<br />

Position<br />

Katzfahrt<br />

Hubwerk<br />

11 bit Identifier<br />

CAN 125 kbits/s<br />

RX/TX 3.1<br />

RX/TX 3.2<br />

Antriebe<br />

Katzfahrt<br />

Hubwerk<br />

Funkempfänger<br />

Steuerschalter<br />

mit CAN Interface<br />

Kran<br />

Position<br />

RX/TX 4.1<br />

Katze 1 Katze 2 Katze 3 Kran 1 Kran 2<br />

CAN CAN CAN<br />

Funksteuerschalter Funksteuerschalter Funksteuerschalter<br />

RX/TX 5.1<br />

RX/TX 5.2<br />

RX/TX 4.2<br />

CAN CAN<br />

Kran<br />

Motor<br />

Bild 3: Übersicht der Bussegmente an der Musteranlage<br />

Kran<br />

Position<br />

Kran<br />

Motor<br />

MATVAR<br />

Auf der Empfangsseite werden die Informationen - aus dem HF-Signal gefiltert - wieder<br />

in das CAN-Format zurück konvertiert und gemäß den Protokollvorschriften auf<br />

dem anderem Segment ausgegeben. Zur funktechnischen Übertragung soll ein stationäres<br />

Funksystem mit 125 kBit/s Übertragungsrate dienen, das CAN-Daten bidirektional,<br />

ohne inhaltliche Betrachtung, zwischen den „Inseln“ überträgt.<br />

Der zweite Teil der Applikation ist ein drahtloser Kransteuerschalter. Über ihn können<br />

die Steuerbefehle <strong>für</strong> die Krane und Krankatzen betätigt werden. Der Empfänger soll<br />

auch diese Daten auf den CAN-Bus ausgeben. Darüber hinaus soll dieser Funksteuersender<br />

auch kompatibel zum alternativen Kabelkransteuerschalter sein. Wichtig ist<br />

hierbei, dass die Sicherheitsaspekte der Maschinenrichtlinie (98/37/EG) eingehalten<br />

werden. Deswegen müssen Maßnahmen gegen unbeabsichtigte Bewegungen getroffen<br />

werden und ein überwachter Not-Stop-Kreis vorhanden sein. Als Bedienelemente<br />

sollen ein Not-Stop-Schlagschalter, ein Schlüsselschalter, 10 zweistufige<br />

Drucktaster und 2 Drehschalter vorgesehen werden. Die Stromversorgung des<br />

Funksteuersenders bzw. Kransteuerschalters erfolgt mittels eines wiederaufladbaren<br />

NiCd-Akku. Eine Betriebs- und Unterspannungsanzeige soll ebenso vorgesehen<br />

werden.<br />

10-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

CAN H<br />

CAN L<br />

AC<br />

CAN-Interface<br />

125 kbit<br />

CAN<br />

TTL<br />

MCU 1<br />

85 - 265V AC<br />

FIF0<br />

MCU2<br />

FIF0 MCU3<br />

12 V DC<br />

4 Erzielte Ergebnisse<br />

HF<br />

HF<br />

FIF0<br />

FIF0<br />

Bild 4: Blockschaltbild CAN zu CAN Modul<br />

CAN-zu-CAN-Übertragung<br />

MCU<br />

MCU<br />

12 V DC<br />

MCU<br />

85 - 265V AC<br />

MATVAR<br />

Das CAN-zu-CAN Übertragungsmodul ist in einem Aluminiumgehäuse (360 x 260 x<br />

195 mm/ B x H x T) untergebracht. Der Versorgungsspannungsbereich beträgt AC<br />

85 - 265V 50Hz. Die Einheit ist in der Lage, CAN-Busdaten mit einer Bitrate von<br />

125kBit/s bei ca. 80% Buslast zu übertragen. Das System soll dazu dienen, bewegliche<br />

Teile mit CAN-Busdaten zu versorgen.<br />

MCU1 (Microcomputer Unit)<br />

Die Daten vom CAN-Bus werden über das CAN-Interface in die MCU1 eingelesen<br />

und die empfangenen Daten wieder ausgegeben. Da die Daten auf dem CAN-Bus<br />

eine schnelle Reaktion erfordern, ist hier<strong>für</strong> ein eigener Mikrocontroller vorgesehen.<br />

TTL<br />

CAN<br />

AC<br />

10-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

MATVAR<br />

Dieser schreibt die zu versendenden Daten in das Sende-FIFO (first-in-first-out) und<br />

prüft, ob im Empfangs-FIFO Daten zur Ausgabe vorliegen.<br />

MCU2<br />

Die MCU2 wartet ständig auf Daten aus dem HF-Baustein. Wenn ein kompletter<br />

String empfangen wurde, wird er <strong>für</strong> MCU1 aufbereitet und in dem FIFO Baustein <strong>für</strong><br />

MCU1 abgelegt.<br />

MCU3<br />

Die MCU3 wartet ständig auf Daten aus dem FIFO Baustein. Wenn ein kompletter<br />

Datensatz dem FIFO entnommen werden konnte, wird er „versandfertig“ aufbereitet<br />

und in einem String dem HF Baustein zugeführt.<br />

HF<br />

Die HF-Baugruppe arbeitet auf 10 Trägerfrequenzen mit einem Kanalabstand von<br />

1728 kHz und belegt den Bereich 1880...1900 MHz. Als Modulation kommt GFSK<br />

(Gaussian Frequency Shift Keying) zum Einsatz. Die Ausgangsleistung ist auf<br />

250mW (24dBm) begrenzt. Um mehrere Systeme in einem Funkfeld unterzubringen,<br />

ist ein Zeitrahmen von 10ms festgesetzt. Dieser Zeitrahmen ist wiederum in 24 Zeitschlitze<br />

unterteilt. Dadurch ergeben sich 120 Vollduplex – Kanäle. Vorteilhaft an diesem<br />

System ist, dass jedes Gerätepaar selber die benötigten freien Zeitschlitze sucht<br />

und belegt. Auch Funkstörungen, die während der Laufzeit auftreten, werden durch<br />

die Möglichkeit des Ausweichens auf andere Frequenzen und Zeitschlitze weitgehend<br />

unbedeutend.<br />

Was kann ein solches System leisten?<br />

Der Einsatz eines solches Systems ist immer dann sinnvoll, wenn mobile oder verfahrbare<br />

Teilnehmer am CAN-Busverkehr teilnehmen müssen. So können jetzt z.B.<br />

Gabelstapler eine Datenanbindung erhalten. Aber auch bei Krankatzen oder Kranantrieben<br />

kann durch ein solches System eine aufwendige Schleppleitungs- oder<br />

Datenstromschienenmontage vermieden werden. Ein weiterer Vorteil des Systems<br />

ist, dass die über Funk überbrückten Distanzen nicht als Busleitung berücksichtigt<br />

werden müssen und daher auch die Busleitungslängen nicht mehr als erforderlich<br />

ausgedehnt werden müssen.<br />

10-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

VCO<br />

AF-LPF<br />

NF-Tiefp.<br />

8<br />

D<br />

AT<br />

A<br />

2<br />

AF<br />

SK<br />

*1)<br />

Modem<br />

P<br />

PBW<br />

7 R<br />

O<br />

Synthesizer<br />

: 2<br />

TCXO<br />

12,8 MHz<br />

Mikrocontroller<br />

16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28<br />

PC<br />

0<br />

PC<br />

1<br />

PC<br />

2<br />

PC<br />

3<br />

PC<br />

4<br />

PA<br />

7<br />

PA<br />

6<br />

Befehle *2)<br />

PA<br />

5<br />

4.2 Kransteuerschalter<br />

PA<br />

4<br />

PA<br />

3<br />

PA<br />

2<br />

Kanalwahl *1)<br />

PA<br />

1<br />

PA<br />

Endstufe<br />

Regler<br />

+ 3 V<br />

Regler<br />

+ 5 V<br />

LPF<br />

Tiefpaß<br />

Bild 5: 70-cm-Synthesizer-Sender; Blockschaltbild<br />

MATVAR<br />

14 Antenne<br />

400...475 MHz<br />

+ 10 dBm<br />

12 Ub +5,8...14 V<br />

7 RESET<br />

30<br />

29<br />

Ub<br />

Normalbereich<br />

Ub<br />

Unterspannung<br />

Der Sender <strong>für</strong> den drahtlosen Kransteuerschalter ist in einem Kunststoffgehäuse<br />

(ca. 215 x 63 x 50 mm/ L x B x H) untergebracht. Der Sender verfügt über 10 zweistufige<br />

Drucktaster sowie zwei Drehschalter (mit jeweils drei Stellungen). Gemäß<br />

Maschinenrichtlinie (98/37/EG) verfügt er über einen Schlüsselschalter mit abziehbarem<br />

Schlüssel sowie über einen Not-Stop-Schlagschalter.<br />

VCO (Spannungsgesteuerter Oszillator)<br />

Der VCO besteht aus zwei Stufen, dem eigentlichen Oszillator, der auf der Endfrequenz<br />

schwingt, und einer Trennstufe, um Rückwirkungen zu vermeiden. Die Abstimmbandbreite<br />

beträgt ca. 30 MHz. Um den Frequenzbereich von 395 - 492 MHz<br />

zu überstreichen, kommen VCOs mit 4 verschiedenen Mittenfrequenzen zur Anwendung:<br />

A = 410 MHz, B = 434 MHz, C = 460 MHz und D = 480 MHz. Die VCO-<br />

Ausgangsleistung beträgt ca. 0 dBm.<br />

10-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

Trägereinschwingunterdrückung<br />

MATVAR<br />

Beim Einschalten des Senders sind die Endstufe und der Pin-Diodenschalter solange<br />

gesperrt, bis der Synthesizer auf seine Sollfrequenz eingeschwungen ist. Der HF-<br />

Träger wird somit am Antennenanschluss während der Einschwingphase um ca.<br />

50 dB unterdrückt. Ca. 50 ms nach dem Einschalten gibt der Mikrocontroller den Pin-<br />

Diodenschalter und die Endstufe zum Betrieb frei.<br />

Senderendstufe<br />

Die Senderendstufe verstärkt das VCO-Signal um ca. 12 dB. Das folgende dreipolige<br />

Tiefpassfilter unterdrückt die Oberwellen des Trägers um ca. 60 dB. Die HF-<br />

Ausgangsleistung beträgt +10 dBm (10 mW).<br />

Frequenzsynthesizer und TCXO (temperature controlled crystal oscillator)<br />

Der Funkbaustein arbeitet mit einem integrierten Synthesizer-IC MB 1511. Der<br />

Schaltkreis beinhaltet drei konfigurierbare Frequenzteiler, einen UHF-Vorteiler sowie<br />

einen Phasendetektor mit „peak hold“-Funktion zur Erzeugung der Fehlerspannung,<br />

die den VCO über ein passives Schleifenfilter nachregelt. Die Daten zur Frequenzund<br />

Kanalrastereinstellung werden über drei Leitungen (CLK; DATA und LE) seriell<br />

vom Mikrocontroller ausgegeben und konfigurieren die internen Teiler. Der Frequenzvergleich<br />

wird mit einem stabilen TCXO auf 12,8 MHz vorgenommen.<br />

Die Frequenzstabilität von ± 2,5 ppm (- 10 °C bis + 55 °C) gewährleistet eine zum<br />

schmalbandigen 12,5 kHz-Raster ausreichende Frequenzgenauigkeit im UHF-<br />

Bereich. Die Frequenzdrift über den gesamten Temperaturbereich beträgt max. ±<br />

500 Hz. Der Takt wird durch 2 geteilt und dem Modem sowie dem Mikrocontroller<br />

zugeführt. Der integrierte Vorteiler wird vom VCO über ein Dämpfungsglied mit einer<br />

Leistung von ca. -12 dBm gespeist. Die Einschwingzeit beim Einschalten des Senders<br />

beträgt etwa 50 ms, während die Umschaltzeit auf einen anderen HF-Kanal im<br />

Betrieb < 20 ms beträgt.<br />

Modulator<br />

Der Sender wird vom internen Modem frequenzmoduliert. Das NF-Signal durchläuft<br />

ein 5-gradiges NF-Filter. Am Ausgang wird mit einem Potentiometer der Sollhub eingestellt.<br />

10-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

Modem<br />

MATVAR<br />

Der Mikrocontroller erzeugt ein zyklisches Datentelegramm, welches seriell als binäre<br />

Bitfolge dem Modem zugeführt wird. Es erzeugt ein AFSK-Signal (audio frequency<br />

schift keying) abhängig vom binären Eingangssignal. Beide Töne stehen sinusförmig<br />

dem Modulator zur Verfügung.<br />

Gebermodul<br />

Das Gebermodul besteht aus einem Mikrocontroller, über den alle Befehlsgeber eingelesen,<br />

auf Plausibilität geprüft und der HF-Baustein gesteuert werden.<br />

Die Sendedaten gelangen seriell in den Sendebaustein. Außerdem wird im Gebermodul<br />

der Zustand des Akkus überwacht und über eine LED angezeigt. Bei leerem<br />

Akku setzt der Controller das Einschaltflipflop in den “Aus“-Zustand, um eine Beschädigung<br />

des Akkus zu vermeiden.<br />

Antenne<br />

400...475 MHz<br />

TCXO<br />

12,8 MHz<br />

Synthesizer<br />

VCO<br />

1. ZF 21,4 MHz<br />

2. ZF 455 kHz<br />

AF-LPF<br />

NF-Tiefp.<br />

Squelch<br />

Regler<br />

: 2 Mikrocontroller B<br />

Ub +5,8...14 V<br />

+ 5 V<br />

Bild 6: 70-cm-Synthesizer-Empfänger; Blockschaltbild<br />

AF<br />

AFF<br />

Freq.-Cod.<br />

10-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

4.3 Der Empfänger<br />

MATVAR<br />

Der Empfänger <strong>für</strong> den drahtlosen Kransteuerschalter ist in einem Aluminiumgehäuse<br />

(270 x 160 x 50 mm/ H x B x T) untergebracht.<br />

HF-Eingangsverstärker<br />

Das 70-cm-Antennensignal gelangt über ein Dreifach-Wendelkreisfilter zum Vorverstärker-MMIC<br />

(monolithic microwave integrated circuit), der das Eingangssignal um<br />

ca. 26 dB verstärkt. Mit dem nachfolgenden Dreifach-Wendelkreisfilter wird<br />

die Weitabselektion verbessert und das Signal dem ersten Mischer zugeführt. Die<br />

Spiegelfrequenzselektion beträgt am Mischereingang > 70 dB.<br />

Erster Mischer und Quarzfilteranpassung<br />

Das 70-cm-Eingangssignal gelangt mit einer Impedanz von 50 Ohm auf den Eingang<br />

des „Schottky-Double-Balance“-Ringmischers. Das Oszillatorsignal wird ebenfalls mit<br />

50 Ohm Impedanz und einer Leistung von ca. + 1 dBm auf den Oszillator Eingang<br />

des Mischers geführt. Das ZF-Signal steht am Ausgang des Mischers mit 50 Ohm<br />

Quellimpedanz zur Verfügung. Der Sperrschicht-FET verstärkt das 21,4 MHz-ZF-<br />

Signal und sorgt <strong>für</strong> die Impedanzanpassung an das folgende vierpolige monolithische<br />

Quarzfilter. Dieses gewährleistet eine Nachbarkanalselektion von > 70 dB.<br />

Ausgangsseitig wird das ZF-Signal nochmals verstärkt und dem folgenden ZF-IC zugeführt.<br />

ZF-Verstärker mit FM-Diskriminator<br />

Das ZF-Signal (21,4 MHz) gelangt in den integrierten aktiven Mischer (ca.25 dB Verstärkung)<br />

und wird mit dem Oszillatorsignal (XT1: 20,945 MHz) auf die zweite ZF von<br />

455 kHz gemischt.<br />

Anschließend durchläuft das Signal ein Keramikfilter mit einer Nachbarkanalselektion<br />

> 30 dB und dann den zweiten ZF-Verstärker, der das Signal um ca. 50 dB verstärkt.<br />

Vom keramischen Diskriminator wird das ZF-Signal demoduliert und gelangt über<br />

einen integrierten NF-Verstärker zum Ausgang. Über ein Tiefpassfilter gelangt das<br />

NF-Signal zum Ausgang des Empfängermoduls.<br />

10-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

Aktives NF-Tiefpassfilter<br />

MATVAR<br />

Das NF-Signal gelangt in ein 5-gradiges Tiefpassfilter mit der Grenzfrequenz von<br />

5,5 kHz. Am Ausgangspin des Empfängermoduls steht das gefilterte NF-Signal zur<br />

Verfügung.<br />

Rauschsperre (Squelch)<br />

Das ungefilterte NF-Signal wird ausgekoppelt und gelangt in ein aktives NF-<br />

Hochpassfilter, in dem die NF-Nutzanteile ausgefiltert und nur die Rauschanteile des<br />

NF-Signals verstärkt werden. Diese Rauschanteile werden gleichgerichtet und bilden<br />

den Schaltpunkt des integrierten Squelch-Triggers. Der Squelch-Einstellbereich umfasst<br />

den Empfängerempfindlichkeitsbereich von -126 dBm bis -100 dBm bei einer<br />

Hysterese von < 2 dB.<br />

Stromversorgung<br />

Die Betriebsspannung kann + 5,8 V bis + 14 V betragen. Die Empfängerstufen werden<br />

über zwei interne stabilisierte Regelschaltungen mit + 5 V versorgt.<br />

Modem<br />

Das AFSK-Signal wird dem Modem zugeführt. Der daraus gewandelte Datenstrom<br />

verlässt das Modem und wird dem DATA-Ausgang des Empfängermoduls sowie den<br />

Mikrocontrollern zur Auswertung zugeführt.<br />

Mikrocontroller<br />

Als Auswerter des binären Datentelegramms dienen die Mikrocontroller. Beide Controller<br />

arbeiten autark. Auswerter A erzeugt seinen Betriebstakt selbst mit dem 6,4<br />

MHz-Quarz. Auswerter B erhält seinen Betriebstakt aus dem TCXO mit darauffolgendem<br />

Frequenzteiler (6,4 MHz) . Die von den Mikrocontrollern dekodierten Daten<br />

werden über die entsprechenden I/O-Ports ausgegeben.<br />

CAN-Interface<br />

Aus dem Empfängerbaustein gelangen die empfangenen Daten über einen seriellen<br />

String zu zwei Mikrocontrollern. Einer der Controller übernimmt die eine Hälfte der<br />

Sicherheitsfunktionen, der zweite Controller übernimmt die zweite Hälfte der Sicherheitsfunktionen<br />

und steuert das CAN-Interface, über das die Daten auf den Anwen-<br />

10-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />

MATVAR<br />

derbus gelangen. Diese Schnittstelle kann an unterschiedlichen Bedürfnissen angepasst<br />

werden.<br />

5 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Zusammenfassend kann ausgesagt werden, dass es sinnvoll ist, das in der Versuchsanlage<br />

zur Anwendung gekommene Konzept weiter zu verfolgen. Der Einsatz<br />

von Funkanlagen kann in Zukunft bei solchen Applikationen kostengünstig und sicher<br />

bewegliche oder abgelegene Busteilnehmer am Feldbus ankoppeln. Als nächster<br />

Schritt wäre es sinnvoll, die Buskommunikation auch Maschinenhersteller übergreifend<br />

zu vereinheitlichen, um Abläufe zwischen den unterschiedlichen Transportmedien<br />

besser koordinieren zu können.<br />

6 Literatur<br />

ETSCHBERGER 1994<br />

Etschberger, Konrad (Hrsg.): Controller area network: CAN. Grundlagen,<br />

Protokolle, Bausteine, Anwendungen. München, Wien: Hanser 1994<br />

ETS 175 1..9<br />

HBC-HANDBUCH FUST 671<br />

10-13


xzeuge zur<br />

Einsatzplanung


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

'XUFKJlQJLJH 3URGXNWLRQV<br />

XQG /RJLVWLNSODQXQJ<br />

'LSO ,QJ 8OULFK .RKOHU<br />

'LSO ,QJ 0DUWLQ :HUQHU<br />

,QVWLWXW I U 3URGXNWLRQVWHFKQLN *PE+ LIS<br />

+HLVHQEHUJERJHQ<br />

$VFKKHLP 'RUQDFK<br />

MATVAR<br />

11-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Erfolgsfaktoren<br />

Geringe Produktionskosten<br />

Hohe Produktqualität<br />

Kurze Lieferzeit<br />

Kurze Innovationszyklen (Time to Market)<br />

Produktions- und Logistikplanung in kürzer werdenden Projektphasen ...<br />

1 Einleitung<br />

1.1 Die Erfolgsfaktoren<br />

MATVAR<br />

... mit steigender Anforderung an die Planungsqualität<br />

Bild 1: Erfolgsfaktoren am Standort Deutschland<br />

Die produzierende Industrie am Standort Deutschland unterliegt einem sich stetig<br />

verschärfenden, globalen Wettbewerb [UHLMANN 1998]. Langfristig werden sich Unternehmen<br />

mit einer Produktion in Deutschland nur behaupten können, wenn die im<br />

Vergleich überdurchschnittlich hohen Produktionskosten [VDMA 1999] durch innovative,<br />

hoch preisfähige Produkte gerechtfertigt werden [MILBERG 1997].<br />

Die Forderung nach Innovation setzt eine hohe Wandlungsfähigkeit der Unternehmen<br />

voraus. Die Bereitschaft zum schnellen Um- und Neugestalten der Produkte,<br />

Betriebsmittel und Prozesse sowie der Unternehmensstrukturen ist <strong>für</strong> viele Unternehmen<br />

der Schlüssel zum Erfolg geworden. Schneller Wandel ist jedoch auch mit<br />

Risiken verbunden [REINHART ET AL. 1999], die sich nicht zuletzt auf die Kostenstrukturen<br />

der Produkte auswirken können.<br />

Deshalb müssen Produktions- und Logistikplanungen, die den Wandel einleiten, in<br />

immer kürzeren Zeitabständen durchgeführt werden mit einer steigenden Anforderung<br />

an die Planungsqualität.<br />

11-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

100 %<br />

Produktionsspektrum<br />

B<br />

A<br />

Neuplanung Flexible Def. neuer flexibler Umplanung<br />

Produktionssteuereung <strong>Fertigungssegmente</strong><br />

C<br />

D<br />

Zeit<br />

„Hohe<br />

Produktvielfalt und<br />

kurze Innovationszyklen<br />

führen zu sich laufend<br />

verändernden<br />

Produktionsbedingungen“<br />

Optimierung der Logistik durch fortlaufende Betriebsanalyse und<br />

Anpassung der Arbeitsabläufe<br />

Bild 2: Erfolgsfaktoren am Standort Deutschland<br />

MATVAR<br />

Die Reaktion auf Veränderungen im Produktionsumfeld ist jedoch stark abhängig von<br />

dem Grad des Wandels. In dem oben dargestellten Beispiel wurde das Produktionsund<br />

Logistikkonzept bei der Neuplanung auf zwei Hauptprodukte A und B ausgelegt.<br />

Die Einführung eines zusätzlichen neuen Produktes C kann meist noch durch eine<br />

flexible Produktionssteuerung abgefangen werden. Ab einem bestimmten Zeitpunkt<br />

hat jedoch das neue Produkt gegenüber den alten Produkten einen so großen Anteil<br />

gewonnen, dass erste strukturelle Anpassungen notwendig werden. Da die in<br />

MATVAR erarbeiteten flexiblen Fördertechnikkonzepte eine Modifizierung zulassen,<br />

kann in dieser Phase von einer Anpassung der flexiblen <strong>Fertigungssegmente</strong> gesprochen<br />

werden. Erst wenn die beiden ursprünglichen Produkte völlig ausgelaufen<br />

sind, müssen u.U. größere Anpassungen in der Produktion und Logistik vorgenommen<br />

werden.<br />

Das dargestellte Szenario verdeutlicht, dass der planerische Eingriff in die Produktion<br />

und Logistik sich sehr unterschiedlich gestalten kann. Zudem müssen Planungssysteme<br />

auf einem ständig aktuellen Stand gehalten werden, damit zum einen die aktuelle<br />

Ist-Situation mit dem ursprünglich geplanten verglichen werden kann und zum<br />

anderen ein direktes Einsetzen der Planungsmaßnahmen zu jedem Zeitpunkt möglich<br />

ist.<br />

Die Planung wird zum Bestandteil der flexiblen Produktion und bietet die Basis einer<br />

fortlaufenden Betriebsoptimierung.<br />

11-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Umsatzanteil<br />

der Logistikkosten<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Transportkosten Durchlaufzeitanteile Innovationszyklen<br />

Nahrungsmittel<br />

Metall- und<br />

Metallverarbeirung<br />

Elektrotechnik<br />

Textil<br />

Papier- und<br />

Papiererzeugung<br />

Elektronik und<br />

Minimierung von<br />

Wegen<br />

Auswahl geeigneter<br />

Fördertechnik<br />

Maschinenbau<br />

Effiziente Nutzung der<br />

Fördertechnik<br />

Transport Lagerung<br />

Prüfen<br />

Handhaben, 3%<br />

Rüsten und<br />

Bearbeiten<br />

10%<br />

2% 5%<br />

Aufenthalt<br />

80%<br />

Jahre<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

MATVAR<br />

Quelle: fml/AT Kearney Quelle: Wiendahl Quelle: Bullinger<br />

Optimierung der Losgröße<br />

Engpassoptimierung<br />

Strategien zur Störungskompensation<br />

Steuerungsstrategien <strong>für</strong><br />

Fördertechnik<br />

Durchschnittliche<br />

Produktlebenszeit<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

19781980198219841986 1988 1990 1992 1994<br />

Verwendung vorhandener<br />

Produktions- und<br />

Planungsdaten<br />

Quantitative Planungsergebnisse<br />

bei hoher<br />

Planungssicherheit<br />

Bild 3: Potenziale der Produktions- und Logistikplanung<br />

Strukturierte Vorgehensweise<br />

1.2 Potenziale der Produktions- und Logistikplanung<br />

Die Erschließung von Potenzialen mit einer fortlaufenden Produktions- und Logistikplanung<br />

ergeben vielfältige Anforderungen an das Planungswerkzeug. Einsparungen<br />

in den Logistikkosten, die derzeit z.B. im Maschinenbau ca. 10% des Umsatzes einnehmen,<br />

können durch eine Minimierung der Transportwege und durch eine Auswahl<br />

und effiziente Nutzung einer geeigneten Fördertechnik erschlossen werden. Diese<br />

statischen Optimierungen können nur durch die Verarbeitung von Weginformationen<br />

vorgenommen werden, weshalb das angestrebte Planungstool eine CAD-basierte<br />

Layoutkomponente erfordert.<br />

Neben dieser statischen Planung des Produktions- und Logistiksystems bietet die<br />

dynamische Anpassung große Potenziale zur Reduktion von Liegezeiten im Auftragsdurchlauf.<br />

Ansätze können beispielsweise die Anpassung von Losgrößen, Engpässen<br />

oder Steuerungsstrategien sein. Die Planung dieser oder ähnlicher Optimierungsaufgaben<br />

sind aufgrund der Komplexität und der gegenseitigen Beeinflussung<br />

der einzelnen Optimierungsparameter mit konventionellen Hilfsmitteln nur schwierig<br />

zu lösen. Durch den Einsatz der Ablaufsimulation können auch komplexe Produktions-<br />

und Logistiksysteme im Rechner nachgebildet und alternative Systemkonfigurationen<br />

anhand verschiedener Kennzahlen bewertet werden.<br />

Deshalb kann die Forderung nach einer hohen Planungsqualität vor allem durch Einsatz<br />

der Simulationstechnik gewährleitstet werden.<br />

11-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Qualität der<br />

Dokumentation<br />

11%<br />

geeignete Software<br />

13%<br />

profensionelles<br />

Projektmanagement<br />

17%<br />

transparente<br />

Ergebnispräsentation<br />

7%<br />

abgestimmtes<br />

Pflichtenheft<br />

17%<br />

kompentente<br />

Durchführung<br />

35%<br />

MATVAR<br />

Copyright © iwb, FABS 1997<br />

Bild 4: Faktoren <strong>für</strong> den erfolgreichen Einsatz von Simulation<br />

Letztlich ergeben sich aus den kurzen Innovationszyklen der Produkte, die eine<br />

schnelle und zielgerichtete Anpassung der Produktions- und Logistikstruktur erfordern,<br />

die Anforderungen an eine strukturierte Vorgehensweise. Zudem müssen vorhandene<br />

Produktions- und Planungsdaten automatisiert verarbeitet werden. Neben<br />

dem Ausbau der Schnittstellen zur Übernahme von Daten müssen auch die Schnittstellen<br />

zur Übergabe der fertigen Planungsergebnisse verbessert werden.<br />

Eine durchgeführte Umfrageaktion in deutschen Unternehmen [REINHART ET AL. 1997]<br />

belegt diese Annahmen. Sie zeigt, dass als Hauptfaktoren <strong>für</strong> einen erfolgreichen<br />

Einsatz der Simulation eine kompetente Durchführung, ein professionelles Projektmanagement,<br />

eine geeignete Software sowie eine ausreichende Qualität der Plandaten<br />

gesehen werden.<br />

11-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Planungsebene Planungsinhalt Simulationsmodell<br />

Anlage<br />

Zelle<br />

Komponente<br />

- Anlagenlayout<br />

- Materialfluß/Logistik<br />

- Systemleistung<br />

- Fertigungsprinzip<br />

- Steuerungsstrategien<br />

- Entstörstrategien<br />

- Zellenlayout<br />

- Ablaufvorschriften<br />

- RC-/NC-Programmierung<br />

- Kollisionsvermeidung<br />

- Taktzeitoptimierung<br />

- Betriebsmittelbeanspruchung<br />

- Prozeßparameter<br />

- Werkzeuge<br />

- Hilfsmittel<br />

Ablaufsimulation (grob)<br />

Ablaufsimulation (fein)<br />

Graphische 3D-Simulation<br />

MATVAR<br />

Finite-Elemente-Methode (FEM)<br />

Graphische 3D-Simulation<br />

Mehrkörpersimulation (MKS)<br />

Copyright © iwb 1997<br />

Bild 5: Übersicht über die derzeit verfügbaren Simulationssysteme<br />

2 Stand der Forschung und Technik<br />

Für den Einsatz der Simulationstechnik in der Produktions- und Logistikplanung, insbesondere<br />

zur Analyse der Steuerung, eignen sich Ablaufsimulationssysteme. Die<br />

derzeit am Markt verfügbaren Systeme bieten jedoch nur teilweise spezifische Anpassungen<br />

an den vorliegenden Anwendungsfall. Sie können zwar die Planung unterstützen,<br />

jedoch existieren derzeit keine EDV-Werkzeuge, die von der Aufbereitung<br />

der Plandaten über die Optimierung der Transportkosten und der Auftragssteuerung<br />

bis zur Realisierung der Planung den Anwender unterstützen. Deshalb kommen<br />

heute zu unterschiedlichen Planungsphasen unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz;<br />

redundante Datengenerierung, Planungsfehler und lange Projektdurchlaufzeiten<br />

sind die Folge.<br />

In der Zusammenfassung der Umfrage zum Thema Simulationssysteme [REINHART<br />

ET AL. 1997] werden zudem folgende Ansätze zu Verbesserung der bestehenden<br />

Systeme genannt:<br />

• Benutzerfreundlichkeit<br />

• Datentechnische Integration – Schnittstellen<br />

• Modellierung und Validierung<br />

• Experimentdefinition, Ergebnisauswertung, -interpretation und -darstellung<br />

11-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Datenübernahme aus dem informationstechnischen Umfeld der Produktion und Logistik<br />

MATVAR<br />

Definition und Optimierung von Produktionsabläufen unter Berücksichtigung logistischer Aspekte<br />

Unterstützung der statischen Planung des Produktionssystems (Fabrikplanung)<br />

Auswahl und Dimensionierung des Logistiksystems<br />

Erprobung unterschiedlicher Steuerungsstrategien <strong>für</strong> das Produktions- und Logistiksystem<br />

Bewertung der Planungsalternativen anhand quantitativer Kriterien<br />

Bild 6: Anforderungen an die EDV-basierte Produktions- und Logistikplanung<br />

3 Ableitung des Handlungsbedarfs<br />

Neben den vorgestellten Ergebnissen aus der Analyse der derzeitig verfügbaren<br />

Planungshilfsmittel und der Einschätzungen aus Sicht der Unternehmen erfolgte <strong>für</strong><br />

die Festlegung der Anforderungen an das entwickelnde Planungstool eine enge Zusammenarbeit<br />

mit den Partnern im Projekt MATVAR.<br />

So erfolgte im ersten MATVAR-Förderjahr eine ausführliche Analyse des innerbetrieblichen<br />

Materialflusses in den Produktionsbereichen Vorfertigung und Oberfläche<br />

der Firma BSH in Traunreut. Basierend auf den Erfahrungen aus dem Auftaktprojekt<br />

wurden die Problempunkte bei der Durchführung von Produktions- und Logistikplanungen<br />

aufgezeigt und in Anforderung an die Entwicklung eines ganzheitlichen EDV-<br />

Werkzeuges umgesetzt.<br />

Die Schwerpunkte der oben dargestellten Anforderungen werden primär in der ganzheitlichen<br />

Unterstützung des Anwenders während der Planung gesehen. Dies setzt<br />

voraus, dass eine systematische Planungssystematik dem EDV-Werkzeug hinterlegt<br />

wird, wodurch der Anwender zu jeder Planungsphase auf geeignete EDV-Unterstützung<br />

zurückgreifen kann.<br />

11-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Arbeitsplanerstellung<br />

- Optimierung der<br />

Arbeitsabfolgen<br />

- Definition von<br />

<strong>variable</strong>n <strong>Fertigungssegmente</strong>n<br />

Datenbank<br />

Fördertechnikplanung<br />

- Auswahl<br />

- Kapazitätsabschätzung<br />

Layoutplanung<br />

- Standortoptimierung<br />

- Kapazitätsabschätzung<br />

- Detaillierung der<br />

Transportwege<br />

- Definition der<br />

Produktionssteuerung<br />

Leitstand<br />

Simulation<br />

- Pufferdimensionierung<br />

- Maschinenauslastung<br />

- Fördertechnikauslastung<br />

- Personalauslastung<br />

Prozess-Controlling<br />

MATVAR<br />

Prozesskostenrechnung<br />

Feinplanung<br />

Umsetzung<br />

Bild 7: Konzept der EDV-basierten Produktions- und Logistikplanung<br />

4 Konzeptentwicklung<br />

In Zusammenarbeit mit den MATVAR-Partnern fml und OBTec wurden die Systemschnittstellen<br />

<strong>für</strong> einen durchgängigen Datentransfer von der Planung über die Realisierung<br />

bis zum Prozess-Controlling definiert. Sie bilden die Rahmenbedingungen <strong>für</strong><br />

das zu entwickelnde Planungswerkzeug.<br />

Am Beginn der Planung werden die Produktionsdaten in die Planungsdatenbank<br />

übernommen. Basierend auf diesen Planungsdaten werden im ersten Modul, der Arbeitsplanerstellung,<br />

die Produktionsprozesse optimiert oder neu definiert. Die resultierenden<br />

Abläufe werden in der Layoutplanung graphisch im Layout dargestellt.<br />

Durch die Anpassung der Produktionsstruktur an die Abläufe werden alternative Layoutszenarien<br />

entwickelt. Über einen automatischen Datenaustausch zum Fördertechnikmodul<br />

erfolgt zudem die Planung und Dimensionierung der Logistik. Die hieraus<br />

resultierenden Alternativen <strong>für</strong> das Produktions- und Logistikkonzept müssen<br />

zudem in ihrer Steuerung weiter detailliert werden.<br />

Aufgrund der Vielzahl an Gestaltungsparameter können sehr vielfältige Lösungsansätze<br />

gefunden werden. Deshalb werden die unterschiedlichen Konzepte basierend<br />

auf den Prozesskosten miteinander verglichen und eine Systemauswahl vorgenommen.<br />

Über eine weitere Schnittstelle werden die Ergebnisse der Planung zur Realisierung<br />

und dem Controlling an den Leitstand zurückgegeben.<br />

11-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Derzeitige Situation:<br />

Laufende Produktion von 4 Produkten<br />

Erfolgreiche Einführung des<br />

neuen Produktes D<br />

Vorgabe:<br />

Hohe Entwicklungschance <strong>für</strong><br />

Produkt D, jedoch Reduktion der<br />

Herstellkosten und der Durchlaufzeit erforderlich<br />

Die Produkte A und B werden teilweise durch ein<br />

Nachfolgeprodukt E ersetzt<br />

* Das von ifp entwickelte Softwaretool MATFLOW wird<br />

anhand des oben beschriebenen Fallbeispiels parallel<br />

zu diesem Vortrag direkt am Rechner vorgestellt<br />

Bild 8: Fallbeispiel einer Fertigungs- und Montageanlage<br />

4.1 Beschreibung des Planungsbeispieles<br />

Absatzentwicklung<br />

C<br />

A<br />

B<br />

D<br />

heute<br />

MATVAR<br />

E<br />

Prognose<br />

Zur Verdeutlichung der Funktionalitäten des von ifp innerhalb von MATVAR entwickelten<br />

EDV-Werkzeuges MATFLOW werden innerhalb dieses Abschlussvortrages<br />

die wesentlichen Systemfunktionalitäten direkt am Rechner vorgestellt.<br />

Um neben den einzelnen Funktionen auch die von ifp entwickelte Planungsmethodik<br />

vorstellen zu können, wurde im Vorfeld dieses Vortrages in Zusammenarbeit mit dem<br />

fml ein Planungsbeispiel erarbeitet, mit dessen Hilfe auch das Zusammenspiel der<br />

einzelnen Softwaremodule des ifp und fml dargestellt werden kann.<br />

In der Ausgangssituation des Planungsbeispiels werden vier Endprodukte montiert.<br />

Die einzelnen Endprodukte setzten sich aus verschiedenen Eigenfertigungs- und Zukaufteilen<br />

zusammen. Die Montage und Anlieferung der Zukaufteile befindet sich in<br />

der Halle des fml. Die Herstellung der Eigenfertigungsteile befindet sich in der Halle<br />

des iwb. Der physikalische Materialfluss zwischen den beiden Hallen wird mit Hilfe<br />

eines manuellen Gabelstaplers realisiert.<br />

Ziel der im folgenden beschriebenen Planung ist die Ermittlung der optimalen Produktions-<br />

und Logistikstruktur bei verändertem Auftragsszenario. Innerhalb des neuen<br />

Auftragsszenarios werden im Wesentlichen die beiden Hauptprodukte Produkt A<br />

und B teilweise durch ein Nachfolgeprodukt E ersetzt. Hierdurch ergeben sich neben<br />

einer geänderten Betriebsmittelauslastung auch geänderte Logistikanforderungen.<br />

11-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Arbeitsplanerstellung<br />

Beurteilung der<br />

Ausgangssituation<br />

Berücksichtigung vielfältiger<br />

Informationen<br />

Maschinenauswahl nach technologischen<br />

Kriterien<br />

Festlegung des Materialflusses<br />

als Nebenprodukt der<br />

Arbeitsplanerstellung<br />

Konstruktionszeichnungen<br />

Stücklisten<br />

Rohteil<br />

Prozessdefinition<br />

Determinierung<br />

der Logistikkosten<br />

Arbeitsvorgangsfolge<br />

Fertigungsmittel<br />

Kapazitäten<br />

Vorgabezeit<br />

Arbeistbewertung<br />

Bild 9: Ausgangssituation bei der Arbeitsplanerstellung<br />

4.2 Arbeitsplanerstellung<br />

MATVAR<br />

Festlegung des<br />

innerbetrieblichen Materialflusses<br />

In der heutigen Arbeitsplanerstellung wird ausgehend von den Stücklisten und den<br />

Konstruktionszeichnungen ein Rohteil und die Bearbeitungsfolge abgeleitet<br />

[EVERSHEIM ET AL. 1996] [HEINEN 1991]. Über CAD/CAP-Hilfsmittel kann dieser Schritt<br />

teilweise mit Planungswerkzeugen unterstützt werden, die zudem die Ermittlung von<br />

Vorgabezeiten und die Auswahl von Fertigungsmitteln aus technisch konstruktiver<br />

Sicht ermöglichen. Unberücksichtigt bleiben jedoch in der heutigen Arbeitsplanerstellung<br />

jegliche materialflusstechnischen Gesichtspunkte, obgleich die Arbeitspläne<br />

eines Produktes den innerbetrieblichen Materialfluss und somit die Logistikkosten<br />

bereits festlegen.<br />

Deshalb müssen bei der Planung von Produktions- und Logistiksystemen die bestehenden<br />

Arbeitsabfolgen analysiert und an die bestehende Produktionsstruktur angepasst<br />

werden. Zudem sollte das Planungswerkzeug eine Neudefinition von Arbeitsplänen<br />

anwendungsfreundlich ermöglichen, damit alle notwendigen Informationen<br />

über potenzielle neue Produkte im Planungswerkzeug generiert werden können.<br />

11-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

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MATVAR<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Layoutplanung<br />

Modul Layoutplanung:<br />

Visualisierung und<br />

Optimierung der Produktionsprozesse<br />

im Sankey-<br />

Diagramm auf Basis von<br />

Stückzahlen<br />

Definition der Transportwege<br />

<strong>für</strong> flurgebundene und flurfreie<br />

Fahrzeuge<br />

4.3 Layoutplanung<br />

Definition der Transportwege<br />

<strong>für</strong> flurgebundene Fahrzeuge<br />

Optimierung der der Maschinenanordnung<br />

auf auf Basis<br />

der der Materialflusskennzahl<br />

Bild 11: Planung der Produktions- und Logistikstruktur<br />

MATVAR<br />

Definition der Transportwege<br />

<strong>für</strong> flurfreie Fahrzeuge<br />

Mit Vorgabe der materialflusstechnisch optimierten Produktionsabfolgen findet in der<br />

Layoutplanung die Planung des Produktions- und Logistikkonzeptes satt. Zunächst<br />

werden dem Anwender die Materialflüsse basierend auf der Kennzahl „Stück pro<br />

Jahr“ im Sankey-Diagramm graphisch dargestellt.<br />

Im nächsten Schritt der Layoutplanung findet die Optimierung der physikalischen<br />

Produktionsstruktur statt. Hierbei werden mit Hilfe eines Optimierungsalgorithmus im<br />

Vertauschungsverfahren die Betriebsmittelstandorte vertauscht und die Verbesserungen<br />

oder Verschlechterungen im Materialfluss berechnet. Letztlich wird dem Anwender<br />

vom System ein am Materialfluss optimiertes Layout vorgeschlagen.<br />

Basierend auf der Materialflussdarstellung im Produktionslayout findet nun die Definition<br />

der Transportwege statt. Hierbei wird unterschieden zwischen den flurgebundenen<br />

und flurfreien Transportwegen. Die Definition der flurgebundenen Transportwege<br />

(Stapler, FTS etc.) erfolgt über die Vorgabe eines Wegenetzes durch den Anwender.<br />

Die Berechnung der eigentlichen Transportwege wird vom System automatisch<br />

durchgeführt. Aufwendige Wegedefinitionen entfallen somit. Die flurfreien<br />

Transportwege (Kräne, Hängebahn etc.) werden vom Anwender über sogenannte<br />

Stützpunkte definiert, die z.B. die Laufbahnen einer Hängebahn fixieren oder vom<br />

Kran nicht überfahrbare Bereiche ausklammern. Letztlich werden noch physikalisch<br />

fest installierte Fördermittel (Stetig- oder Starrförderer) im Layout positioniert.<br />

11-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Fördertechnikplanung<br />

Modul Fördertechnikplanung:<br />

Definition der Transport- und<br />

Transporthilfsmittel<br />

Planung der Fördertechnikabläufe<br />

Statische Kapazitätsberchnung<br />

der eingesetzten Fördertechnik<br />

Wegedefinition (Fahrzeug,<br />

Kran, Förderer)<br />

VON NACH WEGEART X1 Y1 X2 Y2 X3 Y3 X4 Y4 X5 Y5 X6 Y6<br />

COILLAGER PROFIL FREI 5.05 41.05 5.95 36.8<br />

COILLAGER PROFIL FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 6.3 35.45<br />

COILLAGER PROFIL FOERDERER 5.05 41.05 5.95 36.8<br />

COILLAGER PROFIL KRAN 5.05 41.05 5.95 36.8<br />

COILLAGER SAEGE1 FREI 5.05 41.05 12.65 24.5<br />

COILLAGER SAEGE1 FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 7.75 22.4<br />

COILLAGER SAEGE1 FOERDERER 5.05 41.05 12.65 24.5<br />

COILLAGER SAEGE1 KRAN 5.05 41.05 12.65 24.5<br />

COILLAGER GRATRUND FREI 5.05 41.05 25.9 27.4<br />

COILLAGER GRATRUND FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 7.75 22.4<br />

COILLAGER GRATRUND FOERDERER 5.05 41.05 25.9 27.4<br />

COILLAGER GRATRUND KRAN 5.05 41.05 25.9 27.4<br />

COILLAGER RSCHLEIF FREI 5.05 41.05 37.5 27.3<br />

COILLAGER RSCHLEIF FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 7.75 22.4<br />

COILLAGER RSCHLEIF FOERDERER 5.05 41.05 37.5 27.3<br />

Betriebsmitteldaten<br />

BETRIEBSMITTEL B_X B_Y Q_X Q_Y S_X S_Y<br />

COILLAGER 7.3 41.05 5.05 41.05 5.05 41.05<br />

PROFIL 4.1 35.9 5.95 36.8 5.95 36.8<br />

SAEGE1 13.5 27.5 12.65 24.5 12.65 24.5<br />

GRATRUND 24.7 26.45 25.9 27.4 25.9 27.4<br />

RSCHLEIF 34.9 28.7 37.5 27.3 37.5 27.3<br />

SCHW EISS 48.7 6.65 48.55 7.55 48.55 7.55<br />

SAEGE2 5.65 5.3 5 8.05 5 8.05<br />

ENTGRAT 19.3 6.65 19.3 7.65 19.3 7.65<br />

AUSKLINK 24.7 6.65 24.7 7.65 24.7 7.65<br />

PLANSCHL 38.45 4.45 37.7 7.15 37.7 7.15<br />

SAEGE3 19.3 27.2 18.6 24.6 18.6 24.6<br />

BIEGEN 43.9 26.45 45.6 26.05 45.6 26.05<br />

ROHRLAGER 62 20.3 62 20.3 62 20.3<br />

STRAHLEN 60 6.65 59.9 7.55 59.9 7.55<br />

POLIEREN 56.5 28.05 62 30.45 51.15 27.4<br />

Arbeitsabläufe<br />

PRODUKT MENGE AVO-NR. BETRIEBSMITTEL<br />

RHRA 400 1 COILLAGER<br />

RHRA 400 2 PROFIL<br />

RHRA 400 3 SAEGE1<br />

RHRA 400 4 GRATRUND<br />

RHRA 400 5 RSCHLEIF<br />

RHRA 400 6 SCHWEISS<br />

RHRB 900 1 COILLAGER<br />

RHRB 900 2 PROFIL<br />

RHRB 900 3 SAEGE2<br />

RHRB 900 4 ENTGRAT<br />

RHRB 900 5 AUSKLINK<br />

RHRB 900 6 PLANSCHL<br />

RHRB 900 7 SCHWEISS<br />

RHRC 50 1 COILLAGER<br />

RHRC 50 2 PROFIL<br />

RHRC 50 3 SAEGE3<br />

RHRC 50 4 GRATRUND<br />

Fördertechnikplanung<br />

Bild 12: Datenübergabe an die Fördertechnikplanung<br />

4.4 Fördertechnikplanung<br />

Layout<br />

MATVAR<br />

Übergabe der Planungsdaten an<br />

die Fördertechnikplanung fml<br />

Die vorbereitende Planung des Layouts wird <strong>für</strong> die Auswahl der Fördertechnik an<br />

das Planungswerkzeug von fml übergeben. Die realisierte Schnittstelle basiert auf<br />

dem Austausch unterschiedlicher alphanumerischer und graphischer Dateien.<br />

Die geplanten flurgebundenen und flurfreien Transportwege werden über die Wegedefinition<br />

übergeben, in der alle Wegedaten über Koordinatenpositionen beschrieben<br />

sind. Zudem werden die Koordinaten der Betriebsmittel mit den Quellen und Senken<br />

des Materialflusses in der Betriebsmitteldatei dokumentiert. Die Produktionsabfolgen<br />

werden über die Datei der Arbeitsabläufe als dritte Datei zur Verfügung gestellt.<br />

Letztlich wird neben diesen alphanumerischen Daten auch das Layout als CAD-<br />

Zeichnung übergeben.<br />

Die bereitgestellten Daten werden vom Planungswerkzeug des fml eingelesen und<br />

<strong>für</strong> die Planung der Transport- und Transporthilfsmittel verwendet (siehe Unterlagen<br />

des fml).<br />

11-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Fördertechnikplanung<br />

Modul Fördertechnikplanung:<br />

Übernahme der geplanten<br />

Fördertechnik<br />

Übernahme der Definitionen <strong>für</strong><br />

Transport und<br />

Transporthilfsmittel<br />

Übernahme der Planungsdaten von<br />

der Fördertechnikplanung fml<br />

Fördertechnikplanung<br />

Max. Max. LADE- ENTL-<br />

VON NACH PRODUKT FAHRTEN PRODUKTE GEBINDE THM TM<br />

THM/TM TEILE/THM ZEIT ZEIT DISTANZ<br />

COILLAGER PROFIL RHRA 588 10754 588 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />

PROFIL SAEGE1 RHRA 1 20 1 E1 ST1 1 20 0 0 25.7439<br />

PROFIL SAEGE1 RHRA 53 3894 106 E2 KRAN 2 40 1 2 26.0598<br />

PROFIL SAEGE1 RHRA 93 6840 188 E3 ST2 5 50 9 8 25.7439<br />

SAEGE1 GRATRUND RHRA 381 7550 381 E1 ST1 1 20 0 0 19.9496<br />

GRATRUND RSCHLEIF RHRA 56 1120 56 E1 ST1 1 20 0 0 26.3979<br />

GRATRUND RSCHLEIF RHRA 80 6400 160 E2 KRAN 2 40 0 0 40.4062<br />

RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 28 560 28 E1 ST1 1 20 0 0 30.257<br />

RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 46 6900 138 E3 KRAN 3 50 0 0 31.056<br />

COILLAGER PROFIL RHRB 861 16131 861 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />

PROFIL SAEGE2 RHRB 173 3095 173 E1 ST1 1 20 0 0 32.3451<br />

PROFIL SAEGE2 RHRB 201 13036 361 E2 KRAN 2 40 1 2 36.0569<br />

SAEGE2 ENTGRAT RHRB 848 15932 848 E1 ST1 1 20 0 0 18.1015<br />

ENTGRAT AUSKLINK RHRB 135 2651 135 E1 ST1 1 20 0 0 10.3511<br />

ENTGRAT AUSKLINK RHRB 173 13189 337 E2 KRAN 2 40 5 6 15.2134<br />

AUSKLINK PLANSCHL RHRB 118 2354 118 E1 ST1 1 20 0 0 21.8399<br />

AUSKLINK PLANSCHL RHRB 180 7099 180 E2 KRAN 1 40 0 0 28.0767<br />

PLANSCHL SCHWEISS RHRB 423 8419 423 E1 ST1 1 20 0 0 15.9988<br />

COILLAGER PROFIL RHRC 173 2904 173 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />

PROFIL SAEGE3 RHRC 28 513 28 E1 ST1 1 20 0 0 31.9166<br />

Transportmitteldefinition<br />

(TM, TH, Be- und<br />

Entladezeit<br />

MATVAR<br />

Transportmittelspezifikation<br />

VON NACH<br />

Max. Max. LADE- ENTL-<br />

PRODUKT FAHRTEN PRODUKTE GEBINDE THM TM<br />

THM/TM TEILE/THM ZEIT ZEIT DISTANZ<br />

COILLAGER PROFIL RHRA 588 10754 588 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />

PROFIL SAEGE1 RHRA 1 20 1 E1 ST1 1 20 0 0 25.7439<br />

PROFIL SAEGE1 RHRA 53 3894 106 E2 KRAN 2 40 1 2 26.0598<br />

PROFIL SAEGE1 RHRA 93 6840 188 E3 ST2 5 50 9 8 25.7439<br />

SAEGE1 GRATRUND RHRA 381 7550 381 E1 ST1 1 20 0 0 19.9496<br />

GRATRUND RSCHLEIF RHRA 56 1120 56 E1 ST1 1 20 0 0 26.3979<br />

GRATRUND RSCHLEIF RHRA 80 6400 160 E2 KRAN 2 40 0 0 40.4062<br />

RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 28 560 28 E1 ST1 1 20 0 0 30.257<br />

RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 46 6900 138 E3 KRAN 3 50 0 0 31.056<br />

COILLAGER PROFIL RHRB 861 16131 861 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />

PROFIL SAEGE2 RHRB 173 3095 173 E1 ST1 1 20 0 0 32.3451<br />

PROFIL SAEGE2 RHRB 201 13036 361 E2 KRAN 2 40 1 2 36.0569<br />

SAEGE2 ENTGRAT RHRB 848 15932 848 E1 ST1 1 20 0 0 18.1015<br />

ENTGRAT AUSKLINK RHRB 135 2651 135 E1 ST1 1 20 0 0 10.3511<br />

ENTGRAT AUSKLINK RHRB 173 13189 337 E2 KRAN 2 40 5 6 15.2134<br />

AUSKLINK PLANSCHL RHRB 118 2354 118 E1 ST1 1 20 0 0 21.8399<br />

AUSKLINK PLANSCHL RHRB 180 7099 180 E2 KRAN 1 40 0 0 28.0767<br />

PLANSCHL SCHWEISS RHRB 423 8419 423 E1 ST1 1 20 0 0 15.9988<br />

COILLAGER PROFIL RHRC 173 2904 173 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />

PROFIL SAEGE3 RHRC 28 513 28 E1 ST1 1 20 0 0 31.9166<br />

Bild 13: Datenübernahme aus der Fördertechnikplanung<br />

Die Ergebnisse der durchgeführten Fördertechnikplanung dokumentieren sich in der<br />

Transportmitteldefinition und der Transportmittelspezifikation, die ebenfalls in Dateiform<br />

vom Planungswerkzeug des fml zur Verfügung gestellt werden.<br />

In der Transportmitteldefinition werden <strong>für</strong> alle Transporte die vorgesehenen Transporthilfsmittel<br />

und Transportmittel festgeschrieben. Zudem werden die Anzahl der<br />

Teile pro Gebinde und der Gebinde pro Transport übergeben sowie die Zeiten <strong>für</strong><br />

den Belade- und Entladevorgang. Alternative Transportmittel <strong>für</strong> die gleichen Wegstrecken<br />

werden durch mehrfache Nennung der Transportwege dokumentiert.<br />

In der Transportmittelspezifikation werden alle notwendigen Informationen über die<br />

eingesetzten Transportmittel übergeben, wie beispielsweise Anzahl der Transportmittel<br />

oder Fahrgeschwindigkeiten.<br />

Die übergebenen Daten werden im Planungswerkzeug von ifp automatisch eingelesen<br />

und <strong>für</strong> die weitere Planung verwendet.<br />

11-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Layoutplanung<br />

Modul Layoutplanung:<br />

Differenzierte Analyse des<br />

statischen Materialflusses<br />

Spezifikation der dynamischen<br />

Parameter (Schichtmodelle,<br />

Losgrößen, Lieferzyklen,<br />

Werkerzuordnung,<br />

Logistiksteuerung etc.)<br />

Analyse des statischen Materialflusses<br />

auf Basis von:<br />

Stückzahlen<br />

Gebinden<br />

Transporten<br />

Bild 14: Optimierung der Layoutplanung<br />

4.5 Optimierung der Layoutplanung<br />

MATVAR<br />

Definition der Logistiksteuerung<br />

und Festlegung<br />

der dynamischen Parameter<br />

Über die Fördertechnikplanung, d.h. der Transport- und Transporthilfsmittel, kann<br />

nun der Materialfluss in der Layoutplanung über die Kennzahlen „Gebinde pro Jahr“<br />

oder „Fahrten pro Jahr“ graphisch dargestellt werden.<br />

Neben der systematischen Analyse des Materialflusses, wie beispielsweise Darstellung<br />

der Produkte je Transportmittel, können nun vom Benutzer weitere Optimierungen<br />

hinsichtlich der physikalischen Produktionsstruktur durchgeführt werden. Hierbei<br />

wird der Planer durch den schon im Rahmen der Grobplanung beschriebenen Optimierungsalgorithmus<br />

unterstützt. Das von ifp entwickelte Optimierungsmodul wurde<br />

so konzipiert, dass innerhalb dieser Feinplanungsphase auch die zuvor definierten<br />

Transportbeziehung bei der automatischen Betriebsmittelanordnung berücksichtigt<br />

werden.<br />

Zur vollständigen Identifikation der Optimierungspotenziale werden im nächsten<br />

Schritt der Planung die dynamischen Systemparameter festegelegt. Hierzu zählen<br />

beispielsweise das Schichtmodell, die Mindestlosgrößen, die Lieferantenspezifikation,<br />

das Ausfallverhalten der Betriebsmittel oder die geplante Auftragssteuerung.<br />

Eine Aussage über die richtige Entscheidung über bestehende Planungs- und Steuerungsalternativen<br />

erfolgt anschließend mit Hilfe der Ablaufsimulation.<br />

11-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Simulation<br />

Modul Simulation:<br />

Automatische Generierung des<br />

Simulationsmodells<br />

Übergabe von Fahrzeugen,<br />

Kränen, Förderer oder<br />

Transportmittelsteuerung<br />

Übergabe Betriebsmittel und<br />

Personal<br />

Übergabe Auftragssteuerung<br />

4.6 Simulation<br />

FTS<br />

Puffer Werker<br />

Stapler<br />

MATVAR<br />

Automatischer Aufbau des Simulationsmodells<br />

Kran<br />

Maschine Fahrweg<br />

Bild 15: Automatische Simulation der Produktion und Logistik<br />

Einen Schwerpunkt der Entwicklungsarbeiten stellte die Entwicklung einer automatischen<br />

Generierung eines Simulationsmodells dar. Hierbei wird, basierend auf den im<br />

Rahmen der Layoutplanung erarbeiteten Daten, wie z.B.<br />

• Arbeitsabläufe<br />

• Fördertechnikspezifikation<br />

• Steuerungsstrategien<br />

• Schichtmodelle und Personalzuordnung<br />

• Kunden- und Lieferantenverhalten<br />

automatisch ein lauffähiges Simulationsmodell aufgebaut. Wesentliche Bestandteile<br />

des Simulationsmodells sind die Produkte, Betriebsmittel, Personal und die Fördermittel<br />

(z.B. Stapler, Krane, Förderer). Neben der Definition dieser Elemente wird im<br />

Simulationsmodell deren logische Verbindungen automatisch hinterlegt. Hierbei wird<br />

die vorgesehene Auftragssteuerung mit Hilfe simulationsspezifischer Regeln in den<br />

einzelnen Steuerungselementen abgebildet.<br />

Der wesentliche Vorteil dieser Art der Modellgenerierung liegt in dem schnellen Aufbau<br />

eines Simulationsmodells, der je nach Komplexität in wenigen Minuten erfolgt.<br />

Zudem kann die Simulationstechnik mit all ihren Vorteilen auch von nicht Simulationsexperten<br />

genutzt werden.<br />

11-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Prozesskostenrechnung<br />

Modul Prozesskosten:<br />

Übernahme der produktspezifischen<br />

Kennzahlen<br />

(Puffer- und Lagerflächen,<br />

Auslastungen, Durchlaufzeit ..)<br />

Analyse der Herstellkosten<br />

(Lagerkosten, Transportkosten,<br />

Bearbeitungskosten)<br />

MATVAR<br />

Auswertung der Kennzahlen aus der Simulation<br />

und Berechnung der produktspezifischen Prozesskosten<br />

Bild 16: Auswertung der Simulationsdaten über die Prozesskostenrechnung<br />

4.7 Prozesskostenrechnung<br />

Durch den Einsatz der Simulationstechnik können sehr vielfältige Aussagen über ein<br />

Produktions- und Logistikkonzept gewonnen werden, wie beispielsweise Betriebsmittel-<br />

oder Fördertechnikauslastungen, Bestände, Durchlaufzeiten, Lieferbereitschaft<br />

etc. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung dieser Informationen liegt nun oftmals<br />

darin, dass komplementäre Kennzahlen, wie beispielsweise hohe Lieferbereitschaft<br />

versus geringe Bestände oder große Losgrößen versus geringe Durchlaufzeiten,<br />

miteinander verglichen werden müssen. Eine eindeutige Aussage kann an dieser<br />

Stelle nur über die Berechnung der Prozesskosten erfolgen, in denen neben den<br />

direkten Produktionskosten auch die heutigen Allgemeinkosten, wie beispielsweise<br />

Lagerkosten, Transportmittelkosten, Instandhaltungskosten etc., produktspezifisch<br />

zugeordnet werden.<br />

Als Ergebnis werden vom System Wertschöpfungskurven berechnet, die alle auf den<br />

Herstellungsprozess einwirkenden Faktoren monetär darstellen. Durch die Analyse<br />

der Kostenentwicklung im Herstellungsprozess können gezielt Rationalisierungspotenziale<br />

erkannt werden. Letztlich erfolgt über den Vergleich der Herstellungskosten<br />

der Produkte bei alternativen Produktions- und Logistikkonzepten die Auswahl der<br />

geeignetsten Variante.<br />

11-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

Simulation<br />

Prozess-Controlling<br />

Leitstand<br />

Modul Realisierung:<br />

Prozesskostenrechnung<br />

Feinplanung<br />

Umsetzung<br />

Übergabe der<br />

Planungsergebnisse an den<br />

Leitstand<br />

Einlesen der gemessenen<br />

Produktionsdaten aus dem<br />

Leitstand und Vergleich mit<br />

den geplanten Prozesskosten<br />

MATVAR<br />

Auswertung der Produktionsdaten aus dem Leitstand<br />

und Berechnung der Kostenanteile<br />

Bild 17: Übergabe der Plandaten in die Realisierung und das Controlling<br />

4.8 Realisierung und Controlling<br />

Für eine schnelle und zielgerichtete Realisierung des neu geplanten Produktionsund<br />

Logistikkonzeptes ist es wichtig, dass die Ergebnisse der Planung direkt weiterverwendet<br />

werden können. Deshalb wurde zusammen mit der Firma OBTec eine<br />

Schnittstelle <strong>für</strong> den Datentransfer zum Leitstand ausgearbeitet. Ziel hierbei ist die<br />

Informationen, wie beispielsweise geänderte Maschinenpositionen oder Arbeitsabläufe,<br />

direkt an den Leitstand zu übergeben. Zudem werden die Stundensätze <strong>für</strong> die<br />

Transportmittel weitergeleitet, auf deren Basis im Tagesgeschäft eine kostenoptimale<br />

Nutzung der Transportmittel ermöglicht wird.<br />

Die von ifp entwickelte Schnittstelle zwischen der Ablaufsimulation und der Layoutplanung<br />

bzw. Prozesskostenrechnung wurde so gestaltet, dass über diese Schnittstelle<br />

auch die im Leitrechner protokollierten realen Produktionsdaten in das Planungstool<br />

eingelesen werden können. Hierdurch werden die mit Hilfe der Simulation<br />

vorab berechneten Parameter, wie beispielsweise Maschinen- und Transportmittelauslastungen,<br />

mit den tatsächlichen Protokolldaten des Produktions- und Logistiksystems<br />

verglichen. Hierdurch kann das System fortlaufend überwacht und eine geeigneter<br />

planerischer Eingriff jederzeit eingeleitet werden. Zudem stehen dem Planer<br />

permanent aktuelle Planungsdaten zur Verfügung.<br />

11-18


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

5 Zusammenfassung<br />

MATVAR<br />

Automatische Übernahme von Produktionsdaten aus Leitstandund<br />

PPS-Systemen<br />

Materialflusstechnische Optimierung der Arbeitspläne<br />

Visualisierung der Materialflüsse im Produktionslayout<br />

Automatisierte Planung der Transportwege <strong>für</strong> flurgebundene und<br />

flurfreie Fahrzeuge<br />

Bidirektionale Datenschnittstelle zur Fördertechnikplanung von fml<br />

Automatische Layoutoptimierung auf Basis der<br />

Transportbeziehungen in der Layoutplanung<br />

Automatische Modellgenerierung <strong>für</strong> den Einsatz der<br />

Simulationstechnik<br />

Auswertung der Simulationsergebnisse über die<br />

Prozesskostenrechnung<br />

Bidirektionale Schnittstelle zum Leitstand von OBTec<br />

Fortlaufendes Controlling der Produktions- und Logistikparameter<br />

<strong>für</strong> das rechtzeitige und gezielte Einleitung des Planungs- und<br />

Optimierungsprozesses<br />

Bild 18: Verwirklichte Ziele<br />

Durch die von ifp im Forschungsprojekt MATVAR geleistete Entwicklungsarbeit ist<br />

ein innovatives, EDV-basiertes Planungswerkzeug entstanden, das den gesamten<br />

Prozess der Planung und Optimierung von Produktions- und Logistiksystemen unterstützt.<br />

Ausgehend von einem Pilotprojekt bei einem der MATVAR-Anwender, der BSH in<br />

Traunreut, wurden die Anforderungen an die ganzheitliche Produktions- und Logistikplanung<br />

definiert. Zusammen mit den MATVAR-Entwicklern fml und OBTec wurde<br />

auf Basis dieser Anforderungen ein Konzept erarbeitet, das in einem EDV-Werkzeug<br />

vollständig umgesetzt wurde.<br />

Hierdurch steht dem Planer nun eine umfassende EDV-Unterstützung zur Verfügung,<br />

durch deren Einsatz Betriebsdaten fortlaufend erfasst und monetär bewertet werden.<br />

Beim Erkennen größerer Abweichungen kann eine Optimierungssystematik eingeleitet<br />

werden, die von der Definition der Arbeitsabfolgen über die Layout- und Fördertechnikplanung<br />

bis zur Simulation eine weitgehend automatisierte Planung ermöglicht.<br />

Somit können zeitraubende Tätigkeiten, wie beispielsweise wiederholte<br />

Datengenerierung oder Aufbau des Simulationsmodells, im Planungsprozess vermieden<br />

werden, wodurch dem Planer letztlich mehr Zeit <strong>für</strong> die kreativen Aspekte der<br />

Produktions- und Logistikplanung zur Verfügung steht.<br />

11-19


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />

6 Literatur<br />

MATVAR<br />

EVERSHEIM 1996<br />

Eversheim, W.; Schuh, G.: Betriebshütte. Produktion und Management.<br />

Berlin u.a.: Springer 1996<br />

HEINEN 1991<br />

Heinen, E.: Industriebetriebslehre. Entscheidungen im Industriebetrieb.<br />

Wiesbaden: Gabler 1991.<br />

MILBERG 1997<br />

Milberg, J.: Produktion – Eine treibende Kraft <strong>für</strong> unsere Volkswirtschaft.<br />

In: Reinhart, G. (Hrsg.); Milberg, J. (Hrsg.): Mit Schwung zum<br />

Aufschwung – Information, Inspiration, Innovation, München. Landsberg:<br />

Moderne Industrie 1998.<br />

REINHART ET AL. 1999<br />

Reinhart, G.; Feldmann, K.: Simulationsbasierte Planungssysteme <strong>für</strong><br />

Organisation und Produktion. Berlin u.a.: Springer 1999.<br />

REINHART ET AL. 1997<br />

Reinhart, G.; Feldmann, K.: Simulation – Schlüsseltechnologie der Zukunft?<br />

München: <strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong> Verlag 1997<br />

UHLMANN 1998<br />

Uhlmann, E.: Regionale Stärken <strong>für</strong> globale Chancen durch technologische<br />

Innovationen. In: IX. Internationales Produktionstechnisches Kolloquium<br />

98. Berlin: Institut <strong>für</strong> Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik<br />

1998<br />

VDMA 1999<br />

VDMA (Hrsg.): Für mehr Wettbewerb und Eigeninitiative. Gemeinsame<br />

wirtschaftspolitische Positionen des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus<br />

1999 (Informationsbroschüre). Frankfurt: Eigendruck 1999.<br />

11-20


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

MATVAR<br />

&RPSXWHUXQWHUVW W]WH 3ODQXQJ YRQ<br />

0DWHULDOIOXVVV\VWHPHQ<br />

'U ,QJ )UDQ] $OOJD\HU<br />

/HKUVWXKO I U )|UGHUWHFKQLN 0DWHULDOIOXVV /RJLVWLN IPO<br />

78 0 QFKHQ<br />

%ROW]PDQQVWU<br />

*DUFKLQJ<br />

12-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Größere<br />

Planungssicherheit<br />

Größere<br />

Komplexität<br />

Planung von<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Höhere<br />

Planungsgeschwindigkeit<br />

MATVAR<br />

Größerer<br />

Planungsumfang<br />

Bild 1: Zunehmende Anforderungen an die Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

1 Ausgangssituation<br />

Die sich rasch ändernden Marktanforderungen zwingen die Unternehmen zu einem<br />

ständigen Anpassungsprozeß, der starke Auswirkungen auf die innerbetriebliche Logistik<br />

hat und so eine häufige Neu-, Um- oder Erweiterungsplanung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

erfordert. Der Planungsprozeß selbst ändert sich dabei ebenfalls.<br />

So führen durch komplexere Produkte bedingte komplexere Logistiksysteme zusammen<br />

mit der geforderten Flexibilität bei gleichzeitiger Prozesssicherheit zu einer<br />

wesentlichen Erhöhung der Komplexität bei der Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n.<br />

Trotz höherer Komplexität nimmt die Forderung nach größerer Planungssicherheit<br />

weiter zu, da die logistische Leistungsfähigkeit der Unternehmen immer mehr über<br />

deren Markterfolg bestimmt (Baumgarten u.a. 1997, Pfohl u.a. 1999).<br />

Durch das ganzheitliche Systemdenken bedingt müssen bei der Suche nach dem<br />

Gesamtoptimum alle möglichen Kombinationen der Subsysteme betrachtet werden.<br />

Die Zahl der zu untersuchenden Planungsvarianten vergrößert sich also ganz entscheidend.<br />

Um die Planungssicherheit bei komplexeren und umfangreicheren Planungsprojekten<br />

zu gewährleisten, wächst das Bestreben, schon in frühen Planungsphasen eine<br />

größere Anzahl von Planungsvarianten detailliert zu untersuchen. Dies kann nur<br />

durch eine Erhöhung der Planungsgeschwindigkeit erreicht werden.<br />

12-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

2 Aufgabenstellung<br />

MATVAR<br />

Ziel der Arbeiten des Lehrstuhls fml in Arbeitspaket 4, Planungsmethoden und Werkzeuge,<br />

ist es, Planungsbausteine <strong>für</strong> die rechnerintegrierte Planung zu entwickeln,<br />

mit denen die zunehmenden Ansprüche an die Planung von flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

(z.B. automatisierter Leichtkran und gemanagte Stapler) hinsichtlich Komplexität,<br />

Umfang, Planungssicherheit und Geschwindigkeit berücksichtigt werden<br />

können.<br />

Die Arbeiten umfassen dabei die zugrundeliegende Planungsmethodik und die Realisierung<br />

der Bausteine in einem CAD-System. Die Konzepte, auf denen die Planungsbausteine<br />

basieren, sollen den besonderen Anforderungen an die Planung flexibler<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong> genügen und eine einfache und schnelle Planung ermöglichen.<br />

Zusätzlich sollen die Planungsbausteine in einem Planungsprojekt angewendet<br />

und verifiziert werden. Darüber hinaus sind sie so zu gestalten, dass sie als Modul<br />

zur Fördertechnikplanung im Rahmen einer EDV-basierten Logistikplanung benutzt<br />

werden können, die ebenfalls im Projekt MATVAR von der ifp GmbH entwickelt<br />

wird.<br />

3 Vorgehensweise<br />

Um das gesteckte Ziel zu erreichen, sind zunächst die Grundlagen, Abläufe und<br />

Methoden der Materialflussplanung und der darin enthaltenen Systemplanung zu<br />

untersuchen. Damit sollen die Randbedingungen <strong>für</strong> die Entwicklung der Planungsbausteine<br />

aufgestellt werden. Anschließend ist eine Analyse bereits existierender<br />

rechnergestützter Hilfsmittel <strong>für</strong> die Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n durchzuführen,<br />

um deren Stärken und Schwächen aufzuzeigen. Darüber hinaus sollen die Besonderheiten<br />

bei der Modellbildung von flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong>n untersucht<br />

werden.<br />

Auf den Ergebnissen dieser Analysephase aufbauend ist die übergeordnete Gesamtkonzeption<br />

eines computerintegrierten Planungswerkzeuges mit seinen Teilzielen<br />

und Teilkonzepten zu erarbeiten, in das die einzelnen Planungsbausteine eingebettet<br />

sind. Hierin enthalten ist auch ein Konzept <strong>für</strong> die Beschreibung und Abbildung<br />

der einzelnen Bausteine und zur Verwendung des Planungswerkzeuges als Fördertechnikplanungstool<br />

einer EDV-basierten Logistikplanung. Anschließend soll eine <strong>für</strong><br />

das Planungswerkzeug und die Planungsbausteine geeignete Entwicklungsbasis<br />

zusammengestellt werden.<br />

In der Realisierungsphase sind das Planungswerkzeug und die darin eingebetteten<br />

Planungsbausteine auf Basis der erarbeiteten Konzepte umzusetzen. Anhand einer<br />

beispielhaften Anwendung des Planungswerkzeuges sollen die Planungsbausteine<br />

verifiziert werden.<br />

12-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Vorarbeiten<br />

Materialflussuntersuchung (Ist-Analyse)<br />

• Layouterfassung<br />

• Datenerfassung und -aufbereitung<br />

• Darstellung und Bewertung des Ist-Zustandes<br />

Ermitteln der Planungsdaten (Soll-Daten)<br />

Grobplanung<br />

Strukturplanung<br />

• Planen der Abläufe und Funktionseinheiten<br />

• Festlegen der Standorte der Lager, Bearbeitungsund<br />

Handhabungsstationen<br />

• Festlegen der Bewegungslinien der Stückgüter<br />

• Erstellen von Strukturvarianten<br />

Systemplanung<br />

• Auswahl geeigneter Materialflussmittel <strong>für</strong> die<br />

Transport-, Lager- und Handhabungsaufgaben<br />

• Dimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

• Überprüfen und Bewerten der Systemvarianten<br />

• Erstellen der Groblayouts<br />

Feinplanung<br />

Detailplanung<br />

• Überarbeiten der Planungsdaten<br />

• Detaillieren der Struktur- und Systemplanung<br />

• Erstellen der Ausschreibungsunterlagen<br />

Bild 2: Planungssystematik <strong>für</strong> eine durchgängige<br />

Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

MATVAR<br />

12-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

4 Erzielte Ergebnisse<br />

4.1 Analyse<br />

MATVAR<br />

4.1.1 Grundlagen, Abläufe und Methoden der Materialflussplanung<br />

Eine Grundvoraussetzung, um die wachsenden Ansprüche bei der Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

bezüglich Komplexität, Umfang, Planungssicherheit und Geschwindigkeit<br />

beherrschen zu können, ist die konsequente Verwendung einer systematischen<br />

Vorgehensweise, bei der der Planungsprozess in iterativen Schritten<br />

durchlaufen werden kann. Eine weitere wesentliche Forderung ist die durchgängige<br />

Unterstützung des Planungsprozesses von den Vorarbeiten (Materialflussuntersuchung)<br />

über die Strukturplanung bis hin zur Systemplanung. In diesem Fall kann die<br />

Planung der technischen Systeme auf der Planung der Materialflüsse aufbauen und<br />

diese ermöglichen. Werden die beiden Forderungen zusammengefasst, so lässt sich<br />

die in Bild 2 dargestellte Planungssystematik ableiten, die die Grundlage <strong>für</strong> alle<br />

nachfolgenden Überlegungen bildet.<br />

Innerhalb der Planungssystematik wird dabei zwischen den Phasen Vorarbeiten,<br />

Grobplanung und Feinplanung unterschieden. Die Grobplanungsphase wiederum<br />

lässt sich in die Strukturplanung und Systemplanung untergliedern. Die Grenzen zwischen<br />

den einzelnen Planungsschritten sind in der Planungspraxis jedoch fließend<br />

und die Schritte überlappen sich häufig.<br />

4.1.2 Bereits existierende rechnergestützte Planungshilfsmittel<br />

Die Analyse der rechnergestützten Planungshilfsmittel zeigt, dass die Unterstützung<br />

des Materialflussplaners durch verschiedenste Rechnerwerkzeuge, von kommerzieller<br />

Standardsoftware über einfache, vom Planer selbst entwickelte Hilfsprogramme<br />

bis hin zu komplexen Systemfamilien, heute Stand der Technik ist. Ohne diese<br />

Hilfsmittel ist schon allein der Umfang der zu bearbeitenden Planungsdaten oft nicht<br />

mehr zu bewältigen. Dennoch lässt sich erkennen, dass die bereits existierenden<br />

Systeme ihre programmspezifischen Schwerpunkte besitzen.<br />

Auf der einen Seite gibt es Insellösungen, die weder Planungsdaten aus früheren<br />

Planungsschritten übernehmen noch ihre eigenen Ergebnisse an Werkzeuge nachfolgender<br />

Planungsphasen übergeben können. Hierzu gehören z.B. Programme, die<br />

lediglich eine analytische Auslegung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n durch die Ein- und<br />

Ausgabe alphanumerischer Parameter zulassen, oder Hilfsmittel, die ausschließlich<br />

die Dimensionierung der geometrischen Abmessungen und die Erstellung von Layouts<br />

unterstützen.<br />

12-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Insellösungen<br />

• Keine automatische Datenübernahme aus früheren Planungsphasen<br />

• Keine automatische Datenübergabe an spätere Planungsphasen<br />

• Erhöhte Fehlergefahr durch mehrfache Dateneingabe<br />

• Einsatz nur <strong>für</strong> bestimmte Planungstätigkeiten<br />

Programmpakete<br />

• z.T. keine Unterstützung einer systematischen und flexiblen Vorgehensweise<br />

• z.T. kein durchgängiges Datenmodell<br />

• z.T. keine durchgängige Datenbasis<br />

• Begrenzung auf bestimmte Planungsaufgaben, -schritte und -gebiete<br />

• Mangelhafte Unterstützung bei der Dimensionierung der zeitunabh. Größen<br />

• Mangelhafte Unterstützung bei der analytischen Dimensionierung der<br />

zeitabhängigen Größen<br />

Bild 3: Schwächen existierender Rechnerwerkzeuge<br />

zur Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

MATVAR<br />

Auf der anderen Seite existieren weitgehend durchgängige Programmpakete zur<br />

Materialflussplanung. Da diese jedoch meist zur Bearbeitung von Problemstellungen<br />

der Fabrikplanung bzw. Produktionslogistik dienen, liegt ihr Schwerpunkt auf der<br />

Strukturplanung. Die Systemplanung behandeln sie entweder nur am Rande oder im<br />

Rahmen der Feinplanung beim optionalen Entwerfen und Optimieren von Steuerungsstrategien<br />

des Gesamtsystems mit Hilfe der Simulation. Eine analytische Grobdimensionierung<br />

zeitabhängiger und zeitunabhängiger Größen der benötigten <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

findet deshalb meist nicht statt.<br />

Eine Zusammenfassung der oben genannten Schwachstellen existierender Rechnerwerkzeuge<br />

zur Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n zeigt Bild 3.<br />

4.1.3 Besonderheiten bei der Modellbildung<br />

Bei der CAD-gestützten Modellbildung im Rahmen der Planung von flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

muss eine Vielzahl von Materialflussmitteln erzeugt, geändert, kopiert<br />

und gelöscht werden. So können z.B. beim Erstellen von Planungsvarianten oft<br />

ganze Teilbereiche anderer Varianten übernommen werden. Unterscheiden sich diese<br />

Teilbereiche jedoch bezüglich einiger Parameter von der Ursprungsvariante, ist<br />

ein aufwendiges Neuzeichnen der im Prinzip schon vorhandenen Lösung notwendig.<br />

12-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Individuelle<br />

Vorgehensweise<br />

des Planers<br />

Variierende<br />

Planungstiefe<br />

Möglichkeit zur<br />

optionalen Bearbeitung<br />

notwendiger<br />

Planungsschritte<br />

Flexibilität<br />

Projektspezifische<br />

Planungsschritte<br />

MATVAR<br />

Bild 4: Flexibilität als Anforderung an eine durchgängige Rechnerunterstützung<br />

4.2 Konzeption<br />

4.2.1 Flexibilität und Modularität<br />

Um die geforderte Planungssystematik in eine durchgängige Rechnerunterstützung<br />

integrieren zu können, muss diese die einzelnen Planungsschritte aus Bild 2 durch<br />

ihre Funktionalitäten unterstützen. Dabei soll der Planer nicht durch einen starren,<br />

von der Rechnerunterstützung vorgegebenen Planungsablauf eingeschränkt werden.<br />

Vielmehr muss sie die individuelle Planungsvorgehensweise verschiedener Planer<br />

ermöglichen.<br />

Abhängig von Art und Größe der Planungsprojekte kann die notwendige Planungstiefe<br />

sehr stark variieren. Der Planer muss deshalb die Möglichkeit besitzen, eine<br />

durchgängige Rechnerunterstützung in unterschiedlichen Planungstiefen einzusetzen,<br />

wie z.B. als reine Zeichenhilfe <strong>für</strong> Transportmittel oder zur groben Auslegung<br />

von <strong>Materialflusssysteme</strong>n.<br />

Je nach Planungsaufgabe und Planungsgebiet müssen meist nicht alle Planungsschritte<br />

im Planungsablauf bearbeitet werden. So kann z.B. bei einer Neuplanung auf<br />

eine Ist-Analyse verzichtet werden.<br />

12-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Modul 1<br />

Durchgängige Rechnerunterstützung<br />

Modul 2<br />

Standardsoftware 1 Standardsoftware 2<br />

Standardsoftware 3 Standardsoftware 4<br />

Modul 7<br />

Modul 5<br />

Modul 3<br />

Modul 8<br />

Modul 6<br />

Modul 4<br />

MATVAR<br />

Bild 5: Flexibles Modulkonzept zur Unterstützung der einzelnen Planungsschritte<br />

Um die genannten Anforderungen zu erfüllen, muss eine durchgängige Rechnerunterstützung<br />

die Möglichkeit bieten, die verschiedenen Planungsschritte optional zu<br />

bearbeiten (Bild 4). Darüber hinaus muss auch die zeitliche Reihenfolge, in der die<br />

<strong>für</strong> ein Planungsprojekt erforderlichen Schritte erledigt werden, in einem sinnvollen<br />

Rahmen vom Planer frei wählbar sein.<br />

Damit die geforderte Flexibilität gewährleistet werden kann, wird <strong>für</strong> die zu unterstützenden<br />

Planungsschritte ein modulares Konzept entwickelt (Bild 5). Die einzelnen<br />

Module entsprechen dabei im wesentlichen den in Bild 2 zusammengefassten Planungstätigkeiten<br />

innerhalb der Planungssystematik und sollen den Planer beim Bearbeiten<br />

der jeweiligen Planungsschritte von Routinetätigkeiten entlasten. Darüber<br />

hinaus müssen sie weitgehend unabhängig voneinander aufrufbar sein, damit sie die<br />

<strong>für</strong> unterschiedliche Planungsprojekte, Planungsvorgehensweisen und Planungstiefen<br />

notwendige Flexibilität sicherstellen können.<br />

Einige Grundfunktionalitäten zur Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n können bereits<br />

durch kommerzielle Standardsoftware abgedeckt werden. Um die Anzahl der zu entwickelnden<br />

Grundfunktionalitäten in angemessenen Grenzen zu halten, ist es deshalb<br />

von großem Vorteil, die Planungsmodule auf Standardsoftware aufzubauen.<br />

Zusammen mit dieser können sie dann zu einer durchgängigen Rechnerunterstützung<br />

integriert werden.<br />

12-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Layouterfassung<br />

Systemplanung<br />

Externes CAD-System Externes<br />

PPS-System<br />

Datenbanksystem<br />

Tabellenkalkulationssystem<br />

CAD-Datei ASCII-Datei<br />

CAD-System Datenbanksystem Ablaufsimulationssystem<br />

Datenerfassung<br />

Dimensionierung<br />

Datendarstellung<br />

Strukturplanung<br />

Bewertung Ausschreibung<br />

Datenerfassung<br />

Textverarbeitungssystem<br />

Überprüfung<br />

Bild 6: Softwarekonzept einer durchgängigen Rechnerunterstützung<br />

4.2.2 Softwarekonzept<br />

MATVAR<br />

Unter Berücksichtigung der genannten Ziele und der zu ihrem Erreichen entwickelten<br />

Teilkonzepte kann das in Bild 6 dargestellte Softwarekonzept einer durchgängigen<br />

Rechnerunterstützung abgeleitet werden. Es enthält sowohl die geforderte Planungssystematik<br />

als auch das <strong>für</strong> eine flexible Planung notwendige Modulkonzept.<br />

Darüber hinaus ist eine durchgängige Datenbasis in Form einer zentralen Datenbankanwendung<br />

integriert, die die Verwendung eines durchgängigen Datenmodells<br />

ermöglicht.<br />

Auch das in Zusammenarbeit mit der ifp GmbH entwickelte Konzept, bei dem der<br />

CAD-gestützte Teil des Planungswerkzeuges als Fördertechnikplanungstool einer<br />

EDV-basierten Logistikplanung verwendet werden kann, lässt sich mit dem dargestellten<br />

Softwarekonzept verwirklichen. Die hier<strong>für</strong> gemeinsam definierten Schnittstellen<br />

enthalten Daten zum Arbeitsplan und zur Stückzahl der Produkte, zu den vorhandenen<br />

Betriebsmitteln, zum Layout, zu den eingesetzten Transportmitteln und<br />

Transporthilfsmitteln sowie den sich ergebenden Transporten.<br />

Prinzipiell ist ein Austausch der Planungsdaten zwischen dem Fördertechnikplanungstool<br />

und der EDV-basierten Logistikplanung mit Hilfe von ASCII-Dateien über<br />

das Datenbanksystem oder direkt über das CAD-System möglich. Im Rahmen von<br />

MATVAR wird der Austausch der Daten direkt über das CAD-System realisiert.<br />

12-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Verwaltungsdaten:<br />

• ID<br />

• Bezeichnung<br />

• Art<br />

x-, y- und z-Koordinate<br />

Einfügepunkt<br />

z-Achse<br />

Breite<br />

y-Achse<br />

x-Achse<br />

Orientierungsgerade<br />

Hauptmaße:<br />

• x-, y- und z-Koordinate Einfügepunkt<br />

• x-, y- und z-Koordinate Ausfahrtspunkt<br />

• Breite<br />

• Länge<br />

• Orientierung zur x-Achse<br />

• Orientierung zur xy-Ebene<br />

Länge<br />

x-, y- und z-Koordinate<br />

Ausfahrtspunkt<br />

Leistungsdaten:<br />

• Fördergeschwindigkeit<br />

• Minimaler Abstand der Transporteinheiten<br />

• Einsatzzeit im Beobachtungszeitraum<br />

Bild 7: Parametrische Objektbeschreibung eines Stetigförderer-Geradstückes<br />

4.2.3 Parametrische Objektbibliothek<br />

MATVAR<br />

Wie die Analyse zeigt, müssen bei der CAD-gestützten Planung eine Vielzahl von<br />

Materialflussmitteln editiert werden. Um den Planer von dieser zeitaufwendigen Routinetätigkeit<br />

zu entlasten, ist ein konsequent parametrisches Konzept einer Objektbibliothek<br />

erforderlich, das die Dimensionierung der geometrischen Abmessungen<br />

tiefgreifend unterstützt. Bei dem geforderten Konzept werden die materialflusstechnischen<br />

Objekte nicht nur durch gezeichnete Grafikelemente (Linien, Flächen, Volumenkörper<br />

usw.), sondern auch durch ihre Hauptmaße beschrieben. Dazu erhalten<br />

die Grafikelemente bei ihrer Erstellung die Hauptmaße als Attribute angehängt und<br />

lassen sich über diese zu einem späteren Zeitpunkt identifizieren und editieren. Beim<br />

Editieren werden im Hintergrund liegende Zeichenroutinen angestoßen, die aus den<br />

Informationen der Hauptmaße wiederum die entsprechenden Materialflussobjekte<br />

generieren. Bild 7 zeigt beispielhaft die parametrische Objektbeschreibung eines<br />

Stetigförderer-Geradstückes. Neben Daten zur Objektverwaltung wie Transportmittel-ID,<br />

Transportmittel-Bezeichnung und Transportmittel-Art werden auch die Hauptmaße<br />

und Leistungsdaten des Materialflussobjektes zu seiner grafischen Darstellung<br />

hinzugefügt. Es ist jedoch nicht erforderlich, sämtliche Maße einzugeben, die das<br />

grafische Objekt beschreiben. Im vorliegenden Fall wird z.B. nur die Breite und die<br />

Länge des Stetigförderers benötigt, die Höhe berechnet die im Hintergrund liegende<br />

Zeichenroutine des Stetigförderers aus der Breite und einem konstanten Faktor.<br />

12-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Erzeugen<br />

Löschen<br />

Neuzeichnen<br />

bzw. Ändern<br />

Zeichnen mit<br />

AutoCAD-<br />

Grundfunktionalitäten<br />

Einfügen von<br />

zuvor erstellten<br />

Blöcken<br />

Einfügen von<br />

parametrischen<br />

Objekten<br />

Befehlsaufrufe 5 3 1<br />

Mausklicks 26 14 5<br />

Eingabe von<br />

Werten<br />

9 9 7<br />

Befehlsaufrufe 1 1 -<br />

Mausklicks 3 2 -<br />

Eingabe von<br />

Werten<br />

- - -<br />

Befehlsaufrufe 5 3 1<br />

Mausklicks 26 14 4<br />

Eingabe von<br />

Werten<br />

9 9 2<br />

Bild 8: Aufwandsvergleich zum Erzeugen und Ändern eines Stetigförderers<br />

MATVAR<br />

Die parametrische Beschreibung sollte sich jedoch nicht nur auf die Verwaltungsdaten<br />

und die Hauptmaße beschränken, sondern auch die Leistungsdaten umfassen.<br />

Diese werden zur Grobdimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong> bezüglich ihrer<br />

zeitabhängigen Größen auf Basis der geplanten statischen Materialflüsse benötigt.<br />

Das parametrische Konzept der Objektbibliothek hat den Vorteil, beim Erzeugen,<br />

Ändern und Kopieren von Materialflussmitteln auf bereits eingegebene Daten zurückgreifen<br />

zu können. Gerade dadurch vereinfacht und beschleunigt sich das<br />

Erstellen des Planungsmodells im Rechner ganz erheblich, da die gleichen Daten<br />

nicht immer wieder von Hand in Dialogfelder eingegeben werden müssen. Die zeitaufwendigen<br />

Routinetätigkeiten lassen sich auf ein Minimum reduzieren. Dies bestätigt<br />

auch der in Bild 8 zusammengefasste Vergleich verschiedener Vorgehensweisen<br />

zum Erzeugen, Positionieren und anschließendem Ändern eines Stetigförderers.<br />

Die Änderung umfasst dabei die Länge und den Positionswinkel gegenüber der<br />

xy-Ebene. Bei der ersten Vorgehensweise wird der Stetigförderer mit dem von Auto-<br />

CAD zur Verfügung gestellten Funktionsumfang gezeichnet, bei der zweiten als bestehender<br />

AutoCAD-Block eingefügt und bei der dritten mit der im Rahmen dieser<br />

Arbeit entwickelten parametrischen Objektbibliothek erzeugt. Natürlich sind die angegebenen<br />

Zahlen z.T. von den verwendeten Funktionalitäten und dem benutzten<br />

CAD-Programm abhängig, sie zeigen jedoch recht deutlich, welches Einsparpotential<br />

sich durch die Verwendung einer parametrischen Objektbibliothek nutzen lässt.<br />

12-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

Quelle Funktionseinheit A<br />

40 Transporteinheiten<br />

mit Transportmittel 2<br />

100 Transporteinheiten<br />

mit Transportmittel 1 40 Transporteinheiten<br />

mit Transportmittel 4<br />

60 Transporteinheiten<br />

mit Transportmittel 3<br />

MATVAR<br />

Senke Funktionseinheit B<br />

Bild 9: Serielle und parallele Aufteilung von Transporten<br />

4.2.4 Serielle und parallele Aufteilung von Transporten<br />

Die Analyse der bereits existierenden computerunterstützten Planungshilfsmittel hat<br />

gezeigt, dass eine analytische Dimensionierung der zeitabhängigen Größen der<br />

<strong>Materialflusssysteme</strong> (Leistungsdaten) auf Basis der in der Strukturplanung ermittelten<br />

und dargestellten statischen Materialflüsse, wenn überhaupt, nur am Rande<br />

stattfindet.<br />

Aus diesem Grund ist ein Konzept <strong>für</strong> eine Grobauslegung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

zu erstellen, das den Planer in diesem Planungsschritt tiefgreifend unterstützt. Neben<br />

den in der parametrischen Objektbibliothek definierten Leistungsdaten ist dazu auch<br />

eine realistische Verknüpfung der Transporte mit Transportmitteln erforderlich. Hier<br />

ist neben der Zuordnung des gesamten Transportaufkommens zwischen zwei Funktionseinheiten<br />

zu einem einzigen Transportmittel auch die Möglichkeit zu schaffen,<br />

die Transporte sowohl parallel (mengenmäßig) als auch seriell (streckenmäßig) aufzuteilen,<br />

und die entstandenen Teiltransporte verschiedenen Transportmitteln zuzuweisen.<br />

Bild 9 verdeutlicht diese Funktionalität in grafischer Form. Zunächst wird der<br />

Transport von der Quelle der Funktionseinheit A zur Senke der Funktionseinheit B<br />

seriell (streckenmäßig) auf die Transportmittel 1 und 3 aufgeteilt. Anschließend wird<br />

der Transport mit Transportmittel 3 parallel (mengenmäßig) im Verhältnis 60:40 und<br />

abschließend der Transport mit 40 Transporteinheiten nochmals seriell (streckenmäßig)<br />

auf die Transportmittel 2 und 4 verteilt.<br />

12-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

=> auf Grundlage der berechneten Auslastungen kann die<br />

Dimensionierung der MF-Systeme verbessert werden<br />

Ändern der<br />

Leistungsdaten<br />

einzelner<br />

Transportmittel<br />

Einfügen oder<br />

Entfernen von<br />

Transportmitteln aus<br />

dem Planungsmodell<br />

Bild 10: Dimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

4.2.5 Statische Auslastungsberechnung<br />

Teilweise<br />

Neuzuordnung von<br />

Transporten zu<br />

Transportmitteln<br />

MATVAR<br />

Auf der Basis seiner Leistungsdaten und der ihm zugewiesenen Transporte kann<br />

damit <strong>für</strong> jedes Transportmittel die Zeit berechnet werden, die es <strong>für</strong> Lastfahrten und<br />

die Aufnahme und Abgabe der Last (Lasthandling) im Beobachtungszeitraum benötigt<br />

(Berechnung über Geschwindigkeiten, Weglängen, Lastaufnahme- und -<br />

Lastabgabezeiten und Anzahl der Transporte). Wird diese Zeit zu seiner Einsatzzeit<br />

im Beobachtungszeitraum ins Verhältnis gesetzt, so ergibt sich die Auslastung aus<br />

Lastfahrt und Lasthandling. Die Einsatzzeit ist dabei die Summe aus Bereitschaftszeit<br />

und Betriebszeit.<br />

Wie in Bild 10 zusammengefasst kann nun auf der Grundlage der berechneten Auslastungen<br />

die Dimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong> verbessert werden, indem<br />

• die Leistungsdaten einzelner Transportmittel geändert werden,<br />

• weitere Transportmittel in das Planungsmodell eingefügt oder bestehende entfernt<br />

werden oder<br />

• die Zuordnung der Transporte zu den Transportmitteln teilweise neu gestaltet<br />

wird, so dass bestimmte Transportmittel stärker belastet, andere jedoch da<strong>für</strong><br />

entlastet werden.<br />

12-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

4.3 Entwicklung<br />

Bild 11: Beispielhafte Anwendung des Planungswerkzeuges<br />

MATVAR<br />

Zur Umsetzung des Softwarekonzeptes nach Bild 6 muss eine anforderungsgerechte<br />

Entwicklungsbasis zusammengestellt werden. So wird hier<strong>für</strong> ein leistungsfähiger PC<br />

unter Windows NT verwendet, als CAD-Plattform wird AutoCAD eingesetzt und die<br />

Planungsbausteine selbst werden in AutoLISP programmiert.<br />

Aufbauend auf den zuvor erläuterten konzeptionellen Beschreibungen werden im<br />

Rahmen von MATVAR die auf dem CAD-System aufbauenden grundlegenden Planungsfunktionalitäten<br />

(Planungsmodule) und die darin eingebetteten Planungsbausteine<br />

zur Planung flexibler <strong>Materialflusssysteme</strong> umgesetzt.<br />

4.4 Beispielhafte Anwendung des Planungswerkzeuges<br />

Bild 11 zeigt das Groblayout des <strong>für</strong> die Verifizierung verwendeten Planungsprojektes.<br />

Als Lager wird ein neues zweigassiges Hochregallager mit 1368 Stellplätzen <strong>für</strong><br />

Europaletten geplant. Die Vorzone besteht aus einem Verschiebewagen und einigen<br />

Tragketten- und Rollenförderern. Für die außerhalb des Lagers und seiner Vorzone<br />

abzudeckenden Transporte sieht die Planung einen Gabelstapler und einen elektrischen<br />

Gabelhubwagen vor. An diesem einfachen Planungskonzept können die statischen<br />

Auslastungsberechnungen des Planungswerkzeuges verifiziert werden.<br />

12-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

[ schnelle und einfache Groblayouterstellung<br />

[ keine Simulation bei einfachen Planungsprojekten<br />

notwendig<br />

[ frühzeitiges Erkennen simulationswürdiger Varianten<br />

bei komplexen Planungsprojekten<br />

[ höhere Planungssicherheit durch größere<br />

Planungsgeschwindigkeit<br />

Bild 12: Vorteile des entwickelten Planungswerkzeuges<br />

5 Vorteile des entwickelten Planungswerkzeuges<br />

MATVAR<br />

Die im entwickelten Planungswerkzeug implementierten Funktionalitäten erlauben<br />

ein schnelles Erstellen von Groblayouts und die Berechnung der statischen Auslastung<br />

der enthaltenen <strong>Materialflusssysteme</strong>. Bei einfachen Planungsprojekten hat der<br />

Planer somit ein Werkzeug an der Hand, um die <strong>Materialflusssysteme</strong> grob zu dimensionieren,<br />

ohne eine aufwendige Simulation durchführen zu müssen. Bei komplexeren<br />

Projekten kann er zu einem frühen Zeitpunkt erkennen, welche Planungsvarianten<br />

simulationswürdig sind. Für diese Varianten stehen ihm dann bereits sinnvolle<br />

Modell- und Eingangsdaten zur Verfügung. Damit ist sowohl bei einfachen als<br />

auch bei umfangreichen und komplexen Planungsprojekten ein beträchtlicher Zeitgewinn<br />

zu erzielen. Dieser eröffnet die Möglichkeit, mehr Planungsvarianten zu verfolgen<br />

bzw. detaillierter zu betrachten, und erhöht dadurch die Planungssicherheit.<br />

Die Vorteile des entwickelten Planungswerkzeuges zeigt zusammenfassend Bild 12.<br />

12-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />

6 Literatur<br />

MATVAR<br />

BAUMGARTEN U.A. 1997<br />

Baumgarten, H.; Wiegand, A.: Logistiktrends und -strategien: Ergebnisse<br />

einer aktuellen Umfrage. In: Hossner, R. (Hrsg.): Logistik Jahrbuch<br />

1997. Düsseldorf: Verlagsgruppe Handelsblatt, 1997.<br />

PFOHL U. A. 1999<br />

Pfohl, H.-C.; Häusler, P.; Koldau, A.: Qualität distributionslogistischer<br />

Leistungen: Empirische Ergebnisse aus Unternehmensbefragung und<br />

Fallstudien. In: Hossner, R. (Hrsg.): Logistik Jahrbuch 1999. Düsseldorf:<br />

Verlagsgruppe Handelsblatt, 1999.<br />

12-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

+TZ]OIQR[TM \UT<br />

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MATVAR<br />

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13-1


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

1 Einleitung<br />

MATVAR<br />

Eine stärkere Kundenorientierung verbunden mit kürzeren Produktlebenszyklen und<br />

einer wachsenden Zahl kundenspezifischer Aufträge verursachen eine stärkere Dynamik<br />

in der Produktion. Verschärft wird diese Situation durch Bestrebungen innerhalb<br />

der Unternehmen, Bestände abzubauen. Die unternehmensinternen Abläufe<br />

und Strukturen müssen an diese geänderten Rahmenbedingungen angepasst werden.<br />

Es besteht der Wunsch nach einer Verkürzung der Entwicklungs- und Inbetriebnahmezeiten<br />

der Produktionssysteme (REINHART U. A. 1999).<br />

Insbesondere müssen Umplanungen bezüglich Materialflussabläufen, Layout und<br />

Menge in der Produktion ermöglicht werden. Eine schnellere Veränderung des Layouts<br />

erlaubt es, die Fertigung an geänderte Randbedingungen anzupassen und so<br />

zu jeder Zeit im optimalen Zustand arbeiten zu können.<br />

Derzeit sind die notwendigen Anpassungsmaßnahmen, die durch eine Veränderung<br />

des Materialflusses entstehen, sehr aufwendig und führen zu hohen Zusatzkosten<br />

<strong>für</strong> Zwischensysteme zur Kopplung der Materialflusskomponenten. Dadurch ist eine<br />

flexible Reaktion nur bedingt möglich.<br />

Heutige <strong>Materialflusssysteme</strong> mit hohem Automatisierungsgrad bestehen aus einer<br />

großen Anzahl mechanischer und elektronischer Komponenten, sowie der Software<br />

zu deren Steuerung. Sie setzen sich aus einer großen Anzahl modularer Teilsysteme<br />

zusammen, die über entsprechende Schnittstellen miteinander verbunden werden<br />

müssen.<br />

Bei diesen einzelnen Modulen sind sowohl die mechanischen Aspekte als auch die<br />

der Elektrik und Software in ein technisches Gesamtsystem zu integrieren. Normalerweise<br />

werden diese Bereiche aber völlig getrennt voneinander und sequentiell<br />

entwickelt. Eine übergreifende Abstimmung wird bisher nur in geringem Maße<br />

durchgeführt. Je komplexer die Anlage wird, desto deutlicher treten lange Entwicklungszeiten<br />

und eine hohe Fehlerrate als Konsequenzen auf. Diese blockieren die<br />

gewünschte Flexibilität und Wandlungsfähigkeit des strukturellen Aufbaus der Produktionsanlagen.<br />

13-2


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

Ortsveränderbarkeit<br />

Kompatibilität<br />

Mengenflexibilität<br />

Produktflexibilität<br />

Modularität<br />

Anforderungen<br />

Layout 1<br />

Kinematik<br />

Leistungsparameter<br />

Systemhöhenbereich<br />

Positioniergenauigkeit<br />

Layout 2<br />

MATVAR<br />

Übertragungstechnik<br />

Übertragungsgeschwindigkeit<br />

Schreib-/Lesegeräte<br />

Datenträger<br />

Datenmenge<br />

technische Param eter<br />

Bild 1: Parameter im Problemfeld Flexibilität<br />

2 Aufgabenstellung und Zielsetzung<br />

Im dynamischen Produktionsumfeld sind häufige strukturelle Anpassungen der Produktionsstruktur<br />

an geänderte Anforderungen notwendig. Dies führt zu Veränderungen<br />

der Systemgrenzen innerhalb bestehender Systeme und zur Integration neuer<br />

Systeme. Zum einen müssen hier<strong>für</strong> neue Schnittstellen zwischen zusammenwirkenden<br />

Modulen konzipiert werden und zum anderen erfordert die Veränderung des<br />

Systems die neue Auslegung bestehender Schnittstellen bzgl. der Qualität und<br />

Quantität der Schnittstellenleistung (Bild 1). Das Teilprojekt 5 hat die Zielsetzung, die<br />

Aufwände in der Planung von technischen Systemen im Hinblick auf die Schnittstellen<br />

zu reduzieren und eine größere Flexibilität zu ermöglichen. Dazu soll eine Entwicklungsvorgehensweise<br />

unter besonderer Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen<br />

den Teilsystemen erarbeitet werden.<br />

Eine wirkungsvolle Maßnahme innerhalb der Produktion ist die Erstellung eines Gesamtmaterialflusskonzeptes,<br />

das die Möglichkeit <strong>für</strong> einen späteren Umbau bereits<br />

von Anfang an vorsieht. Die Verwendung zukunftsweisender Techniken mit einem<br />

modularen Aufbau verkürzen die Inbetriebnahmezeiten und machen schnelle Umgestaltungen<br />

des Layouts möglich. Zusätzlich wird durch eine Vereinheitlichung der<br />

Komponenten eine größere Flexibilität im Systemaufbau ermöglicht. In diesem Projekt<br />

wurde ein Konzept und ein System zur Unterstützung des Planers entwickelt,<br />

das die optimale Gestaltung von Schnittstellen im Hinblick auf eine hohe Änderungsflexibilität<br />

ermöglicht.<br />

13-3


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

- Fördergutbeschreibung<br />

- Fördersystem<br />

- mit welchen anderen Systemen<br />

ist eine Verknüpfung möglich<br />

Planer<br />

Bedienerschnittstelle<br />

Informationen<br />

über Materialflußkomponenten<br />

Auswahlmethodik<br />

Auswahlsystem<br />

MATVAR<br />

- kompatible <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

mit Bewertung<br />

- Gestaltung der Schnittstelle<br />

- Vorschlag <strong>für</strong> Systemgrenzen<br />

- Kompatibilitätsbreite<br />

Bild 2: Planung der Materialbereitstellung<br />

3 Anforderungen an die Schnittstellen<br />

Es ergeben sich zwei Hauptanforderungen an die Materialflussschnittstellen. Umplanungen<br />

können zur Folge haben, dass die Schnittstelle mit allen beteiligten Elementen<br />

örtlich verlegt wird. Die zweite Möglichkeit ist, dass sich die Komponenten<br />

der Schnittstelle ändern, beispielsweise ein Fördersystem durch ein anderes ersetzt<br />

wird. Daraus lassen sich die beiden Forderungen Ortsflexibilität und Kompatibilität<br />

ableiten (DÜRRSCHMIDT & DOHMEN 1997). Weitere Anforderungen, die aus dem Ziel,<br />

Layoutumgestaltungen zu ermöglichen, entstehen, sind Mengen- und Produktflexibilität<br />

der Einzelkomponenten. Oft wird versucht, diese Ziele durch die Modularität der<br />

eingesetzten <strong>Materialflusssysteme</strong> zu erreichen (DECKER 1995). Um darüber hinaus<br />

die Funktionsfähigkeit der Material- und Informationsübergabe zu garantieren, müssen<br />

technische Randbedingungen erfüllt werden. Dazu gehört beispielsweise, dass<br />

die geometrischen Abmessungen des übergebenden mit dem übernehmenden<br />

System ineinander greifen müssen.<br />

13-4


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

Anforderungen an das Rechnerwerkzeug<br />

Anwenderorientierung<br />

Wandlungsfähigkeit<br />

Geringer Systempflegeaufwand<br />

Planungswerkzeug<br />

Allgemeine<br />

Beschreibungstechnik<br />

Einfacher<br />

Wissenserwerb<br />

Transparenz des<br />

Lösungsweges<br />

Bild 3: Anforderungen an das Werkzeug<br />

4 Anforderungen an das Werkzeug<br />

MATVAR<br />

Ziel ist eine auf die Bedürfnisse der Planer angepasste Unterstützung bei der Konzeption<br />

von technischen schnittstellengeprägten Systemen. Hier<strong>für</strong> wurde ein Werkzeug<br />

entwickelt. Das konzeptionsunterstützende System muss besondere Anforderungen<br />

erfüllen. Hierbei sollen gleichermaßen die Anforderungen aus dem Bereich<br />

der mechanischen- wie der softwaretechnischen Schnittstellen berücksichtigt werden.<br />

Bei der Entwicklung komplexer mechatronischer Produktionssysteme werden<br />

die Zusammenhänge zwischen der mechanischen und der steuerungstechnischen<br />

Planung der Modulschnittstellen nicht berücksichtigt. Es ist deshalb eine Grundanforderung<br />

an die Analyse- und Konzeptionsphase, dass zwischen den Bereichen<br />

Mechanik und Steuerungstechnik eine Interaktion stattfinden muss (AßMANN 1996).<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> diese Forderung ist die Fähigkeit, die im System- und Datenmodell<br />

hinterlegten Informationen lesen und verarbeiten zu können. Hierzu müssen die<br />

grafischen Informationen aus der mechanischen Systemstruktur in ein objektorientiertes<br />

Modell überführt werden. D.h. die vom Entwickler geleistete Arbeit in der Form<br />

der Systemstrukturierung muss in einem Softwaremodell abgebildet bzw. hinterlegt<br />

werden. Der Steuerungsentwickler erweitert anschließend mit Hilfe eines Codegene-<br />

13-5


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

MATVAR<br />

rators, der automatisch den Sourcecode zur Steuerung des technischen Systems<br />

generiert, die Systemkomponenten um die Verhaltenseigenschaften.<br />

Eine weitere wichtige Anforderung liegt in einer allgemeinen Beschreibungstechnik,<br />

in der die Informationen nach einem geeigneten Standard abgebildet werden. Dabei<br />

müssen die Anforderungen an die Notation aus den verschiedenen beteiligten Bereichen<br />

berücksichtigt werden.<br />

Entscheidend <strong>für</strong> die Akzeptanz ist ein geringer Aufwand bei der Pflege des im System<br />

hinterlegten Wissens. Es müssen strukturelle Änderungen im Aufbau von Systemen<br />

berücksichtigt werden. Das heißt, das hinterlegte Wissen über die Systemkonfiguration<br />

muss an neue Gegebenheiten angepasst werden, ohne dabei strukturelle<br />

Änderungen am Konzeptionssystem vornehmen zu müssen. Dies beinhaltet die<br />

Forderung nach einer redundanzfreien Abbildung des Wissens, da nur dadurch eine<br />

durchgängige Anpassung sichergestellt werden kann. Nicht nur die Pflege, sondern<br />

auch der Erwerb des Wissens muss möglichst anwenderfreundlich gestaltet werden.<br />

Dieser Wissenserwerb muss kontinuierlich unterstützt werden.<br />

Der Einsatz eines solchen Systems ist aber nur dann von Vorteil, wenn die Kreativität<br />

des Planers in keiner Weise eingeschränkt wird. Die Unterstützung darf keine<br />

Problemlösungen implizieren oder zu einer gewissen Normierung der Konzepte führen,<br />

vielmehr soll der Entwickler die Möglichkeit erhalten, auch unkonventionelle<br />

Konzepte zu erproben (EHRLENSPIEL 1995). Die Verwendung nicht genormter Konstrukte<br />

muss demnach bei der Beschreibung von Funktionen und Zuständen möglich<br />

sein. Deswegen soll die Verwendung verschiedener Richtlinien oder Kataloge ermöglicht<br />

und eine benutzerdefinierte Auswahl getroffen werden können. Die Kreativität<br />

soll durch das System unterstützt werden.<br />

Um eine kontinuierliche Planung zu ermöglichen und somit zur Komplexitätskompensation<br />

auch im Rahmen der Produktionssystemplanung beizutragen, muss deshalb<br />

die Planungsdauer, d.h. der Zeitraum vom Auftreten eines Problems bis zur<br />

Umsetzung der Lösung, gravierend reduziert werden, und die Planungshäufigkeit,<br />

d.h. die Häufigkeit des Erkennens von Problemstellungen und Lösungswegen, gravierend<br />

erhöht werden (WESTKÄMPER 1997).<br />

Die Planungsmethoden und -werkzeuge müssen weitere Anforderungen erfüllen. Sie<br />

müssen in der Lage sein, wandlungsfähige Fertigungssysteme zu planen. Das bedeutet,<br />

dass sie bei kurzfristig geänderten Anforderungen Unterstützung bieten.<br />

Deswegen müssen diese Methoden und Werkzeuge selbst veränderlich sein. Das<br />

Planungswerkzeug muss dazu aus einzelnen Modulen konfiguriert werden.<br />

Es sollen fließende Übergänge zwischen den einzelnen Arbeitsschritten in der Entwicklung<br />

bestehen. Dazu ist eine Durchgängigkeit zwischen den einzelnen Entwicklungsphasen<br />

erforderlich.<br />

13-6


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

MATVAR<br />

Der Ablauf der Planung muss sich eng an der Vorgehensweise des Planers orientieren<br />

und nicht umgekehrt. Durch diese Anwenderorientierung kann die Effizienz des<br />

Entwicklers gesteigert werden, ohne seine Vorgehensflexibilität einzuschränken. Eine<br />

Steigerung der Effizienz soll dadurch erreicht werden, dass der Entwickler während<br />

des gesamten Planungsablaufes von Routineaufgaben entlastet wird.<br />

Bei Systemen, welche den Anwender bei Planungsaufgaben unterstützen und deshalb<br />

je nach Art des zu lösenden Problems verschiedene Wege gehen, muss nachvollziehbar<br />

sein, welcher Weg verfolgt wurde. Eine weitere wichtige Anforderung ist<br />

demnach die Transparenz des Lösungsweges.<br />

Basierend auf diesen Anforderungen wurde das nachfolgend beschriebene Konzept<br />

entwickelt.<br />

5 Konzept<br />

5.1 Analyse und Auswahl von Materialflussschnittstellen<br />

Grundlage der Auswahlmethodik ist eine Analyse der Kombinationsmöglichkeiten<br />

verschiedener <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> das übergebende mit dem übernehmenden<br />

System. Dazu wird eine Klassifizierung der existierenden <strong>Materialflusssysteme</strong> vorgenommen.<br />

Die Gruppen werden nach Kriterien eingeteilt wie beispielsweise Arbeitsweise<br />

(stetig/unstetig) oder Arbeitsraum (flurfrei/flurgebunden). Im ersten Schritt<br />

der Auswahlmethodik wird <strong>für</strong> ein vorgegebenes Fördermittel ermittelt, mit welchen<br />

anderen Gruppen eine Verknüpfung möglich ist. Diese Analyse erfolgt nach dem<br />

Prinzip der Nutzwertanalyse und liefert dementsprechend als Ergebnis eine gewichtete<br />

Bewertung der Alternativen. Hier erkennt der Planer, welche <strong>Materialflusssysteme</strong><br />

er neben dem von ihm als Grundsystem vorgegebenen in dem Gesamtmaterialflussnetz<br />

einsetzen darf, um Kompatibilität garantieren zu können. Im zweiten Schritt<br />

der Auswahlmethodik wählt der Planer eine der ermittelten Kombinationen aus und<br />

detailliert seine spezifischen Anforderungen <strong>für</strong> diese Schnittstelle. Unter Angabe<br />

zusätzlicher Informationen, wie beispielsweise notwendiger Handhabungsfunktionen<br />

oder den Aufgaben bei der Informationsübertragung, wird der Aufwand zur Gestaltung<br />

der Schnittstelle beschrieben. Das Ergebnis dieses Schrittes ist die Erläuterung<br />

von benötigten Zusatzeinrichtungen, z.B. Datenträger oder Sortiereinheit und ggf.<br />

auch Veränderungsvorschläge an den die Schnittstelle definierenden Materialflusselementen<br />

z.B. Wegfall eines Förderbandes. Ferner wird eine Bewertung des Aufwands<br />

<strong>für</strong> die Integration ermittelt.<br />

Neben der kompatiblen Integration zusätzlicher Materialflusselemente in ein bestehendes<br />

System soll auch eine sinnvolle Materialflussnetzplanung unterstützt werden.<br />

Dabei hilft dem Systemplaner die Klassifizierung der Materialflusselemente in Hinblick<br />

auf ihre Schnittstellen. Er erhält er einen Überblick über die Kompatibilitäts-<br />

13-7


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

MATVAR<br />

breite zu anderen, zukünftig möglicherweise zum Einsatz kommenden Materialflusselementen,<br />

und den Einfluss möglicher Veränderungen des Fördergutes bzw. des<br />

Transporthilfsmittel auf die Materialflusssystemgrenzen abschätzen.<br />

Nach Durchlaufen der verschiedenen Schritte der Auswahlmethodik verfügt der Planer<br />

über alle nötigen Informationen zur Gestaltung einer Schnittstelle, die flexibel<br />

hinsichtlich Layoutänderungen ist. Damit schafft dieser Schritt die Grundlage <strong>für</strong> die<br />

Planung eines dynamischen Materialflussnetzes.<br />

5.2 Vorgehensmodell <strong>für</strong> die Systemkonzeption<br />

Iteratives Vor- oder Rückspringen möglich<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

Arbeitsphase Wissensbasis Arbeitsergebnis<br />

Ermitteln von Teilfunktionen<br />

und Funktionsstrukturen<br />

Lösungsprinzipien<br />

Wirkprinzipien<br />

gestalten<br />

Bewerten und Auswahl<br />

treffen - konkretisieren<br />

Komponenten verbinden<br />

“Allgemeine<br />

Funktion”<br />

“Physikalische<br />

Effekte”<br />

“Wirkmechanismen”<br />

“Wirkmechanismen”<br />

“Betriebsmittel”<br />

Bild 4: Vorgehensmodell <strong>für</strong> die Systemkonzeption<br />

Funktionsstruktur<br />

Wirkprinzip<br />

Wirkstruktur,<br />

Klassendiagramm<br />

Strukturelemente<br />

Komponentenstruktur<br />

Der Vorgehensplan <strong>für</strong> die hier vorgestellte Methode umfasst 5 Arbeitsphasen. Die<br />

Arbeitsergebnisse der Phasen werden durch den Einsatz der Datenverarbeitung mit<br />

zusätzlichen Informationen schneller und effizienter erstellt. Die einzelnen Phasen<br />

können je nach Bedarf zusammengefasst werden. Die Reihenfolge der Entwicklungsphasen<br />

ist nicht starr, sondern es wird ein Zurückspringen auf die vorhergehende<br />

Arbeitsphase unterstützt. Dieses iterative Vorgehen dient der schrittweisen<br />

Verfeinerung von Konzepten. Die Bearbeitung der einzelnen Arbeitsphasen bzw. der<br />

13-8


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

MATVAR<br />

Arbeitsumfang ist abhängig von der jeweiligen Problemstellung und kann je nach<br />

dem Schwerpunkt im Planungsvorgehen skaliert werden.<br />

Zunächst wird dazu das geplante technische System in seiner Funktionalität mittels<br />

Funktionsstrukturen modelliert und strukturiert. Dabei wird die Funktionsstruktur,<br />

ausgehend von den Anforderungen aus dem Lastenheft, hierarchisch immer weiter<br />

verfeinert. In einer zweiten Phase werden die technischen Systemkomponenten und<br />

deren Abhängigkeiten modelliert. Dabei können sowohl geometrische als auch funktionale<br />

Abhängigkeiten definiert werden. Bei der Systemstrukturierung besteht die<br />

Möglichkeit, auf eine dahinter liegende Datenbank von technischem Wissen zuzugreifen.<br />

Die Datenbank enthält Funktionen aus verschiedenen technischen Bereichen<br />

z. B. aus der Handhabungs-, Roboter- und Montagetechnik. Der zweite Bereich<br />

der Systemdatenbank umfasst die Betriebsmittel. Hier sind die Betriebsmittel nach<br />

Gruppen geordnet gespeichert. Ein mehrstufiges Klassifizierungssystem ermöglicht<br />

die Auswahl von Betriebsmitteln nach den Kriterien Funktionserfüllung, Leistung,<br />

Wirtschaftlichkeit und Schnittstellenbeschreibung. Das realisierte grafische kombinierte<br />

Analyse- und Konzeptionswerkzeug hilft dem Planer eines technischen Systems,<br />

mittels Bewertungsfunktionen, z. B. <strong>für</strong> die Integrationseigenschaften von<br />

Modulen, software-gestützt Konzeptentscheidungen zu treffen. Neben dem Kriterium<br />

der Funktionserfüllung werden funktionsspezifische Parameter <strong>für</strong> diese Entscheidungen<br />

herangezogen.<br />

5.3 Systemstruktur des Werkzeuges<br />

Für die Planung mit der Unterstützung eines Computers bedarf es ein ausreichend<br />

detailliertes Datenschema, um das erforderliche Modell zu generieren. Es muss<br />

möglich sein, das technische System bis hinunter auf die Ebene von einzelnen Operationen<br />

abzubilden (REINHART 1995). Der strukturelle Aufbau des integrierten System-<br />

und Datenmodells folgt aus dem vorgestellten Vorgehen. Danach ergeben sich<br />

gemeinsame zwischen der mechanischen- und dem softwaretechnischen Schnittstellenbeschreibung<br />

bei der Aufstellung von Funktionsstrukturen und der anschließenden<br />

Modellierung der technischen Systemkomponenten zu einer Struktur. Da<strong>für</strong><br />

umfasst das integrierte System- und Datenmodell die Phasen Ermitteln von Funktionsstrukturen<br />

und Zuordnung. Damit die restlichen Phasen nicht unzugänglich werden,<br />

wird das sie betreffende Wissen in einer Datenbank hinterlegt. In Bild 4 ist das<br />

integrierte System- und Datenmodell durch den grau hinterlegten Kasten abgegrenzt.<br />

Die Funktions- und Komponentenstrukturen werden mit Hilfe der Informationen aus<br />

der Datenbank modelliert.<br />

13-9


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

bewerten<br />

modellieren<br />

Anforderungen<br />

fließt mit<br />

ein<br />

Abstrahieren<br />

findet Funktionen<br />

aus Anforderungen<br />

findet Komponenten<br />

aus Anforderungen<br />

Technisches<br />

Wissen<br />

Datenbank_2<br />

5.4 Abhängigkeiten<br />

Technisches<br />

Wissen<br />

Datenbank_1<br />

Komponenten nach<br />

technischen Gruppen<br />

geordnet<br />

Planer<br />

bewerten<br />

modellieren<br />

Funktionen<br />

findet Komponenten<br />

aus Funktionen<br />

Funktionen nach<br />

technischen Gruppen<br />

geordnet<br />

Systemgrenze<br />

Bild 5: Systemstruktur des Werkzeuges<br />

Technisches<br />

Wissen<br />

Datenbank_3<br />

bewerten<br />

modellieren<br />

MATVAR<br />

Komponenten<br />

Lösungsprinzipien<br />

Physikalische Effekte<br />

Wirkprinzipien<br />

Komponenten nach<br />

technischen Gruppen<br />

geordnet<br />

Für die Auswahl der Systemkomponenten müssen verschiedene Fälle unterschieden<br />

werden. Grundsätzlich gibt es drei Arten von Abhängigkeitsbeziehungen (siehe<br />

Bild 6). Im einfachsten Fall ist die Auswahl einer Komponente - unbeeinflusst von<br />

anderen Auswahlentscheidungen - direkt von der Funktion abhängig. Eine andere<br />

Art der Abhängigkeit zeigt sich bei Komponenten, deren Auswahl von bereits im<br />

System enthaltenen Komponenten abhängt. Darüber hinaus existieren Komponenten,<br />

deren Auswahl sowohl von bereits eingesetzten Anlagenkomponenten als auch<br />

direkt von der Funktion abhängen.<br />

Wenn funktional entkoppelte Komponenten vorliegen, reduziert sich die Problematik<br />

auf ein Auswahlproblem innerhalb der Repräsentanten einer Komponente. Es müssen<br />

allerdings die Schnittstellen zu anderen Komponenten berücksichtigt werden<br />

(KORN 1996). Aus diesem Grund ist die Darstellung der Schnittstellen bei der Komponentenauswahl<br />

ein weiterer grundlegender Bestandteil der Konzeptionsmethode.<br />

13-10


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

Abhängigkeiten bei<br />

der Komponentenauswahl<br />

Beispiele<br />

Funktionsmerkmale<br />

Komponente<br />

Auswahl der Komponente ist<br />

abhängig von der Funktion<br />

Positionieren v<br />

Roboter<br />

m<br />

Auswahl des Roboters ist<br />

abhängig von der Funktion<br />

und funktionsspezifischen<br />

Attributen<br />

Komponenten<br />

Komponente Komponente<br />

Auswahl der Komponente<br />

ist abhängig von<br />

anderen Komponenten<br />

Roboter<br />

Greifer<br />

Auswahl des Greifers ist<br />

abhängig vom<br />

ausgewählten Roboter<br />

Funktionsmerkmale<br />

Auswahl der Komponente ist<br />

abhängig vom der Funktion<br />

und von anderen Komponenten<br />

Funktion<br />

Steuerung<br />

MATVAR<br />

Komponenten<br />

Roboter<br />

Auswahl der Steuerung ist<br />

abhängig von ausgewähltem<br />

Roboter und von der<br />

erforderlichen Funktionalität<br />

Bild 6: Abhängigkeiten bei der Komponentenauswahl<br />

6 Realisierung des Planungswerkzeuges<br />

6.1 Struktur des Werkzeuges<br />

Das Planungswerkzeug setzt die vorgestellte Planungsvorgehensweise um. Der<br />

Ausgangspunkt sind die vom Planer erstellten Funktionsstrukturen. Im nächsten<br />

Schritt werden die einzelnen Funktionen realisiert. Dazu müssen <strong>für</strong> die Funktionen<br />

physikalische Effekte ermittelt werden, die zu Wirkstrukturen kombiniert werden.<br />

Dem Entwickler muss da<strong>für</strong> die Möglichkeit gegeben werden, einzelne oder mehrere<br />

zusammenhängende Funktionen auszuwählen, um entsprechende Lösungen aus<br />

der Datenbank ermitteln zu lassen. In der Datenbank müssen dabei sämtliche zusammenhängenden<br />

Informationen über Effekte, Wirkprinzipien, Systemkomponenten<br />

usw. aus Katalogen gespeichert sein. Durch einen speziellen Suchalgorithmus<br />

werden die Effekte <strong>für</strong> die ausgewählten Funktionen intern gefiltert. Als Ergebnis erhält<br />

der Benutzer Wirkprinzipien, die zu einer Wirkstruktur kombiniert sind. Daraus<br />

werden die prinzipiellen Lösungen ermittelt. Diese werden in einem nächsten Schritt<br />

bewertet. Der Benutzer befindet sich dabei immer noch im Wissensspeicher und<br />

kann in einem letzten Schritt die Systemkomponente auswählen, die die Anforderungen<br />

erfüllt und die Funktion realisiert.<br />

13-11


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

Anfordg.<br />

editieren<br />

Funktionen<br />

Funktion_1<br />

Funktion_2<br />

.<br />

.<br />

.<br />

Funktion_n<br />

Funktionsstruktur_1<br />

Funktionsstruktur_2<br />

.<br />

.<br />

.<br />

Funktionsstruktur_n<br />

bildet mit<br />

Zuständen<br />

und Relationen<br />

Hierar. Struktur<br />

ruft auf<br />

erzeugt<br />

Komponente<br />

Datenbank<br />

abstrakte Komponente<br />

nach technischen<br />

Gruppen sortiert<br />

symbolische Darstellung<br />

möglich<br />

Auswahl der Komponente<br />

nach der<br />

Funktion<br />

Spezifizierung der<br />

Komponente<br />

Informationsbrücke<br />

Schnittstelle Komponente<br />

erzeugt<br />

editieren<br />

Bild 7: Struktur des Planungswerkzeuges<br />

Komponenten<br />

Komponente_1<br />

Komponente_2<br />

.<br />

.<br />

.<br />

Komponente_n<br />

Hierar. Struktur<br />

Komponenten struktur_1<br />

Komponenten struktur_2<br />

.<br />

.<br />

.<br />

Komponenten struktur_n<br />

MATVAR<br />

bildet mit<br />

Dependenzen<br />

Die Datenbank gliedert sich in zwei Ebenen. In der ersten Ebene erhält man die gewünschten<br />

Wirkstrukturen und in der zweiten Ebene aus den prinzipiellen Lösungen<br />

eine konkrete Lösung. Dabei entscheidet der Benutzer den Detaillierungsgrad der<br />

Realisierung. Die Komponenten können zur besseren Veranschaulichung mit Symbolen<br />

dargestellt werden. Nachdem die Komponente erzeugt worden ist, wird sie zu<br />

den ausgewählten Funktionen hinzugefügt. Der Planer erhält eine Übersicht welche<br />

funktionalen Bereiche seines Systems mit welchen Betriebsmitteln realisiert werden.<br />

In einer zweiten Sicht können die Komponenten alleine weiter modelliert werden.<br />

Hier besteht die Möglichkeit, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Komponenten<br />

zu beschreiben.<br />

13-12


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

Teilfunktion Elementarfunktion<br />

Zusammengesetzte<br />

Funktionen<br />

Handhaben<br />

VDI 2860<br />

Speichern Mengen Bewegen Sichern Kontrollieren<br />

verändern<br />

geordnetes<br />

Speichern<br />

Teilen<br />

Vereinigen<br />

Drehen<br />

Verschieben<br />

Halten<br />

Lösen<br />

Prüfen<br />

Verzweigen Schwenken Spannen Messen<br />

Bild 8: Teilfunktionen des Handhabens und deren Gliederung<br />

6.2 Systemdatenbank<br />

MATVAR<br />

Mit dem Zugriff auf die technische Datenbank soll der Planer bei Tätigkeiten, wie der<br />

Informationsbeschaffung unterstützt werden. Die Datenbank enthält Funktionen aus<br />

verschiedenen technischen Bereichen, z.B. aus der Handhabungs-, Roboter- und<br />

Montagetechnik. Zusätzlich ist es möglich, die einzelnen Funktionen mit Symbolen<br />

zu konkretisieren. Bei der Modellierung der Symbolfolge ist auf eine normgerechte<br />

Beschreibung geachtet worden, wobei die Datenbank auch eine benutzerdefinierte<br />

Schnittstelle bereitstellt. Mit der VDI-Richtlinie 2860 (VDI 1993) stehen Funktionen<br />

aus den Bereichen der Handhabungstechnik zur Verfügung. Darin werden die zusammengesetzten<br />

Funktionen Speichern, Mengen verändern, Bewegen, Sichern<br />

und Kontrollieren in Elementarfunktionen unterteilt. Diese sind in der Datenbank mit<br />

den entsprechenden Symbolen abgebildet.<br />

Der zweite Bereich der Systemdatenbank umfasst die Betriebsmittel. Hier sind die<br />

Betriebsmittel nach Gruppen geordnet gespeichert. Ein mehrstufiges Klassifizierungssystem<br />

ermöglicht die Auswahl von Betriebsmitteln nach den Kriterien Funktionserfüllung,<br />

Leistung, Wirtschaftlichkeit und Schnittstellenbeschreibungen. Die Datenbank<br />

kann vom Benutzer erweitert werden.<br />

13-13


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

2<br />

Komponenten-<br />

Struktur<br />

Statische Struktur<br />

(Aktoren)<br />

Anforderungen<br />

1<br />

Funktionsstruktur<br />

3 4<br />

möglich<br />

Laufrichtungswechsel<br />

(iteratives Vorgehen)<br />

Dynamisches<br />

Verhalten<br />

(StateMachine)<br />

MATVAR<br />

Bild 9: Durchgängiger iterativer Prozess zwischen der Analyse- und Konzeptionsphase<br />

6.3 Durchgängigkeit in den Phasen Analyse und Design<br />

Der vorgestellte Ansatz dient auch dazu, die informatorischen Schnittstellen zwischen<br />

den Teilsystemen zu modellieren. Deswegen sind Schnittstellen zwischen der<br />

Konzeptionsphase und der Analyse- und Designebene in der Softwareentwicklung<br />

im Entwicklungswerkzeug ausgebildet. Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Betrachtung ist die in<br />

Bild 9 dargestellte Vorgehensweise einer methodischen Analyse und Konzeption mit<br />

den beiden Sichten Verhalten und Struktur. Es wird zunächst die Funktionsstruktur<br />

aus den Anforderungen modelliert und im Anschluss daran die Komponentenstruktur.<br />

Aus der Komponentenstruktur können die einzelnen Komponenten auf der Designebene<br />

zu Aktoren modelliert werden. Die Aktoren werden auf der Designebene<br />

zu einem Feinkonzept modelliert, das das dynamische Verhalten der Komponenten<br />

in Form von Zustandsautomaten enthält.<br />

13-14


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

Bild 10: Benutzerschnittstelle des Werkzeuges<br />

6.4 Funktionalität des realisierten Werkzeuges<br />

MATVAR<br />

Die Methodik wurde in einem Planungswerkzeug realisiert. Es ist objektorientiert und<br />

läuft auf dem Windows NT Betriebssystem.<br />

Das entwickelte Rechnerwerkzeug unterstützt den dargestellten Planungsprozess in<br />

der Analyse und Konzeptphase und bietet neben grafischen Editiermöglichkeiten <strong>für</strong><br />

die Funktions- und Komponentenstruktur eine Datenbasis zur Ablegung des Systemwissens<br />

und Algorithmen, die die Identifizierung und Auswahl sowohl von Funktionen<br />

als auch Komponenten ermöglichen. Die grafische Oberfläche erlaubt die Verwendung<br />

von Symbolen und dadurch einen frühen Einstieg in die Planung ohne<br />

konkrete Produkt- und Betriebsmittelgeometrien. Zusätzlich zur grafischen Darstellung<br />

der Funktionsstruktur und der Komponentenstruktur werden die Zusammenhänge<br />

als Strukturbaum angezeigt. Der Entwickler erstellt dabei rechnergestützt ein<br />

grafisches Systemmodell. Es besteht die Möglichkeit, direkt zwischen der Funktionsstruktur<br />

und der Komponentenstruktur umzuschalten. Die Funktionsstrukturansicht<br />

erlaubt die Visualisierung der Zuordnung der Komponenten zu den Funktionen. Im<br />

Hintergrund befindet sich eine MS-Access Datenbank mit dem Entwicklungswissen.<br />

Hier sind die möglichen Funktionen, deren Darstellung und die Betriebsmittel gespeichert.<br />

Das Hauptfenster beinhaltet gemäß Bild 10 eine Menüleiste und eine Symbolleiste<br />

<strong>für</strong> die Verwaltung der Daten, eine Symbolleiste <strong>für</strong> die Erstellung der Funktions- und<br />

13-15


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

MATVAR<br />

Komponentenstrukturen, zwei Registerkarten mit der jeweiligen Baumstruktur <strong>für</strong> die<br />

Funktionen und Komponenten. Mit Hilfe des Menüpunktes File können Programme<br />

geladen, gespeichert und geschlossen werden. Der Menüpunkt Edit erlaubt das<br />

Ausschneiden, Kopieren und Einfügen von Funktionen und Komponenten. Mit Hilfe<br />

des Menüpunktes View können die Strukturen auf den beiden Editorarten vergrößert<br />

und verkleinert werden. Zusätzlich können die Symbolleisten und die Baumstrukturen<br />

ausgeblendet werden.<br />

Über die Registerkarten kann der Anwender zwischen Funktions- und Komponentenstruktur<br />

wechseln und in dem jeweiligen Baum durch Doppelklick mit der Maus<br />

den entsprechenden Editor öffnen.<br />

6.5 Einsatzbeispiel<br />

Das realisierte Planungswerkzeug wurde bei der Planung einer Anlage <strong>für</strong> die Montage<br />

von formlabilen Dichtungen im Bereich der Modellfabrik des iwb eingesetzt.<br />

Diese Anlage beinhaltet neben dem eigentlichen Fügeprozess eine Anzahl von<br />

Handhabungs- bzw. Transportvorgängen. Hier wurde der mehrstufigen Aufbau von<br />

hierarchischen Funktionsstrukturen zur Problemanalyse und Konzeption erprobt. Eine<br />

Betriebsmitteldatenbank mit dem Schwerpunkt im Bereich von Systemen <strong>für</strong> die<br />

Handhabungstechnik stellt die Wissensbasis <strong>für</strong> den Übergang vom funktionalen<br />

Modell zur Komponentenstruktur dar. Wie es sich bei der beschriebenen Anlage um<br />

ein modularisierbares System mit Funktionstrennung zwischen den Teilsystemen<br />

handelt, entfiel der Planungsschritt der physikalischen Wirkprinzipien zugunsten einer<br />

umfassenden Schnittstellenbeschreibung im Komponentensystem. Die Anlage<br />

ließ sich aus den Einzelkomponenten konfigurieren, indem die Betriebsmittel direkt<br />

den Funktionsblöcken zugeordnet wurden. Das abgeleitete Verhaltensmodell der<br />

Schnittstellen der Einzelmodule bot die Basis <strong>für</strong> die Entwicklung der Steuerungssoftware.<br />

13-16


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

7 Zusammenfassung<br />

MATVAR<br />

Im ersten Schritt wurden Materialflussschnittstellen hinsichtlich ihres Aufbaus ihrer<br />

Komponenten und ihrer Funktionsweise analysiert und daraus Anforderungen und<br />

Flexibilitätskriterien, sowie Schnittstellenparameter von Systemen im dynamischen<br />

Produktionsumfeld abgeleitet. Aufbauend auf diesen Ergebnissen, wurde eine Planungsvorgehensweise<br />

zur Ausbildung und Bewertung von Schnittstellensystemen in<br />

technischen Anlagen sowie eine darauf abgestimmte Beschreibungstechnik <strong>für</strong><br />

Systemkomponenten und deren spezifischen Eigenschaften erarbeitet. Die Beschreibungstechnik<br />

dient der Abbildung von systematisierten Informationen der<br />

Komponenten, um eine vereinheitlichte mechanische und steuerungstechnische<br />

Planung unter dem Gesichtspunkt der Minimierung der Aufwände <strong>für</strong> die Schnittstellenplanung<br />

zu unterstützen.<br />

Der beschriebene Ansatz der Planung mit Unterstützung durch ein Rechnerwerkzeug<br />

ermöglicht eine integrierte Systemplanung unter Berücksichtigung der mechanischen<br />

und steuerungstechnischen Systemschnittstellen. Grundlegender Baustein<br />

der hier<strong>für</strong> entwickelten Methodik ist eine kombinierte Analyse- und Konzeptionsphase.<br />

Diese basiert auf einem Systemmodell <strong>für</strong> Struktur, Geometrie und Verhalten,<br />

das von den verschiedenen Bereichen als gemeinsame Grundlage <strong>für</strong> die weitere<br />

Entwicklung verwendet werden kann. Das realisierte Konzeptionswerkzeug hilft dem<br />

Planer eines technischen Systems, unter Verwendung einer Wissensbasis und durch<br />

die Unterstützung von Bewertungsfunktionen softwaregestützt Konzeptentscheidungen<br />

zu treffen.<br />

13-17


Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

8 Literatur<br />

MATVAR<br />

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Dürrschmidt, S.; Dohmen, W.: Wandlungsfähig im Layout. Logistik<br />

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EHRLENSPIEL 1995<br />

Ehrlenspiel, K.: Integrierte Produkterstellung - Methoden <strong>für</strong> Prozessorganisation,<br />

Produkterstellung und Konstruktion. München: Carl Hanser,<br />

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EVERSHEIM 1981<br />

Eversheim, W.: Organisation in der Produktionstechnik - Band 1:<br />

Grundlagen. Düsseldorf: VDI-Verlag 1981.<br />

FRICKE 1985<br />

KORN 1996<br />

Fricke, W.: Rechnergestützte Planung von Übergabesystemen zwischen<br />

Transport und Fertigung. Fortschritt Berichte, VDI Reihe 2 Nr.<br />

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Korn, G. H.: Informationssysteme als Mittel der Entscheidungsfindung<br />

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RAASCH 1991<br />

Raasch, J.: Systementwicklung mit Strukturierten Methoden: Ein Leitfaden<br />

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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />

Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />

Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />

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MATVAR<br />

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REINHART U. A. 1999<br />

Reinhart, G.; Hirschberg, A.; Grunwald, S.: Turbulentes Umfeld zwingt<br />

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Schneider, B.; Gallasch, A.: Modellfabrik - viel mehr als ein Spielzeug.<br />

Die neue Fabrik 1997. mi-Sonderpublikation. Landsberg: Verlag moderne<br />

Industrie, 1997, S.18-19.<br />

TÖNSHOF & LANGE 1992<br />

Tönshoff, H.; Lange, V.: Fertigungsanlagen wissensbasiert entwerfen.<br />

ZwF 87/6, 1992, S. 314-318.<br />

VDI 1990<br />

VDI 1993<br />

VDI 1997<br />

WECK 1995<br />

VDI-Richtlinie 2860: Montage- und Handhabungstechnik; Handhabungsfunktionen,<br />

Handhabungseinrichtungen; Begriffe, Definitionen,<br />

Symbole. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1990.<br />

VDI-Richtlinie 2221: Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer<br />

Systeme und Produkte. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1993.<br />

VDI-Richtlinie 2222, Blatt 1: Konstruktionsmethodik – Methodisches<br />

Entwickeln von Lösungsprinzipien. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1997.<br />

Weck, M.: Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme - Band 3.1 Automatisierungs-<br />

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WESTKÄMPER U. A. 1997<br />

Westkämper, E.; Briel, R.; März, L.: Planung in dynamischen Produktionssystemen.<br />

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13-19

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