23.05.2024 Aufrufe

Macht des Lichts (Fantasie)

Geboren um als Lichtwesen, die Finsternis zu bekämpfen,

Geboren um als Lichtwesen, die Finsternis zu bekämpfen,

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Leon feierte seinen dreizehnten Geburtstag. Er hatte dazu<br />

seinen besten Freund eingeladen. Leon war ein hübscher<br />

Junge. Die Mädchen schauten ihm nach und flüsterten hinter<br />

vorgehaltener Hand, dass sie gern mit ihm gehen würden.<br />

Seine schwarzen Haare trug er halblang, sie waren leicht<br />

gewellt und fielen ihm in die Stirn. Er war kräftig und groß für<br />

sein Alter. Seine ebenmäßigen Gesichtszüge wurden<br />

beherrscht von zwei grünen Augen, die immer wieder einmal<br />

einen seltsamen Ausdruck zeigten.<br />

Sein Freund trug den Namen Simon, ebenfalls dreizehn Jahre<br />

alt. Sie waren unzertrennlich. Simon schaute seinen Freund oftmals<br />

mit einem Ausdruck von Erstaunen im Gesicht an. Auch<br />

heute, an Leons Geburtstag sah Simon ihn an und etwas kam<br />

ihm merkwürdig vor. Leon schien von innen her zu strahlen.<br />

Was Simon sah, war Leons Aura. Sie erstrahlte in einem reinen<br />

Weiß. Simon sprach ihn darauf an und Leon lachte.<br />

„Ich strahle also. Dabei hatte ich noch nie Kontakt mit radioaktivem<br />

Material.“<br />

„Nein du Arsch, es ist ein anderes Strahlen. Es scheint aus dir<br />

heraus zu kommen. Von innen, verstehst du? Komm, stell dich<br />

einmal vor den Spiegel im Bad. Du müsstest es auch sehen<br />

können.“<br />

Sie verließen das Wohnzimmer und als Leon in den Spiegel<br />

sah, fuhr er zurück.<br />

„Liebe Güte, du hast recht. Was ist das und warum ist das so?“<br />

„Keine Ahnung. Vielleicht ist das eine Begleiterscheinung der<br />

Pubertät“? sagte Simon spöttisch.<br />

„Meinst du die anderen Menschen können es auch sehen? Das<br />

wäre nicht gut. Ich mag keine Aufmerksamkeit erregen.“<br />

Simon schaute aus dem Fenster und sagte hastig: „Es wird<br />

schon dunkel, ich muss nach Hause. Mein Alter bringt mich um,<br />

wenn ich zu spät komme.“<br />

„Ja dann musst du wohl gehen. Aber ich bitte dich erzähl niemandem<br />

von dem, was du heute gesehen hast.“<br />

„Ne mach ich nicht, kannst dich darauf verlassen.“<br />

Simon schloss die Haustür hinter sich und Leon rannte hinauf<br />

ins Bad, stellte sich vor den großen Spiegel und schaute faszi-<br />

2


niert auf sein Spiegelbild. Ein helles Licht umgab ihn. Etwa drei<br />

Zentimeter schimmernde Aura umgab ihn. Hastig entledigte er<br />

sich seiner Kleidung und stellte sich wieder vor den Spiegel. Ja,<br />

der Schein blieb. Plötzlich wurde die Tür <strong>des</strong> Ba<strong>des</strong> aufgerissen<br />

und eine dunkle Gestalt stand im Türrahmen. Ein schwarzer<br />

Umhang mit einer Kapuze, die sein Gesicht vollkommen verdeckte.<br />

Schon streckte er die Hand aus um nach ihm zu greifen,<br />

als sich aus dem Nichts eine Lichtgestalt zwischen ihm und<br />

der finsteren Gestalt stellte. Der Schwarzgekleidete wich<br />

zurück, die helle Gestalt folgte ihm. Beide lösten sich auf, nachdem<br />

sie die Türschwelle <strong>des</strong> Ba<strong>des</strong> überschritten hatten:<br />

Leon war verwirrt. Seine Augen irrten umher. Alles kam ihm<br />

fremd vor. Er kam auf den Boden der Tatsachen zurück, als die<br />

Stimme seiner Mutter ihn zurückholte.<br />

„Leon, was ist mit dir? Warum bist du nackt?“<br />

Leon griff sich den Bademantel seines Vaters und bedeckte<br />

seine Blöße.<br />

„Sprich mein Sohn, was ist hier geschehen? Ich hörte ein<br />

Zischen und es lag ein seltsamer Geruch in der Luft. Sag<br />

schon, was ist hier geschehen?“<br />

„Ich weiß es nicht Mama, ich weiß es wirklich nicht. Es begann<br />

damit, das ein helles Licht mich umgab. Kannst du es sehen?“<br />

„Nein Leon, ich sehen nichts um dich herum. Vielleicht war es<br />

ein böser Traum? Komm gehen wir herunter, aber bitte zieh dir<br />

vorher etwas an ja?“<br />

Sie ging hinaus und schloss leise die Tür zum Bad hinter sich.<br />

Einen Moment blieb sie stehen und ihre Augen nahmen einen<br />

gequälten Ausdruck an. Dann flüsterte sie:<br />

„Nicht jetzt schon, bitte nicht so schnell, er ist doch noch ein<br />

Kind.“<br />

3


Leon versuchte, nicht mehr an das Geschehene zu denken. Es<br />

gelang ihm nicht. Immer wieder ertappte er sich dabe,i wie er in<br />

jede spiegelnde Fläche schaute, ob sich der helle Schein<br />

wiederholen würde. Aber es geschah nichts mehr.<br />

Die Zeit verging und Leon dachte nur noch selten an die Aura,<br />

die ihn sichtbar umgeben hatte.<br />

Bis zu jenem Tag, als Leon und Simon sich zum Zocken bei<br />

Simon im Zimmer trafen. Sie spielten eine von jenen, von den<br />

Eltern, verbotenen Ego-Shootern, als es wieder geschah.<br />

Simon starrte Leon mit aufgerissenen Augen an und flüsterte:<br />

„Leon, es ist wieder da.“<br />

„Was ist wieder da?“<br />

„Schau auf deine Hand.“<br />

Bevor Leon reagieren konnte, wurde es dunkel im Raum.<br />

Dunkle Schwaden krochen am Boden entlang. Daraus erwuchs<br />

eine schwarze Gestalt, die aus Rauch zu bestehen schien.<br />

Simon verkroch sich zitternd unter dem Schreibtisch. Leon<br />

starrte mit aufgerissenen Augen auf die Gestalt, die näher kam.<br />

Aus dem dunklen Gesicht glühte zwei rotglühende Augen. Aus<br />

dem weit aufgerissenen Rachen züngelte eine gespaltene<br />

Zunge. Große Reißzähne wuchsen aus dem Oberkiefer, leicht<br />

nach hinten gebogen, wie die Giftzähne einer Schlange. Leon<br />

zitterte am ganzen Körper. Er streckte abwehrend die Hände<br />

aus. Seine rechte Hand, berührte die schwarze Gestalt, die<br />

daraufhin zurückgeschleudert wurde. Ein unmenschliches<br />

Heulen erfüllte die Luft. Ohrenbetäubend laut.<br />

Leon reagierte ohne nachzudenken ging er auf die Gestalt zu<br />

und fasste mit beiden Händen zu. Seine Hände wischten durch<br />

die Gestalt hindurch, aber er hatte Erfolg. Das Wesen löste sich<br />

auf und es wurde wieder hell im Raum. Leon sah auf seine<br />

Hände, die wieder völlig normal waren, kein Leuchten zu<br />

sehen.<br />

4


Simon kam unter dem Schreibtisch hervor. Leichenblass im<br />

Gesicht sagte er flüsternd:<br />

„Leon, was ist mit dir? Was war das? Wer war das? Wo kam<br />

das her? Wie hast du es gemacht, dass es verschwunden ist?“<br />

„Ehrlich, ich weiß es nicht und es macht mich verrückt“,entgegnete<br />

er.<br />

„Leon, spricht doch mal mit unserem Pfarrer. Das ist doch nicht<br />

normal was dir da passiert. Kannst dich an das erste Mal<br />

erinnern, las das Leuchten bei dir auftrat? Gleich darauf kam<br />

doch diese dunkle Gestalt ins Bad. Dann er schien eine Lichtgestalt<br />

und hat uns gerettet. Leon , ich glaube du bist verhext.“<br />

„So ein Quatsch. Aber ich werde zum Pfarrer gehen und zwar<br />

jetzt gleich. Kommst du mit? Vielleicht glaubt er mir nicht und du<br />

kannst im Erzählen, was geschehen ist.“<br />

„Dann lass uns jetzt gleich gehen“, sagte Simon eindringlich.<br />

„Außerdem, du leuchtest nicht mehr.“<br />

Als die beiden Jungen vor dem Pfarrhaus standen, verließ Leon<br />

der Mut.<br />

„Was ist, wenn er uns nicht glaubt?“<br />

Simon zuckte mit den Schultern und drückte seinen Zeigefinger<br />

auf den Klingelknopf. Hinter der Tür ertönte ein harmonisches<br />

Glockenspiel.<br />

Es dauerte nicht lange und eine ältere Frau öffnete die Tür,<br />

fragte freundlich nach, was die beiden Jungen wollten.<br />

„Dürfen wir bitte den Herrn Pfarrer sprechen“? sagte Simon<br />

schüchtern.<br />

5


„Na dann kommt mal rein, ich frag ihn mal, ob er Zeit hat.<br />

Warum schaut ihr denn so ängstlich? Der Herr Pfarrer beißt<br />

doch nicht.“<br />

Sie klopfte an eine Tür, die vom Flur abging und wartete bis ein<br />

grimmiges herein ertönte. Oh, es schien als habe der alte Pfarrer<br />

einen schlechten Tag erwischt. Die beiden Jungen wollten<br />

schon die Flucht ergreifen, als sie hörten wie der Pfarrer sagte:<br />

„Dann schick sie nur rein. Es kommt selten genug vor das sich<br />

von dem Jungvolk mal einer sehen lässt und nun kommen<br />

gleich zwei. Da bin ich aber neugierig.“<br />

Sie wurden hereingebeten und standen vor einem Mann, der an<br />

die zwei Meter maß und Hände hatte wie Kohlenschaufeln.<br />

Unwillkürlich musste Leon an Don Camillo aus dem Fernsehen<br />

denken.<br />

„Na kommt, schaut nicht so belämmert. Was treibt euch her?“<br />

Simon fand als erster sein Gleichgewicht wieder und sagte<br />

leise:<br />

„Der Leon leuchtet.“<br />

„Was macht der Leon?“<br />

Nun sprudelte es heraus aus den Jungen und der Pfarrer<br />

schnappte zeitweise nach Luft. Als die beiden ausgeredet<br />

hatten schickte der Pfarrer Simon nach Hause.<br />

„Leon, komm mit in die Kirche, ich möchte etwas sehen.“<br />

Gehorsam folgte Leon dem Pfarrer in die kleine Kirche. Am<br />

Altar angekommen, drehte sich der Pfarrer um und sagte:<br />

„Lege deine Hand auf die Statue <strong>des</strong> Erzengels Michael und<br />

schwöre, dass du mich nicht belogen hast.“<br />

Leon trat an die Figur heran, aber bevor er seine Hand auf die<br />

Statue legen konnte, senkte sich aus der Kirchenkuppel ein<br />

<strong>Lichts</strong>trahl herunter und hüllte beide ein. Die Figur <strong>des</strong> Erzengels<br />

hob sein Schwert und senkte die Spitze in die geöffnete<br />

Handfläche <strong>des</strong> Leon. Leon schrie auf und wollte seine Hand<br />

zurückziehen, aber es war ihm nicht möglich. Als das Licht endlich<br />

erlosch, kam der Pfarrer auf Leon zu, packte <strong>des</strong>sen Hand<br />

und schaute in die Handfläche.<br />

Er fiel auf die Knie und sprach ein Gebet mit gesenktem Kopf.<br />

Leon schaute ebenfalls auf seine Handfläche. Dort war das Bild<br />

eines Schwertes eingebrannt und strahlte in einem reinen<br />

weißen Licht. Sobald er die Hand schloss erlosch das Licht.<br />

6


Als der Pfarrer sich wieder gefasst hatte, nahm er Leon bei der<br />

Hand und sagte:<br />

„Ich muss mit deiner Mutter sprechen. Komm, ich bringe dich<br />

nach Hause.<br />

Der Pfarrer bat Leons Mutter um ein Gespräch. Sie wollte Leon<br />

in sein Zimmer schicken, aber der Pfarrer sagte:<br />

„Nein, lass ihn ruhig hier.“<br />

„Nein sagte seine Mutter, denn ich habe ihnen auch etwas zu<br />

sagen und ich will nicht, dass mein Kind etwas erfährt, mit dem<br />

es noch nicht umgehen kann.“<br />

„Frau“, sagte der Kirchenmann, „Frau lass dir gesagt sein, er<br />

muss das jetzt erfahren und zwar schnell.“<br />

„Herr Pfarrer, er ist doch noch ein Kind und den finsteren Mächten<br />

noch nicht gewachsen. Bitte, ich werde es ihm sagen, wenn<br />

es Zeit ist.“<br />

„Nein du dummes Weib. Wenn er es jetzt nicht erfährt, ist er<br />

nicht bereit, zu reagieren, wenn er angegriffen wird. Schau in<br />

die Handfläche seiner rechten Hand. Na los, mach schon.“<br />

Leons Mutter nahm seine Hand und das, was sie sah, raubte<br />

ihr die Sinne. Geistesgegenwärtig fing der Pfarrer sie auch und<br />

legte sie auf das Sofa. Dann wendete er sich Leon zu und<br />

sagte:<br />

„Komm setz dich. Schau mich nicht so angstvoll an, du hast<br />

keinen Grund, Angst zu haben. Der Herr <strong>des</strong> Universums hat<br />

dich gezeichnet. Du bist ein Auserwählter die Dunkelheit zu<br />

bekämpfen. So wie dein Vater vor dir.“<br />

„Mein Vater? Ich kenne ihn nicht. Mutter sagte immer, er arbeitet<br />

für die Regierung als Geheimagent und damit er uns nicht in<br />

Gefahr bringt, kann er uns nicht besuchen.“<br />

„Eine fromme Lüge von deiner Mutter. Aber sicher hast du<br />

deinen Vater schon oft gesehen. Denn er war immer dann da,<br />

wenn dir etwas böses widerfahren sollte.“<br />

7


Kaum hatte der Priester seinen Satz beendet, als mitten im<br />

Raum, wie aus dem Nichts, die Gestalt eines Mannes erschien.<br />

Der Mann wurde von einem hellen Licht eingehüllt und sagte:<br />

„Sohn, es wird Zeit, dein Erbe anzutreten. Du bist zwar noch<br />

recht jung, aber die Gegenseite hat Wind von dir bekommen<br />

und lauert nur darauf, dir zu schaden. Deshalb werde ich dich<br />

von hier mitnehmen und dich in einem Buddistischen Kloster im<br />

Nepal unterbringen. In diesem Moment kam Leons Mutter<br />

wieder zu sich und hatte den letzten Satz mitbekommen.<br />

„Nein“, schrie sie.<br />

Der Mann drehte sich zu ihr um und sagte:<br />

„Sei nicht egoistisch. Wenn ich ihn hier lasse, schadet es ihm<br />

nur.“<br />

Die Frau sprang auf die Füße und rief schrill: „Wer bist du, das<br />

du meinst, mir meinen Sohn zu nehmen?“<br />

Der Pfarrer mischte sich ein. Nahm die Mutter <strong>des</strong> Jungen am<br />

Arm und hielt sie fest.<br />

„Frau, sei unbesorgt, dieser Mann ist ein Gesanter <strong>des</strong> Universums<br />

Du hast mit Erfolg seine Herkunft verdrängt. Das war ein<br />

Fehler von dir. Lass deinen Sohn ziehen, es wird ihm kein Leid<br />

geschehen. Er wird eine Ausbildung bekommen, die es ihm<br />

ermöglicht, das Böse immer und überall bekämpfen zu können.<br />

Jetzt nimm Abschied von ihm und gib ihm deinen Segen.<br />

Leons Mutter trat zu ihrem Jungen, nahm ihn in die Arme und<br />

sagte:<br />

„Ja, ich segne dich. Du wirst das Erbe deines Vaters antreten.<br />

Denke ab und zu an mich und nun geh“, sagte sie mit Tränen in<br />

den Augen.<br />

Die Lichtgestalt wischte mit der Hand durch die Luft und beide<br />

verschwanden aus dem Zimmer, als wären sie nie dagewesen.<br />

Zurück blieben der alte Pfarrer und Leons Mutter.<br />

„Weine nicht Frau, du weißt es ist das Beste für deinen Sohn<br />

und du weißt es. Du weißt es schon lange und hattest Zeit, dich<br />

darauf vorzubereiten. Du hast es nicht getan und <strong>des</strong>halb trifft<br />

es dich so hart. Komm, trockne deine Tränen.<br />

8


Leon war im Kloster der Mönche angekommen. Alles was<br />

fremd und es plagte ihn das Heimweh. Die Mönche nahmen ihn<br />

herzlich auf. Der Mann, der ihn ins Kloster gebracht hatte,<br />

nahm Leon noch einmal bei Seite und sagte:<br />

„Lerne Leon, lerne, bis du bereit dazu bist, in die Fußstapfen<br />

deines Vaters zu treten. Er wäre stolz auf dich.“<br />

„Ich habe so viele Fragen und niemand will sie mir anscheinend<br />

beantworten. Auch du nicht. Ich weiß nicht einmal, wer oder<br />

was du bist. Ich habe Angst. Angst was die Zukunft mir bringt.<br />

Kannst du das nicht verstehen?“<br />

„Ja, ich verstehe dich und ich denke, du hast ein Recht zu<br />

erfahren, was du bist, wer du bist. Du Leon bist der Sohn eines<br />

Engels. Es war nie geplant, dass du geboren werden solltest.<br />

Aber dein Vater liebte deine Mutter sehr. Dabei hat er aber<br />

gegen eine Regel <strong>des</strong> Universums verstoßen. Er musste auf<br />

dich achtgeben, dass dir nichts geschieht, denn du kannst<br />

nichts für die Fehler deiner Eltern. Mich hast du auch schon<br />

gesehen. Mir verdankst du das Mal in deiner Handfläche. Mit<br />

diesen Worten verwandelte sich der Mann in ein Lichtwesen mit<br />

einem Schwert in der rechten Hand.<br />

Leon musste vor der Helligkeit <strong>des</strong> weißen <strong>Lichts</strong> seine Augen<br />

abwenden.<br />

„Dann bist du Michael? Der Heerführer der Streitkräfte <strong>des</strong> Himmels?<br />

Michael lächelte und langsam verblasste er, bis nichts mehr von<br />

ihm zu sehen war.<br />

Ein Mönch betrat den Raum und verbeugte sich vor Leon.<br />

„Komm mit mein Sohn und iss mit uns zu Abend. Du bist der<br />

Abgesandter <strong>des</strong> Universums und es ist für uns eine Ehre, dich<br />

unterrichten zu dürfen.“<br />

„Bitte verbeug dich nicht vor mir. Es ist mir peinlich. Du bist<br />

soviel älter als ich und ich sollte mich vor dir verbeugen.“<br />

9


Der Mönch lächelte und bedeutete, ihm zu folgen. Sie liefen<br />

durch lange Gänge und betraten einen großen Raum, in<br />

<strong>des</strong>sen Mitte eine lange Tafel stand, an der wohl zwei dutzend<br />

Mönche Platz genommen hatten. Als sie eintraten, standen sie<br />

auf, drehten sich in Leons Richtung und verbeugten sich. Ein<br />

alter Mann am Kopfende der Tafel winkte Leon zu sich und<br />

sagte:<br />

„Hier wird dein Name Jigme sein. Er bedeutet „Unerschrocken“<br />

und wird dich daran erinnern, stark zu sein, bei allen Herausforderungen,<br />

die dir begegnen werden. Nun setze dich an den<br />

Platz, der leer ist und schließe den Ring der hier Anwesenden.<br />

Dieser Platz ist seit Jahrhunderten immer leer geblieben. Die<br />

Prophezeiungen haben dich angekündigt und Anweisung<br />

gegeben, den Platz für dich freizuhalten.“<br />

So begann die strenge Ausbildung unter der Führung von<br />

weisen Mönchen.<br />

Sein Tag beginnt vor Sonnenaufgang mit Meditationen, die ihm<br />

helfen, seinen Geist zu klären und sich auf die innere Reise zu<br />

konzentrieren. Die Mönche lehren ihn, wie man durch Achtsamkeit<br />

und Konzentration das Licht in seinem Inneren findet und<br />

nährt.<br />

Jigme lernt, in der Meditation tief in sich selbst einzutauchen.<br />

Die Mönche zeigen ihm, wie er seine Gedanken beobachten<br />

kann, ohne sich von ihnen mitreißen zu lassen. Er übt, im<br />

Moment zu leben und jede Handlung mit voller Aufmerksamkeit<br />

auszuführen.<br />

Neben geistiger Schulung ist auch die körperliche Disziplin entscheidend.<br />

Jigme praktiziert täglich Yoga und Kampfkunst, um<br />

seinen Körper zu stärken und seine Energie zu kanalisieren.<br />

Die Mönche lehren Jigme auch, wie wichtig es ist, der Gemeinschaft<br />

zu dienen. Er hilft bei der Zubereitung von Mahlzeiten,<br />

der Instandhaltung <strong>des</strong> Klosters und unterstützt die Älteren und<br />

Kranken. Mit jeder Lektion, jedem Mantra und jeder Handlung,<br />

die im Dienste anderer ausgeführt wird, wächst Jigme in seiner<br />

spirituellen Reise. Er lernt, dass ein Lichtwesen zu sein nicht<br />

nur bedeutet, selbst zu leuchten, sondern auch anderen den<br />

Weg zu erhellen.<br />

Nach Jahren der strengen Ausbildung und tiefen spirituellen<br />

Praxis stand Jigme am Ende seiner Lehrzeit im Kloster. Er war<br />

10


nicht mehr der Junge, der einst durch die Tore <strong>des</strong> Klosters<br />

getreten war; er war zu einem Mann geworden, <strong>des</strong>sen inneres<br />

Licht so hell strahlte, dass es die Dunkelheit um ihn herum zu<br />

durchdringen schien.<br />

So endete Jigmes Zeit im Kloster, aber seine wahre Mission<br />

hatte gerade erst begonnen. Als ein Lichtwesen, ausgebildet in<br />

den alten Wegen und voller Mitgefühl für alle Wesen, trat er<br />

mutig in eine Welt, die seine Gabe mehr denn je brauchte.<br />

In der Dämmerung eines neuen Tages, als die ersten Strahlen<br />

der Sonne die Gipfel <strong>des</strong> Himalayas küssten, stand Jigme<br />

seiner größten Herausforderungen gegenüber: dem Kampf<br />

gegen eine Gestalt der Finsternis.<br />

Die Gestalt war eine Verkörperung von Gier, Hass und<br />

Unwissenheit, die sich in einem Schleier aus Schatten hüllte.<br />

Sie tauchte plötzlich vor Jigme auf, ihre Augen glühten wie<br />

Kohlen im Dunkeln. Die Luft um sie herum schien zu flimmern,<br />

als würde die Realität selbst vor ihrer bösen Präsenz zurückweichen.Jigme<br />

blieb ruhig. Er schloss seine Augen und atmete<br />

tief ein. Er erinnerte sich an die Lehren seiner Meister, an die<br />

Meditationen und Mantras, die ihn gestärkt hatten. Als er seine<br />

Augen wieder öffnete, war sein Blick fest und sein Herz frei von<br />

Furcht.<br />

Die Gestalt griff mit Klauen an, die aus der Dunkelheit selbst zu<br />

sein schienen, aber Jigme wich geschickt aus. Er rezitierte<br />

Mantras, die wie <strong>Lichts</strong>trahlen durch die Dunkelheit schnitten.<br />

Je<strong>des</strong> Wort war ein Schwert, das gegen die Schatten kämpfte.<br />

11


Er wusste, dass er die Gestalt nicht mit physischer Kraft allein<br />

besiegen konnte. Er musste ihr mit der Reinheit seines Geistes<br />

und der Stärke seines Willens entgegentreten. Er konzentrierte<br />

sich auf das Licht in seinem Herzen, ließ es heller und stärker<br />

werden, bis es die Dunkelheit um ihn herum zu erleuchten<br />

begann.<br />

Mit einem letzten kraftvollen Mantra ließ Jigme das Licht aus<br />

seinem Herzen strömen. Er hielt seine rechte Handfläche mit<br />

dem Mal <strong>des</strong> Erzengels, dem Geist der Finsternis entgegen. Es<br />

umhüllte die Gestalt der Finsternis, durchdrang sie und löste sie<br />

auf. Die Dunkelheit wich zurück, und die Gestalt verschwand,<br />

als hätte sie nie existiert.Als der Kampf vorbei war, stand Jigme<br />

allein da, umgeben von der Stille <strong>des</strong> erwachenden Tages. Er<br />

erkannte, dass der wahre Kampf nicht gegen die Gestalt der<br />

Finsternis geführt wurde, sondern gegen die Dunkelheit in den<br />

Herzen der Menschen. Sein Sieg war ein Symbol der Hoffnung,<br />

ein Beweis dafür, dass Licht immer die Dunkelheit überwinden<br />

kann.<br />

Er setzte seinen Weg fort, gestärkt durch die Gewissheit, dass<br />

kein Schatten zu tief ist, als dass er nicht vom Licht durchdrungen<br />

werden könnte. Seine Reise war noch lange nicht zu Ende,<br />

aber jeder Schritt war ein Schritt näher an der Erleuchtung, für<br />

sich selbst und für die Welt.<br />

Als Leon, nun bekannt als Jigme, nach vielen Jahren der<br />

Abwesenheit in sein Heimatdorf zurückkehrte, fand er es in<br />

einem Zustand der Unruhe vor. Die Finsternis hatte sich wie ein<br />

kalter Schleier über das Land gelegt und drohte, alles zu verschlingen,<br />

was ihm lieb und teuer war.<br />

12


Leon betrat das Dorf bei Einbruch der Dämmerung, als die letzten<br />

Sonnenstrahlen hinter den Bergen verschwanden. Die<br />

Häuser waren dunkel, die Straßen verlassen, und eine bedrückende<br />

Stille lag in der Luft. Doch in der Ferne sah er ein<br />

schwaches Licht – das Licht, das aus dem Fenster <strong>des</strong> Hauses<br />

schimmerte, in dem seine Mutter lebte.<br />

Als er näher kam, spürte Leon eine dunkle Präsenz. Die Finsternis<br />

hatte sich in das Haus geschlichen, in dem seine Mutter<br />

wohnte, und umklammerte ihr Herz mit eisigen Fingern. Sie lag<br />

auf ihrem Lager, ihr Atem flach, ihr Gesicht gezeichnet von<br />

Schmerz und Angst.<br />

Leon wusste, dass er schnell handeln musste. Er kniete sich<br />

neben seine Mutter und legte seine rechte Hand, mit dem Mal<br />

<strong>des</strong> Erzengels Michael sanft auf ihre Brust. Er begann, ein<br />

tiefes, heilen<strong>des</strong> Mantra zu singen, <strong>des</strong>sen Melodie älter war<br />

als die Berge selbst. Das Mantra war ein Ruf an das Licht, ein<br />

Befehl an die Dunkelheit, sich zurückzuziehen.<br />

Mit jedem Wort <strong>des</strong> Mantras begann das Zimmer heller zu<br />

werden. Das Licht, das von Leon ausging, war rein und stark.<br />

Es durchdrang die Finsternis, löste sie auf und füllte den Raum<br />

mit einer Wärme, die das Herz berührte.<br />

Leons Mutter begann tiefer zu atmen, und die Farbe kehrte in<br />

ihr Gesicht zurück. Die Dunkelheit, die sie angegriffen hatte,<br />

wich zurück und löste sich in nichts auf. Leon hielt ihre Hand,<br />

und als sie ihre Augen öffnete, erkannte sie in ihm nicht nur<br />

ihren Sohn, sondern auch das Lichtwesen, das er geworden<br />

war.<br />

Es gab Tränen der Freude und <strong>des</strong> Wiedersehens. Leons<br />

Mutter wusste, dass ihr Sohn viele Prüfungen bestanden hatte,<br />

um zu dem zu werden, der er jetzt war. Sie fühlte sich geehrt,<br />

dass er sein Licht und seine Liebe mit ihr teilte und sie vor der<br />

Dunkelheit bewahrte.<br />

Leon verbrachte die Nacht an der Seite seiner Mutter, wachte<br />

über sie, während sie schlief. Er war dankbar für die Kraft und<br />

Weisheit, die ihm das Kloster gegeben hatte, und für die<br />

Gelegenheit, seine Mutter zu retten und ihr Licht in einer Zeit<br />

der Dunkelheit zu sein.<br />

So wurde Leon, der einst das Kloster als Jigme verlassen hatte,<br />

zum Hüter seines Dorfes und zum Symbol der Hoffnung für alle,<br />

13


die in der Finsternis verloren waren. Seine Reise war ein<br />

Beweis dafür, dass selbst in den dunkelsten Zeiten das Licht<br />

der Liebe und <strong>des</strong> Mitgefühls immer einen Weg finden wird.<br />

14

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!