S E N S W E R T - W. I. S.
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2<br />
JUNI 2010<br />
Staub im Getriebe oder wie Asche die Welt verändert<br />
Diesen Tag und die nachfolgenden werden<br />
die Mitarbeiter am Flughafen Köln/Bonn<br />
so schnell nicht vergessen. Als die ersten<br />
Nachrichten über das absolute Flugverbot in<br />
Deutschland liefen, haben viele noch an einen<br />
Aprilscherz geglaubt. Ursache sei ein Vulkanausbruch<br />
auf Island? Der Name des Vulkans<br />
brach auch geübten Nachrichtensprechern<br />
fast die Zunge... das alles klang seltsam und<br />
amüsant! Doch die Situation, das zeigte sich<br />
schnell, war alles andere als lustig.<br />
Konsequenzen für den Flughafen: 4 Tage volle<br />
Sperrung des Luftraums inklusive (nahezu)<br />
komplettem Ausfall aller Flüge. Verlust von<br />
etwa 170.000 Passagieren. Ausfall von 1.700<br />
Starts und Landungen. Einnahmeverlust von<br />
rund 3 Mio. €. Die Geschäfte hatten weitestgehend<br />
geschlossen, der Sicherheitsbereich war<br />
zu. An einem durchschnittlichen April-Tag hat<br />
der Airport normalerweise etwa 20.000 Passagiere.<br />
Eyjafjallajökull<br />
Sicherheit iSt unSere Verantwortung.<br />
Der Vulkanausbruch und seine Folgen für den Flughafen Köln/Bonn<br />
Der Vulkan heißt Eyjafjallajökull. Das Island<br />
(Eisland) seinem Namen nicht an jedem Ort<br />
der Insel gerecht wird, ist ja bekannt. Auf der<br />
Insel mitten im Nordatlantik geht es an einigen<br />
Orten heiß her und das gilt nicht nur für<br />
Bankgeschäfte. Heiße Quellen brodeln fleißig<br />
und dann eben auch die Vulkane. Die Redakti-<br />
Alle Flüge wurden gecancelt<br />
on wollte wissen, wie es Menschen geht, wenn<br />
plötzlich nichts mehr geht. Deshalb haben wir<br />
uns mit Heinz Berta, dem Leiter der Betriebsstätte<br />
AVIATION am Flughafen Köln/Bonn unterhalten.<br />
Redaktion: Herr Berta, wenn Sie Aschewolke<br />
hören, werden Sie dann unruhig?<br />
Heinz Berta: Und ob, Aschewolke oder die<br />
Nachricht, dass ein Flughafen mal wieder dicht<br />
ist, das sind für mich inzwischen Reizworte.<br />
Besonders unangenehm, denn niemand kann<br />
verbindlich sagen, wie lange diese Wolke den<br />
Luftverkehr noch behindern wird und welcher<br />
Teil des Luftraums betroffen ist.<br />
Redaktion: Wie war das, als die erste Sperrung<br />
erfolgte?<br />
Heinz Berta: Na ja, im Großen und Ganzen<br />
waren die meisten am Flughafen erstmal<br />
sprachlos. So etwas hatte ja noch niemand<br />
zuvor erlebt. Und in den ersten Stunden fehlte<br />
vielen von uns auch die Fantasie, sich die<br />
Auswirkungen in ihren ganzen Dimensionen<br />
vorzustellen. Ein Streik, das ist ein Ereignis, auf<br />
Die Abfertigungshalle am Flughafen Köln/Bonn war menschenleer<br />
das man sich vorbereiten kann, aber gegen die<br />
Kräfte der Natur, da sind wir alle machtlos.<br />
Redaktion: Wie hat sich der Arbeitsalltag<br />
gestaltet?<br />
Heinz Berta: Alltäglich war von einer Minute<br />
zur anderen nichts mehr. Ich glaube, dass ich<br />
in meinem ganzen Berufsleben noch nie an so<br />
vielen Konferenzen teilgenommen habe, wie in<br />
dieser Zeit. Stündlich gab es Treffen oder Telefonate<br />
mit Martin Lederer, dem Leiter der Flughafensicherheit.<br />
Die Informationen und damit die<br />
Ausgangssituation für den Luftverkehr wechselten<br />
ebenso schnell, wie die Wolken am Himmel.<br />
Nur die Aschewolke blieb. Mal konnten wir davon<br />
ausgehen, dass der Flugbetrieb in zwei Stunden<br />
wieder aufgenommen werden kann, doch 30 Minuten<br />
später lautete die Weisung Vollsperrung.<br />
Die Informationen änderten sich ständig.<br />
Redaktion: Also eine Extrem-Situation?<br />
Heinz Berta: Ja, in Folge der wechselnden Informationen<br />
habe ich natürlich ständig mit meinen<br />
Schichtleitern und diese mit unseren Mitarbeitern<br />
telefonieren müssen. Sie mussten ja<br />
wissen, sollen sie arbeiten oder gibt es erstmal<br />
nichts zu tun. Im Rückblick habe ich das Gefühl,<br />
dass wir ständig telefoniert haben.<br />
Redaktion: Sie haben ja insgesamt 60 Mitarbeiter,<br />
hatten die plötzlich alle nichts zu tun?<br />
Heinz Berta: Nein, nicht ganz. Die Position<br />
der Schichtleiter und der Luftsicherheits-<br />
kontrollkräfte in der Fracht war, wie immer,<br />
24 Stunden besetzt. Auch die Objektsicherung<br />
der Großbaustelle für einen großen US-Carrier<br />
ist von den Flugausfällen nicht betroffen gewesen.<br />
Aber der Rest meiner Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter, die zum Beispiel für die Bordkartenkontrollen<br />
zuständig sind, saß neben<br />
dem Telefon auf Abruf.<br />
Redaktion: Am Flughafen ist ja normalerwei-<br />
se rund um die Uhr was los. Wie war das in<br />
dieser Zeit?<br />
Heinz Berta: Es war ruhig, richtig ruhig. Keine<br />
Flugzeuggeräusche, keine Ansagen, kein Stimmengewirr<br />
oder klappern von Anzeigentafeln.<br />
Die Geschäfte hatten keine Kundschaft und die<br />
Restaurants keine Gäste. Die Fassade befand<br />
sich im Dornröschenschlaf, hinter den Kulissen<br />
glühten die Leitungen und wuchs die Anspannung<br />
ebenso wie die Hoffnung, dass der Betrieb<br />
bald wieder starten wird.<br />
Redaktion: Gab es auch Menschen die am<br />
Airport gestrandet sind?<br />
Heinz Berta: Nicht sehr viele, dem Flughafen<br />
Sämtliche Flugzeuge mussten am Boden bleiben<br />
und den Airlines ist es gelungen, die Passagiere<br />
rechtzeitig zu informieren. Aber einige mussten<br />
dann doch ihre „Zelte“ am Flughafen aufschlagen.<br />
Alle Fotos auf dieser Seite: Quelle Köln/Bonn Airport<br />
Redaktion: Hatten Sie Mitleid?<br />
Heinz Berta: Natürlich, denn wer möchte so<br />
schon warten. Ich hab oft gedacht, dann lieber<br />
auf Mallorca in einem Hotel festsitzen. Deshalb<br />
haben wir uns auch alle sehr gefreut, als der<br />
1. FC Köln diese Menschen zu einem Heimspiel<br />
eingeladen hat. Das war wenigstens etwas Abwechslung.<br />
Redaktion: Herr Berta, wie sieht Ihr persön-<br />
liches Fazit aus?<br />
Heinz Berta: Über die Schäden und Verluste,<br />
die insgesamt für Flughäfen und Betriebe entstanden<br />
sind, mag ich gar nicht nachdenken. Der<br />
Begriff „himmlische Zeichen“ hat für mich eine<br />
neue Bedeutung gewonnen. Als ich nach tagelangem<br />
Warten das erste Flugzeug am Horizont<br />
erblickte, da war es, als hätte mir ein Glückstern<br />
entgegen geblinkt.<br />
Redaktion: Herr Berta, vielen Dank für das<br />
Gespräch.<br />
Redaktion