Materialflusssysteme für variable Fertigungssegmente - Herbert Utz ...
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Herausgegeber:<br />
Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Willibald A. Günthner<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, fml<br />
Prof. Dr.-Ing. Gunther Reinhart<br />
Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, iwb<br />
Technische Universität München<br />
Redaktion: Dipl.-Ing. W. Handrich<br />
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere<br />
die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung,<br />
der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in<br />
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Copyright © 2000 <strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong> Verlag GmbH<br />
Printed in Germany<br />
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diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass<br />
solche Namen in Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu<br />
betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.<br />
ISBN 3-89675-927-2<br />
<strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong> Verlag GmbH, München<br />
Tel.: 089-277791-00<br />
Fax: 089-277791-01<br />
http://utzverlag.com
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort<br />
1 Das Verbundforschungsprojekt MATVAR - Einführung und Ausblick<br />
Prof. Dr.-Ing. W. Günthner<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />
Dynamische Fertigungsstrukturen<br />
MATVAR<br />
2 Wandlungsfähigkeit durch die Verbindung von verrichtungs- und produktorientierten<br />
Strukturen in der Fertigung<br />
Dipl.-Ing. A. Hirschberg und Dipl.-Ing. W. Broser<br />
Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, TU München<br />
3 Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln im Sinne kurzer<br />
Wege und schneller Reaktionszeiten<br />
Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing. M. Leicher<br />
Leicher GmbH & Co., Unterföhring<br />
4 Entwicklung eines Materialfluss-Analyse- und Planungshilfsmittels. Auf<br />
dem Weg zum Logistik-Controlling?<br />
Dipl.-Ing. H. Balk<br />
Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, Traunreut<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong><br />
5 Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren Leichtfördersystems<br />
im Überflurbereich<br />
Dipl.-Ing. W. Handrich<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />
6 Integration eines Hängebahn- /Hängekransystems in den innerbetrieblichen<br />
Materialfluss<br />
Dipl.-Ing. A. Bambynek<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />
7 Der Kranbaukasten KBK - Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
Dipl.-Ing. S. Müller, u. a.<br />
Mannesmann Dematic AG, Wetter<br />
i
Informationstechnische Unterstützung<br />
MATVAR<br />
8 Gestaltung der Materialflusssteuerung in dynamischen Produktionsstrukturen<br />
Dr.-Ing. S. Blessing<br />
Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, TU München<br />
9 Konfigurierbare Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dynamische Produktionsumfeld<br />
Dipl.-Ing. G. Schuster<br />
OBTec Steuerungstechnik GmbH, Schechen<br />
10 Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
D. Schwarz und Dipl.-Ing. W. Brendel<br />
HBC-radiomatic GmbH, Crailsheim<br />
Werkzeuge zur Einsatzplanung<br />
11 Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Dipl.-Ing. U. Kohler und Dipl.-Ing. M. Werner<br />
Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik GmbH, Aschheim-Dornach<br />
12 Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Dr.-Ing. F. Allgayer<br />
Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik, TU München<br />
13 Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer Berücksichtigung<br />
des Schnittstellenaspektes<br />
Dipl.-Ing. W. Dohmen<br />
Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften, TU München<br />
ii
Vorwort<br />
MATVAR<br />
In vielen Branchen werden die eingesetzten Produktionsstrukturen den Anforderungen<br />
bei sich verkürzenden Produktlebenszyklen, hoher Variantenvielfalt und kleiner werdenden<br />
Losgrößen nicht gerecht. Fertigungs- und Materialflusseinrichtungen lassen<br />
sich aufgrund mangelnder Flexibilität oft nur unter großen Problemen verändern.<br />
Im Projekt MATVAR sind deshalb flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> und Produktionsstrukturen<br />
entwickelt worden. Gestützt auf geeignete Planungswerkzeuge und Informationstechnik<br />
lassen sie sich zu einem „wandelbaren Materialflussnetz“ verknüpfen.<br />
Hierzu haben sich Industriepartner und Hochschulinstitute zu einem Verbund zusammengeschlossen.<br />
Zu den beteiligten Projektpartnern gehören Bosch Siemens Hausgeräte,<br />
HBC-radiomatic, MAN Nutzfahrzeuge, Mannesmann Dematic, OBTec Steuerungstechnik,<br />
Leicher und das Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik, das Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen<br />
und Betriebswissenschaften und der Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss<br />
Logistik. Gefördert wurden die Arbeiten vom Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und<br />
Forschung über das Forschungszentrum Karlsruhe, Projektträger <strong>für</strong> Fertigungstechnik<br />
und Qualitätssicherung, innerhalb des Rahmenprogramms „Produktion 2000“.<br />
Nach drei Jahren geht das Verbundforschungsprojekt MATVAR nun zu Ende. Dieser<br />
Abschlussbericht dokumentiert die bisher erreichten Ergebnisse. Hervorheben möchten<br />
wir die Umsetzung der Entwicklungen und deren prototypenhaften Aufbau in den Pilotanlagen<br />
der Hochschulinstitute.<br />
Über das Projektende hinaus stellen diese Anlagen die Grundlage <strong>für</strong> Verbesserungen,<br />
zukünftige Entwicklungen und weiterführende Projekte dar.<br />
Prof. Dr.-Ing. W. Günthner Prof. Dr.-Ing. G. Reinhart
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
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MATVAR<br />
1-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
1 Einleitung<br />
MATVAR<br />
MATVAR – <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> <strong>variable</strong> <strong>Fertigungssegmente</strong> im dynamischen<br />
Produktionsumfeld – ist ein Verbundforschungsprojekt, das im Rahmen des Programms<br />
"Produktion 2000" mit Mitteln des Bundesministeriums <strong>für</strong> Bildung, Wissenschaft,<br />
Forschung und Technologie (BMBF) über das Forschungszentrum Karlsruhe,<br />
Projektträger <strong>für</strong> Fertigungstechnik und Qualitätssicherung (PFT), gefördert worden<br />
ist. Das Projekt MATVAR arbeitet an Lösungen <strong>für</strong> die Produktion im Jahr 2000+.<br />
Der rasche Wandel in den Wirtschaftskreisläufen erfordert technologische Maßnahmen,<br />
die eine neue Flexibilität und Agilität der Produktionseinrichtungen erlauben.<br />
Dabei beeinflusst die „Lösung interner und zwischenbetrieblicher logistischer Probleme<br />
die Wettbewerbsfähigkeit produzierender Unternehmen zunehmend“<br />
(BMBF 1995).<br />
Von den jährlich in Deutschland anfallenden Logistikkosten entfallen ca. 70% auf den<br />
innerbetrieblichen Bereich. Das entspricht rund 350 Mrd. DM. Durch geeignete technische<br />
wie auch strukturelle Maßnahmen lassen sich davon 50 %, also rund 175<br />
Mrd. DM, als mögliches Rationalisierungspotential ausschöpfen (GÜNTHNER U.<br />
ALLGAYER 1997).<br />
Die Fabrik der Zukunft wird aus autonomen, dezentralen Einheiten bestehen. Die<br />
Bildung eigenverantwortlicher, autonomer Einheiten bezieht sich sowohl auf technische<br />
als auch auf organisatorische Maßnahmen und schließt die am Wertschöpfungsprozess<br />
beteiligten Mitarbeiter ein. Anstelle der noch vorherrschenden Befehlshierarchien<br />
werden autonome Einheiten wie z.B. Fertigungsinseln, Segmente und<br />
Fraktale stehen, die die Informationen und das Material austauschen, um auf dieser<br />
Basis erfolgreiche Lösungen und Auftragsabläufe zu erarbeiten.<br />
Zur Umsetzung derartiger Konzepte wird die Fähigkeit zur schnellen Veränderung<br />
gefordert (EVERSHEIM 1995), die nur aus einer Kombination von strukturellen und<br />
technischen Maßnahmen zu erreichen ist. Hier müssen Regeln <strong>für</strong> die logistikgerechte<br />
Layout- und Ablaufgestaltung aufgestellt (BMFT 1994), technische Elemente<br />
zur Realisierung entwickelt, Methoden und Simulationen zum Entwurf und zur Prüfung<br />
logistischer Systeme sowie Kommunikations- und Kooperationsprobleme an<br />
den vielfältigen Schnittstellen in der logistischen Kette gelöst werden.<br />
Um dem Anspruch an zukünftige Produktionsstrukturen gerecht werden zu können,<br />
sollen im Projekt MATVAR Lösungen <strong>für</strong> die Fertigung in <strong>variable</strong>n und sich schnell<br />
ändernden Strukturen erarbeitet werden. Flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> und die <strong>für</strong><br />
die Steuerung notwendige Informationstechnik sollen sich als Baukasten zu einem<br />
wandelbaren Materialflussnetz - gestützt auf geeignete Planungswerkzeuge - zusammenfassen<br />
lassen.<br />
1-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
2 Zielsetzung<br />
Statische Strukturen<br />
Produktionsstruktur<br />
Anpassungsfähige Strukturen<br />
Layoutflexibilität<br />
Einbindung ortsfester Maschinen<br />
in Fertigungsinselstrukturen<br />
Externe Anforderungen<br />
Stückzahlflexibilität<br />
Produktflexibilität<br />
Variantenflexibilität<br />
Kosten der innerbetrieblichen Logistik<br />
in Deutschland jährlich ca. 350 Mrd DM<br />
Ziele<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong><br />
Bild 1: Ziele des MATVAR-Projektes<br />
Geringe Integration<br />
der MF-Komponenten<br />
Wandelbare Materialflussnetze<br />
Kostengünstige, flexible MF-Systeme<br />
MATVAR<br />
Kombination von MF-Komponenten<br />
mit skalierbarem Automatisierungsgrad<br />
Ziel des Forschungsvorhabens MATVAR ist es, flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> <strong>variable</strong><br />
Fertigungsstrukturen im dynamischen Produktionsumfeld zu erarbeiten.<br />
Hierbei ist die Strukturierung von Fertigungen in Segmenten oder Inseln unter praxisrelevanten<br />
Bedingungen, wie z.B. ortsfesten Maschinen oder unteilbaren Kapazitäten,<br />
technisch zu realisieren. Anhand dieser Realisierungen werden die Anforderungen<br />
an die innerbetriebliche physische und informatorische Logistik abgeleitet, um<br />
die Entwicklung der Materialflusskomponenten innerhalb des Forschungsvorhabens<br />
zielgerichtet und anwenderbezogen durchführen zu können.<br />
Technische Konzepte werden zur Verfügung gestellt, die die geforderten Anpassungen<br />
an unterschiedliche Produktionsstrukturen jederzeit und mit geringem Anpassungsaufwand<br />
ermöglichen. Bei allen Entwicklungen soll eine kostengünstige Lösung<br />
im Mittelpunkt stehen, damit auch Einzel- und Kleinserienfertiger, speziell kleinund<br />
mittelständische Unternehmen, diese Techniken <strong>für</strong> die Produktion nutzen und<br />
ausbauen können. Dazu ist ein innerbetriebliches Materialflusssystem zur Versorgung<br />
von dezentralen autonomen Produktionsstrukturen zu entwickeln. So bietet z.B.<br />
ein als kostengünstiges Baukastensystem entwickelter Leichtkran, der sich dem Bedarf<br />
nach stufenweise automatisieren lässt und den Anforderungen dynamischer<br />
1-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
Produktionsstrukturen genügt, große Vorteile (GÜNTHNER U. HANDRICH 1998). Die einzelnen<br />
Transportmittel sollen nicht als Einzelsysteme nebeneinander stehen, sondern<br />
als wandelbares Netz einen flexiblen Materialfluss gewährleisten. Entsprechend<br />
sind auch die Schnittstellen zu gestalten, um die Flexibilität der Struktur zu ermöglichen.<br />
Wesentlicher Vorteil dieser Strategie ist die schnelle Reaktionsmöglichkeit auf<br />
geänderte Produktionsbedingungen. Dies bedeutet die Schaffung geeigneter Systeme,<br />
die flexibel jeden Punkt einer Produktionsfläche erreichen und damit verschiedene<br />
Maschinen- und Arbeitsplatzanordnungen ermöglichen sowie unterschiedliche<br />
Materialflussströme bewältigen können. Anstelle starrer Steuerungsabläufe sind dynamische<br />
Steuerungsstrategien zu entwickeln, die je nach Auftragslage und Betriebssituation<br />
(z.B. Störfällen) Materialflüsse planen und steuern können. Mit geeigneten<br />
Planungswerkzeugen lassen sich diese Materialflüsse einfach und schnell planen.<br />
3 Gliederung des Projektes in Arbeitspakete<br />
AP 4:<br />
Methoden und Werkzeuge<br />
zur Einsatzplanung<br />
AP 3:<br />
Informations- und<br />
Datenmanagement<br />
AP 5:<br />
Energetische, informatorische<br />
und physische Schnittstellen<br />
Komponentenentwickler<br />
MATVAR<br />
AP 2:<br />
Physische Logistik<br />
Bild 2: Integration der Arbeitspakete im Verbundprojekt MATVAR<br />
Anwender<br />
AP 1:<br />
Dynamische<br />
Fertigungsstrukturen<br />
Die derzeit eingesetzten starren Produktions- und <strong>Materialflusssysteme</strong> sind aufgrund<br />
mangelnder Umbau- und Umrüstflexibilität nicht oder nur mit hohem zeitlichen<br />
und finanziellen Aufwand umrüstfähig. Den sich dynamisch ändernden Anforderungen<br />
aufgrund schneller Produktlebenszyklen, den ständig sich ändernden Zuliefer-<br />
1-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
bedingungen und hoher Variantenvielfalt bei kleiner werdenden Losgrößen entsprechen<br />
sie nicht.<br />
Aus der geschilderten Zielsetzung leiten sich fünf Problemfelder und Arbeitspakete<br />
ab:<br />
• Dynamische Fertigungsstrukturen<br />
• Anpassbare <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
• Anpassbare Informations- und Datenmanagement<br />
• Einfache Planungsmethoden und –werkzeuge<br />
• Einheitliche Schnittstellen<br />
Bei der Aufteilung in die genannten Arbeitspakete handelt es sich lediglich um eine<br />
thematische Gliederung. Die Zusammenarbeit der Projektpartner geschieht über die<br />
Arbeitspaketgrenzen hinweg, so dass einige Projektpartner Problemstellungen in<br />
mehreren Arbeitspaketen bearbeiten.<br />
Die Arbeitspakete bauen dabei aufeinander auf:<br />
Anpassungsfähige Produktionsstrukturen legen die Anforderungen an anpassungsfähige<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong> fest. Damit sich diese bestmöglich in den innerbetrieblichen<br />
Materialfluss integrieren lassen, müssen die energetischen, informatorischen<br />
und vor allem die physischen, d.h. mechanischen Schnittstellen festgelegt sein<br />
(GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998). Die zur Verfügung gestellten <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
wiederum legen die Anforderungen an das Informations- und Datenmanagement<br />
fest. Zuletzt können neue Planungswerkzeuge die zuerst genannten anpassungsfähigen<br />
Produktionsstrukturen planen.<br />
4 Zielsetzungen der einzelnen Arbeitspakete<br />
4.1 Arbeitspaket 1: Dynamische Fertigungsstrukturen<br />
Folgende Einzelziele sind zur Strukturierung von Fertigungen in Segmenten oder<br />
Inseln unter technischen Rahmenbedingungen unabdingbar und beinhalten Konzepte<br />
<strong>für</strong> Maschinen, Anlagen und <strong>Materialflusssysteme</strong>:<br />
• Eröffnung von Möglichkeiten zur Einbindung von ortsfesten Maschinen und Anlagen<br />
in produktorientierte Fertigungskonzepte durch organisatorische und technische<br />
Konzepte, wie z.B. der Schaffung einer Gruppenstruktur bei räumlich verteilten<br />
Arbeitsplätzen<br />
• Einbindung von unteilbaren Kapazitäten in mehrere Fertigungsinseln bzw. Segmente<br />
durch geeignete Steuerungsstrategien<br />
1-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
• Flexible Verkettung des inselinternen und -externen Materialflusses im Sinne kurzer<br />
Wege und schneller Reaktionszeiten durch die Verbindung von zentral und<br />
dezentral gesteuertem Materialfluss<br />
• Aufbau von Pilotstrukturen bei den Anwendern<br />
• Formulierung der Anforderungen an die Materialfluss- und Informationstechnik <strong>für</strong><br />
dezentrale flexible Fertigungssysteme<br />
Informations - und<br />
Datenmanagement (AP3):<br />
- Entwicklung einer skalierbaren<br />
Informationstechnik <strong>für</strong> MF-Systeme<br />
- Nutzung dezentraler Steuerungskonzepte bei<br />
der Routenplanung und Auftragsverwaltung<br />
von Fahrzeugen<br />
- Entwicklung von schnell und einfach<br />
konfigurierbarer Steuer- und Leittechnik <strong>für</strong><br />
ein wandelbares MF-Netz<br />
Energetische , informatorische und<br />
physische Schnittstellen (AP5):<br />
- Kombination bestehender und neuer MF-<br />
Systeme zu einem flexiblen MF-Netz<br />
- Entwicklung geeigneter Übergabestellen<br />
zur Anbindung von MF-Komponenten<br />
- Einbindung von <strong>Fertigungssegmente</strong>n in<br />
den Materialfluss<br />
- Verkürzung der Inbetriebnahme durch<br />
vereinheitlichte Schnittstellen<br />
Methoden und Werkzeuge<br />
zur Einsatzplanung (AP4):<br />
- Aufbau von Planungsregelkreisen<br />
- Dynamischer Abgleich von Planung<br />
und Realität<br />
Dynamische<br />
Fertigungsstrukturen (AP1):<br />
- Aufbau einer produkt- und<br />
mengenflexiblen, segmentierten<br />
Fertigungsstruktur<br />
- Bildung von dynamischen Strukturen<br />
aus bestehenden Systemen<br />
Physische Logistik (AP2):<br />
- Einbindung von MF-Komponenten in ein<br />
wandelbares MF-Netz<br />
- Entwicklung eines rüstflexiblen und gestuft<br />
automatisierbaren Leichtfördersystems im<br />
Überflurbereich<br />
Bild 3: Die wichtigsten Ziele der einzelnen Arbeitspakete<br />
4.2 Arbeitspaket 2: <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
Für ein innerbetriebliches Transportsystem zur Versorgung von dezentralen autonomen<br />
Produktionsstrukturen sind flexible <strong>Materialflusssysteme</strong> neu bzw. weiterzuentwickeln<br />
und zu einem Gesamtkonzept zu integrieren. Daraus ergeben sich folgende<br />
Einzelziele:<br />
• Entwicklung eines rüstflexiblen, gut einpassbaren Leichtkrans im Baukastensystem,<br />
der mit verschiedenen Automatisierungsstufen den Produktionsanforderungen<br />
angepasst werden kann und damit universell einsetzbar ist<br />
• Weiterentwicklung und Integration eines Staplermanagementsystems, das innerhalb<br />
des wandelbaren Materialflussnetzes vor allem die Bedürfnisse der KMU abdeckt<br />
• Erstellung eines Konzeptes <strong>für</strong> ein wandelbares Materialflussnetz mit den neuen<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong>n automatisierter Leichtkran und gemanagte Stapler mit ge-<br />
1-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
eigneten Schnittstellen untereinander, einer offenen Schnittstelle zu konventionellen<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong>n (z.B. Rollenbahnen) und der Schnittstelle zur Fertigungszelle<br />
• Bewertungskatalog <strong>für</strong> die vorhandene Materialflusstechnik unter dem Aspekt<br />
„Einsatz und Kombination als flexibles Materialflusssystem zur Versorgung von<br />
Fertigungsinseln bzw. Segmenten“<br />
• Aufbau von Pilotanlagen mit den neuen <strong>Materialflusssysteme</strong>n zu Test- und Demonstrationszwecken<br />
der Einzelsysteme, der Schnittstellen und des Verbundbetriebes<br />
4.3 Arbeitspaket 3: Informations- und Datenmanagement<br />
Aus dem Gesamtziel, ein integriertes und einfach konfigurierbares Informations- und<br />
Datenmanagement <strong>für</strong> den Einsatz in dynamischen Strukturen zu entwickeln, leiten<br />
sich die folgenden Einzelziele:<br />
• Entwicklung einer offenen, modularen Architektur <strong>für</strong> Materialflusssteuerungssysteme,<br />
die schnell und einfach konfigurierbar sind, wobei Insellösungen durch den<br />
Einsatz von gängigen Betriebs- und Datenbanksystemen auf Standardhardware<br />
vermieden werden sollen<br />
• Entwicklung einer Schnittstelle der Materialflusssteuerung zu Materialflussplanungstools,<br />
um bei Layoutveränderungen mit möglichst wenig Aufwand das neue<br />
Layout in der Materialflusssteuerung abbilden zu können<br />
• Konzeption einer Anbindung an Simulationswerkzeuge zur Optimierung der eingesetzten<br />
Steuerungsstrategien, um bei Strukturveränderungen die Ergebnisse der<br />
Materialflussplanung in die Materialflusssteuerungsstrategien einfließen zu lassen<br />
• Integration von Materialfluss und Informationsfluss durch die Erweiterung bestehender<br />
Materialflussmanagementsystemen zu mobilen Informationsplattformen<br />
• Integration von Online-Prozesskontrollen<br />
• Dezentrale Steuerungskonzepte zur Bahn- und Routenplanung sowie dezentrale<br />
Auftragsverwaltung bei Transportfahrzeugen<br />
• Steuerungstechnische Integration verschiedener <strong>Materialflusssysteme</strong> unter Nutzung<br />
ihrer spezifischen Fähigkeiten und Eigenschaften<br />
4.4 Arbeitspaket 4: Planung des Materialflusses<br />
Die folgende Einzelziele sind <strong>für</strong> eine schnellere und qualitativ hochwertigere Planung<br />
notwendig, um so den Anforderungen bei der Planung von Materialflüssen im<br />
dynamischen Produktionsumfeld zu genügen:<br />
• Reduzierung des Datenbereitstellungs- und Datenaufbereitungsaufwands durch<br />
Übernahme von Informationen aus PPS-Systemen und durch die Verarbeitung<br />
bestehender EDV-gestützter Layouts<br />
1-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
• Automatisierung des Simulationsmodellaufbaus, insbesondere <strong>für</strong> die Betriebsund<br />
Fördermittel, durch Kopplung von CAD und Simulation<br />
• Rückübertragung layoutrelevanter Ergebnisse aus der Simulation an die CADgestützte<br />
Layoutplanung<br />
• Erweiterung der Optimierungsstrategien um die Aspekte Nachbarschaftsbeziehungen,<br />
Transportwege, Fördermittel und -hilfsmittel, Standortverträglichkeitsbedingungen,<br />
Umzugsaufwand, Betriebsmittelflächen sowie Bildung von produktbezogenen<br />
<strong>Fertigungssegmente</strong>n<br />
• Entwicklung eines Planungsmoduls zur Berücksichtigung der innerbetrieblich vorhandenen,<br />
konventionellen Materialflusstechnik, die auch im wandelbaren Materialflussnetz<br />
genutzt werden muss<br />
• Entwicklung von CAD- und Simulationsbausteinen <strong>für</strong> die rechnerintegrierte Planung<br />
der flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong> automatisierter Leichtkran, autonome<br />
Transportfahrzeuge und gemanagte Stapler<br />
4.5 Arbeitspaket 5: Schnittstellenproblematik<br />
Das wandelbare Materialflussnetz erfordert die Überwindung vielfältiger Schnittstellen.<br />
Diese Aufgabe hat folgende Einzelziele:<br />
• Bewertungskatalog <strong>für</strong> herkömmliche Materialflusstechnik, der Schnittstellen und<br />
Einsatzmöglichkeiten als flexibles Materialflusssystem zur Versorgung von dezentralen<br />
Fertigungsstrukturen berücksichtigt<br />
• Gestaltungskatalog zur Forcierung durchgängiger standardisierter Schnittstellen<br />
zwischen inselinternem und -externem Materialfluss<br />
• Entwicklung einer Planungsvorgehensweise zur Überwindung von Materialflussschnittstellen,<br />
wobei die spezifischen organisatorischen, mechanischen und informatorischen<br />
Anforderungen dezentraler Produktionsstrukturen berücksichtigt werden<br />
• Sinnvolle Verknüpfung verschiedener <strong>Materialflusssysteme</strong> wie automatisierter<br />
Leichtkran, Elektrohängebahn und neu zu entwickelnder Materialflusstechnik zu<br />
einer flexiblen, möglichst flurfreien Systemlösung<br />
• Schaffung von rüstflexiblen Schnittstellen zwischen den Komponenten automatisierter<br />
Leichtkran, autonomes Transportfahrzeugsystem, gemanagte Stapler und<br />
autonomen Fertigungszellen<br />
• Schaffung einer offenen Schnittstelle im Rahmen des wandelbaren Materialflussnetzes<br />
zur Anbindung bestehender konventioneller <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
1-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
Bild 4: MATVAR-Pilotanlage am Lehrstuhl fml<br />
MATVAR<br />
1-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
5 Integration der Arbeiten und prototypenhafte Umsetzung<br />
Im Rahmen dieses Verbundforschungsprojektes wurden die Entwicklungen prototypenhaft<br />
umgesetzt und entweder bereits bei den Anwenderfirmen realisiert oder in<br />
den Pilotanlagen an den Hochschulinstituten aufgebaut.<br />
Die am Lehrstuhl LSR aufgebaute Pilotanlage (Bild 4) besteht aus folgenden, am<br />
Materialfluss beteiligten Komponenten:<br />
• stufenweise automatisierbares Leichtfördersystem im Überflurbereich bestehend<br />
aus Leichtkranen und Hängebahnen<br />
• konventionelle Fördertechnik: Schwerlastrollenbahn und Stauförderer<br />
• Stapler über ein Staplermanagementsystem angebunden<br />
• angewandte Regaltechnik <strong>für</strong> die Bedienung mit Kranen<br />
• Übergabeplätze als Schnittstelle zu den Fertigungsinseln<br />
• Terminals <strong>für</strong> die informationstechnische Unterstützung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
• Leitstand <strong>für</strong> die Integration aller Materialflusskomponenten in ein wandelbares<br />
Materialflussnetz<br />
Neben der Pilotanlage am fml wurde eine Verbindung zur iwb-Modellfabrik realisiert,<br />
die aus zwei automatischen Flurförderfahrzeugen sowie insgesamt vier Produktionszellen<br />
besteht: einer Montagestation, zwei Bearbeitungszentren und einem Lager.<br />
Der Materialfluss geschieht mit den gemanagten Staplern, der Informationsfluss<br />
durch die Anbindung der Materialflusssystemsteuerungen an einen Leitrechner.<br />
1-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
6 Struktur des Verbundes<br />
6.1 Projektpartner<br />
Bild 5: Beteiligungsmatrix der Projektpartner des inneren Kreises<br />
Zu den beteiligten Projektpartnern gehören die<br />
• Anwender: Bosch Siemens Hausgeräte, Leicher und MAN Nutzfahrzeuge<br />
MATVAR<br />
• Entwickler: HBC-radiomatic, Mannesmann Dematic, OBTec Steuerungstechnik<br />
und das Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik und<br />
• Hochschulinstitute: das Institut <strong>für</strong> Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften<br />
und der Lehrstuhl <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik.<br />
Sie bilden den sogenannten inneren Kreis.<br />
1-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
Die Gruppe der industriellen Anwender setzt bereits innovative Produktionsstrukturen<br />
pilothaft um und prüft diese hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Flexibilität. Außerdem<br />
zeigt sie die Randbedingungen und Anforderungen dynamischer Produktionsstrukturen<br />
bezüglich des Materialflusses auf und soll potentieller Nutzer der entwickelten<br />
Materialflusskonzepte sein.<br />
Die beteiligten Hochschulinstitute integrieren innerhalb ihrer eigenen Arbeitspunkte<br />
die Ergebnisse und Neuentwicklungen. Bei der Durchführung gemeinsamer Entwicklungen<br />
mit ausgewählten Industriepartnern bieten sie eine wissenschaftliche Begleitung<br />
und Unterstützung. Weiterhin gewährleisten sie eine Verallgemeinerung des<br />
gewonnenen Wissensvorsprungs durch Systematisierung und präsentieren das gewonnene<br />
Wissen der Öffentlichkeit. Durch das Umsetzen in einer zeitgemäßen Lehre<br />
werden die Ergebnisse des Projekts jungen Ingenieuren zugänglich gemacht und<br />
langfristig Denkanstöße <strong>für</strong> den Aufbau dynamisch wandelbarer Produktionsstrukturen<br />
gegeben. Der Aufbau einer Pilotanlage an den Lehrstühlen macht die gewonnenen<br />
Ergebnisse der breiten Öffentlichkeit zugänglich.<br />
Im assoziierte Kreis sind interessierte Industriepartnern, Vereinen und Verbänden<br />
zusammengefasst. Sie sind erster Ansprechpartner im Projekt. Sie helfen bei der<br />
Problemlösung durch Wissenstransfer und -akquisition. Durch eine flächendeckende<br />
Vernetzung hilft der assoziierte Kreis bei der Verbreitung der Entwicklungsergebnisse.<br />
Bild 6: Struktur und Transfer des Verbundprojektes MATVAR<br />
1-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
6.2 Ablaufstruktur und Meilensteine<br />
MATVAR<br />
Das Projekt gliedert sich ausgehend von einer Analyse- und Konzeptphase in Konstruktions-<br />
und Realisierungsphasen. Gerade bei der Umsetzung neuer Konzepte<br />
sind die Übergänge zwischen den Phasen fließend. Die Koordination aller Projektbeteiligten<br />
hat hier eine zentrale Bedeutung. Interne Statustreffen aller Projektpartner<br />
und eine Vielzahl von Arbeitspakettreffen sind da<strong>für</strong> notwendig.<br />
Externe Treffen fanden jeweils nach jedem Projektjahr als Zwischenpräsentationen<br />
statt, um interessierte Firmen über die Zwischenstände und bisher erzielten Ergebnisse<br />
des Projektes zu informieren. So konnten auch weitere Partner wie die Fa.<br />
HBC-radiomatic gewonnen werden.<br />
1. Jahr<br />
1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal<br />
Analysen<br />
1. Meilenstein/<br />
Analysen<br />
Konzepte<br />
1. Zwischenpräsentation<br />
2 Jahr<br />
1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal<br />
2. Meilenstein/<br />
Konzepte<br />
Entwicklung / Konstruktion<br />
2. Zwischenpräsentation<br />
3. Meilenstein/<br />
Konstruktion<br />
3. Jahr<br />
1. Quartal 2. Quartal 3. Quartal 4. Quartal<br />
Prototypen<br />
4. Meilenstein/<br />
Prototypen<br />
Pilotanlagen<br />
Verbreitung von Ergebnissen<br />
Bild 7: Ablaufübersicht des MATVAR-Projektes<br />
5. Meilenstein/<br />
Pilotanlage<br />
Testphase<br />
3. Abschlusspräsentation<br />
1-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
7 Bedeutung des Projektes<br />
MATVAR<br />
Die verschärfte Wettbewerbssituation <strong>für</strong> Produktionsunternehmen hat in den letzten<br />
Jahren zu erweiterten Anforderungen an flexible Produktionskonzepte geführt. Bestehende<br />
Ansätze sowie aktuelle Konzepte in der Forschung und in der Praxis werden<br />
diesen Anforderungen vielfach nicht gerecht. In diesem Zusammenhang zeigen<br />
dezentrale Produktionssysteme, die durch verteilte Strukturen und autonome Einheiten<br />
gekennzeichnet sind, neue Perspektiven auf. Die Autonomie schafft die Voraussetzungen<br />
zur besseren Nutzung dezentral vorhandener Potenziale, die in herkömmlichen<br />
zentralen Strukturen weitgehend ungenutzt bleiben. Gleichzeitig bildet<br />
die Erfüllung globaler Zielvorgaben in dezentralen Strukturen eine Grundvoraussetzung<br />
<strong>für</strong> den unternehmerischen Erfolg (REINHART U. KOCH 1995). Das Projekt zeigt<br />
anhand von zu realisierenden Pilotsystemen Wege zur Strukturierung, Planung und<br />
Umsetzung derartiger Produktionsstrukturen auf.<br />
Neben Änderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation (AWF 1990) müssen dynamische<br />
Strukturen auch durch layoutflexible Fördermittel wie Verkettungseinrichtungen,<br />
Handhabungssysteme, Lager- und <strong>Materialflusssysteme</strong> ermöglicht werden.<br />
Die Materialflusstechnik und Informationslogistik muss die Forderung nach ständig<br />
möglicher Umkonfiguration der Produktionsstruktur mit geringstmöglichem Anpassungsaufwand<br />
erfüllen. Hier<strong>für</strong> ist die Entwicklung layoutflexibler Logistikstrukturen<br />
erforderlich. Das Verbundprojekt erarbeitete in dieser Richtung einen Lösungsvorschlag.<br />
Im Rahmen der physischen Logistik nimmt die Entwicklung und Produktion in<br />
Deutschland einen nationalen und internationalen Spitzenplatz ein. Der Wirtschaftszweig<br />
Fördertechnik ist der größte Fachzweig im deutschen Maschinenbau mit den<br />
höchsten Zuwachsraten und weltgrößter Exporteur (Quelle: VDMA Statistik). Damit<br />
das auch in Zukunft so bleibt, haben sich namhafte Hersteller, Anwender und Hochschulinstitute<br />
zusammengefunden, um im Rahmen des Projekts MATVAR einen großen<br />
Schritt hin zu einem wandelbaren Materialflussnetz zur flexiblen Versorgung von<br />
autonomen dezentralen Produktionsstrukturen zu gehen. Als technisch bedeutende<br />
Innovationen seien hier stellvertretend die Entwicklung eines Leichtkranes erwähnt,<br />
der als Baukastensystem mit stufenweiser Automatisierung eine kostengünstige und<br />
sehr flexible Materialflusslösung darstellt; gleiches gilt <strong>für</strong> die Einbindung von intelligenten<br />
Transportfahrzeugen und gemanagten Staplern. Diese Systeme sind als<br />
Materialflussbausteine prädestiniert <strong>für</strong> eine Integration innerhalb eines wandelbaren<br />
Materialflussnetzes. Speziell <strong>für</strong> KMU können sich hieraus neue Produktionsansätze<br />
ergeben.<br />
Die innerhalb des Projekts entwickelten und beispielhaft realisierten Systeme zur<br />
Materialflusssteuerung und Informationslogistik ermöglichen die schrittweise Um-<br />
1-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
MATVAR<br />
wandlung bestehender Systeme, so dass diese die Anforderungen der Produktion<br />
der Zukunft erfüllen.<br />
Der Einsatz der zu entwickelnden Produktionsstruktur und Logistik <strong>für</strong> dynamische<br />
Systeme fordert eine angepasste Planungssystematik unter Einbezug möglichst vieler<br />
der zur Verfügung stehenden Betriebsdaten, um einen Vergleich zwischen Sollund<br />
Ist-Werten zu forcieren. Erstmals soll im Rahmen des Projekts durch eine Kopplung<br />
von statischen und dynamischen Planungsschritten ein Planungsregelkreis, bestehend<br />
aus Layoutplanung und Ablaufsimulation, aufgebaut werden. CAD- und Ablaufsimulationssysteme<br />
greifen dabei auf eine identische und übergreifende Datenbasis<br />
zu, wodurch der Datenaufbereitungs- und Dateneingabeaufwand deutlich verringert<br />
wird. Aus diesem Grund können auch unter Berücksichtigung vielfältiger Einflussfaktoren<br />
mehr Planungsvarianten entwickelt und daher eine gesteigerte Planungssicherheit<br />
und -qualität erzielt werden. Weiterhin sind durch verbesserte Planungsergebnisse<br />
verkürzte und kostengünstigere Inbetriebnahmen zu erreichen, da<br />
teure Nachbesserungen an der bereits aufgestellten Anlage, verursacht durch Planungsfehler,<br />
vermieden werden.<br />
Die Struktur des Projekts ermöglicht nicht nur die Entwicklung, Realisierung und<br />
Kombination moderner flexibler Materialflusskomponenten, sondern weist Wege auf,<br />
mittels Integration von Komponenten unterschiedlichsten Alters und verschiedenster<br />
Entwickler auch bestehende Einrichtungen und Anlagen zu durchgängig dynamischen<br />
Systemen umzubauen. Dies wird durch eine flexible Gestaltung der Schnittstellen<br />
gewährleistet.<br />
Das Forschungsvorhaben soll Wege aufzeigen, propagierte Konzepte und Theorien<br />
zur Erhöhung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit technisch zu realisieren.<br />
Die dabei entwickelten Systeme und marktfähigen Komponenten werden Wettbewerbsvorteile<br />
<strong>für</strong> deutsche Unternehmen sichern. Weiterhin stärkt das Projekt die<br />
industrielle Forschungs- und Entwicklungslandschaft am Standort Deutschland und<br />
fördert den wissenschaftlichen Austausch zwischen Unternehmen und Forschungsinstituten.<br />
1-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Günthner, W.: Das Verbundforschungsprojekt, Einführung und Ausblick<br />
8 Literatur<br />
MATVAR<br />
AWF 1990<br />
AWF: Integrierte Fertigung von Teilefamilien. Band 1 u. 2: Das Konzept Fertigungsinseln<br />
und seine Gestaltungskomponenten. Köln, TÜV Rheinland<br />
Verlag, 1990<br />
BMBF 1995<br />
BMBF: Rahmenkonzept „Produktion 2000“ Hrsg. vom Bundesministerium <strong>für</strong><br />
Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Bonn: 1995<br />
BMFT 1994<br />
BMFT: Strategien <strong>für</strong> die Produktion im 21. Jahrhundert. Bericht einer Untersuchung<br />
zu Entwicklungen, Visionen und Handlungsbedarf <strong>für</strong> Industrie, Forschung<br />
und Staat zur Sicherung des Produktionsstandortes Deutschland.<br />
Stuttgart: 1994<br />
EVERSHEIM 1995<br />
Eversheim, W.: Prozeßorientierte Unternehmensorganisation. Berlin, Heidelberg:<br />
Springer-Verlag 1995<br />
GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997<br />
Günthner, Allgayer: Verbundforschungsprojekt „MATVAR“ ist angelaufen,<br />
Logistik im Unternehmen, Nr. 10 Oktober 1997, S. 28-30.<br />
GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998<br />
Günthner, Bambynek: Schnittstellenbaukasten: Integrierbarkeit eines flurfreien<br />
Leichtfördersystems, Hebezeuge und Fördermittel, Band 38 (1998) Heft<br />
12, S. 593-595.<br />
GÜNTHNER U. HANDRICH 1998<br />
Günthner, Handrich: Einsatzmöglichkeiten eines Leichtfördersystems im Überflurbereich,<br />
Logistik aktuell: Automatisierte Krane- Einsatzerfahrungen<br />
und Entwicklungstendenzen, Dresden, 15. Mai 1998, Hrsg.: H.-G. Marquardt.<br />
PFT 1995<br />
PFT: Die Notwendigkeit einer neuen Strategie industrieller Innovation. Broschüre<br />
des Forschungszentrums Karlsruhe GmbH 1995<br />
REINHART U. KOCH 1995<br />
Reinhart, G.; Koch, M. R.: Competition and Cooperation in Autonomous Manufacturing<br />
Systems. In: Soliman, J. I.; Roller, D. (Edts.): 28th International<br />
Symposium on Automotive Technology and Automation, Stuttgart. Croydon:<br />
Automotive Automation Limited 1995, S. 263-275.<br />
1-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
:DQGOXQJVIlKLJNHLW GXUFK GLH<br />
9HUELQGXQJ YRQ<br />
YHUULFKWXQJV XQG SURGXNWRULHQWLHU<br />
WHQ 6WUXNWXUHQ LQ GHU )HUWLJXQJ<br />
'LSO ,QJ $UQG +LUVFKEHUJ XQG 'LSO ,QJ :HOI %URVHU<br />
,QVWLWXW I U :HUN]HXJPDVFKLQHQ XQG %HWULHEVZLVVHQVFKDIWHQ<br />
LZE<br />
7HFKQLVFKH 8QLYHUVLWlW 0 QFKHQ<br />
%ROW]PDQQVWU<br />
*DUFKLQJ<br />
2-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
Bild 1: Zahlreiche Veröffentlichungen fordern Wandlungsfähigkeit<br />
MATVAR<br />
1 Reorganisationsbedürfnis deutscher Fertigungsbetriebe<br />
Deutsche Unternehmen unterliegen unzweifelhaft einer hohen Umfeldturbulenz. Somit<br />
stellt sich sofort die Frage, welche Möglichkeiten zum Umgang mit der Turbulenz<br />
existieren? Eine Antwort lautet: Unternehmen müssen sich in ihren Organisationsstrukturen<br />
wandeln (LAY U.A. 1997). Aus dem turbulenten Umfeld der Unternehmen<br />
ergibt sich die Notwendigkeit der ständigen Anpassung an die äußeren Veränderungen<br />
(REINHART U.A. 1999).<br />
Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die Ergebnisse einer Studie des Institutes<br />
<strong>für</strong> Medienentwicklung und Kommunikation (IMK 1998 S. 11) plausibel, demzufolge<br />
aktuell bei 55% der deutschen Unternehmen ein Reorganisationsbedarf besteht. Mit<br />
66% ist der Reorganisationsbedarf im Maschinenbau besonders groß. Die Strukturen<br />
im Maschinenbau werden als nicht innovativ und aufgebläht eingeschätzt (IMK 1998<br />
S. 12). Es wurde weiterhin festgestellt, dass die meisten Reorganisationen im Maschinenbau<br />
erst Mitte der 90er Jahre begannen und dass die metallverarbeitende<br />
Industrie zumeist an der Linienorganisation festhält.<br />
2-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
ambivalent<br />
26%<br />
gut organisiert<br />
20%<br />
reorganisationsbedürftig<br />
54%<br />
MATVAR<br />
Bild 2: Reorganisationsbedürfnis der deutschen Unternehmen (IMK 1998,S. 11)<br />
Obwohl durch die Einführung von produktorientierten Strukturen wie beispielsweise<br />
Fertigungsinseln oder Segmenten in den letzten Jahren viele Produktionsunternehmen<br />
ihre Durchlaufzeit und Bestände deutlich reduzierten (BURBIDGE 1994, DECKER<br />
1995, TÖNSHOFF U.A. 1995, GERLACH U.A. 1996, GRONAU & BRINKMANN 1996), konnten<br />
diese nicht überall Anwendung finden (LAY U.A. 1997, S. 9). Ein wesentlicher Grund<br />
<strong>für</strong> den zeitlichen Rückstand vieler Produktionsunternehmen und das Festhalten an<br />
der tradierten funktionsorientierten Organisation sind nach LUTZ (1996) die technischen<br />
Hindernisse, die insbesondere im Maschinenbau der produktorientierten Ausrichtung<br />
entgegenstehen. Wesentliche kostenrelevante Hindernisse eines flächendeckenden<br />
Aufbaus der produktorientierten Strukturen sind die Umzugsaufwände der<br />
Maschinen und die Notwendigkeit auf Skaleneffekte durch die Nutzung vorhandener<br />
Anlagen und Maschinen durch verschiedene Produktgruppen nicht verzichten zu<br />
können. Insbesondere gewachsene Produktionsbetriebe stehen vor scheinbar unlösbaren<br />
Problemen bei der Reorganisation ihrer Fertigungen (TÖNSHOFF & GLÖCKNER<br />
1994). LAY U.A. (1997, S.4) beklagen, dass die Reorganisationskonzepte der letzten<br />
Jahre in den Produktionsbetrieben als Rezepte missverstanden wurden. Dieser Rezeptcharakter<br />
zusammen mit einer Vielfalt von Botschaften führte zu Verwirrungen<br />
und hatte fatale Konsequenzen: Die Begriffe zur Charakterisierung der neuen Produktionskonzepte<br />
wurden zu inhaltsleeren Modebegriffen mit immer kürzerer Halbwertszeit.<br />
Wie sehen diese vorhandene Konzepte aber aus?<br />
2-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
Funktionsorientierung<br />
Tayloristische Grundidee:<br />
Zusammenfassung ähnlicher<br />
Tätigkeiten<br />
Synergien:<br />
Nutzung von Skaleneffekten<br />
Akkumulation des<br />
technologischen Wissens<br />
Anwendungsfelder:<br />
Neue Technologien<br />
Technologisch<br />
anspruchsvolle<br />
Tätigkeiten<br />
MATVAR<br />
Produktorientierung<br />
Grundidee:<br />
Integration von Prozessketten<br />
Synergien:<br />
Optimierung der Prozessketten<br />
Abstimmung einzelner<br />
Arbeitschritte<br />
Anwendungsfelder:<br />
Produktoptimierung durch Zusammenarbeit<br />
mit indirekten Bereichen<br />
Kurze Durchlaufzeiten<br />
Bild 3: Funktions- und Produktorientierung<br />
2 Ansätze und Defizite in der Fertigungsorganisation<br />
Grundsätzlich sind zwei Richtungen der Ausrichtung der Fertigungsstruktur zu unterscheiden:<br />
Funktions- und Produktorientierung. Der Produktorientierung wird eine<br />
schnelle Anpassung bei Produktmodifikationen zugeschrieben, während die Funktionsorientierung<br />
eher langfristige, tiefgreifende Produktänderungen ohne aufbauorganisatorische<br />
Anpassungen abfangen kann. Beide Aspekte sind notwendig, um eine<br />
Wandlungsfähigkeit des Gesamtunternehmens zu erreichen. Einer schnellen Umsetzung<br />
stehen in produktorientierten Bereichen Unverträglichkeiten verschiedener<br />
Maschinen, wie beispielsweise einer Presse und einer Messzelle, entgegen. Diese<br />
Hindernisse können nur mit großem technischen bzw. finanziellen Aufwand überwunden<br />
werden.<br />
Die eingehende Auswertung des Standes der Forschung und Technik im Bereich der<br />
Fertigungsstrukturen zeigte, dass ein Strukturkonzept bisher noch fehlt, welches die<br />
Funktions- und die Produktorientierung verbindet, um so die Vorteile der jeweiligen<br />
Konzepte synergetisch zu verknüpfen.<br />
Neben dem fehlenden Strukturkonzept zur Verbindung von Funktions- und Produktorientierung<br />
sind die vorliegenden Planungsverfahren zumeist strukturspezifisch<br />
ausgerichtet. Es gibt Planungsverfahren <strong>für</strong> Fertigungsinseln, Segmente oder Fraktale,<br />
die eigentliche Strukturentscheidung <strong>für</strong> Produkt- bzw. Funktionsorientierung ist<br />
2-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
zu diesem Zeitpunkt aber schon gefallen. Es kann somit das Fehlen einer neutralen<br />
Planungsmethodik <strong>für</strong> Fertigungsstrukturen festgestellt werden.<br />
Besondere Probleme bestehen aber auch in der Steuerung der funktionsorientierten<br />
Einheiten in einer sonst produktorientierten Umgebung. Gerade KMUs scheuen den<br />
Einsatz aufwendiger EDV-Systeme zur Steuerung hybrider (Mischung aus produktund<br />
funktionsorientierten) Fertigungsstrukturen, wie sie von vielen Veröffentlichungen<br />
(bspw. KATH 1994) vorgeschlagen werden. Es fehlen bisher Ansätze, die es Unternehmen<br />
auf einfache Weise erlauben, diese Strukturen zu steuern.<br />
Aus den kurz skizzierten Defiziten und Zielen lässt sich zusammenfassend folgender<br />
Handlungsbedarf ableiten: Die Entwicklung<br />
• eines Konzepts zur Verbindung der Vorteile von produkt- und funktionsorientierten<br />
Strukturen <strong>für</strong> die Klein- und Mittelserienfertigung,<br />
• eines ergebnisneutralen Planungsverfahren unter Berücksichtigung der vorhandenen<br />
Betriebsmittel,<br />
• eines einfachen Auftragssteuerungskonzept <strong>für</strong> den Einsatz in hybriden Strukturen.<br />
3 Konzeption - Kerninsel-Dienstleisterkonzept<br />
Das grundlegende Strukturkonzept Kerninsel-Dienstleister bildet die Basis dieses<br />
Kapitels. Aufbauend darauf wird eine Planungssystematik zur Erarbeitung der unternehmensspezifischen<br />
Struktur dargestellt. Der darauf folgende Abschnitt wird auf die<br />
Auftragssteuerung innerhalb dieser neuen Strukturen eingehen.<br />
3.1 Strukturkonzept<br />
Die Produktorientierung steht <strong>für</strong> die Nutzung der Vorteile aus der Prozesskettenoptimierung<br />
entlang der Wertschöpfungskette. Synergetische Effekte werden durch die<br />
bessere technische und organisatorische Abstimmung der Prozesse aufeinander erreicht.<br />
Diese Optimierungsmaßnahmen sollen ganz wesentlich über die direkten Bereiche<br />
hinausgehen (WILDEMANN 1993, S. 254). Beispielsweise sollen diese Einheiten<br />
bei der langfristigen Produktgestaltung Einfluss nehmen.<br />
Diese wesentliche Aufgabe übernimmt im Kerninsel-Dienstleiterkonzept die Kerninsel.<br />
Die Kerninsel ist eine organisatorische Einheit bestehend aus Maschinen und<br />
Mitarbeitern, die eindeutig einer Produktgruppe (Teilefamilie) zugeordnet werden<br />
können, bzw. die in der Planungssystematik beschriebenen Kriterien zur Zuordnung<br />
zu einem Produkt erfüllen.<br />
2-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
Kerninseln<br />
Hoher Auslastungsanteil durch<br />
einen Produktbereich<br />
Geringes Spezialistenwissen<br />
Kernprozesse der Teilefamilie<br />
Übergreifende Optimierungspotentiale<br />
Bild 4: Strukturkonzept<br />
Dienstleister<br />
MATVAR<br />
Zugriff verschiedener Inseln<br />
Große Spezialisierungsvorteile<br />
Randprozeß<br />
Skaleneffekte<br />
Flexibilitätspotential<br />
Unverträgliche Technologie<br />
Den Mittelpunkt der funktionsorientierten Optimierung bilden im Kerninsel-<br />
Dienstleisterkonzept die Dienstleister. Genutzt werden sollen die Spezialisierungsvorteile,<br />
die durch eine Konzentration auf bestimmte Tätigkeiten innerhalb einer Einheit<br />
erreicht werden können. Als Dienstleister können alle an der Gesamtprozesskette<br />
beteiligten Organisationseinheiten bezeichnet werden, die außerhalb der Kerninsel<br />
zur Durchführung der Aufträge in der Produktion notwendig sind. Die<br />
Dienstleister werden durch die verschiedenen produktorientierten Kerninseln angefragt<br />
und beauftragt. Grundlage dieser Beziehung ist das Kunden-<br />
Lieferantenverständnis.<br />
Die Fertigungsstruktur nach dem Kerninsel-Dienstleisterkonzept stellt sich somit als<br />
eine Kombination aus funktions- und produktorientierten Einheiten dar. Spezielle<br />
Teile der Prozesskette werden spezifisch über Prozessketten hinweg in<br />
Dienstleistern oder innerhalb der Prozesskette in den Kerninseln zusammengefasst.<br />
Folgende Definitionen sind gültig:<br />
Definition Dienstleister:<br />
Dienstleister sind funktionsorientierte, aufbauorganisatorische Einheiten, die<br />
ihre Dienstleistung verschiedenen Auftraggebern (später Kerninseln genannt)<br />
anbieten. Dienstleistungen sind Funktionen in der Fertigung, wie beispielsweise<br />
das Lackieren, das Bohren, das Fräsen.....<br />
2-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
I. Zuordnung von Betriebsmittel zu Produktgruppen auf der<br />
Basis klassischer Fertigungsinselplanungsmethoden.<br />
II. Planungsschritt:<br />
Bewertung der einzelnen Betriebsmittel mittels des Planungsoktogons<br />
III. Planungsschritt:<br />
Mustervergleich und Abweichungsberechnung von Standardlösung<br />
IV. Planungsschritt:<br />
Ableitung von Umsetzungsstrategien<br />
Definition Kerninsel:<br />
Bild 5: Planungsvorgehensweise in vier Schritten<br />
MATVAR<br />
Die Kerninsel ist eine produkt- und gruppenorientierte, aufbauorganisatorische<br />
Einheit, deren Aufgabe darin besteht, eine termin- und qualitätsgerechte Erstellung<br />
bestimmter Produktgruppen zu gewährleisten. Die Arbeit trägt die<br />
Kennzeichen der autonomen Gruppenarbeit, wie sie in Kapitel 3 definiert wurden.<br />
Die Kerninseln beauftragen <strong>für</strong> bestimmte Tätigkeiten die vorhandenen<br />
Dienstleister, führen aber auch möglichst viele Tätigkeiten, insbesondere produktorientierte<br />
Kernaufgaben, selbst mit zugeordneten Betriebsmitteln durch.<br />
3.2 Das Planungsverfahren<br />
Es wird eine 4-stufige Vorgehensweise (siehe Bild) zur Lösung des Planungsproblems<br />
vorgeschlagen.<br />
3.2.1 I. Planungsschritt: Produktgruppenanalyse<br />
Der erste Schritt des Planungsverfahren zur Planung der Kerninsel-<br />
Dienstleisterstruktur beruht auf Methoden der klassischen Fertigungsinselplanung.<br />
An dieser Stelle wird auf klassische Verfahren zur Teilefamilienbildung zurückgegriffen.<br />
2-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
Integrationsaufwand<br />
(Umzug-, Kapselung..)<br />
Skaleneffekt<br />
hcoh<br />
Integration in<br />
die Abläufe<br />
hoch<br />
niedrig<br />
mittel<br />
Gesamtauslastung<br />
mittel<br />
mittel<br />
hcoh<br />
mittel<br />
mittel<br />
niedrig<br />
mittel<br />
mittel<br />
Qualitätsbestimmung<br />
durch Prozess<br />
Produktgruppenauslastung<br />
mittel<br />
niedrig<br />
Bild 6: Planungsoktogon zur Betriebsmittelanalyse<br />
hcoh<br />
hcoh<br />
Mitarbeiterqualifizierung<br />
MATVAR<br />
Unsicherheit<br />
der Nutzung<br />
Es sei hier auf die Arbeiten von OPITZ 1966, BURBIDGE 1994 bis LULAY & DECKER 1996<br />
verwiesen. Diese Verfahren unterscheiden sich im wesentlichen nach der Anzahl und<br />
Art der berücksichtigten Kriterien bzw. dem notwendigen Aufwand der Analyse und<br />
der Datenbeschaffung vor der Verfahrensdurchführung.<br />
3.2.2 II. Planungsschritt: Betriebsmittelanalyse<br />
Im folgenden Schritt müssen die einzelnen Betriebsmittel mittels eines Bewertungshilfsmittels<br />
im Hinblick auf die wesentlichen Kriterien zur Aufstellung eines Betriebsmittels<br />
als Dienstleister oder innerhalb der Kerninsel bewertet werden.<br />
Eine textuelle Beschreibung ist natürlich nicht hinreichend, da eine schnelle Erfassbarkeit<br />
der Situation <strong>für</strong> alle am Planungsprozess teilnehmenden Personen wesentlich<br />
ist. Die Zuordnung eines Betriebsmittels zu einer Strukturform stellt somit einen<br />
komplexen Entscheidungsvorgang dar, der durch geeignete Hilfsmittel unterstützt<br />
werden muss.<br />
Um diese Forderungen erfüllen zu können und die Entscheidungsprozesse transparent<br />
darzustellen, wird ein Polaritätsprofil (DAENZER 1989, S. 241) vorgeschlagen.<br />
2-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
Integrationsaufwand<br />
(Umzug-, Kapselung..)<br />
Abweichung<br />
von Standardtyp<br />
Einordnung<br />
einer Maschine<br />
Abweichungsfläche<br />
Skaleneffekt<br />
Integration in<br />
die Abläufe<br />
Gesamtauslastung<br />
Qualitätsbestimmung<br />
durch Prozess<br />
Produktgruppenauslastung<br />
Mitarbeiterqualifizierung<br />
MATVAR<br />
Unsicherheit<br />
der Nutzung<br />
Bild 7: Mustervergleich zur Typklassifizierung der Dienstleister bzw. Kerninseln<br />
Acht wesentliche Kriterien wurden ausgewählt; deshalb wird im folgenden vom Planungsoktogon<br />
gesprochen. Das Planungsoktogon, wie in Bild 7 dargestellt, hat den<br />
Aufbau eines Polaritätsprofils, jedes der hier ausgewählten acht Kriterien wird an einer<br />
der radialen Achsen angetragen. Die Ausprägung des Kriteriums, welches auf<br />
eine Aufstellung innerhalb der Kerninsel hinweist, wird in das Zentrum des Planungsoktogons<br />
gelegt. Daraus wird festgelegt, dass je kleiner das spezifische Oktogon<br />
ist, desto eher einer Kerninsel entspricht. Es erfolgt eine Normierung der Maßstäbe<br />
<strong>für</strong> alle quantifizierbaren Größen auf Kostenbasis, d.h. dass der maximale<br />
Kostenwert jedes Kriteriums auf dem Maßstab gleich ist, um eine optische Vergleichbarkeit<br />
der Kriterien zu erreichen. Qualitative Kriterien werden in einem kontinuierlichen<br />
Maßstab von niedrig bis zur hohen Ausprägung dargestellt.<br />
3.2.3 III. Planungsschritt: Mustervergleich<br />
Um den Entscheidungsprozess zur Einordnung der Betriebsmittel in die Strukturformen<br />
zu erleichtern, wird ein Vergleich mit Standardtypen vorgenommen. Diese Methode<br />
soll den Entscheidungsprozess beschleunigen und Problembereiche schnell<br />
und einfach identifizieren.<br />
2-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
Die Standardtypen entsprechen verschiedenen Formen der Dienstleister bzw. Kerninseltypen.<br />
Für jeden Strukturtyp, wie beispielsweise den Maschinenpark, wird festgelegt,<br />
<strong>für</strong> welche Kriterienausprägungen dieser Typ geeignet erscheint.<br />
Jedes Betriebsmittel wird dem Standardtyp zugeordnet, zu dem die geringsten Abweichungen<br />
bestehen. Somit ergibt sich eine einfache Möglichkeit zur Automatisierung<br />
des Entscheidungsvorganges. Diese Vorgehensweise kann sicherlich nicht eine<br />
automatisierte Entscheidung <strong>für</strong> alle Betriebsmittel ermöglichen. Es wird dem Planer<br />
aber ein Medium an die Hand gegeben, schnell und einfach die Grenzfälle zu ermitteln,<br />
die eine unternehmerische Entscheidung auf Basis einer intensiven Einzelanalyse<br />
erfordern. In diesen Fällen sollten alternative technische Lösungen geprüft werden,<br />
die ein strukturkonformes Handeln innerhalb der Standardtypen ermöglichen.<br />
Das heißt, dass auch neue Lösungen mit Hilfe der Standardtypen zur Beurteilung<br />
eingeordnet werden sollten. Aus dieser Einordnung in die Standardtypen werden nun<br />
die Organisationseinheiten gebildet. Dienstleister werden zusammengefasst, Aufstellungsvarianten<br />
überprüft. An dieser Stelle wird auf die entwickelten und geprüften<br />
Vorgehensweisen der klassischen Fabrikplanung zurückgegriffen (KETTNER U.A.<br />
1984, AGGTELEKY 1981).<br />
3.2.4 IV. Planungsschritt: Ableitung von Umsetzungsstrategien<br />
Unternehmen scheuen sich in vielen Fällen vor einer radikalen Neustrukturierung<br />
ihrer Produktion in kurzer Zeit, da beispielsweise eine Produktionsunterbrechung<br />
nicht möglich bzw. mit großen Kosten verbunden wäre oder große Investitionsmittel<br />
nicht zur Verfügung stehen. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen<br />
sehen sich dieser Situation gegenüber. Restrukturierungen unterbleiben, obwohl sie<br />
als notwendig erachtet werden (vgl. Kapitel 1/ IMK 1998).<br />
Aus der Bewertung mit dem Planungsoktogon kann nicht nur ein Planungsergebnis<br />
<strong>für</strong> die Gesamtfertigungsstruktur abgeleitet werden, sondern es ergibt sich auch<br />
durch die Abweichungsbewertung zusätzlich die Möglichkeit, eine Abschätzung des<br />
Potenzials der einzelnen strukturellen Maßnahmen zu erhalten. Einzelne Maßnahmen<br />
können beurteilt und die Abweichung vom Standardtyp und der Ist-Situation<br />
transparent dargestellt werden. Betriebsmittel, die einem Standardtyp in allen Kriterien<br />
entsprechen und gleichzeitig bisher diesem Typ nicht zugeordnet sind, sollten<br />
sofort umstrukturiert werden, da dort ein großes Potenzial erwartet wird. Negative<br />
Auswirkungen sind nicht zu erwarten.<br />
2-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
x<br />
4<br />
3<br />
4<br />
2<br />
1<br />
Rohrbiegerei München<br />
2<br />
2<br />
1<br />
1<br />
1<br />
MATVAR<br />
Werk Penzberg<br />
Rohrbiegerei aus München Betroffene Bereiche<br />
Rohrbiegerei Penzberg Nicht betroffene Bereiche<br />
Schlafliegenfertigung Wege<br />
Reihenfolge der Umzugsschritte<br />
Bild 7: Integration einer neuen Rohrbiegerei in die Penzberger Fertigung<br />
4 Umsetzung<br />
4.1 Anwendungsbeispiel: Integration einer neuen Fertigungseinheit<br />
in die Produktion MAN Nutzfahrzeuge AG, Werk Penzberg<br />
Die Firma MAN Nutzfahrzeuge AG produziert am Standort Penzberg ein großes Teilespektrum<br />
an Blechteilen <strong>für</strong> LKWs und Busse <strong>für</strong> das Stammwerk in München in<br />
mittleren bis kleinen Stückzahlen. Einzelne Teile werden zu kleinen Baugruppen<br />
montiert. Die Produktion teilt sich daher in die Einzelteil- und die Gruppierungsfertigung,<br />
die Einzelteile z.B. zu Baugruppen verschweißt, auf. Dazwischen befindet sich<br />
ein großes Zwischenlager. Aufgrund der gewachsenen Produktion und der traditionellen<br />
Werkstattfertigung gibt es lange Transportwege, hohe Durchlaufzeiten und<br />
geringe Transparenz in der Fertigung. Daher sollten im Zuge des anstehenden Umzugs<br />
der Kostenstelle Rohrbiegen inkl. Löten und Nachbearbeitung von München<br />
nach Penzberg die alten Strukturen optimiert werden. In einem Vorgängerprojekt<br />
wurde bereits das Kerninsel-Dienstleisterkonzept bei der MAN Penzberg <strong>für</strong> einen<br />
kleineren Fertigungsbereich realisiert. Da es sich dort in einjährigem Einsatz bewährt<br />
hatte, sollte es bei diesem Projekt bei allen betroffenen Fertigungsbereichen angewendet<br />
werden.<br />
2-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
Bisher: Neu:<br />
Sägen<br />
Waschen Ausblasen<br />
Arbeiten in der Rohrbiegerei<br />
Entgraten<br />
(Auf Gärung)<br />
sägen<br />
Wulsten<br />
Schweißen<br />
Pulverbe-<br />
schichten<br />
Waschen<br />
Heften<br />
Schweißen<br />
Lackieren<br />
Biegen<br />
Auf Maß<br />
sägen<br />
Entgraten<br />
Wulsten,<br />
sicken, bohren<br />
Raus: Lager /<br />
ans Band /<br />
E-Lager<br />
Waschen<br />
Schweißen<br />
Lackieren<br />
Sägen<br />
Waschen Ausblasen<br />
Arbeiten in der Rohrbiegerei<br />
Entgraten<br />
(Auf Gärung)<br />
sägen<br />
Wulsten<br />
Schweißen<br />
Pulverbe-<br />
schichten<br />
Waschen<br />
Heften<br />
Schweißen<br />
Lackieren<br />
Rohrbiegerei Extern<br />
Biegen<br />
Auf Maß<br />
sägen<br />
Entgraten<br />
Wulsten,<br />
sicken, bohren<br />
Raus: Lager /<br />
ans Band /<br />
E-Lager<br />
MATVAR<br />
Waschen<br />
Schweißen<br />
Lackieren<br />
Bild 8: Abstrahierter Gesamtmaterialfluss durch die Rohrbiegerei alt - neu: Integration<br />
von Arbeitsschritten in die neue Kerninsel<br />
Durch die Vielzahl der Varianten, die große Zahl an Maschinen und Arbeitsplätzen<br />
und gebäudebedingte Restriktionen bzw. teilweise ortsunflexiblen Produktionsbereichen<br />
war die Erstellung eines Umstrukturierungskonzeptes eine komplexe Aufgabenstellung.<br />
Diese erforderte die systematische Vorgehensweise der neuen Methode,<br />
welche die Umstellung von Werkstattfertigung zu produktorientierter Fertigung<br />
trotz teilweise unteilbaren oder unversetzbaren Maschinen ermöglichte. Ferner<br />
mussten die Entscheidungen über die Zuordnung jeder Maschine zur Fertigungsinsel<br />
oder der Definition als Dienstleister nachvollziehbar und in der Menge beherrschbar<br />
sein.<br />
Das Kerninsel-Dienstleisterkonzept wurde in diesem Projekt bei zwei Fertigungsgruppen<br />
angewendet. Zum einen bei der zu integrierenden Kostenstelle der Rohrbiegerei<br />
zum anderen bei der bereits in Penzberg vorhandenen Schlafliegenfertigung.<br />
2-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
Arbeitsschritte: Alt: Neu: Strukturgründe in Penzberg<br />
Lagerung Extern Intern Lagererweiterung <strong>für</strong> neue Rohrdurchmesser<br />
Sägen Extern Intern Auslastung des Sägezentrums & neue Säge<br />
Entgraten (Ablängen) Intern & extern Intern Integration des Arbeitschritts in die Sägen<br />
Ausblasen Extern Intern Integration des Arbeitschritts in die Sägen<br />
Waschen Extern Extern Unteilbare Kapazität, Kapazitätsbedarf vieler Kostenstellen<br />
Biegen Intern Intern Kernkompetenz<br />
Auf Maß / Gärung sägen Intern Intern Kernkompetenz<br />
Entgraten (Sägen a. Maß) Intern Intern Kernkompetenz<br />
Wulsten, sicken bohren Intern & extern Intern Integration der Arbeitschritte in die Kerninsel<br />
Handschweißen Intern & extern Intern Integration der Arbeitschritte in die Kerninsel<br />
Roboterschweißen Extern Extern Keine wirtschaftliche Auslastung der Anlage möglich<br />
Heften Intern & extern Intern Integration der Arbeitschritte in die Kerninsel<br />
Grundieren Extern Extern Unteilbare Kapazität, Kapazitätsbedarf vieler Kostenstellen<br />
Pulverbeschichten Extern Extern Unteilbare Kapazität, nur bei MAN-München vorhanden<br />
Lackieren Extern Extern Unteilbare Kapazität, nur bei MAN-München vorhanden<br />
Intern = In der<br />
Rohrbiegerei<br />
Extern = In einer anderen Kostenstelle oder bei<br />
einem externen Dienstleister<br />
In In Penzberg sind sind Rohrlager, Sägerei, Biegen und und NachNachbearbeitung zu zu einer einer Kerninsel zusammengefasst.<br />
Verbleibende Maschinen werden als als Dienstleister<br />
der der Kerninsel zugeordnet.<br />
Bild 9: Zuordnung der einzelnen Fertigungsschritte zum neuen Kerninsel-<br />
Dienstleisterkonzept<br />
Die Ansiedlung der neuen Produktionsmittel und des Lagers <strong>für</strong> das benötigte Material<br />
in der Nähe der schon existierenden Rohrfertigung wurde realisiert. Das Konzept<br />
wurde wie folgt bei der Integration der Kostenstelle berücksichtigt. Zuerst wurden alle<br />
Arbeitsvorgänge, die bisher in anderen Kostenstellen angesiedelt waren, auf Integrationsfähigkeit<br />
in die Kostenstelle überprüft und soweit möglich in der Kostenstelle als<br />
Insel zusammengefasst (Bild 8 und Bild 9). Die verbleibenden Arbeitsschritte, die<br />
aufgrund von unteilbaren Kapazitäten oder dem Nichtvorhandensein von Anlagen an<br />
diesem Standort nicht in die Insel aufgenommen wurden, wurden als Dienstleister<br />
der Insel zugeordnet. Das Sägen und die anderen vorgelagerten Arbeitsschritte wurden<br />
ebenso wie Schweißen, Sicken und Wulsten der neuen Rohrbiegeinsel zugeordnet.<br />
Die Arbeitsschritte Waschen und Grundieren können nur an der einzigen in<br />
Penzberg vorhandenen Anlage durchgeführt werden. Die Arbeitsschritte Pulverbeschichten<br />
und Lackieren können dagegen nur in München oder bei externen Firmen<br />
durchgeführt werden, da die benötigten Anlagen nicht in Penzberg vorhanden sind<br />
und der in Penzberg anfallende Kapazitätsbedarf nicht die Auslastung einer eigenen<br />
Anlage ermöglicht. Für die integrierbaren Arbeitsschritte wurden die bisher benötigten<br />
Kapazitäten auf den jeweils erforderlichen Anlagen ermittelt. Das Roboterschweißen<br />
in München in einer anderen Kostenstelle kann auch in Penzberg nicht<br />
2-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
wirtschaftlich in die Kerninsel nach dem Umzug integriert werden. Daher wird diese<br />
Arbeit an die Automatenschweißerei in Penzberg vergeben. Diese fungiert daher<br />
auch als Dienstleister <strong>für</strong> die neue Kerninsel Rohrbiegen. Das Heften und das Handschweißen<br />
der Rohrbiegerei und einer anderen Kostenstelle in München werden in<br />
der neuen Kerninsel vereinigt. Eine gründliche Prüfung von benötigter Kapazität und<br />
Anlagenpotenzial wurde <strong>für</strong> Schweissen, Heften, Sicken, Wulsten etc. durchgeführt.<br />
Es stellte sich heraus, dass Synergien genutzt und Optimierungen durchgeführt werden<br />
konnten.<br />
Für die in Penzberg gelegenen Dienstleister wurde die durch die Integration der<br />
Kostenstelle hinzukommende Auslastung ermittelt und mit der Kapazität der Anlagen<br />
abgeglichen. Für die nur bei der MAN München vorhandenen Anlagen ändert sich<br />
die durch diese Kostenstelle bedingte Auslastung nicht. Bei der Steuerung der Arbeitsvorgänge<br />
ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Transport von Penzberg<br />
nach München innerhalb der Prozesskette dazukommt.<br />
2-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
Werk Penzberg Grundierung Waschanlage<br />
Roboterschweissen<br />
Werk München: Pulverbeschichten und Lackieren<br />
Richtpressen Sandstrahlen<br />
MATVAR<br />
Kerninsel 1: Rohrbiegerei aus München Betroffene Bereiche<br />
Kerninsel 2: Rohrbiegerei Penzberg Nicht betroffene Bereiche<br />
Kerninsel 3: Schlafliegenfertigung Wege<br />
Dienstleister Kerninsel aus 1. Projekt<br />
Bild 10: Neues Layout nach Integration der Rohrbiegerei und dem Bilden von<br />
Kerninseln und Dienstleistern<br />
4.2 Schlafliegenfertigung<br />
Ein weiteres Beispiel einer Kerninsel-Dienstleisterstruktur ist die Schlafliegenfertigung.<br />
Folgende Arbeitsfolge ist dabei zu beachten: Zusägen der Rahmenteile, Fließbohren<br />
in die Rahmenteile, Verschweißen der Rahmenteile zu einem Rahmen, Lackieren,<br />
Bespannen und Polstern des Rahmen. Bisher wurde jeder Arbeitsschritt<br />
dem Werkstattprinzip entsprechend in räumlich getrennten Kostenstellen durchgeführt.<br />
Im Zuge der Integration der Rohrbiegerei wurde eine Zusammenlegung mehrerer<br />
Arbeitschritte zu einer Inselfertigung vorgeschlagen. Lediglich das Sägen und Lackieren<br />
sind aufgrund der Unversetzbarkeit dieser Anlagen als Dienstleister in den<br />
Fertigungsfluss zu integrieren. Zusammengelegt wurden das Fließbohren in die<br />
Rahmenteile und das Verschweißen der Rahmenteile. Ferner wurde die Schlafliegenbespannung<br />
versetzt, so dass sie neben den Aufzug zur Polsterung der Schlafliegen<br />
aufgestellt wurde. Das Zusammenfassen aller Fertigungsschritte in einem Bereich<br />
ist aufgrund der engen räumlichen Verhältnisse nicht möglich. Durch eine mögliche<br />
Verlagerung der Montage einer Baugruppe in das Ausland, kann in Zukunft eine<br />
Halle vom Werksgelände von MAN Penzberg frei werden, in der die Schaffung dieser<br />
großen Fertigungs- und Montageinsel angedacht ist. Das Sägen und Grundieren als<br />
unteilbare Kapazitäten würden diese Insel als Dienstleiter mit Zuschnitten versorgen<br />
und die geschweißten Rahmen beschichten.<br />
2-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
7.00<br />
7.30<br />
8.00<br />
8.30<br />
9.00<br />
9.30<br />
10.00<br />
10.30<br />
11.00<br />
11.30<br />
12.00<br />
13.00<br />
13.30<br />
14.00<br />
14.30<br />
15.00<br />
15.30<br />
16.00<br />
16.30<br />
17.00<br />
100%<br />
1. Produktgruppe Fixtermin<br />
100%<br />
2. Produktgruppe Fixtermin<br />
100%<br />
Option<br />
100%<br />
1. Produktgruppe Fixtermin<br />
100%<br />
3. Produktgruppe-Optional<br />
100%<br />
Option<br />
100%<br />
3. Produktgruppe-Fixtermin<br />
100%<br />
2. Produktgruppe - Optional<br />
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />
Bild 9: Graphik der Zeitrastertafel zur Produktionssteuerung<br />
4.3 Produktionssteuerung <strong>für</strong> Dienstleister<br />
100%<br />
Option<br />
150%<br />
Service<br />
100%<br />
50%<br />
Option<br />
100%<br />
100%<br />
MATVAR<br />
Heterogene Strukturen, wie sie hier im Kerninsel-Dienstleisterkonzept vorgeschlagen<br />
und geplant werden, erfordern neben einem Instrument zum ständigen Strukturmonitoring<br />
auch ein System zur Steuerung zentraler Ressourcen durch dezentrale Einheiten.<br />
Das vorzustellende Konzept basiert auf einer zeitgerasterten Plantafel. Die<br />
Methode der angepassten, zeitgerasterten Plantafel soll die Lücke zwischen einfachen<br />
Prioritätsregeln und EDV-gestützten Planungssystemen schließen, um den<br />
Kerninseln die Möglichkeit zu geben, einfach und schnell Aufträge bei den unterschiedlichen<br />
Dienstleistern einlasten zu können.<br />
Mit dieser zur Feinterminierung herangezogenen Steuerung wird versucht, ein fest<br />
vorgegebenes Kapazitätsangebot in der Ressource Dienstleister anhand einer Zeitrasterung<br />
über einen festgelegten Zeitraum zur Auftragseinlastung <strong>für</strong> die Kerninseln<br />
zur Verfügung zu stellen. Die Zeitrasterung bedient sich einer rollierenden Planung,<br />
die einen kontinuierlichen Dispositionshorizont vorgibt. Die Zeitrasterung wird auf<br />
einer Tafel visualisiert und im Werkbereich, idealerweise am Dienstleistungsbereich,<br />
aufgestellt. Somit ist eine ständige Kontrolle und einfache Belegung durch die Mitarbeiter<br />
möglich.<br />
Eine Belegung erfolgt grundsätzlich durch die Kerninselmitarbeiter (Kunden) mittels<br />
Anstecken einer Belegungskarte zum vorgesehenen Einlastungstermin eines Auftrages<br />
in die Zeitrastertafel des Dienstleisters. Auf dieser Belegungskarte ist die Auf-<br />
1. Produktgruppe Fixtermin<br />
2. Produktgruppe Fixtermin<br />
3. Produktgruppe-Optional<br />
100%<br />
Option<br />
2-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
tragsnummer und die Belegungszeit <strong>für</strong> den Auftrag angegeben. Dem jeweiligen<br />
Disponenten der Kerninsel stehen aufgrund der Übersicht über Kapazitätsangebot<br />
und Ressourcenauslastung sowie den noch offenstehenden Bearbeitungszeiträumen<br />
Entscheidungshilfen zur Verfügung, um eine optimale Belegung sicherstellen zu<br />
können.<br />
Es sind verschiedene Staffelungen der Terminraster möglich, die unterschiedlich früh<br />
durch die Kunden (Kerninseln) belegt werden dürfen. Diese Maßnahme gewährleistet<br />
eine gleichmäßige Auslastung des Dienstleisters. Verschiedene Terminraster<br />
können auch einer Kerninsel fest zugeordnet werden, was dieser Kerninsel auch<br />
kurzfristige Belegungsmöglichkeiten eröffnet. Diese Variante ist insbesondere dann<br />
zu wählen, wenn sich die Vorlaufzeiten der Kerninseln maßgeblich unterscheiden. Im<br />
Allgemeinen kann jedoch von einer recht frühzeitigen Belegung durch das Kerninselpersonal<br />
ausgegangen werden, da bereits aus der Erfahrung der Werker bei Beginn<br />
der Auftragsbearbeitung abzusehen ist, zu welchem Zeitpunkt die Nutzung der<br />
Dienstleister erfolgen muss, um dem Endkundentermin gerecht zu werden. Die Werker<br />
berücksichtigen hierbei die Auslastung der Kerninsel, die Anwesenheit der Kollegen,<br />
die Motivation und vieles mehr, insbesondere auch Dinge, die in einer zentralen<br />
Planung nicht oder nur aufwendig erfasst werden können.<br />
Als Anwendungsbeispiel wird an dieser Stelle auf den Beitrag der Firma Leicher verwiesen,<br />
bei der dieses Hilfsmittel zur Auftragssteuerung erfolgreich eingesetzt wird.<br />
5 Zusammenfassung<br />
In den letzten Jahren berichteten viele Autoren von großen Erfolgen durch die Verbindung<br />
von Gruppenarbeit und Produktorientierung. Eine große Zahl an Konzepten<br />
im Bereich der Produktorientierung war die Folge. Die vorliegenden Strukturkonzepte<br />
<strong>für</strong> die Fertigung sind aber zumeist streng produktorientiert. Die strenge Produktorientierung<br />
konnte jedoch in vielen Produktionsunternehmen aufgrund der vorhandenen<br />
Betriebsmittel bzw. des schnell wechselnden Auftragsspektrums nicht eingeführt<br />
werden. Die schnelle Veränderung des Umfeldes steht der Einführung produktorientierter<br />
Strukturen diametral entgegen.<br />
Verschiedene Ansätze wurden erarbeitet, die kurzfristige, auftragsorientierte Strukturen<br />
erlauben. In diesen Ansätzen wird aber auf die Vorteile der Gruppenarbeit in<br />
weiten Teilen verzichtet. Die Kurzfristigkeit der Strukturen und der Verbindung zu<br />
bestimmten Produktgruppen kann eine Gruppendynamik nicht ausreichend aufkommen<br />
lassen. Neueste Arbeiten weisen darauf hin, dass die optimale Fertigungsstruktur<br />
eine Kombination aus Produkt- und Funktionsorientierung sein muss und so<br />
die spezifischen Merkmale des Unternehmens am besten unterstützt werden können.<br />
2-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
Die vorliegenden Strukturplanungsverfahren sind bisher entweder zur Planung funktionsorientierter-<br />
oder produktorientierter Strukturen erarbeitet worden. Die eigentliche<br />
Entscheidung über eine Strukturausrichtung muss schon vor der Anwendung<br />
dieser Methoden gefällt sein.<br />
Aber nicht nur die Methoden der einmaligen Planung stellen sich noch lückenhaft<br />
dar, sondern auch die Ansätze zur Weiterentwicklung der Strukturen. Die Anwendbarkeit<br />
der Methoden zur Planung in der Betriebsphase der Strukturen wurde bisher<br />
nur in wenigen Ansätzen untersucht. Die Weiterentwicklung wird in der Mehrzahl der<br />
Arbeiten entweder den Kräften der Selbstorganisation oder den klassischen Controllingmaßnahmen<br />
überlassen. Es lassen sich somit drei Handlungsfelder identifizieren:<br />
• die Verbindung der Vorteile von prozess- und funktionsorientierten Strukturen,<br />
• die Ergebnisneutralität der Planungsverfahren und<br />
• die Konzeption eines Strukturmonitoringinstrumentes.<br />
In diesem Beitrag wurde das Kerninsel-Dienstleisterkonzept, eine Verbindung aus<br />
Funktions- und Produktorientierung beschrieben. Die Funktionsorientierung spiegelt<br />
sich in den Einheiten der Dienstleister wider, die Prozessorientierung in den Kerninseleinheiten.<br />
Um eine derartige hybride Fertigungsstruktur zu planen, wurde eine neuartige Planungsvorgehensweise<br />
vorgeschlagen. Dieses Planungskonzept kann die komplexe<br />
Aufgabe der Einordnung der Betriebsmittel in die Fertigungsstruktur durch die Nutzung<br />
eines spezifischen Verfahrens auf der Basis von Polaritätsprofilen zur Visualisierung<br />
und Bewertung sowie den Mustervergleich effizient lösen.<br />
Aus der vorgestellten Vorgehensweise kann nicht nur der Zielzustand der Fertigungsstruktur<br />
abgeleitet, sondern auch die Einzelmaßnahmen priorisiert werden, um<br />
eine Umsetzungsstrategie erarbeiten zu können. Zur Abrundung des Strukturkonzeptes<br />
und dessen Betrieb wurde ein Steuerungskonzept <strong>für</strong> Dienstleister auf der<br />
Basis einer zeitgerasterten Plantafel vorgestellt.<br />
Das Gesamtkonzept zeigt Wege auf, wie ein Produktionsunternehmen in der Fertigung<br />
eine kombinierte Struktur aus produkt- und funktionsorientierten Bereichen planen,<br />
aufbauen, aber auch betreiben und überwachen kann. Es eröffnen sich durch<br />
die Kombination von Produkt- und Funktionsorientierung Möglichkeiten, dynamisch,<br />
sich anpassende, aber trotzdem unternehmensspezifische Strukturen zu planen und<br />
diese mit Hilfe des Monitoringinstruments zu überwachen. Die Wandlungsfähigkeit<br />
der Fertigungsstrukturen rückt in greifbare Nähe.<br />
2-18
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
6 Literatur<br />
AGGTELEKY 1981<br />
MATVAR<br />
Aggteleky, B.: Fabrikplanung - Werksentwicklung und Betriebsrationalisierung.<br />
Band1: Grundlagen, Zielplanung, Vorarbeiten. München: Carl<br />
Hanser, 1981.<br />
BURBIDGE 1994<br />
Burbidge, J. L. ; Halsall, J.: Group Technology an growth at Shalibane.<br />
Production Planning & Control (1994) Vol. 5 No. 2 S. 213-218.<br />
DAENZER 1989<br />
Daenzer, W. F.: Systems Engineering. 6. Aufl. Zürich: Industrielle Organisation,<br />
1989.<br />
DECKER 1995<br />
Decker, F.: Methoden der Auftragsteuerung in produktorientierten Fertigungsstrukturen.<br />
In: Reinhart, G.; Milberg, J.: Leittechnik und Informationslogistik<br />
- Mehr Transparenz in der Fertigung. München: <strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong><br />
Verlag Wissenschaft 1995, S. 29-49. (iwb-Seminarberichte 19).<br />
GERLACH U.A. 1996<br />
Gerlach, H.-H.; Bissel, D.; Kühling, M.: Virtuelle Fertigungsinseln. Industrie<br />
management 12 (1996) 3, S. 21 - 24.<br />
GRONAU & BRINKMANN 1996<br />
Gronau, N.; Brinkmann, N.: Produktionsplanung und Steuerung einer<br />
Fertigungsinsel <strong>für</strong> Verschleißteile. Industrie Management 12 (1996) 3, S.<br />
34- 38.<br />
IMK 1998<br />
IMK: Wie Unternehmen erfolgreich reorganisieren - Die Bewertung von<br />
teamorientierten Arbeitsstrukturen aus Expertensicht. Berichtsband Institut<br />
<strong>für</strong> Medienentwicklung und Kommunikation, Frankfurt 1998.<br />
Kath 1994<br />
Kath, H.: Horizontale Abstimmung dezentraler Leitstandsysteme. Bochum:<br />
Dissertation Univ., 1994. (Schriftenreihe des Lehrstuhl <strong>für</strong> Produktionssysteme<br />
Nr. 93.1).<br />
2-19
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Hirschberg, A., Broser, W.: Wandlungsfähige Produktionsstrukturen<br />
KETTNER U.A. 1984<br />
MATVAR<br />
Kettner, H.; Schmidt, J.; Greim, H.-R.: Leitfaden der systematischen Fabrikplanung.<br />
München: Carl Hanser, 1984.<br />
LAY U.A. 1997<br />
Lay, G.; Kinkel, S.; Mies, C..: Alle reden – Wenige handeln. In: Lay, G.,<br />
Mies, C. (Hrsg.): Erfolgreich reorganisieren. Berlin: Springer 1997, S. 3 –<br />
11.<br />
LULAY & DECKER 1996<br />
Lulay, W.; Decker, F.: Im Dialog optimierte Planung. Schweizer Maschinenmarkt<br />
(1996) 37, S. 28-33.<br />
LUTZ U.A. 1996<br />
Lutz, B.; Hartmann, M.; Hirsch-Kreinsen, H.: Produzieren im<br />
21.Jahrhundert,. Frankfurt: Campus, 1996.<br />
OPITZ 1966<br />
Opitz, H.: Werkstückbeschreibendes Klassifizierungssystem. Essen: Girardet,<br />
1966.<br />
REINHART U.A. 1999<br />
Reinhart, G.; Dürrschmidt, S.; Hirschberg, A.; Selke, C.: Wandel - Bedrohung<br />
oder Chance? Sollen Unternehmen Turbulenz vermeiden oder beherrschen.<br />
io-management 68 (1999) 5, S. 20–24.<br />
TÖNSHOFF & GLÖCKNER 1994<br />
Tönshoff, H. K.; Glöckner, M.: Logische Fertigungsinseln - Ein alternatives<br />
Konzept <strong>für</strong> Einzel- und Kleinserienfertiger. ZWF 89 (1994) 12, S.<br />
607-609.<br />
TÖNSHOFF U.A. 1995<br />
Tönshoff, H. K; Rotzoll, M. A.; Verweij, M. J.; Schröder, A.: Benchmarking<br />
von Fertigungsstrukturen. ZWF 90 (1995) 11, S. 548 – 550.<br />
Wildemann 1993<br />
Wildemann, H.: Fertigungsstrategien. München: TCW-Transfer-Centrum<br />
GmbH, 1993.<br />
2-20
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
MATVAR<br />
5HDOLVLHUXQJ IOH[LEOHU 9HUNHWWXQJHQ<br />
YRQ )HUWLJXQJVLQVHOQ LP 6LQQH NXU<br />
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*HVFKlIWVOHLWXQJVDVVLVWHQW<br />
/HLFKHU *PE+ &R<br />
)HULQJDVWU<br />
8QWHUI|KULQJ<br />
3-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
1 Ziel des Vorhabens<br />
Bild 1: Unternehmensgruppe Leicher<br />
MATVAR<br />
Spezifisches Ziel ist die flexible Verkettung der existierenden Fertigungsinseln im<br />
Sinne kurzer Wege und schneller Reaktionszeiten durch die Verbindung von zentral<br />
und dezentral gesteuertem Materialfluss. Die Kombination aus zentraler und dezentraler<br />
Inselversorgung soll eine optimale Auslastung der vorhandenen Ressourcen<br />
(Personal und MF-Kapazität) ermöglichen und durch geeignete Steuerungsmechanismen<br />
unterstützt werden. Die Gesamtdurchlaufzeit bezogen auf die Fertigungsinseln<br />
soll dabei wesentlich verkürzt sowie die Bestände und Fehlerkosten deutlich<br />
gesenkt werden. Das bestehende Inselkonzept soll da<strong>für</strong> so weiterentwickelt werden,<br />
dass ortsfeste Maschinen und Anlagen mit Hilfe organisatorischer und technischer<br />
Maßnahmen eingebunden werden können.<br />
Im ersten Projektteil wurde dazu beispielhaft eine geeignete Steuerungsstrategie <strong>für</strong><br />
eine vorhandene Lackieranlage entwickelt, die in drei bereits bestehende Fertigungsinseln<br />
eingegliedert werden soll.<br />
Im zweiten Teil wurde eine dezentrale Feinsteuerung entwickelt, die sich an der Veränderung<br />
der tatsächlichen Umlaufbestände vor Ort orientiert und berücksichtigt,<br />
dass in der Praxis ständig wechselnde Engpässe oft auch überraschend auftreten<br />
können.<br />
3-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
Vorfertigung<br />
Produktgruppe 1<br />
Produktgruppe 2<br />
Produktgruppe 3<br />
Engineering<br />
Engineering<br />
Sonstige<br />
Bestellwesen<br />
Bestellwesen<br />
Planung<br />
Vorbereitung<br />
Vorbereitung<br />
Endkontrolle<br />
Produktion Endkontrolle<br />
Bild 2: Fertigungsinselorganisation Werk Unterföhring<br />
Lack<br />
Verpacken<br />
Auslieferung<br />
Auslieferung<br />
MATVAR<br />
Die Steuerungen sollen das Wissen und die Erfahrung der Mitarbeiter vor Ort mit<br />
einbeziehen und die steuerungsrelevanten Größen <strong>für</strong> die Gruppe transparent machen.<br />
Das Konzept steht im Gegensatz zur Funktionsweise herkömmlicher PPS-Systeme,<br />
die unvorhersehbare Ereignisse vor Ort nicht in ausreichender Schnelligkeit berücksichtigen<br />
können.<br />
2 Beschreibung des Testumfeldes<br />
Die Produktion im Werk Unterföhring ist eine Einzelfertigung (selten Kleinserien) mit<br />
hoher Variantenzahl und hoher Fertigungstiefe. Die Fertigung ist charakterisiert<br />
durch einen hohen Anteil an Montagetätigkeiten, der Automatisierungsgrad ist vergleichsweise<br />
gering. Die ehemals funktionale Ausrichtung der Fertigung wurde 1996<br />
durch ein produkt-/teilebezogenes Fertigungsinselkonzept ersetzt, das neben einer<br />
umfangreichen Maschinenumstellung die Einführung der Gruppenarbeit nach sich<br />
zog. Gruppenarbeit bei Leicher beinhaltet neben der Integration der indirekten Tätigkeiten<br />
und der Mehrfachqualifikation insbesondere die Verlagerung der Termin- und<br />
Zeitverantwortung in die Gruppen. Das PPS-System dient lediglich zur Grobplanung,<br />
die Feinsteuerung wird weitgehend von den Gruppen selbst vorgenommen. Dies<br />
3-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
MATVAR<br />
setzt eine hohe Transparenz voraus, die u.a. durch den Einsatz visueller Managementmethoden<br />
sichergestellt wird.<br />
Bild 2 zeigt die vier Fertigungsinseln im Werk Unterföhring. Bis auf die Vorfertigung<br />
durchlaufen alle anderen Fertigungsinseln eine Lackiererei. Die Vorfertigung versorgt<br />
die übrigen Inseln mit Halbfertigteilen. Die Inseln zeichnen sich durch die Integration<br />
sämtlicher Funktionen aus, die zur kompletten Abwicklung des Produktes ab der<br />
technischen Klärung bis zur Auslieferung ausgeführt werden müssen. Dazu zählen<br />
insbesondere auch die Funktionen Planen, Bestellabrufe direkt beim Lieferanten und<br />
Verpacken.<br />
3 Konzeption „Zugriffssteuerung Lackieranlage“<br />
Das bestehende Fertigungsinselkonzept wurde dahingehend erweitert, dass ortsfeste<br />
Maschinen und Anlagen mit Hilfe organisatorischer und technischer Maßnahmen<br />
eingebunden werden können. Dazu wurde exemplarisch eine Steuerungsstrategie<br />
<strong>für</strong> eine vorhandene Lackieranlage entwickelt.<br />
3.1 Ausgangssituation<br />
In den Fertigungsinseln werden aus gegebenem Ausgangsmaterial Produktteile oder<br />
Endprodukte möglichst vollständig gefertigt. Die notwendigen Betriebsmittel sind<br />
räumlich und organisatorisch in den Fertigungsinseln zusammengefasst.<br />
Ausnahmen bilden Maschinen bzw. Anlagen, die aufgrund von technischen, wirtschaftlichen<br />
oder arbeitsschutzrechtlichen Gründen ortsgebunden sind, wie z.B. Lackieranlagen.<br />
Für derartige Anlagen fehlen bisher integrative flexible Konzepte, die<br />
den sich dynamisch ändernden Anforderungen aufgrund kürzerer Produktlebenszyklen<br />
und hoher Variantenvielfalt bei kleiner werdenden Losgrössen standhalten.<br />
Dadurch existieren in den meisten Fällen immer noch Schnittstellen zu abhängigen<br />
Fertigungseinheiten, die zum einen den Materialfluss behindern und zum anderen<br />
einer angestrebten Kongruenz zwischen Verantwortung und Beeinflussbarkeit der<br />
Gruppenleistung innerhalb der Inseln im Wege stehen.<br />
Im konkreten Fall war, bedingt durch die oben genannten Probleme, der Informationsfluss<br />
zwischen den Fertigungsinseln und der Lackiererei unzureichend. Der<br />
Zugriff erfolgte weitgehend ungesteuert, Engpässe bzw. Unterlasten wurden zu spät<br />
erkannt. Daraus resultierten vor der Lackiererei häufige Auftragsstaus, die nicht nur<br />
die Gesamtdurchlaufzeit stark erhöhten, sondern auch zu hohen Effizienzverlusten<br />
durch Suchen, Umtransporte und Zwischenlagerungen führten sowie einen hohen<br />
Koordinationsaufwand von außen verursachten. Die Komplexität vor der Lackiererei<br />
war zeitweise so hoch, dass trotz des hohen Koordinationsaufwandes von außen die<br />
vor- und nachgelagerten Fertigungsinselkapazitäten falsch eingesetzt wurden.<br />
3-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
3.2 Beschreibung der Steuerungsstrategie<br />
MATVAR<br />
Zentrales Anliegen war die Entwicklung einer möglichst „offenen“ Steuerung, die die<br />
Vorteile einer inselstrukturierten Fertigung weitestgehend unterstützt.<br />
Durch den gemeinsamen Zugriff mehrerer Fertigungsinseln auf eine Ressource waren<br />
unterschiedliche Aufgaben und Ziele durch die Steuerung in Einklang zu bringen:<br />
• Hohe Termintreue<br />
• Kurze Durchlaufzeiten<br />
• Hohe Reaktionsgeschwindigkeit auf Änderungen<br />
• Vermeidung von Kapazitätsüberlastungen<br />
• Weitgehende Selbststeuerung durch die Inseln<br />
• Hohe Transparenz und Übersichtlichkeit<br />
Die Situationsanalyse bezüglich Fertigungsinselstrukturen weist einen hohen Dispositionsspielraum<br />
sowie eine weitgehende Selbststeuerung und Planung der Produktionsprozesse<br />
durch die Inselmitarbeiter als charakteristische Ausprägung <strong>für</strong> diese<br />
Form der Fertigung aus.<br />
Uhrzeit<br />
7<br />
8<br />
9<br />
10<br />
11<br />
12<br />
13<br />
14<br />
15<br />
16<br />
17<br />
MF-FIX<br />
GEA-FIX<br />
Option<br />
MF-FIX<br />
TT-Option<br />
Option<br />
TT-Fix<br />
GEA-Option<br />
Montag Dienstag Mittwoch Donnerstag Freitag<br />
Bild 3: Zeitrastertafel Lackiererei<br />
Option<br />
Service<br />
MF-Fix<br />
Option<br />
GEA-Fix<br />
MF-Option<br />
Option<br />
3-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
MATVAR<br />
Eine durchgeführte Eignungsuntersuchung verschiedener Steuerungsvarianten zur<br />
feinplanerischen Auftragseinsteuerung ergab, dass im Rahmen vorgegebener Prämissen<br />
und der speziellen Situation der auftragsorientierten Fertigung der Einsatz<br />
einer zentralen Steuerung oder einer dezentralen Steuerung mit Hilfe von Prioritätsregeln<br />
zu keinen optimalen Ergebnissen führen würde.<br />
Stattdessen wurde die verfügbare Wochenkapazität der Lackiererei auf einer Karten-<br />
Stecktafel abgebildet und mit einem Zeitraster versehen (Bild 3). Jeder Fertigungsinsel<br />
wurden darin vorab fixe Time-Slots entsprechend ihres bisherigen Kapazitätsbedarfes<br />
reserviert. Die restliche Kapazität wurde in optionale Slots aufgeteilt, die jederzeit<br />
auf first come-first serve-Basis reserviert werden können. Die Kapazitäsbelegung<br />
erfolgt durch die Fertigungsmitarbeiter selbst mit Hilfe von zweifarbigen Wendeplättchen,<br />
die im Halbstundenraster gestückelt wurden. Bei Auftragsfreigabe erhält<br />
jede Gruppe ein separates Auftragskärtchen mit der geplanten Lackierzeit. Die<br />
Gruppe bestimmt nun entsprechend ihrer eigenen Planung den Zeitpunkt der Bereitstellung<br />
vor der Lackiererei, belegt diesen mit der Auftragskarte und wendet die entsprechenden<br />
Kapazitätsplättchen auf der Rastertafel.<br />
3.3 Auswirkungen der Steuerung<br />
Die gesamtheitliche Konzeption und Integration des Systems „Zeitrasterung“ in den<br />
Fertigungsablauf ohne zusätzliche Schnittstelle ergibt eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit<br />
der Steuerung.<br />
Es wird nicht nur eine hervorragende Transparenz über die aktuelle Auftragssituation<br />
vor der Lackiererei geschaffen, sondern auch gleichzeitig die zu bearbeitende Auftragsreihenfolge<br />
eindeutig festgelegt. Engpässe werden rechtzeitig erkannt und können<br />
gemeinsamen mit den Prozessverantwortlichen abgestimmt werden. Unvorhergesehene<br />
Ereignisse in den vorgelagerten Prozessen können von der Gruppe<br />
ebenfalls umgehend berücksichtigt werden.<br />
Im Hinblick auf die Reaktionsfähigkeit konnte eine Verbesserung der Gesamtdurchlaufzeit<br />
bei allen Fertigungsinseln festgestellt werden, die in der Reduzierung der<br />
Liegezeiten, der besseren Kooperation zwischen den Inseln und Ressource und der<br />
klaren Auftragsvergabe liegt. Während beispielsweise 1995 nur 30% aller Geldeinzahlungsautomaten<br />
und nur 20% aller Schliessfachanlagen innerhalb 2 bzw. 4 Kalenderwochen<br />
gefertigt und verpackt werden konnten, waren es 1998 bereits jeweils<br />
knapp 90% aller Aufträge (Bild 4). Im Zuge der verbesserten Reaktionsfähigkeit<br />
konnte gleichzeitig die tagesgenaue Liefertreue auf einen Wert über 95% gesteigert<br />
werden.<br />
3-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
rel.Häufigkeit (Balken)<br />
rel.Häufigkeit (Balken)<br />
PG: Geldeinzahlungsautomaten PG: Schliessfachanlagen<br />
1995<br />
1995<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />
1998<br />
7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />
Klassen in Kalendertagen<br />
110,00%<br />
100,00%<br />
90,00%<br />
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
kum. Häufigkeit (Linie)<br />
110,00%<br />
100,00%<br />
90,00%<br />
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
kum. Häufigkeit (Linie)<br />
rel.Häufigkeit (Balken)<br />
rel.Häufigkeit (Balken)<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />
1998<br />
7 14 21 28 35 42 49 56 63 70<br />
Klassen in Kalendertagen<br />
MATVAR<br />
110,00%<br />
100,00%<br />
90,00%<br />
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
110,00%<br />
100,00%<br />
90,00%<br />
80,00%<br />
70,00%<br />
60,00%<br />
50,00%<br />
40,00%<br />
30,00%<br />
20,00%<br />
10,00%<br />
0,00%<br />
Bild 4: Veränderung der Durchlaufzeiten je Produktgruppe von 1995 bis 1998<br />
Auch die Wirtschaftlichkeit konnte in vielen Bereichen verbessert werden. Durch den<br />
verbesserten Materialfluss konnten die Umlaufbestände vor der Lackierei wie erwartet<br />
gesenkt werden. Die Komplexität in diesem Bereich konnte dadurch wesentlich<br />
reduziert werden und folglich auch der indirekte Aufwand zu deren Bewältigung. Zusätzliche<br />
Effizienzgewinne resultierten auch durch einen optimaleren Arbeitseinsatz<br />
in der Lackierei selbst aufgrund der transparenteren Auslastungssituation in Verbindung<br />
mit dem Einsatz flexibler Arbeitszeitmodelle sowie durch die höhere Motivation<br />
der Mitarbeiter.<br />
4 Konzeption „Umlaufbestandgesteuertes Fertigungssegment“<br />
Im Teil 2 wurde eine Steuerungsstrategie entwickelt, die den Materialfluss direkt über<br />
die Veränderung der tatsächlichen Umlaufbestände vor Ort steuert. Für die Einführung<br />
wurde ein Fertigungssegment ausgewählt, das ein externes Werk und vier<br />
nachgelagerte Montageinseln mit Standard-Halbfertigteilen versorgt.<br />
In dem betreffenden Segment sind räumlich ca. 20 Maschinen vorwiegend zur<br />
spanlosen Blechbearbeitung zusammengefasst. Der Maschinentyp reicht von der<br />
einfachen Ständerbohrmaschine bis zum CNC-Laser. Die Engpässe wechseln je<br />
kum. Häufigkeit (Linie)<br />
kum. Häufigkeit (Linie)<br />
3-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
MATVAR<br />
nach Einlastungsspektrum. Die Testgruppe umfasst 11 Mitarbeiter einschließlich<br />
Planer, NC-Programmierung und Prozessverantwortlichen.<br />
4.1 Ausgangssituation<br />
Die Ausgangssituation war durch den Stückkostengedanken gekennzeichnet: Rüstkostenoptimierung<br />
bei hoher Auslastung. Die Steuerung erfolgte nach dem Prinzip<br />
der Rückwärtsterminierung durch ein klassisches PPS-System, das unvorhersehbare<br />
Ereignisse vor Ort nicht in ausreichender Schnelligkeit berücksichtigen konnte. Die<br />
Auftragssituation war <strong>für</strong> die Gruppe vor Ort wenig transparent. Geeignete Lose wurden<br />
nach rüsttechnischen Gesichtspunkten zusammengefasst. Die Planung wurde<br />
häufig durch Schnellschüsse und sog. Chefaufträge gestört. Angefangene Aufträge<br />
wurden zugunsten der Stückkosten in Zwischenläger gebracht, vor den Maschinen<br />
herrschte Platzmangel. Die Folge waren hohe indirekte Kosten, die vor allem durch<br />
den zwangsläufigen Komplexitätsanstieg in der Produktion verursacht wurden.<br />
4.2 Beschreibung der Steuerungsstrategie<br />
Entscheidend <strong>für</strong> den Abbau von Belastungsspitzen ist der Durchsatz am Engpass.<br />
Das Problem reduziert sich somit auf das geeignete Engpassmanagement. Der oder<br />
die Engpässe werden zunächst von der Gruppe mit einem „Engpasszeiger“ markiert<br />
(Bild 5 links). Die Laufzeit wird, wenn nötig, entsprechend verlängert. Für häufig auftretende<br />
Engpässe sind Alternativkapazitäten bekannt. Diese können auch in einem<br />
anderen Fertigungsbereich liegen. Die klassische Fertigungsinsel wird damit vorübergehend<br />
bezogen auf den Engpass zu einer logischen Insel erweitert.<br />
Deutliches Warnsignal <strong>für</strong> einen Engpass sind in erster Linie wachsende Umlaufbestände<br />
vor der betreffenden Maschine, die ständig von den Mitarbeitern optisch oder<br />
mit Hilfe eines Warteschlangenzeigers kontrolliert werden (Bild 5 links).<br />
Überschreitet der Umlaufbestand vor dem Engpass eine kritische Obergrenze (Bild 5<br />
rechts), die im wesentlichen durch den Anstieg der Komplexität vor der Maschine<br />
bestimmt ist, gibt der Mitarbeiter ein Signal. Das Signal bedeutet <strong>für</strong> die vorgelagerten<br />
Maschinen, nur noch Aufträge zu fertigen, die nicht über den oder die Engpässe<br />
laufen oder anzuhalten, falls keine anderen Aufträge innerhalb eines vereinbarten<br />
Zeitfensters liegen. Die betroffenen Aufträge erkennt jeder Mitarbeiter anhand seiner<br />
Auftragsvorratsliste, die alle notwendigen Informationen <strong>für</strong> die Feinsteuerung vor Ort<br />
enthält. Das Stop-Signal gilt solange, bis der Umlaufbestand vor der Maschine den<br />
kritischen Bereich wieder verlassen hat.<br />
Der kritische Bereich muss individuell <strong>für</strong> jede Maschine bestimmt werden. Er wird<br />
nach oben durch die Komplexität bestimmt, die vor der Maschine gerade noch mit<br />
vertretbarem Aufwand zu bewältigen ist (wenig Suchen, Umtransportieren etc.) und<br />
3-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
Bild 5: Engpasszeiger mit Umlaufbestandsanzeige<br />
MATVAR<br />
nach unten durch die vorgelagerten Maschinen, die eine ständige Versorgung des<br />
Engpasses ohne Wartezeiten sicherstellen müssen.<br />
Die Bearbeitungsreihenfolge der Aufträge wird in erster Linie nach dem Kriterium<br />
Endtermin gebildet. Rüsttechnische Überlegungen spielen nicht mehr die übergeordnete<br />
Rolle, da eventueller Rüstmehraufwand in vielen Fällen durch die Zeitersparnis<br />
in den indirekten Bereichen (Lager, Transporte, Planung etc.) überkompensiert wird.<br />
4.3 Auswirkungen der Steuerung<br />
Das Konzept hat wie erwartet zu deutlichen Verbesserungen bei allen wichtigen<br />
Leistungsstandards geführt. Es konnten bereits frühzeitig deutliche Produktivitätsgewinne<br />
erzielt werden, die zu Einsparungen vorwiegend bei den indirekten Personalkosten<br />
führten. Die Durchlaufzeiten konnten durch die neue Steuerungsstrategie und<br />
den folgerichtigen Verzicht auf Zwischenläger sowie die Reduzierung der Losgrössen<br />
<strong>für</strong> 90% aller Aufträge kleiner als 4 Werktage gehalten werden (Bild 6). Der Verzug<br />
konnte entsprechend geringer gehalten werden, was insbesondere auch in den<br />
nachgelagerten Bereichen zu Produktivitätssteigerungen und besserer Arbeitszufriedenheit<br />
geführt hat. Die Umlaufbestände konnten ebenfalls deutlich gesenkt werden.<br />
2 Regalbereiche im Lager konnten abgebaut werden. Die frei gewordene Produktivfläche<br />
kann nun <strong>für</strong> weitere Ablaufverbesserungen eingesetzt werden.<br />
3-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
100,0%<br />
90,0%<br />
80,0%<br />
70,0%<br />
60,0%<br />
50,0%<br />
40,0%<br />
30,0%<br />
20,0%<br />
10,0%<br />
0,0%<br />
3. Quartal 1999<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21<br />
Kalendertage<br />
Bild 6: Durchlaufzeitverteilung in der Vorfertigung 1999<br />
MATVAR<br />
Ein vorübergehender Einbruch wurde während der Anpassung des PPS-Systems<br />
verzeichnet. Der hohe Schulungsaufwand im Vorfeld hat zunächst nicht ausgereicht<br />
um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Die vollständige Übertragung<br />
der Verantwortung auf die einzelnen Gruppenmitgliedern gelang erst nach einer<br />
dreimonatigen Anlaufzeit, in der auch System- und Datenübertragungsfehler behoben<br />
werden mussten. In dieser Zeit musste das Projektteam häufig von außen korrigierend<br />
eingreifen.<br />
Abschließend kann jedoch festgestellt werden, dass der hohe Schulungsaufwand<br />
und die Anlaufschwierigkeiten durch die oben genannten Ergebnisse leicht gerechtfertigt<br />
werden.<br />
5 Ergebnis und Ausblick<br />
Um die gesamte zeitliche Effizienz der gefundenen Lösungen beurteilen zu können,<br />
wurde in 1999 die Entwicklung der Werksproduktivität verfolgt (Bild 7). Da hohe Einzeleffizienzen<br />
nicht zwangsläufig zu einem Gesamtoptimum führen, kann die richtige<br />
Produktivitätsbetrachtung demzufolge also nur die Gesamtproduktivität einschließlich<br />
der indirekten Aufwendungen Lager, innerbetriebliche Transporte und Planung sein.<br />
Leicher ermittelt aus diesen Überlegungen heraus die Produktivitätskennzahlen auf<br />
Werks- und auf Inselebene einschließlich aller indirekten Bereiche als Verhältnis von<br />
100,0%<br />
90,0%<br />
80,0%<br />
70,0%<br />
60,0%<br />
50,0%<br />
40,0%<br />
30,0%<br />
20,0%<br />
10,0%<br />
0,0%<br />
3-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Leicher, M.: Realisierung flexibler Verkettungen von Fertigungsinseln<br />
MATVAR<br />
geleisteter Produktivzeit zu gesamter Anwesenheitszeit plus bezahlter Krankheitszeit.<br />
6.000,00<br />
5.750,00<br />
5.500,00<br />
5.250,00<br />
5.000,00<br />
4.750,00<br />
4.500,00<br />
4.250,00<br />
4.000,00<br />
3.750,00<br />
3.500,00<br />
3.250,00<br />
3.000,00<br />
2.750,00<br />
2.500,00<br />
2.250,00<br />
2.000,00<br />
1.750,00<br />
1.500,00<br />
1.250,00<br />
1.000,00<br />
750,00<br />
500,00<br />
250,00<br />
0,00<br />
Produktivzeit<br />
Produktivitätsveränderung<br />
Anpassung<br />
PPS-System<br />
Jan Feb Mar Apr Mai Jun<br />
Monat<br />
Jul Aug Sep Okt Nov Dez<br />
Bild 7: Entwicklung der Werksproduktivität 1999<br />
130,00%<br />
125,00%<br />
120,00%<br />
115,00%<br />
110,00%<br />
105,00%<br />
100,00%<br />
Kann in Bild 7 die niedrige Ausgangsproduktivität im Januar noch auf die saisonübliche<br />
niedrige Auslastung zurückgeführt werden („geringer Druck“), ist der Anstieg um<br />
15% von Februar bis September eindeutig auf die neue Verkettung der Fertigungsinseln<br />
zurückzuführen.<br />
Die beschriebene Problemstellung ist auf eine Vielzahl von Industrieunternehmen<br />
übertragbar. Die Steuerungsstrategie könnte im Kern von vielen Unternehmen übernommen<br />
werden. Konsequenzen ergeben sich auch <strong>für</strong> die Funktionalität von PPS-<br />
Systemen in Bezug auf die Feinsteuerung. Geplante Aufträge müssten entsprechend<br />
neu priorisiert werden. Die Aufträge könnten mittels eines Datenbankfilters in 2 Klassen<br />
geteilt werden: in solche, die über den oder die Engpässe laufen und in solche,<br />
die es nicht tun. Solange der Umlaufbestand im kritischen Bereich liegt, ist der Filter<br />
aktiv und es können nur Nicht-Engpassaufträge begonnen werden. Die Aktivierung<br />
des Filters könnte dezentral vor Ort erfolgen. Eine solche Verknüpfung der entwickelten<br />
Steuerungsstrategie mit einem PPS-System wurde von uns Ende 1999 begonnen<br />
und wird in Zukunft weiter verfolgt werden.<br />
95,00%<br />
90,00%<br />
85,00%<br />
80,00%<br />
75,00%<br />
70,00%<br />
3-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
(QWZLFNOXQJ HLQHV 0DWHULDOIOXVV<br />
$QDO\VH XQG 3ODQXQJVKLOIVPLWWHOV<br />
$XI GHP :HJ ]XP /RJLVWLN<br />
&RQWUROOLQJ"<br />
'LSO ,QJ +HLNR %DON<br />
%6+ %RVFK XQG 6LHPHQV +DXVJHUlWH *PE+<br />
7HFKQLVFKH 'LHQVWH :HUNVSODQXQJ<br />
:HUQHU YRQ 6LHPHQV 6WUD‰H<br />
7UDXQUHXW<br />
MATVAR<br />
4-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
1 Ausgangssituation<br />
Bild 1: Fabrik Traunreut Herde<br />
1.1 Die Fabrik Traunreut Herde<br />
MATVAR<br />
Die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH nimmt mit dem Werk Traunreut als<br />
Anwender im Verbundprojekt MATVAR teil. Im Werk Traunreut (FTH) werden im<br />
Wesentlichen Einbauherde, Standherde, Mikrowellenherde, Kochfelder und Warmwassergeräte<br />
gefertigt. Auf 132.000 m 2 Nutzfläche werden mit 2400 Mitarbeitern<br />
1,8 Millionen Geräte jährlich produziert.<br />
Der Standort ist nach dem Prinzip „Fabrik-in-der-Fabrik“ (FIF) segmentiert. Die vier<br />
Montage-FIFs sind auf die Produktmärkte ausgerichtet. Vorfertigungs- und Oberflächenprozesse<br />
sind aufgrund fertigungstechnischer Kernkompetenzen als FIF organisiert.<br />
Eine FIF beinhaltet folgende Funktionen:<br />
• Produktion<br />
• Disposition von Montage- / Fertigungsaufträgen<br />
• Disposition der Zulieferer<br />
• Technische Planung, Industrial Engineering,<br />
• Arbeitsplanung, Zeitwirtschaft<br />
Die Segmente bilden räumlich integrierte Einheiten.<br />
4-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Vorfertiungsfabrik<br />
Oberflächenfabrik<br />
Lagerbereich<br />
Montage<br />
Montage<br />
Montage<br />
1.2 Das Planungsfeld<br />
Verpackung<br />
und<br />
Versand<br />
Montage<br />
Planungfeld<br />
Kennzahlen<br />
bezogen<br />
auf Gesamt<br />
Anzahl<br />
Mitarbeiter<br />
gesamt<br />
Anzahl<br />
Mitarbeiter<br />
indirekt<br />
Anzahl<br />
Mitarbeiter<br />
direkt<br />
Veredelungsleistung<br />
p.a.<br />
Nutzfläche<br />
Gebinde-bewegungen<br />
Bild 2: Schematische Darstellung des Planungsfelds<br />
Planungsfeld<br />
MATVAR<br />
Die Versorgung der Montagen aus vorgeschalteten Lagern erfolgt fast vollständig<br />
durch teilweise neugestaltete, automatisierte Fördersysteme, sowie durch ein fahrerloses<br />
Transportsystem. Für das Projekt wurden deshalb die <strong>Fertigungssegmente</strong><br />
Vorfertigungs- und Oberflächenfabrik als Planungsfeld definiert. In diesem Bereich<br />
sind neben anlagenorientierten Stetigförderern verschiedene Flurförderzeuge im Einsatz.<br />
Der hallenübergreifende Transport findet ab bestimmten Distanzen mittels sogenannter<br />
Schleppzüge (Stapler mit ein bis zwei Anhängern) statt.<br />
15 %<br />
10 %<br />
19 %<br />
18 %<br />
23 %<br />
30 %<br />
4-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Transferpressen<br />
Schweißen<br />
Oberflächen-<br />
beschichtung<br />
PuF-Förderer<br />
Baugruppen-<br />
montage<br />
Eigenfertigungsteile<br />
Bahn / LKW -<br />
Anlieferung<br />
Krananlage<br />
Stapler &<br />
Regale<br />
Stapler &<br />
Regale<br />
Stapler &<br />
Regale<br />
Stapler &<br />
Regale<br />
Transferpressen<br />
Schweißen<br />
PuF-Förderer<br />
Em aillieren<br />
Puffern<br />
Geräte-<br />
montage<br />
Fördersystem<br />
Stapler &<br />
Freistapel<br />
Bahn / LKW -<br />
Abtransport<br />
Bild 3: Schematische Darstellung der Fertigungsstruktur<br />
MATVAR<br />
Im Planungsfeld herrscht eine Mischstruktur aus funktionsorientierter Maschinenausrüstung<br />
und baugruppenspezifischen Prozessketten. Das Ausgangsmaterial der<br />
Blechbearbeitung sind Coils. Über ein bis vier Fertigungsstufen werden montagefertige<br />
Baugruppen erzeugt. Die Arbeitsprozesse werden nach dem Verrichtungsprinzip<br />
geführt. Die Fertigungsaufträge an den Pressen sind wegen hoher Stückleistung je<br />
Materialnummer und großen Rüstaufwands zwischen den Aufträgen durch hohe<br />
Losgrößen gekennzeichnet. Der Verbrauch montagefertiger Baugruppen richtet sich<br />
nach dem aktuellen Marktbedarf und beträgt nur einen Bruchteil der Pressenlose.<br />
Dadurch ist es zwingend notwendig, die einzelnen Fertigungsstufen durch Puffer zu<br />
entkoppeln.<br />
Kennzeichnend <strong>für</strong> das Produktionslayout sind strukturelle Invarianzen. Diese bestehen<br />
einerseits aus einer seit über 50 Jahren gewachsenen und damit suboptimalen<br />
Gebäudestruktur, andererseits aus einer Vielzahl an standortfixen Maschinen und<br />
Anlagen, wie Großpressen, Schweißanlagen, Emaillier- und Lackieranlagen.<br />
Dennoch weist die Anschaffung neuer Maschinen und Anlagen im Planungsfeld, sowie<br />
die Neueinführung bzw. Änderung von ca. 90% des Teilespektrums, verbunden<br />
mit Fertigungstiefenerhöhungen, auf ein durchaus dynamisches Produktionsumfeld<br />
hin.<br />
4-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
2 Zielsetzung<br />
MATVAR<br />
Eine konventionelle Layoutoptimierung durch Vertauschen von Produktionsstandorten<br />
stößt aufgrund der genannten Fixpunkte im Planungsfeld an ihre Grenzen. Trotzdem<br />
ist es gerade bei den o.g. Neuanschaffungen oder Teileeinführungen wichtig,<br />
die entstehenden Materialflüsse bereits in der Planungsphase zu optimieren.<br />
Vorraussetzung <strong>für</strong> die Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen, genauso wie<br />
<strong>für</strong> Neuplanungen, ist eine möglichst umfassende Transparenz in den Materialflussbeziehungen,<br />
sowie die Identifikation vorhandener Schwachstellen und Problemfelder.<br />
Aufgrund des hohen Aufwands waren bisher flächendeckende Materialflussanalysen<br />
und -planungen in der Praxis kaum durchführbar.<br />
Aus diesen Gründen war es, neben der Ableitung konkreter Maßnahmen, das<br />
Hauptziel, ein EDV-gestütztes Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittel (im<br />
Folgenden auch MATVAR-Datenbanken genannt) zu entwickeln, das aufgrund seiner<br />
Flexibilität schnell auf veränderte Verhältnisse oder Fragestellungen anzupassen<br />
ist. Dabei war gleichzeitig auf vertretbaren Aufwand bei der Anwendung des Hilfsmittels<br />
zu achten.<br />
4-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
3 Vorgehensweise<br />
Bild 4: Struktur der Datenführung<br />
MATVAR<br />
Eine erste Phase des Projekts wurde in einem Team aus FTH-Mitarbeitern zusammen<br />
mit dem ifp, Institut <strong>für</strong> Produktionstechnik GmbH, durchgeführt. Das Team<br />
stand dabei in engem Kontakt mit den übrigen MATVAR-Arbeitsgruppen.<br />
3.1 Datenbasis<br />
Aufträge<br />
FISS-BDE<br />
Betriebsdatenerfassung<br />
Fortschritt<br />
SAP<br />
Betriebsw. Standardsoftware<br />
Stammdaten<br />
Aufträge<br />
FISS-R<br />
Auftragsverwaltung und<br />
Materialnachschub<br />
FISS-LV<br />
Lagerverwaltung<br />
Die Datenführung in der FTH erfolgt durch SAP/R2 in Kombination mit einem Fertigungs-Informations-<br />
und Steuerungssystem (FISS).<br />
Die Datenbasis besteht aus den im Folgenden beschriebenen Informationen zu Beständen,<br />
Lagerdaten und vor allem Materialbewegungen. Diese werden von den<br />
Systemen sonntäglich, jeweils über die vergangene Woche, als PC-lesbare Datei<br />
generiert. Grundsätzlich werden alle Materialbewegungen, wie Einlagerungen, Auslagerungen,<br />
Rücklieferungen und Direktlieferungen im FISS dokumentiert.<br />
Darüber hinaus wurden aus der VDI-Richtlinie 2391 Zeitrichtwerte <strong>für</strong> Staplerspiele<br />
herangezogen.<br />
Rückmeldungen<br />
Auslagerung<br />
Materialanforderung<br />
Einlagerung<br />
Wareneingänge<br />
Stammdaten<br />
Bestandssonderbuchungen<br />
4-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
3.1.1 Bestandsinformationen<br />
Bestandsinformationen wurden aus dem führenden SAP-System gewonnen:<br />
MATVAR<br />
Dispo- Materialbeschreibung Bestand Reichweite<br />
kennzeichen *) Nummer Kurztext Art Einheit Stück DM / 100 St. DM Tage<br />
EVA 74287587 Tuerboden HALB Stück 596 ....,.. .... 4<br />
...<br />
*) über das Dispokennzeichen ist die eindeutige Bestandsverantwortung geregelt.<br />
3.1.2 Statische Lagerdaten<br />
Quelle <strong>für</strong> Lagerspiegel und Lagerauslastung ist das Lagerverwaltungsmodul im Fertigungs-Informations-<br />
und -Steuerungs-System (FISS-LV). Jeder Datensatz steht <strong>für</strong><br />
ein eingelagertes Gebinde:<br />
Material- Lager- Bewegungs Wareneingang Lieferant Inhalt Gebinde<br />
Nummer Platz *) Art Nummer Datum lfd. Nr. Geb. Nr. Stück Art<br />
7465504 38210108 4 1470168 25.03.1998 1 719998 50 5<br />
...<br />
*) präzise Ortsangabe hier Lagerhalle 38, Regalzeile: 21, Fachnummer: 0108<br />
3.1.3 Dynamische Bewegungsdaten<br />
Die Bewegungsdaten wurden aus dem BDE-System übernommen. Jeder Datensatz<br />
steht <strong>für</strong> eine Gebindebewegung:<br />
Grund Material- Absender Empfänger Menge Transporteinheit Buchung<br />
E/L/A/R *) Nummer Kostenstelle Anlieferplatz Stück Schlüssel Kurzzeichen Uhrzeit Datum<br />
E 15827001 1000 38A10855 72 1 K01 1338 19.02.1996<br />
...<br />
*) E = Einlagerung, L = Direktlieferung, A = Auslagerung, R = Rücklieferung z.B.: Anbruchgebinde<br />
4-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
3.1.4 Materialstammdaten und Stücklisten<br />
MATVAR<br />
Zusätzlich werden, insbesondere zur Teileverfolgung entlang der Prozessketten,<br />
Materialstammdaten und Stücklisten aus SAP benötigt. Diese werden manuell, bzw.<br />
mittels automatischer Abfragen in die PC-Umgebung übertragen.<br />
3.1.5 Layout-Informationen<br />
Werks- und Hallengrundrisse, Standorte von Maschinen und Anlagen, Fahr- und<br />
Transportwege. Lokalisierung der Quellen und Senken.<br />
3.2 Hilfsmittel<br />
Um die angestrebte Flexibilität <strong>für</strong> verschiedene, zukünftige Einsatzfälle sowie geänderte<br />
Verhältnisse in der FTH zu erreichen, werden die Daten in Microsoft-ACCESS<br />
Datenbanken gesammelt und analysiert. Die Visualisierung erfolgt in Microsoft-<br />
EXCEL und -POWERPOINT.<br />
Um die Daten analysierbar zu machen, ist eine Modellierung des Planungsfelds in<br />
ACCESS erforderlich.<br />
Eine Schwierigkeit stellten hierbei die unterschiedlichen Datenarten in den Spalten<br />
„Quelle“ und „Senke“ bei den dynamischen Bewegungsdaten, dem Kernstück der<br />
Analysen, dar.<br />
Bewegungsart Datenart Quelle Datenart Senke<br />
E (Einlagerungen) Kostenstelle Lagerplatz<br />
A (Auslagerungen) Lagerplatz Linienkennzeichen<br />
(Lieferplatz)<br />
R (Rücklagerungen) Linienkennzeichen<br />
(Lieferplatz)<br />
Lagerplatz<br />
L (Direktlieferungen) Kostenstelle Linienkennzeichen<br />
(Lieferplatz)<br />
Diverse Filter, Vereinfachungen und Verdichtungen ermöglichen es, die Datenarten<br />
<strong>für</strong> Quellen und Senken auf Linienkennzeichen (Lieferplätze) und Lager (statt exaktem<br />
Lagerplatz) zu reduzieren.<br />
4-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
1<br />
2<br />
Datenbasis:<br />
BDE-Daten aus<br />
10 Wochen<br />
Verdichtung auf Lieferzonen<br />
(VF/OF), Lager<br />
und Fabriken<br />
3<br />
Ermittlung aller VF/OF-<br />
Transport-Beziehungen<br />
(Von/Nach-Matrix)<br />
4<br />
Berechnung/Ermittlung<br />
der zugehörigen<br />
Transport-Wege<br />
6<br />
Entwicklung einer Transportaufwand-Matrix<br />
<strong>für</strong> Transporte betreffend MATVAR-Planungsfeld (VF/OF)<br />
5<br />
Zuordnung:<br />
Transport-Beziehung (Von/Nach)<br />
und<br />
Transport-Fall (mit Handling-Zeit)<br />
Berechnung Transportaufwand<br />
je Transport-Beziehung (sec/Gebinde)<br />
= Handlingzeit + Fahrwegzeit (Stapler/Schleppzug)<br />
Zusätzliche Korrekturfaktoren:<br />
Leerfahrten (1,6), Ruhefaktor (1,15), Erschwernisse (1,25)<br />
Zeitbausteine <strong>für</strong><br />
Staplerbewegungen nach<br />
VDI-Richtlinie 2391<br />
Bild 5: Entwicklung einer Transportaufwand-Matrix<br />
MATVAR<br />
Erst damit ist eine Verknüpfung zur parallel ermittelten Entfernungsmatrix zwischen<br />
Linienkennzeichen (Lieferplätzen) und Lagern darstellbar. Die Entfernungsmatrix<br />
enthält <strong>für</strong> alle auftretenden Quelle-Senke-Paarungen im Planungsfeld, sowie <strong>für</strong> alle<br />
Schnittstellen, die realen Standard-Fahrstrecken der Stapler und Schleppzüge.<br />
Die Entfernungsmatrix zwischen Quellen und Senken beinhaltet jedoch noch nicht<br />
die verwendeten Fördermittel. Im Planungsfeld ergibt sich oftmals die Mischung<br />
Stapler-Schleppzug-Stapler als Transportkette. Um den Transportaufwand <strong>für</strong> einen<br />
Gebindetransport zu kalkulieren, wird <strong>für</strong> jede Quelle-Senke-Beziehung die Summe<br />
aus Handlingzeiten (aus VDI-Richtlinie 2391) und den anteiligen Fahrzeiten per<br />
Stapler oder Schleppzug angesetzt. Zusätzlich müssen noch Korrekturfaktoren <strong>für</strong><br />
Leerfahrten, und Erschwernisse, sowie ein Ruhefaktor berücksichtigt werden.<br />
4 Werkzeuge und Ergebnisse der Analyse<br />
Ermittlung aller vorkommenden Transport-Fälle<br />
z.B. "Auslagern mittels Schleppzug",<br />
"Direktlieferung ohne Schleppzug" etc.<br />
Berechnung der Handling-Zeiten <strong>für</strong> jeden<br />
einzelnen Transport-Fall<br />
(mittlere Auslastung pro Transport berücksichtigt)<br />
Übertragung in<br />
Transportaufwand-Matrix<br />
(Von/Nach = x sec)<br />
Um eine repräsentative Datenbasis <strong>für</strong> die Analyse zu erhalten, werden jeweils Daten<br />
aus 10 Wochen zusammengefasst. Die Größe des Untersuchungszeitraums wird<br />
einerseits durch Urlaubszeiten, die in der Auswertung meist nicht gewünscht sind, ,<br />
andererseits durch die Menge an zu verarbeitenden Daten begrenzt. Pro Woche entstehen<br />
in ganz FTH ca. 25000 Bewegungsdatensätze.<br />
3<br />
4<br />
2<br />
7<br />
4-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
ABC-Analyse über Transportaufkommen im Planungsfeld<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
% kumuliert<br />
1 101 201 301 401 501 601 701 801 901 1001 1101 1201 1301 1401 1501 1601<br />
Bild 6: Kernaussagen der ABC-Analyse nach Transportaufkommen<br />
4.1 ABC-Analyse<br />
203 A-Teile verursachen<br />
ca. 70% des Transportaufwands<br />
Einige Teile mit großer<br />
Transporthäufigkeit<br />
laufen weite Wege<br />
MATVAR<br />
Produktionsprozesse bestimmter A-<br />
Teile verursachen hohen logistischen<br />
Aufwand (z.B. Türboden-50cm, Transportweg<br />
ca. 950m; BO-Zuführteile,<br />
Transportweg ca. 1,1km)<br />
Nutzung montagenaher Pufferungsmöglichkeiten<br />
("STACHUS") <strong>für</strong><br />
Sicherheitsbestände statt Schnelldreher<br />
Die ABC-Analyse bietet sich als Werkzeug an, um die Menge der Gebindebewegungen<br />
im Planungsfeld (ca. 5300 Bewegungen pro Woche, ca. 4000 verschiedenen<br />
Materialnummern) zu strukturieren und um die Hauptumsatzträger am Materialfluss<br />
zu identifizieren. Für Beurteilung von Materialflüssen spielt jedoch nicht nur die Häufigkeit<br />
von Transporten eine Rolle, sondern auch die dabei zurückgelegten Wegstrecken.<br />
Für die Ermittlung dieses Transportaufkommens wird die Transporthäufigkeit<br />
mit der Weglänge des Transports (aus der Entfernungsmatrix <strong>für</strong> Quelle-Senke-<br />
Paarungen) multipliziert. Die so errechnete Kennzahl („Gebinde-Meter“) ist das Sortierkriterium<br />
der ABC-Analyse.<br />
Aus der Analyse lassen sich auch Teilefamilien zusammenfassen, <strong>für</strong> die eine Analyse<br />
des „Materialflusses von Baugruppen“ über die Prozessschritte hinweg interessant<br />
ist.<br />
4-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Materialfluß von Baugruppen<br />
Beispiel "BO-Zuführteile" (02/97)<br />
Ist-Zustand<br />
L32<br />
TTW Balk 11/97<br />
080B<br />
010A<br />
Institut <strong>für</strong><br />
Produktionstechnik GmbH<br />
Prof. Dr.-Ing. J. Milberg<br />
080D<br />
Hauptfluß<br />
Großpressen 080B<br />
Lager 32<br />
BO-Schweißstraße<br />
• Pufferung fast<br />
ausschließlich im<br />
Lager 32<br />
• Pufferbestand bis<br />
zu 100 Gebinde<br />
Ergebnis: Lange Wege vorhanden ⇒ Fertigungsnahe Pufferung anstreben<br />
Bild 7: Beispiel Materialfluss von Baugruppen<br />
4.2 Materialfluss von Baugruppen<br />
Materialfluß von Baugruppen<br />
Beispiel "BO-Zuführteile" (02/97)<br />
Verbesserungspotential<br />
Institut <strong>für</strong><br />
Produktionstechnik GmbH<br />
Prof. Dr.-Ing. J. Milberg<br />
MATVAR<br />
Die Analyse des Materialflusses von ausgewählten Baugruppen entlang ihres Entstehungsprozesses<br />
ermöglicht die Identifikation ungünstiger Durchläufe. Verbesserungsmöglichkeiten<br />
<strong>für</strong> die Auswahl von Wegen, Lagerorten und Maschinenbelegungen<br />
werden transparent. Mit Hilfe der Transportaufwandsmatrix (anteiliger Stapleraufwand<br />
pro Gebindetransport in Sekunden) lassen sich Ist- und Sollzustände vergleichend<br />
bewerten.<br />
080B<br />
010A<br />
L45<br />
080D<br />
Transportmatrix<br />
• A-Teile direkt liefern<br />
und an BO-Straße<br />
puffern. B/C-Teile<br />
über Lager 45.<br />
• Einsparung: ca. 40%<br />
(450 h/a) an<br />
Transportaufwand<br />
• Transparenz über<br />
Bestand der<br />
Zuführteile an BO-<br />
Straße<br />
• Entlastung des<br />
Lagers 32<br />
1<br />
4-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Arbeitsplatzanalyse: Zu-/Abflüsse<br />
Emailanlage<br />
Materialflüsse zur<br />
Email-Anlage<br />
– IST-Zustand –<br />
090F<br />
090E<br />
080B<br />
Institut <strong>für</strong><br />
Produktionstechnik GmbH<br />
Prof. Dr.-Ing. J. Milberg<br />
L45<br />
Variante 1<br />
Direkte Pufferung<br />
aller Bauteile an<br />
den Anlieferzonen<br />
der ETE- und Flachpulveranlage<br />
(090E<br />
und 090F)<br />
Variante 2<br />
Direkte Pufferung<br />
nur <strong>für</strong> A-Teile an<br />
den Anlieferzonen;<br />
B- und C-Teile werden<br />
im Lager L45<br />
gepuffert.<br />
Ergebnis: Hauptzufluß von 080B Großpressen Geb.6b<br />
Hauptabfluß nach 090E/F Aufgabezonen ETE-/Flachpulveranlage<br />
Lange Wege vorhanden ⇒ Direktlieferungen anstreben<br />
Bild 8: Beispiel Zu-/Abflüsse an Arbeitsplätzen<br />
4.3 Zu-/Abflüsse an Arbeitsplätzen (Sankey-Diagramm)<br />
MATVAR<br />
Mit dieser Methode können die Materialströme einzelner Produktionsbereiche, aber<br />
auch des gesamten Planungsfelds untersucht werden. Dabei werden die Materialzuund<br />
-abflüsse aller betrachteten Maschinen, Anlagen und Lager anhand der Grunddaten<br />
ausgewertet und in Powerpoint visualisiert. Ziel ist es, die Hauptlieferströme zu<br />
identifizieren, Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten und mit Hilfe der Transportaufwandsmatrix<br />
zu bewerten.<br />
080B<br />
090F<br />
090E<br />
080B<br />
L45<br />
L45<br />
Transportmatrix<br />
Einsparung<br />
ca. 60% an Transportzeit:<br />
540 h/a<br />
Einsparung<br />
ca. 50% an Transportzeit:<br />
465 h/a<br />
1<br />
4-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Lager Geb. 38<br />
Email-Anlage<br />
Lager Geb. 45<br />
Pressen Geb. 6b<br />
Lager Geb. 6b<br />
Coilspaltanlage<br />
Lager Geb. 20<br />
Bild 9: Prozessanalyse (2-Tages-Raster)<br />
4.4 Prozessanalyse (2-Tages-Raster)<br />
Zeit<br />
Verbauorte<br />
MATVAR<br />
Mit der Prozessanalyse wird der Entstehungsprozess einer Baugruppe im 2-Tages-<br />
Raster dargestellt.<br />
Nach jeder Fertigungsstufe wechselt eine bearbeitetes Teil die Materialnummer. Die<br />
Nummernfolgen müssen anhand der Arbeitspläne aus SAP ermittelt werden.<br />
Die Grafik zeigt die Bewegungen beginnend vom Eingangslager zum jeweils nächsten<br />
Prozessschritt. Die Glättung der Spitzen zwischen dem Pressen und dem<br />
Verbauen der fertigen Baugruppe verdeutlicht den vorhandenen Pufferbedarf, vor<br />
allem zwischen Pressen und Emailanlage. Ebenfalls deutlich sichtbar sind die Fertigungszyklen,<br />
sowie die Bandbreite der Durchlaufzeiten, die zwischen einem und<br />
mehreren Tagen liegen kann.<br />
5<br />
0<br />
20<br />
15<br />
10<br />
30<br />
25<br />
35<br />
Transportspiele<br />
Fertigungsstufen<br />
4-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Materialfluss-Bewertung verschiedener Alternativen in der Planungsphase<br />
Beispiel: Muldenrahmen: • emailliert<br />
• lackiert<br />
Muldenrahmen emailliert<br />
50 Stück<br />
50 Stück<br />
30 Stück<br />
X Stück<br />
Großpresse 080B<br />
Lager 45<br />
Emaillieranlage<br />
Muldenfabrik MF<br />
Emaillieranlage in Geb. 29<br />
(nach Umbau HF)<br />
I N P U T<br />
geplante Baugruppen<br />
mit Stücklisten<br />
geplante Jahresstückzahl<br />
Fertigungskonzept (Alternativen)<br />
Packungsdichte pro Transport<br />
Layout (Varianten?)<br />
Ergebnis: Zu erwartender Transportaufwand in Stapler-Stunden pro Jahr (siehe Grafik)<br />
Bild 10: Einsatz als Planungshilfsmittel<br />
5 Einsatz als Planungshilfsmittel<br />
Muldenrahmen lackiert<br />
X Stück<br />
Großpresse 080B<br />
Lager 45<br />
Lackieranlage<br />
Muldenfabrik MF<br />
Lackieranlage<br />
in Geb. 19<br />
MATVAR<br />
Durch seinen flexiblen Aufbau kann das Auswertungssystem nicht nur <strong>für</strong> die Analyse<br />
geänderter Materialflüsse in der bestehenden Fertigungsstruktur genutzt werden.<br />
Mit Hilfe des gewonnenen Know-How´s können auch weitreichende Neuplanungsszenarien<br />
und Umstrukturierungen bezüglich des zu erwartenden Transportaufwands<br />
und des Pufferungsbedarfs bewertet werden.<br />
So ist es möglich, bei der Fertigungsplanung <strong>für</strong> neue Produkte parallel zur technischen<br />
Planung der Prozesse auch eine Materialflussbewertung als Entscheidungskriterium<br />
zu erstellen.<br />
Die Möglichkeit, aber auch die Notwendigkeit der Adaption dieses Hilfsmittels <strong>für</strong> verschiedene<br />
Anwendungsfälle, sowie <strong>für</strong> Änderungen in der Fertigungsstruktur bewirkt<br />
dessen ständige Weiterentwicklung.<br />
50 Stück<br />
50 Stück<br />
30 Stück<br />
8<br />
4-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Materialfluss-Bewertung verschiedener Alternativen in der Planungsphase<br />
Beispiel Muldenrahmen: • emailliert<br />
• lackiert<br />
080B<br />
Geb.6b<br />
L45X<br />
010E<br />
Geb.20<br />
090E<br />
Geb.6a 090F<br />
L17P<br />
080D L17/09<br />
L20<br />
Geb.19 A060<br />
T-Aufwand:<br />
380 h/a<br />
Geb.17<br />
010D<br />
080D<br />
010A 010B 010C<br />
080C<br />
Geb. 45<br />
L45<br />
Geb.15<br />
A102<br />
A100<br />
A090<br />
Emaillierwerk<br />
Geb.18<br />
A092<br />
A091<br />
A100<br />
Geb.21<br />
Geb. 48 L48/HL L38K<br />
Geb. 38<br />
L38<br />
Geb.29<br />
Geb.33og<br />
FTW<br />
FFT<br />
T-Aufwand:<br />
910 h/a<br />
HF<br />
Kunststoffertigung<br />
A 040<br />
Geb.31nord<br />
Bild 11: Beispiel Materialfluss-Bewertung in der Planung, Alternative 1<br />
MATVAR<br />
Als Beispiel wurde hier eine Materialflussbewertung <strong>für</strong> ein neues Bauteil durchgeführt.<br />
Zwei grundsätzlich verschiedene Oberflächenbehandlungen wurden gegenübergestellt.<br />
Mit Hilfe von Dummy-Materialnummern und -Lieferplätzen und entsprechenden<br />
Einträgen in der Transportaufwandsmatrix lassen sich die voraussichtlichen<br />
Staplerbelegungsminuten kalkulieren ohne die Datenbanken <strong>für</strong> Analysen zu beeinträchtigen.<br />
EF<br />
WA<br />
A070 A120<br />
Email ?<br />
EBSF<br />
T-Aufwand:<br />
1200 h/a<br />
SFE<br />
Geb.31mitte<br />
ZHV<br />
Geb.31sued<br />
MF<br />
Lager<br />
SFE<br />
LOB-T<br />
LOB-T<br />
L35<br />
Vorraussichtlicher T-Aufwand:<br />
S 2490 h/a<br />
4-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Materialfluss-Bewertung verschiedener Alternativen in der Planungsphase<br />
Beispiel Muldenrahmen: • emailliert<br />
• lackiert<br />
080B<br />
Geb.6b<br />
L45X<br />
010E<br />
Geb.20<br />
090E<br />
Geb.6a 090F<br />
L17P<br />
080D L17/09<br />
L20<br />
Geb.19 A060<br />
T-Aufwand:<br />
380 h/a<br />
Geb.17<br />
010D<br />
080D<br />
010A 010B 010C<br />
Lackieranl. ?<br />
080C<br />
Geb. 45<br />
L45<br />
Geb.15<br />
A102<br />
T-Aufwand:<br />
980 h/a<br />
A090<br />
Emaillierwerk<br />
Geb.18<br />
A092<br />
A091<br />
A100<br />
Geb.21<br />
Geb. 48 L48/HL L38K<br />
Geb. 38<br />
L38<br />
Geb.29<br />
Geb.33og<br />
FTW<br />
FFT<br />
HF<br />
Kunststoffertigung<br />
A 040<br />
Geb.31nord<br />
Bild 12: Beispiel Materialfluss-Bewertung in der Planung, Alternative 2<br />
EF<br />
WA<br />
A070 A120<br />
KL<br />
EBSF<br />
T-Aufwand:<br />
1460 h/a<br />
SFE<br />
Geb.31mitte<br />
ZHV<br />
Geb.31sued<br />
MF<br />
Lager<br />
SFE<br />
LOB-T<br />
LOB-T<br />
L35<br />
MATVAR<br />
Vorraussichtlicher T-Aufwand:<br />
Σ 2820 h/a<br />
4-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Bestellverhalten:<br />
Materialfluss aus Lager 38/48 über Brücke B und FTS<br />
An<br />
za<br />
hl<br />
Tr<br />
an<br />
sp<br />
ort<br />
e<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Anforderungen 02.03.1999 aus L38/48 über Brücke B<br />
FTS<br />
33 OG<br />
33 EG/SFront<br />
33 EG/SF<br />
Anforderungen von 5:00 - 6:00 Uhr<br />
Stunde 6<br />
Annahme: 4 Kisten pro<br />
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22<br />
Anforderungen 02.03.1999 über FTS, nach<br />
Empfängern<br />
Bild 13: Tagesscheibe Materialfluss aus Hauptlager<br />
6 Auf dem Weg zum Logistik-Controlling? Ein Ausblick<br />
MATVAR<br />
Bestellverhalten:<br />
Materialfluss aus Lager 38/48 über FTS,<br />
sortiert nach Kunden<br />
6.1 Einsatz des Analyse- und Planungshilfsmittels in anderen<br />
Projekten<br />
Der erfolgreiche Einsatz des Analyse- und Planungshilfsmittels in werksinternen<br />
Projekten neben MATVAR hat seine Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bereits unter<br />
Beweis gestellt.<br />
So wurden beispielsweise Fragen nach einer tageszeitlichen Analyse des Materialflusses<br />
aus dem Hauptlager über die verschiedenen angebundenen Fördersysteme<br />
mit Hilfe der MATVAR-Datenbanken beantwortet. Die Grafik zeigt die Anzahl der<br />
Transporte im Stundenraster. Die auffälligen Bestellspitzen am Vormittag lassen sich<br />
hier nach Fördersystemen und im zweiten Schritt auch nach Empfängern strukturieren.<br />
Zielgerichtete Ansätze zur Glättung der Kurven sind damit möglich.<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Summe: 213<br />
Geb.<br />
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 21<br />
Stunde<br />
MF<br />
HHDF<br />
A120<br />
A070<br />
A140<br />
FTW<br />
KL<br />
HO<br />
HF<br />
4-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
Belastung der FTS-Strecke mit Gebindetransporten (KW 38-47/97)<br />
Darstellung von 85% der gelaufenen Gebinde (ohne Leergebinde)<br />
incl. Projektion neue WA in H.38<br />
1700<br />
1500<br />
13700<br />
44<br />
43 42<br />
6900<br />
1300<br />
45<br />
10500<br />
30<br />
31<br />
1000<br />
3800<br />
Bild 14: Belastung FTS-Strecke<br />
MATVAR<br />
Ein anderes Beispiel ist die Analyse der Belastung verschiedener Streckenabschnitte<br />
des FTS (Fahrerloses-Transport-System). Sie dient als Grundlage <strong>für</strong> die Planungen<br />
eines möglichen Nachfolgesystems.<br />
Auch die Analyse von Lagerspiegelverläufen über bis zu drei Jahren fand bereits außerhalb<br />
des MATVAR-Planungsfelds vielfältige Anwendungen. Beispielsweise<br />
konnte mit Hilfe einer langfristigen Betrachtung der Lagerauslastungen eine hohe<br />
Planungssicherheit <strong>für</strong> den Abriss eines Lagerbereiches erreicht werden.<br />
Einen ersten Schritt auf dem Weg zum Logistik-Controlling stellt die mit Hilfe der<br />
MATVAR-Datenbanken seit 1998 jährlich aktualisierte Zuordnung der FTS-Kosten<br />
dar. Da<strong>für</strong> werden die FTS-Transporte des vergangenen Jahres den „Verursachern“<br />
zugeordnet und daraus ein Kostenschlüssel errechnet.<br />
Eine ähnliche Systematik wurde auch <strong>für</strong> eine aufwandsorientierte Zuordnung der<br />
Wareneingänge erarbeitet.<br />
5700<br />
21 20<br />
1400<br />
3600<br />
3600<br />
1500<br />
1500 1200<br />
41 40<br />
1600<br />
1200<br />
46 47<br />
15 14<br />
72 73<br />
75<br />
74 (70)<br />
4-18
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Balk, H.: Entwicklung eines Materialfluss- Analyse- und Planungshilfsmittels<br />
6.2 Weiterentwicklung zum Logistik-Controlling<br />
MATVAR<br />
Geplante Elemente: • Kontinuierlichen Verbesserungsprozess der MATVAR-<br />
Datenbanken fortsetzen. Ständige Aktualisierung des Datenbestands<br />
und der Modellierung der FTH in den Datenbanken.<br />
7 Literatur<br />
• Ausdehnung des Analyse- und Planungshilfsmittels auf<br />
ganz FTH (Transportaufwandsmatrix, Vereinfachungen<br />
und Verdichtungen modifizieren)<br />
• Entwicklung eines „Audit-Plans“.<br />
Ziel: - Alle Bereiche des Werks in regelmäßigen Abständen<br />
einer Materialflussanalyse unterziehen.<br />
- Verbesserungspotentiale mit den Bereichen erarbeiten.<br />
- Logistik-Kennzahlen aufstellen, um bereichsinterne<br />
Entwicklung des Materialflusses messbar<br />
zu machen.<br />
• Verursachungsgerechte Kostenschlüssel <strong>für</strong> andere bestehende<br />
Fördersysteme errechnen.<br />
• Kundenorientierte Unterstützung bei Projekten und anderen<br />
spezifischen Planungsvorhaben durch Materialflussanalysen<br />
und -gestaltungen.<br />
VDI-RICHTLINIE 2391<br />
Zeitrichtwerte <strong>für</strong> Arbeitsspiele und Grundbewegungen von Flurförderzeugen,<br />
VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf 1982<br />
4-19
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
Entwicklung eines stufenweise<br />
automatisierbaren Leichtfördersystems<br />
im Überflurbereich<br />
'LSO ,QJ :ROIJDQJ +DQGULFK<br />
/HKUVWXKO I U )|UGHUWHFKQLN 0DWHULDOIOXVV /RJLVWLN<br />
7HFKQLVFKH 8QLYHUVLWlW 0 QFKHQ<br />
%ROW]PDQQVWU<br />
*DUFKLQJ E 0 QFKHQ<br />
MATVAR<br />
5-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
1 Einführung: <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> dynamische Produktionsstrukturen<br />
Zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen gegenüber konkurrierenden Unternehmen<br />
musste man bisher seine Produkte lediglich zu minimalen Kosten und höchster Qualität<br />
am Markt anbieten. Heutzutage gewinnen aber darüber hinaus die Faktoren<br />
Entwicklungszeit, Kundennähe, Lieferzeit und Flexibilität an Bedeutung. Es ergeben<br />
sich immer kürzere Produktlebenszyklen, eine höhere Variantenvielfalt und kleinere<br />
Losgrößen (GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997).<br />
Dieser rasche Wandel erfordert <strong>für</strong> die Produktion der Zukunft technologische Maßnahmen,<br />
die eine neue Flexibilität und Agilität der gesamten Fertigung bedingen.<br />
Neben den Produktionseinrichtungen müssen auch die <strong>Materialflusssysteme</strong> äußerst<br />
flexibel und anpassbar gestaltet sein.<br />
Bild 1: Anpassbare Fertigungsstrukturen und <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
Während sich in der Fertigung bereits selbständige, autonome und zuverlässige<br />
Strukturen und Organisationsformen durchgesetzt haben, die auch auf Störungen<br />
und Veränderungen flexibel reagieren können, ist <strong>für</strong> den innerbetrieblichen Materialfluss<br />
noch weiterer Entwicklungsbedarf gegeben. Herkömmliche Fördermittel ent-<br />
5-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
sprechen selten den Anforderungen dynamischer Produktionsstrukturen mit häufigen<br />
Layout- und Kapazitätsveränderungen. Vor allem <strong>für</strong> kleine und mittelständische<br />
Unternehmen fehlen flexible und preisgünstige, dem Bedarf anpassbare Materialflusslösungen.<br />
Bei flurgebundenen und flurfreien Transportmitteln mit fest installierten Fahrtrassen<br />
wie Stetigförderern und Elektrohängebahnen stellen die zusammenhängenden Verkehrswege<br />
massiv einschränkende Randbedingungen dar und verhindern deswegen<br />
bei Umstrukturierungen optimale, schnelle und kostengünstige Anpassungen.<br />
Bei manuell bedienten Flurförderern, wie z.B. Staplern, kommen hohe Personalkosten<br />
und mangelhafte Auslastung hinzu. Staplerleitsysteme können hier teilweise Abhilfe<br />
schaffen: Leerfahrten werden reduziert, Fahrtrouten optimiert und die Transportleistung<br />
erhöht. Die flurgebundene Streckenlegung beim Staplerbetrieb grenzt<br />
dessen Verwendung aber erheblich ein.<br />
Das gleiche gilt <strong>für</strong> fahrerlose Transportsysteme (FTS). Für sie konnte in den letzten<br />
Jahren keine befriedigende Lösung gefunden werden. Die hohe Komplexität der<br />
Streckenführung, die relativ geringe Verfügbarkeit und die hohen Anschaffungs- und<br />
Betriebskosten machen diese Systemtechnik <strong>für</strong> kleine und mittlere Unternehmen<br />
wenig interessant.<br />
Um von der Bindung an vorgegebene Fahrtrassen wegzukommen und den gesamten<br />
Hallenbereich <strong>für</strong> die Produktion nützen zu können, bietet sich der Kran als<br />
Transportmittel im Überflurbereich geradezu an. Auf sich ändernde Strukturen kann<br />
äußerst flexibel reagiert werden.<br />
2 Aufgabenstellung:<br />
Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
Bisher wurden größtenteils Prozesskrane <strong>für</strong> spezielle Einsatzfälle automatisiert. Beispiele<br />
sind Lauf- oder Hängekrane mit Traglasten von mehreren Tonnen zur Beschickung<br />
von Blech-, Coil- und Papierrollenlagern. Bei diesen kostenintensiven Einzellösungen<br />
standen technisch machbare Herausforderungen, Teilziele wie Lastpendeldämpfungen,<br />
Positioniergenauigkeiten, Antriebs- oder Steuerungstechnik im Vordergrund.<br />
Die sehr hohen Anforderungen und die <strong>für</strong> jeden Einzelfall neu entwickelten<br />
Automatisierungen machten diese sehr teuer. Es konnte bisher nicht auf einen günstigen<br />
Baukasten zu Kranautomatisierungen zurückgegriffen werden. Der Markt bietet<br />
bisher lediglich verschiedene, hauptsächlich mechanische Baukästen aus firmenspezifischen<br />
„Standardkomponenten“.<br />
So stellt auch das Kranbaukastensystem KBK der Fa. Mannesmann Dematic AG ein<br />
einfaches, nur in Sonderfällen automatisiertes Transport- und Handhabungssystem<br />
5-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
im Überflurbereich dar, das aus standardisierten mechanischen, modular aufgebauten<br />
und gut miteinander kombinierbaren Baueinheiten besteht. Zu den wesentlichen<br />
Komponenten zählt man Schienenelemente (Gerad- und Bogenstücke), komplexere<br />
Bahnteile (Weichen, Verriegelungen, Schwenkscheiben, Hubstationen), pendelnde<br />
Aufhängungen <strong>für</strong> Hänge- und Kranbahnen, Fahrwerke, Reibradantriebe, Kettenund<br />
Seilzüge, Handhabungsgeräte und Steuerungen. Damit lassen sich Anlagen <strong>für</strong><br />
den flurfreien Transport, wie z.B. Hängebahnen, Ein- oder Zweiträgerkrane, Portalkrane<br />
oder Säulen- und Wandschwenkkrane zusammenbauen, die sich <strong>für</strong> einen<br />
Traglastbereich von wenigen Kilogramm bis zu ca. 3 Tonnen eignen (siehe auch<br />
MÜLLER U.A.).<br />
Die Weiterentwicklung dieses Systems sollte von Beginn an möglichst marktnah und<br />
kundenorientiert geschehen, die Anforderungen an ein Materialflusssystem <strong>für</strong> dynamische<br />
Produktionsstrukturen möglichst genau festgelegt werden. Der Lehrstuhl<br />
LSR führte deswegen zu Projektbeginn in Zusammenarbeit mit der Mannesmann<br />
Dematic AG eine Marktanalyse durch (GÜNTHNER U. HANDRICH 1998). Verschiedenste<br />
Interessenten, Firmen, beteiligte Anwender und der assoziierte Kreis sind nach ihren<br />
Anforderungen befragt worden, die sie an ein Materialflusssystem <strong>für</strong> dynamische<br />
Fertigungsstrukturen stellen. Darüber hinaus konnten sie Wünsche und Zukunftsvisionen<br />
aufzeigen.<br />
Mit dieser Marktanalyse erhielt man Antworten zu den Themen Einsatzbereiche,<br />
Transportgüter, Traglasten, Lasthandling, Automatisierungsgrade, Zielpositionen und<br />
Positioniergenauigkeiten, Dynamik, Spielzeiten und übergeordnete Anbindung an<br />
Rechnersysteme. Sie diente mit als Grundlage <strong>für</strong> die Erstellung des Pflichtenheftes.<br />
Mit entsprechenden mechanischen und steuerungstechnischen Weiterentwicklungen<br />
soll aus dem Kranbaukasten KBK ein kostengünstiges, automatisierbares Materialflusssystem<br />
entstehen, das sich <strong>für</strong> die Transportaufgaben zukünftiger <strong>variable</strong>r <strong>Fertigungssegmente</strong><br />
eignet.<br />
Das zu entwickelnde Leichtfördersystem im Überflurbereich sollte folgenden Anforderungen<br />
genügen:<br />
• layoutunabhängiges Materialflusssystem, das sich <strong>für</strong> dynamische Produktionsstrukturen<br />
eignet<br />
• stufenweise Automatisierbarkeit beginnend beim manuellen Kran bis hin zur Vollautomatik<br />
• automatischer Transport von Behältern (Kunststoff-Großladungsträger bis 500kg,<br />
Gitterboxen bis 1000kg und VDA-Kleinladungsträger in den Abmessungen<br />
600x400mm bis 50kg)<br />
• automatischer Transport im <strong>für</strong> Personen zugänglichen Fertigungsumfeld<br />
5-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
• einfache Erweiter-, Kombinier- und Nachrüstbarkeit hinsichtlich Mechanik und<br />
Steuerung<br />
• Möglichkeit zur Visualisierung, Auftragssteuerung und Anbindung an übergeordnete<br />
Leitsysteme<br />
• kostengünstiges Materialflusssystem<br />
Zu den wichtigsten Aufgaben im Projekt gehört der Aufbau einer Versuchsanlage am<br />
Lehrstuhl LSR, die ein innerbetriebliches Materialflussnetz aus herkömmlicher Fördertechnik,<br />
wie Rollenförderer, gemanagten Stapler, automatisierten Leichtfördersystem<br />
darstellt.<br />
3 Zu berücksichtigende Aspekte bei der Entwicklung des<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
Bild 2 gibt einen Überblick über die wesentlichen Aspekte, die bei der Entwicklung<br />
dieses Leichtfördersystems im Überflurbereich berücksichtigt worden sind.<br />
Zunächst wurden Lösungskonzepte erstellt, um Antworten auf die folgenden Fragen<br />
zu erhalten:<br />
• Welche Einsatzfälle sollen abgedeckt werden?<br />
• Welche Automatisierungsstufen machen aus Entwicklersicht Sinn?<br />
• Welcher Einsatzfall erfordert welche Automatisierungsstufe?<br />
• Wie kann die Positionierung im Vollautomatikbetrieb realisiert werden?<br />
• Welche Auswirkungen hat dies auf die Mechanik des Systems?<br />
• Wie sieht die Bedienung dieses Materialflusssystems aus?<br />
• Wie kann die Sicherheit des Personals gewährleistet werden, das sich im Umfeld<br />
des automatisierten Fördersystems aufhält?<br />
• Wie kann ein Automatisierungsbaukasten entwickelt werden?<br />
Die Antworten hängen dabei stark voneinander ab. Beispielsweise sind <strong>für</strong> Teilautomatikstufen<br />
mit manuellem Eingriff bei der Lastübergabe keine genauen Positionierungen<br />
und damit keine besonderen Anforderungen an die Mechanik und die Seilführung<br />
der Katze und der Kranbrücke nötig. Dagegen erfordert sogar der Einsatz einer<br />
teilautomatisierten Anlage in <strong>für</strong> Personen zugänglichen Bereichen besondere Sicherheitsvorkehrungen,<br />
die Auswirkungen auf das gesamte System beginnend beim<br />
Transportgut über Lastaufnahmemittel, Seilzug bis zum Gebäudetragwerk mit sich<br />
bringen. Die höchsten Anforderungen werden an ein vollautomatisiertes Fördersystem<br />
in <strong>für</strong> Personen zugänglichen Bereichen gestellt (HESSE 1995, VDI 1995).<br />
5-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Bild 2: Zu berücksichtigend Aspekte bei der Entwicklung des Leichtfördersystems<br />
im Überflurbereich<br />
5-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Nachdem die Gesamtüberlegung sehr komplex ist, wird in diesem Beitrag auf die<br />
Themenbereiche Automatisierung, Mensch-Maschine-Schnittstelle, Positionierung,<br />
Katze, Steuerung, Einsatzfälle/Anwendungen und Kosten eingegangen.<br />
Die Arbeitspakete Sicherheit, Transportgut und Lastaufnahmemittel werden in<br />
BAMBYNEK erläutert. Allgemeine KBK-Problematik, Mechanik, Kranelektrik, Datenübertragung<br />
und Steuerungsstruktur folgt in MÜLLER U.A., die Problematik Funkbusübertragung<br />
und Funksteuerschalter in BRENDEL U. SCHWARZ und die Problematik<br />
Leitrechneranbindung in SCHUSTER.<br />
4 Automatisierungsstufen und Betriebsarten<br />
Bild 3 zeigt ein Konzept, wie sich ein Baukasten <strong>für</strong> einen in Stufen automatisierbaren<br />
Kran zusammenstellen lässt.<br />
Der manuelle Kran wird mit einem meist an der Katze befestigten Handsteuerschalter<br />
bedient. Zu den wichtigsten Funktionen gehört das Verfahren des Krans, der Katze<br />
und des Hubwerks in mehreren Geschwindigkeiten. Als einfachstes Lastaufnahmemittel<br />
(LAM) kommt ein Haken in Frage. Um die verwendeten Komponenten auch<br />
<strong>für</strong> höhere Automatikstufen verwenden zu können, sollten alle diese Komponenten<br />
busfähig sein.<br />
Bei Erweiterung des Krans zu einem Materialflusssystem mit Katzüberfahrten, Hängebahnstrukturen<br />
und angesteuertem Greifer als Lastaufnahmemittel, sind die Funktionalitäten<br />
des Handsteuerschalters entsprechend zu ergänzen.<br />
Die einfachste Kranautomatisierungsstufe stellt die automatisierte Leerfahrt dar. Der<br />
leere Kran kann vom Arbeitsplatz per Ruftaste angefordert werden. Um die Risiken,<br />
die von einem automatisch bewegten Kran ausgehen, zu minimieren, trennt man<br />
Kran- und Personenwege. Der Kran fährt mit hochgezogenem Steuerschalter und<br />
dem Lastaufnahmemittel in höchster Stellung, einer Höhe von mindestens 2,5 Metern,<br />
automatisch aus seiner Warteposition zur vorher mit dem Ruftaster gelernten,<br />
d.h. „geteachten“ Position und steht dem Bediener dort <strong>für</strong> eine manuelle Lastaufnahme,<br />
anschließenden manuellen Transport und einer manuellen Lastabgabe mit<br />
dem Handsteuerschalter zur Verfügung. Das Ende dieses Vorgangs und damit die<br />
Bereitschaft <strong>für</strong> die nächste Leerfahrtanforderung kann beispielsweise der Bediener<br />
durch ein Heben des leeren Hakens in die höchste Hakenstellung, besser aber durch<br />
ein Quittieren am Handsteuerschalter anzeigen. Das automatische Heben des leeren<br />
Hakens reduziert weitere Zeitanteile bei der Bedienung.<br />
Für die automatisierte Leerfahrt müssen folgende busfähige Komponenten hinzugefügt<br />
werden: Ruftaster, Hubwerk <strong>für</strong> Steuerschalter, Wegmesssystem <strong>für</strong> Kran- bzw.<br />
Katzfahren. Aus Sicherheitsgründen muss überprüft werden, ob sich keine Last am<br />
5-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
Bild 3: Baukasten <strong>für</strong> stufenweise automatisierbare Krane<br />
MATVAR<br />
5-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Haken und der Haken in der höchsten Hakenstellung befindet. Die anzufahrenden<br />
Positionen müssen gelernt, d.h. geteacht, und auf ca. 1m Genauigkeit angefahren<br />
werden.<br />
Darauf aufbauend ist die automatisierte Leer- und Lastfahrt als nächste Stufe eines<br />
Automatisierungsbaukastens sinnvoll. Aus Sicherheitsgründen reicht ein Haken zum<br />
Anschlagen von Lasten <strong>für</strong> den automatisierten Transport von Lasten in <strong>für</strong> Personen<br />
zugänglichen Bereichen nicht aus. Alle Komponenten müssen so ausgelegt sein,<br />
dass es zu keinem Lastabsturz kommen kann. Notfalls muss die Last in der höchsten<br />
Hubstellung verriegelt werden. Der vom Bediener mittels Ruftaster angeforderte Kran<br />
fährt zur gewünschten Position und lässt den Handsteuerschalter <strong>für</strong> eine manuelle<br />
Bedienung des Krans während der Lastaufnahme herab. Nachdem die Last sicher<br />
gegriffen und in die höchste Hubstellung gehoben ist, gibt der Bediener die Zielposition<br />
ein. Da<strong>für</strong> müssen ihm am Handsteuerschalter alle möglichen, vorher geteachten<br />
Positionen zur Auswahl angezeigt werden. Anschließend beginnt die automatische<br />
Lastfahrt, die mit dem Herablassen des Handsteuerschalters an der Zielposition<br />
endet. Die Positionierung der Last und die Lastabgabe erfolgt manuell vom Bediener<br />
am Zielort. Das Ende dieses Vorgangs und damit die Bereitschaft <strong>für</strong> die nächste<br />
Anforderung kann wie bei der automatischen Leerfahrt beispielsweise der Bediener<br />
durch ein Heben des leeren Lastaufnahmemittels in die höchste Hubstellung, besser<br />
aber durch ein Quittieren am Handsteuerschalter anzeigen. Das automatische Heben<br />
des leeren Lastaufnahmemittels reduziert weitere Zeitanteile bei der Bedienung.<br />
Soll das Kranspiel vollautomatisch ablaufen, d.h. automatische Leer- und Lastfahrt<br />
werden durch eine automatische Lastaufnahme und Lastabgabe ergänzt, so müssen<br />
aus Sicherheitsgründen abgesperrte und überwachte Übergabestellen an den Positionen<br />
geschaffen werden, an denen der Kran seine Last bzw. sein Lastaufnahmemittel<br />
automatisch absenken kann. Die Übergabestelle selbst darf während des<br />
Kranzugriffs nicht von Personen betreten werden. Neben erhöhten Sicherheitsanforderungen<br />
ändern vor allem die Positionieranforderungen die Mechanik und Steuerung<br />
des Krans. Alle Komponenten sind <strong>für</strong> eine Positioniergenauigkeit im Bereich<br />
weniger Millimeter auszulegen.<br />
Zentrale Komponente des vollautomatischen Krans wird ein KranPC. Dieser verwaltet<br />
Transportaufträge und lässt diese abarbeiten. Ist mehr als eine Katze oder ein<br />
Kran im Materialflusssystem integriert, müssen diese aufeinander abgestimmt werden.<br />
Kollisionsvermeidung, Wegplanung, Fahrstrategien, Positionsdatenverwaltung<br />
und Visualisierung aller Vorgänge sind Teilfunktionalitäten dieses Rechners. Der<br />
KranPC dient gleichzeitig auch als Bedienelement und als Schnittstelle zu einem übergeordneten<br />
Leitrechner, der den KranPC zur Durchführung von Transporten beauftragen<br />
kann.<br />
Sobald ein Leitsystem vorhanden ist, muss jeder Transport, sowohl der Leerbehältertransport<br />
als auch der Transport von Gütern, dem Leitrechner gemeldet werden.<br />
5-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Da<strong>für</strong> stehen im Einsatzbereich mehrere Terminals zur Verfügung, die mit dem Leitsystem<br />
vernetzt sind. Die Terminals haben zwei Funktionen. Sie dienen zur Eingabe<br />
von Transportaufträgen bzw. zur Fertigmeldung von Fertigungsaufträgen, die anschließend<br />
automatisch verschiedene Transportaufträge anstößt. Zum anderen stehen<br />
sie als Anzeigeinstrument von Informationen, wie beispielsweise Behälter-<br />
Identifikation, Übergabeplatz usw., dem Bediener zur Verfügung (SCHUSTER).<br />
Der Aufbau, die Struktur der Steuerung und des KranPCs des realisierten Leichtfördersystem-Prototypen<br />
ist in MÜLLER U.A. beschrieben. Die Entwicklung eines Funkbus-Datenübertragungssystems<br />
<strong>für</strong> CAN in BRENDEL U. SCHWARZ.<br />
Bild 4: Spielzeiten und Personalbindung <strong>für</strong> die Automatisierungsstufen<br />
Die Automatisierung einzelner Teilschritte eines Kranspiels bringen den Vorteil Personal<br />
zu entlasten, Vorgänge zu beschleunigen, Transporte rechnergesteuert abzuwickeln.<br />
Aus Bild 5-4 geht hervor, dass das Kranspiel bei den Automatikstufen Leerund<br />
Lastfahrt verlängert wird. Dies wird durch die zusätzlich erforderlichen Hub- und<br />
Senkvorgänge des Steuerschalters verursacht. Ein an jedem Übergabeort vorhandener<br />
Funk- oder Infrarotsteuerschalter schafft hier Abhilfe (BRENDEL U. SCHWARZ). Mit<br />
jeder höheren Automatisierungsstufe nimmt allerdings der Zeitanteil ab, an dem Personen<br />
am Ablauf des Kranspiels beteiligt sind. Die größte Ersparnis bringt dabei die<br />
Einführung der automatisierten Leerfahrt, bei der die Zeitanteile auf freien Kran warten<br />
und Kran holen entfallen.<br />
5-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
5 Positionierproblematik<br />
MATVAR<br />
Die Anforderung an die Positioniergenauigkeit (=maximal zulässige Abweichung von<br />
der Soll-Position) ist im Wesentlichen von der Automatisierung der Lastübergabe abhängig.<br />
• Wird eine Last manuell übergeben, so müssen die Antriebe lediglich positionierfähig<br />
sein. Unter Positionierfähigkeit versteht man die Eigenschaft des Antriebes,<br />
sie mit Steuerschaltern so genau ansprechen zu lassen, dass Positioniervorgänge<br />
mehr oder weniger gut durchgeführt werden können. Im Kranbaukasten KBK<br />
werden Kran-, Katz- und Hubwerksantriebe verwendet, die diese Anforderungen<br />
erfüllen.<br />
Bild 5: Positionierproblematik<br />
• Soll eine Last allerdings automatisch übergeben werden, muss die Positionierung<br />
der Last so genau erfolgen, dass eine automatisch abgesetzte Last wieder automatisch<br />
gefunden und aufgenommen werden kann. Es interessiert insbesondere<br />
die Positioniergenauigkeit der Last und des Lastaufnahmemittels in Relation<br />
zum Übergabeplatz.<br />
Die Positioniergenauigkeit hängt dabei von zahlreichen Faktoren ab:<br />
5-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
• Mechanik des gesamten Kransystems:<br />
Stahlportal, Aufhängung, Kranbahn, Kranbrücke, Krankatze, Lastführung, Lastaufnahmemittel,<br />
Behälter<br />
• Dynamik des gesamten Kransystems:<br />
Beschleunigungen, Geschwindigkeiten, Hubhöhe, Zeit zwischen Erreichen der<br />
Zielposition von Kran/Katze in höchster Hubstellung und der des Hubwerks<br />
• Positionierfähigkeit der Regelung <strong>für</strong> die Zielpunktanfahrt<br />
Die größte Ungenauigkeit entsteht meist durch das Pendeln der Last. Dieses wird<br />
verursacht durch Beschleunigungen und Verzögerungen des Krans oder durch eine<br />
Lastaufnahme außerhalb des Lastschwerpunkts. Bei bisherigen Kranautomatisierungen<br />
wurde durch Pendeldämpfungsmechanismen und sehr genauer Mechanik und<br />
Dynamik des Systems eine möglichst gute Positioniergenauigkeit (im Bereich weniger<br />
Millimeter) erreicht.<br />
Mit der Verwendung des Kranbaukastensystems KBK der Fa. Mannesmann Dematic<br />
AG hat das Projekt MATVAR allerdings den Ansatz gewählt, ein möglichst einfaches<br />
mechanisches System zu verwenden, das die Einleitung nur geringer Kräfte in die<br />
Kranbrücke zulässt. Aus konstruktiven und damit auch aus finanziellen Gründen<br />
werden hier Lasten bei automatisierten Transporten nur in der höchsten Hubstellung<br />
befördert. Die Reduzierung der Pendellänge führt zu kleineren Pendelausschlägen<br />
und zu einer kürzeren Beruhigungszeit.<br />
Sind die Lastbewegungen im Zielpunkt dann immer noch zu groß, bieten sich verschiedene<br />
Maßnahmen zur Positionierung an:<br />
a) Zentrierung des Lastaufnahmemittels auf der Last<br />
b) Zentrierung der Last am Übergabeplatz<br />
c) Zentrierung des Lastaufnahmemittels am Übergabeplatz<br />
d) Zentrierung der Last in der höchsten Hubstellung<br />
e) Zentrierung des Lastaufnahmemittels in der höchsten Hubstellung<br />
Die Anforderung, ob ein Lastaufnahmemittel zur Last zentriert werden muss oder<br />
nicht, hängt von den Greifmöglichkeiten der Last ab. Beispiel: Für ein automatisches<br />
Greifen von VDA-KLT-Behältern in den da<strong>für</strong> vorgesehenen Langlöchern ist ein Zentrieren<br />
des Lastaufnahmemittels auf der Last unabdingbar (BAMBYNEK BILD 5, 6 UND<br />
7). Dagegen lassen sich Großladungsträger und Gitterboxen mit ihren größer dimensionierten<br />
Greifmöglichkeiten ohne Zentrierungen aufnehmen.<br />
Am Übergabeplatz selbst ist grundsätzlich ein Zentrieren über die Ecken der Behälter<br />
am sinnvollsten. Beim Absenken der Last wird diese zusammen mit dem Lastauf-<br />
5-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
nahmemittel über Schrägen zur Zielposition geführt. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />
dass das Lastaufnahmemittel nach dem Öffnen in die Ausgangslage zurückschwingt.<br />
Reichen die Möglichkeiten an den Übergabeplätzen und den Lastaufnahmemitteln<br />
nicht aus, um eine automatische Positionierung zu realisieren, helfen im einfachsten<br />
Fall Zentrierungen in der höchsten Hubstellung. Damit wird das Pendeln der Last und<br />
des Lastaufnahmemittels bei der Zielpunktanfahrt in der höchsten Hubstellung reduziert.<br />
Je nach Katz-, Kran- und Hubwerkskonstruktion hat man im Projekt MATVAR<br />
verschiedenste Positionierhilfen konzipiert, konstruiert und getestet.<br />
Wegmesssysteme<br />
Für das automatische Anfahren der Zielposition wird die Kranbrücke (x-Achse), die<br />
Krankatze (y-Achse) und das Lastaufnahmemittel bzw. die Last (z-Achse) positioniert.<br />
Je nach Automatisierungsgrad und Einsatzfall eignen sich unterschiedliche<br />
Wegmesssysteme <strong>für</strong> diese Aufgaben.<br />
Der Lehrstuhl LSR hat hier eine Marktanalyse und Bewertung durchgeführt.<br />
Die Anforderungen an Wegmesssysteme unterscheiden sich genau wie die allgemeine<br />
Positionierproblematik stark in Abhängigkeit von einer manuellen oder automatischen<br />
Lastübergabe. Bei automatischen Leerfahrten oder Lastfahrten mit manueller<br />
Lastübergabe ist eine wesentlich ungenauere Positionierung von Kranbrücke<br />
und –katze zulässig, als dies bei der automatischen Lastübergabe notwendig ist.<br />
Magnetische Prinzipien<br />
Durchlichtprinzip<br />
1 2 3 4<br />
Kran bzw. Katze<br />
Verlassen der Kranbahn<br />
nicht möglich<br />
Katze<br />
Katzüberfahrt zwischen<br />
Kranen möglich<br />
Einsatzgebiete<br />
Hängebahn<br />
Kurvengängigkeit,<br />
Weichengängigkeit<br />
inkremental X X X<br />
absolut (Code-Lineal) X X X<br />
inkremental X X X<br />
absolut (Code-Lineal) X X X<br />
Auflichtprinzip X X X<br />
Laser-Impulslaufzeitprinzip X X X<br />
Zahnriemen/Kette X<br />
Reibrad X X X X<br />
Zahnstange X X<br />
Seilzugsysteme X X<br />
diskrete Systeme X X X X<br />
Bild 6: Eignung verschiedener Messprinzipien nach Einsatzgebieten<br />
Hubwerk<br />
5-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Für die Auswahl eines Wegmesssystems ist daneben auch das Einsatzgebiet bzw.<br />
die Krankomponente selbst ausschlaggebend. In Bild 6 sind folgende Fälle unterschieden:<br />
1) Kran bzw. Katze, bei der das Verlassen der Kranbrücke nicht möglich ist.<br />
2) Katze, bei der eine Überfahrt zwischen kombinierbaren Kranbrücken möglich ist.<br />
3) Hängebahnbetrieb (Kurven- und Weichengängigkeit)<br />
4) Hubwerk<br />
Anhand der Bewertungskriterien (Montageaufwand, Kosten, Zusatzaufwand <strong>für</strong><br />
Nachrüstung eines zweiten Krans, Positionserkennung nach Stromausfall, Ortsflexibilität,<br />
Erweiterung um eine Position und Messgenauigkeit) wurde eine gewichtete<br />
Punktbewertung durchgeführt. Jedes Messsystem wurde <strong>für</strong> jedes Bewertungskriterium<br />
mit 0 (nicht erfüllt) bis 10 Punkten (voll erfüllt) bewertet, mit der Gewichtung<br />
multipliziert und anschließend aufsummiert.<br />
Für den Anwendungsfall mit manueller Lastübergabe eignen sich <strong>für</strong> die Kranbrückenposition<br />
mitlaufende Reibräder, Seilzugsysteme, Lasersysteme und sogenannte<br />
diskrete Systeme (Kreuzschalter, Sensoren) am besten.<br />
Bild 7: Bewertung und Auswahl von Wegmesssystemen <strong>für</strong> den Anwendungsfall<br />
automatische Lastübergabe<br />
5-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Für den Anwendungsfall mit automatischer Lastübergabe (Bild 7) eignet sich - insbesondere<br />
<strong>für</strong> den Fall mit Katzüberfahrten von Kranbrücken in Hängebahnstrukturen -<br />
ein optisches Messverfahren nach dem Durchlichtprinzip, das WCS-System der Fa.<br />
R. Stahl Fördertechnik GmbH (STAHL 1998). Hier wird neben der Kranbrücke und<br />
Hängebahnschiene eine einspurige Codeschiene mit einer Abfolge von rechteckigen<br />
Löchern und Stegen verlegt, die einen auszuwertenden Code darstellen. Ein Lesekopf<br />
kann so bis zu einer Weglänge von über 300m unterschiedlichste Muster erkennen<br />
und den exakten Positionswert als Information auf das Bussystem ausgeben.<br />
Für die Positionierung der Kranbrücke und der Hubwerke eignen sich am besten<br />
Seilzugsysteme. Sie heben sich von anderen Systemen hauptsächlich wegen der<br />
einfachen Montage und den geringen Kosten ab.<br />
6 Gestaltung von Katzen und Brücken<br />
Bei der Gestaltung von Krankatze und Kranbrücke müssen beachtet werden:<br />
• Anzahl der Seilabläufe und damit die Festlegung der Lastorientierung<br />
• Anordnung der Seilabläufe, der Seiltrommeln und Antriebe<br />
• Lagerung der Katze, Gestaltung der Kranbrücke und damit die Festlegung der<br />
Freiheitsgrade der Katze zur Brücke<br />
• Überfahrmöglichkeit der Katze und Kurvengängigkeit der Katze <strong>für</strong> Hängebahnbetrieb<br />
• Durchbiegung und Schwingung der Kranbrücke<br />
• Spurtreue der Kranbrücke<br />
• Abmaße, Bauhöhe und Möglichkeiten <strong>für</strong> Anbauten wie Zentrierungen, zusätzliche<br />
Antriebe <strong>für</strong> hochziehbaren Steuerschalter, Wegmesssysteme <strong>für</strong> Katze und<br />
Hubwerk, Energieversorgung der Lastaufnahmemittel usw.<br />
Bild 8 zeigt konzeptionell, wie sich bei Ein- und Zwei-Seil-Katze die Last bei nicht<br />
zentrischer Beladung verdrehen kann. Der Auslenkwinkel a lässt sich durch ein größeres<br />
Maß h zwischen Lastschwerpunkt und Oberkante Spreizung reduzieren.<br />
Ebenso erzeugt ein größeres Gewicht eines symmetrischen Lastaufnahmemittels<br />
ein kleineres d und damit ein kleineres a. Aufgrund der Positionierproblematik<br />
wird <strong>für</strong> automatische Übergaben auf eine Ein-Seil-Katze verzichtet, eine Zwei-Seil-<br />
Katze <strong>für</strong> den Transport der VDA-Kleinladungsträgern getestet. Die Zwei-Seil-Katze<br />
hat den Vorteil, dass sie durch eine einfache Anordnung von Seiltrommel und Antrieb<br />
so baut, dass sie in einer Einträgerkranbrücke verfahren werden kann und sich deswegen<br />
<strong>für</strong> den Einsatz in Hängebahnstrukturen mit Kurven und Weichen eignet.<br />
5-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
Bild 8: Konzeption der Anzahl und Anordnung der Seile<br />
MATVAR<br />
Soll ein Drehen der Last um alle Achsen größtmöglich reduziert werden, ist eine Katze<br />
mit vier einfach eingescherten Seilen am sinnvollsten. Die Anordnung der Seilangriffspunkte<br />
(Bild 8 rechts unten) muss dabei nicht über den Behälterecken liegen.<br />
Dies hätte eine viel zu groß bauende Katze zur Folge. So werden die Seilangriffspunkte<br />
1-4 zur Behältermitte verschoben. Liegt der gemeinsame Schwerpunkt G von<br />
Transportgut, Behälter, Lastaufnahmemittel und Adapter im grau hinterlegten Viereck,<br />
so tragen alle vier Seile einen Teil der Last; es kommt zu keiner Schlaffseilbildung.<br />
Liegt G im schraffierten Bereich, tragen nur drei Seile die gesamte Last; das<br />
System ist statisch bestimmt. Liegt G außerhalb des Rechtecks 1-4, kippt der Behälter;<br />
die Anlage stoppt wegen Schlaffseilbildung. Für den Transport der Großladungsträger<br />
wird eine Vier-Seil-Katze, eine sogenannte Quadro-Blockwinde, in einer Zweiträgerkranbrücke<br />
verwendet.<br />
5-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Die Zweiträgerkranbrücke ist ab einer bestimmten Spannweite zum Erreichen der<br />
notwendigen Tragfähigkeit erforderlich. Zusätzlich verhindert sie aufgrund einer<br />
breiteren Abstützbasis ein Pendeln der Katze, hat allerdings den Nachteil, dass Kurvenfahrten<br />
nicht ohne erhöhten konstruktiven Aufwand möglich sind.<br />
Um trotz des einfachen mechanischen Kranbaukastensystems KBK eine möglichst<br />
gute Positioniergenauigkeit erreichen zu können, werden die Kranbrücken mit starren<br />
Krantraversen aufgebaut. Damit erzielt man eine ausreichende Spurtreue und verhindert<br />
das Drehen der gesamten Brücke.<br />
7 Einsatzfälle und Anwendungen<br />
Wo<strong>für</strong> eignet sich nun das bisher beschriebene Leichtfördersystem im Überflurbereich?<br />
Die Automatisierung untereinander kombinierbarer Hängekrane, die Vernetzung mit<br />
der bewährten Hängebahntechnik und die Möglichkeit mehrere Katzen auf einer<br />
Kranbrücke betreiben zu können, machen den Kran zu einem verfahrbaren Hängebahn-Schienenelement<br />
und den manuellen Kranbaukasten zu einem in Stufen automatisierten,<br />
innerbetrieblichen Materialflusssystem. Damit stehen <strong>für</strong> die flächige Erschließung<br />
des Produktionsfeldes Krane und <strong>für</strong> den linienförmigen Transport Hängebahnen<br />
zur Verfügung.<br />
Durch den Ansatz Positionierungenauigkeiten bewusst zuzulassen, ist es möglich,<br />
ein einfaches mechanisches System zu verwenden. Der Ansatz die Mechanik, die<br />
Elektrik und Steuerung modular und die einzelnen Automatik- und Ausbaustufen so<br />
zu gestalten, dass sie sich aufeinander aufbauen und miteinander kombinieren lassen,<br />
führt zu einem ersten Mechanik- und Steuerungsbaukasten.<br />
Mit dem Leichtfördersystem im Überflurbereich ergeben sich neue Perspektiven <strong>für</strong><br />
den Einsatz im Produktionsprozess: Die Anordnung der Betriebsmittel kann ohne<br />
Berücksichtigung der Transportwege geschehen. Diese werden einfach in den Überflurbereich<br />
verlagert.<br />
Grundsätzlich sind folgende Einsatzmöglichkeiten vorstellbar (GÜNTHNER U.<br />
HANDRICH 1998):<br />
• Transport zwischen Fertigungsbereichen<br />
• Versorgung einzelner Fertigungsinseln<br />
• direkte Maschinenver- und –entsorgung<br />
• Lagerbedienung<br />
• Versorgung temporäre Fertigungspuffer wie zum Beispiel: Bodenlager, Verschiebebodenregallager,<br />
Paternosterlager aber auch Hängebahnlager<br />
5-17
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Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
• Versorgung von Kommissionierbereichen: An- und Ablieferung der Ware auf<br />
standardisierten Ladungsträgern<br />
• Einsatz <strong>für</strong> Montagevorgänge<br />
• Ladebereitstellung <strong>für</strong> außerbetrieblichen Transport<br />
• Fahrzeugbe- und –entladung<br />
Einige Anwendungsfälle machen nur Sinn, wenn die Automatisierung des Krans so<br />
angepasst wird, dass die Last manuell vom Werker vor Ort feinpositioniert und übergeben<br />
wird, andere – insbesondere die Kombination mit Stetigförderern oder die<br />
Versorgung von Lagern nur wenn eine vollautomatische Lastübergabe stattfindet.<br />
Für die Versorgung von Fertigungspuffern bieten sich mehrere Möglichkeiten an:<br />
Bild 9: Lagerkonzepte <strong>für</strong> temporäre Fertigungspuffer<br />
Leider eignen sich Krane kaum als Lagerbediengerät mit seitlicher Bedieneinheit.<br />
Besondere Regelungen und Lastaufnahmemittel sind da<strong>für</strong> notwendig (HOFER,<br />
LAHRES U.A. 1999). Deshalb werden Krane meist zur Beschickung von Boden- und<br />
Blocklagern mit direktem Zugriff von oben eingesetzt. Bodenlager haben den Nachteil,<br />
dass nur in einer Lage gelagert wird und sie damit einen kleinen Flächennut-<br />
5-18
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
zungsgrad aufweisen. In mehrlagigen Blocklagern ist ein aufwendiges Umschichten<br />
der Lagergüter erforderlich, wenn nicht aus der obersten Ebene entnommen oder<br />
sortenrein in jeder Lagersäule eingelagert wird. Blocklager erfordern beim Einsatz<br />
des hier entwickelten Leichtkransystems <strong>für</strong> den automatischen Zugriff zusätzlich<br />
Positioniervorrichtungen, die die Last bzw. das Lastaufnahmemittel in der obersten<br />
Lage zentrieren.<br />
Für die Regalbedienung mit flurfreier, innerbetrieblicher Fördertechnik gibt es bisher<br />
Regale mit von Hand auszuziehenden Lagerböden oder Schubladen, auf die Güter<br />
von oben manuell abgestellt und aufgenommen werden können. Sie wiederum haben<br />
den Nachteil, dass der Ausfahrmechanismus bei höheren Lasten sehr groß baut,<br />
eine Bedienung bisher nur manuell möglich ist und dies in Höhen über 2 m Sicherheitsrisiken<br />
<strong>für</strong> den Bediener mit sich bringt.<br />
Abhilfe schafft ein Lager mit Böden, die sich automatisch so verfahren lassen, dass<br />
jeder Lagerplatz von oben mit Kranen erreichbar ist. Der Lehrstuhl LSR hat zusammen<br />
mit der Fa. OBTec Steuerungstechnik in einem von Bayern Innovativ geförderten<br />
Projekt ein solches Verschiebebodenregal entwickelt und aufgebaut.<br />
Bild 10: Lagersystem mit verfahrbaren Böden<br />
Dieses Regal ist geeignet <strong>für</strong> die Einlagerung von Kunststoff-Großladungsträgern mit<br />
dem Leichtfördersystem im Überflurbereich. Das Regal verfährt automatisch die einzelnen<br />
Böden, verfügt über eine Lagerverwaltung und lässt sich an ein Leitsystem<br />
anschließen.<br />
5-19
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
8 Pilotanlage<br />
Bild 11: Pilotanlage am Lehrstuhl LSR<br />
MATVAR<br />
5-20
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
MATVAR<br />
Im Rahmen dieses Projektes ist am Lehrstuhl LSR eine Pilot- bzw. Versuchsanlage<br />
als Prototyp <strong>für</strong> ein Materialflusssystem <strong>für</strong> dynamische Produktionsstrukturen entstanden.<br />
Sie besteht aus:<br />
• dem Leichtfördersystem im Überflurbereich (siehe MÜLLER U.A.)<br />
• angebundener Fördertechnik, Schwerlastrollenbahnen <strong>für</strong> Großladungsträger und<br />
Stauförderern <strong>für</strong> VDA-Kleinladungsträger<br />
• angebundener Lagertechnik wie Boden-, Block- und Verschiebebodenlager<br />
• Übergabeplätzen, die sich <strong>für</strong> eine automatisierte Lastübergabe eignen und<br />
• Staplern, die über ein Leitsystem angebunden sind.<br />
9 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Mit dem Leichtfördersystem im Überflurbereich, einer Weiterentwicklung des Kranbaukastensystems<br />
KBK der Fa. Mannesmann Dematic AG, entstand ein zukunftsweisendes<br />
Materialflusssystem, mit dem sich gesamte Fertigungsbereiche flächendeckend<br />
bedienen lassen. Durch die Verlagerung der Transportvorgänge in<br />
den Überflurbereich kann auf kurzfristige Layoutänderungen in dynamischen Produktionsstrukturen<br />
weitaus flexibler als mit herkömmlichen Fördergeräten reagiert<br />
werden. Es lassen sich geschlossene Behälter (Kunststoff-Großladungsträger bis<br />
500kg, Gitterboxen bis zu 1000kg und VDA-Kleinladungsträger bis 50kg) transportieren.<br />
Für den automatisierten Transport von Lasten mit Kranen in einem Umfeld, in<br />
dem sich Personen aufhalten, sind entsprechende Konzepte entstanden.<br />
Um <strong>für</strong> jeden Anwendungsfall die passende Automatisierungsstufe anbieten zu können,<br />
wurde ein in Stufen automatisierbares System entwickelt. Die Umsetzung eines<br />
Baukastensystems nicht nur in Mechanik, sondern auch in Elektrik, Steuerung und<br />
Programmierung ist da<strong>für</strong> notwendig. Hier wurde mit dem Einsatz von busfähigen<br />
Steuerungskomponenten im Kranbaukasten KBK ein erster Schritt getan.<br />
Der Positionierung der Last bzw. des Lastaufnahmemittels kommt bei automatisierten<br />
Anlagen immer eine besondere Bedeutung zu. Die gesamte Positionierproblematik<br />
kann umgangen werden, wenn das automatisierte Kransystem nur in der<br />
höchsten Hubstellung die Zielposition anfährt und dort der Werker im Produktionsumfeld<br />
die Lastübergabe übernimmt. Aber auch <strong>für</strong> den Fall der automatischen Lastübergabe<br />
mit dem einfachen KBK-System sind die <strong>für</strong> eine genaue Positionierung<br />
notwendigen Komponenten entwickelt worden.<br />
In einer Versuchsanlage am Lehrstuhl LSR wurden die wesentlichen Projektergebnisse<br />
umgesetzt, in Betrieb genommen und getestet. Damit steht ein geeignetes und<br />
großzügiges Testfeld <strong>für</strong> zukünftige Untersuchungen und Weiterentwicklungen zur<br />
Verfügung.<br />
5-21
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Handrich, W.: Entwicklung eines stufenweise automatisierbaren<br />
Leichtfördersystems im Überflurbereich<br />
10 Literatur<br />
GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997<br />
Günthner, Allgayer:<br />
Verbundforschungsprojekt „MATVAR“ ist angelaufen ,<br />
Logistik im Unternehmen, Nr. 10 Oktober 1997, S. 28-30.<br />
MATVAR<br />
GÜNTHNER U. HANDRICH 1998<br />
Günthner, Handrich:<br />
Einsatzmöglichkeiten eines Leichtfördersystems im Überflurbereich, Logistik<br />
aktuell: Automatisierte Krane- Einsatzerfahrungen und Entwicklungstendenzen,<br />
Dresden, 15. Mai 1998, Hrsg.: H.-G. Marquardt.<br />
GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998<br />
Günthner, Bambynek:<br />
Schnittstellenbaukasten: Integrierbarkeit eines flurfreien Leichtfördersystems,<br />
Hebezeuge und Fördermittel, Band 38 (1998) Heft 12, S. 593-595.<br />
HESSE 1995<br />
Hesse:<br />
Technik und Anwendung automatisierter Krane, Hebezeuge und Fördermittel,<br />
Band 35 (1995) Heft 12, S. 521-524.<br />
HOFER, LAHRES U.A. 1999<br />
Hofer, Lahres u.a.:<br />
Regallager-Bedienung mit Automatikkran, Hebezeuge und Fördermittel, Band<br />
39 (1999) Heft 10, S.456-459.<br />
STAHL 1998<br />
N.N.:<br />
Die Stahltronic-Komponenten. F-PB-5.3-D-04.98.<br />
VDI 1995<br />
VDI-Richtlinie 3653: Automatisierte Kransysteme. Düsseldorf, März 1995<br />
5-22
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
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MATVAR<br />
6-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
1 Einführung<br />
MATVAR<br />
Eine dynamische und sich ständig im Wandel befindliche Fertigungsstruktur erfordert<br />
anpassungsfähige Fördersysteme. Erforderlich ist da<strong>für</strong> eine hohe Flexibilität <strong>für</strong> sich<br />
ändernde Förderaufgaben. Sie werden durch zu transportierenden Lasten, durch die<br />
Transportleistung und durch sich häufig wechselnde Quellen-Senken-Beziehungen<br />
bestimmt. Die genannten Anforderungen waren der Anstoß <strong>für</strong> das Forschungsprojekt<br />
MATVAR (GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997), dessen Forschungsziel u.a. die Entwicklung<br />
von <strong>variable</strong>n <strong>Materialflusssysteme</strong>n in unterschiedlichen Automatisierungsgraden<br />
ist.<br />
Am Materialfluss sind eine Vielzahl von Komponenten zum Fördern, Lagern, Puffern<br />
und Kommissionieren beteiligt, die zusammen den Materialfluss in der Produktion<br />
abwickeln. Sie müssen, um ihre Funktion zu erfüllen und um im Verbund mit anderen<br />
operieren zu können, in das Gesamtsystem integriert werden (GÜNTHNER U.<br />
BAMBYNEK 1998). Alle Komponenten, die diese Fähigkeit besitzen, sind systemfähig<br />
<strong>für</strong> ein innerbetriebliches Materialflusssystem. Im Arbeitspakets 5: „Informatorische,<br />
energetische und physische Schnittstellen“, werden hierzu die gemeinsame Eigenschaften<br />
und Verbindungen der Komponenten festlegt, damit das flexible Materialflusssystem<br />
im Verbund mit allen daran beteiligten Komponenten funktionieren kann.<br />
Bild 1: Systemintegration eines Hängekran- Hängebahnsystems in den innerbetrieblichen<br />
Materialfluss<br />
6-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
Im Vordergrund der Betrachtung steht ein layoutflexibles, automatisiertes Hängekran-<br />
und Hängebahnsystem (Bild 1), welches nicht flurgebunden ist und damit keine<br />
Einschränkungen hinsichtlich der Transportwege erfährt. Es besteht aus einer oder<br />
mehreren parallelen Kranbahnen auf denen jeweils eine oder mehrere Kranbrücken<br />
fahren können. Auf jeder dieser Kranbrücken können mehrere Katzen fahren, die<br />
über ihren Seiltrieb ein Lastaufnahmemittel absenken, um Lasten im gesamten Arbeitsraum<br />
von Kran und Katze aufnehmen oder abgeben zu können. Die Verriegelung<br />
von je zwei Kranbrücken auf parallelen Kranbahnen ermöglicht die Überfahrt der<br />
Krankatzen. Alternativ ist die Überfahrt auf eine Hängebahn möglich. Durch eine<br />
Kombination der beschriebenen Möglichkeiten kann ein Produktionsfeld überspannt<br />
werden. Es entsteht ein Materialflussnetz im Überflurbereich mit mehren Kranen auf<br />
unterschiedlichen, parallelen Kranbahnen und Katzen. Zur Reduzierung der Personalbindung<br />
kann das Hängekran- Hängebahnsystem in Stufen automatisiert werden:<br />
• Manuellbetrieb<br />
• Automatisierte Leerfahrt<br />
• Automatisierte Lastfahrt<br />
• Automatisierte Lastauf- und Lastabgabe<br />
Das betrachtete Gesamtsystem besteht zusätzlich aus flurgebundenen Fördergeräten<br />
wie Gabelstaplern. Hinzu kommt herkömmliche Stetigfördertechnik wie Rollenbahnen,<br />
Kettenförderer und Bandförderanlagen, die zwar nicht als ortsflexibel eingestuft<br />
werden können, aber <strong>für</strong> den Materialfluss innerhalb der Produktionszellen unverzichtbar<br />
sind. Zu dem Materialflusssystems gehört auch die Lagertechnik. Im einfachsten<br />
Fall werden Blocklager als fertigungsnahe Pufferlager eingesetzt, die sowohl<br />
durch die Krananlage als auch mit dem Stapler bedient werden können. Die<br />
Anbindung an Hochregallager ist durch Übergabe an Auf- und Abgabeplätze in der<br />
Lagervorzone möglich.<br />
Das beschriebene flurfreie Leichtfördersystem <strong>für</strong> Lasten bis zu 1t soll im Rahmen<br />
des Projekts zu einer systemfähigen Materialflusskomponente entwickelt und flexibel<br />
in den Materialflussverbund integriert werden. Das Hautaugenmerk liegt auf der Anpassung<br />
an die Förderaufgabe und die Anbindung an unterschiedliche Materialflusstechnik<br />
unter Berücksichtigung von Sicherheitsanforderungen. Es gibt hierzu<br />
eine Vielzahl weiterer Aspekte (Bild 1), wie bauliche Randbedingungen, Anforderungen<br />
hinsichtlich der Bedienung und der Einbindung in ein Steuerkonzept, die hier<br />
zwar angesprochen, jedoch nicht weiterverfolgt werden.<br />
6-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
2 Vorgehensweise bei der Systemeinbindung der Kran-<br />
Hängebahnanlage<br />
MATVAR<br />
Am Anfang einer systematische Vorgehensweise zur Festlegung von Schnittstellen<br />
<strong>für</strong> ein flexibles Materialflusssystem (Bild 2) steht die funktionale Analyse des Gesamtsystems.<br />
Eine anschließende Aufteilung in Funktionsgruppen schafft unabhängige<br />
Komponenten <strong>für</strong> ein Bauprogramm. Die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten<br />
ermöglichen schließlich den Aufbau verschiedener Gesamtsysteme unter<br />
der Vorgabe, dass die Änderung einer Komponente nicht zur Änderung aller anderen<br />
des Materialflusssystems führt. Eine Anpassung darf, falls nötig, nur im vorbestimmten<br />
Rahmen vorgenommen werden. Häufig erfolgt die Systemaufteilung nach Anlagengewerken,<br />
<strong>für</strong> die jeweils ein Hersteller die Verantwortung trägt. Die Komponenten<br />
werden meist nachträglich aufeinander abgestimmt. Diese Vorgehensweise führt<br />
oft dazu, dass <strong>für</strong> unterschiedliche Gesamtsysteme nicht einheitliche Systemgrenzen<br />
spezifiziert werden. Im ungünstigsten Fall sind bei Erweiterungen oder Umrüstungen<br />
nachträgliche, funktionale Veränderungen notwendig. Die Flexibilität kann dadurch<br />
eingeschränkt werden.<br />
Anhand der Funktions- und Schnittstellenbeschreibung können bestehende Komponenten<br />
ausgewählt oder gegebenenfalls neue Komponentenkonzepte erstellt und<br />
bewertet werden. Wichtigstes Kriterium ist die Funktionalität. Darüber hinaus ist die<br />
Sicherheit der Anlage zu berücksichtigen. Eine erste Beurteilung in der Konzeptphase<br />
ist nach der EG-Maschinenrichtlinie <strong>für</strong> alle Maschinen und Anlagen vorgeschrieben,<br />
obwohl eine umfassende Zusammenstellung der Gefahrenrisiken erst nach der<br />
Umsetzung durch Produktbeobachtung möglich ist. Als Instrument dient die Gefahrenanalyse,<br />
in der alle möglichen Gefahrenursachen zusammengestellt werden. Zur<br />
Verminderung müssen Maßnahmen ergriffen und dokumentiert werden mit dem Ziel,<br />
das Restrisiko so klein wie möglich zu halten. Der Maßstab <strong>für</strong> die Bewertung sind<br />
der Stand und die Regeln der Technik. Hierzu zählen <strong>für</strong> den Einsatz von Krananlagen<br />
z.B. die Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Krane“, die UVV „Lastaufnahmeeinrichtungen<br />
im Hebezeugbetrieb“ und weitere anerkannte Regeln der Technik wie die<br />
VDI 3653 „Automatisierte Kransysteme“.<br />
Da die Funktionalität und die Sicherheit der Komponenten stets Vorrang haben, wird<br />
die Flexibilität zuletzt bewertet. Kriterien sind die Erweiterbarkeit um Komponenten<br />
und die Adaptierbarkeit bei Veränderung der Gesamtanlage. Ein Beispiel hier<strong>für</strong> ist<br />
die Erhöhung des Automatisierungsgrades der Krananlage von einem Kran mit automatisierter<br />
Leerfahrt hin zu einem Kran mit automatisierter Lastfahrt:<br />
6-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
• Flexible Lastaufnahmemittel sind weiter einsetzbar, wenn sie der neuen Aufgabe<br />
angepasst werden<br />
• Geeignete Behälter können auch <strong>für</strong> den automatisierten Krantransport genutzt<br />
werden.<br />
In der Umsetzung und Testphase ist eine abschließende Bewertung nach den Kriterien:<br />
Funktionalität, Sicherheit und Flexibilität möglich. Die dabei überprüften<br />
und eventuell verbesserten Spezifikationen stellen einen Vorschlag <strong>für</strong> die flexible<br />
Integration des Hängekran-Hängebahnsystems in den Materialfluss dar.<br />
Bild 2: Vorgehensweise bei der Festlegung von Funktionalitäten und<br />
Schnittstellenspezifikationen<br />
6-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
3 Aufteilung in Systemkomponenten<br />
MATVAR<br />
Zur Spezifikation von Schnittstellen werden die in Bild 3 dargestellten Komponenten<br />
mit ihren zugeordneten Aufgaben und Eigenschaften festgelegt. Diese Aufzählung<br />
enthält u.a. getrennte Beschreibungen von automatisch bedienten Förder-, Lagerund<br />
Bodenlagerplätzen. Hinsichtlich ihrer Beziehung zum Kran treten jedoch keine<br />
Unterschiede auf, da <strong>für</strong> den Kran nur wichtig ist, ob der automatisierte Zugriff auf<br />
einen Platz mit einer gelernten Position möglich ist:<br />
1. Hängekran-Hängebahnsystem:<br />
Die in der Einführung beschriebene Anlage übernimmt die Leer- und Lastspiel in<br />
unterschiedlichen Automatisierungsstufen, angefangen vom manuellen Kran bis<br />
hin zur Vollautomatikfahrt. Das Kran- und Katzfahren erfolgt aus Sicherheitsgründen<br />
und, um Pendelbewegungen der Last zu verringern, in der höchsten Hubstellung.<br />
An den Übergabestellen wird die Last über ein Hubwerk zum An- bzw.<br />
Abschlagen abgesenkt. Im Fall einer automatischen Anfahrt oder Bedienung des<br />
Übergabeplatzes muss diese Position vorab „geteacht“, d.h. gelernt werden.<br />
2. Lastaufnahmemittel:<br />
Greifer übernehmen die formschlüssige Lastaufnahme und Lastabgabe, nachdem<br />
sie durch den Kran hier<strong>für</strong> positioniert worden sind. Sie steuern ihre Bewegungen<br />
durch eine vom Kran unabhängige Steuerung und sorgen <strong>für</strong> eine sichere Lastverriegelung,<br />
die sie selbsttätig überprüfen. Die Lastaufnahmemittel stellen nach<br />
dem Senden der Kranfreigabe fest, ob die Verriegelung nicht mehr gewährleistet<br />
ist.<br />
3. Ladehilfsmittel:<br />
Für den Transport von Lasten werden Behälter eingesetzt. Sie sichern die Ladung<br />
gegen Absturz und schaffen einheitliche Greif- und Fördermöglichkeiten.<br />
Sie ermöglichen zusätzlich die Stapelbildung in Lagern und auf Paletten.<br />
4. Fördertechnik:<br />
Rollenbahnen übernehmen den Zu- und Abfluss in den Fertigungszellen. An den<br />
Lastabgabestellen wird das Transportgut vereinzelt und positioniert. An den Lastaufgabestellen<br />
helfen Einführungen bei der Positionierung auf den Förderer. Die<br />
Belegung der Aufgabe-, Abgabe- und Stauplätze werden über Sensorik überwacht.<br />
5. Lager:<br />
Sie werden in der Fertigung überwiegend zur Zwischenpufferung eingesetzt. In<br />
einem Blocklager werden kompatible Behälter gestapelt. Ein Zugriff auf jeden Behälter<br />
ist unter Umständen nur nach Umstapeln der Behälter möglich. Eine Ausnahme<br />
bilden einlagige Bodenlager. Als Alternative hierzu bietet ein Verschiebebodenregal<br />
den Zugriff auf jeden Behälter an. Das Lager fährt den entsprechen-<br />
6-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
den Behälter in die Position, von der er vom Kran abgeholt werden kann. Die Bedienung<br />
ist manuell als auch automatisiert möglich.<br />
Bild 3: Schnittstellenbeziehungen zwischen den Systemkomponenten<br />
6-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
6. Stapler:<br />
Gabelstapler werden <strong>für</strong> Transporte zwischen den Auf- und Abgabepunkten benötigt,<br />
die vom Hängekran- Hängebahnsystem nicht erreicht werden können. Sie<br />
schaffen eine zusätzliche Redundanz <strong>für</strong> alle anderen Transportvorgänge. Ein<br />
Staplermanagementsystem koordiniert die Aufträge <strong>für</strong> den Staplerfahrer. Sie<br />
werden auf einem mitfahrenden Terminal angezeigt und können übernommen, im<br />
Störungsfall zurückgegeben und nach erfolgreicher Abarbeitung quittiert werden.<br />
7. Übergabeplätze:<br />
Sind Auf- und Abgabeplätze nicht an Fördertechnik- und Lagerkomponenten gebunden,<br />
so haben Übergabeplätze im Fall der automatischen Bedienung lediglich<br />
die Aufgabe Behälter zu positionieren. Zur Unterstützung der Lastabgabe dienen<br />
Einführungen zur Ausrichtung auf die Platzposition.<br />
8. Sicherheitstechnik:<br />
Das Auftreten einer Störung darf nicht dazu führen, dass eine Gefährdung von<br />
Personen entsteht. Absperrungen mit Zugangsüberwachung verhindern, dass<br />
Personen sich im Bereich von Übergabestellen aufhalten. Türschalter, Lichtvorhänge<br />
oder Trittmatten registrieren, dass ein umzäunter Bereich betreten oder<br />
verlassen wird. Dies führt normalerweise zum Not-Aus und damit zur Energieabschaltung<br />
<strong>für</strong> die Antriebe der Automatikkrananlage. Eine Produktionsumgebung<br />
macht es jedoch erforderlich, dass ein Betreten von Plätzen, an denen Lasten<br />
automatisch übergeben werden, während des Betriebs der Anlage möglich ist,<br />
ohne einen Not-Aus zu verursachen. Eine Erlaubnis zum Betreten ist an die Bedingungen<br />
geknüpft, dass in diesem Zeitraum der Kran den Platz nicht anfahren<br />
darf. Die Anzeige erfolgt über eine Signallampe. Ist die Erlaubnis nicht erteilt und<br />
wird die Schutzeinrichtung verletzt, so muss der Not-Aus der Krananlage gewährleistet<br />
sein.<br />
9. Leitsystem:<br />
Ein übergeordnetes Leitsystem wird benötigt, um Transportaufträge zu verwalten<br />
und an die einzelnen Fördergeräte zu versenden. Diese enthalten die Quelle, das<br />
Ziel und eine eindeutige Behälterbezeichnung. Der Auftrag kann darüber hinaus<br />
um weitere Begleitdaten erweitert werden. Ohne einen Transportauftrag darf kein<br />
Fördergerät, weder automatisiert oder manuell, einen Transport ausführen. Handelt<br />
ein Bediener dieser Vorschrift zuwider, so muss das Abbild auf dem Leitrechner<br />
manuell korrigiert werden. Im Arbeitspaket 3 „Materialflusssteuerung“ werden<br />
zur Leitrechnerschnittstelle Konzepte erarbeitet und umgesetzt.<br />
Zwischen den beschriebenen Komponenten gibt es eine Vielzahl von mechanischen,<br />
elektrischen und informatorischen Schnittstellen, die abhängig sind von der beschriebenen<br />
Funktionalität. Eine Bezeichnung enthält Bild 3. Eine nähere Beschreibung<br />
erfolgt bei der Auswahl und Konzeption der Komponenten, da die Schnittstellenspezifikationen<br />
Anforderungskriterien sind, die erfüllt werden müssen.<br />
6-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
4 Auswahl geeigneter Behältersysteme<br />
MATVAR<br />
Eine Untersuchung des Lehrstuhls <strong>für</strong> Fördertechnik Materialfluss Logistik<br />
(GÜNTHNER U. HANDRICH 1998) hat gezeigt, dass die Transportlasten im innerbetrieblichen<br />
Materialfluss zu 93,8% unter 1t und zu 33,4% unter 50kg liegen. In Bild 4 ist<br />
die Gewichtsverteilung der Lasten und eine Zuordnung zu geeigneten Ladehilfsmitteln<br />
dargestellt, die zur Handhabung unterschiedlichster Lastgeometrien eingesetzt<br />
werden. Bemerkenswert ist, dass <strong>für</strong> 62% aller Materialflussvorgänge bereits Behälter<br />
und Paletten benutzt werden.<br />
Bild 4: Gewichtsverteilung innerbetrieblicher Transporte mit Zuweisung geeigneter<br />
Ladehilfsmittel<br />
Eine geeignete Einteilung der innerbetrieblich genutzten Ladehilfsmittel in Kategorien<br />
erfolgt nach Abmessung und Gewicht:<br />
• Kunststoff-Kleinladungsträger im Format 600 x 400 <strong>für</strong> Lasten unter 50kg.<br />
• Paletten, Gitterboxen und Kunststoffgroßladungsträger der Maße 1200x1000 und<br />
1200x800 oder 800x600 <strong>für</strong> Lasten bis zu 1t.<br />
Ein Großteil der Transporte kann in Übereinstimmung mit der Umfrage in Ladehilfsmitteln<br />
der genannten Kategorien abgewickelt werden. Eine Ausnahme bilden die<br />
Paletten, die <strong>für</strong> den automatisierten Krantransport ungeeignet sind, da eine Sicherung<br />
der Ladung gegen Absturz der Last nicht immer sichergestellt ist. Die richtige<br />
Auswahl entscheidet, ob ein durchgängiger Materialfluss möglich ist. Schließlich<br />
6-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
müssen alle am Materialfluß beteiligten Fördergeräte die Behälter handhaben oder<br />
transportieren können. Folgende Kriterien sind wichtig <strong>für</strong> die Entscheidung:<br />
• Bodenkonstruktion, als Kriterium, ob der Transport auf eingesetzten Stetigförderen<br />
wie Rollenbahnen oder Kettenförderern möglich ist.<br />
• Hohes nutzbares Volumen als Kriterium <strong>für</strong> Lagerbehälter.<br />
• Stapelfähigkeit zur kompakten Ladeeinheitenbildung und Lagerung<br />
• Geringes Leermassen-Nutzlastverhältnis<br />
• Hohe Lebensdauer<br />
• Standardisierte Abmessungen<br />
• Greifmöglichkeiten zur Handhabung<br />
• Ausreichende Maßqualität als Voraussetzung <strong>für</strong> eine automatisiertes Greifen<br />
durch ein Kranlastaufnahmemittel<br />
Die Greifmöglichkeiten und deren Maßhaltigkeit entscheiden, ob der Behälter mit<br />
dem automatisierten Kran transportiert werden kann. Der VDA-KLT (VDA-<br />
Kleinladungsträger, Bild 5a) dient hier als Referenzbebälter <strong>für</strong> die hohe Variantenvielfalt<br />
im Bereich niedriger Nutzlasten. Es bietet neben normierten Abmessungen<br />
zahlreiche Greifmöglichkeiten, die <strong>für</strong> die geforderte formschlüssige Lastaufnahme<br />
genutzt werden können. Hierzu zählen horizontale Nuten und vertikale Greifschächte.<br />
Diese ermöglichen ein Greifen von „oben“ über Schächte und eine vollständigen<br />
Lastverriegelung. Für diesen Greifvorgang wird, im Gegensatz zum Eingreifen in die<br />
horizontale Nuten oder in die seitlich angebrachten Griffe kein zusätzlicher, seitlicher<br />
Raum benötigt. Das schlechte Volumennutzungsverhältnis durch die doppelwandige<br />
Ausführung des VDA-KLT soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Zahlreiche<br />
überarbeitete Behältersysteme orientieren sich an dem in DIN 30820 T1-9 spezifizierten<br />
Standard. Hierzu zählt beispielsweise auch der KLT-Behälter in einwandiger<br />
Ausführung.<br />
Ladehilfsmittel <strong>für</strong> größere Lasten (< 1t) sind <strong>für</strong> den Transport durch Flurförderzeuge<br />
ausgelegt. Für den Krantransport können die gleichen Aufnahmen (Bild 5b) wie <strong>für</strong><br />
die Gabelstapler genutzt werden. Der Behälterboden hat <strong>für</strong> den sicheren Transport<br />
eine wichtige Funktion, da das Lastaufnahmemittel im Gegensatz zum Stapler die<br />
Last nicht vollständig, sondern nur von beiden Seiten kurz untergreift. Alternativ<br />
müsste zur Lastauf- bzw. Lastabgabe der Kran oder die Katze verfahren, um die<br />
Greifbewegung zu realisieren. Die Folge wären unerwünschte Pendelbewegungen<br />
im Seiltrieb und ein großer Raumbedarf <strong>für</strong> die Greifbewegung. Im Gegensatz zum<br />
Boden werden die Seitenwände durch den Transport nicht belastet, sichern aber die<br />
Ladung gegen Absturz und sind die Voraussetzung da<strong>für</strong>, dass ein automatisierter<br />
6-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
Transport mit dem Kran möglich ist. Beim Stapeln begrenzt ihre Belastbarkeit die<br />
Stapelhöhe.<br />
Da sich viele Ladehilfsmittel der Kategorie bis zu 1t an die genormten Abmessungen<br />
aus Bild 5b halten, kann sich die konstruktive Gestaltung der Lastaufnahmemittel an<br />
diesen Maßen orientieren.<br />
Griff<br />
horizontale Greifnut<br />
Langloch<br />
Ziehnut vertikale Greifnut<br />
a) Greifmöglichkeiten am VDA-KLT 600x400<br />
145 145<br />
100<br />
Gabelaufnahmen<br />
b) Greifmöglichkeiten an Paloxen 1200x1000 und 1200x800<br />
Bild 5: Aufnahmemöglichkeiten von systemfähigen Behältern<br />
5 Konzeption der Lastaufnahmemittel (LAM)<br />
Die Großladungsträger und die Kleinladungsträger erfordern unterschiedliche Lastaufnahmemittel.<br />
Je nach Behälterklasse werden unterschiedliche Greifmöglichkeiten<br />
genutzt. In der Entwicklung wird deshalb zwischen einem VDA-KLT-Greifer <strong>für</strong> Lasten<br />
bis 50kg und einem Großbehältergreifer <strong>für</strong> Lasten bis 1t unterschieden.<br />
145<br />
6-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
Für beide gelten jedoch gemeinsame Anforderungen. Die meisten sind erforderlich<br />
<strong>für</strong> den Vollautomatikbetrieb der Hängekran- Hängebahnanlage:<br />
• Die Behälter müssen formschlüssig und sicher gegriffen werden, um diese ohne<br />
weitere Sicherheitsvorkehrungen, wie Zwischendecken, über Personen hinweg<br />
fördern zu dürfen.<br />
• Vor dem Anheben der Last muss die Last nachprüfbar aufgenommen und verklammert<br />
oder abgesetzt sein.<br />
• Die Steuerung und Erfassung des Greiferzustands übernimmt eine eigene Steuerung,<br />
die über einen Feldbus mit der Kransteuerung kommuniziert. Sie setzt eine<br />
Meldung ab, sobald sie eine Störung feststellt.<br />
• Die Lastaufnahmemittel werden nur mit elektrischer, nicht aber mit pneumatischer<br />
oder hydraulischer Energie versorgt, um den Aufwand auf den Katzen zu reduzieren.<br />
5.1 Konzeption des VDA-KLT-Greifers<br />
Der VDA-KLT bietet mehrere Greifmöglichkeiten an. Um den Greifer jedoch universell<br />
einsetzen zu können, muss die Möglichkeit gewählt werden, die zum Greifen den<br />
geringsten Raumbedarf hat. Das Aufnehmen über die Handgriffe oder die Horizontalnuten<br />
erfordern stets seitlichen Platz. Deshalb werden die Langlöcher genutzt, in<br />
die das Lastaufnahmemittel von oben greifen kann. Um die Finger des Greifschlosses<br />
einführen zu können, muss das LAM relativ zum Behälter positioniert werden.<br />
Bei der automatisierten Lastaufnahme setzt dies eine Positionierung des Behälters<br />
voraus. Eine Einführhilfe am Lastaufnahmemittel sorgt <strong>für</strong> die erforderliche Genauigkeit.<br />
Die konstruktive Lösung <strong>für</strong> die genannten Anforderungen (Bild 6) nutzt die Schwerkraft<br />
<strong>für</strong> den Greifvorgang. Der Greifer besteht aus vier unabhängige Greifeinheiten.<br />
Diese enthalten je einen im Gehäuse drehbar gelagerten Greiffinger, der über eine<br />
Rückstellfeder gefesselt ist. An dem Finger ist eine Aufstandsrolle befestigt. Anschläge<br />
begrenzen die beiden Schwenkstellungen des Fingers. In der geschlossenen<br />
Stellung wird das Schloss durch einen mit Federkraft betätigten Bolzen verriegelt.<br />
Das Öffnen des Bolzens geschieht magnetisch. Ein Einführblech verhindert,<br />
dass der Finger in der geöffneten Stellung im Langloch des Behälters verhakt. Die<br />
beschriebenen Greifeinheiten sind mit dem Lastaufnahmemittelrahmen verschraubt.<br />
Die Einführhilfe besitzt sechs paarweise angeordneten Gleitleisten mit Begrenzungsstift.<br />
Diese werden durch die Senkbewegung und über ein Parallelogrammlenkerpaar<br />
angetrieben.<br />
Das Aufnehmen der Last beginnt mit dem Absenken des Lastaufnahmemittels. Zuerst<br />
setzen die Einführleisten auf dem Behälterrand auf. Durch das weitere Absenken<br />
6-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
wird der Greifer so zum Behälter ausgerichtet, dass die Einführbleche in die Langlöcher<br />
eingeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt begrenzen die Stifte genau die Innenkante<br />
des Behälters. Als nächstes setzen die Rollen, die auf den Greiffingern befestigt<br />
sind, auf und schwenken diesen durch das Eigengewicht des Greifers gegen eine<br />
Zugfeder bis zum Anschlag. Nach dem Einrasten der Verriegelungsbolzen ist der<br />
Greifer geschlossen und verriegelt. Der Behälter kann anschließend gehoben werden.<br />
Zum Öffnen wird, im Gegensatz zum Schließen elektrische Energie zum Betätigen<br />
der Magnete benötigt. Ist der Behälter abgesetzt, wird der Verriegelungsbolzen<br />
geöffnet und das Heben kann beginnen. Der Magnet hält den Bolzen geöffnet. Die<br />
Zugfeder schwenkt den Greifhebel während des Hubvorgangs bis zum Anschlag zurück.<br />
Das Lastaufnahmemittel ist dann geöffnet und kann weiter gehoben werden.<br />
Bild 6: KLT-Greifer ohne Steuerung und Sensorik<br />
Der Mechanismus des Greifers ist eigensicher. Ein versehentliches Öffnen des Verrieglungsbolzens<br />
führt nur dann zum Öffnen der Greiffinger, wenn der Behälter abgesetzt<br />
ist. Dies wird durch zwei Taster, die beim Absenken durch den Behälterrand<br />
geschaltet werden, abgefragt. Die vier Verriegelungsbolzen werden ebenfalls durch<br />
je einen Taster kontrolliert. Alle Schalter beschreiben jeden möglichen Zustand des<br />
Greifers und genügen zur Steuerung der Magnete.<br />
6-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
Die Konstruktion bietet eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten, wie das automatisierte<br />
Bedienen von Förderer- oder Lagerplätzen oder das manuelle Palettieren von Behältern.<br />
Die modulare Gestaltung der einzelnen Baugruppen:<br />
• Greifschloss<br />
• Einführhilfen<br />
• Rahmen<br />
erlauben eine Anpassung an unterschiedliche Greifbilder, die durchaus von Abständen<br />
des VDA-KLT abweichen dürfen. Dazu muss entweder der Rahmen ausgewechselt<br />
oder einstellbar gestaltet werden. Durch den nicht vermeidbaren seitlichen<br />
Überstand der Einführleisten wird zwar seitlicher Bauraum benötigt, ein Bedienen<br />
dicht nebeneinander stehender Behälter ist trotzdem - wenn auch nur - lagenweise<br />
möglich. Einführungen <strong>für</strong> das Absetzen der Behälters können entweder an<br />
den Ecken oder unterhalb des Behälterrands montiert werden.<br />
5.2 Konzeption des Großbehältergreifers<br />
Da Behälter mit einer Zuladung von bis zu 1t häufig mit Gabelstaplern transportiert<br />
werden, bietet es sich an, diese Greifmöglichkeiten auch <strong>für</strong> den Kran zu nutzen. Der<br />
Abstand der Aufstandspunkte auf dem Greifer sollte so groß wie möglich gewählt<br />
werden, um ein Kippen des Behälters zu vermeiden. Es ist deshalb sinnvoll, den Behälter<br />
von der Breitseite aus zu untergreifen. Der seitliche Raumbedarf hier<strong>für</strong> ist abhängig<br />
von der Eingrifflänge und der Positioniergenauigkeit des Lastaufnahmemittels<br />
durch den Kran und die Katze und der Amplitude der Pendelbewegung im Hubwerk.<br />
Die genannten Parameter bestimmen das Öffnungsmaß und damit den seitlichen<br />
Raumbedarf. Behältereinführungen zur Positionierung auf Rollenbahnen oder Übergabeplätzen<br />
sind nur an den Behälterecken möglich.<br />
Der Greifer (Bild 7) ist, um einen breiten Anwendungsbereich abzudecken, modular<br />
aufgebaut. Er besteht aus einem einstellbaren Rahmen <strong>für</strong> Behälter der Größen<br />
1200x1000 und 1200x800. An diesem werden vier Füße verschraubt, deren Länge<br />
der Behälterhöhe angepaßt ist. Daran montiert ist die Greifeinheit, die einen Schlitten<br />
zum Untergreifen des Behälters translatorisch bewegt. Das bündige Abschließen des<br />
eingefahrenen Schlittens mit der Außenkante der Fahreinheit verhindert ein Verhaken<br />
an der Last. Der Antrieb erfolgt über je einen Drehstrommotor. In den beiden<br />
Endlagen wird der Schlitten, über Federkraft betätigt, verbolzt. Das Öffnen während<br />
der Fahrbewegung übernimmt ein Hubmagnet. Taster fragen die Endlagen und die<br />
Bolzenverriegelung ab. Damit werden die geforderten Sicherheitskriterien erfüllt. Ein<br />
Öffnen ist nur möglich, wenn der Behälter abgestellt und der untere Lichttaster einen<br />
Spalt zwischen Behälter und Schlitten feststellt. Der darüber liegende Lichttaster<br />
kontrolliert, ob ein Behälter von allen vier Schlitten untergriffen wird. Das begrenzte<br />
Motormoment verhindert ein ungewolltes Öffnen bei einem Fehler in der Steuerung.<br />
6-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
Bild 7: Konzept zum Großladungsbehältergreifer<br />
5.3 Steuerung der Lastaufnahmemittel<br />
MATVAR<br />
In einer dezentral mit Feldbustechnik aufgebauten Kransteuerung ist die Lastaufnahmemittelsteuerung<br />
ein eigenständiger Busknoten am „Controller Area Network“<br />
(kurz: CAN). Sie ist verantwortlich <strong>für</strong> die Greifbewegung, die Verriegelung und wirkt<br />
unterstützend bei der Positionierung. Zur Kompatibilität mit der Kransteuerung muss<br />
sie ein Kommunikationsprofil nach dem Standard „CAN-open“ der Nutzerorganisation<br />
„CAN in Automation“ (kurz: CiA) unterstützen. Die Einstellung auf unterschiedliche<br />
Katzen wird über Einträge in ein Objektverzeichnis der Steuerung realisiert. Mit einem<br />
Konfigurationswerkzeug werden hier<strong>für</strong> Servicedatenobjekte (kurz: SDO) geschickt.<br />
Damit können u.a. die IDs der Prozessdatenobjekte (kurz: PDO) eingestellt<br />
werden. Eine einheitlich ablaufende Kommunikation zwischen Lastaufnahmemittel<br />
und Kran mit PDOs, die jeweils den gleichen Dateninhalt haben, gestattet einen<br />
Lastaufnahmemittelwechsel ohne Anpassungsaufwand in der Programmierung. Die<br />
festgelegten PDOs (Bild 8) lassen einen Hand- und Automatikbetrieb des Lastaufnahmemittels<br />
zu. Sie unterstützen außerdem die Automatisierungsstufen des Hängekran-Hängebahnsystems.<br />
Das PDO „Steuerschalter“ wird benötigt zum manuellen<br />
Öffnen und Schließen des Lastaufnahmemittels. Alternativ steht ein Taster am Greifer<br />
zur Verfügung. Das PDO „LAM Anweisungen“ übernimmt das automatisierten<br />
Betrieb. Während des Hub- und Senkvorgangs sendet die Lastaufnahmesteuerung<br />
auf Anfrage das PDO „Krananweisungen“. Der sichere Betriebszustand sowie Angaben<br />
zum Zustand enthält das PDO „LAM Status“. Die Statusinformationen sind notwendig<br />
<strong>für</strong> die automatisierte Leer- und Lastfahrt des Krans oder der Katze und werden<br />
ereignisgesteuert versendet.<br />
6-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
Sende-PDOs Empfangs-PDOs<br />
Benennung Typ Benennung Typ<br />
LAM-Status<br />
Krananweisungen<br />
ereignisorientiert<br />
RTR<br />
� LAM_keine_Stoerung<br />
� LAM_offen<br />
� LAM_geschlossen<br />
� LAM_Last<br />
� LAM_Fehler_0...7<br />
� LAM_Stop<br />
� LAM_Freigabe<br />
� LAM_Senken_Feinhub<br />
und<br />
LAM_Heben_Feinhub<br />
� LAM_Katzfahrt_rechts<br />
und<br />
LAM_Katzfahrt_links<br />
� LAM_Kranfahrt_vor<br />
und<br />
LAM_Kranfahrt_zurück<br />
� LAM_Senkweg_frei<br />
Steuerschalter<br />
LAManweisungen<br />
ereignisorientiert<br />
ereignisorientiert<br />
MATVAR<br />
� KR_Oeffnen_manuell<br />
� KR_Schliessen_manuell<br />
� KR_Aufnahme<br />
� KR_Abgabe<br />
� KR_Test<br />
� KR_Betriebsart<br />
Bild 8: Sende- und Empfangs-PDOs der Lastaufnahmemittel<br />
6 Lastübergabe auf Boden-, Förderer- und Lagerplätzen<br />
Übergabestellen können in manuell und automatisiert angefahrene Plätze unterteilt<br />
werden. Bei den automatischen gibt es überwachte und nicht überwachte Plätze. Auf<br />
Rollenbahnen beispielsweise werden die Plätze auf Belegung und auf die richtige<br />
Positionierung der Behälter hin geprüft. Bei Lagertechnik und auf Bodenplätzen findet<br />
wegen der Vielzahl der Plätze und dem damit verbundenen Aufwand keine Einzelplatzüberwachung<br />
statt. Es muss deshalb sichergestellt sein, dass das Lagerabbild<br />
mit dem des Lagerverwaltungsrechners übereinstimmt. Alle automatischen Plätze<br />
müssen eine Personenabsperrung besitzen, die ihren Zustand der Steuerung von<br />
Förder- und Lagertechnik mitteilt.<br />
Bekommt der Kran den Auftrag, von einem dieser Plätze eine Last aufzunehmen oder<br />
abzugeben, so ist keinesfalls sicher, dass ein Zugriff möglich ist, da auf Leitebene<br />
die Übergabebereitschaft nicht bekannt ist. Bei Rollenbahnen bedeutet dies <strong>für</strong><br />
die Lastaufgabe einen vereinzelten und positionierten Behälter, <strong>für</strong> die Lastabgabe<br />
keinen Behälter am Übergabeplatz. Zusätzlich darf auf diesen weder zu- noch abgefördert<br />
werden. Gleiches gilt <strong>für</strong> das Anfahren von Verschiebebodenregallagern.<br />
Der vom Kran bediente Platz muss entweder belegt sein <strong>für</strong> die Lastaufnahme oder<br />
frei sein <strong>für</strong> die Lastabgabe. Die Zugriffsbereitschaft auf den Platz setzt voraus, dass<br />
6-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
der Zugriff möglich ist und keine Lagerbewegung mehr stattfindet. Allen Plätzen ist<br />
gemeinsam, dass sich innerhalb der Platzabsperrung keine Personen aufhalten dürfen.<br />
Für die Kommunikation zwischen dem Kran und dem Förder- oder Lagergerät findet<br />
deshalb <strong>für</strong> die Sicherstellung der Voraussetzungen zur Lastübergabe der Signalaustausch<br />
auf Prozessebene statt. Die entsprechende Fördertechniksteuerung ist<br />
der jeweilige Master <strong>für</strong> alle Anfragen des Krans, die einen ihrer Plätze betreffen. Als<br />
Kommunikationsmedium wird der CAN-Bus der Hängekran- Hängebahn- Anlage genutzt.<br />
Am Beispiel einer Lastaufnahme zwischen Kran und einer gesteuerten Förderer<br />
soll der Ablauf aus Bild 9 exemplarisch erläutert werden:<br />
Bild 9: Vereinfachtes Ablaufdiagramm <strong>für</strong> die Lastaufnahme<br />
Der Kran bekommt einen Auftrag vom Leitrechner, einen Transportbehälter von einem<br />
Abgabeplatz der Rollenbahn abzuholen und die Rollenbahn, den Behälter dem<br />
richtigen Übergabeplatz zuzuführen. Die Katze ist in die korrekte Position gefahren<br />
und hat diese überprüft. Zur Übergabe sendet der Kranrechner ein PDO „Katze will“,<br />
das durch die Platzbezeichnung, die eine eindeutige Zuordnung der Anfrage zu dem<br />
gewünschten Übergabeplatz und damit auch zum richtigen Förderers erlaubt und<br />
wartet anschließend auf dessen Reaktion.<br />
Diese kann auf zwei Arten erfolgen:<br />
6-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
• Der Förderer quittiert dann den Auftag mit einem PDO „Warten“, wenn der Förderer<br />
noch mit anderen Aufträgen beschäftigt ist, gestört ist, oder sich im Handbetrieb<br />
befindet. Sind die Voraussetzungen erfüllt, setzt er das Signal „Katze_darf“.<br />
• Der Förderer ist zum Zeitpunkt der Anfrage schon <strong>für</strong> eine Übergabe bereit und<br />
antwortet direkt mit dem PDO „Katze_darf“.<br />
Der Lastzyklus wird danach automatisch gestartet und die Katze beginnt mit dem<br />
Senken aus der Sicherheitshöhe. Während dieser Periode müssen die Sicherheitseinrichtungen<br />
den Platz permanent überwachen. Sollte an der Förderersteuerung<br />
eine Störung eintreten, sendet sie das PDO „Warten“ und der Kran muss seinen<br />
Zugriff sofort unterbrechen. Ein Fortsetzung ist möglich, wenn das Signal „Katze_darf“<br />
wieder gesetzt ist. Ist der Lastzyklus nach dem Hub in die oberste Hubstellung<br />
beendet, so nimmt der Kranrechner sein Signal im PDO „Katze_will“ <strong>für</strong> diesen<br />
Platz zurück. Der Förderer quittiert den Erhalt dieses Signals mit der Rücknahme des<br />
Signals im PDO „Katze_darf“.<br />
Bild 10: Steuerungsarchitektur des Materialflusssystems bestehend aus einer<br />
Hängekran-Hängebahnanlage mit gekoppelter Förder- und Lagertechnik<br />
Nicht jede Steuerung auf dem Markt verfügt über das zur Kommunikation notwendige<br />
CAN-Interface. Abhilfe schafft ein Umsetzer von der seriellen auf die CAN-<br />
Schnittstelle. Der Dateninhalt des Empfangs-PDOs „Kran will“ und des Sende-PDOs<br />
„Kran darf“ wird kontinuierlich zwischen der Kommunikationsbauguppe der Förder-<br />
6-18
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
technik-SPS und dem Umsetzer ausgetauscht und ereignisgesteuert auf den CAN-<br />
Bus gelegt. Der in Bild 10 dargestellte Aufbau erlaubt Erweiterungsmöglichkeiten<br />
auch um Plätze auf Fördergeräten mit eigener Steuerung. Die Schnittstelle muss<br />
dann um ein weiteres PDO „Kran darf“ erweitert werden. Dazu wird mit einem CAN-<br />
Konfigurator das neue Objekt in das Verzeichnis des entsprechenden Kranmoduls,<br />
welches den Signalaustausch durchführt, eingetragen. Eine Veränderung, z.B. durch<br />
eine Erweiterung um zusätzliche Katzen, erfordert hingegen keinen Anpassungsaufwand.<br />
Damit steht eine universelle Möglichkeit zum Austausch von Verriegelungssignalen<br />
zwischen unterschiedlichen Fördertechnikkomponenten und der Kransteuerung<br />
zur Verfügung.<br />
7 Personschutzkonzept <strong>für</strong> zugängliche Übergabeplätze<br />
Für die Platzüberwachung müssen Mechanismen <strong>für</strong> den Not-Aus der Krananlage<br />
entwickelt werden, die ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten und die auf den<br />
jeweiligen Platz nur dann wirken, wenn der Kran auch auf diesen zugreift. Zur Gewährleistung<br />
der „Ein-Fehler-Sicherheit“ während des Platzzugriffs durch den Kran<br />
müssen zwei redundante, diversitär wirkende Sicherheitsmechanismen gewährleisten,<br />
dass die Verletzung der Schutzeinrichtungen zu einem Not-Aus der Anlage führt.<br />
Der Übergabezeitraum beginnt mit dem Absenken des Lastaufnahmemittels aus der<br />
obersten Hubstellung. Das Zugriffsende wird erreicht, wenn das Lastaufnahmemittel<br />
wieder in der obersten Hubstellung angekommen ist. Für die übrige Zeit ist der Platz<br />
<strong>für</strong> Personen freigegeben, d.h. eine Verletzung der Schutzeinrichtung schaltet die<br />
Krananlage nicht ab.<br />
Türkontaktschalter an den Übergabeplätzen bewirken normalerweise eine Abschaltung<br />
der Antriebe, wenn ihr Signal nicht mehr anliegt. Nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />
soll dieses Signal überbrückt werden können. Hierzu müssen die Zustände<br />
am Übergabeplatz und an den Katzen der Krananlage bekannt sein. Da die Steuerung<br />
von der Förder- oder Lagertechnik auch die sicherheitstechnischen Einrichtungen<br />
auswertet, kann sie auch entscheiden, ob sie die manuelle Bedienung <strong>für</strong> die<br />
Plätze freigibt. Ist der Platz nicht an ein gesteuertes Fördergerät gebunden, so muss<br />
eine eigene Steuerung die Überwachungseinrichtungen auswerten. Erteilen die genannten<br />
Steuerungen die Freigabe „Kran darf“, so müssen sie vorher das Signal zur<br />
Überbrückung des Türkontaktschalters zurücksetzen. Die Kransteuerung fragt ihrerseits<br />
über einen Lichtaster den Türzustand ab. Ein Reflektorspiegel, der an der Tür<br />
montiert ist, reflektiert bei geschlossener Tür den Lichtstrahl. Damit verarbeiten die<br />
Kran- und die Förder- oder Lagertechniksteuerung verschiedene Sensorsignale und<br />
stellen dadurch die geforderte Redundanz sicher. Die an den Plätzen angebrachten<br />
Not-Aus-Taster werden von diesem Konzept nicht berührt. Sie können auch nicht<br />
überbrückt werden.<br />
6-19
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
MATVAR<br />
Bild 11: Sicherheitskonzept <strong>für</strong> vom Kran automatisiert bediente Übergabeplätze<br />
6-20
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Bambynek, A.: Integration eines flexiblen Hängekransystems in den Materialfluss<br />
8 Ausblick<br />
MATVAR<br />
Die erschlossenen Möglichkeiten der Hängekran- Hängebahnanlage im Überflurbereich<br />
mit der Verkettung zu Förder-, Lager- und Flurfördertechnik umfassen viele der<br />
in der Produktion auftretenden Materialflussvorgänge. Die beschriebenen Komponenten<br />
und Geräte wie die Hängekrane und -bahnen, Behältersysteme, Lastaufnahmemittel,<br />
Förder- und Lagertechnik wurden mit ihren spezifizierten Schnittstellen <strong>für</strong><br />
eine erste Versuchsanlage konzipiert, ausgewählt und in Betrieb genommen. Eine<br />
abschließende Beurteilung ist jedoch erst nach einer umfangreichen Testphase möglich.<br />
Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Gefahrensicherheit, die anhand einer weiterführenden<br />
Einsatzbeurteilung überprüft werden muss.<br />
Der Kran steht mit den erzielten Ergebnissen am Anfang der Entwicklung von einem<br />
Handhabungsgerät <strong>für</strong> schwere Lasten hin zu einem Materialflussgerät <strong>für</strong> innerbetrieblichen<br />
Transporte. Mit ersten Schnittstellenfestlegungen sind die Grundlagen <strong>für</strong><br />
die weitere Entwicklung zu einer systemfähigen Komponente im Materialfluss gelegt.<br />
Hinzukommen müssen Erfahrungen mit der Positionierung, um hier konkrete Vorgaben<br />
<strong>für</strong> Lastaufnahmemittel und <strong>für</strong> Einführhilfen an Übergabeplätzen machen zu<br />
können. Eine Weiterentwicklung hin zur Standardisierung hängt von weiteren Praxiserfahrungen<br />
bei Serienprodukten im industriellen Umfeld ab.<br />
9 Literatur<br />
GÜNTHNER U. ALLGAYER 1997<br />
Günthner, Allgayer :<br />
Verbundforschungsprojekt „MATVAR“ ist angelaufen ,<br />
Logistik im Unternehmen, Nr. 10 Oktober 1997, S. 28-30.<br />
GÜNTHNER U. HANDRICH 1998<br />
Günthner, Handrich :<br />
Einsatzmöglichkeiten eines Leichtfördersystems im Überflurbereich,<br />
Logistik aktuell: Automatisierte Krane- Einsatzerfahrungen und Entwicklungstendenzen,<br />
Dresden, 15. Mai 1998, Hrsg.: H.-G. Marquardt.<br />
GÜNTHNER U. BAMBYNEK 1998<br />
Günthner, Bambynek:<br />
Schnittstellenbaukasten: Integrierbarkeit eines flurfreien Leichtfördersystems,<br />
Hebezeuge und Fördermittel, Band 38 (1998) Heft 12, S. 593-595.<br />
6-21
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
MATVAR<br />
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7-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
1 Einleitung<br />
1.1 Innerbetriebliche <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
MATVAR<br />
Der innerbetriebliche Materialfluss erfolgt unter Verwendung unterschiedlicher Systeme.<br />
Es kann unterschieden werden zwischen bodengebundenen Systemen und<br />
solchen, die im Überflurbereich angesiedelt sind.<br />
Bei beiden Systemen wurden unterschiedlich komplexe Lösungen gefunden. Im bodengebundenen<br />
Materialtransport sind beispielsweise Hubwagen, Gabelstapler, aber<br />
auch automatische, fahrerlose Transportsysteme (FTS) im Einsatz. Alle bodengebundenen<br />
Systeme vereinigen die Eigenschaft, dass Sie Verkehrswege benötigen,<br />
wobei die Erreichbarkeit der einzelnen Fertigungs- oder Lagerplätze zu gewährleisten<br />
ist. Diese Verkehrswege schränken den Materialflussplaner bei der Optimierung<br />
und damit der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit ein.<br />
Transportsysteme im Überflurbereich sind seit Beginn der industriellen Fertigung im<br />
Einsatz. Hierbei ist zwischen Flächen- und Linientransport zu unterscheiden. Schon<br />
im letzten Jahrhundert sind <strong>für</strong> den Materialtransport in der Fläche handbetriebene<br />
Krane in Fertigungshallen genutzt worden. Gleichzeitig wurden Einschienenbahnen<br />
entwickelt, die einen Linientransport von Material ermöglichen. Hierdurch kann beispielsweise<br />
die Verbindung zwischen zwei Fertigungsbereichen geschaffen werden.<br />
Die Entwicklung dieser Krane und Einschienenbahnen ist weitergeführt worden durch<br />
die Nutzung von Handketten- (Haspel-) antrieben, elektrischen und pneumatischen<br />
Antrieben. Heutzutage sind sowohl manuell geführte, als auch vollautomatisch über<br />
Leitrechner gesteuerte Systeme im Einsatz.<br />
Im Jahre 1963 ist der Kranbaukasten KBK bei der heutigen Mannesmann Dematic<br />
AG in Wetter entwickelt worden. Ziel war es, dem Anwender ein modular aufgebautes,<br />
flexibles, preiswertes und leichtgängiges System <strong>für</strong> das Materialhandling am<br />
Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Der Erfolg des damals als „Junior-System“ bekannten<br />
Baukastens führte zu einer stetigen Weiterentwicklung und Erweiterung.<br />
Heute kann der Anwender zwischen verschiedenen, miteinander kombinierbaren<br />
Baukastenprofilgrößen wählen (Bild 1). Integrierte Schleifleitungen ermöglichen den<br />
kabellosen Energietransport zum Verbraucher.<br />
Die Profile werden über doppelkardanische Aufhängungen an der Oberkonstruktion<br />
befestigt. Baugruppen wie Verriegelungen, Weichen und Schwenkscheiben bieten<br />
die Möglichkeit zum Aufbau eines verzweigten Materialflusssystems (Bild 2).<br />
Dieser Baukasten bietet eine optimale Basis <strong>für</strong> die Entwicklung des modularen, flexiblen<br />
und erweiterbaren Leichtkransystems im Überflurbereich, das im Rahmen des<br />
Forschungsprojektes MATVAR zu entwickeln war.<br />
7-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
Bild 1: Profile des Kranbaukastens KBK<br />
Bild 2: Baugruppen des KBK Baukastens<br />
MATVAR<br />
7-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
1.2 Stand der Technik<br />
Allgemein gilt:<br />
MATVAR<br />
- In der Krantechnik werden überwiegend personengebundene Steuerungen eingesetzt.<br />
- Die Lastaufnahme und –abgabe erfolgt im Standardfall manuell, wobei der Bediener<br />
häufig auch die Lastführung übernimmt.<br />
- Leerfahrten des Krans werden in Standardanlagen manuell gesteuert durchgeführt.<br />
- Für den nicht automatisierten Betrieb werden weitgehend polumschaltbare Antriebe<br />
mit zwei Geschwindigkeiten eingesetzt.<br />
- Automatikkrane werden in abgesicherten, nicht <strong>für</strong> Personen zugänglichen Bereichen<br />
eingesetzt.<br />
- Steuerungen <strong>für</strong> Automatikanlagen werden <strong>für</strong> den jeweiligen Einsatzfall konstruiert.<br />
1.3 Aufgabenstellung im Verbundforschungsprojekt MATVAR<br />
Im Verbundforschungsprojekt MATVAR bestand die Aufgabe, auf Basis des oben<br />
beschriebenen Kranbaukastens KBK, ein Leichtfördersystem <strong>für</strong> den Überflurbereich<br />
zu entwickeln. Wesentliche Merkmale dieses Systems sind der modulare Aufbau und<br />
die Erweiterbarkeit. Hierbei ist zu beachten, dass diese Forderung sowohl <strong>für</strong> die<br />
mechanischen, als auch <strong>für</strong> die elektrischen und steuerungstechnischen Komponenten<br />
gilt.<br />
Im Einzelnen bedeutet dies die Erstellung eines Anforderungskatalogs auf Basis von<br />
Marktrecherchen, die Erstellung eines steuerungstechnischen Konzeptes, die Ermittlung<br />
der erforderlichen mechanischen, elektrischen und elektronischen Systemkomponenten<br />
und die Umsetzung in einer Versuchsanlage.<br />
2 Das Leichtfördersystem im Überflurbereich<br />
2.1 Anforderungen<br />
Die Anforderungen an das Leichtfördersystem sind in Zusammenarbeit mit dem<br />
Lehrstuhl fml der TU München über eine Fragebogenaktion ermittelt worden.<br />
7-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
Es wurde deutlich, dass<br />
- mehr als 90% aller zu fördernden Hublasten kleiner als 1000kg sind.<br />
- ca. 75% aller Lasten in Ladungsträgern transportiert werden können.<br />
- ca. 75% aller Befragten eine automatisierte Leerfahrt wünschen.<br />
- die Positioniergenauigkeit hierbei bei 10mm oder besser liegen soll.<br />
MATVAR<br />
- das KBK-System <strong>für</strong> die erforderlichen Geschwindigkeiten, Einsatzdauern und<br />
Arbeitsbereiche geeignet ist.<br />
Auf Basis des bewährten KBK-Baukastens sollten somit erarbeitet werden:<br />
- Lösungen <strong>für</strong> das Handling von Ladungsträgern bis 1000kg.<br />
- Die Untersuchung der Realisierbarkeit der automatischen Leerfahrt mit der Option<br />
weiterer Automatikstufen bis hin zur Vollautomatik unter Beachtung der Sicherheitsanforderungen.<br />
- Einfache Nachrüstbarkeit der weiteren Automatikstufen mit geringem Aufwand,<br />
„plug and play“-Funktionalität.<br />
- Untersuchung und ggf. Verbesserung der Positioniergenauigkeit des Systems<br />
2.2 Vorteile<br />
Gemeinsam erkannt wurden folgende Punkte:<br />
- Transportvorgänge werden in anderenfalls nicht genutzte Bereiche der Halle verlagert.<br />
- Die erforderlichen Verkehrsflächen werden reduziert.<br />
- Es besteht eine erhöhte Flexibilität bei der Materialflussplanung.<br />
- Die Kombination von Linien und Flächentransport ermöglicht die Verbindung unterschiedlicher<br />
Fertigungsbereiche.<br />
- In der Basisausstattung <strong>für</strong> den manuellen Betrieb preiswertes und bewährtes<br />
System.<br />
- Modular aufgebauter Baukasten mit der Möglichkeit der Implementierung von<br />
Automatikfunktionen.<br />
- Möglichkeit der Anbindung an einen Steuerungs-PC, BDE- und Leitsysteme.<br />
- Automatikfunktionen bedeuten Mitarbeiterentlastung.<br />
7-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
Bild 3: Layout der Versuchsanlage am Lehrstuhl fml der TU München<br />
3 Die Versuchsanlage am Lehrstuhl fml<br />
3.1 Mechanische Komponenten<br />
MATVAR<br />
Die Versuchsanlage zeigt einen Teil der in einem Materialflusssystem im Überflurbereich<br />
möglichen Komponenten und Leistungsmerkmale (Bild 3). Nicht dargestellt sind<br />
Komponenten wie Schwenkscheiben, Absenk- und Stufenstationen.<br />
Die Versuchsanlage besteht aus zwei Kranbahnen des Typs KBK II-R5 (KBK II-Profil<br />
mit innenliegender Schleifleitung DFL), einem Einträgerhängekran KBK II-R5 und<br />
einem Zweiträgerhängekran KBK III mit Schleifleitung DEL. Die Kranbahnen sind an<br />
einem speziell <strong>für</strong> diese Anlage erstellten Stahlbau über kurze, pendelnde Aufhängungen<br />
aufgehängt. Zur Vermeidung von Pendelbewegungen der Bahnen können<br />
starre Aufhängungen eingesetzt werden.<br />
7-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
Bild 4: Zweiträgerkran KBK III mit Verriegelung<br />
MATVAR<br />
Die Krane sind mit starren Krantraversen und Verriegelungen ausgerüstet. Der<br />
Zweiträgerhängekran kann mit einer Zweischienenbahn verriegeln, so dass die im<br />
System befindliche Zweiträgerkatze überfahren kann. Der Einträgerhängekran kann<br />
mit einer Einschienenhängebahn verriegeln. Die Einschienenhängebahn ist als Ringbahn<br />
mit neu entwickelten Weichen ausgelegt. Im System sind zwei Einschienenkatzen.<br />
Die Weichen und die Verriegelungen sind elektrisch angetrieben, mit Sensorik<br />
versehen und über Module an das Bussystem angeschlossen.<br />
Die Krane und Katzen sind mit Fahrmotoren und Frequenzumrichtern unterschiedlicher<br />
Bauart ausgerüstet. Als Hubwerke kommen eine Quadro-Seilwinde (Seilwinde<br />
mit vier Seilabläufen) bei der Zweischienenkatze und eine Seilwinde DS 1 (Seilwinde<br />
mit zwei Seilabläufen) bei den Einschienkatzen zum Einsatz. Die angeschlossenen<br />
Lastaufnahmemittel dienen zur Aufnahme von Großladungsträgern (Zweischienenkatze)<br />
bzw. Kleinladungsträgern der Type VDA-KLT (Einschienenkatze). Die Katzen<br />
verfügen zusätzlich über Lastmesseinrichtungen, Wegmesssysteme und diverse Sicherheitssensorik.<br />
Für den Einsatz im Automatikbetrieb können die Steuerschalter an<br />
den Katzen über einen Kettenzug hochgezogen werden. Als Wegmesssystem in der<br />
Horizontalen kommt das System WCS 3 der Firma Stahl zum Einsatz, das sich <strong>für</strong><br />
die Versuchsanlage insbesondere durch die Eignung <strong>für</strong> Kurvenfahrten anbietet.<br />
Die eingesetzten Komponenten sind zur Gewährleistung der Sicherheit der Versuchsanlage<br />
und der Bediener teilweise redundant ausgeführt.<br />
7-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
3.2 Steuerungskonzept<br />
MATVAR<br />
An der Versuchsanlage am Lehrstuhl fml wurde im Rahmen des Projektes ein dezentrales<br />
Steuerungskonzept realisiert. Zur Implementierung der Kommunikationsstruktur<br />
zwischen den Komponenten des Systems wurde die im Bereich der Anlagenautomatisierung<br />
verbreitete Bustechnologie eingesetzt. Umfangreiche Recherchen<br />
haben zur Wahl eines Bussystems auf der Basis des CAN-Bus-Protokolls geführt.<br />
Die Ergebnisse dieser Recherchen sind in Abschnitt 3.3 zusammengefasst.<br />
Die wesentlichen Vorteile eines modularen, dezentralen Steuerungskonzeptes liegen<br />
in der Offenheit des Gesamtsystems und damit dessen Erweiterbarkeit. Weiterhin<br />
entfällt gegenüber einem zentralen Steuerungskonzept ohne Einsatz von Bustechnologie<br />
ein erhebliches Maß an Verdrahtungsaufwand.<br />
Großes Gewicht wurde auf die Skalierbarkeit des Funktions- und Leistungsumfanges<br />
des Leichtkransystems gelegt. Es wurden unterschiedliche Automatisierungsstufen<br />
vorgesehen. Neben einem ausschließlichen Handbetrieb, wurde ein teilautomatischer<br />
und ein vollautomatischer Betrieb realisiert. Im teilautomatischen Betrieb besteht<br />
zusätzlich zu den Funktionalitäten des manuellen Betriebes die Möglichkeit,<br />
über Anforderungstaster eine automatisierte Leerfahrt durchzuführen, d. h. von bestimmten<br />
Positionen im Produktionsfeld über einen Anforderungstaster einen Kran<br />
anzufordern, der dann automatisch diese Position anfährt. Ist diese Position erreicht,<br />
kann handgesteuert die zu transportierende Last mit dem Lastaufnahmemittel aufgenommen<br />
und ebenfalls handgesteuert an die Zielposition verfahren werden.<br />
3.3 Auswahl eines geeigneten Bussystems<br />
Zur Gewährleistung einer ausreichenden Autonomie der Teilkomponenten wurden<br />
<strong>für</strong> die Auswahl eines geeigneten Bussystems die Topologie und das Buszugriffsverfahren<br />
als wichtigste Kriterien herangezogen. In Bild 5 ist eine Klassifizierung der<br />
auf dem Markt angebotenen Bussysteme dargestellt.<br />
Grundsätzlich wird zwischen teilnehmer- und nachrichtenorientierten Protokollen<br />
unterschieden. Während bei der ersten Protokollart der Datenaustausch auf der Basis<br />
von Teilnehmeradressen erfolgt, stellt die zweite eine verbindungslose Kommunikationsform<br />
durch Nachrichtenkennung dar. Ein weiteres Unterscheidungskriterium<br />
ist das verwendete Buszugriffsverfahren. Teilnehmerorientierte Protokolle arbeiten<br />
mit kontrolliertem bzw. deterministischem Buszugriff, nachrichtenorientierte mit unkontrolliertem<br />
bzw. zufälligem Buszugriff. Bei teilnehmerorientierten Zugriffsverfahren<br />
kann unterschieden werden, ob die Vergabe des Buszugriffsrechtes durch eine zentrale<br />
Instanz (Master) oder dezentral durch Absprache zwischen den Teilnehmern,<br />
beispielsweise durch Weitergabe eines Tokens (Token-Passing) von Teilnehmer zu<br />
Teilnehmer erfolgt.<br />
7-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
verteiltes<br />
Schieberegister<br />
kontrollierter<br />
zufälliger<br />
Zugriff<br />
Zugriff<br />
(teilnehmerorientiert) (nachrichtenorientiert)<br />
zentral dezentral CSMA<br />
Master/<br />
Slave<br />
Token-<br />
Passing<br />
Token-<br />
Passing<br />
Singlemaster Singlemaster Singlemaster Multimaster<br />
- Interbus-S<br />
- SERCOS<br />
- Bitbus<br />
- DIN-Meßbus<br />
- ASI<br />
- PROFIBUS-<br />
DP<br />
- ISP<br />
- PDV-Bus<br />
- PROFIBUS-<br />
FMS<br />
Delegated<br />
Token<br />
Singlemaster<br />
(Busarbiter)<br />
mit Kollision<br />
Erkennung<br />
(CSMA/CD)<br />
- Ethernet<br />
- LON<br />
MATVAR<br />
mit Kollision<br />
Vermeidung<br />
(CSMA/CA)<br />
- CAN<br />
- EIB<br />
- P-Net<br />
- J1850<br />
Kommunikation mit zyklischem Charakter ereignisgesteuerte Kommunikation<br />
- FIP<br />
Bild 5: Klassifizierung von Bussystemen [1]<br />
Multimaster Multimaster<br />
Bei nachrichtenorientierten Protokollen ist jeder Teilnehmer prinzipiell bezüglich des<br />
Buszugriffes gleichberechtigt und kann auf den Bus, sobald dieser frei ist, zugreifen.<br />
Somit sind Kollisionen verfahrensinhärent. Nach der Art der Auflösung dieser Kollisionen<br />
werden Bussysteme nach dieser Protokollart klassifiziert.<br />
Bei der ersten Klasse fordert ein Busarbiter über ein spezifisches Telegramm (Delegated<br />
Token), welches durch die Übertragung einer Nachrichtenkennung (Identifier)<br />
eine bestimmte Nachricht spezifiziert, einen <strong>für</strong> diese Nachricht zuständigen Busteilnehmer<br />
zum Senden auf. Sie kann dann von allen, die an ihr interessiert sind, empfangen<br />
werden. Bei einer anderen Protokollvariante werden Kollisionen erkannt (Collision<br />
Detection CD) und durch Einführen teilnehmerspezifischer, statistischer Wartezeiten<br />
Zeitpunkte eines erneuten Buszugriffs ermittelt. Eine weitere Möglichkeit besteht<br />
darin, Kollisionen von vornherein durch Priorisierung von Nachrichten zu vermeiden.<br />
Dies leisten Protokolle nach dem CSMA/CA-Verfahren (Carrier Sense Multiple<br />
Access /Collision Avoidance ) [2, 3].<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> den Aufbau einer dezentralen und skalierbaren Steuerung ist,<br />
dass die einzelnen Krankomponenten ihre Zustände unaufgefordert melden. Hiermit<br />
scheiden alle Protokolle mit kontrolliertem Buszugriff aus, da die Kommunikation bei<br />
ihnen einen zyklischen Charakter hat. Dagegen lässt sich eine ereignisgesteuerte<br />
Kommunikation prinzipiell durch Protokolle mit zufälligen Buszugriffen realisieren.<br />
7-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
MATVAR<br />
Notwendige Voraussetzung ist allerdings, dass die einzelnen Teilnehmer gleichberechtigt<br />
am Nachrichtenverkehr partizipieren (Multimasterbetrieb). Somit entfallen<br />
auch Singlemaster-Lösungen.<br />
Die Forderung nach Zuverlässigkeit schließt wiederum den Einsatz von Protokollen<br />
nach dem CSMA/CD-Verfahren aus, da im Falle einer Kollision die aufgeschalteten<br />
Nachrichten zerstört werden, und zur Auflösung des Buszugriffes eine wiederholte<br />
Belegung des Busses notwendig ist, so dass nur statistische Aussagen über den<br />
Erfolg eines Zugriffswunsches gemacht werden können.<br />
Es verbleiben Protokolle nach dem CSMA/CA-Verfahren. Ein typischer Vertreter dieser<br />
Klasse ist das CAN-Bus-Protokoll (Controller Area Network), das über zusätzliche<br />
günstige Eigenschaften verfügt. Jeder Teilnehmer kann als Master fungieren, so<br />
dass eine hohe Systemverfügbarkeit und eine Unabhängigkeit der Teilnehmer erreicht<br />
wird. Weiterhin wird durch bitweise Arbitrierung garantiert, dass im Konfliktfall<br />
eine hochpriore Nachricht immer übertragen wird. Zudem ist das CAN-Bus-Protokoll<br />
ein offenes (veröffentlichtes) Protokoll mit einem hohen Standardisierungsgrad (CAL,<br />
CANopen, Nutzerorganisation CiA) und ist in der Automobilindustrie weit verbreitet,<br />
so dass erforderliche Komponenten preisgünstig erhältlich sind.<br />
Aufgrund dieser Eigenschaften wurde das CAN-Bus-Protokoll <strong>für</strong> die Vernetzung der<br />
Krankomponenten ausgewählt.<br />
7-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
3.4 Steuerungsarchitektur des Leichtkransystems<br />
MATVAR<br />
Die Steuerung des Leichtkransystems ist in ihrem Funktionsumfang skalierbar. Sie<br />
bildet die Betriebsarten des Leichtkransystems ab.<br />
3.4.1 Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den manuellen Betrieb<br />
Die Steuerungsstruktur <strong>für</strong> diese Betriebsart ist in Bild 6 dargestellt.<br />
Kranverriegelung<br />
Weiche<br />
Fahrwerk<br />
Kran-<br />
Fahrwerk<br />
verriegelung<br />
elektrische<br />
Anpassung<br />
CAN ISO-Layer 1<br />
Energiebus<br />
Hubwerk<br />
(Last)<br />
ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />
Lastaufnahmemittel<br />
Kran Katze<br />
CAN-Bus<br />
CANopen<br />
Schleifleitungs- oder Funkbus<br />
Baugruppen<br />
CANopen<br />
Steuerschalter<br />
Bild 6: Steuerungsstruktur des Leichtkransystems <strong>für</strong> den manuellen Betrieb<br />
Die mobile Baugruppe Katze besteht dabei aus den Komponenten Fahrantrieb,<br />
Steuerschalter, Lasthubwerk und Lastaufnahmemittel. Die mobile Baugruppe Kran<br />
enthält den Fahrantrieb und die Kranverriegelung. Innerhalb der Baugruppen sind die<br />
einzelnen Komponenten über den CAN-Bus und zwei verschiedene Energiebusse<br />
miteinander verbunden.<br />
Über den CAN-Bus werden Nachrichten bzw. Daten ausgetauscht. Der erste Energiebus<br />
mit Spannungen über 230 V übernimmt die elektrische Versorgung der Antriebe.<br />
Der zweite mit einer Spannung von 24 V dient der Versorgung der Steuereinheiten.<br />
Der Einsatz eines Moduls zur elektrischen Anpassung der Datenleitung ist auf die<br />
relative Bewegung der Baugruppen „Kran“ und „Katze“ zurückzuführen. Zwei der im<br />
KBK-Profil vorhandenen Schleifleitungen werden <strong>für</strong> die Informationsübertragung<br />
verwendet (Schleifleitungsbus). Darüber hinaus ist auch eine Informationsübertragung<br />
über Funk vorgesehen, die vom Projektpartner HBC realisiert wurde.<br />
7-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
MATVAR<br />
Im manuellen Betrieb erfolgt die Steuerung aller Antriebe über den Steuerschalter.<br />
3.4.2 Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den teilautomatischen Betrieb<br />
Die Steuerungsstruktur <strong>für</strong> diese Betriebsart ist in Bild 7 dargestellt.<br />
Kranverriegelung<br />
Weiche<br />
Fahrwerk<br />
Kran-<br />
Fahrwerk<br />
verriegelung<br />
Positionserfassung<br />
(Kran)<br />
Anforderungstaster<br />
elektrische<br />
Anpassung<br />
CAN ISO-Layer 1<br />
Positionserfassung<br />
(Katze)<br />
Energiebus<br />
Hubwerk<br />
(Last)<br />
Positionserfassung<br />
(Last)<br />
ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />
Lastaufnahmemittel<br />
Kran Katze<br />
CAN-Bus<br />
CANopen<br />
Prozessebene<br />
Schleifleitungs- oder Funkbus<br />
CANopen<br />
Steuerschalter<br />
Hubwerk<br />
(Steuerschalter)<br />
Baugruppen<br />
Bild 7: Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den teilautomatischen Betrieb<br />
Im Vergleich zum manuellen Betrieb werden die einzelnen Baugruppen insbesondere<br />
um Komponenten zur Positionserfassung erweitert. Während auf der Baugruppe<br />
„Kran“ die Koordinaten einer einzigen Achse erfasst werden, sind in der Baugruppe<br />
„Katze“ zwei Positionserfassungssysteme (Katze, Last) integriert. Anforderungen<br />
werden durch die im Produktionsfeld verteilten busfähigen Anforderungstaster übermittelt.<br />
Die CAN-Bus-Knoten zur Überwachung der Ruftaster übernehmen zusätzliche <strong>für</strong><br />
die automatisierte Leerfahrt erforderliche Funktionalitäten. Dazu gehören z. B. das<br />
Teachen der anzufahrenden Positionen und die Überwachung der Anforderungstaster.<br />
Bei Anforderung eines Krans über die Taster wird zusätzlich geprüft, ob der Haken<br />
leer und in oberster Hakenstellung ist (bei beladenem Haken oder abgesenktem<br />
Haken bleibt die Anforderung unbeachtet), anschließend wird die Fahrt zu der anfordernden<br />
Position angestoßen.<br />
7-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
3.4.3 Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den Automatikbetrieb<br />
MATVAR<br />
Zentrale Komponente des Leichtkransystems im vollautomatischen Betrieb ist der<br />
Kran-PC. Er verwaltet, kontrolliert und führt Aufträge <strong>für</strong> die gesamte Anlage aus, die<br />
von einem Leitrechner oder vom Bediener vorgegeben werden. Eine komfortable<br />
Bedieneroberfläche erleichtert die Bedienung und erhöht durch die Visualisierung der<br />
Krandaten die Verfügbarkeit.<br />
Beispielhaft ist in Bild 8 ein möglicher Zustand der Bedienoberfläche abgebildet.<br />
Bild 8: Bedienoberfläche des Kran-PCs<br />
Rechts unten ist eine Übersicht der Anlage dargestellt, in der im Betriebsfall die Positionen<br />
der Krane und Katzen und die Stellungen der Weichen angezeigt werden.<br />
Ebenso werden Bewegungsrichtungen der Krane, Katzen und der Hubwerke dargestellt.<br />
Über die Icons im linken unteren Teil der Anlagenübersicht kann der Status des<br />
PC, des CAN-Busses und der Ethernet-Verbindung zum Leitrechner überwacht werden.<br />
Eventuelle Fehler werden sofort hier und detaillierter in unterlagerten Dialogfenstern<br />
angezeigt.<br />
Weiterhin kann über die Bedienoberfläche <strong>für</strong> alle Krane und Katzen der aktuelle<br />
Status abgerufen werden. Im linken oberen Teil der Bedienoberfläche ist in Bild 8<br />
exemplarisch der Statusdialog der Einschienenkatze 1 dargestellt. Darin werden die<br />
aktuelle Betriebsart und der aktuelle Bearbeitungsschritt angezeigt. Die Betriebsart<br />
7-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
MATVAR<br />
kann ebenso wie das Lastaufnahmemittel und das Lasthandling in diesem Dialog<br />
vorgewählt werden. Zusätzlich ist die Anzeige der aktuellen Last vorgesehen.<br />
Im vollautomatischen Betrieb werden zwei Unterbetriebsarten unterschieden. In der<br />
Betriebsart „Automatikbetrieb ohne Leitrechner“ (vgl. Abschnitt 3.4.3.1) ist keine Verbindung<br />
zum übergeordneten Leitrechner vorhanden. Die Fahraufträge werden vom<br />
Bediener am Kran-PC oder vom PC selbst als vordefiniertes Fahrprogramm erzeugt.<br />
In der Betriebsart „Automatikbetrieb mit Leitrechner“ (vgl. Abschnitt 3.4.3.2) gibt ein<br />
übergeordneter Leitrechner die Fahrbefehle vor.<br />
Im Automatikbetrieb ohne Leitrechner ist es zusätzlich möglich, innerhalb eines Auftrags<br />
in den Handbetrieb und nach Quittierung durch den Bediener, wieder zurück in<br />
den Automatikbetrieb zu wechseln (z. B. Lasthandling).<br />
3.4.3.1 Automatikbetrieb ohne Leitrechner<br />
In dieser Betriebsart wird das Leichtkransystem vom Kran-PC gesteuert. Dieser befindet<br />
sich in der Kommunikationshierarchie in der Prozessebene und wird an den<br />
CAN-Bus angeschlossen.<br />
Kranverriegelung<br />
Weiche<br />
Fahrwerk<br />
Kran-<br />
Fahrwerk<br />
verriegelung<br />
Positionserfassung<br />
(Kran)<br />
Steuerrechner<br />
(Kran-PC)<br />
elektrische<br />
Anpassung<br />
CAN ISO-Layer 1<br />
Positionserfassung<br />
(Katze)<br />
Energiebus<br />
Hubwerk<br />
(Last)<br />
Positionserfassung<br />
(Last)<br />
ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />
Lastaufnahmemittel<br />
Kran Katze<br />
CAN-Bus<br />
CANopen<br />
Prozessebene<br />
Schleifleitungs- oder Funkbus<br />
CANopen<br />
Steuerschalter<br />
Hubwerk<br />
(Steuerschalter)<br />
Baugruppen<br />
Bild 9: Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den Automatikbetrieb ohne Leitrechner<br />
7-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
Funktionalitäten des Kran-PC sind:<br />
• Steuerung der Krane:<br />
- Fahrten von einer definierten Position zu einer anderen<br />
- Abarbeitung definierter Fahrprogramme<br />
• Auftragsverwaltung<br />
• Synchronisation an Überfahrstellen<br />
• Kollisionsvermeidung über Steuerung und Sensorik<br />
• Weichensteuerung über CAN-Bus<br />
• Umfahrsteuerung<br />
• Bahnplanung<br />
• Ressourcenplanung (Disposition der Katzen)<br />
• Gerätevisualisierung und Statusanzeige<br />
• Protokollierung aller Aktivitäten<br />
• Protokollierung von Fehlern<br />
MATVAR<br />
Die Fahraufträge werden in dieser Betriebsart über die Bedienoberfläche eingegeben.<br />
Dazu können im Dialog „Bildschirmbetrieb“ (vgl. Bild 10) Fahraufträge manuell<br />
zusammengestellt werden. Das entsprechende Gerät wird ausgewählt und vorher<br />
eingeteachte und bezeichnete Positionen werden als Start- und Endpositionen vorgegeben.<br />
Zusätzlich kann automatisch das Lastspiel (Heben / Senken der Last)<br />
durchgeführt werden.<br />
Bild 10: Dialog zur direkten Eingabe von Fahraufträgen am Kran-PC<br />
7-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
3.4.3.2 Automatikbetrieb mit Leitrechner<br />
MATVAR<br />
Kennzeichnend <strong>für</strong> diese Betriebsart ist die Integration des Leichtkransystems in förder-<br />
oder produktionstechnische Anlagen und Systeme. Das Kransystem erhält Aufträge<br />
von einem übergeordneten Leitrechner, die dann vom Kran-PC in konkrete<br />
Fahrbefehle umgesetzt und entsprechend weitergeleitet werden. Dieser Leitrechner<br />
wurde vom Projektpartner OBTec realisiert.<br />
Bei der Auftragserteilung des Leitrechners an den Kran-PC sind unterschiedliche<br />
Transportauftragsarten vorgesehen. Möglich sind Einzelaufträge ohne und mit einer<br />
auftragsspezifischen Priorität. Weiterhin können jedoch auch Großaufträge mit Sequenzen<br />
durchgeführt werden, z. B. um bestimmte Werkstücke nacheinander auf<br />
unterschiedlichen Werkzeugmaschinen zu bearbeiten.<br />
In dieser Betriebsart hat der Kran-PC zusätzlich zu den in Abschnitt 3.4.3.1 beschriebenen<br />
Funktionalitäten den Aufbau, den Betrieb und die Überwachung der<br />
Netzwerkverbindung zum Leitrechner und gegebenenfalls zu anderen Steuerungen<br />
und einem Prozessvisualisierungsrechner vorzunehmen (Bild 11).<br />
Kranverriegelung<br />
Weiche<br />
Fahrwerk<br />
Kran-<br />
Fahrwerk<br />
verriegelung<br />
Positionserfassung<br />
(Kran)<br />
Leitrechner<br />
Steuerrechner<br />
(Kran-PC)<br />
elektrische<br />
Anpassung<br />
CAN ISO-Layer 1<br />
Positionserfassung<br />
(Katze)<br />
Prozessvisualisierung<br />
Hubwerk<br />
(Last)<br />
Positionserfassung<br />
(Last)<br />
ortsfeste Komponenten mobile Komponenten<br />
ETHERNET (TCP-IP)<br />
Energiebus<br />
Lastaufnahmemittel<br />
Kran Katze<br />
CAN-Bus<br />
CANopen<br />
Prozessebene<br />
Schleifleitungs- oder Funkbus<br />
CANopen<br />
Steuerschalter<br />
Hubwerk<br />
(Steuerschalter)<br />
Baugruppen<br />
Leitebene<br />
Bild 11: Steuerungsstruktur <strong>für</strong> den Automatikbetrieb mit Leitrechner<br />
Der Leitrechner befindet sich in der obersten Ebene der Kommunikationshierarchie<br />
und hat im wesentlichen die Aufgabe, fördertechnische Aufträge an den Kran-PC zu<br />
erteilen. Kran-PC und Leitrechner kommunizieren über das TCP/IP-Protokoll über<br />
LAN<br />
7-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
MATVAR<br />
eine ETHERNET-Verbindung. An dieses Netzwerk können weitere Prozess- und<br />
Steuerungsrechner angeschlossen werden.<br />
4 Ergebnisse<br />
Die Bauteile des Kranbaukastens KBK sind <strong>für</strong> die gestellten Aufgaben geeignet. Es<br />
sind <strong>für</strong> die Positioniergenauigkeit in der Horizontalen kurze oder starre Aufhängungen<br />
zu verwenden. Dies betrifft auch die Aufhängungen des Hubwerks am Katzrahmen<br />
und des Katzrahmens an den Fahrwerken. Es sind in den vergangenen drei<br />
Jahren spezielle Fahrwerke zur starren Lastankopplung entwickelt worden (Bild 12).<br />
Sie zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie durch eine besondere Lagerung<br />
der Fahrwerksrollen Toleranzen und Verformungen in der Bahn ausgleichen<br />
und dadurch immer gleichmäßig tragen.<br />
Bild 12: Fahrwerke <strong>für</strong> starren Lastanschluss<br />
Zusätzlich wurden durch Gummilagerungen gedämpfte Bahnaufhängungen entwickelt.<br />
Diese können Ungenauigkeiten im Stahlbau und Verformungen des Systems<br />
aufnehmen. In der Versuchsanlage kommen diese Bauteile bislang noch nicht zum<br />
Einsatz.<br />
Für die Positionierung in der Vertikalen sind geringere Durchbiegungen der Bahnen<br />
und Krane als im Standard erforderlich. In der Versuchsanlage ist daher am Einträgerhängekran<br />
eine Spannbrücke zur Versteifung nachgerüstet worden. Es sind starre<br />
Krantraversen zu verwenden.<br />
Die Fahrantriebe sind frequenzgeregelt zu steuern. Die Anbringung eines Wegmesssystems<br />
ist dann erforderlich, wenn mehrere, wechselnde Positionen anzufahren<br />
sind. Über die Nutzung von Initiatoren ist die geforderte Flexibilität nicht gegeben.<br />
Auch <strong>für</strong> geringe Automatisierungsgrade ist eine umfassende Ausrüstung des Systems<br />
mit Komponenten und Sensorik erforderlich (z.B. Hubwerk <strong>für</strong> Steuerschalter,<br />
7-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Müller, S., u.a. : Der Kranbaukasten KBK – Mit Neuentwicklungen in die Zukunft<br />
MATVAR<br />
Ruftaster, Wegmesssystem, Lasterkennung). Hinzu kommen die sicherheitsbedingten<br />
Erfordernisse an das Lastaufnahmemittel. Ein modulares, erweiterbares System<br />
ist zudem mit einem Bus-Steuerungssystem wie in Abschnitt 3 dargestellt auszurüsten.<br />
Hierzu sind die Komponenten des Systems mit einer entsprechenden Schnittstelle<br />
zu versehen. Diese Schnittstelle kann entweder in der Komponente eingebaut<br />
sein oder ist durch den zusätzlichen Einbau von Schnittstellenmodulen zu gewährleisten.<br />
5 Zusammenfassung<br />
Im Verbundforschungsprojekt MATVAR hat die Mannesmann Dematic AG in Zusammenarbeit<br />
mit den Projektpartnern ein modulares, flexibles und dezentral gesteuertes<br />
Leichtfördersystem erstellt.<br />
Die Möglichkeit der Aufrüstung eines handgesteuerten Krans über unterschiedliche<br />
Ausbau- und Automatisierungsstufen bis hin zu einem Materialflussnetz mit vollautomatisch<br />
fahrenden Katzen und Kranen ist insbesondere <strong>für</strong> kleine und mittelständische<br />
Unternehmen interessant, da die Anfangsinvestitionen relativ gering sind und<br />
die Anlage entsprechend den steigenden Anforderungen schrittweise ausgebaut<br />
werden kann. Die Automatisierungsstufen können dabei passend zum benötigten<br />
Einsatzfall ausgewählt werden. Das Baukastenprinzip gewährleistet eine einfache<br />
Erweiterbarkeit in mechanischer, elektrischer und steuerungstechnischer Hinsicht.<br />
Dieses Leichtfördersystem entspricht damit den hohen Anforderungen des Forschungsprojektes<br />
und bietet die Basis <strong>für</strong> Neuentwicklungen im Bereich der Materialflusstechnik.<br />
6 Literatur<br />
[1] Nitidem, E.: Dezentrales Signalverarbeitungssystem <strong>für</strong> komplexe Überwachungs-<br />
und Regelungsaufgaben, Fortschritt-Bericht VDI, Reihe 8, Nr. 746,<br />
VDI-Verlag, Düsseldorf, 1999.<br />
[2] Etschberger, K., Lorinser, A., Schlegel, Ch., Suters, T.: CAN; Grundlagen, Protokolle,<br />
Bausteine, Anwendungen, Hanser Verlag, München, Wien, 1994.<br />
[3] Lawrenz, W. (Hrsg.): CAN, Grundlagen und Praxis, Hüthig Verlag, Heidelberg,<br />
1997.<br />
[4] N.N.: KBK classic, Kranbaukasten KBK 100, I, II-L, II, III Projektierung und<br />
Bauteile, Mannesmann Dematic AG Druckschrift 20297544<br />
[5] N.N.: KBK ergo, KBK I, II-L, II, Mannesmann Dematic AG Druckschrift<br />
20330844<br />
7-18
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
*HVWDOWXQJ GHU 0DWHULDOIOXVV<br />
VWHXHUXQJ LQ G\QDPLVFKHQ 3URGXN<br />
WLRQVVWUXNWXUHQ<br />
MATVAR<br />
'U ,QJ 6WHIDQ %OHVVLQJ<br />
,QVWLWXW I U :HUN]HXJPDVFKLQHQ XQG %HWULHEVZLVVHQVFKDIWHQ<br />
LZE<br />
7HFKQLVFKH 8QLYHUVLWlW 0 QFKHQ<br />
%ROW]PDQQVWU<br />
*DUFKLQJ<br />
8-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
1 Einleitung<br />
MATVAR<br />
Das vielfach diskutierte turbulente Umfeld der Unternehmen erfordert häufige Veränderungen<br />
auf der Ebene der Produktionssysteme, zu deren Umsetzung sehr wenig<br />
Zeit besteht. Der derzeit dazu am meisten diskutierte Lösungsansatz besteht darin,<br />
Unternehmen und ihre Produktionssysteme wandlungsfähig zu machen (REINHART<br />
U.A. 1999, WESTKÄMPER U.A. 1999). Zur Definition von Wandlungsfähigkeit gibt es<br />
verschiedene Ansätze (SELKE 1998, HARTMANN & SPIEWACK 1999), die jedoch alle<br />
prinzipiell in der Forderung münden, Veränderungen jeglicher Art auf wirtschaftliche<br />
Art und Weise durchführen zu können.<br />
Dazu bestehen eine Vielzahl von Möglichkeiten, die auf allen Unternehmensebenen<br />
angesiedelt sein können. Virtuelle Unternehmensstrukturen (vgl. NABER U.A. 1996,<br />
EVERSHEIM 1999) stellen einen Ansatz auf Unternehmensebene dar. Innerhalb der<br />
Unternehmen bzw. auf der Ebene der Produktionssysteme werden ebenfalls organisatorische<br />
(z.B. KÖNIG 1997) und technische Ansätze (z.B. GALLASCH & DECKER 1996<br />
REEK 1999) entwickelt, die insgesamt die Wandlungsfähigkeit eines Unternehmens<br />
steigern sollen.<br />
Dem innerbetrieblichen Materialfluss kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.<br />
Gerade die Funktionen, welche die Vernetzung eines Produktionssystems bilden,<br />
sind in besonderem Maße von Veränderungen betroffen und müssen damit der Forderung<br />
nach Wandlungsfähigkeit gerecht werden. Wandlungsfähigkeit stellt aber<br />
neue und sehr hohe Anforderungen an die zur Steuerung des Materialflusses in einem<br />
Produktionssystem eingesetzten Verfahren und Werkzeuge, die derzeit noch<br />
nicht vollständig erfüllt werden können.<br />
Die Gründe da<strong>für</strong> sind vielfältig. Besonders die Forderung, das Materialflusssystem<br />
schnell und einfach an Veränderungen des Produktionssystems anpassen zu können,<br />
scheitert an dem meist zu hohen Veränderungsaufwand der Materialflusssteuerung.<br />
Ein weiteres Manko stellt die fehlende Kompatibilität und Durchgängigkeit der<br />
eingesetzten Steuerungssysteme dar, so dass manuelle und automatisierte Elemente<br />
nicht gleichzeitig eingesetzt werden können. Die wachsende Bedeutung des<br />
Materialflusses und die bei der Steuerung des innerbetrieblichen Materialflusses bestehenden<br />
Defizite bilden den Ausgangspunkt <strong>für</strong> diese Arbeit.<br />
Der effektive Einsatz von informationsverarbeitenden Systemen in der dynamischen<br />
Produktion erfordert neue Ansätze und Systemkonzepte. Dementsprechend wird in<br />
diesem Beitrag ein grundlegendes Konzepte zur Gestaltung dynamikgerechter, informationsverarbeitender<br />
Systeme vorgestellt. Das Ziel dieses Beitrags ist, ein Konzept<br />
zur Gestaltung der Materialflusssteuerung in dynamischen Produktionsstrukturen<br />
zu entwickeln, dessen prototypische Umsetzung zu zeigen und damit die Funktionsfähigkeit<br />
des Konzepts nachzuweisen.<br />
8-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Standortübergreifender<br />
Materialfluss<br />
Innerwerklicher<br />
Materialfluss<br />
Innerbetrieblicher<br />
Materialfluss<br />
Materialfluss<br />
am Arbeitsplatz<br />
Bild 1: Betrachtungsgegenstand ist der innerbetriebliche Materialfluss<br />
MATVAR<br />
2 Auswirkungen des dynamischen Umfelds auf die Materialflusssteuerung<br />
2.1 Betrachtungsgegenstand Materialflusssteuerung<br />
Der Materialfluss ist definiert als die Verkettung aller Vorgänge beim Gewinnen, Beoder<br />
Verarbeiten sowie bei der Verteilung von Gütern innerhalb festgelegter Materialflussebenen<br />
(VDI 1970). Häufig wird in diesem Zusammenhang vom Materialfluss<br />
erster bis vierter Ordnung gesprochen (BULLINGER & LUNG 1994).<br />
Betrachtungsgegenstand des vorliegenden Beitrags ist der innerbetriebliche Materialfluss,<br />
d.h. der Materialfluss dritter Ordnung. Der Grund da<strong>für</strong> ist, dass besonders<br />
der innerbetriebliche Materialfluss entscheidend <strong>für</strong> die Qualität der logistischen<br />
Leistung eines Produktionssystems ist (NEDELJKOVIC-GROHA 1995, S. 6). Der Betrachtungsgegenstand<br />
erstreckt sich nur auf rechnergestützte Materialflusssteuerungen,<br />
da sich auf diese Veränderungen der Produktion stärker auswirken. Eine rechnergestützte<br />
Materialflusssteuerung kann dabei sowohl Teil eines übergeordneten<br />
IV-Systems sein, als auch als ein eigenständiges System in die betriebliche Informationsverarbeitung<br />
eingebunden sein.<br />
8-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
2.2 Veränderungen in der Materialflusssteuerung auf Grund<br />
von Veränderungen in der Produktion<br />
2.2.1 Veränderungen der Aufbauorganisation<br />
Veränderungen der Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung können als Reaktion<br />
auf Veränderungen des Produktionssystems erforderlich werden, ebenso aber<br />
auch eine Folge von Veränderungen innerhalb des Materialflusssystems selbst sein.<br />
Vergrößert sich ein Produktionssystem, nimmt meist auch die Anzahl der Arbeitsstationen<br />
und die Anzahl der Mitarbeiter zu und es müssen beispielsweise mehr Eingabeterminals<br />
zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich werden neue Transportmittel<br />
<strong>für</strong> das erhöhte Transportaufkommen in der vergrößerten Produktion erforderlich, die<br />
dem Materialflusssystem hinzugefügt und damit auch in die Materialflusssteuerung<br />
integriert werden müssen. Diese beiden Beispiele zeigen auf, wodurch Veränderungen<br />
der Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung erforderlich werden können.<br />
Mit der Vergrößerung eines Produktionssystems erfolgt meist auch eine Anpassung<br />
der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche innerhalb der Produktion. Die Strukturierung<br />
der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche innerhalb einer Materialflusssteuerung<br />
basiert auf den Gegebenheiten im Produktionssystem und muss die dort stattfindenden<br />
Veränderungen deshalb berücksichtigen.<br />
Die Vergrößerung eines Produktionssystems soll hier lediglich als ein Beispiel <strong>für</strong><br />
eine Veränderung in der dynamischen Produktion verstanden werden. Natürlich sind<br />
Verkleinerungen, Teilungen, Umstrukturierungen etc. ebenso möglich. Diese führen<br />
im Kern jedoch auf dieselben Veränderungen <strong>für</strong> die Materialflusssteuerung.<br />
2.2.2 Veränderungen der Ablauforganisation<br />
Die Strukturierung der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche des Produktionssystems<br />
sowie insbesondere der Materialflusssteuerung bestimmt in hohem Maße die in<br />
der Materialflusssteuerung verwendeten Strategien zur Planung und Steuerung der<br />
Materialflussabläufe. Darüber hinaus wirken sich organisatorische Veränderungen<br />
eines Produktionssystems, insbesondere Veränderungen der Steuerungsstrategie<br />
und der Ablaufvorschriften, direkt auf die Ablauforganisation einer Materialflusssteuerung<br />
aus.<br />
Ein Beispiel ist die Veränderung der Arbeitspläne. Ein Arbeitsplan enthält alle Angaben,<br />
die zur Herstellung eines Erzeugnisses erforderlich sind. Im Arbeitsplan sind<br />
alle Arbeitsgänge mitsamt der erforderlichen Abarbeitungsreihenfolge beschrieben<br />
(MEINBERG & TOPOLEWSKI 1995, S. 33). Eine Veränderung dieser führt zu einer Ver-<br />
8-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
änderung der Reihenfolge, in der Material von einer Bearbeitungsstation zur nächsten<br />
transportiert wird, und wirkt sich damit direkt auf den Materialfluss aus.<br />
Eine Veränderung der Produktionsstruktur, beispielsweise die Einführung von Fertigungsinseln,<br />
hat zwar direkten Einfluss auf die Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung,<br />
auf deren Ablauforganisation wirkt sich diese Veränderung jedoch<br />
nur indirekt aus. Im Zuge dieser organisatorischen Veränderung erfolgt meist auch<br />
eine Anpassung der Steuerungsstrategie des Produktionssystems, die sich wiederum<br />
direkt auf die Materialflusssteuerung auswirkt, da mit der Verteilung der Arbeit<br />
auch die Verteilung des Materials gekoppelt ist. Bei Anwendung einer Engpasssteuerung<br />
nach dem OPT-Prinzip (GOLDRATT & COX 1996) in der dynamischen Produktion<br />
wandern die Engpässe auf Grund der schwankenden Auftragslage bzw. auf Grund<br />
von technischen oder organisatorischen Veränderungen. Da vor einem Engpass<br />
Aufgaben nach dem Zieh-Prinzip und nach dem Engpass nach dem Schiebe-Prinzip<br />
verteilt werden, muss auch die Ablauforganisation einer Materialflusssteuerung zwischen<br />
den verschiedenen Steuerungsprinzipien (Bring- und Holprinzip) wechseln<br />
können.<br />
2.3 Anforderungen an die Materialflusssteuerung in der dynamischen<br />
Produktion<br />
Aus den genannten Veränderungen ergeben sich vier wesentliche Anforderungen an<br />
die Materialflusssteuerung in der dynamischen Produktion.<br />
Die wichtigste Anforderung an die Aufbauorganisation einer Materialflusssteuerung<br />
im dynamischen Produktionsumfeld besteht darin, Veränderungen des Produktionssystems<br />
schnell und einfach abbilden zu können. Darunter sind Veränderungen der<br />
Anordnung der Betriebsmittel, also des Layouts, ebenso zu verstehen wie Veränderungen<br />
organisatorischer Art. Der Austausch von Transportmitteln oder die Erweiterung<br />
der eingesetzten Transportmittel um weitere Komponenten muss von einer<br />
Materialflusssteuerung ebenfalls beherrscht werden können.<br />
Neben der Fähigkeit, diese Veränderungen abbilden zu können, ist von Materialflusssteuerungen<br />
in der dynamischen Produktion zu fordern, dass sie auch die Neuund<br />
Umplanungsvorgänge unterstützen. Dies kann auf unterschiedliche Arten erfolgen.<br />
Zum einen sollten aktuelle Daten z.B. über die Auslastung der Transportmittel,<br />
die benutzten Fahr- und Verkehrswege oder über die häufigsten Störungsursachen<br />
einem Materialfluss-Planer zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollte bereits<br />
das System der Materialflusssteuerung die Möglichkeit bieten, alternative<br />
Konstellationen, z.B. bezüglich der Art und Anzahl der eingesetzten Fördermittel,<br />
bewerten zu können. Damit sollte es möglich werden, Planung und Betrieb einer<br />
Materialflusssteuerung quasi zu parallelisieren und somit Planungs- und Inbetriebnahmezeiten<br />
zu verkürzen.<br />
8-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Veränderungsfähigkeit<br />
Layout<br />
Transportmittel<br />
Organisationsprinzip<br />
Aufbauorganisation<br />
Ablauforganisation<br />
Materialflusssteuerung<br />
Strategievariabilität<br />
MATVAR<br />
BRING HOL<br />
Planungsunterstützung Aktualität der Planung<br />
Vier wesentliche Anforderungen an die Gestaltung<br />
der Materialflusssteuerung<br />
Bild 2: Anforderungen an die Gestaltung der Materialflusssteuerung<br />
Auf Grund der Veränderungen, die besonders die Ablauforganisation der Materialflusssteuerung<br />
betreffen, ist an diese die Forderung zu stellen, dass sowohl ein<br />
Wechsel des Steuerungsprinzips jederzeit und einfach möglich sein muss als auch<br />
verschiedene Steuerungsstrategien innerhalb eines Materialflusssystems verwendet<br />
werden können. Das heißt, dass z.B. in einer Produktion mit einem wandernden<br />
Engpass die Steuerungsstrategie <strong>für</strong> einen Bereich von Bringprinzip auf Holprinzip<br />
umgestellt werden kann, ohne dass zuvor die gesamte Materialflusssteuerung aufgeteilt<br />
und neu eingestellt werden muss.<br />
Damit verbunden ist die Forderung nach der Optimierung der Abläufe in der Materialflusssteuerung<br />
unter Berücksichtigung der aktuellen Situation in der Produktion.<br />
Die hohe Dynamik in der Produktion bringt es mit sich, dass einmal geplante Abläufe<br />
im nächsten Moment nicht mehr optimal sind, da sich die Planungsgrundlagen verändert<br />
haben. Störungen an den Bearbeitungsstationen durch technisches oder<br />
menschliches Versagen können z.B. eine Veränderung einmal geplanter Abläufe<br />
notwendig werden lassen. Damit wird es erforderlich, mit möglichst kurzen Planungshorizonten<br />
zu planen. Allerdings schrumpft mit dem Planungshorizont auch die<br />
Möglichkeit zur Optimierung von Abläufen. Die Forderung nach der Aktualität der<br />
Planung ist deshalb mit der Forderung nach einem Optimum zwischen Planungshorizont<br />
und Abläufen verbunden.<br />
8-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Veränderungsfähigkeit<br />
Unstetig fördernde<br />
Transportmittel<br />
Materialflusssteuerung<br />
durch ein Leitsystem<br />
Strategievariabilität<br />
MATVAR<br />
Dezentrale<br />
Ansätze<br />
Handlungsbedarf<br />
Planungsunterstützung Agentenbasierte<br />
Ansätze<br />
Aktualität der Planung<br />
Anforderungen werden lediglich teilweise erfüllt<br />
Bild 3: Stand der Technik und Handlungsbedarf<br />
3 Stand der Technik und Handlungsbedarf<br />
Die Systemarchitektur einer Materialflusssteuerung ist meist von außen nicht sichtbar.<br />
Das Hauptaugenmerk bei Betrachtungen liegt eher auf der Funktion eines Systems<br />
und weniger auf seinen inneren Eigenschaften. Dies gilt jedoch dann nicht<br />
mehr, wenn Systeme und damit auch ihre innere Aufbauorganisation häufiger verändert<br />
werden müssen. Bei den aus der Literatur bekannten Ansätzen zur Materialflusssteuerung<br />
lassen sich zentrale und dezentrale Systemarchitekturen unterscheiden.<br />
Bei zentralen Ansätzen sind die Funktionen der Materialflusssteuerung in einem Leitsystem<br />
integriert (NEDELJKOVIC-GROHA 1995, S. 13). Leitsysteme können Materialflussvorgänge<br />
wie Bearbeitungsaufträge einplanen und diese an die zur Verfügung<br />
stehenden Transportmittel verteilen. Voraussetzung ist hierzu, dass Materialflussvorgänge<br />
genau wie die im Arbeitsplan aufgeführten Fertigungs- und Montagevorgänge<br />
dem Leitsystem als Planungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden.<br />
Ein Leitsystem ist unterhalb der Produktionsplanung und –steuerung angesiedelt<br />
(MERTINS U.A. 1994, S. 14-57) und plant mit einem kürzeren Zeithorizont unter Berücksichtigung<br />
der zur Verfügung stehenden Maschinen- und Personalkapazität. Besonders<br />
nach dem Werkstatt- oder Inselprinzip organisierte Produktionssysteme eignen<br />
sich <strong>für</strong> den Einsatz von Leitsystemen. Beispiele hierzu sind u.a. von SCHRÖDEL<br />
8-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
(1992), CHA & PARK (1996), PARUNAK (1998), REINHART & ANSORGE (1997) und<br />
GERDES (1997) bekannt.<br />
Dezentral aufgebaute Systeme sind in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass die<br />
Funktionen der Materialflusssteuerung von einem Steuerungssystem unterhalb der<br />
Leitebene wahrgenommen werden. Dies setzt die Entkopplung von Fertigungs- und<br />
Materialflussaufgaben voraus (NEDELJKOVIC-GROHA 1995, S. 13). Das Materialflusssteuerungssystem<br />
kann selbst wiederum aus einem oder mehreren Subsystemen<br />
bestehen. NEDELJKOVIC-GROHA (1995) beschreibt ein System eines Materialfluss-<br />
Zellenrechners. Dieser ist unterhalb der Leitebene angesiedelt und wird deshalb vom<br />
Autor als dezentral bezeichnet. Ein weiterer Schritt in der Dezentralisierung der<br />
Funktionalität einer Materialflusssteuerung führt zu agentenbasierten Ansätze, bei<br />
denen die Aufteilung der Materialfluss-Funktionen nicht nur nach funktionalen Kriterien,<br />
sondern auch anhand der Topologie der zu steuernden Anlage erfolgt. Hierzu<br />
sind Arbeiten u.a. von CASSANDRAS (1986), PARUNAK (1988), KUSIAK (1986),<br />
GAUSEMEIER U.A. (1996) und LI (1996) bekannt.<br />
Industriell eingesetzte Systeme zur Materialflusssteuerung sind meist entweder als<br />
Bestandteil eines Leitrechners oder als eigenständiger Materialflussrechner realisiert.<br />
Zwar werden letztere hier auch als dezentraler Ansatz bezeichnet, die Konzentration<br />
aller Materialflussfunktionen in einem Rechnersystem weist jedoch häufig die gleichen<br />
Eigenschaften auf, wie zentrale Lösungen (Leitrechner). Agentenbasierte Ansätze<br />
werden derzeit ausschließlich in der Forschung untersucht. Ihre Vorteile liegen<br />
in der transparenten Abbildung der realen Produktion durch entsprechende Wahl und<br />
Zuordnung einzelner Agenten. Derartige Architekturkonzepte wurden vor allem <strong>für</strong><br />
Leitsysteme entwickelt, ihre Übertragung auf Materialflusssteuerungen wurde bislang<br />
nur selten vorgenommen.<br />
Eine ideale Materialflusssteuerung <strong>für</strong> den Einsatz in der dynamischen Produktion<br />
sollte alle vier Anforderungen erfüllen, und dabei die Kriterien noch besser erfüllen,<br />
als die derzeit verfügbaren Ansätze. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass<br />
Handlungsbedarf zur Entwicklung einer Materialflusssteuerung besteht, die den Forderungen<br />
nach Veränderungsfähigkeit und Unterstützung bei Um- und Neuplanungen,<br />
Aktualität der Planung und Flexibilität der eingesetzten Steuerungsstrategien<br />
gleichzeitig genügt. Vor allem die fehlende Unterstützung bei der Planung von Veränderungen<br />
der Aufbau- und Ablauforganisation der Materialflusssteuerung erfordert<br />
eine theoretische Basis <strong>für</strong> die Entwicklung und Veränderung der Systemarchitektur.<br />
Diese muss den Planer des Steuerungssystems unterstützen und idealer weise zusätzlich<br />
eine gemeinsame Sprachbasis <strong>für</strong> die Zusammenarbeit mit dem Materialflussplaner<br />
bieten. Es besteht demnach Handlungsbedarf zur Entwicklung eines<br />
neuen Ansatzes, der unter Vermeidung dieser Defizite die Möglichkeiten schafft, den<br />
Materialfluss auch in dynamischen Produktionssystemen mit informationstechnischer<br />
Unterstützung wirtschaftlich zu betreiben.<br />
8-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Verteilte<br />
Materialflusssteuerung<br />
Lokale<br />
Materialverwaltung<br />
Materialbereitstellung<br />
Bestand verwalten<br />
Bedarf ermitteln<br />
Material anfordern<br />
Transporteinheit<br />
Umgebungsmodell<br />
Materialbesorgung<br />
Plätze verwalten<br />
Transportgut verwalten<br />
Teilaufgaben verteilen<br />
Transportmittel<br />
Transport<br />
Wege planen<br />
Wege reservieren<br />
Weg optimieren<br />
Bild 4: Die Aufbauorganisation besteht aus vier Dienstleistern<br />
MATVAR<br />
4 Konzeption einer dynamikgerechten Materialflusssteuerung<br />
4.1 Aufbauorganisation<br />
Auf Basis der in (BLESSING 1999, S. 41 FF.) entwickelten konzeptionellen Grundlagen<br />
ergibt sich eine verteilte Aufbauorganisation, die das vormals monolithische Materialflusssteuerungssystem<br />
in drei verschiedene Typen Systemelementen unterteilt. Die<br />
wichtigsten am realen Materialfluss beteiligten Komponenten Transportmittel, Transporteinheit<br />
und Quellen und Senken, wie z.B. Lager-, Bearbeitungs- und Montagezellen,<br />
werden als eigenständige Dienstleister betrachtet, die mit Hilfe ihrer informationstechnischen<br />
Abbilder in der Materialflusssteuerung Dienste erbringen bzw.<br />
Dienste anderer in Anspruch nehmen können. Als zusätzliche Informationsquelle und<br />
viertes Systemelement steht eine Datenbasis, das sog. Umgebungsmodell, zur Verfügung,<br />
die relevante Modellinformationen ermittelt und diese allen Systemelementen<br />
als Dienstleistung zur Verfügung stellt.<br />
Die Aufbauorganisation der Materialflusssteuerung ergibt sich damit zu einem Verbund<br />
verschiedener Dienstleister, die in einem Kunden-/Lieferanten-Netz zusammenarbeiten.<br />
Dies ermöglicht eine prinzipiell hohe Veränderbarkeit des Systemaufbaus.<br />
8-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Planung<br />
Ablaufsteuerung<br />
VMD /<br />
Treiber<br />
Steuerung<br />
Kommunikationsplattform<br />
Planung Planung<br />
Kran-PC<br />
Fahrerloses<br />
Transportfahrzeug Stapler Hallenkran<br />
Bild 5: Systemarchitektur der Dienstleister Transportmittel<br />
4.1.1 Transportmittel<br />
Ablaufsteuerung,Feldbusankopplung<br />
MATVAR<br />
Die Systemarchitektur der Dienstleister vom Typ Transportmittel ist gekennzeichnet<br />
durch eine Trennung der Funktionen Kommunikation, Planung, Ablaufsteuerung und<br />
Kontrolle in voneinander unabhängige Software-Agenten (vgl. Blessing 1999, S. 26).<br />
Je nach Einsatzfall sind <strong>für</strong> den Dienstleister Transportmittel entweder alle Agenten<br />
erforderlich, oder auf einzelne kann verzichtet werden, etwa wenn die Funktion von<br />
einem Bediener ausgeführt wird. Die einheitliche Kommunikationsplattform unterstützt<br />
diese Trennung der Funktionen durch kompatible Schnittstellen.<br />
Diese Architektur erlaubt es, verschiedenartige Transportmittel prinzipiell mit derselben<br />
Steuerungsarchitektur unter einem Dach zusammenzufassen. Dadurch wird es<br />
möglich, heterogene Fuhrparks mit einer Steuerung gemeinsam zu verwalten, und<br />
die Kapazitäten der einzelnen Transportmittel insgesamt optimal auszunutzen. Bild 5<br />
zeigt verschiedene Konstellationen unterschiedlicher Dienstleister vom Typ Transportmittel.<br />
Während bei automatisierten Transportmitteln (z.B. FTF) Agenten <strong>für</strong> Planung,<br />
Ablaufsteuerung und Anpassung an die maschinenspezifische Steuerung<br />
(Treiber) erforderlich sind, kommt die Integration eines Gabelstaplers unter Einbeziehung<br />
des Bedieners mit einem Planungsagenten aus.<br />
8-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Kommunikationsplattform<br />
Planung Auftragsplan Materiallisten<br />
Ablaufsteuerung<br />
Bedienober-<br />
fläche<br />
MATVAR<br />
Modellinformation<br />
Bild 6: Systemarchitektur der Dienstleister lokale Materialverwaltung<br />
4.1.2 Lokale Materialverwaltung<br />
Die Systemarchitektur der Dienstleister vom Typ lokale Materialverwaltung ist vergleichbar<br />
mit der Systemarchitektur der Transportmittel-Dienstleister. Ausgehend von<br />
der systemweiten Kommunikationsplattform ist ein Planungsagent <strong>für</strong> die Entgegennahme<br />
von Aufgaben und deren terminliche Einordnung zuständig. Zur Ausführung<br />
werden die Aufgaben an den Steuerungsagenten weitergegeben. Die Weitergabe<br />
daraus abgeleiteter einzelner Aktionen an einen Treiberagenten ist nur bei vollständig<br />
automatisierten Bearbeitungszellen erforderlich. In der Regel kommuniziert der<br />
Steuerungsagent über geeignete Bedienoberflächen mit dem Zellenbediener. Somit<br />
übernimmt der Bediener dann auch die operative Ausführung der Dienstleistungen.<br />
Dies entspricht im wesentlichen einem neuen Aufgabenverständnis der Zellenbediener,<br />
wie es z.B. von DIESCH (1999) beschrieben wird.<br />
Grundlage der Aktionen des Planungsagenten sind die aktuellen zellenspezifischen<br />
Informationen über die eingeplanten Aufgaben, das zur Verfügung stehende Material<br />
und die Topologie und Eigenschaften der Bearbeitungszelle. Zu letzteren gehören<br />
Informationen über Anzahl, Art und aktuellen Status der Lastübergabepunkte, die<br />
zelleninternen Fördermittel sowie die geometrischen Abmaße der Zelle.<br />
8-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Planung<br />
Ablaufsteuerung<br />
Bedienoberfläche<br />
Kommunikationsplattform<br />
Auftragsplan<br />
Belegungslisten<br />
Bild 7: Systemarchitektur der Dienstleister Transporteinheit<br />
4.1.3 Transporteinheiten<br />
MATVAR<br />
Die Systemarchitektur der Dienstleister vom Typ Transporteinheit ist prinzipiell ähnlich<br />
zu den Systemarchitekturen der beiden beschriebenen Systemelemente. Allerdings<br />
sind im Gegensatz zu diesen die Transporteinheiten keine aktiven Systemelemente,<br />
d.h. sie verfügen alleine über keine Möglichkeit sich oder andere physisch zu<br />
verändern. Dennoch müssen sie über die Möglichkeit verfügen, Veränderungen an<br />
sich selbst oder in ihrer Umgebung zu erfahren. Auf der untersten Agentenebene ist<br />
deshalb eine Bedienoberfläche angesiedelt, mit der ein Bediener Zustandsänderungen<br />
in der Belegung der Transporteinheit abbilden kann. Bei entsprechender sensorischer<br />
Ausstattung der Transporteinheit und des Transportguts mit einem Identifikationssystem,<br />
könnte hier auch eine VMD zum Einsatz kommen, die automatisch die<br />
aktuelle Belegung der Transporteinheit ermittelt. Der darüber liegende Steuerungsagent<br />
überwacht die Aktionen der darunter liegenden Ebene und schreitet gegebenenfalls<br />
ein.<br />
Die Grundlage <strong>für</strong> die Planungen des Planungsagenten ist die aktuelle Situation der<br />
Transporteinheit, die durch die Einträge in den Belegungs- und Auftragslisten sowie<br />
durch die Ergebnisse der Verhandlungen mit den Unterauftragnehmern gekennzeichnet<br />
ist. Den Transporteinheiten kommt bei der entwickelten Strukturierung der<br />
Materialflusssteuerung die Rolle eines Koordinators zu.<br />
8-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Umgebungsmodellserver<br />
Kommunikationsplattform<br />
Umgebungsmodell<br />
Topologie- und<br />
Positionsdaten<br />
Bild 8: Systemarchitektur des Dienstleisters Umgebungsmodellserver<br />
4.1.4 Umgebungsmodellserver<br />
MATVAR<br />
Aufgabe des Dienstleisters Umgebungsmodellserver ist es, Informationen der einzelnen<br />
Dienstleister zu kombinieren und auf Basis der angereicherten Informationen<br />
dienstleisterübergreifende Entscheidungen zu treffen. Aus dieser Aufgabenstellung<br />
ergeben sich Eigenschaften und Systemaufbau des Dienstleisters Umgebungsmodellserver,<br />
die in vielerlei Hinsicht unterschiedlich zu den zuvor beschriebenen<br />
Dienstleistern sind. Zunächst ist ein wesentlicher Unterschied zu den jeweils mehrfach<br />
vorhandenen Dienstleistern Transporteinheit, Transportmittel und lokale Materialverwaltung,<br />
dass der Umgebungsmodellserver nur ein einziges Mal im System vorhanden<br />
ist.<br />
Ein weiterer Unterschied ist der Systemaufbau. Im Gegensatz zu den beschriebenen<br />
Dienstleistern ist kein Planungsagent zur Bildung einer Ausführungsreihenfolge erforderlich.<br />
Besondere Bedeutung kommt dem Datenteil des Umgebungsmodellservers<br />
zu. Das Umgebungsmodell, das den Aktionen zu Grunde liegt, darf keine Redundanz<br />
zu den lokalen Modellen der einzelnen Dienstleister aufweisen. Sonst wäre<br />
bei Veränderungen im System ein doppelter Anpassungsaufwand erforderlich. Vielmehr<br />
soll das zentrale Umgebungsmodell ohne zusätzlichen Aufwand aus den lokalen<br />
Modellen entstehen. Dazu ist es erforderlich, dass die lokalen Modelle vereinbarten<br />
Systemstandards genügen und untereinander redundanzfrei sind. Das Gesamtmodell<br />
ergibt sich quasi als Puzzle aus den Einzelmodellen.<br />
8-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
1<br />
4<br />
2 3<br />
5<br />
Flexibles Ablaufkonzept<br />
4.2 Ablauforganisation<br />
4.2.1 Holprinzip<br />
6<br />
1<br />
4<br />
?<br />
? A B<br />
Produktionszellen,<br />
lokale<br />
Materialverwaltungen<br />
Aufgabenverteilung nach<br />
dem Verhandlungsprotokoll<br />
Transportträger<br />
Aufgabenverteilung nach<br />
dem Verhandlungsprotokoll<br />
Bild 9: Ablauforganisation Holprinzip<br />
Transportmittel<br />
MATVAR<br />
Auf Basis dieser prinzipiellen Verhaltensmuster ergeben sich nun in Abhängigkeit<br />
von der anwendungsspezifischen Aufbauorganisation und den implementierungsspezifischen<br />
Zielsystemen der einzelnen Dienstleister unterschiedliche Abläufe. Der<br />
einfachste Fall ist eine Materialflussanforderung nach dem Holprinzip.<br />
Der Materialflussvorgang wird durch eine Bearbeitungszelle ausgelöst, deren lokale<br />
Materialverwaltung aufgrund neuer Bearbeitungsaufträge einen Materialbedarf festgestellt<br />
hat. Die lokale Materialverwaltung verteilt über die Kommunikationsplattform<br />
daraufhin eine Ausschreibung an sämtliche Transporteinheiten im System (Schritt €<br />
in Bild 9). Diese wiederum prüfen die in der Ausschreibung enthaltene Aufgabe und<br />
erstellen daraufhin ein Angebot ó. Dieses Angebot wird besonders gut ausfallen,<br />
wenn das gewünschte Material bereits auf der Transporteinheit vorhanden ist und<br />
schlechter, wenn das Material erst z.B. von einem Lager besorgt werden muss. Die<br />
Transporteinheit, die den Zuschlag zur Bereitstellung des gewünschten Materials<br />
erhalten hat ì, startet anschließend eine Ausschreibung ö, um ein Transportmittel<br />
mit dem eigentlichen Transportvorgang zu beauftragen ú, ÷.<br />
8-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
1<br />
2<br />
3 3 3<br />
4 5<br />
?<br />
Produktionszellen,<br />
lokale<br />
Materialverwaltungen<br />
Ankündigung / Platzreservierung<br />
durch direkte Anfrage<br />
Transportträger<br />
? A B Aufgabenverteilung nach<br />
dem Verhandlungsprotokoll<br />
Erfüllung der Anforderungen nach<br />
– Strategievariabilität<br />
– Veränderungsfähigkeit<br />
– Planungsaktualität<br />
4.2.2 Bringprinzip<br />
Transportmittel<br />
Bild 10: Ablauforganisation Bringprinzip<br />
MATVAR<br />
Ganz ähnlich ergeben sich die Abläufe bei einer nach dem Bringprinzip organisierten<br />
Materialflusssteuerung. Allerdings entfällt hier die Suche nach der Materialquelle, da<br />
dies zu Beginn des Materialflussvorgangs bekannt ist. Ebenso ist das Ziel des Vorgangs<br />
bekannt. Damit reduziert sich der erste Teil des Ablaufs, die Kommunikation<br />
zwischen einer lokalen Materialverwaltung und einer Transporteinheit auf eine einfache<br />
synchrone Anfrage nach der Verfügbarkeit von Pufferplätzen (Schritt € in Bild<br />
10). Der zweite Teil des Materialflussvorgangs, die Bestimmung eines Transportmittels,<br />
verläuft analog zu dem Ablauf beim Holprinzip (ó, ì, ö). Neu hinzugekommene<br />
Dienstleister werden sofort in die Aufgabenverteilung integriert. Im in Bild 9 dargestellten<br />
Beispiel sind die beiden Gabelstapler jedoch wegen technischer oder kapazitiver<br />
Gründe nicht in der Lage, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen,<br />
weshalb schließlich doch das FTF mit der Transportaufgabe beauftragt wird.<br />
Welcher der Dienstleister des Systems einen Auftrag annimmt und ausführt, hängt<br />
damit vor allem von den Zielen der einzelnen Dienstleister und den Randbedingungen<br />
einer Aufgabenbeschreibung ab. Die Abstimmung zwischen Zielen und Randbedingungen<br />
erfolgt bei der initialen Konfiguration einer spezifischen Implementierung.<br />
8-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Transportmittel<br />
Planung<br />
Steuerung<br />
Treiber<br />
Transportträger<br />
Planung<br />
Ablaufsteuerung<br />
Lokale Materialverwaltung<br />
Planung<br />
Ablaufsteuerung<br />
Bedienoberfläche<br />
1:1 Abbildung des Materialflusssystems in<br />
agentenbasierter Software<br />
MATVAR<br />
Bild 11: Abbildung des realen Materialflusssystems in der Materialflusssteuerung<br />
5 Die verteilte Materialflusssteuerung in der iwb-<br />
Modellfabrik<br />
Die iwb-Modellfabrik besteht aus zwei automatischen Flurförderfahrzeugen sowie<br />
insgesamt vier Produktionszellen: einer Montagestation, zwei Bearbeitungszentren<br />
und einem Lager (GALLASCH & SCHNEIDER 1997). Jede Produktionszelle verfügt über<br />
einen Zellenrechner, der zum einen den Bediener bei der Steuerung der internen<br />
Abläufe unterstützt, zum anderen die Verbindung zur Auftragsverteilung (REINHART &<br />
ANSORGE 1997) bildet. Die Aufgabe der Materialflusssteuerung ist in diesem Produktionssystem,<br />
das von den Zellen zur Bearbeitung angeforderte Material im Produktionssystem<br />
zu besorgen und an die anfordernde Zelle zu transportieren.<br />
Die Aufbauorganisation der Materialflusssteuerung entspricht direkt zu steuernden<br />
Materialflusssystem, d.h. in der Steuerung werden so viele Objekte z. B. vom Typ<br />
Transportmittel erzeugt, wie auch reale Transportmittel vorhanden sind. Die Konfiguration<br />
der einzelnen Dienstleister, d.h. die Anpassung der Agenten an den vorliegenden<br />
Einsatzfall, erfolgt über eine Anpassung der bei (Blessing 1999, S. 110 ff.) beschriebenen<br />
Parameter. Dazu können auch Daten aus anderen Quellen, z.B. einem<br />
Layout-Planungstool verwendet werden. Die Aktivierung der einzelnen Dienstleister<br />
erfolgt durch Starten der jeweiligen Programme und Anmelden der instantiierten<br />
verteilten Objekte an der Kommunikationsplattform.<br />
Kommunikationsplattform<br />
8-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Laststand frei<br />
<strong>für</strong> Anlieferung<br />
1<br />
2<br />
3<br />
1<br />
Material in<br />
LMV vorhanden<br />
Transportträger<br />
mit Material<br />
Analyse der<br />
Einflussgrößen und Faktoren<br />
Die verteilte Materialflusssteuerung ist<br />
funktionsfähig, wenn<br />
– ausreichend Transportkapazität vorhanden und<br />
– benötigtes Material im System vorhanden ist<br />
Abk. Bedingung a a1 b<br />
LMV1<br />
TTM<br />
LMV2<br />
TMA<br />
Material in LMV<br />
vorhanden<br />
Transportträger mit<br />
Material<br />
LMV_2 mit Material und<br />
freiem Laststand<br />
Transportmittel <strong>für</strong><br />
Transport A frei und<br />
bereit<br />
1 0 0<br />
x x 1<br />
x x x<br />
x x 1<br />
Materialfluß i.O. 1 0 1<br />
Kombination der Faktoren<br />
= Versuchsplan<br />
MATVAR<br />
Bild 12: Vorgehensweise bei der Evaluierung der verteilten Materialflusssteuerung<br />
6 Evaluierung<br />
Zur Evaluierung der verteilten Materialflusssteuerung wurde ein Verfahren bestehend<br />
aus einer sorgfältigen Versuchsplanung und der Versuchsdurchführung in einem industrienahen<br />
Umfeld verwendet. Aus dem zur Verfügung stehenden Prozesswissen<br />
wurden die Einflussgrößen ermittelt, zu Faktoren zusammengefasst und ein Versuchsplan<br />
erzeugt, der nur wenige Versuche erforderte. Die Versuche wurden in der<br />
iwb-Modellfabrik durchgeführt, da dort sämtliche Bausteine eines vollständigen Produktionssystems<br />
vorhanden sind und in die verteilte Materialflusssteuerung eingebunden<br />
werden können. Die Übertragung der Versuche aus dieser Mikroumgebung<br />
in ein industrielles Umfeld (Makroumgebung) ist dann möglich, wenn dort dieselben<br />
Randbedingungen vorliegen.<br />
6.1 Überprüfung der Funktionsfähigkeit<br />
Anhand des Einsatzbeispiels in der iwb-Modellfabrik konnte die Tauglichkeit der<br />
verteilten Materialflusssteuerung <strong>für</strong> den Einsatz in einem kleinen Produktionssystem<br />
nachgewiesen werden. Wenn die <strong>für</strong> eine erfolgreiche Abwicklung einer Materialflussanforderung<br />
entscheidenden Kriterien erfüllt sind, kann davon ausgegangen<br />
werden, dass die verteilte Materialflusssteuerung auch in einer anderen Einsatzum-<br />
8-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
gebung Materialflussanforderungen ausführen und das Ziel der Materialflusssteuerung<br />
erfüllen kann.<br />
Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist allerdings, dass die in (BLESSING 1999, S. 132) ermittelten<br />
Erfolgskriterien auch in der neuen Einsatzumgebung erfüllt sind. Die verteilte Materialflusssteuerung<br />
kann in einem Produktionssystem eingesetzt werden, wenn<br />
é gemessen am Transportaufkommen ausreichend Transportkapazität (Transportmittel<br />
und Transporteinheit) vorhanden und in die verteilte Materialflusssteuerung<br />
eingebunden ist,<br />
é die entsprechende informationstechnische Infrastruktur an den Zellen vorhanden<br />
ist, um die vorhandenen Bediener in die Abläufe zu integrieren,<br />
é die Kapazitätsabschätzung der groben Auftragsplanung die Transportkapazitäten<br />
berücksichtigt und damit verhindert, dass mehr Transporte erforderlich<br />
sind, als zur Verfügung stehen und<br />
é die Materialbedarfsplanung sicherstellen kann, dass das zu den aktuellen<br />
Aufträgen gehörende Material im Materialflusssystem vorhanden ist.<br />
Besonders die beiden letztgenannten Kriterien stellen spezielle Anforderungen an die<br />
Systeme der betrieblichen Informationsverarbeitung. Heute auf dem Markt verfügbare<br />
Systeme können bei entsprechender Anpassung diese Aufgaben jedoch durchaus<br />
erfüllen.<br />
6.2 Vergleich des Veränderungsaufwands<br />
Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der vorgestellten verteilten Materialflusssteuerung<br />
zu bisher bekannten Systemen und Ansätzen ist der wesentlich geringere<br />
Aufwand, den Veränderungen des Materialflusssystems mit sich bringen. Anhand<br />
eines Vergleichs zweier Szenarien konnte dies in (BLESSING 1999, S. 136) belegt<br />
werden.<br />
Neben der größeren Anzahl an durchzuführenden Arbeitsschritten erfordern konventionell<br />
aufgebaute Systeme in der Regel auch ein höheres Qualifikationsniveau der<br />
Bearbeiter, die Veränderungen in der Produktion in der Materialflusssteuerung abbilden<br />
müssen.<br />
Die verteilte Materialflusssteuerung ist durch die leicht zu verändernde Aufbauorganisation<br />
(vgl. Abschnitt 4.1) in der Lage, die in dynamischen Produktionsstrukturen<br />
auftretenden häufigen Veränderungen in der Materialflussteuerung wesentlich einfacher<br />
und schneller abzubilden. Zusätzlich werden kleinere Veränderungen auf Grund<br />
der flexiblen Ablauforganisation (vgl. Abschnitt 4.2) im laufenden Betrieb berücksichtigt.<br />
8-18
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
Dynamiktauglichkeit heutiger<br />
Materialflusssteuerungen unzureichend<br />
Verteilte Materialflusssteuerung auf Basis<br />
des Kunden-/Lieferanten-Prinzips<br />
Wichtigste Elemente Elemente sind „Lokale „Lokale<br />
Materialverwaltungen“, „Transportmittel“<br />
und „Transportträger“<br />
Umsetzung Umsetzung in der iwb-Modellfabrik<br />
Nachweis der Funktionsfähigkeit<br />
7 Zusammenfassung<br />
Bild 13: Zusammenfassung<br />
MATVAR<br />
Wandlungsfähigkeit von Unternehmen wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor<br />
werden. Eine wesentliche Voraussetzung hier<strong>für</strong> ist, dass auch das Produktionssystem<br />
eines Unternehmens wandlungsfähig ist, d.h. mit den dynamischen Veränderungen<br />
auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten mit Hilfe einer immer wirtschaftlich<br />
arbeitenden Produktion Schritt halten kann. Diese Forderung richtet sich<br />
sowohl an das Produktionssystem als Ganzes, als auch an seine Komponenten.<br />
Eine der wesentlichen Komponenten eines Produktionssystems ist der Materialfluss,<br />
der die einzelnen Bearbeitungsschritte einer Produktion verknüpft und damit von<br />
Veränderungen besonders betroffen ist. Hieraus entsteht die Forderung nach einer<br />
hohen Wandlungsfähigkeit der Materialflusssteuerung, die den Ausgangspunkt dieser<br />
Arbeit bildete.<br />
Im Rahmen dieser Arbeit wurden die Anforderungen an Materialflusssteuerungen<br />
ausgehend von den Anforderungen an das Produktionssystem abgeleitet. Dabei<br />
wurden die drei wesentlichen Veränderungsbereiche eines Produktionssystems<br />
identifiziert und die sich daraus ergebenden Veränderungen in der Materialflusssteuerung<br />
ermittelt. Das entwickelte Anforderungsprofil <strong>für</strong> die Aufbau- und Ablauforganisation<br />
zukünftiger Materialflusssteuerungen bildete die Ausgangsbasis <strong>für</strong><br />
die Analyse heute verfügbarer Systeme zur Materialflusssteuerung und der in der<br />
Forschung entwickelten Ansätze. Dies ergab, dass die ermittelten Anforderungen<br />
8-19
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
MATVAR<br />
hinsichtlich Wandlungsfähigkeit nur unzureichend erfüllt werden. Heute verfügbare<br />
Systeme sind auf einen Typ eines Transportmittels spezialisiert und können Transportmittel<br />
anderer Typen nur mit erheblichem Aufwand verwalten und steuern. Auch<br />
fehlen bislang Systeme, die dem Benutzer erlauben, das System einfach und mit geringem<br />
Aufwand zu verändern und an die veränderte Situation in der Produktion anzupassen.<br />
Die Aufgabenstellung <strong>für</strong> diese Arbeit besteht somit aus der Konzeption<br />
und Entwicklung einer Materialflusssteuerung, die den Anforderungen der dynamischen<br />
Produktion genügt.<br />
Grundsätzliche Überlegungen zur Gestaltung von informationsverarbeitenden Systemen<br />
in der Produktion führten zu einer auf dem Kunden-/Lieferanten-Prinzip basierenden<br />
Gestaltungsmaxime. Insbesondere die Forderung nach einfacher Veränderbarkeit<br />
bei gleichzeitiger Transparenz können bei nach diesem Prinzip organisierten<br />
Systemen besser gelöst werden, als dies bei den heute immer noch üblichen zentral<br />
organisierten Systemen der Fall ist.<br />
Auf dieser Grundlage wurde ein Konzept zur Steuerung des Materialflusses in der<br />
dynamischen Produktion entwickelt. Die wichtigsten am realen Materialfluss beteiligten<br />
Komponenten Transportmittel, Transporteinheit und Quellen und Senken, wie<br />
z.B. Lager-, Bearbeitungs- und Montagezellen, werden als eigenständige<br />
Dienstleister betrachtet, die mit Hilfe ihrer informationstechnischen Abbilder in der<br />
Materialflusssteuerung Dienste erbringen bzw. Dienste anderer in Anspruch nehmen<br />
können. Diese konsequente Umsetzung des Kunden-/Lieferanten-Prinzips führt zu<br />
einem einfach wandelbaren Materialflussnetz.<br />
Die Realisierung der Dienstleister erfolgte in der iwb-Modellfabrik auf Basis der<br />
Kommunikationsplattform CORBA. Die Hauptbestandteile der Dienstleister wurden in<br />
sog. Agenten als verteilte Objekte realisiert, die untereinander über die Kommunikationsplattform<br />
beliebige Informationen austauschen können. Auftragsinformationen<br />
bzw. Dienstanforderungen werden von speziellen Kommunikationsagenten mit Hilfe<br />
eines Verhandlungsprotokolls an andere Dienstleister verteilt. Damit ist es sehr leicht<br />
möglich, neue Dienstleister in die Abläufe einzubinden und die Materialflusssteuerung<br />
zu verändern.<br />
Die Funktionsfähigkeit des entwickelten Systems, der verteilten Materialflusssteuerung,<br />
konnte anhand eines Einsatzbeispiels in der iwb-Modellfabrik gezeigt werden.<br />
Durch die Analyse der Einflussfaktoren und deren Auswirkungen auf die Materialflusssteuerung<br />
konnten die Kriterien ermittelt werden, die beim Einsatz der Materialflusssteuerung<br />
in einer größeren, industriellen Produktion erfüllt sein müssen.<br />
8-20
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Blessing, S.: Gestaltung der Materialflusssteuerung in dyn. Produktionsstrukturen<br />
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.RQILJXULHUEDUH 0DWHULDOIOXVV<br />
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3URGXNWLRQVXPIHOG<br />
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MATVAR<br />
9-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
1 Stand der Technik zu Beginn des Verbundprojektes<br />
MATVAR<br />
Die eingesetzte materialflussbegleitende Informations- und Datentechnik wird durch<br />
relativ starre Strukturen der Hard- und Software geprägt. Es bestehen wenig Möglichkeiten<br />
alte und neue informationstechnische Systeme und unterschiedliche Steuerungsebenen<br />
zu integrieren. Diese relativ starren Steuerungsarchitekturen ermöglichen<br />
keine schnelle und kostengünstige Reaktion auf Störungen und Veränderungen,<br />
die das dynamische Produktionsfeld voraussetzt. Die Steuerungsarchitekturen<br />
sind geprägt durch hohe Komplexität und mangelnde Konfigurierbarkeit. Meist wurden<br />
zentralistische Systemarchitekturen realisiert, was zu nicht integrierbaren Insellösungen<br />
geführt hat. Die hohe Komplexität von Materialflusssteuerungen bei gleichzeitiger<br />
mangelnder Modularität, Konfigurierbarkeit und Parametrierbarkeit erschwert<br />
die Anpassung des Materialflusses an Veränderungen des Layouts, der Ablaufstruktur<br />
und der Mengengerüste, die das dynamische Produktionsfeld mit sich bringen.<br />
Bei den meisten installierten Materialfluss- und Lagersystemen ist eine stufenweise<br />
Automation nicht möglich.<br />
Die informatorischen Schnittstellen zeichnen sich vor allem durch mangelnde Datensicherheit,<br />
inkonsistente Daten und anlagenspezifische, inkompatible Lösungen aus.<br />
Die Vielfalt der spezifischen Schnittstellen verhindert dabei eine Modifizierung, die<br />
einfach und schnell durch den Anwender ausgeführt werden kann. Weiterhin wird<br />
durch unterschiedliche Datenqualitäten und Datenumfänge sowie ungeeignete Systemarchitekturen<br />
der flexible Datenaustausch in hohem Maße erschwert.<br />
Die fehlende Integration verschiedenster Informationsträger wie z.B. Barcodes oder<br />
Transponder führt häufig zu wiederholter Datengenerierung und zu unterschiedlichen<br />
Datenstrukturen und verhindert so eine durchgängige und sichere Datenhaltung.<br />
In den meisten Produktionsfeldern ist eine durchgängige Bestandsführung und eine<br />
damit eng verbundene Chargenverfolgung nicht gegeben. Meistens werden die Bestände<br />
in den Lagerstätten korrekt verwaltet, aber über die Bestände in der Produktion<br />
können die meisten Betriebe keine sichereren Aussagen treffen.<br />
Eine Schnittstelle zwischen Produktivsystemen und Planungs- und Simulationssystemen<br />
zur Verifizierung der Planungsansätze anhand von Echtdaten wurde bisher<br />
nicht angedacht.<br />
9-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
1.1 Ziele im Projekt MATVAR:<br />
MATVAR<br />
• Entwicklung eines modularen, skalierbaren Materialflusssystems, das Standardtransportelemente<br />
enthält. Als Basis <strong>für</strong> dieses System sollen gängige<br />
SQL-Datenbanken wie z.B. Oracle, Microsoft SQL-Server, Centura SQLBase<br />
unter dem Betriebssystem Windows NT zum Einsatz kommen.<br />
• Entwicklung eines informatorischen Schnittstellenbaukastens zu den Materialflusssubsystemen,<br />
Produktionssteuerungen und Planungs- und Simulationstools.<br />
• Integration von Online-Prozesskontrollen in das Leitsystem.<br />
Was kann man mit diesen Entwicklungen erreichen?<br />
1. Bestandsverwaltung<br />
• Bestandsverwaltung <strong>für</strong> das gesamte Produktionsumfeld<br />
• Bestandsidentifizierung über den gesamten Betrieb<br />
• Bearbeitungsstrategien<br />
• Auftragseinlastung, Auftragsterminierung, Auftragsoptimierung<br />
2. Materialflussverwaltung und -steuerung<br />
• Gesamtheitliche Koordination der Teilsysteme<br />
• Leitstandsfunktionen <strong>für</strong> Fertigungsinseln<br />
• Transportsteuerung<br />
• Transportoptimierung<br />
• Schnelle Reaktion durch automatisches Umlenken des Materialflusses im<br />
Störfall<br />
• Flexibilität in den Abläufen und Steuerungsstrategien<br />
3. Betriebsdatenerfassung<br />
• Messung der Laufzeiten, Maschinenverfügbarkeit und Maschinenauslastung<br />
• Stördatenerfassung und -auswertung<br />
• Rechnergestützte Störungsbehebung<br />
• Schwachstellenanalyse<br />
• Aufbereitung der Daten <strong>für</strong> Planungs- und Simulationssysteme<br />
9-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
1.2 Spezifizierung von geeigneten Datenschnittstellen<br />
MATVAR<br />
Zur Spezifizierung der informatorischen Schnittstellen kann der Datenfluss in ein Ebenenmodell<br />
eingeteilt werden.<br />
Bild 1: Schematische Einstufung des Informationsflusses<br />
Im nächsten Schritt können die einzelnen Programmpakete oder Softwaremodule<br />
diesem Ebenenmodell zugeordnet werden.<br />
Bild 2: Beispiel: Informationsfluss im dynamischen Produktionsumfeld<br />
9-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
MATVAR<br />
Bei der Analyse der Daten zwischen den einzelnen Ebenen hat sich ergeben, dass<br />
es wenige Klassen an Informationen sind, die ausgetauscht werden.<br />
Von den übergeordneten Ebenen werden Transport- und Fertigungsaufträge an die<br />
untergeordneten Ebene übertragen. Diese wiederum antworten mit Vollzugs- oder<br />
Statusmeldungen.<br />
Anhand dieser Analyse und dem Ebenenmodell ergaben sich folgende Klassen an<br />
Kommunikationselementen:<br />
1.2.1 Schnittstelle Planungsebene - Leitebene<br />
Planungsebene -> Leitebene<br />
Aktion Inhalt<br />
Layoutdaten Automatische Abbildung der physikalischen<br />
Anlagenlayouts auf dem<br />
Leitsystem/Visualisierungssystem<br />
Arbeitsabfolgen Materialflussdaten<br />
Steuerungsstrategien Entscheidungsstrategien der Leitebene<br />
Leitebene -> Planungsebene<br />
Aktion Inhalt<br />
Betriebsdaten Maschinenzeiten, Stördaten<br />
Spielzeiten Transportzeiten, Leistungsdaten auf<br />
Auftrags- Artikelebene<br />
Verfügbarkeit Störzeiten, Störanzahl<br />
Tatsächliche Leistungsdaten<br />
9-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
1.2.2 Schnittstelle Leitebene - Produktionsebene<br />
Leitebene -> Produktionsebene<br />
Aktion Inhalt<br />
Transportaufträge Herkunft (Quelle), Ziel (Senke), Termin,<br />
Reihenfolge, Priorität, Ladungsträger<br />
Auftragsstorno<br />
Produktionsaufträge Programm, Anzahl, Produktionsanweisung,<br />
Termin<br />
Produktionsebene -> Leitebene<br />
Aktion Inhalt<br />
Statusmeldung Verfügbarkeit<br />
Auftragsquittung Positiv/negativ<br />
Visualisierungstelegramm Stau, Mangel, Störung, Standort,<br />
Aktion, Auftragsstatus, Laufzeiten,<br />
Schaltspiele<br />
MATVAR<br />
9-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
1.2.3 Schnittstelle Verwaltungsebene - Leitebene<br />
Verwaltungsebene -> Leitebene<br />
Aktion Inhalt<br />
Stammdaten z.B. Artikelstamm, Kundenstamm,<br />
Lieferantenstamm<br />
Stücklisten<br />
Produktionsplanung Produktionsdaten, Mengen, Termine<br />
Avisdaten Ladeeinheiten, Stückzahlen, Termine<br />
Kundenaufträge Ladeeinheiten, Stückzahlen, Termine<br />
Leitebene -> Verwaltungsebene<br />
Aktion Inhalt<br />
Auftragszustände Produktion und Lieferung<br />
Vollzugsmeldungen Lieferaufträge und Produktionsaufträge<br />
Bestände Summarisch<br />
Bewegungsdaten Transporteinheitsverfolgung, Chargenverfolgung,<br />
Qualitätssicherung<br />
MATVAR<br />
9-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
Bild 3: Visualisierungsbild MATVAR-Pilotanlage<br />
MATVAR<br />
9-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
2 Die MATVAR-Pilotanlage<br />
Bild 4: Visualisierungsbild Blockbodenlager<br />
MATVAR<br />
Im Rahmen des Verbundprojektes MATVAR wurde die Schnittstelle zwischen der<br />
Leitebene und der Produktionsebene, insbesondere zum Kransystem der Mannesmann<br />
Dematic weiter spezifiziert (Datenformate) und realisiert. Ebenso wurden die<br />
Dateninhalte <strong>für</strong> die Schnittstelle Planungsebene und Leitebene definiert und beispielhaft<br />
realisiert.<br />
2.1 Anlagen-Konfiguration<br />
Transportmittel...<br />
• Kransystem (Einschienenkran, Zweischienenkran)<br />
• Rollenbahn (Stauförderer, Schwerlastrollenbahn)<br />
• Stapler<br />
• (Mensch)<br />
Anlagenpositionen...<br />
• Blockbodenlager<br />
9-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
• Verschiebebodenregal<br />
• I-Punkt (Aufgabepunkt <strong>für</strong> Transporteinheiten)<br />
• Arbeitsplätze 1 + 2 (Staplerübergabeplatz)<br />
• Montagezellen 1 – 3<br />
2.2 IT-Konfiguration<br />
Bild 5: IT-Konfiguration<br />
Die Pilotanlage besteht aus den IT-Komponenten<br />
• Leitrechner<br />
• Terminals (Clients)<br />
• Staplermanagementsystem<br />
• Materialfluss- und Visualisierungs-Rechner<br />
• Kran-PC<br />
• SPS (Rollenbahnen, Verschiebebodenregal)<br />
MATVAR<br />
9-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
MATVAR<br />
Der Leitrechner enthält in seiner Eigenschaft als Datenbankserver alle Informationen<br />
zur Materialflusssteuerung und Lagerverwaltung. Für die MATVAR-Pilotanlage wurde<br />
ein ORACLE 8.0.5 Server auf Basis des Betriebssystems Windows NT 4.0 eingesetzt.<br />
Als Materialflusssteuerer ist der Leitrechner <strong>für</strong> die Aufgaben Transportauftragsgenerierung,<br />
Stellplatzsuche im Lager, Reservierung von Transporteinheiten<br />
und Transportmittelauswahl zuständig.<br />
Die Datenbankstruktur teilt sich in vier logische Bereiche. Materialflussplanungsdaten<br />
enthalten Informationen zu Arbeitsplänen, Transportmitteln, –strecken und Lagerstätten.<br />
Zu den Materialflussbewegungsdaten gehören im wesentlichen Transportaufträge,<br />
Transporteinheiten und Zustände von Transportmitteln und Lagerstellplätzen.<br />
Die Stammdaten umfassen Informationen zu Artikeln, Stücklisten, Kunden, Lieferanten,<br />
etc.. Die systemadministrativen Daten betreffen die Benutzer- und Berechtigungsverwaltung<br />
und die Systemeinstellungen des Anwenderprogramms.<br />
Die vier Bereiche des Datenbankmodells:<br />
• Materialflussplanungsdaten<br />
• Materialflussbewegungsdaten<br />
• Stammdaten<br />
• Systemadministrative Daten<br />
Die Terminals als Bedienoberfläche (siehe Bild 9) <strong>für</strong> den Anwender umfassen sämtliche<br />
dialoggeführten Funktionen der Materialflusssteuerung, der Lagerverwaltung<br />
und der systemadministrativen Daten. Entsprechend der oben beschriebenen Datenbankstruktur<br />
ergeben sich <strong>für</strong> den Anwender die Bereiche Fertigungsauftragsgenerierung,<br />
Fahrauftragsverwaltung, Wareneinlagerung und -auslagerung, Stammdaten,<br />
System- und Benutzerverwaltung.<br />
Staplermanagementsystem:<br />
Das Staplermanagementsystem zeigt die dem Transportmittel Stapler zugeordneten<br />
Transportaufträge auf dem am Fahrzeug mitfahrenden Terminal an (siehe Bild 6).<br />
Der Staplerfahrer entscheidet welche Transportaufträge er ausführt und quittiert nach<br />
Vollzug der Fahrt diese am Terminal. Zudem können am Terminal manuelle Transportaufträge<br />
generiert werden. Die Touch-Screen-Technologie ermöglicht dabei den<br />
Dialog direkt auf der Bildschirmoberfläche ohne die üblichen Eingabegeräte Tastatur<br />
und Maus.<br />
9-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
Bild 6: Staplermanagementsystem<br />
MATVAR<br />
Die drahtlose Funkverbindung vom Stapler-Terminal zum LAN über sogenannte Access-Points<br />
ermöglicht die Mobilität des Fahrzeugs im innerbetrieblichen wie im betriebsübergreifenden<br />
Produktionsumfeld. Diese wurde in der Pilotanlage durch die<br />
Anbindung der Betriebsstätte iwb-Modellfabrik über einen Access-Point und ein stationäres<br />
Terminal an die fml-Krananlage realisiert (siehe Bild 7). Das Staplermanagementsystem<br />
erhöht so im Verbund mit dem Konzept der konfigurierbaren Materialflusssteuerung<br />
die Flexibilität bei der Materialflussplanung zusätzlich.<br />
Bild 7: IT-Konfiguration Staplermanagementsystem<br />
9-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
MATVAR<br />
Der Materialfluss- und Visualisierungs-Rechner bildet die informatorische Schnittstelle<br />
vom Leitrechner zu den unterlagerten IT-Systemen der automatischen Transportmittel.<br />
In einer standardisierten Kommunikation wird z.B. das Transportauftrags-<br />
Handling durchgeführt und die Verfügbarkeit von Transportmitteln gemeldet. In der<br />
Pilotanlage sind die Kommunikationspartner der Kran-PC und die speicherprogrammierbaren<br />
Steuerungen der Rollenbahnen und des Verschiebebodenregals.<br />
Die Visualisierung als Bedien- und Beobachtungsterminal zeigt schematisch die Pilotanlage<br />
mit den Signalzuständen der Sensoren und Aktoren und unterstützt so zusammen<br />
mit der statistischen Stördatenanalyse die technische Anlagenbedienung<br />
(siehe Bild 3 und 4). Unter direktem Zugriff auf die Datenbank des Leitrechners werden<br />
alle im System befindlichen Transporteinheiten mit ihrer eindeutigen Nummer<br />
und ihrer Anlagenposition am Terminal visualisiert. Dies ermöglicht eine kontinuierliche<br />
Verfolgung des Materialflusses auf Anlagenebene im engen Verbund mit dem<br />
Leitrechner.<br />
Bild 8: Transportauftrag<br />
9-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
2.3 Beispiel: Vom Fertigungsauftrag zum Transportauftrag<br />
(siehe Bild 8)<br />
MATVAR<br />
Nachfolgend ist vereinfacht der logische und datentechnische Ablauf beschrieben,<br />
wie der Leitrechner über eine Fertigungsauftragseingabe am Terminal die Transportaufträge<br />
generiert und so den Materialfluss mit den Transportmitteln in der Pilot-<br />
Anlage steuert.<br />
1.Schritt: Der Fertigungsauftrag generiert eine Artikelliste<br />
Durch die Eingabe eines Fertigungsauftrags am Terminal mit der Produktnummer<br />
und der Menge wird über die Stücklisten-Stammdaten eine Artikelbedarfstabelle generiert,<br />
welche über die Beziehungstabelle Positions-Stückliste (d.h. welcher Artikel<br />
wird in welcher Menge auf welcher Position <strong>für</strong> die Produktion benötigt) auch die<br />
Zielpositionen des einzelnen Artikels enthält. Die Arbeitsplan-Stammdaten bestimmen<br />
zudem den Weg der Leerbehälter aus dem Lager zur schrittweisen Aufnahme<br />
des Fertigprodukts.<br />
Bild 9: Fertigungsauftrag<br />
2. Schritt: Reservierung von Transporteinheiten im Lager<br />
Die in der Artikelbedarfstabelle enthaltenen Artikel werden in den im Lager zur Verfügung<br />
stehenden Transporteinheiten gesucht und bei Erfolg der entsprechende<br />
Stellplatz und die Transporteinheit <strong>für</strong> die Auslagerung reserviert.<br />
9-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
3. Schritt: Transportaufträge generieren<br />
MATVAR<br />
Mit der Annahme, dass die Artikel und die Leerbehälter zur Entsorgung der Produktion<br />
im Lager verfügbar sind, ergeben sich daraus bereits transportmittelunabhängige<br />
Transportaufträge mit den Dateninhalten...<br />
• Fertigungsauftrags-Nr.<br />
• Transportauftrags-Nr.<br />
• Quelle<br />
• Ziel<br />
• Transporteinheits-Nr.<br />
4. Schritt: Aufsplittung von Fahraufträgen über Sequenzen<br />
Vor der Zuordnung von Transportmitteln zu Transportaufträgen muss aufgrund seiner<br />
Quelle-Ziel-Daten ermittelt werden, ob ein einzelnes Transportmittel den Transportauftrag<br />
ausführen kann, oder eine Aufsplittung in mehrere sequentiell ablaufende<br />
Transportaufträge mit quasi Zwischenzielen – die dann mit unterschiedlichen Transportmitteln<br />
ausgeführt werden - nötig ist. Die Information über die einzelnen Positionen<br />
einer Sequenz finden sich in einer Sequenz-Positions-Tabelle, in der auch der<br />
Transporteinheiten-Typ (kleiner, großer Behälter) berücksichtigt werden muss.<br />
5. Schritt: Zuordnung von Transportmitteln zu Transportaufträgen<br />
Als letzter Schritt <strong>für</strong> die Transportauftragsdaten erfolgt die Zuordnung eines Transportmittels.<br />
Dazu wird als erstes auf die Stammdatentabelle Transportmittel-<br />
Positionen zugegriffen, um zu ermitteln, welche Transportmittel die Quelle-Ziel-<br />
Verbindung befriedigen können und damit grundsätzlich in Frage kommen. Anschließend<br />
werden Kriterien wie Verfügbarkeit, Auslastung und Kosten berücksichtigt und<br />
eine Transportmittelauswahl getroffen.<br />
9-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
6. Schritt: Transportauftrag starten<br />
Bild 10: Fahrauftrag<br />
MATVAR<br />
Mit der Zuordnung des Transportmittels ist der Transportauftrag vollständig beschrieben<br />
und wird in einen Bearbeitungsstatus gesetzt, der die Kommandos an die unterlagerten<br />
Transportmittel auslöst (siehe Bild 10).<br />
Der Materialflussrechner greift direkt auf die Transportauftrags-Tabelle der Leitrechner-Datenbank<br />
zu und leitet die Informationen in einem gesicherten Hand-Shake an<br />
die unterlagerten IT-Systeme der Transportmittel weiter, die ihrerseits den Vollzug<br />
des Transportauftrags in entgegengesetzter Richtung an den Leitrechner melden.<br />
In der Pilotanlage sind die unterlagerten IT-Systeme der PC des Kransystem und die<br />
SPS-Steuerungen der Rollenbahnen und des Verschiebebodenregals.<br />
Wenn alle Transportaufträge abgeschlossen sind, befinden sich sämtliche Transporteinheiten<br />
mit ihren Artikel und Fertigprodukten ebenso wie die leeren Transporteinheiten<br />
wieder im Lager und stehen dort <strong>für</strong> einen neuen Fertigungsauftrag oder<br />
eine Warenauslagerung bereit. Dem Bediener wird der Fertigungsauftrag am Terminal<br />
als beendet angezeigt.<br />
2.4 Zusammenfassung<br />
Alle Informationen, die zur Umsetzung eines Fertigungsauftrags in einzelne Transportaufträge<br />
und damit der Materialflusssteuerung einer Produktionsanlage nötig<br />
sind, befinden sich zentral in der Datenbank des Leitrechners. Das Datenbankdesign<br />
ist konsequent so gestaltet, dass alle Parameter die den Materialfluss bestimmen,<br />
9-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schuster, G.: Konfig. Materialflusssteuerung <strong>für</strong> das dyn. Produktionsumfeld<br />
MATVAR<br />
vorgegeben und verändert werden können, um so letztendlich das Produktionsumfeld<br />
dynamisch gestalten zu können.<br />
Die gleiche Flexibilität gilt auch <strong>für</strong> die Lagerung der Transporteinheiten. D.h. Lagerstätten<br />
können flexibel in Größe, Aufstellungs-Ort und Art parametriert werden. Dabei<br />
besteht auch die Möglichkeit einzelnen Lagerpositionen (Stellplätze) unterschiedliche<br />
Transportmittel (z.B. Kran, Stapler, Personen) zuzuordnen.<br />
Gleichzeitig stehen die einzelnen Tabellen der Datenbank aber auch in einer engen<br />
und schlüssigen Beziehung zueinander und ermöglichen somit Zusammenhänge im<br />
Materialflusssystem schnell und einfach zu verstehen und Inkonsistenzen im Datenbestand<br />
zu vermeiden.<br />
Externe Materialfluss-Planungs-Tools können über standardisierte und automatisierte<br />
Schnittstellen als Datenlieferanten fungieren, so den Administrationsaufwand<br />
am Leitrechner minimieren und Datenkonsistenz gewährleisten. Detaillierte Informationen<br />
über Transportmittel, Transporteinheiten und Transportwege stehen dabei im<br />
Vordergrund.<br />
In entgegengesetzter Richtung erhalten die Planungs-Tools vom Leitrechner Feedback-Daten<br />
aus dem Produktionsumfeld, wie z.B. Statistiken über die Einsatzhäufigkeit<br />
von Transportmitteln, Transporteinheiten oder der Transportstrecken. Die Kommunikation<br />
zwischen den Systemen Leitrechner und Planungs-Tool kann so eine<br />
analytische Materialflussoptimierung unterstützen.<br />
Die Aufgabe des Leitrechners als vollständiges Lagerverwaltungssystem erzwingt<br />
darüber hinaus geradezu ein Zusammenspiel mit übergeordneten Warenwirtschaftsund<br />
Produktionsplanungssystemen. Als typisches Beispiel sei hier der Lagerbestand<br />
genannt, der <strong>für</strong> solche Systeme von großer Bedeutung ist.<br />
Erweiterungen bzw. Veränderungen im Produktionsumfeld haben zwangsläufig auch<br />
Auswirkungen auf die IT-Konfiguration. Der Einsatz eines LAN’s und die Programmierung<br />
der Materialflusssteuerung als Client-Server-Modell werden der Forderung<br />
nach Flexibilität gerecht. Denn Terminals, die den Dialog zur Materialflusssteuerung<br />
darstellen, können in beliebiger Anzahl an allen relevanten Positionen im Produktionsumfeld<br />
eingesetzt werden. Dies gilt gleichermaßen <strong>für</strong> das Visualisierungssystem<br />
und das Staplermanagementsystem.<br />
Da im Front-End der Materialflusssteuerung sämtliche Dialog-Funktionalitäten in einer<br />
Anwendung beinhaltet sind (z.B. Fertigungsaufträge generieren, Warenauslagerung,<br />
Transportauftrags-Start, Stammdatenverwaltung, etc..), sorgt eine personenbezogene<br />
Zugangsberechtigung auf die einzelnen Programmteile mit getrennten Leseund<br />
Schreibrechten auch bei einer umfangreichen Verteilung von Terminals im Produktionsumfeld<br />
<strong>für</strong> eine administrierbare und damit überschaubare Sicherheit im Gesamtsystem.<br />
9-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
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MATVAR<br />
10-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
Busteilnehmer<br />
1<br />
Busteilnehmer<br />
2<br />
1 Aufgabenstellung<br />
Funkstation mit CAN<br />
Interface<br />
Busteilnehmer<br />
3<br />
Überfahrbereich<br />
mit Unterbrechung<br />
der Schleifbahn<br />
Busteilnehmer<br />
n<br />
Funkstation mit CAN<br />
Interface<br />
CAN Bus<br />
Bild 1: Funkanbindung Krankatze zum CAN Bus<br />
MATVAR<br />
In vielen Branchen müssen die verfügbaren Produktionsmittel immer effektiver eingesetzt<br />
werden. Daher sollte die Produktionsumgebung schnell an sich verändernde<br />
Anforderungen angeglichen werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong> und Produktionsstrukturen flexibler zum Einsatz kommen.<br />
Derartige Anforderungen bedingen ein hohes Maß Flexibilität der Leitebene und der<br />
darunter arbeitenden Steuerungssysteme. Eine wichtige Komponente innerhalb dieser<br />
Systeme ist das Bussystem, über das die Antriebs- und Positionsinformationen<br />
übertragen werden. Dieses Bussystem muss oft bewegliche Elemente der Fertigungsanlagen<br />
erreichen (z.B. Kranantriebe, Krankatzen, Hängebahnkatzen, Gabelstapler<br />
o.ä.). Dies kann zum Beispiel über Schleppleitungen, Schleifbahnen, Datenlichtschranken<br />
- oder per Funk geschehen. Kabelverbindungen sind meist dann ein<br />
Problem, wenn bewegliche Elemente relativ frei durch den Raum bewegt werden.<br />
Schleifleitungen stellen hier eine deutliche Verbesserung dar.<br />
Der Montageaufwand kann sich bei Schleifleitungen jedoch deutlich erhöhen, wenn<br />
Weichen oder Überfahrbereiche vorhanden sind (Bild 1). Eine Verbindung mit Datenlichtschranken<br />
um Bögen oder Ecken ist so z.B. ein technisch nur sehr aufwendig<br />
lösbares Problem.<br />
10-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
MATVAR<br />
Die Integration von Funktechnik zur Übertragung von Bus-Informationen stellt sich in<br />
diesem Problemzusammenhang als eine sinnvolle Ergänzung zu den anderen Übertragungsmedien<br />
dar. Eine wichtige Anforderung ist dabei die Integrationsfähigkeit<br />
des Funksystems in die gesamte Busstruktur, d.h. das Funksystem sollte dem technischen<br />
Ideal eines Kabels möglichst nahe kommen. Dabei soll von der Annahme<br />
ausgegangen werden, dass die seriell vorliegenden Daten ohne vorheriges Umformen<br />
- z.B. in das Parallelformat – und ohne Bewertung des Dateninhaltes über die<br />
Funkstrecke übertragen werden sollen. Dadurch wird ein zusätzlicher Softwareaufwand<br />
bei dem Systembetreuer vermieden. Der mechanische Montageaufwand sollte<br />
nicht zu hoch sein und das Funksystem sollte auf der Basis von kostengünstigen<br />
Komponenten realisiert werden.<br />
2 Ausgangssituation/ Problemstellung<br />
Der Maschinen- und Anlagenbau ist wie keine zweite Branche dem Kostendruck und<br />
der Effizienzsteigerung ausgesetzt. Innovationszyklen beschleunigen sich zusehends.<br />
Der Druck auf die Hersteller und Dienstleister in diesem Bereich, mit immer<br />
stärker optimierten Produkten die Effizienz ihrer Kunden weiter zu steigern, nimmt<br />
stetig zu. Aus diesem Grund werden immer häufiger SPS-Systeme oder andere Mikrocomputereinheiten<br />
zur Steuerung des Fertigungsablaufes eingesetzt.<br />
Der verstärkte Einsatz mikroprozessorbasierter Steuerungssysteme macht die Datenübertragung<br />
zu einer wichtigen Komponente des Gesamtprodukts, wenn nicht<br />
sogar zur entscheidenden. Mit Feldbussystemen wie CAN ist es möglich, Komponenten<br />
verschiedener Hersteller (z.B. Kran = Hersteller 1, Ringbahn = Hersteller 2,<br />
Materialflusslogistik = Hersteller 3 etc.) miteinander zu verbinden und kommunizieren<br />
zu lassen. Dieses stellt die Grundlage <strong>für</strong> eine übergeordnete Steuerungsebene dar,<br />
mit welcher dann das Zusammenspiel der einzelnen Produktionselemente koordiniert<br />
werden kann. Je flexibler die Gesamttechnologie ist, desto effizienter können Prozessressourcen<br />
auch betriebswirtschaftlich genutzt werden. Sogar nachträgliche<br />
Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen können bei einem solchen System rationell<br />
realisiert werden, ohne dass das Gesamtsystem ineffizient wird.<br />
Ein Hauptproblem bei Bussystemen besteht darin, dass die Topographie der Leitungsführung<br />
sich im normalen Fertigungsablauf nicht ändern sollte. Auch Stichleitungen<br />
sollten in den meisten Bussystemen nicht vorkommen. Dies hat zur Folge,<br />
dass zu abgelegenen Busteilnehmern eine Leitung hin sowie auch eine Leitung zurück<br />
verlegt werden muss (Bild 2). Dadurch können sich in größeren Produktionsstätten<br />
leicht Busleitungslängen von über 1000 m ergeben. Die Folge ist, dass auf<br />
Grundlage der meisten Herstellerempfehlungen von CAN Modulen (z.B. Weidmüller<br />
WINbloc CAN) die Baudrate nicht größer als 50kBit/s eingestellt werden soll. Dieser<br />
Wert kann aber <strong>für</strong> viele Anwendungen zu langsam sein. Üblicherweise werden<br />
Baudraten von 125 oder 250kBit/s benötigt. Daher sollte bei der Leitungsplanung<br />
10-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
CAN-Knoten<br />
Schleppleitung Kabellänge: 20m 40 m Busleitung<br />
Bild 2: Beispiel Schleppleitung an Krankatze<br />
MATVAR<br />
versucht werden, die Gesamtlänge nicht über 500m (max. 125kBit/s) ausdehnen zu<br />
müssen.<br />
3 Vorgehensweise<br />
CAN Bus hat die Eigenschaft, die Datenbits einzeln auf den Bus zu legen und gleichzeitig<br />
zu prüfen, ob die Busleitungen den richtigen Zustand haben (Busarbitrierung).<br />
Diese Fähigkeit ist die Grundlage <strong>für</strong> die Prioritätensteuerung im gesamten CAN<br />
Bussystem.<br />
Das zeitkritische Prüfen der Leitungszustände über eine Funkverbindung wäre allerdings<br />
nur mit extrem hohen Aufwand möglich, daher scheidet diese Möglichkeit aus<br />
Kostengründen vorerst aus. Angestrebt wird, CAN-Knoten-Gruppen zusammenzufassen<br />
und zu segmentieren. Solch ein Segment - oder „Insel“ - kann dann per Funk<br />
mit dem Gesamt-Bussystem verbunden werden, d.h. CAN-Telegramme einer Insel<br />
werden von einem Funkknoten genau wie von jedem anderen CAN-Knoten aufgenommen.<br />
Danach erfolgt eine Aufbereitung <strong>für</strong> die Übertragung auf dem Funkweg.<br />
Dieser Datensatz wird dann auf einen Hochfrequenz (HF)-Träger aufmoduliert.<br />
10-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
Z.B. SPS KPC<br />
Position<br />
Katzfahrt<br />
Hubwerk<br />
RX/TX 1.1<br />
RX/TX 1.2<br />
Antriebe<br />
Katzfahrt<br />
Hubwerk<br />
Funkempfänger<br />
Steuerschalter<br />
mit CAN Interface<br />
Position<br />
Katzfahrt<br />
Hubwerk<br />
RX/TX 2.1<br />
RX/TX 2.2<br />
Antriebe<br />
Katzfahrt<br />
Hubwerk<br />
Funkempfänger<br />
Steuerschalter<br />
mit CAN Interface<br />
Position<br />
Katzfahrt<br />
Hubwerk<br />
11 bit Identifier<br />
CAN 125 kbits/s<br />
RX/TX 3.1<br />
RX/TX 3.2<br />
Antriebe<br />
Katzfahrt<br />
Hubwerk<br />
Funkempfänger<br />
Steuerschalter<br />
mit CAN Interface<br />
Kran<br />
Position<br />
RX/TX 4.1<br />
Katze 1 Katze 2 Katze 3 Kran 1 Kran 2<br />
CAN CAN CAN<br />
Funksteuerschalter Funksteuerschalter Funksteuerschalter<br />
RX/TX 5.1<br />
RX/TX 5.2<br />
RX/TX 4.2<br />
CAN CAN<br />
Kran<br />
Motor<br />
Bild 3: Übersicht der Bussegmente an der Musteranlage<br />
Kran<br />
Position<br />
Kran<br />
Motor<br />
MATVAR<br />
Auf der Empfangsseite werden die Informationen - aus dem HF-Signal gefiltert - wieder<br />
in das CAN-Format zurück konvertiert und gemäß den Protokollvorschriften auf<br />
dem anderem Segment ausgegeben. Zur funktechnischen Übertragung soll ein stationäres<br />
Funksystem mit 125 kBit/s Übertragungsrate dienen, das CAN-Daten bidirektional,<br />
ohne inhaltliche Betrachtung, zwischen den „Inseln“ überträgt.<br />
Der zweite Teil der Applikation ist ein drahtloser Kransteuerschalter. Über ihn können<br />
die Steuerbefehle <strong>für</strong> die Krane und Krankatzen betätigt werden. Der Empfänger soll<br />
auch diese Daten auf den CAN-Bus ausgeben. Darüber hinaus soll dieser Funksteuersender<br />
auch kompatibel zum alternativen Kabelkransteuerschalter sein. Wichtig ist<br />
hierbei, dass die Sicherheitsaspekte der Maschinenrichtlinie (98/37/EG) eingehalten<br />
werden. Deswegen müssen Maßnahmen gegen unbeabsichtigte Bewegungen getroffen<br />
werden und ein überwachter Not-Stop-Kreis vorhanden sein. Als Bedienelemente<br />
sollen ein Not-Stop-Schlagschalter, ein Schlüsselschalter, 10 zweistufige<br />
Drucktaster und 2 Drehschalter vorgesehen werden. Die Stromversorgung des<br />
Funksteuersenders bzw. Kransteuerschalters erfolgt mittels eines wiederaufladbaren<br />
NiCd-Akku. Eine Betriebs- und Unterspannungsanzeige soll ebenso vorgesehen<br />
werden.<br />
10-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
CAN H<br />
CAN L<br />
AC<br />
CAN-Interface<br />
125 kbit<br />
CAN<br />
TTL<br />
MCU 1<br />
85 - 265V AC<br />
FIF0<br />
MCU2<br />
FIF0 MCU3<br />
12 V DC<br />
4 Erzielte Ergebnisse<br />
HF<br />
HF<br />
FIF0<br />
FIF0<br />
Bild 4: Blockschaltbild CAN zu CAN Modul<br />
CAN-zu-CAN-Übertragung<br />
MCU<br />
MCU<br />
12 V DC<br />
MCU<br />
85 - 265V AC<br />
MATVAR<br />
Das CAN-zu-CAN Übertragungsmodul ist in einem Aluminiumgehäuse (360 x 260 x<br />
195 mm/ B x H x T) untergebracht. Der Versorgungsspannungsbereich beträgt AC<br />
85 - 265V 50Hz. Die Einheit ist in der Lage, CAN-Busdaten mit einer Bitrate von<br />
125kBit/s bei ca. 80% Buslast zu übertragen. Das System soll dazu dienen, bewegliche<br />
Teile mit CAN-Busdaten zu versorgen.<br />
MCU1 (Microcomputer Unit)<br />
Die Daten vom CAN-Bus werden über das CAN-Interface in die MCU1 eingelesen<br />
und die empfangenen Daten wieder ausgegeben. Da die Daten auf dem CAN-Bus<br />
eine schnelle Reaktion erfordern, ist hier<strong>für</strong> ein eigener Mikrocontroller vorgesehen.<br />
TTL<br />
CAN<br />
AC<br />
10-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
MATVAR<br />
Dieser schreibt die zu versendenden Daten in das Sende-FIFO (first-in-first-out) und<br />
prüft, ob im Empfangs-FIFO Daten zur Ausgabe vorliegen.<br />
MCU2<br />
Die MCU2 wartet ständig auf Daten aus dem HF-Baustein. Wenn ein kompletter<br />
String empfangen wurde, wird er <strong>für</strong> MCU1 aufbereitet und in dem FIFO Baustein <strong>für</strong><br />
MCU1 abgelegt.<br />
MCU3<br />
Die MCU3 wartet ständig auf Daten aus dem FIFO Baustein. Wenn ein kompletter<br />
Datensatz dem FIFO entnommen werden konnte, wird er „versandfertig“ aufbereitet<br />
und in einem String dem HF Baustein zugeführt.<br />
HF<br />
Die HF-Baugruppe arbeitet auf 10 Trägerfrequenzen mit einem Kanalabstand von<br />
1728 kHz und belegt den Bereich 1880...1900 MHz. Als Modulation kommt GFSK<br />
(Gaussian Frequency Shift Keying) zum Einsatz. Die Ausgangsleistung ist auf<br />
250mW (24dBm) begrenzt. Um mehrere Systeme in einem Funkfeld unterzubringen,<br />
ist ein Zeitrahmen von 10ms festgesetzt. Dieser Zeitrahmen ist wiederum in 24 Zeitschlitze<br />
unterteilt. Dadurch ergeben sich 120 Vollduplex – Kanäle. Vorteilhaft an diesem<br />
System ist, dass jedes Gerätepaar selber die benötigten freien Zeitschlitze sucht<br />
und belegt. Auch Funkstörungen, die während der Laufzeit auftreten, werden durch<br />
die Möglichkeit des Ausweichens auf andere Frequenzen und Zeitschlitze weitgehend<br />
unbedeutend.<br />
Was kann ein solches System leisten?<br />
Der Einsatz eines solches Systems ist immer dann sinnvoll, wenn mobile oder verfahrbare<br />
Teilnehmer am CAN-Busverkehr teilnehmen müssen. So können jetzt z.B.<br />
Gabelstapler eine Datenanbindung erhalten. Aber auch bei Krankatzen oder Kranantrieben<br />
kann durch ein solches System eine aufwendige Schleppleitungs- oder<br />
Datenstromschienenmontage vermieden werden. Ein weiterer Vorteil des Systems<br />
ist, dass die über Funk überbrückten Distanzen nicht als Busleitung berücksichtigt<br />
werden müssen und daher auch die Busleitungslängen nicht mehr als erforderlich<br />
ausgedehnt werden müssen.<br />
10-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
VCO<br />
AF-LPF<br />
NF-Tiefp.<br />
8<br />
D<br />
AT<br />
A<br />
2<br />
AF<br />
SK<br />
*1)<br />
Modem<br />
P<br />
PBW<br />
7 R<br />
O<br />
Synthesizer<br />
: 2<br />
TCXO<br />
12,8 MHz<br />
Mikrocontroller<br />
16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28<br />
PC<br />
0<br />
PC<br />
1<br />
PC<br />
2<br />
PC<br />
3<br />
PC<br />
4<br />
PA<br />
7<br />
PA<br />
6<br />
Befehle *2)<br />
PA<br />
5<br />
4.2 Kransteuerschalter<br />
PA<br />
4<br />
PA<br />
3<br />
PA<br />
2<br />
Kanalwahl *1)<br />
PA<br />
1<br />
PA<br />
Endstufe<br />
Regler<br />
+ 3 V<br />
Regler<br />
+ 5 V<br />
LPF<br />
Tiefpaß<br />
Bild 5: 70-cm-Synthesizer-Sender; Blockschaltbild<br />
MATVAR<br />
14 Antenne<br />
400...475 MHz<br />
+ 10 dBm<br />
12 Ub +5,8...14 V<br />
7 RESET<br />
30<br />
29<br />
Ub<br />
Normalbereich<br />
Ub<br />
Unterspannung<br />
Der Sender <strong>für</strong> den drahtlosen Kransteuerschalter ist in einem Kunststoffgehäuse<br />
(ca. 215 x 63 x 50 mm/ L x B x H) untergebracht. Der Sender verfügt über 10 zweistufige<br />
Drucktaster sowie zwei Drehschalter (mit jeweils drei Stellungen). Gemäß<br />
Maschinenrichtlinie (98/37/EG) verfügt er über einen Schlüsselschalter mit abziehbarem<br />
Schlüssel sowie über einen Not-Stop-Schlagschalter.<br />
VCO (Spannungsgesteuerter Oszillator)<br />
Der VCO besteht aus zwei Stufen, dem eigentlichen Oszillator, der auf der Endfrequenz<br />
schwingt, und einer Trennstufe, um Rückwirkungen zu vermeiden. Die Abstimmbandbreite<br />
beträgt ca. 30 MHz. Um den Frequenzbereich von 395 - 492 MHz<br />
zu überstreichen, kommen VCOs mit 4 verschiedenen Mittenfrequenzen zur Anwendung:<br />
A = 410 MHz, B = 434 MHz, C = 460 MHz und D = 480 MHz. Die VCO-<br />
Ausgangsleistung beträgt ca. 0 dBm.<br />
10-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
Trägereinschwingunterdrückung<br />
MATVAR<br />
Beim Einschalten des Senders sind die Endstufe und der Pin-Diodenschalter solange<br />
gesperrt, bis der Synthesizer auf seine Sollfrequenz eingeschwungen ist. Der HF-<br />
Träger wird somit am Antennenanschluss während der Einschwingphase um ca.<br />
50 dB unterdrückt. Ca. 50 ms nach dem Einschalten gibt der Mikrocontroller den Pin-<br />
Diodenschalter und die Endstufe zum Betrieb frei.<br />
Senderendstufe<br />
Die Senderendstufe verstärkt das VCO-Signal um ca. 12 dB. Das folgende dreipolige<br />
Tiefpassfilter unterdrückt die Oberwellen des Trägers um ca. 60 dB. Die HF-<br />
Ausgangsleistung beträgt +10 dBm (10 mW).<br />
Frequenzsynthesizer und TCXO (temperature controlled crystal oscillator)<br />
Der Funkbaustein arbeitet mit einem integrierten Synthesizer-IC MB 1511. Der<br />
Schaltkreis beinhaltet drei konfigurierbare Frequenzteiler, einen UHF-Vorteiler sowie<br />
einen Phasendetektor mit „peak hold“-Funktion zur Erzeugung der Fehlerspannung,<br />
die den VCO über ein passives Schleifenfilter nachregelt. Die Daten zur Frequenzund<br />
Kanalrastereinstellung werden über drei Leitungen (CLK; DATA und LE) seriell<br />
vom Mikrocontroller ausgegeben und konfigurieren die internen Teiler. Der Frequenzvergleich<br />
wird mit einem stabilen TCXO auf 12,8 MHz vorgenommen.<br />
Die Frequenzstabilität von ± 2,5 ppm (- 10 °C bis + 55 °C) gewährleistet eine zum<br />
schmalbandigen 12,5 kHz-Raster ausreichende Frequenzgenauigkeit im UHF-<br />
Bereich. Die Frequenzdrift über den gesamten Temperaturbereich beträgt max. ±<br />
500 Hz. Der Takt wird durch 2 geteilt und dem Modem sowie dem Mikrocontroller<br />
zugeführt. Der integrierte Vorteiler wird vom VCO über ein Dämpfungsglied mit einer<br />
Leistung von ca. -12 dBm gespeist. Die Einschwingzeit beim Einschalten des Senders<br />
beträgt etwa 50 ms, während die Umschaltzeit auf einen anderen HF-Kanal im<br />
Betrieb < 20 ms beträgt.<br />
Modulator<br />
Der Sender wird vom internen Modem frequenzmoduliert. Das NF-Signal durchläuft<br />
ein 5-gradiges NF-Filter. Am Ausgang wird mit einem Potentiometer der Sollhub eingestellt.<br />
10-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
Modem<br />
MATVAR<br />
Der Mikrocontroller erzeugt ein zyklisches Datentelegramm, welches seriell als binäre<br />
Bitfolge dem Modem zugeführt wird. Es erzeugt ein AFSK-Signal (audio frequency<br />
schift keying) abhängig vom binären Eingangssignal. Beide Töne stehen sinusförmig<br />
dem Modulator zur Verfügung.<br />
Gebermodul<br />
Das Gebermodul besteht aus einem Mikrocontroller, über den alle Befehlsgeber eingelesen,<br />
auf Plausibilität geprüft und der HF-Baustein gesteuert werden.<br />
Die Sendedaten gelangen seriell in den Sendebaustein. Außerdem wird im Gebermodul<br />
der Zustand des Akkus überwacht und über eine LED angezeigt. Bei leerem<br />
Akku setzt der Controller das Einschaltflipflop in den “Aus“-Zustand, um eine Beschädigung<br />
des Akkus zu vermeiden.<br />
Antenne<br />
400...475 MHz<br />
TCXO<br />
12,8 MHz<br />
Synthesizer<br />
VCO<br />
1. ZF 21,4 MHz<br />
2. ZF 455 kHz<br />
AF-LPF<br />
NF-Tiefp.<br />
Squelch<br />
Regler<br />
: 2 Mikrocontroller B<br />
Ub +5,8...14 V<br />
+ 5 V<br />
Bild 6: 70-cm-Synthesizer-Empfänger; Blockschaltbild<br />
AF<br />
AFF<br />
Freq.-Cod.<br />
10-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
4.3 Der Empfänger<br />
MATVAR<br />
Der Empfänger <strong>für</strong> den drahtlosen Kransteuerschalter ist in einem Aluminiumgehäuse<br />
(270 x 160 x 50 mm/ H x B x T) untergebracht.<br />
HF-Eingangsverstärker<br />
Das 70-cm-Antennensignal gelangt über ein Dreifach-Wendelkreisfilter zum Vorverstärker-MMIC<br />
(monolithic microwave integrated circuit), der das Eingangssignal um<br />
ca. 26 dB verstärkt. Mit dem nachfolgenden Dreifach-Wendelkreisfilter wird<br />
die Weitabselektion verbessert und das Signal dem ersten Mischer zugeführt. Die<br />
Spiegelfrequenzselektion beträgt am Mischereingang > 70 dB.<br />
Erster Mischer und Quarzfilteranpassung<br />
Das 70-cm-Eingangssignal gelangt mit einer Impedanz von 50 Ohm auf den Eingang<br />
des „Schottky-Double-Balance“-Ringmischers. Das Oszillatorsignal wird ebenfalls mit<br />
50 Ohm Impedanz und einer Leistung von ca. + 1 dBm auf den Oszillator Eingang<br />
des Mischers geführt. Das ZF-Signal steht am Ausgang des Mischers mit 50 Ohm<br />
Quellimpedanz zur Verfügung. Der Sperrschicht-FET verstärkt das 21,4 MHz-ZF-<br />
Signal und sorgt <strong>für</strong> die Impedanzanpassung an das folgende vierpolige monolithische<br />
Quarzfilter. Dieses gewährleistet eine Nachbarkanalselektion von > 70 dB.<br />
Ausgangsseitig wird das ZF-Signal nochmals verstärkt und dem folgenden ZF-IC zugeführt.<br />
ZF-Verstärker mit FM-Diskriminator<br />
Das ZF-Signal (21,4 MHz) gelangt in den integrierten aktiven Mischer (ca.25 dB Verstärkung)<br />
und wird mit dem Oszillatorsignal (XT1: 20,945 MHz) auf die zweite ZF von<br />
455 kHz gemischt.<br />
Anschließend durchläuft das Signal ein Keramikfilter mit einer Nachbarkanalselektion<br />
> 30 dB und dann den zweiten ZF-Verstärker, der das Signal um ca. 50 dB verstärkt.<br />
Vom keramischen Diskriminator wird das ZF-Signal demoduliert und gelangt über<br />
einen integrierten NF-Verstärker zum Ausgang. Über ein Tiefpassfilter gelangt das<br />
NF-Signal zum Ausgang des Empfängermoduls.<br />
10-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
Aktives NF-Tiefpassfilter<br />
MATVAR<br />
Das NF-Signal gelangt in ein 5-gradiges Tiefpassfilter mit der Grenzfrequenz von<br />
5,5 kHz. Am Ausgangspin des Empfängermoduls steht das gefilterte NF-Signal zur<br />
Verfügung.<br />
Rauschsperre (Squelch)<br />
Das ungefilterte NF-Signal wird ausgekoppelt und gelangt in ein aktives NF-<br />
Hochpassfilter, in dem die NF-Nutzanteile ausgefiltert und nur die Rauschanteile des<br />
NF-Signals verstärkt werden. Diese Rauschanteile werden gleichgerichtet und bilden<br />
den Schaltpunkt des integrierten Squelch-Triggers. Der Squelch-Einstellbereich umfasst<br />
den Empfängerempfindlichkeitsbereich von -126 dBm bis -100 dBm bei einer<br />
Hysterese von < 2 dB.<br />
Stromversorgung<br />
Die Betriebsspannung kann + 5,8 V bis + 14 V betragen. Die Empfängerstufen werden<br />
über zwei interne stabilisierte Regelschaltungen mit + 5 V versorgt.<br />
Modem<br />
Das AFSK-Signal wird dem Modem zugeführt. Der daraus gewandelte Datenstrom<br />
verlässt das Modem und wird dem DATA-Ausgang des Empfängermoduls sowie den<br />
Mikrocontrollern zur Auswertung zugeführt.<br />
Mikrocontroller<br />
Als Auswerter des binären Datentelegramms dienen die Mikrocontroller. Beide Controller<br />
arbeiten autark. Auswerter A erzeugt seinen Betriebstakt selbst mit dem 6,4<br />
MHz-Quarz. Auswerter B erhält seinen Betriebstakt aus dem TCXO mit darauffolgendem<br />
Frequenzteiler (6,4 MHz) . Die von den Mikrocontrollern dekodierten Daten<br />
werden über die entsprechenden I/O-Ports ausgegeben.<br />
CAN-Interface<br />
Aus dem Empfängerbaustein gelangen die empfangenen Daten über einen seriellen<br />
String zu zwei Mikrocontrollern. Einer der Controller übernimmt die eine Hälfte der<br />
Sicherheitsfunktionen, der zweite Controller übernimmt die zweite Hälfte der Sicherheitsfunktionen<br />
und steuert das CAN-Interface, über das die Daten auf den Anwen-<br />
10-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Schwarz, D. u. Brendel, W.: Integration von Funkstrecken in Feldbussystemen (CAN)<br />
MATVAR<br />
derbus gelangen. Diese Schnittstelle kann an unterschiedlichen Bedürfnissen angepasst<br />
werden.<br />
5 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Zusammenfassend kann ausgesagt werden, dass es sinnvoll ist, das in der Versuchsanlage<br />
zur Anwendung gekommene Konzept weiter zu verfolgen. Der Einsatz<br />
von Funkanlagen kann in Zukunft bei solchen Applikationen kostengünstig und sicher<br />
bewegliche oder abgelegene Busteilnehmer am Feldbus ankoppeln. Als nächster<br />
Schritt wäre es sinnvoll, die Buskommunikation auch Maschinenhersteller übergreifend<br />
zu vereinheitlichen, um Abläufe zwischen den unterschiedlichen Transportmedien<br />
besser koordinieren zu können.<br />
6 Literatur<br />
ETSCHBERGER 1994<br />
Etschberger, Konrad (Hrsg.): Controller area network: CAN. Grundlagen,<br />
Protokolle, Bausteine, Anwendungen. München, Wien: Hanser 1994<br />
ETS 175 1..9<br />
HBC-HANDBUCH FUST 671<br />
10-13
xzeuge zur<br />
Einsatzplanung
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
'XUFKJlQJLJH 3URGXNWLRQV<br />
XQG /RJLVWLNSODQXQJ<br />
'LSO ,QJ 8OULFK .RKOHU<br />
'LSO ,QJ 0DUWLQ :HUQHU<br />
,QVWLWXW I U 3URGXNWLRQVWHFKQLN *PE+ LIS<br />
+HLVHQEHUJERJHQ<br />
$VFKKHLP 'RUQDFK<br />
MATVAR<br />
11-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Erfolgsfaktoren<br />
Geringe Produktionskosten<br />
Hohe Produktqualität<br />
Kurze Lieferzeit<br />
Kurze Innovationszyklen (Time to Market)<br />
Produktions- und Logistikplanung in kürzer werdenden Projektphasen ...<br />
1 Einleitung<br />
1.1 Die Erfolgsfaktoren<br />
MATVAR<br />
... mit steigender Anforderung an die Planungsqualität<br />
Bild 1: Erfolgsfaktoren am Standort Deutschland<br />
Die produzierende Industrie am Standort Deutschland unterliegt einem sich stetig<br />
verschärfenden, globalen Wettbewerb [UHLMANN 1998]. Langfristig werden sich Unternehmen<br />
mit einer Produktion in Deutschland nur behaupten können, wenn die im<br />
Vergleich überdurchschnittlich hohen Produktionskosten [VDMA 1999] durch innovative,<br />
hoch preisfähige Produkte gerechtfertigt werden [MILBERG 1997].<br />
Die Forderung nach Innovation setzt eine hohe Wandlungsfähigkeit der Unternehmen<br />
voraus. Die Bereitschaft zum schnellen Um- und Neugestalten der Produkte,<br />
Betriebsmittel und Prozesse sowie der Unternehmensstrukturen ist <strong>für</strong> viele Unternehmen<br />
der Schlüssel zum Erfolg geworden. Schneller Wandel ist jedoch auch mit<br />
Risiken verbunden [REINHART ET AL. 1999], die sich nicht zuletzt auf die Kostenstrukturen<br />
der Produkte auswirken können.<br />
Deshalb müssen Produktions- und Logistikplanungen, die den Wandel einleiten, in<br />
immer kürzeren Zeitabständen durchgeführt werden mit einer steigenden Anforderung<br />
an die Planungsqualität.<br />
11-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
100 %<br />
Produktionsspektrum<br />
B<br />
A<br />
Neuplanung Flexible Def. neuer flexibler Umplanung<br />
Produktionssteuereung <strong>Fertigungssegmente</strong><br />
C<br />
D<br />
Zeit<br />
„Hohe<br />
Produktvielfalt und<br />
kurze Innovationszyklen<br />
führen zu sich laufend<br />
verändernden<br />
Produktionsbedingungen“<br />
Optimierung der Logistik durch fortlaufende Betriebsanalyse und<br />
Anpassung der Arbeitsabläufe<br />
Bild 2: Erfolgsfaktoren am Standort Deutschland<br />
MATVAR<br />
Die Reaktion auf Veränderungen im Produktionsumfeld ist jedoch stark abhängig von<br />
dem Grad des Wandels. In dem oben dargestellten Beispiel wurde das Produktionsund<br />
Logistikkonzept bei der Neuplanung auf zwei Hauptprodukte A und B ausgelegt.<br />
Die Einführung eines zusätzlichen neuen Produktes C kann meist noch durch eine<br />
flexible Produktionssteuerung abgefangen werden. Ab einem bestimmten Zeitpunkt<br />
hat jedoch das neue Produkt gegenüber den alten Produkten einen so großen Anteil<br />
gewonnen, dass erste strukturelle Anpassungen notwendig werden. Da die in<br />
MATVAR erarbeiteten flexiblen Fördertechnikkonzepte eine Modifizierung zulassen,<br />
kann in dieser Phase von einer Anpassung der flexiblen <strong>Fertigungssegmente</strong> gesprochen<br />
werden. Erst wenn die beiden ursprünglichen Produkte völlig ausgelaufen<br />
sind, müssen u.U. größere Anpassungen in der Produktion und Logistik vorgenommen<br />
werden.<br />
Das dargestellte Szenario verdeutlicht, dass der planerische Eingriff in die Produktion<br />
und Logistik sich sehr unterschiedlich gestalten kann. Zudem müssen Planungssysteme<br />
auf einem ständig aktuellen Stand gehalten werden, damit zum einen die aktuelle<br />
Ist-Situation mit dem ursprünglich geplanten verglichen werden kann und zum<br />
anderen ein direktes Einsetzen der Planungsmaßnahmen zu jedem Zeitpunkt möglich<br />
ist.<br />
Die Planung wird zum Bestandteil der flexiblen Produktion und bietet die Basis einer<br />
fortlaufenden Betriebsoptimierung.<br />
11-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Umsatzanteil<br />
der Logistikkosten<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
Transportkosten Durchlaufzeitanteile Innovationszyklen<br />
Nahrungsmittel<br />
Metall- und<br />
Metallverarbeirung<br />
Elektrotechnik<br />
Textil<br />
Papier- und<br />
Papiererzeugung<br />
Elektronik und<br />
Minimierung von<br />
Wegen<br />
Auswahl geeigneter<br />
Fördertechnik<br />
Maschinenbau<br />
Effiziente Nutzung der<br />
Fördertechnik<br />
Transport Lagerung<br />
Prüfen<br />
Handhaben, 3%<br />
Rüsten und<br />
Bearbeiten<br />
10%<br />
2% 5%<br />
Aufenthalt<br />
80%<br />
Jahre<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
MATVAR<br />
Quelle: fml/AT Kearney Quelle: Wiendahl Quelle: Bullinger<br />
Optimierung der Losgröße<br />
Engpassoptimierung<br />
Strategien zur Störungskompensation<br />
Steuerungsstrategien <strong>für</strong><br />
Fördertechnik<br />
Durchschnittliche<br />
Produktlebenszeit<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
19781980198219841986 1988 1990 1992 1994<br />
Verwendung vorhandener<br />
Produktions- und<br />
Planungsdaten<br />
Quantitative Planungsergebnisse<br />
bei hoher<br />
Planungssicherheit<br />
Bild 3: Potenziale der Produktions- und Logistikplanung<br />
Strukturierte Vorgehensweise<br />
1.2 Potenziale der Produktions- und Logistikplanung<br />
Die Erschließung von Potenzialen mit einer fortlaufenden Produktions- und Logistikplanung<br />
ergeben vielfältige Anforderungen an das Planungswerkzeug. Einsparungen<br />
in den Logistikkosten, die derzeit z.B. im Maschinenbau ca. 10% des Umsatzes einnehmen,<br />
können durch eine Minimierung der Transportwege und durch eine Auswahl<br />
und effiziente Nutzung einer geeigneten Fördertechnik erschlossen werden. Diese<br />
statischen Optimierungen können nur durch die Verarbeitung von Weginformationen<br />
vorgenommen werden, weshalb das angestrebte Planungstool eine CAD-basierte<br />
Layoutkomponente erfordert.<br />
Neben dieser statischen Planung des Produktions- und Logistiksystems bietet die<br />
dynamische Anpassung große Potenziale zur Reduktion von Liegezeiten im Auftragsdurchlauf.<br />
Ansätze können beispielsweise die Anpassung von Losgrößen, Engpässen<br />
oder Steuerungsstrategien sein. Die Planung dieser oder ähnlicher Optimierungsaufgaben<br />
sind aufgrund der Komplexität und der gegenseitigen Beeinflussung<br />
der einzelnen Optimierungsparameter mit konventionellen Hilfsmitteln nur schwierig<br />
zu lösen. Durch den Einsatz der Ablaufsimulation können auch komplexe Produktions-<br />
und Logistiksysteme im Rechner nachgebildet und alternative Systemkonfigurationen<br />
anhand verschiedener Kennzahlen bewertet werden.<br />
Deshalb kann die Forderung nach einer hohen Planungsqualität vor allem durch Einsatz<br />
der Simulationstechnik gewährleitstet werden.<br />
11-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Qualität der<br />
Dokumentation<br />
11%<br />
geeignete Software<br />
13%<br />
profensionelles<br />
Projektmanagement<br />
17%<br />
transparente<br />
Ergebnispräsentation<br />
7%<br />
abgestimmtes<br />
Pflichtenheft<br />
17%<br />
kompentente<br />
Durchführung<br />
35%<br />
MATVAR<br />
Copyright © iwb, FABS 1997<br />
Bild 4: Faktoren <strong>für</strong> den erfolgreichen Einsatz von Simulation<br />
Letztlich ergeben sich aus den kurzen Innovationszyklen der Produkte, die eine<br />
schnelle und zielgerichtete Anpassung der Produktions- und Logistikstruktur erfordern,<br />
die Anforderungen an eine strukturierte Vorgehensweise. Zudem müssen vorhandene<br />
Produktions- und Planungsdaten automatisiert verarbeitet werden. Neben<br />
dem Ausbau der Schnittstellen zur Übernahme von Daten müssen auch die Schnittstellen<br />
zur Übergabe der fertigen Planungsergebnisse verbessert werden.<br />
Eine durchgeführte Umfrageaktion in deutschen Unternehmen [REINHART ET AL. 1997]<br />
belegt diese Annahmen. Sie zeigt, dass als Hauptfaktoren <strong>für</strong> einen erfolgreichen<br />
Einsatz der Simulation eine kompetente Durchführung, ein professionelles Projektmanagement,<br />
eine geeignete Software sowie eine ausreichende Qualität der Plandaten<br />
gesehen werden.<br />
11-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Planungsebene Planungsinhalt Simulationsmodell<br />
Anlage<br />
Zelle<br />
Komponente<br />
- Anlagenlayout<br />
- Materialfluß/Logistik<br />
- Systemleistung<br />
- Fertigungsprinzip<br />
- Steuerungsstrategien<br />
- Entstörstrategien<br />
- Zellenlayout<br />
- Ablaufvorschriften<br />
- RC-/NC-Programmierung<br />
- Kollisionsvermeidung<br />
- Taktzeitoptimierung<br />
- Betriebsmittelbeanspruchung<br />
- Prozeßparameter<br />
- Werkzeuge<br />
- Hilfsmittel<br />
Ablaufsimulation (grob)<br />
Ablaufsimulation (fein)<br />
Graphische 3D-Simulation<br />
MATVAR<br />
Finite-Elemente-Methode (FEM)<br />
Graphische 3D-Simulation<br />
Mehrkörpersimulation (MKS)<br />
Copyright © iwb 1997<br />
Bild 5: Übersicht über die derzeit verfügbaren Simulationssysteme<br />
2 Stand der Forschung und Technik<br />
Für den Einsatz der Simulationstechnik in der Produktions- und Logistikplanung, insbesondere<br />
zur Analyse der Steuerung, eignen sich Ablaufsimulationssysteme. Die<br />
derzeit am Markt verfügbaren Systeme bieten jedoch nur teilweise spezifische Anpassungen<br />
an den vorliegenden Anwendungsfall. Sie können zwar die Planung unterstützen,<br />
jedoch existieren derzeit keine EDV-Werkzeuge, die von der Aufbereitung<br />
der Plandaten über die Optimierung der Transportkosten und der Auftragssteuerung<br />
bis zur Realisierung der Planung den Anwender unterstützen. Deshalb kommen<br />
heute zu unterschiedlichen Planungsphasen unterschiedliche Werkzeuge zum Einsatz;<br />
redundante Datengenerierung, Planungsfehler und lange Projektdurchlaufzeiten<br />
sind die Folge.<br />
In der Zusammenfassung der Umfrage zum Thema Simulationssysteme [REINHART<br />
ET AL. 1997] werden zudem folgende Ansätze zu Verbesserung der bestehenden<br />
Systeme genannt:<br />
• Benutzerfreundlichkeit<br />
• Datentechnische Integration – Schnittstellen<br />
• Modellierung und Validierung<br />
• Experimentdefinition, Ergebnisauswertung, -interpretation und -darstellung<br />
11-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Datenübernahme aus dem informationstechnischen Umfeld der Produktion und Logistik<br />
MATVAR<br />
Definition und Optimierung von Produktionsabläufen unter Berücksichtigung logistischer Aspekte<br />
Unterstützung der statischen Planung des Produktionssystems (Fabrikplanung)<br />
Auswahl und Dimensionierung des Logistiksystems<br />
Erprobung unterschiedlicher Steuerungsstrategien <strong>für</strong> das Produktions- und Logistiksystem<br />
Bewertung der Planungsalternativen anhand quantitativer Kriterien<br />
Bild 6: Anforderungen an die EDV-basierte Produktions- und Logistikplanung<br />
3 Ableitung des Handlungsbedarfs<br />
Neben den vorgestellten Ergebnissen aus der Analyse der derzeitig verfügbaren<br />
Planungshilfsmittel und der Einschätzungen aus Sicht der Unternehmen erfolgte <strong>für</strong><br />
die Festlegung der Anforderungen an das entwickelnde Planungstool eine enge Zusammenarbeit<br />
mit den Partnern im Projekt MATVAR.<br />
So erfolgte im ersten MATVAR-Förderjahr eine ausführliche Analyse des innerbetrieblichen<br />
Materialflusses in den Produktionsbereichen Vorfertigung und Oberfläche<br />
der Firma BSH in Traunreut. Basierend auf den Erfahrungen aus dem Auftaktprojekt<br />
wurden die Problempunkte bei der Durchführung von Produktions- und Logistikplanungen<br />
aufgezeigt und in Anforderung an die Entwicklung eines ganzheitlichen EDV-<br />
Werkzeuges umgesetzt.<br />
Die Schwerpunkte der oben dargestellten Anforderungen werden primär in der ganzheitlichen<br />
Unterstützung des Anwenders während der Planung gesehen. Dies setzt<br />
voraus, dass eine systematische Planungssystematik dem EDV-Werkzeug hinterlegt<br />
wird, wodurch der Anwender zu jeder Planungsphase auf geeignete EDV-Unterstützung<br />
zurückgreifen kann.<br />
11-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Arbeitsplanerstellung<br />
- Optimierung der<br />
Arbeitsabfolgen<br />
- Definition von<br />
<strong>variable</strong>n <strong>Fertigungssegmente</strong>n<br />
Datenbank<br />
Fördertechnikplanung<br />
- Auswahl<br />
- Kapazitätsabschätzung<br />
Layoutplanung<br />
- Standortoptimierung<br />
- Kapazitätsabschätzung<br />
- Detaillierung der<br />
Transportwege<br />
- Definition der<br />
Produktionssteuerung<br />
Leitstand<br />
Simulation<br />
- Pufferdimensionierung<br />
- Maschinenauslastung<br />
- Fördertechnikauslastung<br />
- Personalauslastung<br />
Prozess-Controlling<br />
MATVAR<br />
Prozesskostenrechnung<br />
Feinplanung<br />
Umsetzung<br />
Bild 7: Konzept der EDV-basierten Produktions- und Logistikplanung<br />
4 Konzeptentwicklung<br />
In Zusammenarbeit mit den MATVAR-Partnern fml und OBTec wurden die Systemschnittstellen<br />
<strong>für</strong> einen durchgängigen Datentransfer von der Planung über die Realisierung<br />
bis zum Prozess-Controlling definiert. Sie bilden die Rahmenbedingungen <strong>für</strong><br />
das zu entwickelnde Planungswerkzeug.<br />
Am Beginn der Planung werden die Produktionsdaten in die Planungsdatenbank<br />
übernommen. Basierend auf diesen Planungsdaten werden im ersten Modul, der Arbeitsplanerstellung,<br />
die Produktionsprozesse optimiert oder neu definiert. Die resultierenden<br />
Abläufe werden in der Layoutplanung graphisch im Layout dargestellt.<br />
Durch die Anpassung der Produktionsstruktur an die Abläufe werden alternative Layoutszenarien<br />
entwickelt. Über einen automatischen Datenaustausch zum Fördertechnikmodul<br />
erfolgt zudem die Planung und Dimensionierung der Logistik. Die hieraus<br />
resultierenden Alternativen <strong>für</strong> das Produktions- und Logistikkonzept müssen<br />
zudem in ihrer Steuerung weiter detailliert werden.<br />
Aufgrund der Vielzahl an Gestaltungsparameter können sehr vielfältige Lösungsansätze<br />
gefunden werden. Deshalb werden die unterschiedlichen Konzepte basierend<br />
auf den Prozesskosten miteinander verglichen und eine Systemauswahl vorgenommen.<br />
Über eine weitere Schnittstelle werden die Ergebnisse der Planung zur Realisierung<br />
und dem Controlling an den Leitstand zurückgegeben.<br />
11-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Derzeitige Situation:<br />
Laufende Produktion von 4 Produkten<br />
Erfolgreiche Einführung des<br />
neuen Produktes D<br />
Vorgabe:<br />
Hohe Entwicklungschance <strong>für</strong><br />
Produkt D, jedoch Reduktion der<br />
Herstellkosten und der Durchlaufzeit erforderlich<br />
Die Produkte A und B werden teilweise durch ein<br />
Nachfolgeprodukt E ersetzt<br />
* Das von ifp entwickelte Softwaretool MATFLOW wird<br />
anhand des oben beschriebenen Fallbeispiels parallel<br />
zu diesem Vortrag direkt am Rechner vorgestellt<br />
Bild 8: Fallbeispiel einer Fertigungs- und Montageanlage<br />
4.1 Beschreibung des Planungsbeispieles<br />
Absatzentwicklung<br />
C<br />
A<br />
B<br />
D<br />
heute<br />
MATVAR<br />
E<br />
Prognose<br />
Zur Verdeutlichung der Funktionalitäten des von ifp innerhalb von MATVAR entwickelten<br />
EDV-Werkzeuges MATFLOW werden innerhalb dieses Abschlussvortrages<br />
die wesentlichen Systemfunktionalitäten direkt am Rechner vorgestellt.<br />
Um neben den einzelnen Funktionen auch die von ifp entwickelte Planungsmethodik<br />
vorstellen zu können, wurde im Vorfeld dieses Vortrages in Zusammenarbeit mit dem<br />
fml ein Planungsbeispiel erarbeitet, mit dessen Hilfe auch das Zusammenspiel der<br />
einzelnen Softwaremodule des ifp und fml dargestellt werden kann.<br />
In der Ausgangssituation des Planungsbeispiels werden vier Endprodukte montiert.<br />
Die einzelnen Endprodukte setzten sich aus verschiedenen Eigenfertigungs- und Zukaufteilen<br />
zusammen. Die Montage und Anlieferung der Zukaufteile befindet sich in<br />
der Halle des fml. Die Herstellung der Eigenfertigungsteile befindet sich in der Halle<br />
des iwb. Der physikalische Materialfluss zwischen den beiden Hallen wird mit Hilfe<br />
eines manuellen Gabelstaplers realisiert.<br />
Ziel der im folgenden beschriebenen Planung ist die Ermittlung der optimalen Produktions-<br />
und Logistikstruktur bei verändertem Auftragsszenario. Innerhalb des neuen<br />
Auftragsszenarios werden im Wesentlichen die beiden Hauptprodukte Produkt A<br />
und B teilweise durch ein Nachfolgeprodukt E ersetzt. Hierdurch ergeben sich neben<br />
einer geänderten Betriebsmittelauslastung auch geänderte Logistikanforderungen.<br />
11-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Arbeitsplanerstellung<br />
Beurteilung der<br />
Ausgangssituation<br />
Berücksichtigung vielfältiger<br />
Informationen<br />
Maschinenauswahl nach technologischen<br />
Kriterien<br />
Festlegung des Materialflusses<br />
als Nebenprodukt der<br />
Arbeitsplanerstellung<br />
Konstruktionszeichnungen<br />
Stücklisten<br />
Rohteil<br />
Prozessdefinition<br />
Determinierung<br />
der Logistikkosten<br />
Arbeitsvorgangsfolge<br />
Fertigungsmittel<br />
Kapazitäten<br />
Vorgabezeit<br />
Arbeistbewertung<br />
Bild 9: Ausgangssituation bei der Arbeitsplanerstellung<br />
4.2 Arbeitsplanerstellung<br />
MATVAR<br />
Festlegung des<br />
innerbetrieblichen Materialflusses<br />
In der heutigen Arbeitsplanerstellung wird ausgehend von den Stücklisten und den<br />
Konstruktionszeichnungen ein Rohteil und die Bearbeitungsfolge abgeleitet<br />
[EVERSHEIM ET AL. 1996] [HEINEN 1991]. Über CAD/CAP-Hilfsmittel kann dieser Schritt<br />
teilweise mit Planungswerkzeugen unterstützt werden, die zudem die Ermittlung von<br />
Vorgabezeiten und die Auswahl von Fertigungsmitteln aus technisch konstruktiver<br />
Sicht ermöglichen. Unberücksichtigt bleiben jedoch in der heutigen Arbeitsplanerstellung<br />
jegliche materialflusstechnischen Gesichtspunkte, obgleich die Arbeitspläne<br />
eines Produktes den innerbetrieblichen Materialfluss und somit die Logistikkosten<br />
bereits festlegen.<br />
Deshalb müssen bei der Planung von Produktions- und Logistiksystemen die bestehenden<br />
Arbeitsabfolgen analysiert und an die bestehende Produktionsstruktur angepasst<br />
werden. Zudem sollte das Planungswerkzeug eine Neudefinition von Arbeitsplänen<br />
anwendungsfreundlich ermöglichen, damit alle notwendigen Informationen<br />
über potenzielle neue Produkte im Planungswerkzeug generiert werden können.<br />
11-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
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MATVAR<br />
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Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Layoutplanung<br />
Modul Layoutplanung:<br />
Visualisierung und<br />
Optimierung der Produktionsprozesse<br />
im Sankey-<br />
Diagramm auf Basis von<br />
Stückzahlen<br />
Definition der Transportwege<br />
<strong>für</strong> flurgebundene und flurfreie<br />
Fahrzeuge<br />
4.3 Layoutplanung<br />
Definition der Transportwege<br />
<strong>für</strong> flurgebundene Fahrzeuge<br />
Optimierung der der Maschinenanordnung<br />
auf auf Basis<br />
der der Materialflusskennzahl<br />
Bild 11: Planung der Produktions- und Logistikstruktur<br />
MATVAR<br />
Definition der Transportwege<br />
<strong>für</strong> flurfreie Fahrzeuge<br />
Mit Vorgabe der materialflusstechnisch optimierten Produktionsabfolgen findet in der<br />
Layoutplanung die Planung des Produktions- und Logistikkonzeptes satt. Zunächst<br />
werden dem Anwender die Materialflüsse basierend auf der Kennzahl „Stück pro<br />
Jahr“ im Sankey-Diagramm graphisch dargestellt.<br />
Im nächsten Schritt der Layoutplanung findet die Optimierung der physikalischen<br />
Produktionsstruktur statt. Hierbei werden mit Hilfe eines Optimierungsalgorithmus im<br />
Vertauschungsverfahren die Betriebsmittelstandorte vertauscht und die Verbesserungen<br />
oder Verschlechterungen im Materialfluss berechnet. Letztlich wird dem Anwender<br />
vom System ein am Materialfluss optimiertes Layout vorgeschlagen.<br />
Basierend auf der Materialflussdarstellung im Produktionslayout findet nun die Definition<br />
der Transportwege statt. Hierbei wird unterschieden zwischen den flurgebundenen<br />
und flurfreien Transportwegen. Die Definition der flurgebundenen Transportwege<br />
(Stapler, FTS etc.) erfolgt über die Vorgabe eines Wegenetzes durch den Anwender.<br />
Die Berechnung der eigentlichen Transportwege wird vom System automatisch<br />
durchgeführt. Aufwendige Wegedefinitionen entfallen somit. Die flurfreien<br />
Transportwege (Kräne, Hängebahn etc.) werden vom Anwender über sogenannte<br />
Stützpunkte definiert, die z.B. die Laufbahnen einer Hängebahn fixieren oder vom<br />
Kran nicht überfahrbare Bereiche ausklammern. Letztlich werden noch physikalisch<br />
fest installierte Fördermittel (Stetig- oder Starrförderer) im Layout positioniert.<br />
11-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Fördertechnikplanung<br />
Modul Fördertechnikplanung:<br />
Definition der Transport- und<br />
Transporthilfsmittel<br />
Planung der Fördertechnikabläufe<br />
Statische Kapazitätsberchnung<br />
der eingesetzten Fördertechnik<br />
Wegedefinition (Fahrzeug,<br />
Kran, Förderer)<br />
VON NACH WEGEART X1 Y1 X2 Y2 X3 Y3 X4 Y4 X5 Y5 X6 Y6<br />
COILLAGER PROFIL FREI 5.05 41.05 5.95 36.8<br />
COILLAGER PROFIL FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 6.3 35.45<br />
COILLAGER PROFIL FOERDERER 5.05 41.05 5.95 36.8<br />
COILLAGER PROFIL KRAN 5.05 41.05 5.95 36.8<br />
COILLAGER SAEGE1 FREI 5.05 41.05 12.65 24.5<br />
COILLAGER SAEGE1 FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 7.75 22.4<br />
COILLAGER SAEGE1 FOERDERER 5.05 41.05 12.65 24.5<br />
COILLAGER SAEGE1 KRAN 5.05 41.05 12.65 24.5<br />
COILLAGER GRATRUND FREI 5.05 41.05 25.9 27.4<br />
COILLAGER GRATRUND FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 7.75 22.4<br />
COILLAGER GRATRUND FOERDERER 5.05 41.05 25.9 27.4<br />
COILLAGER GRATRUND KRAN 5.05 41.05 25.9 27.4<br />
COILLAGER RSCHLEIF FREI 5.05 41.05 37.5 27.3<br />
COILLAGER RSCHLEIF FAHRZEUG 5.05 41.05 6.75 41 12.6 41 12.6 35.45 7.75 35.45 7.75 22.4<br />
COILLAGER RSCHLEIF FOERDERER 5.05 41.05 37.5 27.3<br />
Betriebsmitteldaten<br />
BETRIEBSMITTEL B_X B_Y Q_X Q_Y S_X S_Y<br />
COILLAGER 7.3 41.05 5.05 41.05 5.05 41.05<br />
PROFIL 4.1 35.9 5.95 36.8 5.95 36.8<br />
SAEGE1 13.5 27.5 12.65 24.5 12.65 24.5<br />
GRATRUND 24.7 26.45 25.9 27.4 25.9 27.4<br />
RSCHLEIF 34.9 28.7 37.5 27.3 37.5 27.3<br />
SCHW EISS 48.7 6.65 48.55 7.55 48.55 7.55<br />
SAEGE2 5.65 5.3 5 8.05 5 8.05<br />
ENTGRAT 19.3 6.65 19.3 7.65 19.3 7.65<br />
AUSKLINK 24.7 6.65 24.7 7.65 24.7 7.65<br />
PLANSCHL 38.45 4.45 37.7 7.15 37.7 7.15<br />
SAEGE3 19.3 27.2 18.6 24.6 18.6 24.6<br />
BIEGEN 43.9 26.45 45.6 26.05 45.6 26.05<br />
ROHRLAGER 62 20.3 62 20.3 62 20.3<br />
STRAHLEN 60 6.65 59.9 7.55 59.9 7.55<br />
POLIEREN 56.5 28.05 62 30.45 51.15 27.4<br />
Arbeitsabläufe<br />
PRODUKT MENGE AVO-NR. BETRIEBSMITTEL<br />
RHRA 400 1 COILLAGER<br />
RHRA 400 2 PROFIL<br />
RHRA 400 3 SAEGE1<br />
RHRA 400 4 GRATRUND<br />
RHRA 400 5 RSCHLEIF<br />
RHRA 400 6 SCHWEISS<br />
RHRB 900 1 COILLAGER<br />
RHRB 900 2 PROFIL<br />
RHRB 900 3 SAEGE2<br />
RHRB 900 4 ENTGRAT<br />
RHRB 900 5 AUSKLINK<br />
RHRB 900 6 PLANSCHL<br />
RHRB 900 7 SCHWEISS<br />
RHRC 50 1 COILLAGER<br />
RHRC 50 2 PROFIL<br />
RHRC 50 3 SAEGE3<br />
RHRC 50 4 GRATRUND<br />
Fördertechnikplanung<br />
Bild 12: Datenübergabe an die Fördertechnikplanung<br />
4.4 Fördertechnikplanung<br />
Layout<br />
MATVAR<br />
Übergabe der Planungsdaten an<br />
die Fördertechnikplanung fml<br />
Die vorbereitende Planung des Layouts wird <strong>für</strong> die Auswahl der Fördertechnik an<br />
das Planungswerkzeug von fml übergeben. Die realisierte Schnittstelle basiert auf<br />
dem Austausch unterschiedlicher alphanumerischer und graphischer Dateien.<br />
Die geplanten flurgebundenen und flurfreien Transportwege werden über die Wegedefinition<br />
übergeben, in der alle Wegedaten über Koordinatenpositionen beschrieben<br />
sind. Zudem werden die Koordinaten der Betriebsmittel mit den Quellen und Senken<br />
des Materialflusses in der Betriebsmitteldatei dokumentiert. Die Produktionsabfolgen<br />
werden über die Datei der Arbeitsabläufe als dritte Datei zur Verfügung gestellt.<br />
Letztlich wird neben diesen alphanumerischen Daten auch das Layout als CAD-<br />
Zeichnung übergeben.<br />
Die bereitgestellten Daten werden vom Planungswerkzeug des fml eingelesen und<br />
<strong>für</strong> die Planung der Transport- und Transporthilfsmittel verwendet (siehe Unterlagen<br />
des fml).<br />
11-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Fördertechnikplanung<br />
Modul Fördertechnikplanung:<br />
Übernahme der geplanten<br />
Fördertechnik<br />
Übernahme der Definitionen <strong>für</strong><br />
Transport und<br />
Transporthilfsmittel<br />
Übernahme der Planungsdaten von<br />
der Fördertechnikplanung fml<br />
Fördertechnikplanung<br />
Max. Max. LADE- ENTL-<br />
VON NACH PRODUKT FAHRTEN PRODUKTE GEBINDE THM TM<br />
THM/TM TEILE/THM ZEIT ZEIT DISTANZ<br />
COILLAGER PROFIL RHRA 588 10754 588 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />
PROFIL SAEGE1 RHRA 1 20 1 E1 ST1 1 20 0 0 25.7439<br />
PROFIL SAEGE1 RHRA 53 3894 106 E2 KRAN 2 40 1 2 26.0598<br />
PROFIL SAEGE1 RHRA 93 6840 188 E3 ST2 5 50 9 8 25.7439<br />
SAEGE1 GRATRUND RHRA 381 7550 381 E1 ST1 1 20 0 0 19.9496<br />
GRATRUND RSCHLEIF RHRA 56 1120 56 E1 ST1 1 20 0 0 26.3979<br />
GRATRUND RSCHLEIF RHRA 80 6400 160 E2 KRAN 2 40 0 0 40.4062<br />
RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 28 560 28 E1 ST1 1 20 0 0 30.257<br />
RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 46 6900 138 E3 KRAN 3 50 0 0 31.056<br />
COILLAGER PROFIL RHRB 861 16131 861 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />
PROFIL SAEGE2 RHRB 173 3095 173 E1 ST1 1 20 0 0 32.3451<br />
PROFIL SAEGE2 RHRB 201 13036 361 E2 KRAN 2 40 1 2 36.0569<br />
SAEGE2 ENTGRAT RHRB 848 15932 848 E1 ST1 1 20 0 0 18.1015<br />
ENTGRAT AUSKLINK RHRB 135 2651 135 E1 ST1 1 20 0 0 10.3511<br />
ENTGRAT AUSKLINK RHRB 173 13189 337 E2 KRAN 2 40 5 6 15.2134<br />
AUSKLINK PLANSCHL RHRB 118 2354 118 E1 ST1 1 20 0 0 21.8399<br />
AUSKLINK PLANSCHL RHRB 180 7099 180 E2 KRAN 1 40 0 0 28.0767<br />
PLANSCHL SCHWEISS RHRB 423 8419 423 E1 ST1 1 20 0 0 15.9988<br />
COILLAGER PROFIL RHRC 173 2904 173 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />
PROFIL SAEGE3 RHRC 28 513 28 E1 ST1 1 20 0 0 31.9166<br />
Transportmitteldefinition<br />
(TM, TH, Be- und<br />
Entladezeit<br />
MATVAR<br />
Transportmittelspezifikation<br />
VON NACH<br />
Max. Max. LADE- ENTL-<br />
PRODUKT FAHRTEN PRODUKTE GEBINDE THM TM<br />
THM/TM TEILE/THM ZEIT ZEIT DISTANZ<br />
COILLAGER PROFIL RHRA 588 10754 588 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />
PROFIL SAEGE1 RHRA 1 20 1 E1 ST1 1 20 0 0 25.7439<br />
PROFIL SAEGE1 RHRA 53 3894 106 E2 KRAN 2 40 1 2 26.0598<br />
PROFIL SAEGE1 RHRA 93 6840 188 E3 ST2 5 50 9 8 25.7439<br />
SAEGE1 GRATRUND RHRA 381 7550 381 E1 ST1 1 20 0 0 19.9496<br />
GRATRUND RSCHLEIF RHRA 56 1120 56 E1 ST1 1 20 0 0 26.3979<br />
GRATRUND RSCHLEIF RHRA 80 6400 160 E2 KRAN 2 40 0 0 40.4062<br />
RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 28 560 28 E1 ST1 1 20 0 0 30.257<br />
RSCHLEIF SCHWEISS RHRA 46 6900 138 E3 KRAN 3 50 0 0 31.056<br />
COILLAGER PROFIL RHRB 861 16131 861 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />
PROFIL SAEGE2 RHRB 173 3095 173 E1 ST1 1 20 0 0 32.3451<br />
PROFIL SAEGE2 RHRB 201 13036 361 E2 KRAN 2 40 1 2 36.0569<br />
SAEGE2 ENTGRAT RHRB 848 15932 848 E1 ST1 1 20 0 0 18.1015<br />
ENTGRAT AUSKLINK RHRB 135 2651 135 E1 ST1 1 20 0 0 10.3511<br />
ENTGRAT AUSKLINK RHRB 173 13189 337 E2 KRAN 2 40 5 6 15.2134<br />
AUSKLINK PLANSCHL RHRB 118 2354 118 E1 ST1 1 20 0 0 21.8399<br />
AUSKLINK PLANSCHL RHRB 180 7099 180 E2 KRAN 1 40 0 0 28.0767<br />
PLANSCHL SCHWEISS RHRB 423 8419 423 E1 ST1 1 20 0 0 15.9988<br />
COILLAGER PROFIL RHRC 173 2904 173 E1 ST1 1 20 0 0 20.7954<br />
PROFIL SAEGE3 RHRC 28 513 28 E1 ST1 1 20 0 0 31.9166<br />
Bild 13: Datenübernahme aus der Fördertechnikplanung<br />
Die Ergebnisse der durchgeführten Fördertechnikplanung dokumentieren sich in der<br />
Transportmitteldefinition und der Transportmittelspezifikation, die ebenfalls in Dateiform<br />
vom Planungswerkzeug des fml zur Verfügung gestellt werden.<br />
In der Transportmitteldefinition werden <strong>für</strong> alle Transporte die vorgesehenen Transporthilfsmittel<br />
und Transportmittel festgeschrieben. Zudem werden die Anzahl der<br />
Teile pro Gebinde und der Gebinde pro Transport übergeben sowie die Zeiten <strong>für</strong><br />
den Belade- und Entladevorgang. Alternative Transportmittel <strong>für</strong> die gleichen Wegstrecken<br />
werden durch mehrfache Nennung der Transportwege dokumentiert.<br />
In der Transportmittelspezifikation werden alle notwendigen Informationen über die<br />
eingesetzten Transportmittel übergeben, wie beispielsweise Anzahl der Transportmittel<br />
oder Fahrgeschwindigkeiten.<br />
Die übergebenen Daten werden im Planungswerkzeug von ifp automatisch eingelesen<br />
und <strong>für</strong> die weitere Planung verwendet.<br />
11-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Layoutplanung<br />
Modul Layoutplanung:<br />
Differenzierte Analyse des<br />
statischen Materialflusses<br />
Spezifikation der dynamischen<br />
Parameter (Schichtmodelle,<br />
Losgrößen, Lieferzyklen,<br />
Werkerzuordnung,<br />
Logistiksteuerung etc.)<br />
Analyse des statischen Materialflusses<br />
auf Basis von:<br />
Stückzahlen<br />
Gebinden<br />
Transporten<br />
Bild 14: Optimierung der Layoutplanung<br />
4.5 Optimierung der Layoutplanung<br />
MATVAR<br />
Definition der Logistiksteuerung<br />
und Festlegung<br />
der dynamischen Parameter<br />
Über die Fördertechnikplanung, d.h. der Transport- und Transporthilfsmittel, kann<br />
nun der Materialfluss in der Layoutplanung über die Kennzahlen „Gebinde pro Jahr“<br />
oder „Fahrten pro Jahr“ graphisch dargestellt werden.<br />
Neben der systematischen Analyse des Materialflusses, wie beispielsweise Darstellung<br />
der Produkte je Transportmittel, können nun vom Benutzer weitere Optimierungen<br />
hinsichtlich der physikalischen Produktionsstruktur durchgeführt werden. Hierbei<br />
wird der Planer durch den schon im Rahmen der Grobplanung beschriebenen Optimierungsalgorithmus<br />
unterstützt. Das von ifp entwickelte Optimierungsmodul wurde<br />
so konzipiert, dass innerhalb dieser Feinplanungsphase auch die zuvor definierten<br />
Transportbeziehung bei der automatischen Betriebsmittelanordnung berücksichtigt<br />
werden.<br />
Zur vollständigen Identifikation der Optimierungspotenziale werden im nächsten<br />
Schritt der Planung die dynamischen Systemparameter festegelegt. Hierzu zählen<br />
beispielsweise das Schichtmodell, die Mindestlosgrößen, die Lieferantenspezifikation,<br />
das Ausfallverhalten der Betriebsmittel oder die geplante Auftragssteuerung.<br />
Eine Aussage über die richtige Entscheidung über bestehende Planungs- und Steuerungsalternativen<br />
erfolgt anschließend mit Hilfe der Ablaufsimulation.<br />
11-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Simulation<br />
Modul Simulation:<br />
Automatische Generierung des<br />
Simulationsmodells<br />
Übergabe von Fahrzeugen,<br />
Kränen, Förderer oder<br />
Transportmittelsteuerung<br />
Übergabe Betriebsmittel und<br />
Personal<br />
Übergabe Auftragssteuerung<br />
4.6 Simulation<br />
FTS<br />
Puffer Werker<br />
Stapler<br />
MATVAR<br />
Automatischer Aufbau des Simulationsmodells<br />
Kran<br />
Maschine Fahrweg<br />
Bild 15: Automatische Simulation der Produktion und Logistik<br />
Einen Schwerpunkt der Entwicklungsarbeiten stellte die Entwicklung einer automatischen<br />
Generierung eines Simulationsmodells dar. Hierbei wird, basierend auf den im<br />
Rahmen der Layoutplanung erarbeiteten Daten, wie z.B.<br />
• Arbeitsabläufe<br />
• Fördertechnikspezifikation<br />
• Steuerungsstrategien<br />
• Schichtmodelle und Personalzuordnung<br />
• Kunden- und Lieferantenverhalten<br />
automatisch ein lauffähiges Simulationsmodell aufgebaut. Wesentliche Bestandteile<br />
des Simulationsmodells sind die Produkte, Betriebsmittel, Personal und die Fördermittel<br />
(z.B. Stapler, Krane, Förderer). Neben der Definition dieser Elemente wird im<br />
Simulationsmodell deren logische Verbindungen automatisch hinterlegt. Hierbei wird<br />
die vorgesehene Auftragssteuerung mit Hilfe simulationsspezifischer Regeln in den<br />
einzelnen Steuerungselementen abgebildet.<br />
Der wesentliche Vorteil dieser Art der Modellgenerierung liegt in dem schnellen Aufbau<br />
eines Simulationsmodells, der je nach Komplexität in wenigen Minuten erfolgt.<br />
Zudem kann die Simulationstechnik mit all ihren Vorteilen auch von nicht Simulationsexperten<br />
genutzt werden.<br />
11-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Prozesskostenrechnung<br />
Modul Prozesskosten:<br />
Übernahme der produktspezifischen<br />
Kennzahlen<br />
(Puffer- und Lagerflächen,<br />
Auslastungen, Durchlaufzeit ..)<br />
Analyse der Herstellkosten<br />
(Lagerkosten, Transportkosten,<br />
Bearbeitungskosten)<br />
MATVAR<br />
Auswertung der Kennzahlen aus der Simulation<br />
und Berechnung der produktspezifischen Prozesskosten<br />
Bild 16: Auswertung der Simulationsdaten über die Prozesskostenrechnung<br />
4.7 Prozesskostenrechnung<br />
Durch den Einsatz der Simulationstechnik können sehr vielfältige Aussagen über ein<br />
Produktions- und Logistikkonzept gewonnen werden, wie beispielsweise Betriebsmittel-<br />
oder Fördertechnikauslastungen, Bestände, Durchlaufzeiten, Lieferbereitschaft<br />
etc. Die Schwierigkeit bei der Beurteilung dieser Informationen liegt nun oftmals<br />
darin, dass komplementäre Kennzahlen, wie beispielsweise hohe Lieferbereitschaft<br />
versus geringe Bestände oder große Losgrößen versus geringe Durchlaufzeiten,<br />
miteinander verglichen werden müssen. Eine eindeutige Aussage kann an dieser<br />
Stelle nur über die Berechnung der Prozesskosten erfolgen, in denen neben den<br />
direkten Produktionskosten auch die heutigen Allgemeinkosten, wie beispielsweise<br />
Lagerkosten, Transportmittelkosten, Instandhaltungskosten etc., produktspezifisch<br />
zugeordnet werden.<br />
Als Ergebnis werden vom System Wertschöpfungskurven berechnet, die alle auf den<br />
Herstellungsprozess einwirkenden Faktoren monetär darstellen. Durch die Analyse<br />
der Kostenentwicklung im Herstellungsprozess können gezielt Rationalisierungspotenziale<br />
erkannt werden. Letztlich erfolgt über den Vergleich der Herstellungskosten<br />
der Produkte bei alternativen Produktions- und Logistikkonzepten die Auswahl der<br />
geeignetsten Variante.<br />
11-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
Simulation<br />
Prozess-Controlling<br />
Leitstand<br />
Modul Realisierung:<br />
Prozesskostenrechnung<br />
Feinplanung<br />
Umsetzung<br />
Übergabe der<br />
Planungsergebnisse an den<br />
Leitstand<br />
Einlesen der gemessenen<br />
Produktionsdaten aus dem<br />
Leitstand und Vergleich mit<br />
den geplanten Prozesskosten<br />
MATVAR<br />
Auswertung der Produktionsdaten aus dem Leitstand<br />
und Berechnung der Kostenanteile<br />
Bild 17: Übergabe der Plandaten in die Realisierung und das Controlling<br />
4.8 Realisierung und Controlling<br />
Für eine schnelle und zielgerichtete Realisierung des neu geplanten Produktionsund<br />
Logistikkonzeptes ist es wichtig, dass die Ergebnisse der Planung direkt weiterverwendet<br />
werden können. Deshalb wurde zusammen mit der Firma OBTec eine<br />
Schnittstelle <strong>für</strong> den Datentransfer zum Leitstand ausgearbeitet. Ziel hierbei ist die<br />
Informationen, wie beispielsweise geänderte Maschinenpositionen oder Arbeitsabläufe,<br />
direkt an den Leitstand zu übergeben. Zudem werden die Stundensätze <strong>für</strong> die<br />
Transportmittel weitergeleitet, auf deren Basis im Tagesgeschäft eine kostenoptimale<br />
Nutzung der Transportmittel ermöglicht wird.<br />
Die von ifp entwickelte Schnittstelle zwischen der Ablaufsimulation und der Layoutplanung<br />
bzw. Prozesskostenrechnung wurde so gestaltet, dass über diese Schnittstelle<br />
auch die im Leitrechner protokollierten realen Produktionsdaten in das Planungstool<br />
eingelesen werden können. Hierdurch werden die mit Hilfe der Simulation<br />
vorab berechneten Parameter, wie beispielsweise Maschinen- und Transportmittelauslastungen,<br />
mit den tatsächlichen Protokolldaten des Produktions- und Logistiksystems<br />
verglichen. Hierdurch kann das System fortlaufend überwacht und eine geeigneter<br />
planerischer Eingriff jederzeit eingeleitet werden. Zudem stehen dem Planer<br />
permanent aktuelle Planungsdaten zur Verfügung.<br />
11-18
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
5 Zusammenfassung<br />
MATVAR<br />
Automatische Übernahme von Produktionsdaten aus Leitstandund<br />
PPS-Systemen<br />
Materialflusstechnische Optimierung der Arbeitspläne<br />
Visualisierung der Materialflüsse im Produktionslayout<br />
Automatisierte Planung der Transportwege <strong>für</strong> flurgebundene und<br />
flurfreie Fahrzeuge<br />
Bidirektionale Datenschnittstelle zur Fördertechnikplanung von fml<br />
Automatische Layoutoptimierung auf Basis der<br />
Transportbeziehungen in der Layoutplanung<br />
Automatische Modellgenerierung <strong>für</strong> den Einsatz der<br />
Simulationstechnik<br />
Auswertung der Simulationsergebnisse über die<br />
Prozesskostenrechnung<br />
Bidirektionale Schnittstelle zum Leitstand von OBTec<br />
Fortlaufendes Controlling der Produktions- und Logistikparameter<br />
<strong>für</strong> das rechtzeitige und gezielte Einleitung des Planungs- und<br />
Optimierungsprozesses<br />
Bild 18: Verwirklichte Ziele<br />
Durch die von ifp im Forschungsprojekt MATVAR geleistete Entwicklungsarbeit ist<br />
ein innovatives, EDV-basiertes Planungswerkzeug entstanden, das den gesamten<br />
Prozess der Planung und Optimierung von Produktions- und Logistiksystemen unterstützt.<br />
Ausgehend von einem Pilotprojekt bei einem der MATVAR-Anwender, der BSH in<br />
Traunreut, wurden die Anforderungen an die ganzheitliche Produktions- und Logistikplanung<br />
definiert. Zusammen mit den MATVAR-Entwicklern fml und OBTec wurde<br />
auf Basis dieser Anforderungen ein Konzept erarbeitet, das in einem EDV-Werkzeug<br />
vollständig umgesetzt wurde.<br />
Hierdurch steht dem Planer nun eine umfassende EDV-Unterstützung zur Verfügung,<br />
durch deren Einsatz Betriebsdaten fortlaufend erfasst und monetär bewertet werden.<br />
Beim Erkennen größerer Abweichungen kann eine Optimierungssystematik eingeleitet<br />
werden, die von der Definition der Arbeitsabfolgen über die Layout- und Fördertechnikplanung<br />
bis zur Simulation eine weitgehend automatisierte Planung ermöglicht.<br />
Somit können zeitraubende Tätigkeiten, wie beispielsweise wiederholte<br />
Datengenerierung oder Aufbau des Simulationsmodells, im Planungsprozess vermieden<br />
werden, wodurch dem Planer letztlich mehr Zeit <strong>für</strong> die kreativen Aspekte der<br />
Produktions- und Logistikplanung zur Verfügung steht.<br />
11-19
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Kohler, U.; Werner, M.: Durchgängige Produktions- und Logistikplanung<br />
6 Literatur<br />
MATVAR<br />
EVERSHEIM 1996<br />
Eversheim, W.; Schuh, G.: Betriebshütte. Produktion und Management.<br />
Berlin u.a.: Springer 1996<br />
HEINEN 1991<br />
Heinen, E.: Industriebetriebslehre. Entscheidungen im Industriebetrieb.<br />
Wiesbaden: Gabler 1991.<br />
MILBERG 1997<br />
Milberg, J.: Produktion – Eine treibende Kraft <strong>für</strong> unsere Volkswirtschaft.<br />
In: Reinhart, G. (Hrsg.); Milberg, J. (Hrsg.): Mit Schwung zum<br />
Aufschwung – Information, Inspiration, Innovation, München. Landsberg:<br />
Moderne Industrie 1998.<br />
REINHART ET AL. 1999<br />
Reinhart, G.; Feldmann, K.: Simulationsbasierte Planungssysteme <strong>für</strong><br />
Organisation und Produktion. Berlin u.a.: Springer 1999.<br />
REINHART ET AL. 1997<br />
Reinhart, G.; Feldmann, K.: Simulation – Schlüsseltechnologie der Zukunft?<br />
München: <strong>Herbert</strong> <strong>Utz</strong> Verlag 1997<br />
UHLMANN 1998<br />
Uhlmann, E.: Regionale Stärken <strong>für</strong> globale Chancen durch technologische<br />
Innovationen. In: IX. Internationales Produktionstechnisches Kolloquium<br />
98. Berlin: Institut <strong>für</strong> Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik<br />
1998<br />
VDMA 1999<br />
VDMA (Hrsg.): Für mehr Wettbewerb und Eigeninitiative. Gemeinsame<br />
wirtschaftspolitische Positionen des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus<br />
1999 (Informationsbroschüre). Frankfurt: Eigendruck 1999.<br />
11-20
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
MATVAR<br />
&RPSXWHUXQWHUVW W]WH 3ODQXQJ YRQ<br />
0DWHULDOIOXVVV\VWHPHQ<br />
'U ,QJ )UDQ] $OOJD\HU<br />
/HKUVWXKO I U )|UGHUWHFKQLN 0DWHULDOIOXVV /RJLVWLN IPO<br />
78 0 QFKHQ<br />
%ROW]PDQQVWU<br />
*DUFKLQJ<br />
12-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Größere<br />
Planungssicherheit<br />
Größere<br />
Komplexität<br />
Planung von<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Höhere<br />
Planungsgeschwindigkeit<br />
MATVAR<br />
Größerer<br />
Planungsumfang<br />
Bild 1: Zunehmende Anforderungen an die Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
1 Ausgangssituation<br />
Die sich rasch ändernden Marktanforderungen zwingen die Unternehmen zu einem<br />
ständigen Anpassungsprozeß, der starke Auswirkungen auf die innerbetriebliche Logistik<br />
hat und so eine häufige Neu-, Um- oder Erweiterungsplanung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
erfordert. Der Planungsprozeß selbst ändert sich dabei ebenfalls.<br />
So führen durch komplexere Produkte bedingte komplexere Logistiksysteme zusammen<br />
mit der geforderten Flexibilität bei gleichzeitiger Prozesssicherheit zu einer<br />
wesentlichen Erhöhung der Komplexität bei der Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n.<br />
Trotz höherer Komplexität nimmt die Forderung nach größerer Planungssicherheit<br />
weiter zu, da die logistische Leistungsfähigkeit der Unternehmen immer mehr über<br />
deren Markterfolg bestimmt (Baumgarten u.a. 1997, Pfohl u.a. 1999).<br />
Durch das ganzheitliche Systemdenken bedingt müssen bei der Suche nach dem<br />
Gesamtoptimum alle möglichen Kombinationen der Subsysteme betrachtet werden.<br />
Die Zahl der zu untersuchenden Planungsvarianten vergrößert sich also ganz entscheidend.<br />
Um die Planungssicherheit bei komplexeren und umfangreicheren Planungsprojekten<br />
zu gewährleisten, wächst das Bestreben, schon in frühen Planungsphasen eine<br />
größere Anzahl von Planungsvarianten detailliert zu untersuchen. Dies kann nur<br />
durch eine Erhöhung der Planungsgeschwindigkeit erreicht werden.<br />
12-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
2 Aufgabenstellung<br />
MATVAR<br />
Ziel der Arbeiten des Lehrstuhls fml in Arbeitspaket 4, Planungsmethoden und Werkzeuge,<br />
ist es, Planungsbausteine <strong>für</strong> die rechnerintegrierte Planung zu entwickeln,<br />
mit denen die zunehmenden Ansprüche an die Planung von flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
(z.B. automatisierter Leichtkran und gemanagte Stapler) hinsichtlich Komplexität,<br />
Umfang, Planungssicherheit und Geschwindigkeit berücksichtigt werden<br />
können.<br />
Die Arbeiten umfassen dabei die zugrundeliegende Planungsmethodik und die Realisierung<br />
der Bausteine in einem CAD-System. Die Konzepte, auf denen die Planungsbausteine<br />
basieren, sollen den besonderen Anforderungen an die Planung flexibler<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong> genügen und eine einfache und schnelle Planung ermöglichen.<br />
Zusätzlich sollen die Planungsbausteine in einem Planungsprojekt angewendet<br />
und verifiziert werden. Darüber hinaus sind sie so zu gestalten, dass sie als Modul<br />
zur Fördertechnikplanung im Rahmen einer EDV-basierten Logistikplanung benutzt<br />
werden können, die ebenfalls im Projekt MATVAR von der ifp GmbH entwickelt<br />
wird.<br />
3 Vorgehensweise<br />
Um das gesteckte Ziel zu erreichen, sind zunächst die Grundlagen, Abläufe und<br />
Methoden der Materialflussplanung und der darin enthaltenen Systemplanung zu<br />
untersuchen. Damit sollen die Randbedingungen <strong>für</strong> die Entwicklung der Planungsbausteine<br />
aufgestellt werden. Anschließend ist eine Analyse bereits existierender<br />
rechnergestützter Hilfsmittel <strong>für</strong> die Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n durchzuführen,<br />
um deren Stärken und Schwächen aufzuzeigen. Darüber hinaus sollen die Besonderheiten<br />
bei der Modellbildung von flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong>n untersucht<br />
werden.<br />
Auf den Ergebnissen dieser Analysephase aufbauend ist die übergeordnete Gesamtkonzeption<br />
eines computerintegrierten Planungswerkzeuges mit seinen Teilzielen<br />
und Teilkonzepten zu erarbeiten, in das die einzelnen Planungsbausteine eingebettet<br />
sind. Hierin enthalten ist auch ein Konzept <strong>für</strong> die Beschreibung und Abbildung<br />
der einzelnen Bausteine und zur Verwendung des Planungswerkzeuges als Fördertechnikplanungstool<br />
einer EDV-basierten Logistikplanung. Anschließend soll eine <strong>für</strong><br />
das Planungswerkzeug und die Planungsbausteine geeignete Entwicklungsbasis<br />
zusammengestellt werden.<br />
In der Realisierungsphase sind das Planungswerkzeug und die darin eingebetteten<br />
Planungsbausteine auf Basis der erarbeiteten Konzepte umzusetzen. Anhand einer<br />
beispielhaften Anwendung des Planungswerkzeuges sollen die Planungsbausteine<br />
verifiziert werden.<br />
12-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Vorarbeiten<br />
Materialflussuntersuchung (Ist-Analyse)<br />
• Layouterfassung<br />
• Datenerfassung und -aufbereitung<br />
• Darstellung und Bewertung des Ist-Zustandes<br />
Ermitteln der Planungsdaten (Soll-Daten)<br />
Grobplanung<br />
Strukturplanung<br />
• Planen der Abläufe und Funktionseinheiten<br />
• Festlegen der Standorte der Lager, Bearbeitungsund<br />
Handhabungsstationen<br />
• Festlegen der Bewegungslinien der Stückgüter<br />
• Erstellen von Strukturvarianten<br />
Systemplanung<br />
• Auswahl geeigneter Materialflussmittel <strong>für</strong> die<br />
Transport-, Lager- und Handhabungsaufgaben<br />
• Dimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
• Überprüfen und Bewerten der Systemvarianten<br />
• Erstellen der Groblayouts<br />
Feinplanung<br />
Detailplanung<br />
• Überarbeiten der Planungsdaten<br />
• Detaillieren der Struktur- und Systemplanung<br />
• Erstellen der Ausschreibungsunterlagen<br />
Bild 2: Planungssystematik <strong>für</strong> eine durchgängige<br />
Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
MATVAR<br />
12-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
4 Erzielte Ergebnisse<br />
4.1 Analyse<br />
MATVAR<br />
4.1.1 Grundlagen, Abläufe und Methoden der Materialflussplanung<br />
Eine Grundvoraussetzung, um die wachsenden Ansprüche bei der Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
bezüglich Komplexität, Umfang, Planungssicherheit und Geschwindigkeit<br />
beherrschen zu können, ist die konsequente Verwendung einer systematischen<br />
Vorgehensweise, bei der der Planungsprozess in iterativen Schritten<br />
durchlaufen werden kann. Eine weitere wesentliche Forderung ist die durchgängige<br />
Unterstützung des Planungsprozesses von den Vorarbeiten (Materialflussuntersuchung)<br />
über die Strukturplanung bis hin zur Systemplanung. In diesem Fall kann die<br />
Planung der technischen Systeme auf der Planung der Materialflüsse aufbauen und<br />
diese ermöglichen. Werden die beiden Forderungen zusammengefasst, so lässt sich<br />
die in Bild 2 dargestellte Planungssystematik ableiten, die die Grundlage <strong>für</strong> alle<br />
nachfolgenden Überlegungen bildet.<br />
Innerhalb der Planungssystematik wird dabei zwischen den Phasen Vorarbeiten,<br />
Grobplanung und Feinplanung unterschieden. Die Grobplanungsphase wiederum<br />
lässt sich in die Strukturplanung und Systemplanung untergliedern. Die Grenzen zwischen<br />
den einzelnen Planungsschritten sind in der Planungspraxis jedoch fließend<br />
und die Schritte überlappen sich häufig.<br />
4.1.2 Bereits existierende rechnergestützte Planungshilfsmittel<br />
Die Analyse der rechnergestützten Planungshilfsmittel zeigt, dass die Unterstützung<br />
des Materialflussplaners durch verschiedenste Rechnerwerkzeuge, von kommerzieller<br />
Standardsoftware über einfache, vom Planer selbst entwickelte Hilfsprogramme<br />
bis hin zu komplexen Systemfamilien, heute Stand der Technik ist. Ohne diese<br />
Hilfsmittel ist schon allein der Umfang der zu bearbeitenden Planungsdaten oft nicht<br />
mehr zu bewältigen. Dennoch lässt sich erkennen, dass die bereits existierenden<br />
Systeme ihre programmspezifischen Schwerpunkte besitzen.<br />
Auf der einen Seite gibt es Insellösungen, die weder Planungsdaten aus früheren<br />
Planungsschritten übernehmen noch ihre eigenen Ergebnisse an Werkzeuge nachfolgender<br />
Planungsphasen übergeben können. Hierzu gehören z.B. Programme, die<br />
lediglich eine analytische Auslegung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n durch die Ein- und<br />
Ausgabe alphanumerischer Parameter zulassen, oder Hilfsmittel, die ausschließlich<br />
die Dimensionierung der geometrischen Abmessungen und die Erstellung von Layouts<br />
unterstützen.<br />
12-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Insellösungen<br />
• Keine automatische Datenübernahme aus früheren Planungsphasen<br />
• Keine automatische Datenübergabe an spätere Planungsphasen<br />
• Erhöhte Fehlergefahr durch mehrfache Dateneingabe<br />
• Einsatz nur <strong>für</strong> bestimmte Planungstätigkeiten<br />
Programmpakete<br />
• z.T. keine Unterstützung einer systematischen und flexiblen Vorgehensweise<br />
• z.T. kein durchgängiges Datenmodell<br />
• z.T. keine durchgängige Datenbasis<br />
• Begrenzung auf bestimmte Planungsaufgaben, -schritte und -gebiete<br />
• Mangelhafte Unterstützung bei der Dimensionierung der zeitunabh. Größen<br />
• Mangelhafte Unterstützung bei der analytischen Dimensionierung der<br />
zeitabhängigen Größen<br />
Bild 3: Schwächen existierender Rechnerwerkzeuge<br />
zur Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
MATVAR<br />
Auf der anderen Seite existieren weitgehend durchgängige Programmpakete zur<br />
Materialflussplanung. Da diese jedoch meist zur Bearbeitung von Problemstellungen<br />
der Fabrikplanung bzw. Produktionslogistik dienen, liegt ihr Schwerpunkt auf der<br />
Strukturplanung. Die Systemplanung behandeln sie entweder nur am Rande oder im<br />
Rahmen der Feinplanung beim optionalen Entwerfen und Optimieren von Steuerungsstrategien<br />
des Gesamtsystems mit Hilfe der Simulation. Eine analytische Grobdimensionierung<br />
zeitabhängiger und zeitunabhängiger Größen der benötigten <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
findet deshalb meist nicht statt.<br />
Eine Zusammenfassung der oben genannten Schwachstellen existierender Rechnerwerkzeuge<br />
zur Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n zeigt Bild 3.<br />
4.1.3 Besonderheiten bei der Modellbildung<br />
Bei der CAD-gestützten Modellbildung im Rahmen der Planung von flexiblen <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
muss eine Vielzahl von Materialflussmitteln erzeugt, geändert, kopiert<br />
und gelöscht werden. So können z.B. beim Erstellen von Planungsvarianten oft<br />
ganze Teilbereiche anderer Varianten übernommen werden. Unterscheiden sich diese<br />
Teilbereiche jedoch bezüglich einiger Parameter von der Ursprungsvariante, ist<br />
ein aufwendiges Neuzeichnen der im Prinzip schon vorhandenen Lösung notwendig.<br />
12-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Individuelle<br />
Vorgehensweise<br />
des Planers<br />
Variierende<br />
Planungstiefe<br />
Möglichkeit zur<br />
optionalen Bearbeitung<br />
notwendiger<br />
Planungsschritte<br />
Flexibilität<br />
Projektspezifische<br />
Planungsschritte<br />
MATVAR<br />
Bild 4: Flexibilität als Anforderung an eine durchgängige Rechnerunterstützung<br />
4.2 Konzeption<br />
4.2.1 Flexibilität und Modularität<br />
Um die geforderte Planungssystematik in eine durchgängige Rechnerunterstützung<br />
integrieren zu können, muss diese die einzelnen Planungsschritte aus Bild 2 durch<br />
ihre Funktionalitäten unterstützen. Dabei soll der Planer nicht durch einen starren,<br />
von der Rechnerunterstützung vorgegebenen Planungsablauf eingeschränkt werden.<br />
Vielmehr muss sie die individuelle Planungsvorgehensweise verschiedener Planer<br />
ermöglichen.<br />
Abhängig von Art und Größe der Planungsprojekte kann die notwendige Planungstiefe<br />
sehr stark variieren. Der Planer muss deshalb die Möglichkeit besitzen, eine<br />
durchgängige Rechnerunterstützung in unterschiedlichen Planungstiefen einzusetzen,<br />
wie z.B. als reine Zeichenhilfe <strong>für</strong> Transportmittel oder zur groben Auslegung<br />
von <strong>Materialflusssysteme</strong>n.<br />
Je nach Planungsaufgabe und Planungsgebiet müssen meist nicht alle Planungsschritte<br />
im Planungsablauf bearbeitet werden. So kann z.B. bei einer Neuplanung auf<br />
eine Ist-Analyse verzichtet werden.<br />
12-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Modul 1<br />
Durchgängige Rechnerunterstützung<br />
Modul 2<br />
Standardsoftware 1 Standardsoftware 2<br />
Standardsoftware 3 Standardsoftware 4<br />
Modul 7<br />
Modul 5<br />
Modul 3<br />
Modul 8<br />
Modul 6<br />
Modul 4<br />
MATVAR<br />
Bild 5: Flexibles Modulkonzept zur Unterstützung der einzelnen Planungsschritte<br />
Um die genannten Anforderungen zu erfüllen, muss eine durchgängige Rechnerunterstützung<br />
die Möglichkeit bieten, die verschiedenen Planungsschritte optional zu<br />
bearbeiten (Bild 4). Darüber hinaus muss auch die zeitliche Reihenfolge, in der die<br />
<strong>für</strong> ein Planungsprojekt erforderlichen Schritte erledigt werden, in einem sinnvollen<br />
Rahmen vom Planer frei wählbar sein.<br />
Damit die geforderte Flexibilität gewährleistet werden kann, wird <strong>für</strong> die zu unterstützenden<br />
Planungsschritte ein modulares Konzept entwickelt (Bild 5). Die einzelnen<br />
Module entsprechen dabei im wesentlichen den in Bild 2 zusammengefassten Planungstätigkeiten<br />
innerhalb der Planungssystematik und sollen den Planer beim Bearbeiten<br />
der jeweiligen Planungsschritte von Routinetätigkeiten entlasten. Darüber<br />
hinaus müssen sie weitgehend unabhängig voneinander aufrufbar sein, damit sie die<br />
<strong>für</strong> unterschiedliche Planungsprojekte, Planungsvorgehensweisen und Planungstiefen<br />
notwendige Flexibilität sicherstellen können.<br />
Einige Grundfunktionalitäten zur Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n können bereits<br />
durch kommerzielle Standardsoftware abgedeckt werden. Um die Anzahl der zu entwickelnden<br />
Grundfunktionalitäten in angemessenen Grenzen zu halten, ist es deshalb<br />
von großem Vorteil, die Planungsmodule auf Standardsoftware aufzubauen.<br />
Zusammen mit dieser können sie dann zu einer durchgängigen Rechnerunterstützung<br />
integriert werden.<br />
12-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Layouterfassung<br />
Systemplanung<br />
Externes CAD-System Externes<br />
PPS-System<br />
Datenbanksystem<br />
Tabellenkalkulationssystem<br />
CAD-Datei ASCII-Datei<br />
CAD-System Datenbanksystem Ablaufsimulationssystem<br />
Datenerfassung<br />
Dimensionierung<br />
Datendarstellung<br />
Strukturplanung<br />
Bewertung Ausschreibung<br />
Datenerfassung<br />
Textverarbeitungssystem<br />
Überprüfung<br />
Bild 6: Softwarekonzept einer durchgängigen Rechnerunterstützung<br />
4.2.2 Softwarekonzept<br />
MATVAR<br />
Unter Berücksichtigung der genannten Ziele und der zu ihrem Erreichen entwickelten<br />
Teilkonzepte kann das in Bild 6 dargestellte Softwarekonzept einer durchgängigen<br />
Rechnerunterstützung abgeleitet werden. Es enthält sowohl die geforderte Planungssystematik<br />
als auch das <strong>für</strong> eine flexible Planung notwendige Modulkonzept.<br />
Darüber hinaus ist eine durchgängige Datenbasis in Form einer zentralen Datenbankanwendung<br />
integriert, die die Verwendung eines durchgängigen Datenmodells<br />
ermöglicht.<br />
Auch das in Zusammenarbeit mit der ifp GmbH entwickelte Konzept, bei dem der<br />
CAD-gestützte Teil des Planungswerkzeuges als Fördertechnikplanungstool einer<br />
EDV-basierten Logistikplanung verwendet werden kann, lässt sich mit dem dargestellten<br />
Softwarekonzept verwirklichen. Die hier<strong>für</strong> gemeinsam definierten Schnittstellen<br />
enthalten Daten zum Arbeitsplan und zur Stückzahl der Produkte, zu den vorhandenen<br />
Betriebsmitteln, zum Layout, zu den eingesetzten Transportmitteln und<br />
Transporthilfsmitteln sowie den sich ergebenden Transporten.<br />
Prinzipiell ist ein Austausch der Planungsdaten zwischen dem Fördertechnikplanungstool<br />
und der EDV-basierten Logistikplanung mit Hilfe von ASCII-Dateien über<br />
das Datenbanksystem oder direkt über das CAD-System möglich. Im Rahmen von<br />
MATVAR wird der Austausch der Daten direkt über das CAD-System realisiert.<br />
12-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Verwaltungsdaten:<br />
• ID<br />
• Bezeichnung<br />
• Art<br />
x-, y- und z-Koordinate<br />
Einfügepunkt<br />
z-Achse<br />
Breite<br />
y-Achse<br />
x-Achse<br />
Orientierungsgerade<br />
Hauptmaße:<br />
• x-, y- und z-Koordinate Einfügepunkt<br />
• x-, y- und z-Koordinate Ausfahrtspunkt<br />
• Breite<br />
• Länge<br />
• Orientierung zur x-Achse<br />
• Orientierung zur xy-Ebene<br />
Länge<br />
x-, y- und z-Koordinate<br />
Ausfahrtspunkt<br />
Leistungsdaten:<br />
• Fördergeschwindigkeit<br />
• Minimaler Abstand der Transporteinheiten<br />
• Einsatzzeit im Beobachtungszeitraum<br />
Bild 7: Parametrische Objektbeschreibung eines Stetigförderer-Geradstückes<br />
4.2.3 Parametrische Objektbibliothek<br />
MATVAR<br />
Wie die Analyse zeigt, müssen bei der CAD-gestützten Planung eine Vielzahl von<br />
Materialflussmitteln editiert werden. Um den Planer von dieser zeitaufwendigen Routinetätigkeit<br />
zu entlasten, ist ein konsequent parametrisches Konzept einer Objektbibliothek<br />
erforderlich, das die Dimensionierung der geometrischen Abmessungen<br />
tiefgreifend unterstützt. Bei dem geforderten Konzept werden die materialflusstechnischen<br />
Objekte nicht nur durch gezeichnete Grafikelemente (Linien, Flächen, Volumenkörper<br />
usw.), sondern auch durch ihre Hauptmaße beschrieben. Dazu erhalten<br />
die Grafikelemente bei ihrer Erstellung die Hauptmaße als Attribute angehängt und<br />
lassen sich über diese zu einem späteren Zeitpunkt identifizieren und editieren. Beim<br />
Editieren werden im Hintergrund liegende Zeichenroutinen angestoßen, die aus den<br />
Informationen der Hauptmaße wiederum die entsprechenden Materialflussobjekte<br />
generieren. Bild 7 zeigt beispielhaft die parametrische Objektbeschreibung eines<br />
Stetigförderer-Geradstückes. Neben Daten zur Objektverwaltung wie Transportmittel-ID,<br />
Transportmittel-Bezeichnung und Transportmittel-Art werden auch die Hauptmaße<br />
und Leistungsdaten des Materialflussobjektes zu seiner grafischen Darstellung<br />
hinzugefügt. Es ist jedoch nicht erforderlich, sämtliche Maße einzugeben, die das<br />
grafische Objekt beschreiben. Im vorliegenden Fall wird z.B. nur die Breite und die<br />
Länge des Stetigförderers benötigt, die Höhe berechnet die im Hintergrund liegende<br />
Zeichenroutine des Stetigförderers aus der Breite und einem konstanten Faktor.<br />
12-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Erzeugen<br />
Löschen<br />
Neuzeichnen<br />
bzw. Ändern<br />
Zeichnen mit<br />
AutoCAD-<br />
Grundfunktionalitäten<br />
Einfügen von<br />
zuvor erstellten<br />
Blöcken<br />
Einfügen von<br />
parametrischen<br />
Objekten<br />
Befehlsaufrufe 5 3 1<br />
Mausklicks 26 14 5<br />
Eingabe von<br />
Werten<br />
9 9 7<br />
Befehlsaufrufe 1 1 -<br />
Mausklicks 3 2 -<br />
Eingabe von<br />
Werten<br />
- - -<br />
Befehlsaufrufe 5 3 1<br />
Mausklicks 26 14 4<br />
Eingabe von<br />
Werten<br />
9 9 2<br />
Bild 8: Aufwandsvergleich zum Erzeugen und Ändern eines Stetigförderers<br />
MATVAR<br />
Die parametrische Beschreibung sollte sich jedoch nicht nur auf die Verwaltungsdaten<br />
und die Hauptmaße beschränken, sondern auch die Leistungsdaten umfassen.<br />
Diese werden zur Grobdimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong> bezüglich ihrer<br />
zeitabhängigen Größen auf Basis der geplanten statischen Materialflüsse benötigt.<br />
Das parametrische Konzept der Objektbibliothek hat den Vorteil, beim Erzeugen,<br />
Ändern und Kopieren von Materialflussmitteln auf bereits eingegebene Daten zurückgreifen<br />
zu können. Gerade dadurch vereinfacht und beschleunigt sich das<br />
Erstellen des Planungsmodells im Rechner ganz erheblich, da die gleichen Daten<br />
nicht immer wieder von Hand in Dialogfelder eingegeben werden müssen. Die zeitaufwendigen<br />
Routinetätigkeiten lassen sich auf ein Minimum reduzieren. Dies bestätigt<br />
auch der in Bild 8 zusammengefasste Vergleich verschiedener Vorgehensweisen<br />
zum Erzeugen, Positionieren und anschließendem Ändern eines Stetigförderers.<br />
Die Änderung umfasst dabei die Länge und den Positionswinkel gegenüber der<br />
xy-Ebene. Bei der ersten Vorgehensweise wird der Stetigförderer mit dem von Auto-<br />
CAD zur Verfügung gestellten Funktionsumfang gezeichnet, bei der zweiten als bestehender<br />
AutoCAD-Block eingefügt und bei der dritten mit der im Rahmen dieser<br />
Arbeit entwickelten parametrischen Objektbibliothek erzeugt. Natürlich sind die angegebenen<br />
Zahlen z.T. von den verwendeten Funktionalitäten und dem benutzten<br />
CAD-Programm abhängig, sie zeigen jedoch recht deutlich, welches Einsparpotential<br />
sich durch die Verwendung einer parametrischen Objektbibliothek nutzen lässt.<br />
12-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
Quelle Funktionseinheit A<br />
40 Transporteinheiten<br />
mit Transportmittel 2<br />
100 Transporteinheiten<br />
mit Transportmittel 1 40 Transporteinheiten<br />
mit Transportmittel 4<br />
60 Transporteinheiten<br />
mit Transportmittel 3<br />
MATVAR<br />
Senke Funktionseinheit B<br />
Bild 9: Serielle und parallele Aufteilung von Transporten<br />
4.2.4 Serielle und parallele Aufteilung von Transporten<br />
Die Analyse der bereits existierenden computerunterstützten Planungshilfsmittel hat<br />
gezeigt, dass eine analytische Dimensionierung der zeitabhängigen Größen der<br />
<strong>Materialflusssysteme</strong> (Leistungsdaten) auf Basis der in der Strukturplanung ermittelten<br />
und dargestellten statischen Materialflüsse, wenn überhaupt, nur am Rande<br />
stattfindet.<br />
Aus diesem Grund ist ein Konzept <strong>für</strong> eine Grobauslegung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
zu erstellen, das den Planer in diesem Planungsschritt tiefgreifend unterstützt. Neben<br />
den in der parametrischen Objektbibliothek definierten Leistungsdaten ist dazu auch<br />
eine realistische Verknüpfung der Transporte mit Transportmitteln erforderlich. Hier<br />
ist neben der Zuordnung des gesamten Transportaufkommens zwischen zwei Funktionseinheiten<br />
zu einem einzigen Transportmittel auch die Möglichkeit zu schaffen,<br />
die Transporte sowohl parallel (mengenmäßig) als auch seriell (streckenmäßig) aufzuteilen,<br />
und die entstandenen Teiltransporte verschiedenen Transportmitteln zuzuweisen.<br />
Bild 9 verdeutlicht diese Funktionalität in grafischer Form. Zunächst wird der<br />
Transport von der Quelle der Funktionseinheit A zur Senke der Funktionseinheit B<br />
seriell (streckenmäßig) auf die Transportmittel 1 und 3 aufgeteilt. Anschließend wird<br />
der Transport mit Transportmittel 3 parallel (mengenmäßig) im Verhältnis 60:40 und<br />
abschließend der Transport mit 40 Transporteinheiten nochmals seriell (streckenmäßig)<br />
auf die Transportmittel 2 und 4 verteilt.<br />
12-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
=> auf Grundlage der berechneten Auslastungen kann die<br />
Dimensionierung der MF-Systeme verbessert werden<br />
Ändern der<br />
Leistungsdaten<br />
einzelner<br />
Transportmittel<br />
Einfügen oder<br />
Entfernen von<br />
Transportmitteln aus<br />
dem Planungsmodell<br />
Bild 10: Dimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
4.2.5 Statische Auslastungsberechnung<br />
Teilweise<br />
Neuzuordnung von<br />
Transporten zu<br />
Transportmitteln<br />
MATVAR<br />
Auf der Basis seiner Leistungsdaten und der ihm zugewiesenen Transporte kann<br />
damit <strong>für</strong> jedes Transportmittel die Zeit berechnet werden, die es <strong>für</strong> Lastfahrten und<br />
die Aufnahme und Abgabe der Last (Lasthandling) im Beobachtungszeitraum benötigt<br />
(Berechnung über Geschwindigkeiten, Weglängen, Lastaufnahme- und -<br />
Lastabgabezeiten und Anzahl der Transporte). Wird diese Zeit zu seiner Einsatzzeit<br />
im Beobachtungszeitraum ins Verhältnis gesetzt, so ergibt sich die Auslastung aus<br />
Lastfahrt und Lasthandling. Die Einsatzzeit ist dabei die Summe aus Bereitschaftszeit<br />
und Betriebszeit.<br />
Wie in Bild 10 zusammengefasst kann nun auf der Grundlage der berechneten Auslastungen<br />
die Dimensionierung der <strong>Materialflusssysteme</strong> verbessert werden, indem<br />
• die Leistungsdaten einzelner Transportmittel geändert werden,<br />
• weitere Transportmittel in das Planungsmodell eingefügt oder bestehende entfernt<br />
werden oder<br />
• die Zuordnung der Transporte zu den Transportmitteln teilweise neu gestaltet<br />
wird, so dass bestimmte Transportmittel stärker belastet, andere jedoch da<strong>für</strong><br />
entlastet werden.<br />
12-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
4.3 Entwicklung<br />
Bild 11: Beispielhafte Anwendung des Planungswerkzeuges<br />
MATVAR<br />
Zur Umsetzung des Softwarekonzeptes nach Bild 6 muss eine anforderungsgerechte<br />
Entwicklungsbasis zusammengestellt werden. So wird hier<strong>für</strong> ein leistungsfähiger PC<br />
unter Windows NT verwendet, als CAD-Plattform wird AutoCAD eingesetzt und die<br />
Planungsbausteine selbst werden in AutoLISP programmiert.<br />
Aufbauend auf den zuvor erläuterten konzeptionellen Beschreibungen werden im<br />
Rahmen von MATVAR die auf dem CAD-System aufbauenden grundlegenden Planungsfunktionalitäten<br />
(Planungsmodule) und die darin eingebetteten Planungsbausteine<br />
zur Planung flexibler <strong>Materialflusssysteme</strong> umgesetzt.<br />
4.4 Beispielhafte Anwendung des Planungswerkzeuges<br />
Bild 11 zeigt das Groblayout des <strong>für</strong> die Verifizierung verwendeten Planungsprojektes.<br />
Als Lager wird ein neues zweigassiges Hochregallager mit 1368 Stellplätzen <strong>für</strong><br />
Europaletten geplant. Die Vorzone besteht aus einem Verschiebewagen und einigen<br />
Tragketten- und Rollenförderern. Für die außerhalb des Lagers und seiner Vorzone<br />
abzudeckenden Transporte sieht die Planung einen Gabelstapler und einen elektrischen<br />
Gabelhubwagen vor. An diesem einfachen Planungskonzept können die statischen<br />
Auslastungsberechnungen des Planungswerkzeuges verifiziert werden.<br />
12-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
[ schnelle und einfache Groblayouterstellung<br />
[ keine Simulation bei einfachen Planungsprojekten<br />
notwendig<br />
[ frühzeitiges Erkennen simulationswürdiger Varianten<br />
bei komplexen Planungsprojekten<br />
[ höhere Planungssicherheit durch größere<br />
Planungsgeschwindigkeit<br />
Bild 12: Vorteile des entwickelten Planungswerkzeuges<br />
5 Vorteile des entwickelten Planungswerkzeuges<br />
MATVAR<br />
Die im entwickelten Planungswerkzeug implementierten Funktionalitäten erlauben<br />
ein schnelles Erstellen von Groblayouts und die Berechnung der statischen Auslastung<br />
der enthaltenen <strong>Materialflusssysteme</strong>. Bei einfachen Planungsprojekten hat der<br />
Planer somit ein Werkzeug an der Hand, um die <strong>Materialflusssysteme</strong> grob zu dimensionieren,<br />
ohne eine aufwendige Simulation durchführen zu müssen. Bei komplexeren<br />
Projekten kann er zu einem frühen Zeitpunkt erkennen, welche Planungsvarianten<br />
simulationswürdig sind. Für diese Varianten stehen ihm dann bereits sinnvolle<br />
Modell- und Eingangsdaten zur Verfügung. Damit ist sowohl bei einfachen als<br />
auch bei umfangreichen und komplexen Planungsprojekten ein beträchtlicher Zeitgewinn<br />
zu erzielen. Dieser eröffnet die Möglichkeit, mehr Planungsvarianten zu verfolgen<br />
bzw. detaillierter zu betrachten, und erhöht dadurch die Planungssicherheit.<br />
Die Vorteile des entwickelten Planungswerkzeuges zeigt zusammenfassend Bild 12.<br />
12-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Allgayer, F.: Computerunterstützte Planung von <strong>Materialflusssysteme</strong>n<br />
6 Literatur<br />
MATVAR<br />
BAUMGARTEN U.A. 1997<br />
Baumgarten, H.; Wiegand, A.: Logistiktrends und -strategien: Ergebnisse<br />
einer aktuellen Umfrage. In: Hossner, R. (Hrsg.): Logistik Jahrbuch<br />
1997. Düsseldorf: Verlagsgruppe Handelsblatt, 1997.<br />
PFOHL U. A. 1999<br />
Pfohl, H.-C.; Häusler, P.; Koldau, A.: Qualität distributionslogistischer<br />
Leistungen: Empirische Ergebnisse aus Unternehmensbefragung und<br />
Fallstudien. In: Hossner, R. (Hrsg.): Logistik Jahrbuch 1999. Düsseldorf:<br />
Verlagsgruppe Handelsblatt, 1999.<br />
12-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
+TZ]OIQR[TM \UT<br />
6XUJ[QZOUTYY_YZKSKT [TZKX<br />
HKYUTJKXKX (KX„IQYOINZOM[TM JKY<br />
9INTOZZYZKRRKTGYVKQZKY<br />
*OVR /TM =OTLXOKJ *UNSKT<br />
MATVAR<br />
/TYZOZ[Z L„X =KXQ`K[MSGYINOTKT [TJ (KZXOKHY]OYYKTYINGLZKT<br />
O]H<br />
:KINTOYINK ;TO\KXYOZoZ 3„TINKT<br />
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-GXINOTM<br />
13-1
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
1 Einleitung<br />
MATVAR<br />
Eine stärkere Kundenorientierung verbunden mit kürzeren Produktlebenszyklen und<br />
einer wachsenden Zahl kundenspezifischer Aufträge verursachen eine stärkere Dynamik<br />
in der Produktion. Verschärft wird diese Situation durch Bestrebungen innerhalb<br />
der Unternehmen, Bestände abzubauen. Die unternehmensinternen Abläufe<br />
und Strukturen müssen an diese geänderten Rahmenbedingungen angepasst werden.<br />
Es besteht der Wunsch nach einer Verkürzung der Entwicklungs- und Inbetriebnahmezeiten<br />
der Produktionssysteme (REINHART U. A. 1999).<br />
Insbesondere müssen Umplanungen bezüglich Materialflussabläufen, Layout und<br />
Menge in der Produktion ermöglicht werden. Eine schnellere Veränderung des Layouts<br />
erlaubt es, die Fertigung an geänderte Randbedingungen anzupassen und so<br />
zu jeder Zeit im optimalen Zustand arbeiten zu können.<br />
Derzeit sind die notwendigen Anpassungsmaßnahmen, die durch eine Veränderung<br />
des Materialflusses entstehen, sehr aufwendig und führen zu hohen Zusatzkosten<br />
<strong>für</strong> Zwischensysteme zur Kopplung der Materialflusskomponenten. Dadurch ist eine<br />
flexible Reaktion nur bedingt möglich.<br />
Heutige <strong>Materialflusssysteme</strong> mit hohem Automatisierungsgrad bestehen aus einer<br />
großen Anzahl mechanischer und elektronischer Komponenten, sowie der Software<br />
zu deren Steuerung. Sie setzen sich aus einer großen Anzahl modularer Teilsysteme<br />
zusammen, die über entsprechende Schnittstellen miteinander verbunden werden<br />
müssen.<br />
Bei diesen einzelnen Modulen sind sowohl die mechanischen Aspekte als auch die<br />
der Elektrik und Software in ein technisches Gesamtsystem zu integrieren. Normalerweise<br />
werden diese Bereiche aber völlig getrennt voneinander und sequentiell<br />
entwickelt. Eine übergreifende Abstimmung wird bisher nur in geringem Maße<br />
durchgeführt. Je komplexer die Anlage wird, desto deutlicher treten lange Entwicklungszeiten<br />
und eine hohe Fehlerrate als Konsequenzen auf. Diese blockieren die<br />
gewünschte Flexibilität und Wandlungsfähigkeit des strukturellen Aufbaus der Produktionsanlagen.<br />
13-2
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
Ortsveränderbarkeit<br />
Kompatibilität<br />
Mengenflexibilität<br />
Produktflexibilität<br />
Modularität<br />
Anforderungen<br />
Layout 1<br />
Kinematik<br />
Leistungsparameter<br />
Systemhöhenbereich<br />
Positioniergenauigkeit<br />
Layout 2<br />
MATVAR<br />
Übertragungstechnik<br />
Übertragungsgeschwindigkeit<br />
Schreib-/Lesegeräte<br />
Datenträger<br />
Datenmenge<br />
technische Param eter<br />
Bild 1: Parameter im Problemfeld Flexibilität<br />
2 Aufgabenstellung und Zielsetzung<br />
Im dynamischen Produktionsumfeld sind häufige strukturelle Anpassungen der Produktionsstruktur<br />
an geänderte Anforderungen notwendig. Dies führt zu Veränderungen<br />
der Systemgrenzen innerhalb bestehender Systeme und zur Integration neuer<br />
Systeme. Zum einen müssen hier<strong>für</strong> neue Schnittstellen zwischen zusammenwirkenden<br />
Modulen konzipiert werden und zum anderen erfordert die Veränderung des<br />
Systems die neue Auslegung bestehender Schnittstellen bzgl. der Qualität und<br />
Quantität der Schnittstellenleistung (Bild 1). Das Teilprojekt 5 hat die Zielsetzung, die<br />
Aufwände in der Planung von technischen Systemen im Hinblick auf die Schnittstellen<br />
zu reduzieren und eine größere Flexibilität zu ermöglichen. Dazu soll eine Entwicklungsvorgehensweise<br />
unter besonderer Berücksichtigung der Schnittstellen zwischen<br />
den Teilsystemen erarbeitet werden.<br />
Eine wirkungsvolle Maßnahme innerhalb der Produktion ist die Erstellung eines Gesamtmaterialflusskonzeptes,<br />
das die Möglichkeit <strong>für</strong> einen späteren Umbau bereits<br />
von Anfang an vorsieht. Die Verwendung zukunftsweisender Techniken mit einem<br />
modularen Aufbau verkürzen die Inbetriebnahmezeiten und machen schnelle Umgestaltungen<br />
des Layouts möglich. Zusätzlich wird durch eine Vereinheitlichung der<br />
Komponenten eine größere Flexibilität im Systemaufbau ermöglicht. In diesem Projekt<br />
wurde ein Konzept und ein System zur Unterstützung des Planers entwickelt,<br />
das die optimale Gestaltung von Schnittstellen im Hinblick auf eine hohe Änderungsflexibilität<br />
ermöglicht.<br />
13-3
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
- Fördergutbeschreibung<br />
- Fördersystem<br />
- mit welchen anderen Systemen<br />
ist eine Verknüpfung möglich<br />
Planer<br />
Bedienerschnittstelle<br />
Informationen<br />
über Materialflußkomponenten<br />
Auswahlmethodik<br />
Auswahlsystem<br />
MATVAR<br />
- kompatible <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
mit Bewertung<br />
- Gestaltung der Schnittstelle<br />
- Vorschlag <strong>für</strong> Systemgrenzen<br />
- Kompatibilitätsbreite<br />
Bild 2: Planung der Materialbereitstellung<br />
3 Anforderungen an die Schnittstellen<br />
Es ergeben sich zwei Hauptanforderungen an die Materialflussschnittstellen. Umplanungen<br />
können zur Folge haben, dass die Schnittstelle mit allen beteiligten Elementen<br />
örtlich verlegt wird. Die zweite Möglichkeit ist, dass sich die Komponenten<br />
der Schnittstelle ändern, beispielsweise ein Fördersystem durch ein anderes ersetzt<br />
wird. Daraus lassen sich die beiden Forderungen Ortsflexibilität und Kompatibilität<br />
ableiten (DÜRRSCHMIDT & DOHMEN 1997). Weitere Anforderungen, die aus dem Ziel,<br />
Layoutumgestaltungen zu ermöglichen, entstehen, sind Mengen- und Produktflexibilität<br />
der Einzelkomponenten. Oft wird versucht, diese Ziele durch die Modularität der<br />
eingesetzten <strong>Materialflusssysteme</strong> zu erreichen (DECKER 1995). Um darüber hinaus<br />
die Funktionsfähigkeit der Material- und Informationsübergabe zu garantieren, müssen<br />
technische Randbedingungen erfüllt werden. Dazu gehört beispielsweise, dass<br />
die geometrischen Abmessungen des übergebenden mit dem übernehmenden<br />
System ineinander greifen müssen.<br />
13-4
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
Anforderungen an das Rechnerwerkzeug<br />
Anwenderorientierung<br />
Wandlungsfähigkeit<br />
Geringer Systempflegeaufwand<br />
Planungswerkzeug<br />
Allgemeine<br />
Beschreibungstechnik<br />
Einfacher<br />
Wissenserwerb<br />
Transparenz des<br />
Lösungsweges<br />
Bild 3: Anforderungen an das Werkzeug<br />
4 Anforderungen an das Werkzeug<br />
MATVAR<br />
Ziel ist eine auf die Bedürfnisse der Planer angepasste Unterstützung bei der Konzeption<br />
von technischen schnittstellengeprägten Systemen. Hier<strong>für</strong> wurde ein Werkzeug<br />
entwickelt. Das konzeptionsunterstützende System muss besondere Anforderungen<br />
erfüllen. Hierbei sollen gleichermaßen die Anforderungen aus dem Bereich<br />
der mechanischen- wie der softwaretechnischen Schnittstellen berücksichtigt werden.<br />
Bei der Entwicklung komplexer mechatronischer Produktionssysteme werden<br />
die Zusammenhänge zwischen der mechanischen und der steuerungstechnischen<br />
Planung der Modulschnittstellen nicht berücksichtigt. Es ist deshalb eine Grundanforderung<br />
an die Analyse- und Konzeptionsphase, dass zwischen den Bereichen<br />
Mechanik und Steuerungstechnik eine Interaktion stattfinden muss (AßMANN 1996).<br />
Voraussetzung <strong>für</strong> diese Forderung ist die Fähigkeit, die im System- und Datenmodell<br />
hinterlegten Informationen lesen und verarbeiten zu können. Hierzu müssen die<br />
grafischen Informationen aus der mechanischen Systemstruktur in ein objektorientiertes<br />
Modell überführt werden. D.h. die vom Entwickler geleistete Arbeit in der Form<br />
der Systemstrukturierung muss in einem Softwaremodell abgebildet bzw. hinterlegt<br />
werden. Der Steuerungsentwickler erweitert anschließend mit Hilfe eines Codegene-<br />
13-5
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
MATVAR<br />
rators, der automatisch den Sourcecode zur Steuerung des technischen Systems<br />
generiert, die Systemkomponenten um die Verhaltenseigenschaften.<br />
Eine weitere wichtige Anforderung liegt in einer allgemeinen Beschreibungstechnik,<br />
in der die Informationen nach einem geeigneten Standard abgebildet werden. Dabei<br />
müssen die Anforderungen an die Notation aus den verschiedenen beteiligten Bereichen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Entscheidend <strong>für</strong> die Akzeptanz ist ein geringer Aufwand bei der Pflege des im System<br />
hinterlegten Wissens. Es müssen strukturelle Änderungen im Aufbau von Systemen<br />
berücksichtigt werden. Das heißt, das hinterlegte Wissen über die Systemkonfiguration<br />
muss an neue Gegebenheiten angepasst werden, ohne dabei strukturelle<br />
Änderungen am Konzeptionssystem vornehmen zu müssen. Dies beinhaltet die<br />
Forderung nach einer redundanzfreien Abbildung des Wissens, da nur dadurch eine<br />
durchgängige Anpassung sichergestellt werden kann. Nicht nur die Pflege, sondern<br />
auch der Erwerb des Wissens muss möglichst anwenderfreundlich gestaltet werden.<br />
Dieser Wissenserwerb muss kontinuierlich unterstützt werden.<br />
Der Einsatz eines solchen Systems ist aber nur dann von Vorteil, wenn die Kreativität<br />
des Planers in keiner Weise eingeschränkt wird. Die Unterstützung darf keine<br />
Problemlösungen implizieren oder zu einer gewissen Normierung der Konzepte führen,<br />
vielmehr soll der Entwickler die Möglichkeit erhalten, auch unkonventionelle<br />
Konzepte zu erproben (EHRLENSPIEL 1995). Die Verwendung nicht genormter Konstrukte<br />
muss demnach bei der Beschreibung von Funktionen und Zuständen möglich<br />
sein. Deswegen soll die Verwendung verschiedener Richtlinien oder Kataloge ermöglicht<br />
und eine benutzerdefinierte Auswahl getroffen werden können. Die Kreativität<br />
soll durch das System unterstützt werden.<br />
Um eine kontinuierliche Planung zu ermöglichen und somit zur Komplexitätskompensation<br />
auch im Rahmen der Produktionssystemplanung beizutragen, muss deshalb<br />
die Planungsdauer, d.h. der Zeitraum vom Auftreten eines Problems bis zur<br />
Umsetzung der Lösung, gravierend reduziert werden, und die Planungshäufigkeit,<br />
d.h. die Häufigkeit des Erkennens von Problemstellungen und Lösungswegen, gravierend<br />
erhöht werden (WESTKÄMPER 1997).<br />
Die Planungsmethoden und -werkzeuge müssen weitere Anforderungen erfüllen. Sie<br />
müssen in der Lage sein, wandlungsfähige Fertigungssysteme zu planen. Das bedeutet,<br />
dass sie bei kurzfristig geänderten Anforderungen Unterstützung bieten.<br />
Deswegen müssen diese Methoden und Werkzeuge selbst veränderlich sein. Das<br />
Planungswerkzeug muss dazu aus einzelnen Modulen konfiguriert werden.<br />
Es sollen fließende Übergänge zwischen den einzelnen Arbeitsschritten in der Entwicklung<br />
bestehen. Dazu ist eine Durchgängigkeit zwischen den einzelnen Entwicklungsphasen<br />
erforderlich.<br />
13-6
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
MATVAR<br />
Der Ablauf der Planung muss sich eng an der Vorgehensweise des Planers orientieren<br />
und nicht umgekehrt. Durch diese Anwenderorientierung kann die Effizienz des<br />
Entwicklers gesteigert werden, ohne seine Vorgehensflexibilität einzuschränken. Eine<br />
Steigerung der Effizienz soll dadurch erreicht werden, dass der Entwickler während<br />
des gesamten Planungsablaufes von Routineaufgaben entlastet wird.<br />
Bei Systemen, welche den Anwender bei Planungsaufgaben unterstützen und deshalb<br />
je nach Art des zu lösenden Problems verschiedene Wege gehen, muss nachvollziehbar<br />
sein, welcher Weg verfolgt wurde. Eine weitere wichtige Anforderung ist<br />
demnach die Transparenz des Lösungsweges.<br />
Basierend auf diesen Anforderungen wurde das nachfolgend beschriebene Konzept<br />
entwickelt.<br />
5 Konzept<br />
5.1 Analyse und Auswahl von Materialflussschnittstellen<br />
Grundlage der Auswahlmethodik ist eine Analyse der Kombinationsmöglichkeiten<br />
verschiedener <strong>Materialflusssysteme</strong> <strong>für</strong> das übergebende mit dem übernehmenden<br />
System. Dazu wird eine Klassifizierung der existierenden <strong>Materialflusssysteme</strong> vorgenommen.<br />
Die Gruppen werden nach Kriterien eingeteilt wie beispielsweise Arbeitsweise<br />
(stetig/unstetig) oder Arbeitsraum (flurfrei/flurgebunden). Im ersten Schritt<br />
der Auswahlmethodik wird <strong>für</strong> ein vorgegebenes Fördermittel ermittelt, mit welchen<br />
anderen Gruppen eine Verknüpfung möglich ist. Diese Analyse erfolgt nach dem<br />
Prinzip der Nutzwertanalyse und liefert dementsprechend als Ergebnis eine gewichtete<br />
Bewertung der Alternativen. Hier erkennt der Planer, welche <strong>Materialflusssysteme</strong><br />
er neben dem von ihm als Grundsystem vorgegebenen in dem Gesamtmaterialflussnetz<br />
einsetzen darf, um Kompatibilität garantieren zu können. Im zweiten Schritt<br />
der Auswahlmethodik wählt der Planer eine der ermittelten Kombinationen aus und<br />
detailliert seine spezifischen Anforderungen <strong>für</strong> diese Schnittstelle. Unter Angabe<br />
zusätzlicher Informationen, wie beispielsweise notwendiger Handhabungsfunktionen<br />
oder den Aufgaben bei der Informationsübertragung, wird der Aufwand zur Gestaltung<br />
der Schnittstelle beschrieben. Das Ergebnis dieses Schrittes ist die Erläuterung<br />
von benötigten Zusatzeinrichtungen, z.B. Datenträger oder Sortiereinheit und ggf.<br />
auch Veränderungsvorschläge an den die Schnittstelle definierenden Materialflusselementen<br />
z.B. Wegfall eines Förderbandes. Ferner wird eine Bewertung des Aufwands<br />
<strong>für</strong> die Integration ermittelt.<br />
Neben der kompatiblen Integration zusätzlicher Materialflusselemente in ein bestehendes<br />
System soll auch eine sinnvolle Materialflussnetzplanung unterstützt werden.<br />
Dabei hilft dem Systemplaner die Klassifizierung der Materialflusselemente in Hinblick<br />
auf ihre Schnittstellen. Er erhält er einen Überblick über die Kompatibilitäts-<br />
13-7
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
MATVAR<br />
breite zu anderen, zukünftig möglicherweise zum Einsatz kommenden Materialflusselementen,<br />
und den Einfluss möglicher Veränderungen des Fördergutes bzw. des<br />
Transporthilfsmittel auf die Materialflusssystemgrenzen abschätzen.<br />
Nach Durchlaufen der verschiedenen Schritte der Auswahlmethodik verfügt der Planer<br />
über alle nötigen Informationen zur Gestaltung einer Schnittstelle, die flexibel<br />
hinsichtlich Layoutänderungen ist. Damit schafft dieser Schritt die Grundlage <strong>für</strong> die<br />
Planung eines dynamischen Materialflussnetzes.<br />
5.2 Vorgehensmodell <strong>für</strong> die Systemkonzeption<br />
Iteratives Vor- oder Rückspringen möglich<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
Arbeitsphase Wissensbasis Arbeitsergebnis<br />
Ermitteln von Teilfunktionen<br />
und Funktionsstrukturen<br />
Lösungsprinzipien<br />
Wirkprinzipien<br />
gestalten<br />
Bewerten und Auswahl<br />
treffen - konkretisieren<br />
Komponenten verbinden<br />
“Allgemeine<br />
Funktion”<br />
“Physikalische<br />
Effekte”<br />
“Wirkmechanismen”<br />
“Wirkmechanismen”<br />
“Betriebsmittel”<br />
Bild 4: Vorgehensmodell <strong>für</strong> die Systemkonzeption<br />
Funktionsstruktur<br />
Wirkprinzip<br />
Wirkstruktur,<br />
Klassendiagramm<br />
Strukturelemente<br />
Komponentenstruktur<br />
Der Vorgehensplan <strong>für</strong> die hier vorgestellte Methode umfasst 5 Arbeitsphasen. Die<br />
Arbeitsergebnisse der Phasen werden durch den Einsatz der Datenverarbeitung mit<br />
zusätzlichen Informationen schneller und effizienter erstellt. Die einzelnen Phasen<br />
können je nach Bedarf zusammengefasst werden. Die Reihenfolge der Entwicklungsphasen<br />
ist nicht starr, sondern es wird ein Zurückspringen auf die vorhergehende<br />
Arbeitsphase unterstützt. Dieses iterative Vorgehen dient der schrittweisen<br />
Verfeinerung von Konzepten. Die Bearbeitung der einzelnen Arbeitsphasen bzw. der<br />
13-8
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
MATVAR<br />
Arbeitsumfang ist abhängig von der jeweiligen Problemstellung und kann je nach<br />
dem Schwerpunkt im Planungsvorgehen skaliert werden.<br />
Zunächst wird dazu das geplante technische System in seiner Funktionalität mittels<br />
Funktionsstrukturen modelliert und strukturiert. Dabei wird die Funktionsstruktur,<br />
ausgehend von den Anforderungen aus dem Lastenheft, hierarchisch immer weiter<br />
verfeinert. In einer zweiten Phase werden die technischen Systemkomponenten und<br />
deren Abhängigkeiten modelliert. Dabei können sowohl geometrische als auch funktionale<br />
Abhängigkeiten definiert werden. Bei der Systemstrukturierung besteht die<br />
Möglichkeit, auf eine dahinter liegende Datenbank von technischem Wissen zuzugreifen.<br />
Die Datenbank enthält Funktionen aus verschiedenen technischen Bereichen<br />
z. B. aus der Handhabungs-, Roboter- und Montagetechnik. Der zweite Bereich<br />
der Systemdatenbank umfasst die Betriebsmittel. Hier sind die Betriebsmittel nach<br />
Gruppen geordnet gespeichert. Ein mehrstufiges Klassifizierungssystem ermöglicht<br />
die Auswahl von Betriebsmitteln nach den Kriterien Funktionserfüllung, Leistung,<br />
Wirtschaftlichkeit und Schnittstellenbeschreibung. Das realisierte grafische kombinierte<br />
Analyse- und Konzeptionswerkzeug hilft dem Planer eines technischen Systems,<br />
mittels Bewertungsfunktionen, z. B. <strong>für</strong> die Integrationseigenschaften von<br />
Modulen, software-gestützt Konzeptentscheidungen zu treffen. Neben dem Kriterium<br />
der Funktionserfüllung werden funktionsspezifische Parameter <strong>für</strong> diese Entscheidungen<br />
herangezogen.<br />
5.3 Systemstruktur des Werkzeuges<br />
Für die Planung mit der Unterstützung eines Computers bedarf es ein ausreichend<br />
detailliertes Datenschema, um das erforderliche Modell zu generieren. Es muss<br />
möglich sein, das technische System bis hinunter auf die Ebene von einzelnen Operationen<br />
abzubilden (REINHART 1995). Der strukturelle Aufbau des integrierten System-<br />
und Datenmodells folgt aus dem vorgestellten Vorgehen. Danach ergeben sich<br />
gemeinsame zwischen der mechanischen- und dem softwaretechnischen Schnittstellenbeschreibung<br />
bei der Aufstellung von Funktionsstrukturen und der anschließenden<br />
Modellierung der technischen Systemkomponenten zu einer Struktur. Da<strong>für</strong><br />
umfasst das integrierte System- und Datenmodell die Phasen Ermitteln von Funktionsstrukturen<br />
und Zuordnung. Damit die restlichen Phasen nicht unzugänglich werden,<br />
wird das sie betreffende Wissen in einer Datenbank hinterlegt. In Bild 4 ist das<br />
integrierte System- und Datenmodell durch den grau hinterlegten Kasten abgegrenzt.<br />
Die Funktions- und Komponentenstrukturen werden mit Hilfe der Informationen aus<br />
der Datenbank modelliert.<br />
13-9
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
bewerten<br />
modellieren<br />
Anforderungen<br />
fließt mit<br />
ein<br />
Abstrahieren<br />
findet Funktionen<br />
aus Anforderungen<br />
findet Komponenten<br />
aus Anforderungen<br />
Technisches<br />
Wissen<br />
Datenbank_2<br />
5.4 Abhängigkeiten<br />
Technisches<br />
Wissen<br />
Datenbank_1<br />
Komponenten nach<br />
technischen Gruppen<br />
geordnet<br />
Planer<br />
bewerten<br />
modellieren<br />
Funktionen<br />
findet Komponenten<br />
aus Funktionen<br />
Funktionen nach<br />
technischen Gruppen<br />
geordnet<br />
Systemgrenze<br />
Bild 5: Systemstruktur des Werkzeuges<br />
Technisches<br />
Wissen<br />
Datenbank_3<br />
bewerten<br />
modellieren<br />
MATVAR<br />
Komponenten<br />
Lösungsprinzipien<br />
Physikalische Effekte<br />
Wirkprinzipien<br />
Komponenten nach<br />
technischen Gruppen<br />
geordnet<br />
Für die Auswahl der Systemkomponenten müssen verschiedene Fälle unterschieden<br />
werden. Grundsätzlich gibt es drei Arten von Abhängigkeitsbeziehungen (siehe<br />
Bild 6). Im einfachsten Fall ist die Auswahl einer Komponente - unbeeinflusst von<br />
anderen Auswahlentscheidungen - direkt von der Funktion abhängig. Eine andere<br />
Art der Abhängigkeit zeigt sich bei Komponenten, deren Auswahl von bereits im<br />
System enthaltenen Komponenten abhängt. Darüber hinaus existieren Komponenten,<br />
deren Auswahl sowohl von bereits eingesetzten Anlagenkomponenten als auch<br />
direkt von der Funktion abhängen.<br />
Wenn funktional entkoppelte Komponenten vorliegen, reduziert sich die Problematik<br />
auf ein Auswahlproblem innerhalb der Repräsentanten einer Komponente. Es müssen<br />
allerdings die Schnittstellen zu anderen Komponenten berücksichtigt werden<br />
(KORN 1996). Aus diesem Grund ist die Darstellung der Schnittstellen bei der Komponentenauswahl<br />
ein weiterer grundlegender Bestandteil der Konzeptionsmethode.<br />
13-10
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
Abhängigkeiten bei<br />
der Komponentenauswahl<br />
Beispiele<br />
Funktionsmerkmale<br />
Komponente<br />
Auswahl der Komponente ist<br />
abhängig von der Funktion<br />
Positionieren v<br />
Roboter<br />
m<br />
Auswahl des Roboters ist<br />
abhängig von der Funktion<br />
und funktionsspezifischen<br />
Attributen<br />
Komponenten<br />
Komponente Komponente<br />
Auswahl der Komponente<br />
ist abhängig von<br />
anderen Komponenten<br />
Roboter<br />
Greifer<br />
Auswahl des Greifers ist<br />
abhängig vom<br />
ausgewählten Roboter<br />
Funktionsmerkmale<br />
Auswahl der Komponente ist<br />
abhängig vom der Funktion<br />
und von anderen Komponenten<br />
Funktion<br />
Steuerung<br />
MATVAR<br />
Komponenten<br />
Roboter<br />
Auswahl der Steuerung ist<br />
abhängig von ausgewähltem<br />
Roboter und von der<br />
erforderlichen Funktionalität<br />
Bild 6: Abhängigkeiten bei der Komponentenauswahl<br />
6 Realisierung des Planungswerkzeuges<br />
6.1 Struktur des Werkzeuges<br />
Das Planungswerkzeug setzt die vorgestellte Planungsvorgehensweise um. Der<br />
Ausgangspunkt sind die vom Planer erstellten Funktionsstrukturen. Im nächsten<br />
Schritt werden die einzelnen Funktionen realisiert. Dazu müssen <strong>für</strong> die Funktionen<br />
physikalische Effekte ermittelt werden, die zu Wirkstrukturen kombiniert werden.<br />
Dem Entwickler muss da<strong>für</strong> die Möglichkeit gegeben werden, einzelne oder mehrere<br />
zusammenhängende Funktionen auszuwählen, um entsprechende Lösungen aus<br />
der Datenbank ermitteln zu lassen. In der Datenbank müssen dabei sämtliche zusammenhängenden<br />
Informationen über Effekte, Wirkprinzipien, Systemkomponenten<br />
usw. aus Katalogen gespeichert sein. Durch einen speziellen Suchalgorithmus<br />
werden die Effekte <strong>für</strong> die ausgewählten Funktionen intern gefiltert. Als Ergebnis erhält<br />
der Benutzer Wirkprinzipien, die zu einer Wirkstruktur kombiniert sind. Daraus<br />
werden die prinzipiellen Lösungen ermittelt. Diese werden in einem nächsten Schritt<br />
bewertet. Der Benutzer befindet sich dabei immer noch im Wissensspeicher und<br />
kann in einem letzten Schritt die Systemkomponente auswählen, die die Anforderungen<br />
erfüllt und die Funktion realisiert.<br />
13-11
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
Anfordg.<br />
editieren<br />
Funktionen<br />
Funktion_1<br />
Funktion_2<br />
.<br />
.<br />
.<br />
Funktion_n<br />
Funktionsstruktur_1<br />
Funktionsstruktur_2<br />
.<br />
.<br />
.<br />
Funktionsstruktur_n<br />
bildet mit<br />
Zuständen<br />
und Relationen<br />
Hierar. Struktur<br />
ruft auf<br />
erzeugt<br />
Komponente<br />
Datenbank<br />
abstrakte Komponente<br />
nach technischen<br />
Gruppen sortiert<br />
symbolische Darstellung<br />
möglich<br />
Auswahl der Komponente<br />
nach der<br />
Funktion<br />
Spezifizierung der<br />
Komponente<br />
Informationsbrücke<br />
Schnittstelle Komponente<br />
erzeugt<br />
editieren<br />
Bild 7: Struktur des Planungswerkzeuges<br />
Komponenten<br />
Komponente_1<br />
Komponente_2<br />
.<br />
.<br />
.<br />
Komponente_n<br />
Hierar. Struktur<br />
Komponenten struktur_1<br />
Komponenten struktur_2<br />
.<br />
.<br />
.<br />
Komponenten struktur_n<br />
MATVAR<br />
bildet mit<br />
Dependenzen<br />
Die Datenbank gliedert sich in zwei Ebenen. In der ersten Ebene erhält man die gewünschten<br />
Wirkstrukturen und in der zweiten Ebene aus den prinzipiellen Lösungen<br />
eine konkrete Lösung. Dabei entscheidet der Benutzer den Detaillierungsgrad der<br />
Realisierung. Die Komponenten können zur besseren Veranschaulichung mit Symbolen<br />
dargestellt werden. Nachdem die Komponente erzeugt worden ist, wird sie zu<br />
den ausgewählten Funktionen hinzugefügt. Der Planer erhält eine Übersicht welche<br />
funktionalen Bereiche seines Systems mit welchen Betriebsmitteln realisiert werden.<br />
In einer zweiten Sicht können die Komponenten alleine weiter modelliert werden.<br />
Hier besteht die Möglichkeit, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Komponenten<br />
zu beschreiben.<br />
13-12
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
Teilfunktion Elementarfunktion<br />
Zusammengesetzte<br />
Funktionen<br />
Handhaben<br />
VDI 2860<br />
Speichern Mengen Bewegen Sichern Kontrollieren<br />
verändern<br />
geordnetes<br />
Speichern<br />
Teilen<br />
Vereinigen<br />
Drehen<br />
Verschieben<br />
Halten<br />
Lösen<br />
Prüfen<br />
Verzweigen Schwenken Spannen Messen<br />
Bild 8: Teilfunktionen des Handhabens und deren Gliederung<br />
6.2 Systemdatenbank<br />
MATVAR<br />
Mit dem Zugriff auf die technische Datenbank soll der Planer bei Tätigkeiten, wie der<br />
Informationsbeschaffung unterstützt werden. Die Datenbank enthält Funktionen aus<br />
verschiedenen technischen Bereichen, z.B. aus der Handhabungs-, Roboter- und<br />
Montagetechnik. Zusätzlich ist es möglich, die einzelnen Funktionen mit Symbolen<br />
zu konkretisieren. Bei der Modellierung der Symbolfolge ist auf eine normgerechte<br />
Beschreibung geachtet worden, wobei die Datenbank auch eine benutzerdefinierte<br />
Schnittstelle bereitstellt. Mit der VDI-Richtlinie 2860 (VDI 1993) stehen Funktionen<br />
aus den Bereichen der Handhabungstechnik zur Verfügung. Darin werden die zusammengesetzten<br />
Funktionen Speichern, Mengen verändern, Bewegen, Sichern<br />
und Kontrollieren in Elementarfunktionen unterteilt. Diese sind in der Datenbank mit<br />
den entsprechenden Symbolen abgebildet.<br />
Der zweite Bereich der Systemdatenbank umfasst die Betriebsmittel. Hier sind die<br />
Betriebsmittel nach Gruppen geordnet gespeichert. Ein mehrstufiges Klassifizierungssystem<br />
ermöglicht die Auswahl von Betriebsmitteln nach den Kriterien Funktionserfüllung,<br />
Leistung, Wirtschaftlichkeit und Schnittstellenbeschreibungen. Die Datenbank<br />
kann vom Benutzer erweitert werden.<br />
13-13
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
2<br />
Komponenten-<br />
Struktur<br />
Statische Struktur<br />
(Aktoren)<br />
Anforderungen<br />
1<br />
Funktionsstruktur<br />
3 4<br />
möglich<br />
Laufrichtungswechsel<br />
(iteratives Vorgehen)<br />
Dynamisches<br />
Verhalten<br />
(StateMachine)<br />
MATVAR<br />
Bild 9: Durchgängiger iterativer Prozess zwischen der Analyse- und Konzeptionsphase<br />
6.3 Durchgängigkeit in den Phasen Analyse und Design<br />
Der vorgestellte Ansatz dient auch dazu, die informatorischen Schnittstellen zwischen<br />
den Teilsystemen zu modellieren. Deswegen sind Schnittstellen zwischen der<br />
Konzeptionsphase und der Analyse- und Designebene in der Softwareentwicklung<br />
im Entwicklungswerkzeug ausgebildet. Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Betrachtung ist die in<br />
Bild 9 dargestellte Vorgehensweise einer methodischen Analyse und Konzeption mit<br />
den beiden Sichten Verhalten und Struktur. Es wird zunächst die Funktionsstruktur<br />
aus den Anforderungen modelliert und im Anschluss daran die Komponentenstruktur.<br />
Aus der Komponentenstruktur können die einzelnen Komponenten auf der Designebene<br />
zu Aktoren modelliert werden. Die Aktoren werden auf der Designebene<br />
zu einem Feinkonzept modelliert, das das dynamische Verhalten der Komponenten<br />
in Form von Zustandsautomaten enthält.<br />
13-14
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
Bild 10: Benutzerschnittstelle des Werkzeuges<br />
6.4 Funktionalität des realisierten Werkzeuges<br />
MATVAR<br />
Die Methodik wurde in einem Planungswerkzeug realisiert. Es ist objektorientiert und<br />
läuft auf dem Windows NT Betriebssystem.<br />
Das entwickelte Rechnerwerkzeug unterstützt den dargestellten Planungsprozess in<br />
der Analyse und Konzeptphase und bietet neben grafischen Editiermöglichkeiten <strong>für</strong><br />
die Funktions- und Komponentenstruktur eine Datenbasis zur Ablegung des Systemwissens<br />
und Algorithmen, die die Identifizierung und Auswahl sowohl von Funktionen<br />
als auch Komponenten ermöglichen. Die grafische Oberfläche erlaubt die Verwendung<br />
von Symbolen und dadurch einen frühen Einstieg in die Planung ohne<br />
konkrete Produkt- und Betriebsmittelgeometrien. Zusätzlich zur grafischen Darstellung<br />
der Funktionsstruktur und der Komponentenstruktur werden die Zusammenhänge<br />
als Strukturbaum angezeigt. Der Entwickler erstellt dabei rechnergestützt ein<br />
grafisches Systemmodell. Es besteht die Möglichkeit, direkt zwischen der Funktionsstruktur<br />
und der Komponentenstruktur umzuschalten. Die Funktionsstrukturansicht<br />
erlaubt die Visualisierung der Zuordnung der Komponenten zu den Funktionen. Im<br />
Hintergrund befindet sich eine MS-Access Datenbank mit dem Entwicklungswissen.<br />
Hier sind die möglichen Funktionen, deren Darstellung und die Betriebsmittel gespeichert.<br />
Das Hauptfenster beinhaltet gemäß Bild 10 eine Menüleiste und eine Symbolleiste<br />
<strong>für</strong> die Verwaltung der Daten, eine Symbolleiste <strong>für</strong> die Erstellung der Funktions- und<br />
13-15
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
MATVAR<br />
Komponentenstrukturen, zwei Registerkarten mit der jeweiligen Baumstruktur <strong>für</strong> die<br />
Funktionen und Komponenten. Mit Hilfe des Menüpunktes File können Programme<br />
geladen, gespeichert und geschlossen werden. Der Menüpunkt Edit erlaubt das<br />
Ausschneiden, Kopieren und Einfügen von Funktionen und Komponenten. Mit Hilfe<br />
des Menüpunktes View können die Strukturen auf den beiden Editorarten vergrößert<br />
und verkleinert werden. Zusätzlich können die Symbolleisten und die Baumstrukturen<br />
ausgeblendet werden.<br />
Über die Registerkarten kann der Anwender zwischen Funktions- und Komponentenstruktur<br />
wechseln und in dem jeweiligen Baum durch Doppelklick mit der Maus<br />
den entsprechenden Editor öffnen.<br />
6.5 Einsatzbeispiel<br />
Das realisierte Planungswerkzeug wurde bei der Planung einer Anlage <strong>für</strong> die Montage<br />
von formlabilen Dichtungen im Bereich der Modellfabrik des iwb eingesetzt.<br />
Diese Anlage beinhaltet neben dem eigentlichen Fügeprozess eine Anzahl von<br />
Handhabungs- bzw. Transportvorgängen. Hier wurde der mehrstufigen Aufbau von<br />
hierarchischen Funktionsstrukturen zur Problemanalyse und Konzeption erprobt. Eine<br />
Betriebsmitteldatenbank mit dem Schwerpunkt im Bereich von Systemen <strong>für</strong> die<br />
Handhabungstechnik stellt die Wissensbasis <strong>für</strong> den Übergang vom funktionalen<br />
Modell zur Komponentenstruktur dar. Wie es sich bei der beschriebenen Anlage um<br />
ein modularisierbares System mit Funktionstrennung zwischen den Teilsystemen<br />
handelt, entfiel der Planungsschritt der physikalischen Wirkprinzipien zugunsten einer<br />
umfassenden Schnittstellenbeschreibung im Komponentensystem. Die Anlage<br />
ließ sich aus den Einzelkomponenten konfigurieren, indem die Betriebsmittel direkt<br />
den Funktionsblöcken zugeordnet wurden. Das abgeleitete Verhaltensmodell der<br />
Schnittstellen der Einzelmodule bot die Basis <strong>für</strong> die Entwicklung der Steuerungssoftware.<br />
13-16
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
7 Zusammenfassung<br />
MATVAR<br />
Im ersten Schritt wurden Materialflussschnittstellen hinsichtlich ihres Aufbaus ihrer<br />
Komponenten und ihrer Funktionsweise analysiert und daraus Anforderungen und<br />
Flexibilitätskriterien, sowie Schnittstellenparameter von Systemen im dynamischen<br />
Produktionsumfeld abgeleitet. Aufbauend auf diesen Ergebnissen, wurde eine Planungsvorgehensweise<br />
zur Ausbildung und Bewertung von Schnittstellensystemen in<br />
technischen Anlagen sowie eine darauf abgestimmte Beschreibungstechnik <strong>für</strong><br />
Systemkomponenten und deren spezifischen Eigenschaften erarbeitet. Die Beschreibungstechnik<br />
dient der Abbildung von systematisierten Informationen der<br />
Komponenten, um eine vereinheitlichte mechanische und steuerungstechnische<br />
Planung unter dem Gesichtspunkt der Minimierung der Aufwände <strong>für</strong> die Schnittstellenplanung<br />
zu unterstützen.<br />
Der beschriebene Ansatz der Planung mit Unterstützung durch ein Rechnerwerkzeug<br />
ermöglicht eine integrierte Systemplanung unter Berücksichtigung der mechanischen<br />
und steuerungstechnischen Systemschnittstellen. Grundlegender Baustein<br />
der hier<strong>für</strong> entwickelten Methodik ist eine kombinierte Analyse- und Konzeptionsphase.<br />
Diese basiert auf einem Systemmodell <strong>für</strong> Struktur, Geometrie und Verhalten,<br />
das von den verschiedenen Bereichen als gemeinsame Grundlage <strong>für</strong> die weitere<br />
Entwicklung verwendet werden kann. Das realisierte Konzeptionswerkzeug hilft dem<br />
Planer eines technischen Systems, unter Verwendung einer Wissensbasis und durch<br />
die Unterstützung von Bewertungsfunktionen softwaregestützt Konzeptentscheidungen<br />
zu treffen.<br />
13-17
Abschlussbericht (2000): MATVAR<br />
Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
8 Literatur<br />
MATVAR<br />
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Dürrschmidt, S.; Dohmen, W.: Wandlungsfähig im Layout. Logistik<br />
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Ehrlenspiel, K.: Integrierte Produkterstellung - Methoden <strong>für</strong> Prozessorganisation,<br />
Produkterstellung und Konstruktion. München: Carl Hanser,<br />
1995.<br />
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Eversheim, W.: Organisation in der Produktionstechnik - Band 1:<br />
Grundlagen. Düsseldorf: VDI-Verlag 1981.<br />
FRICKE 1985<br />
KORN 1996<br />
Fricke, W.: Rechnergestützte Planung von Übergabesystemen zwischen<br />
Transport und Fertigung. Fortschritt Berichte, VDI Reihe 2 Nr.<br />
106, Düsseldorf: VDI-Verlag, 1985.<br />
Korn, G. H.: Informationssysteme als Mittel der Entscheidungsfindung<br />
während des Produktentstehenungsprozesses. Essen: Vulkan 1996.<br />
RAASCH 1991<br />
Raasch, J.: Systementwicklung mit Strukturierten Methoden: Ein Leitfaden<br />
<strong>für</strong> Praxis und Studium. München: Hanser, 1991.<br />
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Dohmen, W.: Entwicklung von Produktionssystemen unter besonderer<br />
Berücksichtigung des Schnittstellenaspektes<br />
REFA 1987<br />
MATVAR<br />
REFA, Verband <strong>für</strong> Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V.<br />
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Carl Hanser, 1987. (Methodenlehre der Betriebsorganisation).<br />
REINHART & KÖHNE 1996<br />
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In: Gill, R. (Hrsg.); Syan, C. S. (Hrsg.): CAD/CAM Robotics and<br />
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REINHART U. A. 1999<br />
Reinhart, G.; Hirschberg, A.; Grunwald, S.: Turbulentes Umfeld zwingt<br />
Unternehmen zum Wandel. iwb newsletter 6 (1998) 4, S. 1-2.<br />
SCHNEIDER & GALLASCH 1997<br />
Schneider, B.; Gallasch, A.: Modellfabrik - viel mehr als ein Spielzeug.<br />
Die neue Fabrik 1997. mi-Sonderpublikation. Landsberg: Verlag moderne<br />
Industrie, 1997, S.18-19.<br />
TÖNSHOF & LANGE 1992<br />
Tönshoff, H.; Lange, V.: Fertigungsanlagen wissensbasiert entwerfen.<br />
ZwF 87/6, 1992, S. 314-318.<br />
VDI 1990<br />
VDI 1993<br />
VDI 1997<br />
WECK 1995<br />
VDI-Richtlinie 2860: Montage- und Handhabungstechnik; Handhabungsfunktionen,<br />
Handhabungseinrichtungen; Begriffe, Definitionen,<br />
Symbole. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1990.<br />
VDI-Richtlinie 2221: Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer<br />
Systeme und Produkte. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1993.<br />
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Entwickeln von Lösungsprinzipien. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1997.<br />
Weck, M.: Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme - Band 3.1 Automatisierungs-<br />
und Steuerungstechnik 1. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1995.<br />
WESTKÄMPER U. A. 1997<br />
Westkämper, E.; Briel, R.; März, L.: Planung in dynamischen Produktionssystemen.<br />
ZwF 92 (1997) 12, S. 639-642.<br />
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